PUBLICATION "ZEITSCHRIFT FUR NATURFORSCHUNG"
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CIA-RDP83-00415R000700040006-3
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RIPPUB
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R
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82
Document Creation Date:
December 14, 2016
Document Release Date:
April 12, 2002
Sequence Number:
6
Case Number:
Publication Date:
March 3, 1948
Content Type:
REPORT
File:
Attachment | Size |
---|---|
CIA-RDP83-00415R000700040006-3.pdf | 7.55 MB |
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25X1
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INFORMATION REPORT
rRelease 2002/08/14: C
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COUNTRY Germany
SUBJECT Publication
25X1
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ACQUIRED
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ACQUIRED
"Zeitschrift ftir Naturforschung"
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July-August 1947
37906
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TRUE
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JUDGED
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2.
3.
4.
5.
6.
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1. Attached is one copy of the July August 1947 issue of the
"Zeitschrift fftr Naturforschung". It is requested that this be forwarded
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Band 2b
Anorganisehe, erganisohe and biologische Chemie, Botanik, Zoologie
and verwandte Gebiete
Inhalt von Heft 7/8 Seite
Originalmitteilungen
VIber die Spaltung des Tabakmosaikvirus and die Wiedervereinigung der
Spaltstticke zu hohermolekularen Proteinen. II. Versuche zur Wiederver-
einigung der Spaltstiicke . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Von Gerhard Schramm
LTher Filme and Mischfilme von la.ngkettigen dibasischen Estern . . . . . 258
Von Hans Joachim Trurnit
Ein Schubmesser fur monomolekulare Filme . . . . . . . . 267
Von Hans Joachim Trurnit
Verformung and Rekristallisation b'ei gittergeordneien hochpolymeren Stoffen 275
Von Erwin Steurer
tYber die Einwirkung von Phenolkorpern auf Faserkeratine . . . . . . . 286
Von Helmut Zahn
Verhalten transplantierter Ringdrttsen ?letaler" Drosophila-Larven . . . . 292
Von Marguerite Vogt
LTntersuchungen iiber basophile Plasmastrukturen . . . . . . . . . . 295
Von Angela Nolte
t7ber den Einflul3 der Kopulation auf die Eiproduktion and Eiablage von
Schmetterlingsweibchen . . . . . . . . . . . . . . . ... 301
Von Herbert Brandt
Spontane Mutabilitat bei Bacterium prodigiosum . . . . . . . . . . . 308
Von Reinhard Kaplan
tVber morphologische Geschlechtsunterschiede hei Valerians dioica . . . . 313
Von Franz Moewus
Berichte
Vber die Struktur der bei Vogeln vorkommenden Porphyrine . . . . . 316
Von Otto V61ker
Buchbesprechungen . . . . . . . . ... . . . . . . . 318
Gerhard S c h r a m m, 27. 6. 1910, Yokohama: Hans Joachim T r u r n i t , 8. 6. 1907, Essen; Erwin
S t e u r e r , 18. 12. 1912, Kiel; Helmut Z a h n . 13. 6. 1916, Erlangen; Marguerite V o g t , 19. 2. 1913,
Berlin; Herbert B r a n d t, 31.1.1910, Neukloster (Mecklenburg); Reinhard K a p l a n . 30.8.1912,
Glauchau; Franz M o e w u s , 7. 12. 1908, Berlin; Otto V 6 1 k e r , 22. 9. 1907, Heidelberg; Wilhelm
S i m o n i s. 25. 9. 1909, Neubrandenburg; Georg M e 1 c h e r s, 7. 1. 1906, Cordingen; Hans Hermann
Web e r . 17. 6. 1896. Berlin-Charlottenburg; Angela N o I t e . 6. 3. 1922, Wambeln, Krs. Unna.
Band 2a
,enthalt Arbeiten aus der Astrophysik, Physik and physikatischen Chemie
Um Beachtung der Anderungen auf der 3. Umschlagseite wird gebeten
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Ober die Spaltung des Tabakmosaikvirus
and die Wiedervereinigung der Spaltstucke zu hohermolekularen Proteinen
II. Versuche zur Wiedervereinigung der Spaltstucke
Von GERHARD SCHRAMM
Aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut fur Biochemie, Abtlg. fur Virusforschung, Tubingen
(Z. Naturforschg. 2b, 249-257 [1947]; eingegangen am 23. Dezember 1946)
Die Spaltprodukte des Tabakmosaikvirus lassen sich wieder zu hohermolekularen Pro-
teinen vereinigen. Mit steigender H-Ionen-Konzentration andert sich sprunghaft die GroBe
der Aggregate. Es wurden Versuche mit den verschiedenen Spaltproteinen angestellt.
Aus dem kleinsten nucleinsaurefreien Bruchstuck (Mol.-Gew. 120000) entsteht zunachst
ein sehr einheitliches Polymerisat mit dem dreifachen 111olekulargewicht durch lineare
A nlagerung. Bei hoherer H-Ionen-Konzentration entstehen vier weitere Polymerisations-
stufen, z. Ti. nebeneinander, die nicht sehr einheitlich sind. Das bei pg 6,5 auftretende
Aggregat ist in der Grope and Gestalt dem ursprunglichen Virus sehr ahnlich. Mit dem
nucleinsaurehaltigen Bruchstuck vom Molekulargewicht 360000 werden die gleichen
Aggregationsstufen erhalten. Das.Spaltprotein vom Mol.-Gew. 7000000 aggregiert zu-
nachst einheitlich zu Doppelmolekulen, aus denen wieder hohere Polymerisate gebildet
werden konnen, die nicht einheitlich sind.
Es gelingt nicht, durch die Wiedervereinigung der Bruchstticke die Aktivitat des ur-
epriinglichen Virus wiederherzustellen.
Die Frage nach der Ursache der bier vorliegenden auswahlenden Polymerisation wird
erortert and die Bedeutung der Versuche fur die biologische Entstehung des Virus dis-
kutiert.
I m ersten Teil dieser Arbeit1 wurde caber die
Eigenschaften der beim Zerfall des Tabak-
mosaikvirus (T111V) auftretenden Spaltkompo-
nenten berichtet. Es war bereits friiher beobach-
tet worden2, daB bestimmte Bruchstiicke, namlich
die nucleinsaurefreien and die nucleinsaurehal-
tigen Komponenten vorn Molekulargewicht 360 000,
wieder zu einem physiologisch inaktiven Protein
zusammentreten konnen, das in seiner GroBe and
Gestalt dem TIUV sehr ahnlich ist. Diese Reak-
tion wurde seitdem naher untersucht, die auftre-
tenden Zwischenstufen charakterisiert and die
Resynthese auch mit einigen der neu aufgefun-
denen Spaltkomponenten versucht.
1. Versuche mit dem nucleinsaure-
freien Protein vom Mol.-Gew. 120000
Es sollen zunachst einige Versuche mit dem
kleinsten bisher aufgefundenen nucleinsaurefreien
Spaltstuck mit der Sedimentationskonstante s20=5
(Mol.-Gew. 120000) besprochen werden. Wird die
Losung dieses Proteins bei verschiedenem pH in
der Ultrazentrifuge untersucht, so zeigt sich, daB,
die Sedimentationskonstante des Proteins mit stei-
gender H-Ionenkonzentration sprunghaft grofer
wird. Es entstehen also hohermolekulare Pro-
teine. Im Gegensatz zu der langsam verlaufenden
Zerfallsreaktion geht die Aggregation sehr rasch
vor Bich, wie man aus dem sich momentan an-
dernden Tyndall-Effekt schlielen kann. Bei den
Versuchen werden die pH-Werte meistens durch
Dialyse gegen die entsprechende Pufferlosung
eingestellt, die sich hiernach ergebenden Sedi-
mentationskonstanten sind in Tab.1 wiedergege-
ben. t7berraschend leicht and sehr einheitlich
verlauft der Vbergang der Komponente s2o = 5
zu dem dreimal groleren Spaltstuck mit s20 = 8,7
(Mittelwert). Diese Synthese gelingt bereits allein
durchErhohung der Elektrolytkonzentration ohne
Veranderung des pll, wie der Vergleich der Ver-
suche 1-5 zeigt. Bei weiterer Erniedrigung des
' G. Schramm , Z. Naturforschg. 2b, 112 [1947].
2 G. Schramm, Naturwiss. 31, 94 [1943].
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G. SCHRAMM
Vers.1,P a a o
Nr. iat
1 3940,1
2 405 0,16
3 405 0,16
4 X405 0,16
5 1403 0,4
6 1394 0,2
7 409 10,17
1409
1403
Sedimentationskonstante
I
m/100- 197 4,7
Glykokoll , '
m/100- 9,6'47
Glykokoll
m/100- 9,3 5 2
NaHC03
m/10-
Glykokoll 1,95 +
m/10-
NaHCO3
in/10-
Phosphat
m/ l0-
Phosphat
m/10-
Pbosphat
m/10-
Phosphat
m/10-
0,1
Phosphat
11 139410 2 1 m/10-
Phospbat
12 140310,1 m/10-
I , Phosphat
9,4 -
6,9 -
-
5,0
2. 3. 4. 5.
i I
+ -
9,0 -
8,71-
8,4
Wiederspaltunga)
W 11403 0,09 Glykokoll 19;3 - + 93
1 M/10.
W 2 403' 0,09 Glykokoll 9,5 I - - 46 117
I
- 507
206 -
? X557
220 416
Tab. 1. Synthese-Versuche mit Spaltkomponente
S20 = 5,0.
+ Komponente vorhanden, aber nicht gemessen. - Kom-
ponente nicht vorhanden. ? Vorkommen unsicher.
a) Die Versuche wurden mit dem Aggregationspro-
dukt von Vers. 12 durchgeftihrt.
PH entsteht aus dieser Komponente ein Protein mit
einer stark konzentrationsabhangigen Sedimenta-
tionskonstante von utigefahr 169. In einigen Fal-
len konnte hierbei in geringer Menge eine Zwi-
schenstufe mit s20 ^' 40 beobachtet werden (Vers.
Nr.6 u. 7). Wird die Losung noch starker ange-
sduert, so treten noch hohere Aggregationspro-
dukte auf, deren Sedimentationskonstanten wohl
ebenfalls wegen ihrer Konzentrationsabhangig-
keit etwas schwankend sind (Versuch 10-12).
Um den Einflul, der Salzkonzentration zu unter-
suchen, wurden such einige Versuche in sehr
verdiinnter Pufferlosung (m/1000-Acetat) durch-
gefiihrt (Tab.2). Es ergab sich aber hierbei kein
grundsatzlicher Unterschied. Nur mull das pH bei
I y1 =I
Vers.I a s I a =
Nr. a ?d
m/100-
Glykokoll
m/1000-
Acetat
m/ 1000-
Acetat
m/1000-
Acetat
Puffer I pH
9,6
0")6 1 m/1000- 95
Acetat '
Sedimentations-
konstante
2. 1 3. 1 4. i 5.
Tab. 2. Synthese-Versuche in m/1000-Acetat mit Spalt-
komponente s2o = 5,0.
dieser geringen Salzkonzentration hoher gewahlt
werden, um die gleiche Aggregationsstufe zu er-
halten.
fiber die Einheitlichkeit der entstehenden Aggre-
gate geben die Sedimentationsdiagramme Abb.1
bis 5 nahere Aufschliisse. Auf der 1. Abb. ist zu-
nachst das Sedimentationsdiagramm des Aus-
gangsstoffes wiedergegeben. Infolge der hohen
Diffusionskonstanten and der langen Zentrifugie-
rungszeit ist der Gipfel ziemlich breit. Wird these
Losung angesauert bzw. gegen einen Puffer mit
geringerem PH dialysiert, so erhalten wir ein voll-
standig einheitliches Protein mit dreimal so hohem
Molekulargewicht (Abb. 2). Gleichscharfe Gra-
dienten erhielten wir, wenn die Aggregation nicht
.rm cm -a,--
Abb. 1. Sedimentationsdiagramm der nucleinsaurefreien
Komponente s20 = 5, Mol.-Gew. = 120 000, c = 0,16 %,
Skalenabstand = 8 cm, Drehzahl = 39000 U/min,
z = Skalenstrichverschiebung, x - Abstand vom Rota-
tionszentrum. Die Entfernung des Meniskus der Lo-
sung vom Rotationszentrum betragt bei alien Versu-
chen 5,81 cm. Die Pfeile geben den 50 % - Punkt der
Konzentration an, die dazugehorige Zahl die gemes-
sene Sedimentationskonstante.
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6.
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SPALTUNG DES TABAKMOSAIKVIRUS, WIEDERVEREINIGIJ\G DER SPALTSTt;CKE II 251
D,7$
78
0,50
L
0,25
E
E
lef :1
---- ----
- -
z in cm 8,00 6,50
Abb. 2. Aggregat aus der Ausgangslosung (Abb,1)
vom Mol.-Gew. 360000 in 0,001-m. Acetat (pH 6).
c = 0,5%, Skalenabstand 3 cm, 39000 U/min.
6,00 x in cm 650
Abb. 3. Aggregationsproteine mit s20 = 48 and 185 aus
dem nucleinsaurefreien Protein s20 = 5 in 0,1-m. Phos-
phat (pH 6,5). c = 0,17 %, Skalenabstand 10 cm,
20000 U/min.
968
968
A~ooa..a
o.o?a
oA"
'o.
`a
a.a.
.. R a?oo?~
o ~tr~oao~ao??yo'
,Q
a... -
a.R.p,..o?p~o
Abb. 4. Aggregationsprotein mit s2o = 195 (fur c = 0)
aus dem nucleinsaurefreien Protein 820 = 0 in 0,1-m.
Phosphat (pH 6,5). c = 0,16%, Skalenabstand 10 cm,
24900 U/min. Zeitraum zwischen den beiden Aufnah-
men 15 min.
durch Anderung des p1I, sondern durch Erho-
hung der Salzkonzentration bewirkt wurde. Im
Gegensatz zu dem ersten Aggregationsschritt sind
,50
169
25
557
X in cm 6,00 6.5
Abb. 5. Aggregationsproteine aus dem nucleinsaure-
freien Protein 820 = 5 in 0,1-m. Phosphat (pH 6, 0).
c = 0, 1% , Skalenabstand 10 cm, 20 400 U/min.
07 cin 0/0
Abb. 6. Konzentrationsabhangigkeit der Sedimenta-
tionskonstante des synthetischen Proteins s20 = 195
(bei c = 0).
Zeichenerklarung:
0 Messung an dem nucleinsaurefreien Protein
(Skalenmethode).
X Messung an dem nucleinsaurefreien Protein
(Schlierenmethode).
^ Messung an dem nucleinsdurehaltigen Protein
(Schlierenmethode).
die nun folgenden Aggregationsstufen wesentlich
uneinheitlicher (Abb. 3-5).
Die in Phosphatpuffer bei pH 6,5 zuerst auf-
tretende Aggregationsstufe (Abb. 4) hat eine mitt-
lere Sedimentationskonstante, die der des TMV
bei gleicher Konzentration sehr nahe kommt.
Diese Cbereinstimmung wird noch deutlicher,
wenn man die Sedimentationskonstante dieses
synthetischen Proteins auf c = 0 extrapoliert
(Abb.6). Wenn die Messungen auch wegen der
geringen Konzentrationen and der Unscharfe der
Bande recht schwierig sind, so sieht man doch,
dali der Grenzwert fur s20 , c = 0, sehr nahe bei
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dem des TMV liegt, fur das (bei c = 0) s20 = 198
Svedberg 3 gefunden wurde. Per Verlauf der Kurve
bei hoheren Konzentrationen ist allerdings etwas
verschieden, da die Anderung der Sedimentations-
konstante mit der Konzentration bei dem synthe-
tischen Protein starker ist als Beim TMV.
Das bei der Synthese entstehende Protein hat
nicht nur die gleiche Sedimentationskonstante wie
das Virus, sondern mull auch eine ahnliche Ge-
stalt besitzen. Ein wichtiges Argument hierfiir ist
die Tatsache, daB3 das synthetische Produkt in
ganz ahnlicher Form kristallisiert wie das Virus.
Fdllt man bei prr 4,8 mit Ammonsulfat, so erhalt
man in beiden Fallen parakristalline Nadeln.
Zur Darstellung der Kristalle werden etwa 50 mg
des elektrophoretisch dargestellten nuclei nsaurefreien
Proteins gegen m/10-Phosphat vom pg 8 dialysiert.
Dann wird durch Zugabe des gleichen Volumens ge-
sattigter Ammonsulfatlosung gefallt and der Nieder-
schlag in 2 cem m/10-Phosphat (pg 7) aufgenommen.
Unlosliche Flocken werden abzentrifugiert, die Uber-
stehende klare Losung mit 1-n. Essigsaure auf pH 4,8
gebracht and tropfenweise mit gesattigter Ammon-
sulfatlosung bis zur beginnenden Triibung versetzt.
Es bilden sich sofort kristalline Nadeln, die im Mikro-
skop das gleiche Aussehen zeigen wie die Kristalle
des Virus, mitunter jedoch etwas kleiner sind.
Um die Dbereinstimmung zwischen syntheti-
schern and nattirlichem Protein weiter zu priifen,
haben wir das Molekulargewicht and die Form-
faktoren eines synthetischen Proteins mit dem
eines polymerisierten Virus unter ahnlichen Be-
dingungen verglichen. Es hndelt sich hierbei tun
ein Polymerisat aus einem alteren Viruspraparat,
fiber dessen Darstellung in anderem Zusammen-
hang bereits berichtet wurde 3. Tab. 3 zeigt, dali
nicht nur die mittleren Molekulargewichte recht
gut iib0reinstimmen, sondern auch die Reibungs-
koeffizienten von gleicher Grofenordnung sind.
Das hier gemessene Aggregationsprodukt ent-
spricht in seiner Grofle and Gestalt etwa einern
trimeren TM V. Per hohe Wert von f : f0 beweist,
dal das synthetische Protein, ebenso wie das
Virus selbst, eine stark asymmetrische stabchen-
formige Gestalt besitzen mull.
Diese Molekiilform wurde auch unmittelbar
durch elektronenmikroskopische Aufnahmen sicht-
bar gemacht, die friiher veroffentlicht wurden 2.
Allerdings ergibt sich auch hier wieder ein ge-
wisser Unterschied gegenuber den ursprtinglichen
.Virusteilchen. Die Konturen sind bei dem synthe-
3 G. S ch r a m m u. G. B e r g o l d, Z. Naturforschg.
2b, 110 [1947].
C S2o
D20
M
f/fo
LId
Polymeres TMV
0,2 218
0,209
99
3,32
65
Polymerisat aus
S20 - 5,0
0,16 206
0,173
113
3,84
90
Ber.fiirtrimeres
122
30
750/15
TMV
'
- 50
Tab. 3. Vergleich eines polyuieren TMV mit dem
Polyinerisat aus S20 = 5. Die Messungen wurden in
0,1-m. Phosphat durchgefuhrt. C = Konzentration,
D20 = Diffusionskonstante, M = Mol.-Gew., f/ fo = Rei-
bungsverhaltnis, Lid = Lange : Dicke.
tischen Produkt unscharf and es ist schwer, eine
fur die Reproduktion geeignete Aufnahme zu er-
halten. Auf den Kontrollaufnahmen des niedrig-
molekularen Ausgangsmaterials sind stabchen-
formige Teilchen niemals sichtba.r geworden. Ob
die auf dem friiher veroffentlichten Bild sichtbaren
Ptinktchen allerdings dem niedrigmolekularen
Protein entsprechen, erscheint heute zweifelhaft.
Die Versuche sollen wiederholt werden, sobald
hierfiir die Moglichkeiten gegeben sind.
Zusammenfassend lilt sich feststellen, dal trotz
aller Ahnlichkeit die Ubereinstimmung zwischen
dem nucleinsaurefreien synthetischen Protein and
dem Virus doch nicht vollstandig ist. Am auf-
fallendsten ist wohl der Unterschied in der Ein-
heitlichkeit dieser Proteine. In der ersten Mit-
teilung2 (1943) konnte keine genaue Aussage
fiber die Homogenitat des synthetischen Proteins
gemacht werden, da zur Beobachtung der Sedi-
mentation nur die Toeplersche Schlierenmethode
zur Verfiigung stand. Mit dieser Anordnung konn-
ten wir damals keinen deutlichen Unterschied
gegenuber dem Originalvirus feststellen. Dieser
SchluB ist auch heute noch in gewisser Beziehung
berechtigt, da das TMV unter den damals ange-
wendeten Bedingungen recht uneinheitlich ist, be-
sonders wenn es sich urn altere Praparate han-
delt. Vergleichen wir aber das Sedimentations-
diagramm des synthetischen Proteins s20 -195
(c = 0) mit dem einer einwandfreien Viruslosung,
so ist zweifellos das synthetische Protein sehr
viel uneinheitlicher.
Das synthetische Protein scheint auch in seiner
inneren Struktur nicht ganz dem TMV zu ent-
sprechen. Dies zeigt sich bei dem Versuch, es
wieder in seine Grundeinheiten zu zerlegen. Die
Bestandigkeit gegentiber der Einwirkung der
Hydroxylionen scheint bei den in Phosphat aggre-
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gierten Produkten etwas groBer zu sein als bei
den in m/1000-Acetat erhaltenen (siehe Tab.1 u.
2, Wiederspaltung). Soweit sich bisher feststellen
liell, treten in keinem Falle die bei der Virusspal-
tung beobachteten Bruchstiicke auf. Ziemlich
regelmaBig finden wir dagegen bei der Wieder-
spaltung eine Komponente mit s20 - 40 (siehe
Tab. 1, Vers. W 2), die bei der Spaltung des Virus-
molekiils nicht beobachtet wurde.
Ein wichtiger Unterschied gegentiber den! Ori-
ginalvirus ist ferner das Fehlen der Vermehrungs-
fahigkeit bei dem Aggregationsprodukt. Diese ist
allertlings in dem bisher besprochenen Fall kaum
zu erwarten, da ja die Nucleinsaure fehlt.
2. Aggregationsversuche mit den
nucleinsaurehaltigen Spaltkompo-
nenten
In derselben Weise wie mit der nucleinsaure-
freien Komponente wurde eine Reihe von Sedi-
mentationsmessungen mit dem kleinsten nuclein-
saurehaltigen Spaltstuck vom Mol.-Gew. 360000
durchgefiihrt. Tab.4 zeigt, daB rich hierbei die
gleichen Aggregationsstufen ausbilden. Die Sedi-
VNrs'
Prapa-
rat
c a
Puffer
px
Sedime
I kons
ntatio
tante
ns-
1
401
0'3
M/100-
Glykokoll
9,6
9,4 -
-
-
2
386
0,47
m/100-
Glykokoll
9
9,0 -
-
-
3
268
0 35
'
m/10-
Phosphat
718
85 -
'
-
-
4
273
0,7
m/100-
Glykokoll
7
- 39
91
-
5
386
0,47
m/10-
Phoslhat
7,0
-
124
-
6
386
0,47
m/10-
Phosphat
6,8
-
118
-
7
386
0,47
A/1t0-
c
5,9
- -
115
8
386
0,47
AcetO-
6,1
- -
121
-
9
386
0,47
Phosphat
6,1
- -
139
-
10
386
0,47
An/10-
Acetat
5,0
- ?
189
345
Tab. 4. Synthese-Versuche mit Nucleoproteid s20 = 8,7
(Mol.-Gew. 360000). Die Versuche wurden z. T1. mit
der Schlierenmethode beobachtet, so dali uns moglicher-
weise in einigen Fallen Komponenten, die in geringer
Konzentration anwesend waren, entgangen sind.
nrentationskonstante der bei pir 6,5 auftretenden
Komponente konnte auf c = 0 extrapollert werden
(Abb. 6). Es ergab sich ebenfalls ein Wert, der
nahe bei deny des TMV liegt. Auch die Einheit-
lichkeit der gebildeten Proteine unterscheidet sick
in keiner Weise von den entsprechenden nuclein-
saurefreien Eiweilstoffen. Auf eine Wiedergabe
der Sedimentationsdiagramme kann, daher ver-
zichtet werden.
Der gleichartige Verlauf der Aggregationen ge-
stattet gewisse Riickschliisse auf die Funktion der
Nucleinsdure im Virusmolelcul zu ziehen. Da mit
and ohne Nucleinsaure die gleichen Aggregations-
stufen ausgebildet werden, ist anzunehmen, dali
these fur den Zusammenhalt der Teilchen im
Virusmolekul nicht von maBgebender Bedeutung
ist, wahrscheinlich ist sie an der Oberflache des
Molekiils angeordnet.
Es war zu hoffen, dal bei Verwendung der
groheren Spaltstiicke ein einheitlicheres Endpro-
dukt entstehen wurde als bei Verwendung niedrig-
molekularer Bruchstiicke, da hier die Kombina-
tionsmoglichkeiten beschrankter sind.
Da von den hoheren Spaltstiicken nur das
Nucleoproteid mit s20 = 97 (Mol.-Gew. 7000000)
in annahernd reiner Form isoliert werden kann,
haben wir uns hauptsachlich wit diesem beschaf-
tigt. Es ergeben sich hierbei recht ahnliche Ver-
haltnisse wie bei dem nucleinsaurefreien Bruch-
stuck mit dem Mol.-Gew. 120000. Der ersteAggre-
gationsschritt zur nachsthoheren Stufe verlauff
namlich wieder auBerordentlich glatt and ein-
heitlicli. Es handelt sich in diesem Fall um eine
Verdoppelung des MOlekulargewichtes. Wieder-
um genilgt bereits eine Erhohung der Salzkon-
zentration, run die Vereinigung zu bewirken.
Diese Versuche sind in Tab. 5 zusammengestellt.
Veers.
t Puffer P
Sedimentationskonstante
Nr.
H
1. 1 2. 3. 14. I
5.
1
m/50-Verona!
7,9
92
+
(134) I (147)
-
2
m/10-Phosphat
8,4
96,5
125
(129)1 +
-
3
m/10-NaHCO3
8,1
+
122
(132)1 +
-
4
m/10-Phosphat
6,9
+
128
+ +
-
5
m/10-Phosphat
5,7
-
-
- -
212
Tab. 5. Synthese-Versuche mit Spaltkomponente
820 = 97, c = 0,22%- Die eingeklarnmerten Werte be-
ziehen sich auf Komponenten, die nur in Spuren vor-
handen waren. Siehe hierzu die entsprechenden Sedi-
mentationsdiagramme.
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{
r?.
q`z `o
134
0 { '4
147 134
o-..a pv vvooa.oa jr
o.a v
Abb. 7. Spaltprotein s20, c2 o = 97 in 0,02-m. Veronal-
puffer (pH 7, 9). c=0,22%, Skalenabstand' 7 cm,
25400 U/min. Zeitraum zwischen den beiden Aufnah-
men 10 min.
x in CT 425
6,75
Abb. 8. Gleiche Losung wie in Abb. 7 nach Dialyse
gegen 0,1-m. Phosphat (pH 8,4). c = 0,22 %, Skalen-
abstand 10 cm, 25 000 U/min. Zeitraum zwischen den
beiden Aufnahmen 10 min.
Abb. 9. Gleiche Losung wie in Abb. 7 and 8 nach
Dialyse gegen 0,1-m. NaHCO3 (prr 8,1). c = 0,22 %,
Skalenabstand 6 cm, 20000 U/min.
Der iiberraschend einheitliche Verlauf der Syn-
these wird durch die Abb.7-9 veranschaulicht.
Auf Abb.7 sehen wir im wesentlichen nur die
Ausgangskomponente neben geringen Verunreini-
gungen durch drei hohere Spaltkomponenten.
Nach Erhohung der Salzkonzentration tritt dann
der neue Gipfel auf, der dem Doppelmolekul ent-
spricht (Mol.-Gew. 14,8.100; Abb. 8). Dessen
Konzentration nimmt bei Erniedrigung des pH
weiter zu, wahrend die Ausgangskomponente
nahezu vollstandig verschwindet (Abb. 9). Er-
hohen wir die H-Ionenkonzentration weiter, so
aggregiert das Doppelmolekiil s20 =125 wieder zu
dem gleichen uneinheitlichen Protein, wie es aus
den kleineren Bruchstiicken erhalten wurde.
Ahnliche Aggregationsversuche wurden auch
mit einer Losung angestellt, die neben der unver-
anderten Ausgangskomponente im wesentlichen
aus der ersten 5/6 - Spaltstufe (Mol. -Gew. 34 Mil-
lionen) bestand. Das Sedimentationsdiagramm ist
wiedergegeben in Abb. 4 des ersten Teils dieser
Untersuchung 1. Wird diese Losung durch Dialyse
gegen 0,1-m. Phosphat auf PH 6,5 gebracht, so er-
halt man wieder das Diagramm eines uneinheit-
lichen Proteins mit s20 =191. Es ist in diesem
Falle schwierig, die Uneinheitlichkeit zu erkla-
ren, da die Moglichkeit zu Zwischenstufen zwi-
schen dem 5/6 and dem ganzen Molekiil eigent-
lich nicht gegeben ist. Es bieten sich zwei Mog-
lichkeiten der Erklarung: 1. Die ganzen and die
5/6-Molekiile reagieren kurzzeitig miteinander, so
dal3 im Zeitmittel ein Gemisch verschiedener Mole-
kiilgroBen vorgetauscht wird. 2. Die in der Lo-
sung ebenfalls noch vorhandenen niederen Spalt-
komponenten lagern sich an die beiden Haupt-
komponenten an, so daB sick hierdurch eine tat-
sachliche Streuung der Molekiilgrole ergibt.
Dieser letzten Erklarung mbchten wir den Vor-
zug geben, da wir beobachtet haben, dali auch
das ungespaltene Virusmolekul in Gegenwart
sehr kleiner Mengen niedrigmolekularer Zerfalls-
produkte ein uneinheitliches Sedimentationsdia-
gramm gibt.
Diese letzten Versuche lassen es moglich er-
scheinen, dal primar ein homogeneres Aggregat
entsteht, welches dann sekundar durch Anlage-
rung iiberschiissiger kleiner Bruchstiicke unein-
heitlich wird. Vielleicht gelingt es, durch weitere
Versuche diese sekunddren Einfltisse auszuschal-
ten.
3. Versuche zur Darstellung eines
biologisch-aktiven Proteins aus
den Spaltstticken
Nachdem sich gezeigt hatte, daB Bich die Spalt-
stticke zu einem dem Virus chemisch and physi-
kalisch sehr ahnlichen Protein zusammenfugen
lassen, erschien es nicht ausgeschlossen, auch die
biologische Aktivitat wieder herzustellen. Es wur-
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SPALTUNG DES TABAKMOSAIKVIRUS, WIEDERVEREINTIGUNG DER SPALTSTUCKE II 255
den daher in Zusammenarbeit mit G. M e l ch e r s
(Kaiser-Wilhelm-Institut fur Biologie) eine Reihe
von Versuchen in dieser Richtung angestellt. Zum
Vergleich der biologischen Aktivitdt der verschie-
denen Praparate wurde der bekannte Einzelherd-
test von H o 1 m e s 4 benutzt. Dieser beruht dar-
auf, dali das TMV auf den Blattern bestimmter
Pflanzen wie Nicotiana glutinosa, Phaseolus vul-
garis oder Datura stramonium keine Allgemein-
infektion, sondern lokalisierte Einzelnekrosen er-
zeugt. Um einen Vergleich durchzufiihren, wird
auf der einen Blatthalfte die Versuchslosung, auf
der anderen die Kontroll-Losung mit einem Mull-
tupfer aufgetragen. Durch Auszahlen der gebil-
deten Nekrosen auf jeder Blatthalfte erhalt man
dann ein Mall fur die relative Wirksamkeit der
Praparate.
Wie bereits friiher mitgefeilt wurde 2, besitzen
die Aggregate aus dem kleinsten Nucleoproteid
keine Viruswirksamkeit. Dies scheint uns heute
nicht mehr verwunderlich, nachdem wir festge-
stellt haben, dali unter dem Einfluf von OH-
Ionen bereits eine Inaktivierung des Virus er-
folgt, bevor sich das Molekulargewicht merklich
andert (siehe hierzu den 1. Teil dieser Unter-
suchung). Es geniigt also nicht, die urspriing-
liche Molektilform des Virus wieder herzustel-
len, wenn nicht gleichzeitig diese erste Alkali-
wirkung riickgangig gemacht werden kann.
Es fragt sich nun, worin diese Inaktivierung
besteht. Versuche, das inaktive unzerfallene Virus
durch einfache Dialyse gegen saure Pufferlosun-
gen, z. B. 0,1-m. KH2P04 vom PH 4,8, wieder zu
reaktivieren, schlugen fehl. Ebensowenig gelang
es, durch starke Reduktionsmittel wie Hypophos-
phit oder Hydrosulfit die Inaktivierung riickgan-
gig zu machen (Tab. 6).
Eine naheliegende Annahme war daher, dali in
der alkalischen Losung aus dem Virus ein nie-
drigmolekularer Bestandteil, z. B. ein Metallion
oder eine Wirkgruppe, abgespalten wird. Zu die-
sem Zweck wurde eine Mischung der Spaltpro-
teine, die z. Tl. noch unzerfallene Molekiile ent-
hielt, in Gegenwart verschiedener, in Proteinen
vorkommender Kationen durch Erniedrigung des
pH-Wertes reaggregiert. Wie Tab. 6 zeigt, wurden
folgende Metallionen gepriift: Mg", Mn*', Zn",
Cu", Fe". Aullerdem wurde auch die Kombination
einer Reduktionswirkung durch Cystein mit Zu-
gabe von Mg-Ionen (0,1-m.) bei verschiedenem
4 F. 0. Holmes, Bot..Gaz. 87, 39 [1929].
Vers.
Nr.
Zusatz
Konz.: 0,1-nt.
Hypophosphit
Hydrosulfit .
Zn .....
Mn'.....
Cu' .....
Fe' .....
Mg'
Mg"u. Cystein
Mg" U. Cystein
PH
der
Aggre-
gat.
4,2
4,2
4,2
4,2
4,2
4,2
4,2
4,8
3,5
Zahlaer Einzelherde
je 100 Blattbalften
ohneZusatz mit Zusatz
Tab. 6. Versuche zur Aktivierung des Tabakmosaik-
virus durch verschiedene Zusatze. Jeder Versuch
wurde an 20 Nicotiana-glutinosa-Pflanzen zu je 5 Blat-
ter durchgefiihrt. Die Viruskonzentration betrug bei
der Auswertung 10-5 g Protein/cem.
pH untersucht. Wie Tab. 6 zeigt, fiihrte keiner der
Versuche zu einer deutlichen Erhohung der Akti-
vitat gegeniiber den unbehandelten Kontrollen.
Auf Grund unserer Hypothese mulite es wei-
terhin aussichtsreich erscheinen, aus einer gr6-
l3eren Virusmenge durch Alkali die Nucleinsaure
and alle evtl. vorhandenen Wirkgruppen abzu-
spalten and diese zu einer kleinen Menge vor-
sichtig inaktivierten Virus' zu geben. Hierbei wur-
den ?variiert: 1. die Art der Inaktivierung (vor-
sichtige Spaltung mit Glykokoll-, Borat- oder
NaHCO3-Puffer bei verschiedenem PH), 2. der
pH-Wert der Reaggregation and 3. die Art der
Versuchspflanzen, da moglicherweise das reakti-
vierte Virus andere biologische Eigenschaften
haben konnte als die Ausgangsform. Bei einem
Versuch wurde aullerdem Prell-Saft aus gesun-
den Tabakpflanzen zugefiigt, urn durch ein evtl.
vorhandenes Enzym die Anlagerung einer Wirk-
gruppe zu katalysieren.
Das Ergebnis dieser Versuche ist in Tab. 7 zu-
sammengefailt. Bei den ersten drei Versuchen
wurde zwar eine geringe Erhohung der Aktivi-
tat beobachtet, doch ist diese nicht als reell anzu-
sehen, da sie bei den spateren Versuchen nicht
reproduzierbar war. Bei den Versuchen 5 and 8
ist eine deutliche Erhohung der Aktivitat zu be-
merken, die auch statistisch gesichert ist. Dies ist
aber darauf zuriickzufiihren, dali die zugesetzte
A-Losung noch aktives Virus enthielt. Aus den
Versuchen geht also hervor, dal3 es bisher nicht
mit Sicherheit gelungen ist, eine gro/ere Virus-
menge zu reaktivieren. Die Bildung einzelner ver-
mehrungsfahiger MolekUle kann jedoch bei der
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Vers.
Nr.
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G.SCHRAMM
Aus- Inaktivierung PH der
gangs- durch Zusatz-
Aggre-
Zabl
der
Einzelherde je
100 Blatthalften
1osung
Puffer ~ PH i
Test-
blatter
ohne
Zusatz
mit
Zusatz
Z III
Glykokoll
10,5
A I
4,2
Dat. strain. 87
3,5 ' 26,5
-t- 23
Z III
Glykokoll
10,5
A I
6,8
Dat. stram. 75
1,3 2,6
+ 1,3
Z III
Glykokoll
10,5
A II
3,9
Nicot. glut. 47
4,3 17
+ 12,7
Z III
Glykokoll
10,5
A II
4,6
Nicot. glut.
95
3,2 2,2
1
Z IV
Glykokoll
10,5
A III
3,9
Nicot. glut.
48
39
118
-I- 79,)
Z IV
Glykokoll
10,5
A V
3,9
Nicot. glut.
130
4,6
1
5
3
1
Z IV
Glykokoll
10,5
A V+Sc)
3,9
Nicot. glut.
130
2,3
,
0
,
2,3
Z V
Glykokoll
10,5
A III
3,9
Nicot. glut.
49
30,6
112
2
+ 79 n)
Z V
Glykokoll
10,5
A IV5)
3,9 Nicot. glut.
150
9,34
,
12,7
+ 3
4
ZG
Glykokoll
10,0
A VI
3,9 Dat. strain.
113
10,6
9,7
,
- 0,9
ZS
Soda
10,0
A VI
3,9
Phas. vulg.
25
144
71
- 73
ZB
Borat
10,0
A VI
3,9
Phas. vulg.
20
625
85
- 540
ZG 9,7
Glykokoll
9,7
A VII
3,9
Nicot. glut.
70
365
361
4
ZS 9,7
Soda
9,7
A VII
3,9
Phas. vulg.
50
20
16
4
ZB 9,7
Borat
9,7
A VII
3,9
Phas.vulg.
50
72
44
28
Tab. 7, Versuche zur Reaktivierung des Tabakmosaik- b) Die Differenz ist statistisch gesichert. Hdehstzulas-
virus durch Zugabe der alkalischen Abspaltungspro- sige Zufallsdifferenz 50,45.
dukte. c) S = 1 cem Pflanzensaft.
a) Die Differenz ist statistisch gesichert. Hochstzulas- d) Als Kontrolle diente in diesern Fall eine nicht an-
sige Zufallsdifferenz 735. gesauerte Mischung der Ausgangsldsung and A IV.
Versuchsbedingung: TMV wurde mit verschiedenen Pufferlosungen bei verschiedenem pH gespalten (Z-
Losung). Versuche in der Ultrazentrifuge zeigten, dad die in dieser Weise entstehende Losung neben niedrigmole-
kularen Proteinen auch unzerfallene inaktive Virusmolekule enthielten. Etwa 0,1 mg inaktiviertes Virus wur-
den mit den Abspaltungsprodukten aus 50 mg Virus (A-Ldsung) versetzt and mindestens 12 Stdn. stehen ge-
lassen. Fur die Auswertung warden dann die Ansatze mit 0,1-m. Phosphat von pg 7 auf 10-5 g Protein/cm3, bzw.
bei den ersten vier Versuchen auf 5.10-5 g Protein/cm3 verdiinnt. Die A-Losungen wurden bei pu 12,5 gewonnen.
Bei diesem pn fallt das Protein in denaturierter Form aus, wahrend die Nucleinsaure and andere Abspaltungspro-
dukte in Ldsung bleiben. Die A-Losungen erwiesen sich als praktisch inaktiv bis auf A III, die eine Wirksamkeit
von 70 Einzelherden je 100 Blatthalften besaG. Die hiermit angestellten Versuche Nr. 5 and 8 zeigen dementspre-
chend eine hohere Aktivitat, die aber die Summe der \Cirksamkeit der Z- and der A-Ldsung nicht uherschreitet.
begrenzten Empfindlichkeit des biologischen Testes
nicht ausgeschlossen werden.
4. Besprechung der Ergebnisse
Wenn es auch nicht gelungen ist, ein biologisch
aktives Virus aus den Spaltstiicken wieder auf-
zubauen, so ist die Tatsache doch recht interes-
sant, dali bei ihrer Wiedervereinigung zum min-
desten ein physikalisch-chemisch sehr ahnliches
Molekiil entsteht. Man kann hieraus wohl den
Schlull, ziehen, dali die Molekiilform des Virus vor
andern moglichen Anordnungen der Untereinhei-
ten energetisch bevorzugt ist.
Wir haben hier also ein eindrucksvolles Bei-
spiel einer auswahlenden Polymerisation vor uns,
wie sie in der Natur, aber auch im Laboratorium,
haufig beobachtet wind. Die Krafte, die these aus-
wahlende Polymerisation bewirken, sind noch un-
bekannt. Unsere in vitro durchgefiihrtenVersuche
zeigen jedenfalls, dali hierfiir nicht spezifisch bio-
logische Krafte der Zelle verantwortlich zu machen
sind, wie sie kiirzlich von G. V. S c h u 1 z 8 neben
anderen Grunden in Erwagung gezogen wurden,
urn die auffallende Einheitlichkeit natiirlicher
Makromolekiile zu erklaren.
Weiterhin last sich sagen, dal es sich nicht urn
ein einfaches Gleichgewicht handeln kann zwi-
schen einer polymerisierenden and depolymeri-
sierenden Kraft (etwa der Oberflachenspannung
and kinetischen Energie), da sonst das gleichzei-
tige Auftreten mehrerer Maxima (siehe hierzu
Abb. 3 u. 5) nicht zu verstehen ist.
Das Problem, warum bei der Polymerisation
bestimmte Stufen bevorzugt sind, tritt uns bereits
bei dem ersten von uns beobachteten Aggrega-
tionsschritt entgegen, namlich bei dem Vbergang
des Teilchens vom Mol.-Gew. 120000 in ein sol-
ches mit 360000. Wegen der Zunahme des Rei-
bungskoeffizienten bei dem Aggregationsprodukt
5 S. Koller,. Graphische Tafeln zur Beurteilung
statistischer Zahlen. Th. Steinkopff, Dresden u. Leip-
zig 1943.
6 G. V. S c h u I z, Z. Naturforschg. 1, 268 [1946].
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SPALTUNG DES TABAKMOSAIKVIRUS, WIEDERVEREINIGUNG DER SPALTSTt7CKE II 257
mUssen wir bier eine lineare Anlagerung anneh-
menl. Es ist schwer einzusehen, warum diese ge-
rade bei der Bildung einer Dreiergruppe abbricht.
Da dieser ProzeB einheitlich verlauft und tiber-
sichtlich ist, ware hier ein geeigneter Ansatz-
punkt gegeben, um das Problem der auswahlen-
den Polymerisation experimentell naher zu be-
arbeiten.
Fur die Ausbildung der Polymerisationsstufen
scheinen die Eigenschaften der Grundeinheiten
malgeblich zu sein. Durch die Struktur der Unter-
einheit vom Mol.-Gew. 120000 ist deinnach die
Gestalt des hochmolekularen Virusproteins be-
reits weitgehend bestimmt. Dies legt die Vermu-
tung nahe, dal diese Untereinheit auch bei der
biologischen Entstehung des Virus eine beherr-
schende Funktion einnimmt. Tatsachlich erscheint
es nicht ausgeschlossen, daB die Virusentstehung
fiber eine solche Untereinheit verlauft.
Gegen diese Annahme scheint zunachst zu spre-
chen, dal kleinere vermehrungsfahige Molektile
als das hochmolekulare Virus bisher nicht nach-
gewiesen werden konnten. So zeigte L a u f f e r 7
durch Ultrazentrifugierungs-Versuche an Virus-
praparaten, die durch Ultrazentrifugierung ge-
reinigt waren, daB die Aktivitat nahezu vollstan-
dig an die hochmolekulare Komponente gebunden
ist. Allerdings konnte er nicht ausschlieBen, daB
fur einen sehr geringen Toil der Wirksamkeit ein
niedrigmolekularer Trager in Frage kommt. Diese
7 M. A. Lauffer, J. biol. Chemistry 151, 627 [1943].
8 H. Friedrich-Freksa, G. Melchers u. G.
Schramm, Biol. Zbl. 65, 188 [1946].
Ergebnisse sind jedoch kein entscheidender Ein-
wand gegen unsere Annahme, da wirksame nie-
drigmolekulare Proteine durch die vorhergehende
Reinigung vielleicht schon entfernt waren oder
vermehrungsfahige Untereinheiten im Plasma
nicht bestandig sind, weil sie nahezu vollstandig
zu dem hochmolekularen, in diesem Fall eben-
falls vermehrungsfahigen Proteins aggregieren.
Fur die Annahme vermehrungsfahiger Unter-
einheiten spricht ein Befund, der in anderem Zu-
sammenhang veroffentlicht wurde8. Es zeigte sich
namlich nach einer von H.Friedrich-Freksa
durchgefiihrten serologischen Untersuchung, dall
bei der Mutation des TMV wahrscheinlich alle
Untereinheiten gleichartig verandert werden. Die-
ser Befund ist am einfachsten zu verstehen, wenn
man eine solche Untereinheit als Zwischenstufe
bei der Virusentstehung annimmt, ihnen also eine
Vermehrungsfahigkeit zuschreibt. Andernfalls
ware man gezwungen, ein gleichzeitiges ,,Um-
klappen" aller Untereinheiten bei der Mutation
anzunehmen, was recht schwer vorzustellen ist.
Es wird vielleicht moglich sein, durch die i.7ber-
tragung der hier beschriebenen Experimente auf
die Mutanten des TMV diese Frage einer weite-
ren Klarung zuzufiihren.
Die chemischen and physikalischenUntersuchungen
im 1. and 2. Toil dieser Arbeit wurden unter Mithilfe
von Frl. L. Rebensburg and Frl. H. Schaar-
w a c h t e r durchgefuhrt. Hrn. Dr. B e r g o l d danke
ich fiir die Durchfuhrung der Diffusionsmessungen.
Frl. W o elf f e r sind wir fur die unter der Leitung
von Dr. G. M e t c h e r s durchgefiihrten Testversuche
zu Dank verpflichtet.
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Ober Filme and Mischfilme von langkettigen dibasischen Estern*
Von HANS JOACHIM TRURNIT
(Z. Naturforschg. 2 b, 258-266 [1947]; aus Friedberg (Hessen) eingegangen am 13. August 1946)
Filme von Ian gkettigen 'dibasischen Estern zeigen bei der isothermen Kompression
an Wasseroberflachen ein Verhalten, das dem der sogen. Ubergangsfilme (liquid -
expanded) ahnlich zu sein scheint. Eine ausfuhrliche Diskussion der Isothermen zeigt
aber, dad die Langmuir'sche Theorie der ,Duplexfilme" nur fur einen Teil des Kurven-
verlaufs gultig ist, wahrend fur den anderen Teil and den Mechanismus des lbergangs
zwischen beiden Abschnitten eine andere Vorstellung passender erscheint. Die Ursache
fur das unterschiedliche Verhalten ist darin zu sehen, daB die Molektile der dibasischen
Ester mit ihren an den Molekulenden befindlichen hydrophilen Gruppen sich beim Ein-
engen des Films in anderer Art aufrichten als die Fettsauren, die nur an einem Molekiil-
ende dem Wasser anhaften.
Mischungen von dibasischen Estern zeigen bei geeigneter Wahl der Partner im Film
folgendes: Es ist moglich, Filme von Stoffen, die fur sich allein instabile - nicht voll
kondensierbare - Filme geben, durch Beimischung bestimmter Mengen eines Stoffes, der
fur sich allein stabile Filme bildet, zur vollen Kondensation, also zu holier Stabilitat
zu bringen. Die erforderliche Menge des Stabilisators ist eine Funktion des Ketten-
langenverhaltnisses der beiden Partner, der Lage der hydrophilen Gruppen and der
Temperatur. Diese Befunde sind von prinzipieller Bedeutung fur die Losung gewisser
technischer Probleme, bei denen es auf Stabilisierung vpn Filmen ankommt.
B ei den Untersuchungen uber monomolekulare
Filme organise-her Substanzen an Wasserober-
flachen ist eines der wesentlichen Hilfsmittel die
Gewinnung and Diskussion der sogenannten F/A-
Kurven. Diese zeigen den Zusammenhang zwi-
schen dem mittleren molekularen Flachenbedarf A,
des Films auf der Wasseroberflache and dem
Schub Fl. Nachdem in den letzten drei Jahrzehn-
ten eine sehr grofe Anzahl von spreitungsfahigen
Substanzen untersucht worden ist, hat man vor
einiger Zeit auch begonnen, F/A-Kurven von
Mischungen mehrerer Partner aufzunehmen, da
sich daraus uber die Starke and Art der zwischen-
molekularen Krafte Hinweise ergeben. Solo-he Er-
gebnisse sind fur biologische Probleme deswegen
besonders interessant, weil sie einen ersien Schritt
in der Richtung komplizierter Grenzflachen-
systeme darstellen.
Der Grad der moglichen Wechselwirkung reicht
vom indifferenten Nebeneinander der Molekiil-
partner im Film his zum Betatigen chemischer
Hauptvalenzen.
* Die Arbeit sollte im Friihiahr 1945 in der Kolloid-
Zeitschrift zum Abdruck gelangen, konnte aber nicht
mehr erscheinen.
1 ,Scliub" steht fur ,zweillimensionaler Druck`.
Siehe dazu H. J. T r u r n i t: Uber monomolekulare
Filme an Wassergrenzflachen and uber Schichtfilme.
Einf]ihrung in diesen Teil der Grenzflachenforschung'
usw. in Bd. IV der ,Fortschritte der Chemie organ.
Naturstoffe", Springer Wien 1945.
Besonders interessant ist nun die Art der Wech-
selwirkung der Nebenvalenz oder Austausch-
krafte, deren Betatigung sich - mit dieser Me-
thode untersucht - auf besonders deutliche Art
zu erkennen gibt.
Die Wechselwirkung sei definiert als die in Rich-
lung der Abszisse positive oder negative Abweichung
der Lage der wirklichen Mischkurve von der Lage der
theoretischen Mischkurve (s. u.) beider Einzelpartner.
In einer groBeren Arbeit untersuchen z. B. H a r k i n s
and F 1 o r e n c e 2 these Wechselwirkung in Misch-
filmen zwischen langkettigen aliphatischen Sduren.
Alkoholen and Aminen. Es wird dabei gleichzeitig auch
die Wechselwirkung beziiglich der GroLe AV unter-
sucht 3. Molekulare Anziehung der Partner aufert sich
in einem (fur die einzelne Kette gerechnet) geringe-
ren molekularen Flachenbedarf, also in einer Verschie-
bung der Mischkurve nach links gegeniiber der theore-
tischen Mischkurve. Diese Verschiebung nach links
wird negativ gezahlt and in A2 pro Molekul angegeben.
Im folgenden soil nun uber Filme von dibasi-
schen Estern and ihren Mischungen berichtet wer-
den, die im Rahmen einer anderen Zwecken die-
nenden Arbeit untersucht wurden. Wir wollen
zunachst die an solchen Filmen and Mischfilmen
gefundenen F/A - Kurven wiedergeben and sie
unter Anwendung ganz einfacher Vorstellungen
zu deuten suchen. Es sind auger von A d a m and
2 Harkins u. Florence, J. chem. Physics 6,
847 [1938].
3 Anderung des Voltapotentials mit dem spezifi-
schen Flachenbedarf.
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VBER FILME LANGKETTIGER DIBASISCHER ESTER
J e s s o p' bisher keine langkettigen dibasischen
Ester in ihrem Filmverhalten untersucht worden.
Und L a n g m u i r 5 geht in seiner groien Arbeit,
die sonst alle anderen Daten der Adam'schen
Untersuchungen zur Grundlage theoretischer Be-
trachtungen macht, auf these Filme nicht ein, da
sie nicht dem Begriff ,Duplexfilme" unterzuord-
nen Sind and seine diesbeziigliche Theorie nicht
darauf anwendbar ist. Das sei im voraus erwahnt,
damit Leser, denen die Langmuir'sche Theorie be-
kannt ist, die folgenden Kurven nicht unwillkur-
lich mit dieser in Zusammenhang bringen.
Zum Verstandnis der Kurven von Ubergangs-
filmen (liquid- oder vapour expanded -films) fol-
gendes: Die Materie macht im Filmzustand die
gleichen Verwandlungen ihpes Aggregatzustandes
durch wie im makroskopisch dreidimensionalen
Zustand, d. h. wir konnen feste, fliissige and gas-
formige Filme unterscheiden. Da wir es aber bei
den bekanntesten Filmtypen (Kettenmolekiile) mit
mehr oderweniger stark anisodiametrischen Mole-
kiilen zu tun haben, ergibt sich gegeniiber der
elementaren dreidimensionalen Thermodynamik,
die die Verhaltnisse fur kleinere, in erster Nahe-
rung isodiametrische Molekule oder fur Atome
darstellt, eine scheinbare Komplikation, die irn
folgenden an Hand einer schematischen Kurve er-
lautert wird (Abb. 1).
Eire Film aus Kettenmolekulen mit polaren
Enden sei bei gegebener Temperatur zunachst gas-
formig (1. Zustand). Jedes Molekul hat in hori-
zontaler Lage mehr als ausreichend Platz auf der
Wasseroberflache and der Film iibt auf seine Um-
randung einen aullerordentlich kleinen, aber snit
empfindlichen Schubmessern noch melbaren zwei-
dimensionalen Gasdruck (Schub) aus (Grollen-
ordnung: 0,001 Dyn/cm). In diesem ersten Zu-
stand folgt die F/A - Kurve mehr oder weniger
gut dem klassischen Gasgesetz (FA = const.)
bzw. einem entsprechenden van-der-Waals'schen
Ausdruck.
Bei weiterem Einengen des Films beginnt von
einem bestimmten Punkte (N) an bei konstantem.
Schub der Film zu kondensieren (2. Zustand),
d. h. zwischen den liegenden Ketten, die sich dabei
vermutlich strecken, beginnen Nebenvalenzkrafte
zu wirken e. Bei weiterem Einengen verdichtet sich
der Film unter erneutem Schubzuwachs zu einer
' Ad am u. Jess op, Proc: Roy. Soc. [London]
Ser. A 112, 376 [1926].
5 Lan g m u i r, J. chem. Physics .1, 756 [1933].
relativ hochkompressiblen zweidimensionalen
Fliissigkeit aus Molektilen (3. Zustand), die im?
Fall der dibasischen Ester noch mit beiden pola-
ren Endgruppen an der Wassergrenze haften and
mit dem mittleren Molekiilteil abgehoben sired
(s. unten) and die im Fall einfacher Fettsauren
schon mehr oder weniger aufgerichtet sind (s.
L a n g m u i r 5). Der Knick bei J (Ansteigen der
Kompressibilitat) bedeutet ,nach Langmuir bei
den einfachen Fettsauren den Beginn der Micell-
bildung aus schon vorher (im 3. Zustand) auf-
gerichteten Molekulen'. In den Kurven fur die von
//ache pro Mo%bi/ , A
Abb. 1. Schematischer Verlauf einer F/A - Isotherme,
die alle vorkommenden Filmzustande im gleichen
Diagramm enthalt. Erlauterung der Zustande im Text.
Der Abszissenmallstab fur den rechten Kurventeil
(1. and 2. Zustand) mull stark verkleinert gedacht
werden and der OrdinatenmaB stab stark vergroBert.
Die Wahl der Buchstaben fur die ausgezeichneten
Kurvenpunkte schlieBt sich der Langmuirschen Be-
zeichnung (Anm. 5) an. Der kleine waagerechte Strich
am linken oberen Kurvenende bedeutet, dal der Film
bei diesem Schub kollabiert.
Adam and J e s s o p (s. u.) and von uns unter-
suchten dibasischen Estern bedeutet dagegen der
Knick bei J nach der unten gegebenen Auswer-
tung den Beginn des Ablosens der . einen End-
gruppe vom Wasser, wobei anzunehmen ist, daB
eine gewisse gruppenweise Orientierung der noch
an beiden Enden haftenden Molekule (Micellbil-
6 In diesem 2. Zustand existieren also nebeneinander
Inseln von,,flussigem Film" and gasformiger Film aus
Einzelmolekulen. Beim Messen des Voltapotentials in
diesem Gebiet zeigt sich, dal beim seitlichen Verschie-
ben der Luftelektrode fiber dem Film Potentialschwan-
kungen auftreten.
7 Nach der Langmuir'schen Theorie setzt erst im
Punkte J der Kurve (Abb. 1) die Micellbildung bei
Myristinsaurefilmen (und ahnlichen) ein.
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260 H. J. TRURNIT
dung) schon vorher im 3. Zustand stattgefunden
hat tlnd dali gerade solche Micellen sich bevorzugt
aufrichten.
Bei weiterem Einengen caber den Punkt J hin-
aus (4. Zustand) verlauft die F/A-Isotherme
nicht - wie bei der Kondensation im 2. Zustand -
parallel zur Abszisse, sondern zunachst nur Behr
flach, um dann zunehmend steiler zu werden, d. h.
mit fortschreitender Aufrichtung und Micellbil-
dung nimmt der Schub immer schneller zu, his er
bei vollendeter Parallellagerung und Einordnung
aller M plekiile - eventuell in zwei Steilheitsstufen
(RG und GH) - sprungartig ansteigt (5. Zu-
stand). Die noch verbleibende geringe Kompres-
sibilitat in den Abschnitten RG und GH kann
als Verdrangbarkeit von im Film eingebauten
Wassermolektilen und als -Gberwindbarkeit star-
ker Abstolungskrafte an den polaren ionisierten
Enden gedeutet werden. Ob im 5. Zustand eine
Fliissigkeit oder ehn fester KSrper, ehn makrosko-
pisch zweidimensionaler Kristall vorliegt, hangt
von der filmbildenden Substanz und von der Tem-
peratur ab. Definiert ist dieser Zustand nur als
derjenige, bei dem vdllige Kondensation der auf-
gerichteten MolekUle eingetreten ist.
Es sei bier besonders auf die Legende zu Abb. 1 ver-
wiesen. Die Abbildung ist ein Schema mit nicht linea-
ren AchsenmaBstaben. Bei der wirklichen, experimen-
tellen Gewinnung der Isothermen arbeitet man - wenn
man den 1. und 2. Zustand erfassen will - mit Behr
kleinen Substanzmengen und maximaler Empfindlich-
keit des Schubmessers. Die Koordinaten des Punktes
N liegen grdlenordnungsweise bei 0,1 Dyn/cm und
1000 A2 pro Molektil, entsprechend sind die Achsen-
malistabe zu wahlen (siehe z. B. Adam , 1. c. 16, 2. Aufl.,
Abb. 13 und 18). Zur Gewinnung des Verhaltens im
3. bis 5. Zustand arbeitet man mit groBeren Sub-
stanzmengen und geringerer Empfindlichkeit (d. h.
man zieht bei Geraten mit Torsionsdraht einen dicke-
ren Draht ein). Der Gesamtbereich der zu messenden
Schube vom 1. bis 5. Zustand erstreckt sich caber fast
fiinf Grhlienordnungen (0,001 his 50 Dyn/cm). Es ist
niitzlieh, sich in dem zitierten Buch von Adam Abb. 13
und 16 (Myristinsaure im 1. und 2. Zustand und im
3. bis 5. Zustand) zu betrachten und sich die Kurve
aus Abb. 13 im gleichen Mafstab wie in Abb. 16 dort als
Verlangerung nach rechts eingezeichnet zu denken.
Die prinzipiellen Mbglichkeiten fur das Film-
verhalten langkettiger Molekiile sind hier im Zu-
9 Auch im 4. Zustand zeigt das Voltapotential
Schwankungen. Nach- S c h u l m a n n u. Hughes ,
Proc. Roy. Soc. [London] Ser. A 138, 443 [1932], gibt
Myristinsaure in diesem Zustand Schwankungen von
20 mV bei 15?. Adam u. Harding, Proc. Roy. Soc.
[London] Ser. A 143, 107 [1933], fanden bei Margarin-
saurenitril 60 mV.
sammenhang dargestellt worden, weil das bisher
in dieser Form in den wenigen zusammenfassen-
den Darstellungen fiber dieses Gebiet nicht ge-
schehen ist und well these Art der Darstellung fur
das Verstandnis der folgenden Darlegungen eine
besonders anschauliche Grundlage bildet.
Das Besondere an den geschilderten Zustands-
anderungen ist also, dall die Isothermen unter
Umstanden zwei scharf voneinander getrennte Ge-
biete (3. und 4. Zustand) durchlaufen, deren jedes
einem fliissigen Zustand entsprichtl,9. Es miissen
nun aber nicht alle these Zustandsformen bei
jedem Stoff unter sonst gleichen Bedingungen auf-
freten. In vielen Fallen (z. B. Fettsauren auf sau-
rem Substrat) ist die zur Abhebung der Ketten
von der Wasseroberflache erforderliche Kraft so
gering, dal der 2. Zustand direkt in den 5. Zustand
iibergeht (s. die gestrichelte Linie in Abb. 1). Oder
aber der Film wird helm Einengen schon vor Er-
reichen des Punktes J instabil und kollabiert, oder
er wird im Laufe der Zustandsanderung J-R in-
stabil. Filme, die bei einer gegebenen Temperatur
den tibergang vom 3. in den 4. Zustand zeigen,
nennen wir ? Vbergangsfilme" 10. Filme von Stoffen,
die aus relativ isodiametrischen ?Molekiilen be-
stehen, zeigen den 4. Zustand nicht11. In Grenz-
fallen kann auch bei zunehmendem Schub merk-
liche Lbslichkeit in Wasser auftreten. Die Isother-
men entarten dann. Fir Filme an der Grenzflache
von Wasser gegen ehn mit Wasser nicht misch-
bares organisches Ldsungsmittel gelten ahnliche
Aussagen. Die Kurven sind hier in Richtung grS-
Ilerer Abszissenwerte verschoben und brechen
frihher ab. Eine vdllige Kondensation last sich sel-
tener erreichen.
Es wird zunachst an dem Dibutylester der
Hexadecamethylendicarbonsaure (A) ehn beson-
9 Auch in diesem Zustand gibt es noch Veranderun-
gen, die vermutlich zweidimensionale enantiotrope
oder allotrope Umwandlungen polymorpher Filme
sind. Sdazu z. B. D e r v i c h i a n, J. chem. Physics 7,
.931 [1939]; Harkins u. B o y d , J. chem. Physics 8,
129 [1949]; Harkins, Chem. Reviews 29, 385 [19411;
Stallherg-Stenhagen u. Stenhagen, Svensk.
Kem. Tidskr. 55, 63 [1943] und dieselben in Ark. Kem.
Mineral. Geol. 18, 1 11944] .
10 Der Ausdruck ?expanded" in dem englischen Na-
men dieser Filme bezieht sich auf den 4. Zustand. Wir
meinen mit unserem Namen den gleichen Zustand als
den fur diesen Filmtyp charakteristischen Vbergang.
11 Z. B. Filme von a- und (1-Dextrin nach S c h a r -
d i n g e r. (Gemeinsame Untersuchungen mit Prof. K.
Fr e u d e n b e r.g, Heidelberg.)
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derer Fall eines trbergangsfilmes gezeigt*. Der
Temperaturkoeffizient des 4. Zustandes .liegt nicht
in der Grollenordnung von 1 Dyn/Grad wie bei
den meisten sonst bekannten Vbergangsfilmen,
sondern bei 0,2 Dyn/Grad (Abb.2). Auch liegt
der Flachenbedarf fur den Zustand im Punkt M
nicht in der Gegend von 48 A2 pro Molekul, wie
Adam ihn fur den ii.blichen Vbergangsfilm an-
gibt (z. B. Myristinsaure, Abb. 7), sondern bei
etwa 200 A2. Beides hangt offenbar damit zusam-
men, dali wit es hier mit einem an beiden Ketten-
enden polaren Molekul zu tun haben, das bei be-
ginnender Kompression des Films unter Abhebung
des Mittelteils der Kette vom Waasser zunachst
noch mit beiden Endgruppen in der Wasserober-
flache haftet. -
Diese Substanz A wird nun einmal mit dem
Methyl-dodecyl-sebacinsaureester (B) and ein
anderes Mal mit dem Sebacinsaure-dibutylester
(C) in verschiedenem molekularen Verhaltnis ge-
mischt, die Mischungen and die Komponenten wer-
den fur zwei um 15 his 20 ? ** auseinanderliegende
A S
30?
~
26?
9R?-
NO
~ 10D
1/
5
B
Gyn/crn
000-
5? V? 15? 20? 25? 30?
T
4 _
100 200, 000
AZpro MOYWI -
Abb.2. F/A-Isothermen von Filmen des Esters A.
Der Knick der Kurven bei J (s. Abb. 1) scheint nicht
so scharf zu sein wie bei den t7bergangsfilmen ein-
basischer Fettsauren (s. Abb. 7). Im Einsatzdiagramm
sogenannte Expansionskurven (Isobare). Vergl. dazu
das Einsatzdiagramm von Abb. 7 and beachte den viel
flacheren Verlauf des rechten oberen Kurventeils. Die
im Text oft erwahnte Expansionstemperatur von Fil-
tnen ist definiert als die Temperatur, bei der sich die
Isobare um die Halfte des Abstandes zwischen unte-
rem and oberem Niveau erhoben hat. Meist wird bei
Filmen einbasischer Sauren die 1,5-Dyn/cm-Isobare
zum Vergleich gewahlt.
A`proMoleku/-
Abb. 3. F/A-Isothermen von Filinen des Esters A, des Esters B and verschiedener Mischungen bei verschie-
denen Temperatures. Die Einsatzzeichnung Stellt in symbolischer Art, aber im richtigen Lkngenverhaltnis,
die verwendeten Molekule vor, die Punkte deuten den Ort der polaren Gruppe (Esterbindung) an, die
gestrichelte Linie bedeutet die Wasseroberflache fur den Fall, dall die Teilchen auf derselben senkrecht
stehen. In Wirklichkeit ist nattirlich die ?Dicke" dot Molekule, verglichen mit der Lange, viel grdller. Bei
4? geht die Kurve des Esters B noch weiter nach links, der Beginn des Kollapses ist aber nicht mit Sicherheit
festzustellen. Der gezeichnete Knick ist aber noch real. Pie Indexzahlen an den Mischkurven bedeuten
this Mol-Verhaltnis A zu B.
Temperaturen untersucht. Abb. 3 and 4 zeigen die bildungen erkennt man sofort, wenn man darauf
Ergebnisse. Das Wesentliche an diesen beiden Ab- achtet, bis zu welchem Endflachenbedarf sich die
* Hrn. Dr. Z o r n (Leuna-Werke) bin ich fur Vber- deranfertigungen zu besonderem Dank verpflichtet.
lassung reiner Versuchssubstanzen and einige Son- ** Samtliche Temperaturangaben in Celsius-Graden.
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262 11. J. TRURNIT
Filme jeweils komprimieren lassen. Die linken
oberen Endpunkte der Kurven geben ungefahr den
Punkt des Instabilwerdens (Kollabierens) der
Filme an. Bis zu diesem Punkt ordnen sich die
Molekule mit steigendem Schub, soweit es mog-
lich ist, immer mehr. Die folgende Betrachtung be-
ruht also im wesentlichen auf einem Vergleich der
Abszissenwerte der linken Kurvenendpunkte. In
zweiter Linie ist nattirlich auch der Gesamtkur-
venverlauf, besonders die Lage des Punktes J
A/C
20?C
A
A
d?piv Mo/ekui --
Abb. 4. F/A-Isothermen von Filmen des Esters A, des Esters C and der aquimol.Alischung beider. Die
Kurve des Esters C hat ihren Knick bei 17 Dyn/cm and verlauft dann anschlieiend schrag aufwarts, ohne
aber einen Endfliichenbedarf von 20A-') ganz zu erreichen.
zwischen dem 3. and 4. Zustand, von Bedeutung12.
Wir finden, dal eine aq%iimolekulare Mischung
von A and B sich bei 24 ? and bei 4 ? bis zu
einem Endflachenbedarf von etwa 24 A2 pro Kette
zusammenschieben last. Das bedeutet, daB die
Molekule B, deren ungemischter Film schon bei
ii.ber 65 A2 pro Molekiil kollabiert, hier durch die
Beimischung der Molekule.A fast vollstandig mit-
aufgerichtet wird. Eine Mischung 1 : 2 kollabiert
schon bei 45 A2 pro MolekUl bei 24', d. h. dal hier
die Anzahl der starren Partner A nicht grog ge-
nug ist zur Mitaufrichtung samtlicher Molektile B.
Ein quantitativer Vergleich ergibt, dal etwa die
Halite der Molekule B mitaufgerichtet wird and
die Halite den Flachenbedarf aufweist, den die
Molekule beim Kollaps im reinen B-Film zeigen.
Bei 4 ? dagegen genitgt auch dieses Mischungsver-
haltnis 1:2 noch zur vollen Aufrichtung aller
12 S. unten die Diskussion des Kurvenverlaufs fiir
den 4. Zustand.
sorte enthalt. Da der Punkt J fur den Ester A bei
gleicher Temperatur bei viel kleineren Schiiben
liegt als fiir den Ester C, mull man annehmen, daB
sich zunachst hauptsachlich Micellen des Esters A
bilden. Durch weitere Variierung des Mischungs-
verhdltnisses last sich vermutlich ziemlich genau
festlegen, mit welcher Wahrscheinlichkeit C-Mole-
kule in A-Micellen eingebaut werden. Solche Ver-
suche sollen noch angestellt werden.
Wenn die Aufrichtung eines flexiblen Molekiils
(B) durch einen starren orientierungsfahigen
Partner (A) etwa gleicher Kettenlange eine all-
gemeine Reaktion ist, so mull sie Bich auch mit
langkettigen Molekiilen einer einfachen Fettsaure
erreichen lassen. Wir haben dazu Stea.rinsaure
(D) genomjrien (Abb. 5). Wir finden, dal die
Kurve des Mischfilms in ihren unteren Partien nur
geringe Wechselwirkung zeigt, dali aber eine voll-
standige Aufrichtung der Molektile B zustande-
kommt. Die Kurve fur den reinen Ester B bei 15'
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Ketten. Diese Befunde sind das in praktischer
Hinsicht wichtige Ergebnis der Arbeit. '
Bei der Mischung A-C zeigt sich, dal bei 200
schon ein Mischungsverhaltnis 1:1 zur vollen
Aufrichtung nicht ausreicht and dall ein Absinken
der Temperatur auf 5' keine forderliche Wirkung
hat. Die zwischenmolekularen Krafte sind in die-
sem Falle infolge der kiirzeren Kettenlange erheb-
lich kleiner and es werden sich vermutlich Micel-
len bilden, deren jede bevorzugt nur eine Molekul-
A/C
7: 7
A
5
C
?C
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in dieser Abbildung ist durch sehr schnelles Zu-
sammenschieben gewonnen worden. Von 12 Dyn/cm
ab ist schon ein merklicher Kollaps festzustellen.
In den Mischkurven dagegen tritt ein deutlicher
Kollaps erst bei den jeweils markierten Schi ben
auf. Wir haben schlieflich noch den Ester A mit
Stearinsaure gemischt, da hier im Gegensatz zit
der Mischung B-D die Kettenlange des Saureteils
beider Partner gleich ist. Abb. 6 zeigt das Ergeb-
nis. Man sieht hier sofort die Verlagerung des
unteren Mischkurventeils nach links gegeniiber
einer theoretischen Mittelkurve. Das bedeutet
75?C
B 0
D
0/B
2:1
D/B 0/e
1'1 1:4
8
20 30 %7 50 , 60 70 &7 . 7 1W 170 120
A Zp, MoWvl -
Abb. 5. F/A - Isothermen von Filmen des Esters B and
der Stearinsaure and von Mischungen von beiden auf
Wasser von pH = 4 gespreitet (die in den vorangegan-
genen Abbildungen dargestellten Kurven stammen
von Filmen auf reinem Wasser von 15?).
starke Micellbildung schon im 3. Zustand, zumin-
dest die Aneinanderlagerung je zweier Mischpart-
ner. Die Aufrichtung erfolgt praktisch bei dem
gleichen Schub wie bei reinem A-Film. Die gleiche
Verlagerung nach links im unteren Kurventeil zei-
gen auch die Mischkurven von A and B (Abb. 3),
vor allem bei 24 ?. Also auch hier Aggregation der
noch liegenden Partner.
Die theoretische Deutung, die Langmuir der
von Adam gemessenen Kurvenschar eines typi-
schen -Cbergangsfilmes (Myristinsaure, Abb. 4)
gibt, basiert auf der Tatsache, dab das Kurven-
stuck N-J in diesem Falle ziemlich genau ein
Abschnitt einer rechtwinkeligen Hyperbel ist. Es
wird dafur eine Zustandsgleichung
(F-F,) (A-A,) = kT,
die der van der Waalsschen analog gebaut ist,
b.ingeschrieben; die Konstanten Ao and Fe wer-
den physika.lisch interpretiert. AO' die Flachen-
korrektur, ist nach Langmuir weniger ein
Mall fur den Kettenquerschnitt als fiir-die Krafte
zwischen den polaren Gruppen, wahrend Fo etwas
aussagt fiber die Kohasion in der aus Kohlen-
wasserstoffketten bestehenden oberen Filmschicht.
Fo ist von der Kettenlange abhangig and hat nega-
tive Werte.
D
D
\\A
7
",
AZ4
0 7110 AV 300
A2p1v Moleku/
Abb. 6. F/A- Isothermen von Filmen des Esters A and
der Stearinsaure and der aquimol. Mischung heider
(auf Wasser von pH = 4 gespreitet). Stearinsaure-
filme sind bei 181 bis caber 30 Dyn/cm stabil.
Die Betrachtung unserer Kurven fur den Ester A
(Abb. 2) zeigt aber, dali das Kurvenstiick JN kei-
ner rechtwinkeligen Hyperbel zugehort and mithin
auch keine einfache Zustandsgleichung einge-
fUhrt werden kann. Das Vorhandensein zweier
polarer Gruppen am Ende jeden Molekiils laIlt ja
auch von vornherein einen ganz anderen Mecha-
nismus beim Aufrichten von der Wasseroberflache
erwarten. Es wird sich fiir jedes einzelne Molekiil
mehr um ein ruckartiges Ablosen der einen pola-
ren Gruppe handeln als um ein allmahliches Auf-
richten. Dagegen scheint es wohl moglich zu sein,
die Langmuirschen Vorstellungen fiber den Kur-
venteil JR auch auf die Kurven von dibasisehen
Estern anzuwenden. Der 4. Zustand ist sicherlich
auch hier durch das gleichzeitige Vorhandensein
von Micellen and Einzelmolekulen bestimmt;
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264 H. J. T R U R N I T
wie im folgenden gezeigt wird, ftihrt die Anwen-
dung der Langmuirschen Vorstellungen auf die-
sen Fall zu plausiblen Schliissen.
Der Langmuirsche Ansatz fur den 4. Zustand
von trbergangsfilmen13 (der weitgehend unabhan-
gig von dem fur den 3. Zustand ist) ftihrt zu
einer Formel fur (3, die mittlere Anzahl der Mole-
kiile pro Micelle:
darin ist FO gleich F-FJ ; F and a: Schuh and moleku-
larer Flachenbedarf des betrachteten Kurvenpunktes;
Fj and aj sind die gleichen Grdden im Punkte J; aR
ist der molekulare Flachenbedarf im Punkte R.
Fur Myristinsaurefilme14,15 variieren die (3-Werte
zwischen 9 and 18. Langmuir halt es aus ein-
fachen geometrischen GrUnden fur wahrschein-
lich, dali (3-Werte von 1 + 6 = 7,1 + 6 + 6 = 13 usw.
bevorzugt sind.
Tab.1 zeigt die (3 -Werte, die wir unter Anwen-
dung obiger Formel aus unseren Kurven fur den
Ester A erhalten haben.
40
leT 1 aJ-a
aJ a - an?
A,/Ifolekiil
8? 20 - 1 5
19? 21 7 7
300 20 - 6
Diese Werte liegen also ganz ahnlich wie die
fur Myristinsaure, obwohl die beiden Gruppen
von Kurven einen ganz versehiedenen Verlauf
haben and die Filme im 3. Zustand sicher nicht
miteinander verwandt sind.
Es ist anzunehmen, daB die Micellen c. p. um so
kleiner sind, je grocer die polaren Gruppen sind.
Je steiler das JR-Stuck ist, um so kleinere (3 -
Werte findet man.
Die Langmuirsche Formel ergibt fur die Kurven von:
p-Dodecyl-phenol (3 = 5 ? 1 (vergl. Anm. 16)
a-Brom-fettsaure (C17) (3 = 9 bis 13 (vergl. Anm.16)
Monopalmitin (3 = 13 (vergl. Anm.16)
Athylpalmitat (3 = 55 (vergl. Anm.14)
Propylpalmitat (3 = 60 (vergl. Anm.16)
13 Langmuir nimmt an, daB im 4. Zustand Micel-
len der Molekiilzahl and Einzelmolekule miteinander
im thermodynamischen Gleichgewicht stehen. Der Par-
tialdruck Fj der Einzelmolekule bleibt, solange noch
solche vorhanden sind, konstant. Die Micellen haben
einen eigenen Partialdruck F and nehmen beim Ein-
engen des Films standig an- Zahl zu.
Die Kurventeile fur den 4. Zustand dieser Ester-
kurven verlaufen fast waagerecht, so dali der
Punkt J ein reiner Phasenwechsel zu sein scheint.
Nach Langmuir hangt das damit zusammen, dal
these Kurven den Tell GR nicht besitzen, die Linie
GRB tritt immer auf, wenn die Endgruppen stark
hydratisiert sind (z. B. n-Sduren). Bel Estern
geht das Kurvensttick JR sofort in die Linie HGA
fiber. Die Hydratation ist gering.
Dal nun die Kurven des Esters A viel steiler
verlaufen als die der Monoester and kleinere (3-
Werte ergeben, 11113t sich vielleicht deuten,
50
34,9?
isz? X90 5
o Q
75 Dyn/can
700Z0
? 3
?
\
0 40
C
d Zpro MoN491--9-
Abb. 7. F/A-Isothermen von Myristinsaurefilmen auf
saurem Substrat (nach A d a m 14,15). Die Einzeich-
nung der experimentell gefundenen Kurvenpunkte ist
hier ebenso wie in- den beiden folgenden Abb. unter-
lassen. Die in dieser Abb. wiedergegebenen Messun-
gen bilden die Grundlage fur die Theorie der Rber-
gangsfilme von Langin uir5.
man die F/A-Kurven (s. Abb. 8) des zu unserem
Ester A homologen Diathylesters der Hexadeka-
methylendicarbonsaure (A d a m, J e s s o p 11) mit
den F/A - Kurven des Esters A vergleicht. Es sind
typische ?vapour expanded" -Kurven, d. h. sie
haben keinen J-Punkt, der 3. and 4. Zustand gehen
flieliend ineinander fiber. Auferdem ist die Tem-
peraturabhangigkeit des 4. Zustandes viel gerin-
ger als bei den A-Ester-Kurven, and die Expan-
sionstemperatur liegt sehr viel hoher (s. Abb. 7).
Wenn man nun damit die F/A-Kurven von Athyl-
palmitat vergleicht (s. Abb. 9), so kann man die
14 A d a in u. J e s s o p, Proc. Roy. Soc. [London]
Ser. A 112, 362 [1926].
15 A d a in, The Physics and Chemistry of Surfaces,
3. Aufl., Oxford 1941.
16 Adam, Berry u. Turner, Proc. Roy. Soc.
[London] Ser. A 117, 532 [1928].
17 Adam u. J e s s o p , Proc. Roy. Soc. [London]
Ser. A 112, 376 [1926].
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t7BER FILME LANGKETTIGER DIBASISCHER ESTER 265
Wirkung des trberganges von einem Monoester
zu einem Diester gleicher Saurenlange18 abtren-
non von der Wirkung des Dberganges von einem
Diathyl- zu einem Dibutylester.
Der zweite Vergleich (Abb.7 and 9) zeigt im
wesentlichen drei Unterschiede. 1. Die Gegend des
J-Punktes liegt einmal bei 50 his 70 A2 pro Mole-
kiil, das andere Mal bei etwa 100 his 120 A2 pro
--1 2 , _ AMW-$
Abb. 8. F/A-Isothermen von Filmen des Diathylesters
der Hexadekamethylencarbonsaure (nach Adam u.
Jessop17).
Q
O
Alkohol wirkt also der Kondensation entgegen,
wenn der Alkohol der kiirzere Teil des Esters ist.
Da bei dem Diester A die RJ-Kurven links vie]
steiler sind, also kleine f3 -Werte ergeben, so kann
das im Falle der Giiltigkeit der Langmuirschen
Formel fur these Diester nur heilen, daB die Auf-
richtung der jeweils im 4. Zustand noch vorhan-
denen Einzelmolekule mit wachsender Zahl der
Micellen immer sbhwieriger wird. Man kann das
so deuten, daB fur die noch liegenden Einzelmole-
kiile in der Nahe-des Punktes J die ?drangenden
Elemente" meist andere liegende CH2-Ketten sind,
mit zunehmender Micellbildung dagegen nach R
hin immer mehr Estergruppen von aufgerichteten
Micellen auftreten, die zu der Affinitat des Was-
sers noch eine zusatzliche Kraft auf die polaren
Gruppen des noch liegenden Molekiils ausiiben
werden.
Der erste Vergleich (s. Abb. 2 u. 8) zeigt, dal
der Dibutylester sich in seinen Eigenschaften wie-
der mehr dem Monoester nahert. Die Anderung
des Schubs mit der Expansionstemperatur hat eine
ZwischengroBe. Der J-Punkt ist ziemlich ausge-
sprochen. Der Kurvenverlauf JR ist nicht so steil.
Die (3 -Werte sind viel geringer als beim Diathyl-
ester. Das kann in dem oben skizzierten Sinn wie-
der so gedeutet werden, dali die langere Alkohol-
gruppe die Zusatzkrafte der unteren Micellrander
kompensiert oder abschirmt. Was oben caber die
Expansionstemperatur bei Verlangern der'Alko-
holkette gesagt wurde, gilt offenbar auch hier.
Diese Deutungsversuche sind sicherlich viel zu
grob anschaulich, doch geht jeder theoretische
Ansatz letzten Endes von solchen stark vereinfa.-
chenden Vorstellungen aus.
Eine wirkliche Theorie dieser Filme multe die
eines ?Triplexfilmes" sein: Eine K.-W.-Mittel-
schicht mit einer unteren wassergebundenen po-
laren Schicht and einer oberen freien polaren
Schicht.
y0 50 60 70 80
12p1M9,W1
Abb.9. F/A-Isothermen von Filmen des Athylpalmi-
tats? (nach A d a m u. J e s s o p 14). Die eingeklam-
merten Temperaturwerte gelten etwa fur den Athyl-
ester der Stearinsaure and mtissen bei dem im Text
durchgefuhrten Vergleich mit Abb. 8 verwertet werden.
Molekul; 2.- der J-Punkt ist einmal scharf
inarkiert, das andere Mal nur als Krummungs-
maximum angedeutet; 3. die Anderung des Schu-
bes FJ mit der Expansionstemperatur ist beim Di-
dthylester funfmal kleiner als beim Monoester.
Aus der Tab. 4 bei A d a m 15 ergibt sich, daB
bei n-Fettsauren die Expansionstemperatur fur
jede zugefiigte CH2-Gruppe um 8 his 10 ? steigt.
Wenn man das H-Atom der Carboxylgruppe durch
CH3 ersetzt, sinkt. die Expansionstemperatur um
1 his 2', and wenn man es durch C 2 H 5 ersetzt,
sinkt sie um etwa 15 ?. Kettenverlangerung am
"I Fur Athylstearat liegen die Temperaturen um
15 bis 181 hoher als die fur Athylpalmitat angegebe-
non. Sonst ist der Kurvenverlauf der gleiche.
3. Diskussion auf Grund der
Molekiildimensionen
Eine quantitative Auswertung der Kurven der rei-
nen Substanzen ergibt folgendes: Die Lange von A
errechnet sich zu etwa 35,5 A. Wean man einen Quer-
schnitt von 20 A2, and diesen als quadratisch, annimmt,
errechnet sich ein Langsquerschnitt fur das Molektil
von 158 A2. Wenn man das bei Rontgenuntersuchungen
(M ii 11 e r 19) an Paraffinketten gefundene Seitenver-
19 A. M u 1 1 e r, ,Organische Kristalle mit Ketten-
molekulen" in,,Der feste Korper", Leipzig 1936.
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haltnis des Querschnittes der Elementarzelle 1 : 1,7
(kurz vor dem Schmp.) einsetzt, erhalt man 3,4 A fur
die kleinere and 5,8 A fur die grollere Seite. Die
entsprechenden Werte des Langsquerschnittes sind 120
and 206 A2. Bei genugend freiem Platz wird das Mole-
kul aus energetischen Grinden so liegen, dad die lan
gere Seite (5,8 A) des Prismenquerschnittes horizon-
tal liegt. Wir mussen also im 1. and 2. Zustand der
KKurve mit 206 A pro Molektil rechnen. Wie die Abb. 1
zeigt, beginnt bei 200 A2 pro Molekul der Schub starker
zu steigen. Bei weiterer Einengung des Films werden
sich die Molektile vielleicht teilweise um 90' um ihre
Langsachse drehen, aber vermutlich eher-dem Schuh
dadurch auszuweichen suchen, dall die kurzen, 16s-
lichen Alkoholenden nach oben oder unten verdrangt
werden. Der grodte Langsquerschnitt der Saure selbst
betragt 147 A2, der kleinste 86 A2. Bei 24? ist der
Flachenbedarf im Punkte J 120 his 130 A2 pro Molekul.
Wenn man bedenkt, dad beim Komprimieren des Films
his dahin wegen der Sperrigkeit der langen Ketten
(man denke an Streichholzer auf Wasser) die Bedek-
kung der Wasseroberflache sicher keine vollstandige
ist, wird man die gefundenen Werte von 86 his 147 A2
pro Molekul als gut dazu passend ansehen diirfen.
Filme des Molekt is B geben die Kurven B, die den
3. Zustand zeigen. Das Molekul B ist so gewahlt, dad
es von der weiter aullen gelegenen Esterbindung ab his
zum anderen Ende genau so lang ist wie das Mole-
kiil A von einer Esterbindung bis zum anderen Endo
(s. die Einsatzzeichnungen in den Abb.) : 22 C-Atome
and 1 Brticken-O. Der beim Komprimieren dieses
Films erreichte Endflachenbedarf ist 66 A2 pro Mole-
kul. Die beiden Langsquerschnitte des Saureteils sind
88 bzw. 52 A2. Es bleibt zunachst offen, ob das so zu
deuten ist, dad his zum Kollaps der Saureteil auf dem
Wasser bleibt, oder ob in der in Abb.3 (Nebendia-
gramm) angedeuteten Art eine Aufrichtung tiber der
mittelstandigen Esterbindung erfolgt. Auch das wurde
den Wert 66 A2 erklaren konnen. Das letztgenannte
Verhalten ist das wahrscheinlichere. Jedenfalls be-
wirkt bei 24? die Kompression des Films nicht eine ge-
streckte Aufrichtung der- knickfahigen Molektile B
uber der endstandigen Esterbindung, was wie bei A zu
einem Endflachenbedarf von 20 A2 pro Molekul fiihren
muffle. In Tab. 2 sind die berechneten Dimensionen der
verwendeten Molektile zusammengestellt. Dabei be-
deuten LE and L5 die Lange des Esters and seines
Saureteils in A and sinngemad QE and Qs die Langs-
querschnitte in A2. Der obere Wert gilt unter der An-
nahme eines quadratischen Querschnittes senkrecht
zur Achse (d, ='d2) and die beiden unteren Werte
geben die beiden Langsquerschnitte unter der An-
nahme, dad sich d2: d, verhdlt wie 1,7: 1.
Der Vergleich dieser Werte mit den bei den Estern
A, B and C fur den Punkt J bei Zimmertemperatur ge-
fundenen zeigt deutlich, dad wir in den 17bergangs-
filmen dibasischer Ester his zum Punkte J (von rechts
nach links gehend) mit dem Haften der beiden polaren
Endgruppen an der Wasseroberflache rechnen mussen.
Fur Myristinsaure dagegen liegt bei 19 ? der J-Punkt
bei 32 A2 pro Molekul, wahrend sich der Langsquer-
schnitt der Myristinsaure zu 80 A2 (61/105) ergibt. Die
Substanz LE,
21,2 1
1
158
120/206
141
108/184
113
86/147
1.13
86/147
68
52/88
68
52/88
108
82/140
Tab.2. Lange and Querschnitt (langs) der verwen-
deten Molekiile. Der Index E bedeutet Ester, der
Index S den Saureteil des Esters. Fur jede CH2-Gruppe
wurde ein Langenwert von 1,27 A angenommen. Die
Briickensauerstoffe wurden mit derv gleichen Wert
eingesetzt, da der damit eingefiihrte kleine Fehler fur
den Zweck dieser Zusammenstellung ohne Bedeutung
ist. Fur den Langsquerschnitt stelien jeweils drei
Werte, fiber deren Bedeutung vergl. Text. Alle Werte
in A and A2.
Molektile mussen in diesem Punkt also schon einen
ziemlich steilen Winkel mit der Wasseroberflache bil-
den. Langmuir nimmt in seiner Theorie fiir these
Filme an, dall im Punkt J die Micelibildung einsetzt.
Wir mussen fur die dibasischen Ester dagegen nach
dem Vorstehenden annehmen, dad im Punkte J das
Abspringen der einen pblaren Gruppe jederi Molekuls,
also seine Aufrichtung, einsetzt. Der Punkt J bedeutet
in beiden Fallen also etwas ganz Verschiedenes. Wir
mussen auch annehmen, dad schon vor Erreichen des
Punktes J zwischen den noch liegenden Molekiilen der
langeren dibasischen Ester Aggregation einsetzt and
dad die Aufrichtung z. Tl. gruppenweise erfolgt. Dad
der Punkt J sich mit zunehmender Temperatur nach
links and oben verschiebt20, hangt offenbar damit zu-
sammen, dad die Ketten mit zunehmender Temperatur
dem zunehmenden Schub immer besser durch ihreBieg-
samkeit - also ein Abheben des mittleren Kurven-
teils - nach oben ausweichen konnen. Wenn diese Vor-
stellung zutrifft, multte man annehmen, dad die oberen
Glieder einer solchen Kurvenschar nicht wie bei M'yri-
stinsaurefilmen von einer kritischen Temperatur ab
ohne einen Knick bei J verlaufen, sondern dad bei wei-
terem Einengen immer ein Knick bei J auftritt, wenn
der Film nicht vorher kollabiert. Leider sind Ver-
suche bei 40 his 501 recht schwierig sauber auszuft h-
ren, so dad wir noch keine Werte fur dieses Gebiet
haben.
Bei einem Versuch bei 39 ? lag der Knick bei 8 Dyn/cm,
also unter dem Wert fur 30 ?. Es bleibt abzuwarten, ob
es sich um einen experimentellen Fehler handelt oder
ob mit steigender Tempera.tur.plotzlich die Ablosung
der einen polaren Gruppe so leicht wird, dall die
Stufenhohe fur den 4. Zustand wieder sinkt.
20 lbrigens, soweit unsere Kurven das erkennen
lassen, nicht entlang einer Kurve, die durch eine Clau-
sius-Clapeyronsche Gleichung dargestellt werden
kann, wie bei den Ubergangsfilmen einfacher Fett-
sauren.
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Ein Schubmesser fur monomolekulare Filme
Von HANS JOACHIM TRURNIT
(7. Naturforschg. 2b, 267-274 [19471; aus Friedberg (Hessen) eingegangen am 13. August 1946)
Es wird uber Bau and Leistungsfahigkeit eines Gerates berichtet, das zum Messen
des zweidimensionalen Druckes monomolekularer Filme an Wasseroberflachen dient. Es
entstand durch Umbau eines ganz anderen Zwecken dienenden Gerates (Polarisations-
apparat), das in sehr praziser Ausfuhrung serienmaflig hergestellt wird.
D 1e Frage nach dem Verhalten diinnster Schich-
ten organischer Stoffe an Wasseroberflachen
gewinnt im Zusammenhang mit chemisch-physiko-
chemischen and vor allem biologischen Problemen
immer grofere Bedeutung.. Bei der Untersuchung
der Eigenschaften solcher Filme spielt die Mes-
sung der Abhangigkeit des mittleren molekularen
Flachenbedarfes (A) vom Schub (F) and von der
Temperatur eine wichtige Roller. Sie entspricht
der Aufnahme eines pv-Diagramms in der drei-
dimensionalenThermodynamik. Man gewinnt dar-
aus Hinweise auf Bau and Orientierung der Mole-
kiile turd auf die Art der zwischenmolekularen
Krafte. Auch lassen sich mogliche Wechselwir-
kungen and Reaktionen zwischen Film and Sub-
strat verfolgen.
A ist gegeben durch die Flache, die der Film auf
der Wasseroberflache einnimmt, dividiert durch die
mittels Wagung gefundene Anzahl seiner Molekiile.
F - der Schub des Films - wird in Dyn/cm gemes-
sen. Sein Wert ist numerisch gleich der Differenz der
Oberflachenspannungen-der freien and der filmbedeck-
ten Wasseroberflache. - Die Art des experimentellen
Unterschiedes zwischen wasserunloslichen Filmen,
um die es sich hier handelt, and solchen, deren Ver-
halten durch die G i b b s sche otter eine verwandte
Funktion dargestellt werden kann, spiegelt sich in
der theoretischen Behandlung insofern, als in die For-
meln fur unlosliche Filme der mittlere molekulare
Flachenbedarf A mit der Dimension Flache pro Teil-
chen (A2/Molekiil) and in die Formeln fur losliche
Filme die Grenzflachenkonzentration mit der rezipro-
ken Dimension Teilchenzahl pro Flacheneinheit (n/cm2)
eingesetzt wird. Im Nenner steht jeweils die experi-
mentell konstante Grolle.
Die Mellgerate sind im Prinzip immer eine Ver-
einigung der von Agnes P o c k e 1 s 2 entwickelten
Methoden mit irgendeinem empfindlichen, waage-
ahnlichen Kraftmesser3.
Fur eigene Filmuntersuchungen habe ich auf
Grund der Erfahrungen anderer Forscher and
auf Grund von eigenen Vberlegungen and Erfah-
rungen mit einem ganz einfachen Schubmesser ein
Prazisionsgerat entwickelt, das im folgenden be-
schrieben werden soil.
Bei seinem Entwurf waren folgende Gesichts-
punkte mal?,gebend: 1. Das Gerat soil eine hoh'e
Empfindlichkeit bei moglichst groller Nullpunkts-
stabilitat haben. Diese Forderungen lassen sick
nur auf Kosten des Mellbereichs verbindel . Das
eigentliche Mellorgan mull also austauschbar sein,
um in dem praktisch verlangten Bereich von' 0,001
bis 50;0 Dyn/cm messen zu konnen. 2. Wechsel
der Troglosung and Reinigung der Wasserober-
flache sollen leicht and ohne groflen Zeitverlust
moglich sein.
Aus der ersten Forderung ergibt sich die Wahl
eines Gerates mit waagerechtem Torsionsdraht, wie
es auch von Adam and J e s s o p 4 and von
Harkins 5 verwendet wird. Die geeignete Di-
mensionierung ermoglicht es dabei, alle Forderun-
gen durch Verwendung nur eines Drahtes zu er-
reichen. Dieser ist Melldraht and gleichzeitig Tra-
ger des Spiegels fur die Nullanzeige.
1 t7ber die Bezeichnung ?Schub" fur die Kraft pro
LAngeneinheit in der Randlinie von Filmen and uber
die sonstige Nomenklatur s. H. J. T r u r n i t, Fortschr.
der Chemie organ. Naturstoffe Bd. IV, S. 347, Springer,
Wien '1946. Dort auch eine 17bersicht uber die sonsti-
gen Schubmesser.
2 A. Pock e 1 s, Nature [London] 43, 437 [1891].
- S. auch 0 s t w a 1 d, Kolloid-Z. 58, 1 [1932].
3 Sie werden daher haufig ,Filmwaagen" genannt.
Da es sich aber nicht um ein Vergleichen von Schwer-
kraften, sondern von Oberflachenspannungen handelt,
werden sie besser als ?Schubmesser" bezeichnet.
4 A dam u. J e s s o p, Proc. Roy. Soc. [London]
Ser. A 110, 423 [1926].
5 Harkin-s u. Fischer, J. chem. Physics 1,
852 [1933].
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Zum Zwecke der Vergroderung des Spiegelaus-
schlages ist bei anderen Geraten der Nullspiegel an
einem dicht uber dem Schwimmer montierten, beson-
deren Torsionsdraht befestigt and auf eine mechanisch
aullerst verletzliche Art mit dem Schwimmer and dem
Schubhebel verbunden. Nun sind aber die Schwimmer-
dichtungen prinzipiell schon derart empfindlich, dad
man es nach Moglichkeit vermeiden sollte, das Gerat
durch weitere empfindliche Stellen zu belasten. Die
Erfahrung mit unserem Gerat hat gezeigt, daB auch
bei hohen Anforderungen an die Mellempfindlichkeit
die Befestigung des Nullspiegels Am Mefldraht selbst
geniigt.
Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Kon-
struktion war folgender: Zum Reinigen der Was-
seroberfldche and Beim Wechsel der Troglosung
ist es zweckmaBig, wenn das McBgerat schnell
and einfach vom Trog abgehoben werden kann.
Bei den friiheren Geraten war das nicht moglich;
G o r t e r e hat 1934 als erster einen Schubmesser
konstruiert, der als Ganzes gehoben and gesenkt
werden kann. Harkins, Carman u. Ries'
sind 1935 diesem Vorbild gefolgt. Es schien mir
Abb. 1. Schematische Seitenansicht des Gerates. Links
das Stativ mit Spindel and Mutter (M). Rechts die
Teilkreiskapsel mit Ableselupen (L), Grobeinstellung
(G), Feineinstellung (E), Drahtklemme (D) am
Drahthalter and Nullfernrohr (F). Das Drahtseil (S)
lauft uber Rollen zu einem Gegengewicht in dem U-
Trager (T). Das gestrichelte Niveau fiber der Fein-
einstellung bezeichnet die Lage der Wasseroberflache
beim Messen.
nun zweckmaBig, noch einen Schritt weiterzugehen
and den Schwimmer mit den Randstiicken and
Dichtungselementen vom eigentlichen Kraftmesser
zu trennen and zu einem unabhangigen Aggregat
zu machen. Die Dichtungen sind der empfindlichste
' Teil der Apparatur. Man kann dann Anderungen,
Reinigung and Reparatur des Schwimmers vor-
nehmen, ohne jedesmal den Kraftmesser in Mit-
leidenschaft zu ziehen. Bei Drehspulgalvanome-
tern, Saitengalvanometern and Saitenelektrometern
verfahrt man ahnlich. Auferdem kann man den
Kraftmesser ohne irgendeine Anderung mit ver-
schiedenen Schwimmern and an verschieden ge-
formten Trogen benutzen.
Diese Trennung des Schwimmers vom MeB-
system and damit dessen Trennung vom Trog
birgt aber eine Fehlermoglichkeit in sich, auf die
von vornherein geachtet wurde. Der Mechanis-
mus, mit dessen Hilfe das Meigerat in der Verti-
kalen bewegt wird, muB auferordentlich stabil
and ohne jeden toten Gang sein, damit nicht die
beim Messen notwendigen Krafteinwirkungen der
Hand des Beobachters auf den Teilkreishebel zu
Relativbewegungen zwischen Trog and Melgerat
fiihren. Dieser Forderung wurde durch Konstruk-
tion and Ausftihrung des Stativs and durch Auf-
stellung der ganzen Apparatur auf einem schwe-
ren, erschiitterungsfreien Tisch voll geniigt8.
Es war naheliegend, nach einem geeigneten
kauflichen Prdzisionsgerat zu suchen, das Bich in
ungezwungener Weise in einen Schubmesser um-
wandeln ldBt. Ein guter Polarisationsapparat ver-
einigt in sich die wesentlichen mechanischen Bau-
elemente fur einen Schubmesser, namlich einen
erstklassigen Teilkreis and zwei in geeignetem
Abstand voneinander befindliche zentrierte Lager.
An die Stelle des axialen Lichtbiindels kommt der
Torsionsdraht, an die Stelle der Polarisations-
prismen kommen die Drahthalter. Das Fernrohr
des Gerates wird oberhalb des Teilkreises mon-
tiert and dient zur Ablesung der Nullskala.
Der verwendete Polarisationsapparat ist das Modell
nach L i p p i c h von Zeill-Winkel 9.
e G o r t e r, J. gen. Physiol. 18, 427 [1935].
Harkins Carman u. Ries, J. chem. Phy-
sics 3, 692 [1935].
8 Dieses Stativ, die Drahthalter, das Hebelsystem
and der Thermostat wurden von der Firma L. H o r -
m u t h, Inh. W. Vet t e r, Heidelberg, in ausgezeich-
neter Ausfuhrung geliefert.
9 Das Modell nach L a n d o 1 t ware wegen seiner
Tragerform noch geeigneter.
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gitter. Das ganze System wiegt 4 g. Per Draht ist an
jeder Seite des Herzstuckes in gleicher Weise festge-
klemmt wie an seinen Enden.
Bei der Wahl der Lange and Spannung des Tor-
sionsdrahtes mufd folgendes berucksichtigt werden:
A K d B
I II------
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EIN SCHUBMESSER FVR MONOMOLEKULARE FILME 269
Abb. 2. Aufsicht des Gerates mit Stativarm und Mut-
ter (M). Darin der Querschnitt des U-Tragers, des
Bleigewichtes (B) and der Spindel. P sirid die beiden
Befestigungspunkte der Drahtseile nahe dem gemein-
samon Schwerpunkt von Mutter, Stativarm and eigent-
lichem Schubmesser. H ist das Hebelsystem mit Spie-
gel (Sp) and Dampfung (R), N der hintere Draht-
halter mit Nulljustierung, K die Kapsel caber dem vor-
deren Drahthalter. Das Fernrohr, das Winkelprisma
and der Schutzkasten um Draht and Hebelsystem sind
fortgelassen.
In die beiden Lager des Gerates, die sonst die Pris-
men aufnehmen, wurden Drahthalter eingebaut. Per
vordere, konisch eingesetzte Halter wird vom Teil-
kreis mitgenommen. Er tragt axial einen Drahtspan-
ner, der einen Hub von etwa 8 mm hat. Per hintere
Halter ist ebenfalls drehbar eingesetzt. Die Drehung
erfolgt durch Schneckentrieb. Es wurde dazu der Fein-
trieb eines guten Mikroskops verwendet10. Die Trom-
mel hat 100 Teilstriche. Dieser Trieb dient zur Null-
justierung des Gerates vor jedem Versuch.
Die eigentliche Befestigung der Drahtenden besteht
aus je einem Plattchen, das den Draht mittels zweier
Stahlschrauben genau axial auf ein halbzylinderfor-
miges Segment des Halters druckt. Es ist der jeweils
uuilerste, also gut zugangliche Teil der beiden Halter.
Per mittlere Abstand der Fixierungspunkte betragt
420 mm. Als Torsionsdraht wurde bisher ein Klavier-
saitendraht von 0,3 mm 0 verwendet.
Das Hebelsystem (Abb. 3), das die Verbindung zwi-
schen Torsionsdraht and Schwimmer herstellt, ist in
einem Abstand von 250 mm hinter der vorderen Fixie-
rung angebracht, sitzt also nicht in der Drahtmitte.
Durch Tarierschrauben last sich genau wie bei einer
Waage das System ins Gleicligewicht bringen and der
Abstand des Schwerpunktes von der Achse einstellen.
An dem Ilerzsttick des Hebelsystems ist - aufsteck-
bar - ein Spiegelhalter angebracht, auf dem ein Gal-
vanometerspiegel (8 mm 0) in horizontaler Lage auf-
geklebt,ist. Das Hebelsystem besteht aus Aluminium-
10 Hierftir bin ich der Firma E. L e it z in Wetzlar
zu Dank verpflichtet.
Wenn zwischen den Punkten A and B ein Draht d
eingespannt wird, an welchem im Punkt K ein Hebei h
befestigt ist (an seinem unteren Ende mit dem
Schwimmer S verbunden), so wird eine Torsion des
Drahtes bei A ein Drehmoment m1 erzeugen: Per
Hebei bewegt den Schwimmer. Dieser Vorgang ist
der Zweck der Anordnung. Nun bietet der Schwimmer
aber dem Hebei einen, je nach GroIe des Schubes ver-
schieden grollen Widerstand. Dadurch entsteht ein
weiteres Drehmoment m2, das den Punkt K senkrecht
zur Richtung AB and senkrecht zur Hebelrichtung
aus seiner Lage zu verschieben trachtet. Das kann zu
einer kleinen Kippung des bei K an dem Draht be-
festigten Nuilspiegels fiihren. Bei zu langem oder zu
schwach gespanntem Draht wurde das bewirken, dad
die Nullstellung des kraftfreien Systems (also ohne
Film) von der Nullstellung beim Messen eines Films
- and zwar mit wachsendem Schub immer mehr -
merkbar abweichen wurde. Bisher ist auf these Ver-
haltnisse nicht aufmerksam gemacht worden.
Abb. 3. Das Hebelsystem am Melldraht in perspektivi-
scher Darstellung. Die Dampfungseinrichtung wurde
nicht mitgezeichnet. Unten der mittlere Teil des
Schwimmers.
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270 H. J. TRURNIT
Die notwendige Dampfung besteht aus einem dun-
nen Stahldraht, der in Achsnahe am Hebelsystem in
waagerechter Lage befestigt ist, dann nach unten um-
hiegt and in eine waagerecht liegende Flachspirale aus-
Iauft. Diese taucht in reines Paraffinol.
Es ist wichtig, dali der Draht dann ist, weil beim
Austauchen 01 von ihm mit hochgenommen wird, das
darn langsam wieder ablauft. Beizu grollem Umfang
des Drahtes ftihrt das zu einer merklichen Relaxa-
tion bei der Einstellung auf Null. Ein 0 von 0,1 mm
hat sich bewahrt.
Der Schubhebel gabelt sich auf and endet in zwei
geschlitzten Messinghiilsen, in denen je ein Platin-
stift steckt. Der waagerechte Eichhebel zeigt zur Film-
seite des Schwimmers hin and hat an seinem Ende
eine Kerbe zum Anhangen der Eichgewichte11. Die
effektive Lange des Schubhebels betragt 82 mm. Die
effektive Lange des Eichhebels betragt 47 mm and die
effektive Lange des Schwimmers 150 mm. Bei Be-
lastung des Eichhebels mit 10 mg (9,81 Dyn) ist die
notwendige Gegendrehung am Teilkreis 0,98' ? 0,002
ohne Schwimmer. Der Eichfaktor ist fur 1' gleich
0,382 Dyn/cm.
Da die iiblichen Filme selten einen Schub groBer
als 40 Dyn/cm aushalten, kommt also eine maximale
Torsion des Drahtendes um etwa 1100 in Frage. Die-
ser Wert erscheint bei 25 cm Lange and 0,3 mm 0
im Hinblick auf die Deformationserscheinungen and
(lie unter dem Namen Bauschinger-Effekt (s. Heyn)12
zusammengefalten Elastizitatsanomalien etwas hoch.
Die Formel, die these Verhaltnisse beherrscht,
a :c
I)2l r4
r a
ist nur gtiltig, wenn l klein bleibt. Dabei ist
D = Drehmoment (in Dyn) X cm, 9b = Drillingsmodul
Dyn/cm2, a =Torsionswinkel in Bogengraden, 1=Draht-
lange in cm, r=Drahtradins in cm. Doch andert sich,
wie Versuche gezeigt haben (s. Tab. 3), der Eichfak-
tor bei hohen Schubwerten nicht. Meistens bleiben die
Kollapsschiibe auch unter 20 Dyn/cm, also die Drehung
unter 60 ?.
Durch wahlweise Verwendung der Ublichen Draht-
starken and verschiedener Materialien (Stahl, Bronze)
kann man dem ?Gerat praktisch jeden gewunschten
Melbereich geben.
Der Torsionsdraht mit Balkensystem and Dampfung
ist durch ein Blechgehause geschiitzt. Dieses hat unten
zwei Schlitze fur die Platinspitzen des. Schubhebels.
Verne ist ein abnehmbarer Vorbau fur den Eichhebel.
Beim Messen wird der Thermostat, in dem der Trog
steht, aulerdem mit Glasplatten.bedeckt, die dicht um
das Hebelgehause abschlieien. Die Empfindlichkeit ist
11 Bei dem Geriit der Cambridge-Instr.-Comp.
and einigen anderen ist dieser Eichhebel zur filmab-
gewandten Seite hin gerichtet. Der Draht wird dann
beim Eichen in entgegengesetzter Drehrichtung be-
ansprucht wie beim Messen. Diese Anordnung ist
nicht zweckmiBig.
12 H e y n , Naturwiss. 9, 321 [1921].
so groB, dal ohne diesen Schutz geringe Luftbewe-
gungen im Zimmer Nullpunktsschwankungen be-
wirken.
Die Nulleinstellung wird durch Beobachtung einer
Nullskala vorgenommen. Diese wird mit dem Fern-
rohr des Instrumentes13 auf dem Umweg caber ein
Spiegelprisma and den Galvanometerspiegel beobach-
tet. Per Gesamtlichtweg ist etwa 46 cm. Dieser Teil
des Gerates ist optisch derart bemessen, dal3 die hohe
Einstellgenauigkeit des Teilkreises voll ausgenutzt
werden kann. Verschiebungen von halben hundertstel
Graden am Teilkreis sind an der Nullskala noch be-
merkbar. Die Nullskala kann gesondert beleuchtet
werden.
Diese Anordnung der Nullbeobachtung hat gegen-
iiber derjenigen bei den meisten bisherigen Schubmes-
sern den Vorteil, daB die beiden Orte der Beobach-
tung (Teilkreislupe and Nullfernrohr) sehr nahe bei-
einander liegen and die Ablesungen schnell hinterein-
ander vorgenommen werden ktinnen, ohne dali der
Beobachter ermudet. ,
Als optimale Losung ist eine gleichzeitige Beob-
achtung der Teilkreisstellung and der Nullskala zu
betrachten. Das lalt sich bei dem hier geschilderten
Gerat z. B. dadurch erreichen, dal man den Teilkreis-
sektor plus Nonius mit einem Strahlenbundel beleuch-
tet, das fiber den Nullspiegel geftihrt wird and das
einen feinen Draht in der Teilkreisebene scharf ab-
bildet. Neben dem Nonius mug dann ein schmaler
weiBer Schirmstreifen angebracht werden, der eine
Nullmarke tragt. Per versilberte Nonius selbst ist
als Schirm nicht geeignet. Es ist so moglich, die Ein-
stellung auf Null and die Ablesung am Teilkreis
(unter dauernder Kontrolle der Konstanz der Null-
Lage) im gleichen Gesichtsfeld bei nur minimaler
Anderung der Blickrichtung vorzunehmen.
Per Schwimmer des Gerates besteht aus Glimmer,
die Dichtung aus kreisformig 14 angebrachten, 50 mm
langen, 4 mm breiten Platinbandchen von 5 It Dicke,
die vertikal zur Halite ins Wasser tauchen. Die obere
Halite ist unbenetzbar, die Kulissen bestehen aus ver-
silbertem Messing. Die Art der Befestigung der Pla-
tinbandchen am Schwimmer and den'Kulissen geht am
besten aus der Abb. 4 hervor. Sie werden an die klei-
nen vertikalen Folienhalter aus Silberblech gelotet
oder geschweitit oder mit Paraffin angeschmolzen.
Wenn der Trog gereinigt werden soil, werden Kulis-
sen and Schwimmer unter Fixierung ihrer gegenseiti-
gen Lage zueinander and ohne irgendeine mechanische
Beanspruchung der Dichtungsbandchen von einem
Halter aufgenommen, ahnlich wie beim Ersatz der
Saite eines Einfadenelektrometers oder Saitengalvano-
meters.
13 In der Blendenebene des Okulars wurde ein Haar-
draht als Nullmarke angebracht.
14 Die Verwendung dieser Kreisform erfolgt auf
Vorschlag von Hrn. Dr. P. K o e h 1 e r. Bei den sonsti-
gen Geraten werden schwach gewellte oder halbkreis-
formige Dichtungen verwendet, die, weil sie kiirzer
sind, bei gleichem 0 dem Schwimmer eine unnotig
grole Richtkraft verleihen. Unter eine Dicke von
einigen ? geht man am hasten n5cht herunter.
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415ROO0700040006-3
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415ROO0700040006-3
EIN SCHUBMESSER FUR MONOMOLEKULARE FILME 271
Der Schwimmer ist 145 min lang. Die Breite der
Spalte betragt je 5 mm. Also ist die effektive Schwim-
merlange 150 mm. Die Breite des Schwimmers ist
8 mm. Die Flache der Kreise and der Spalte zwischen
Schwimmer and Seitenkulissen ist zusammen 5,6 cm2
and wird immer mit diesem Wert in Rechnung ge-
stellt. Selbst bei Verformung zu einer Ellipse mit
einem Achsenverlialtnis 2: 3 ist die Flachenanderung
noch Beringer als 1 cm2 fur beide Kreise. Da (bei
einer Trogbreite von 200 mm) der Barren nie naher
als 4-5 cm an den Schwimmer herangeschoben wird,
bleibt der durch seine Verformung mogliche Fehler
in der Flachenbestimmung unter 1 %. Jo hoher der
Schub des Films wahrend des Versuches wird, um so
mehr nahert sich die bei filmfreier Wasserflache nicht
ganz kreisformige Lage der Bandchen einem Kreise.
Abb. 4. Der Schwimmer mit Dichtung and Randstuck.
Diese nur auf einer Seite des Schwimmers gezeichnet.
Auf dem Schwimmer (S) die beiden Bracken (B), in
deren Locher die Schubhebelspitzen eintauchen, seit-
lich davori die Tragerlaschen (T), in deren Schlitze
die Arme des Schwimmerhalters eingreifen. Das Rand-
stuck (R), in das die Kulisse (K) eingesetzt ist, zeigt
an seiner Oberseite drei Bohrungen fur Schraube and
Palstifte des Schwimmerhalters. Die Dichtungsfolie
(D) ist beiderseits an den Folienhaltern (F) befestigt.
Von diesen ist je einer an den Schwimmerenden and
den diesen gegenuberliegenden Kulissenenden fixiert.
Das seitliche Loch im Randstuck fiihrt die Schraube
zum Fixieren am Trogrand.
Die Konstruktion des Stativs geht aus den Abb.1
and 2 hervor. Dieses Stativ ist so sauber ausgefiihrt,
daB trotz der starken Vergroilerung des Fernrohres
auch nicht die geringste Bewegung der Nullskala zu
bemerken ist, wenn man an der Grobeinstellung des
Teilkreises ein Drehmoment ausi bt, das gerade noch
nicht zur Teilkreisbewegung fiihrt.
Der Trog ist aus Messing gebaut and matt ver-
chromt 15. Seine Innenmafle sind 600 X 200 X 8 mm. Er
ist innen paraffiniert and sein Rand mit einem Film
von Eisenstearat versehen. Der Schwimmer befindet
sich etwa 10 cm vom einen Ende entfernt. Am anderen
Ende massen auch etwa 10 cm fur die Reinigungs-
barren abgerechnet werden, so dad die nutzbare Film-
flache 800 cm2 betragt. Die Kompression des'Films er-
folgt stets hochstens von 40 bis auf 4 cm, also auf 10%,
weil der Metfehler der Flachenbestimmung sonst zu
grog (caber 1%) warde and sich der Blindwert des
Schubes (infolge geringer Verunreinigungen, die nie
ganz zu vermeiden sind) sonst bemerkbar macht.
15 Fur seine sorgfaltige Ausfuhrung bin ich dem
Mechanikermeister am Physiol. Institut in Heidelberg,
Hrn. V. S t o 11, zu Dank verpflichtet.
Als Barren werden Glasprismen mit quadratischem
Querschnitt (10 X 10 mm) genommen, die ebenfalls
mit Eisenstearat impragniert sind. Der Melibarren
wird durch einen Schieber bewegt, der mit der Lauf-
mutter einer 50 cm langen Spindel in starrer Ver-
bindung steht. Die Spindeldrehung erfolgt fiber eine
Zahnradiibersetzung. Der Barrenvorschub ist s'o be-
messen, dad eine Drehung des 200-zahnigen Antrieb-
rades 1 cm Barrenvorschub bewirkt. Die mechanische
Ausfuhrung ist so sauber, dad eine Drehung um zwei
Zahne am Zeiger der Vorschubskala, die mit Nonius
ausgeriistet ist, gut als Vorschub zu erkennen ist
(1/lo mm). Diesem Vorschub entspricht eine Flachen-
anderung von 0,2 cm2 also bei 100 cm2 0,2 %, bei
800 cm2 0,025%. In diesen Grenzen bewegt sich also die
relative Genauigkeit der Flachenmessung bei der Auf-
nahme einer Einzelkurve, wenn man konstante Form
der Dichtungsfolien annimmt. Da diese aber im Ruhe-
zustand and bei kleinem Schub etwas von der Kreis-
form abweichen and sich bei hoheren Schiiben ('10 his
15 Dyn/cm) der Kreisform nahern, wird hierdurch ein
zusatzlicher Fehler eingefiihrt, der aber auch bei der
Minimumflache von 80 cm2 Bering bleibt. Beispiel: Die
Flache einer Ellipse mit einer numerischen Exzentri-
zitat von 0,7 ist nur um das 1,08-fache kleiner als die
eines umfanggleichen Kreises.
Die Flachenmessung fur sich ist also von einer
hohen Genauigkeit. Der Hauptfehler in der Bestim-
mung der Grope A (A2/Molekiil) wird bei der Ein-
waage der Substanz and dem Wagen der zu spreiten-
den Losungsmenge eingefiihrt. Je nach Art and GroBe
der Molekule werden 10 bis 20 mg auf 10 cm3 Losungs-
mittel eingewogen. Wenn fur diese Wagung nur eine
analytische Waage mit einem Wagefehler von 0,1 mg
zur Verfugung steht, betragt dieser Fehler etwa 1%
and derjenige der Differenzwagung fur das Tropfen-
gewicht (10 his 20 mg) 0,5 bis 1%. Diese Fehler kon-
nen sich also zu einem Gr6Btfehler von 2 bis 3% sum-
mieren. Der wahrscheinliche Fehler ist geringer.
Zum Auftropfen, Wagen and Aufbewahren der MeB-
losung verwendet man zweckmaBig die von H a r -
k i n s and Myers 16 angegebenen Kugelpipetten
(Wagepipetten) mit je doppeltem Schliffverschlul
fur Einfull- and Ausladstutzen. Der Verdunstungs-
fehler, der fruher die Ergebnisse der Filmuntersu-
chungen stark falschte, last sich bei richtigem Arbei-
ten mit diesen Pipetten praktisch ausschalten. Die
der Pipette beim Spreiten entnommene Menge wird
nicht volumetrisch, sondern durch Ruckwagung he-
stimmt.
Das Gerat wird, wie jedes echte Laborgerat, das
mit seiner Aufgabe verwachsen ist, Anderungen
and Verbesserungen erfahren. Es soil aber trotz-
dem in dem Zustand, in dem es sich etwa ein Jahr
lang bewahrt hat, durch Wort, Bild and Zahl vor-
gestellt werden.
10 Harkins u. Myers, J. chem. Physics 4, 716
[19361.
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415ROO0700040006-3
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
272 H. J. TRURNIT
Mit Schwimmer
Ohne Schwimmer
Last am Eichhebel:
10 mg
Last am Eichhebel:
305 mg
Ausgangslage:
194,84 Grad
Ausgangslage:
195,60 Grad
Ablesung
I -}- d
d
I Ablesung + d
-A
194,84
1,01
195,60
29,68
x 3,83
1,10
x 65,92
29,67
4,93
1,10
95,59
29,63
x 3,83
1,07
x 65,96
29,63
4,90
1,09
95,59
29,67
x 3,81
1,13
x 65,92
29,66
4,94
1,17
95,58
29,57
x 3,77
1,15
x 66,01
29,57
4,92
1,12
x 3,50
1,09
95,58
29,58
4,89
1,17
x 66,00
29,55
x 3,72
1,20
95,55
29,64
4,92
1,11
x 65,91
29,65
x 3,81
1,07
95,56
29,68
4,88
1,18
x 65,88
29,66
x 3,70
1,17
95,54
29,50
4,87
1,20
x 66,04
29,50
x 3,67
1,16
95,54
29,67
4,83
1,13
x 65,87
29,67
x 3,70
1,14
95,54
29,69
4,84
x 65,85
29,68
95,53
1,12
1,13
29,63
29,62
nx - 0,07 (0,04 = 6,2 0/0 (3,5 ?/0).
m = 0,06 - 0,2 ?/0
sic = 0,02 (0,014) - 1,8?/0 (1,2 0/0)
m = 0,02 = 0,06 0/0
Tab. 1. Beispiel zweier Medreihen, wie sie zur Gewinnung von Tab. 2 fur jede Belastung (S-Wert) mehr-
mals vorgenommen wurden. Die angegebene Last wurde zehnmal hintereinander an den Eichhebel gehangt and
wieder abgenommen. Nach jeder Entlastung wurde der Nullwert neu bestimmt. Die positiven and negativen
Differenzen sind verwertet. In dem Beispiel ohne Schwimmer sind die Werte von m and m fast gleich
fur die +A- and die -A-Reihe. Daher nicht gesondert angefiihrt. Teilkreisablesung in Graden.
Wenn Langmuir and Schaefer17 schreiben,
dad man in wenigen Stupden aus Glaskapillaren, Kleb-
wachs and ?materials obtainable at a 5 and 10 cents
store" einen fur die moisten Zwecke ausreichenden
Schubmesser bauen konne, so ist das eher als An-
sporn fur Jiinger der ,Filmkunst" and als Ausdruck
der Vberzeugung zu werten, dad das Technische in
der Forschung nur Hilfsmittel, nicht Selbstzweck ist.
Ich babe zunachst auch mit einem solchen ,gebastel-
ten" Gerat (aus etwas Draht and Bloch, Glasrohr, zwei
Grammophonnadeln als Waageschneide, Silberpapier
and ein paar Schraubchen) gearbeitet. Es genUgt fur
Demonstrationen and um einen ersten Anhalt fur das
Verhalten eines Films zu bekommen. Die Arbeit ist
dabei erheblich muhsamer and erfordert mehr experi-
mentelles Konnen and Kritik als das Arbeiten mit
einem guten Standardgeratla
Im folgenden werden als Anhang Ergebnisse
von Genauigkeitsprufungen and ihre Auswertung
mit Hilfe der Fehlerrechnung mitgeteilt.
17 Langmuir u. Schaefer, J. Amer. chem.
Soc. 59, 2400 [1937].
Anhang
Der wesentliche Unterschied zwischen einem ein-
fachen and einem ,kostbaren" Gerat soil nicht in der
Empfindlichkeit liegen, sondern darin,'dad beim Arbei-
ten mit dem besseren Gerat die systematischen and zu-
falligen Fehler moglichst klein and letztere in ihrer
GrbBe and Verteilung moglichst genau anzugeben
sind. Da ausfiihrliche Daten hieriiber fur die bisher
bekannt gewordenen Schubmesser nicht veroffentlicht
sind, soil das her fur das beschriebene Gerat ge-
schehen.
fiber die Fehler bei der Bestimmung des molekula-
ren Flachenbedarfs wurde oben schon berichtef. Sie
lassen sich durch Verwendung einer 11likrowaage er-
heblich verringern.
fiber die systematischen Fehler bei der Schubmes-
sung ist folgendes zu sagen. Wenn die Eichgewichte
and die Teilung des Teilkreises als richtig angenom-
men werden, konnen Fehler durch die Bestimmung
des Verhaltnisses der Schub- and Eichhebellange,
is Harkins u. Anderson, J.Amer.chem.Soc.
59, 2189 [1937].
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
Last am
Ei
hh
l
b
entspricht
einem Schub
A
-
B
c
e
e
mg
von
Dyn/cm
m
0/0
m
0/0
10
0,382
0,002
0,2
0,012
1,1
20
0,764 -
0,002
0,09
0,019
0,9
100
3,82
0,003
0,03
0,016
0,16
304
11,5
0,02
0,07
0,046
0,16
503
19,2
0,02
0,04
0,07
0,14
1007
38,5
0,05'
0,06
0,09
0,09
Tab. 2. Prilfung des Schubmessers ohne Film.
Mittlerer Fehler des Mittels aus je 10 Einzelbeobach-
tungen and relativer mittlerer Fehler des Mittels.
A = ohne Schwimmer, Hebelsystem frei schwingend.
B = Schubhebel in Arbeitsstellung mit Schwimmer
verbunden, gereinigte Wasseroberflache.
Last am
Eichwert:
Eichhebel
[Grad-Drehung pro 10 mg]
mg
A B
10
0,99
1,11*
20
-
1,04*
100
0,97
0,99
304
0,97
0,98
503 j-
0,97
0,98
10071
0,98
0,98
Tab. 3. Eichwerte bei verschiedener Belastung.
A = ohne Schwimmer, B = mit Schwimmer.
Wirkung der Richtkraft der Dichtungsbandchen,
siehe Text.
Bei 500 and 1000 mg Belastung macht sich eine
elastische Nachwirkung von einigen hundertstel
Grad bemerkbar, d. h. der endgultige Wert nach
Belastung oder Entlastung stellt sich erst nach
etwa 5 bis 10 Sekunden ein.
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
EIN SCHUBMESSER FUR MONOMOLEKULARE FILME
A
Barrenabstand vom Schwimmer in cm
Schub : 3,4 Dyn/cm
groBe Flache
Schub: 17 Dyn/cm
groBe Flache
Schub: 2,8 Dyn/cm
kleine Flache
32,74
78
82
84
87
90
93
98
33,01
33,03
M=0,008
= 0,03 ?/0
m = 0,003
= 0,008 ?/0
32,24
21
19
16
13
07
05
01
31,99
31,96
m = 0,007
= 0,02 ?/0
m=0,002
= 0,007 ?/0
Tab. 4. A.
9,25
24
27
29
30
30
32
32
33
34
M=O,' 09
=0,1 0/o
m=0,003
T 0,03 ?/0
B
Teilkreisablesung in Graden
Barrenabstand:
Barrenabstand:
Barrenabstand:
32 cm
32 cm
9,3 cm
Schub : 3,9 Dyn/cm
Schub:16,5 Dyn/cm
Schub: 3,3 Dyn/cm
184,75
151,59
1 186,45
76
50
5,92
66
65
6,00
57
91 I
5,62
47
2,15
62
40
32
62
35
49
31
19
75
25
10
88
25
11
3,13
22
m = 0,04 m = 0,06
m = 0,14
= 0,4 ?/0 = 0,15 ?/0
= 1,6 ?/0
m=0,014 m=0,02
m=0,04
= 0,14 ?/o = 0,05 ?/0'
= 005
Tab. 4. B.
Tab. 4. McBreihen, die gleichzeitig systematische and
zufallige Fehler demonstrieren bei pH 3,2. Zimmer-
temperatur 13'. Stearinsaure.
A. Teilkreis auf einen festen Schubwert eingestellt.
Der Barren wird immer um einen gleichen Betrag
zuriickgezogen (bei 32 cm um 2 cm, bei 9 cm um
1 cm) and wieder bis zur Nullstellu.ng des Schub-
zeigers vorgeschoben.
B. Per Barren wird um die gleichen Wege zuriick-
gezogen, aber dann immer wieder auf einen Fest-
wert gebracht and der Schubmesser auf Null ge-
stellt and abgelesen.
Alle McLreihen zeigen einen Gang. Das bedeutet
einen systematischen Fehler: Bei kleinem Schub Fla-
chenvergroBerung bzw. Schubanstieg (thermischer
Effekt oder Nachspreiten von ungespreiteter Sub-
stanz). Bei groflem Schub Flachenverkleinerung bzw.
Schubabfall (Undichtigkeit oder Kollaps).
Wenn man diesen. Gang durch Abzug des mittleren
Intervalls eliminiert, bleiben die zufalligen Fehler
zuriick. (Die Zeitabstande zwischen den einzelnen Ab-
lesungen waren etwa gleich.) Die so gewonnenen
Werte von m and m sind bei jeder McBreihe angegeben.
Es wurden absichtlich McBreihen gewahlt, in denen
systematische Fehler bemerkbar sind. Wenn Trog-
rander and Barren frisch mit Eisenstearatfilm ver-
sehen sind and die Schwimmerdichtung and die Dich-
tung an den Randstucken einwandfrei ist, ist auch bei
hohem Schub von einem Gang nichts zu bemerken.
durch das Dampfungssystem and durch die Unsicher-
heit in der Bestimmung der effektiven Schwimmer-
lange eingefiihrt werden. Ferner 5ndert sich durch
Verdunstung u. U. auch wahrend eines Versuches die
effektive Schubhebellange. Weiter wird ein Meffehler
dadurch eingeftihrt, daB der Schwimmer, der ja an
seinen beiden Langskanten Beim Versuch verschiede-
nen Oberflachenspannungen ausgesetzt ist, Bich da-
durch - in Abhangigkeit vom Schub - mehr oder
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
EIN SCHUBMESSER Ft7R MONOMOLEKULARE FILME
Barren -
abstand
in cm
Teilkreisablesung in Grad
195,00
5,005,00
5,00
5,00 5,00
5,00
5,00
5,00
195,00
4,99 5,00
5,00
5,00
5,00
5,00
5,00
5,00
4,99
954,99
4,99
4,99
4,97
90
90
90
4,90
90
4,91
90
89
4,90
95
93
95
96
94
94
92
97
Tab. 5. Blindversuche zur Priifung der Reinheit der
Wasseroberflache nach dem ffblichen Abstreifen. Die
einzelnen Gruppen sind an verschiedenen Tagen je-
weils zwischen zwei Versuchen zur Kontrolle gemes-
sen worden. Eichfaktor 1 ? = 0,382 Dyn/cm. (Ada m 19
gibt an [Seite 31], daB eine sehr saubere Wasser-
oberflache bei Kompression von 38 cm Barrenabstand
auf 8,75 cm, also auf ein Viertel, Schubwerte ergibt,
die unter 0,03 Dyn/cm bleiben.) Schubanstieg bei Kom-
pression auf ein Viertel gleich 0,10 ? = 0,038 Dyn/cm.
Dal Beim Zuruckgehen auf 40 cm Barrenabstand der
Nullwert am Schubmesser nicht wieder erreicht wird,
hangt mit den im Text erwahnten mechanischen Man-
geln der Dichtungsbandchen zusammen. Wenn man
these neuen Endwerte als wahres Null ansieht, was
nicht unberechtigt ist, ist der Schubanstieg bei Kom-
pression auf ein Viertel im Mittel 0,045?=0,017Dyn/cm.
Diese beiden Blindwertgrenzen stimmen also mit der
Adamschen Angabe gut ifberein.
weniger um seineLangsachse neigt. Ferner macht sich
- wie an einigen Stellen der beiliegenden Tabel-
len zu sehen 1st - bei kleinen Schubwerten die Ab-
hangigkeit der Richtkraft der Dichtungsbandchen von
ihrer Raumform bemerkbar. Bei Anderungen des
Wasserniveaus kommt es zu geringen Verdrehungen
um die Langsachse der Bandchen, da ja die Kulissen
19 A d a m, The Physics and Chemistry of Surfaces,
2. Aufl., Oxford 1938.
ein fester Niveau haben. Aul3erdem ist - gemessen
in Graden der Kreisskala - die Null-Lage des Schwim-
mers im Bereich einiger hundertstel Grade unstabil.
Dafffr sind ebenfalls die mechanischen Eigenschaften
der Dichtungsbandchen verantwortlich. Das macht sich
aber nur bei Metwerten unter 1 Dyn/cm mit einigen
Prozent bemerkbar (s. Tab. 3 and Tab. 5). Man mull
auBerdem darauf achten, daB die Reibung der Schub-
hebelstifte an dem Innenrand der Schwimmerlbcher
moglichst gering ist and - im Zusammenhang da-
mit - dali fur die Nullstellung des Gerates der Schub-
hebel genau senkrecht steht, weil so bei den Einstell-
bewegungen wahrend des Messens die Relativbewe-
gung in der Vertikalen zwischen Schubhebel and
Schwimmer am geringsten and im Grenztibergang
Null wird.
Ich schatze die maximale GroBe des gesamten syste-
matischen Fehlers bei unseren Versuchen fur MeB-
werte im Bereich von 5 Dyn/cm auf 2 his 3%. Bei
hoheren Meuwerten ist er geringer, bei kleineren Wer-
ten entsprechend groller. Fur Messungen im Bereich
von 10-3 his 1 Dyn/cm lait er sich durch Verwendung
eines difnneren McBdrahtes, feinerer Dichtungsfolien
and eines leichteren, entsprechend sorgfaltiger vermes-
senen Hebelsystems in diesen Werten entsprechenden
Grenzen halten.
17ber GroBe and Verteilung der zufalligen Fehler
geben die Tabellen 1-5 Auskunft. Zur Erlaute-
rung folgendes: Die Nullstellung der Teilkreisskala
ist 195,001. Sinken dieses Wertes bedeutet Wachsen
des Schubs. Als mittlerer Fehler der Einzelbeobach-
tung wird der Wert m - ? V E v2 / (n -1) bezeichnet,
wobei J ]V2 die Summe der Quadrate der scheinbaren
Fehler and n die Anzahl der Einzelbestimmungen be-
deutet: Als mittlerer Fehler des Mittels, der etwas
caber die Streuung aussagt, wird m = ? V E v2 / n (n -1)
verwendet. Die Teilkreisablesung wird in Winkel-
graden, die Skalenablesung fur den Barrenvorschuh
in cm angegeben.
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VBER GITTERGEORDNETE HOCHPOLYMERE STOFFE
Verformung and Rekristallisation
bei gittergeordneten- hochpolymeren Stoffen
Von ERWIN STEURER*
(Z. Naturforschg. 2 b, 275-255 [1947]; eingegangen am 1. Juni 1947)
Gittergeordnete, natiirliche and synthetische organische Hochpolymere erleiden bei
der Vermahlung eine Gitterdeformation, die bis zum Verschwinden des Rontgendia-
gramms ftihrt. Durch Benetzung der gemahlenen Praparate mit geeigneten Flussig-
keiten oder durch Erwarmen erfolgt Riickbildung des Gitters (Rekristallisation),
die mit einer starken Volumenschrumpfung verbunden ist. Im Zusammenhang
mit diesen Erscheinungen ergeben sich aus dilatometrischen, rontgenographischen and
calorimetrischen Messungen an gemahlenen and ungemahlenen Praparaten Schliisse auf
den Ordnungsgrad and Energieinhalt makromolekularer Stoffe.
N achdem die organischen hochpolymeren Stoffe
in ihrem grundsatzlichen chemischen Aufbau-
erkannt sind, ist als weiterer bedeutungsvoller
Faktor fur ihre Eigenschaften der iibermolekulare
Bau in den Vordergrund getreten. Neben der Be-
deutung der qualitativen Orientierung der gitter-
geordneten Teilchen fur die Festigkeitseigenschaf-
ten, z. B. von Fasern and Folien, ist in neuester
Zeit auch der Ordnungsgrad im Gitter herange-
zogen worden. Danach reicht zur Erklarung der
Eigenschaften die Angabe der aus Rontgeninter-
ferenzen abgeleiteten Gitterstruktur des ?Ideal-
kristalls" nicht aus, sondern es ist hierfiir die
Ordnung des ,Realkristalls" maBgebend, die in-
folge vorhandener Fremdsubstanzen sowie durch
mechanische and thermische Einfliisse oft erheb-
lich von der des Idealkristalls abweicht.
Wahrend bei niedrigmolekularen Substanzen,
insbesondere bei Kristallen mit geringer Fehlord-
nung, quantitative Aussagen caber den jeweiligen
Ordnungsgrad1 oder fiber den Energieinhalt2
moglich sind, fehlen derartige Angaben bei den
hochmolekularen Substanzen.
Die bei der Schwingmahlung von hoch- and
niedrigmolekularen organischen Stoffen beobach-
teten Erscheinungen der Gitterdeformation (Ver-
* Kelheim, Suddeutsche Zellwolle A.G.
Die der Abhandlung zugrunde liege1lden Versuche
wurden im Forschungsinstitut H e b am K aiser -
Wilhelm-Institut fur Chemie, Berlin-
Dahlem, durchgefuhrt.
' W. Schottky, Z. Elektrochem. 45, 33 [1939];
A. S m e k a 1, Handbuch d. Physik, 2. Auflage Bd. 24,
S. 796; A. E u c k e n, Lehrb. d. chem. Physik, Bd. II1 2,
S. 622 if., 2. Aufl. 1944.
2 R. F r i c k e, Naturwiss. 31, 469 [1943].
formung) and Rekristallisation3 scheinen fur
eine nahere Charakterisierung von Ordnungs-
grad and Energieinhalt hochmolekularer Stoffe
geeignet zu sein. In der vorliegehden Untersu-
chung wird fiber Messungen von thermischer Aus-
dehnung, von Rontgeninterferenzen and Doppel-
brechung sowie von Benetzungswarmen an ge-
mahlenen and ungemahlenen Praparaten von
Cellulose, Cellulosederivaten and totalsyntheti-
sohen Faserstoffen (Perlon) berichtet; die MeB-
ergebnisse im Zusammenhang mit Verformung
and Rekristallisation der Makromolekule werden
erortert.
Die Messungen haben ergeben, daB die Verfor-
mung der Makromolekule, im wesentlichen auf
eine Lageverschiebung der Kettenglieder zurtick-
zufiihren ist, deren GroBe sich aus der Zunahme
von Raumbeanspruchung and innerer Energie bei
den gemahlenen Stoffen im Vergleich zu den unge-
mahlenen ableiten Mt. Die Verformung der Mole-
ktile kann gegebenenfalls durch Erwarmen in
verhaltnismaBig engem Temperaturbereich infolge
Rekristallisation wieder riickgangig gemacht wer-
den, wobei die Rekristallisationstemperatur von
den zwischenmolekularen Kraften sowie von den
sterischen Eigenschaften der Molekiile abhangt.
Eine bleibende Verformung der Molekiile ist nur
unterhab der Rekristallisationstemperatur mog-
lich, wahrend oberhalb dieser Temperatur die
Makromolekule den instabilen Verformungsgrad
3 K. Hell, H. Kiessig u. J. Gundermann,
Z. physik. Chem., Abt. B, 49, 64 [1941] ; K. H e R, E.
Steurer u. H.Fromm, Kolloid-Z. 98, 152 [1942];
E. Steurer u. K. H e 3 , Z. physik. Chem. 193, 248
[1944].
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
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276 E. STEURER
durch inners Beweglichkeit der Kettenglieder wie-
der ausgleichen. Es ist bemerkenswert, dali die
Rekristallisationstemperatur bei den untersuchten
Stoffen im allgemeinen nicht mit der von anderen
Autoren 4 aus der kubischen Ausdehnung ermit-
telten niedrigen Umwandlungs- oder Einfriertem-
peratur ubereinstimmt, sondern hoher liegt. Es
wird angenommen, daB bei der ,Einfriertempera-
tur" die Beweglichkeit der Kettenglieder in un-
geordneten Bereichen and bei der Rekristallisa-
tionstemperatur in geordneten (kristallinen) Be-
reichen einsetzt.
I. Versuchsbeschreibung and Ergebnisse
Sohwingmahlgerat. Statt des fruher ver-
wendeten ,Vibratom"-Modells wurde die fur Serien-
versuche bei Dauerbeanspruchung geeignetere ?6-1-
Labor - Schwingmuhle" der Siebtechnik G. m. b. H. be-
nutzt, die durch eine Eisenplatte (90 X 60 cm2) zu
einem ?Schwingtisch" umgestaltet war and auf der
die bereits fruher verwendeten MahlgefaBe mit 0,3 1
Nutzinhalt nebeneinander befestigt waren. Die mecha-
nischen Daten des Gerates waren gegentiber unseren
friiheren Versuchenb unverandert (Winkelgeschwin-
digkeit 1420 U/min, Schwingkreisradius durchschnitt-
lich 1,75 mm). Vergleichende Mahlversuche an Athyl-
cellulose durch Bestimmung des Viskositatsabfalles
ergaben, dal die mit zunehmender Entfernung der
einzelnen MahlgefaBe von der Schwingachse des Tisches
zunehmende Elliptizitat der Schwingbewegung inner-
halb der Tischabmessungen praktisch ohneEinfluB ist.
A u s g a n g s s t o f f e. Als Cellulose wurde Ramie-
faser in sorgfaltig gebleichtem and ungeschmalztem
Zustand verwendet. Zur Herstellung von Hydrat-
cellulose wurde die Ramie mit 18-gew.-proz. Natron-
lauge behandelt. Die verwendeten Praparate von
Methyl-, Athyl-, Butyl- and Capronylcellulose sowie
die untersuchte Perlonfaser (Poly-hexamethyl enadi-
pinamid) waren von der I.G. Farbenindustrie A.G.
-zur Verfugung gestellt worden. Samtliche Praparate
wurden bei Zimmertemperatur oder - soweit ge-
geben - bei erhohter Temperatur im Vakuum uber
Phosphorpentoxyd his zur Gewichtskonstanz ge-
trocknet.
Di.latometrische Messungen
Als Gerat fur die Messungen der thermischen Aus-
dehnung diente das Dilatometer von V b e r r e i t e r
and K l e i n 8. Die Aufnahme der Temperaturkurven
(20 bis 180') wurde bei leder Dilatometerfullung
zweimal wiederholt. Nach der ersten Aufheizung
4E. J e n c k e l, Kolloid-Z. 100, 143 [19421; K.
V b e r r e i t e r, Z. physik. Chem., Abt. B, 48, 197
[19411; F. E. W i l e y , Brit. Plastics 14, 617 [1943],
ref. Kunststoffe 34, 5 [1944].
5 K. HeB, E. Steurer u. H. Fromm, Kolloid-
Z. 98, 290 [1942].
wurde bei alien gemahlenen and z. Tl. auch bei den
ungemahlenen Praparaten eine Volumenschrumpfung
and eine Anderung der Volumenausdehnung beobach-
tot; bei der dritten Aufheizung blieb die Ausdehnung
in fast allen Fallen konstant 7. Die Volumen-Tempera-
tur-Kurven waren bei verschiedenen Dilatometerful-
lungen and verschiedenen Aufheizgeschwindigkeiten
exakt reproduzierbar.
Die in Form von Pastillen in das Dilatometer ein-
gefiihrten Pulver enthalten noch verhaltnismaBig
grole Hohlraume, in die das als Dilatom eterfl ussig-
keit verwendete Quecksilber auch nach Evakuieren
der Luft nicht eindringt. Es ist wahrscheinlich, daB
die beim Erhitzen der Mahlpraparate beobachtete
starke Volumenschrumpfung z. Tl. durch eine Ver-
kleinerung derartiger Hohlraume verursacht oder
mindestens stark beeinfluflt wird; dabei ist noch un-
sicher, welche Volumengrole der dilatometrischen
Messung mit Quecksilber als Fiillflu.ssigkeit vor and
nach der Erhitzung zugrunde liegt8. Ein EinfluB gro-
Berer makroskopischer Hohlraume hell sich durch
verschiedene Moglichkeiten experimentell ausschlie-
Ben. 1. Pulver verschiedener organischer Substanzen .
(Cellobiose, Rohrzucker, Fumarsaure, Hydratcellu-
lose) hinreichender Dispersitat, die bei einem Ein-
fluB der verschiedenen Hohlraume auf das Dilato-
meterergebnis beim Erhitzen Volumenverminderung
zu erkennen geben sollten, zeigten im Dilatometer
selbst Hach mehrfach wiederholter Aufheizung keine
Veranderung im Ausdehnungsvermogen. 2. Der bei
der Herstellung geanderte Prelidruck war ohne Ein-
fluB auf das dilatometrische Verhalten. 3. Bei den
schwinggemahlenen Praparaten der untersuchten
Hochpolymeren, die nach der Aufheizung Volumen-
kontraktion anzeigen, verschwindet der Effekt, wenn
die Substanzen vorher auBerhalb des Dilatometers
vorerhitzt waren.
Bei den in Abb. 1-3 fur natiirliche Cellulose
sowie fur Athyl- and Butylcellulose wiedergege-
benen Volumen - Temperatur - Kurven entspricht
Kurve 1 jeweils der ersten, Kurve 2 der zweiten
bzw. dritten (konstante Volumenanderung) Auf-
heizung. Die mit steigender Temperatur beobach-
tete Volumenzunahme setzt sich aus der uber den
gemessenen Bereich konstanten Ausdehnung der
Dilatometer-Fiillfliissigkeit (Quecksilber) and der
Ausdehnung der gemessenen Substanz zusammen.
Die Abweichung der Volumenzunahme von der
Linearitat sowie die Veranderung der Raumbe-
anspruchung bei mehrfacher Aufheizung sind da-
her auf das Verhalten der Substanz zuriickzufii.h-
6 K. Uberreiter u. K. Klein, Chem. Tech-
nik 15, 5 [1942].
7 Zeigen sich bei der dritten Aufheizung noch ver-
anderliche Werte, so verschwinden these ausnahmslos
nach einer vierten Aufheizung.
8 Vber den Zusammenhang von,,wahrer"u. ?schein-
barer" Dichte s. z. B. K.-E. Z i m e n s, Handbuch d.
Katalyse Bd. IV, S. 158 if., J. Springer 1940.
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Z
1
7
110
ZO 80 9/ 140 980
Tempe,e/up in ?C -
100 14,60 180
Tempepalur in ?C -
1
Z
100 140 980
Tempeiehup in ?C -
Abb. 2 a. Athylcellulose ungemahlen.
2
/
-
ZO 00 100 140 ~l!
Temperakir in
Abb. 2b. Athylcellulose gemahlen.
ren. Aus dem Vergleich der Kurven der ersten mit
denen der zweiten bzw. dritten Aufheizung geht
hervor, daB bei den gemahlenen Praparaten gegen-
fiber den ungemahlenen z. TI. betrdchtliche Volu-
menkontraktionen eintreten, die in Tab. 1, Spalte 3,
zu'sammenfassend wiedergegeben Sind. Die Kon-
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20 60 100 140 160
Temperahirin V -
Abb. 3 a. Butylcellulose ungemahlen.
020 60 100 140 160
Tempera/up in "C
Abb. 3 b. Butylcellulose gemahlen.
Abb. 1-3. Volumenanderung AV (in % der Raum-
erfiillung bei 200) in Abhangigkeit von der Tempe-
ratur bei ungemahlenen (Abb. a) and gemahlenen
(Abb. b) Hochpolymeren. Kurven Nr. 1 000 (1.Aufhei-
zung), Kurven Nr. 2 ??? (2. bzw. 3. Aufheizung, kon-
stante Volumenanderung).
traktion tritt in einem bestimmten, fur jede Sub-
stanz spezifischen Temperaturbereich ein (Rekri-
stallisationsbereich, vergl. Spalte 1 in Tab. 1) and
wird nicht beobachtet, wenn der Stoff vor der
dilatometrischen Messung auf die Kontraktions-
temperatur erhitzt worden ist.
9.2
1?
Cellulo>ie ....
Hydratcellulose
Methylcellulose
Athylcellulose
Butylcellulose
Benzylcellulose
Perlon T...
> 200
> 200
145
110
85
90
140
4 V in ?/p
gemablen
3
3
8
30
35
8
3-6
Tab. 1. Rekristallisationstemperaturen is verformter
Makromolekiilgitter and Volumenkontraktion AV ge-
mahlener and ungemah]ener Hochpolymerer nach Er-
hitzung.
Zur Charakterisierung des Temperatur-Be-
reichs der Rekristallisation, der nicht durch die
triviale Erscheinung einer Rekristallisationsver-
zogerung infolge groBerRelaxationszeit der Mole-
kiile (vergl.S.280), sondern durch den Ordnungs-
zustand der Makromolekiile selbst bedingt ist,
kann man eine mittlere Temperatur (Rekristalli-
sationstemperatur) angeben; bei Methylcellulose
Temperaturbereich etwa 130 bis 160': Mittelwert
145 ?, bei Athylcellulose Temperaturbereich 75 his
145': Mittelwert 110 ?, bei Butylcellulose 70 bis
100': Mittelwert 85 ?, Benzylcellulose 73 bis 107 ? :
Mittelwert 90?, Perlon: Mittelwert etwa 140?.
Die beobachteteten Anderungen der Raumbean-
spruchung finden ihre Deutung durch die damit
verbundene Anderung der Gitterordnung (Rekri-
stallisation), die sich durch Rontgenaufnahmen
erkennen 1aIt.
Rontgenuntersuchung
K. Hell, H. Kiessig and J. Gunder-
in a n n " habeas beobachtet, dall das Gitter von
Cellulose and anderen hochmolekularen Substan-
zen bei der Schwingmahlung so weitgehend ge-
stort wird, dall die Rontgeninterferenzen ver-
schwinden and im Diagramm nur ein unscharfer
Interferenzring erkennbar ist, wie er bei nicht-
kristallinen Stoffen aufzutreten pflegt. Durch Be-
rUhren mit Wasser, insbesondere von hoherer
Temperatur, erfolgt Rekristallisation zu Hydrat-
cellulose. Als weiteres Beispiel fur die Wir-
kung der Schwingmahlung wurden die Ront-
gendiagramme von Athylcellulose vor and nach
der Mahlung untersucht. Wahrend aber bei Cel-
9 K. Hell, H. Kiessig'u. J. Gundermann,
Z. physik. Chem. Abt. B 49, 64 [1941].
,j Vin 0/,,
ungemablen
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GBER GITTERGEORDNETE HOCHPOLYMERE STOFFE
lulose eine Gitterriickbildung ausschlieBlich durch
Erwarmen selbst nach langdauernder Erhitzung
his zur Zersetzungstemperatur (> 200?) nicht zu
beobachten ist, erfolgt diese bei Athylcellulose
auch durch Erwarmen der trockenen Substanz.
Bei einer Erhitzungstemperatur der schwing-
gemahlenen Athylcellulose von 125 ? werden be-
reits die Hauptinterferenzen der Athylcellulose
ausgebildet, and in dem durch Erhitzen auf 140'
beobachteten Rontgendiagramm sind nahezu alle
Interferenzen der Athylcellulose wieder vorhan-
den 1e
Ahnliche Rekristallisationserscheinungen beim
Erwarmen der schwinggemahlenen Praparate auf
hohere Temperaturen wurden bei Methyl-, Ben-
zyl- and Butylcellulose sowie bei Perlon beob-
achtet. In alien diesen Fallen tritt, ahnlich wie bei
schwinggemahlener Cellulose durch Wasser, Re-
kristallisation auch beim Beriihren mit geeigneten
Fliissigkeiten ein.
Vergleich von Gitteranderung and
Volumenanderung
Da ein enger Zusammenhang zwischen Gitter-
anderung and ' Volumenanderung allgemein in
dem Sinne besteht, daB die unter Versehwinden
der Rontgeninterferenzen erfolgende Gitterdefor-
mation (Amorphisierung) mit einer Volumen-
dilatation and der unter Wiederauftreten der In-
terferenzen erfolgende riicklaufige Vorgang der
Rekristallisation mit einer Volumenkontraktion
verknupft ist, liegt es nahe, die beobachteten Vo-
lumenanderungen in diesem Sinne mit den ront-
genographischen Erscheinungen in Zusammen-
hang zil bringen. Es ist dabei bemerkenswert, dal
die beim Erhitzen der Mahlpraparate eintretende
Volumenkontraktion bereits im rontgenamorphen
Gebiet beginnt, d. h. also schon vor Erkennung
von Rekristallisation im.Rontgenbild einsetzt and
sich im Gebiet zunehmender Interferenzintensita-
ten kontinuierlich fortsetzt. So treten z. B. bei ge-
mahlener Athylcellulose Rontgeninterferenzen
erst nach einer Kontraktion von 40% der Ge-
samtkontraktion auf. Die Volumenanderung ist
also zur Verfolgung von Ordnungsvorgangen bei
den organischen Hochpolymeren besonders ge-
eignet.
10 Die Diagramme and deren Vermessungsergeb-
nisse werden spater publiziert.
Calorimetrische Messungen
Die beim Mahlen gittergeordneter hochpolyme-
rer Stoffe beobachteten Anderungen im Ordnungs-
zustand der Makromolekule lassen erwarten, dal
diese mit melbaren Energieanderungen verknupft
sind.
Zur Durchfuhrung der Messungen wurden 2 his 4 g
gut getrocknete Substanz schnell in 200 ccm Wasser
eingetragen, das sich in einem Dewar-Gefal von etwa
300 ccm Rauminhalt befand, and die sich ergebende
Temperaturerhohung von etwa 0,1 his 0,20 mit einem
Beckmann-Thermometer auf 0,0010 genau gemessen.
Die Temperaturerhohung erreichte bereits nach weni-
gen Sekunden ihren Hochstwert and war daher ohne
Schwierigkeit exakt mellbar.
Bei Messungen der Benetzungswarme von ge-
mahlener and ungemahlener Hydratcellulose mit
Wasser hat sich gezeigt, dal bei den Mahlprapa-
raten eine Erhohung des Energieinhaltes um
etwa 1 kcal/Mol eintritt 11; wahrend ungemahlene
Hydratcellulose eine Benetzungswarme (WB)
von 3,30 kcal aufweist, wurde bei dem 25 Stdn.
gemahlenen Praparat eine Warmetonung von
4,25 kcal gefunden, die beim rekristallisierten
Praparat auf den normalen Wert des Aus-
gangspraparates zurUckging. Bei natiirlicher Cel-
lulose betrug die Benetzungswarme des gemahle-
nen Praparates 3,96 kcal/Mol gegenUber 1,71 kcal
der ungemahlenen Cellulose. Der hohere Betrag
von 0 1VB = 2,3 kcal bei natiirlicher Cellulose
gegeniiber OWB = 0,95 kcal bei Hydratcellulose
ist durch die Modifikationsanderung von nattir-
licher Cellulose zu Hydratcellulose bedingt, die
nach den friiheren Beobachtungen bei der Schwing-
mahlung and nachfolgenden Rekristallisation er-
folgt. Es blieb noch zu priifen, inwieweit an der
Erhohung der Warmetonung durch Schwingmah-
lung neben der Anderung der Gitterenergie eine
durch die Mahlung geanderte Oberflachenenergie
beteiligt ist. Durch Untersuchung von schwing-
gemahlenen Substanzen, die keine Gitterstorung
aufweisen, lieB sich zeigen, daB der Zuwachs an
Oberflachenenergie beim Mahlen vernachlassig-
bar klein ist; bei Messungen der Losungswarme
von Kochsalz, Harnstoff and anderen Stoffen
wurde praktisch kein Unterschied zwischen den
ungemahlenen and den extrem lang gemahlenen
is K. L a u e r findet keinen Unterschied in den Be-
netzungswarmen vor and each der Mahlung. J. makro-
mol. Chem. 1, 90 [1943].
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280 E. STEURER '
Probenl2 gefunden. Aus derErhohungdesEnergie-
inhaltes von makromolekularen Stoffen beim Mah-
len kann also unmittelbar auf die Veranderung
des Ordnungszustandes geschlossen werden, in-
dem zunehmende Losungs- bzw. Benetzungs-
warme einem zunehmenden Verformungsgrad
entspricht.
II. Diskussion and Folgerungen
1. Molekularphysikalische Charak-
terisierung der verformten Haupt-
valenzketten - Gitter
Art and Umfang der bei der Schwingmahlung
erfolgten Ordnungsanderung sind von erheblichem
molekularphysikalischem Interesse.
Das Temperaturintervall der Re-
kristallisation and seine Begriin-
d u n g. Die Volumen-Temperatur-Kurven von
Athyl-, Butyl- and Benzylcellulose zeigen die
Volumenkontraktion (VK) fiber ein Behr breites
Intervall: Athylcellulose VK zwischen 90 and
140', Butylcellulose VK zwischen 65 and 100 ?
and Benzylcellulose VK zwischen 73 and 107 ?.
Da these Erscheinung durch eine zu groBe Auf-
lieizungsgeschwindigkeit gegentiber der Relaxa-
iionszeit der rekristallisiertenBereiche verursacht
sein konnte, wurden Messungen der Volumen-
anderung in Abhangigkeit von der Erhitzungs-
dauer bei verschiedenen Temperaturen (70 ?, 90' '
125' and 140' bei einer Konstanz von 0,01')
durchgefiihrt. Aus Abb.4 geht hervor, daB nach
schnellem Anstieg der Volumenkontraktion im
Verlauf von etwa 2 bis 10 Stdn. verschiedene Kon-
traktionswerte erreicht werden, die sich bei lange.r
fortgesetzter Erwarmung nicht mehr andern.
Der Einflufl der Platzwechselzeit der Molekiile
bzw. der Molekulsegmente auf die Breite des Um-
wandlungsintervalls ist also vernachlassigbar
klein. Jede Temperatur zwischen den angegebenen
Intervallgrenzen entspricht einer diskreten Volu-
menkontraktion, die von der Platzwechselzeit in
den verformten Bereichen unabhangig ist.
Der Nachweis eines definierten T e m per a t u r -
be r e i c h e s der Rekristallisation bei Athyl-, Butyl-
12 S. G. Lipsett, F.M. G. Johnson u. 0. Maass,
J. Amer. chem. Soc. 50, 2701 [1928], finden bei fein
zerriebenem Kochsalz eine Verkleinerung der negati-
ven Losungswarme um etwa 1% der von grobkristal-
linem Kochsalz. Demgegenuber betragt die Anderung
der Benetzungswarme bei Cellulose im vorliegenden
Fall 20 his 35%.
and Benzylcellulose laflt auf im Mahlgut vorhan-
dene verschiedene Verformungszustande schlie-
Ben, die entspr.echend den jeweiligen Temperatu-
ren durch eine versehiedene Platzwechselenergie
der verformten Teilchen gekennzeichnet sind.
Unterschiede in der Platzwechselenergie bei der
gleichen Stoffart konnten entweder durch eine
Beim MahlprozeB? entstandene verschieden groBe
Lageverschiebung der einzelnen Kettenglieder
oder durch verschiedene Molektilabstande verur-
sacht sein, die z.13. bei Cellulose bereits fur un-
29
925?C
0 10 20 3D 40
f1h11aiflgszei/1;7 SId -
Abb. 4. Volumenanderung AV von gemahlener Athyl-
cellulose in Abhangigkeit von der Erhitzungszeit bei
verschiedenen Temperaturen.
beanspruchte Fasern angenommen werden 18. Da
Unterschiede im Verformungsgrad nach Kcnntnis
der geringen Abhangigkeit der Verformung von
der Mahldauer zuriicktreten dtirften, ist anzuneh-
men, daB die Variationsbreite der Molekiilab-
stande im ungemahlenen Praparat fair die Grofle
des Rekristallisationsbereiches malgebend ist.
Umfamg der Ordnungsanderung. Die
leichte Rekristallisierbarkeit der schwinggemah-
lenen Cellulose bei Benetzung mit Wasser hatte
bereits fruher zu der Auffassung gefiihrt,
daB die Kettenmolekule bei der Gitterdefor-
mation im ganzen keine oder nur geringe
Translationsbewegungen ausfiihren and dal die
vorgegebene Parallellage der Molekiile and damit
ein verhaltnismaflig hoher Ordnungsgrad im ge-
13 Man vergl. z.B. die von A. Frey-Wyssling
(Protoplasma 25, 261 [1936]) and 0. K r at k y (Kol-
loid-Z. 84, 152 [1938]) aufgestellten Modellbilder.
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t7BER GITTERGEORDNETE HOCHPOLYMERE STOFFE 281
mahlenen Praparat bestehen bleiben. Die fur Cel-
luloseather ermittelten niedrigen Rekristallisa-
tionstemperaturen, die weit unterhalb der
Schmelztemperatur dieser Stoffe liegen (vergl.
Tab.1), weisen darauf hin, dali die Verformung
der Gitter nicht auf eine Translationsbewegung
der Gesamtmolekule zuriickzufiihren ist, sondern
nur auf einer raumlichen, Desorientierung von
Molekulsegmenten beruhen kann. Diese Folge-
rung wird durch die Beobachtung bestatigt, daB
die. Mahlpraparate von Methyl- and Athylcellu-
lose Bowie Perlon ebenso wie Cellulose selbst,
trotz der verschwundenen Rontgeninterferenzen
and trotz extrem langer Mahldauer, noch optische
Doppelbrechung zeigen. Die Mahlung der Hoch-
polymereri fiihrt also nicht zu einer vollkomme-
nen Amorphisierung im Sinne einer regellosen
Verteilung statistisch geknauelterKettenmolekule,
wie dies gelegentlich fur ,rontgenamorphe" Cel-
lulosepraparate gefolgert worden ist14. Der Ord-
nungszustand gemahlener Cellulose wird vielmehr
charakterisiert durch das Vorliegen ausgepragter
Fernordnung (Erhaltung der Kettenorientierung)
bei gestorter Nahordnung (Desorientierung der
Kettenglieder).
Auch bei den ungemahlenen Praparaten wurden
nach Erwarmung Veranderungen der Raumbeanspru-
chung festgestellt,. and zwar sowohl eine geringe
Volumenkontraktion als auch Volumendilatation (ver-
gleiche Tab. 1, Spalte 4). Im Sinne der bei den gemah-
lenen Praparaten gegebenen Deutung des Volumen-
effektes bedeutet dies, dal bei Methyl- and Athyl-
cellulose durch Erhitzen eine Erhohung and bei
natiirlicher Cellulose eine Erniedrigung des Ord-
nungsgrades eintritt, wahrend der Ordnungszustand
bei Hydratcellulose, Butyl- and Benzylcellulose sowie
hei Perlon unverandert bleibt. Dieses Verhalten kann
im Zusammenhang mit den ermittelten Rekristallisa-
tionstemperaturen (vergl. Tab. 1) dahingehend ge-
deutet werden, dalb bei Methyl- and Athylcellulose,
deren Methylierungs- bzw. Athylierungstemperatur
unterhalb der Rekristallisationstemperatur liegt, im
Verlauf des Substitutionsvorganges erfolgende Mole-
kuldeformationen ,einfrieren" konnen, wahrend bei
Butyl- bzw. Benzylcellulose, deren Rekristallisations-
temperatur unterhalb der Butylierungs- bzw. Benzy-
lierungstemperatur liegt, Reorientierung verformter
Bereiche bereits wahrend der chemischen Reaktion
erfolgt. Die Volumendilatation bei natiirlicher Cellu-
lose bleibt zunachst ungeklart15.
14 Vergl. z. B. 0. Kratky, A. Sekora u. R.
Tree r , Holz als Roh- u. Werkstoff 4, 273 [1941].
15 Es ist moglich, dall die Erscheinung mit den be-
sonderen Bedingungen des Wachstumsvorganges der
natiirlichen Cellulose zusammenhiingt, der zu einem
.,uberhohten" thermodynamisch instabilen Ordnungs-
zustand ftihrt.
Die Ordnungsanderung in.Abhan-
gigkeit vom chemischen Bau and der
Kraftwirkung der Molekiile. Wird an-
genommen, dali bei der Rekristallisation die Ver-
formung quantitativ rtickgangig gemacht wird,
was in erster Naherung zutreffen dtrfte, so
kann die Volumenkontraktion als MaB fur die
GroBe der Verformung angesehen werden. Die
Raurribeanspruchung durch Verformung steigt
danach in der Reihenfolge Cellulose'?, Perlon,
Methyl-, Athyl-, Butylcellulose an. Es ist zu-
nachst nicht zu entscheiden, ob die Zunahme der
Raumbeanspruchung in der beobachteten Reihen-
folge auf dem wachsenden Raumbedarf der Sub-
stituenten QH, OCH3, OC2H5, OC4H9 oder auf
dem steigenden Verformungsgrad infolge abneh-
mender zwischenmolekularer Krafte beruht. Die
geringe Abhangigkeit der Verformung von der
Mahldauer - zwischen '/2- and 2000-stdg. Mahl-
dauer lassen sich bei Athylcellulose keine merk-
baren Unterschiede im dilatometrischen Verhalten
erkennen - macht es jedoch wahrscheinlich, daB
Unterschiede im Verformungsgrad nur eine un-
tergeordnete Rolle spielen, so daB die Verschie-
denheit der Kontraktionswerte im wesentlichen
auf sterischen Einfliissen in den Molektilen be-
ruhen dtirfte.
Versuche zu einer quantitativen
Erfassung der Ordnungsanderung.
Ein Anhaltspunkt fur eine zahlenmaliige Erfas-
sung der Verformung bei Cellulose ergibt sich
aus der Bestimmung der Benetzungswarme (Kri-
stallisationswarme) mit Wasser vor and nach der
Verformung. Die Kristallisationswarme verform-
ter Praparate wird um so groBer, je verschiedener
die Ordnung von ungemahlenen and gemahlenen
Praparat ist; sie erreicht ein Maximum, wenn
sich das ungemahlene Praparat im Zustand idea-
ler Ordnung and das Mahlpraparat im Zustand
. idealer Unordnung befindet. Da beide Endzu-.
stande nicht erreicht werden, ist jede gemessene
Kristallisationswarme kleiner als die theoretische.
Ein Mali fiir den Verformungszustand des jewei-
ligen Praparates ist das Verhaltnis der realen zur
idealen Kristallisationswarme. Nimmt man an,
daB Bich der maximale Energieunterschied zwi-
schen geordnetem and ungeordnetem Zustand
16 Die bei Cellulose durch Erwarmen erzielte Kon-
traktion ftihrt nicht zu rontgenographisch sichtbarer
Rekristallisation; auf Grund von Dichtemessungen ist
bei volliger Rekristallisation der Cellulose eine um
etwa 20% hohdre Kontraktion zu erwarten.
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282 _ E. STEURER
durch die Schmelzwarme annahernd wiedergeben
laIt, was fur die untersuchten Stoffe in erster
Naherung zutrifft, so Milt sich die Groie derVer-
formung durch den Verformungsfaktor V. zu
Vf=R/S
bestimmen17, wobei R die Kristallisationswarme
and S die Schmelzwarme darstellen. Unter Zu-
grundelegung der Kristallisationswarme von 0,65
bis 1,20 kcal/Grundmol fur die vermessene Cel-
lulose and einerSchmelzwarme von 5kcal/Grund-
mol ergibt sich ein Verformungsfaktor von 0,13
bis 0,21, d. h. 13 bis 21 % der maximal moglichen
Verformung sind durch den Mahlprozeb eingetre-
ten. Vergleicht man den Verformungsfaktor von
Cellulose mit dem als Beispiel fur einen niedrig-
molekularen Stoff bestimmten Wert von Rohr-
zucker V. = 0,65, so ergibt sich, dali die Ordnungs-
dnderung bei Hochpolymeren gegeni ber niedrig-
molekularen Stoffen erheblich geringer ist.
Stabilitat and Beeinflussung der
Verformung durch FlUssigkeiten. Ein
Mali fur die Stabilitat der Verformung ist die Re-
kristallisationstemperatur (tR). Diese ist die Tem-
peratur, bei der Entspannung der verformten Be-
reiche durch Platzwechsel von Atomen bzw.
Atomgruppen erfolgt; sie ist durch den Uber-
gang von unendlich groler zu kleiner Platzwech-
selzeit definiert. Die in Tab. 1 angegebenen Werte
fur tR lassen erkennen, dal die tR von den zwi-
schenmolekularen Kraften (ZMK) der Stoffe in
dem Sinne abhangt, dal Stoffe mit grollen ZMK,
wie z. B. Cellulose, eine hohe tR and Stoffe mit
geringen ZMK, wie z. B. Butylcellulose, eine
niedrige tR besitzen. Aus dem Sinken der tR
mit zunehmender Verlangerung der substituier-
ten Seitenketten der Cellulose lallt sich folgern,
daft z. B. Capronylcellulose bei den in der Schwing-
miihle herrschenden Temperaturen nicht mehr
verformbar ist. Der Versuch hat diese Erwartung
bestatigt. Die Mahltemperatur mull unterhalb tR
liegen, damit stabile Verformung eintreten kann.
Bei Mahltemperaturen, die oberhalb von tR lie-
gen, kann keine Verformung mehr beobachtet
werden 18
17 E. Steurer u. K. HeB, Z. physik. Chem.
193, 248 [1944].
18 Die Rekristallisationstemperatur ist in anderem
Zusammenhang umgekehrt dazu benutzt worden, um
die an den Stofistellen wahrend der Schwingmahlung
herrschende Temperatur abzuschatzen. E. S t e u r e r,
Z. Technik, 1947.
Ahnlich wie die Herabsetzung der ZMK bei den
Makromolekulen durch ?innere" Weichmachung
bei Einfiihrung entsprechender Substituenten zu
einer Erniedrigung von tR fiihrt, lallt sich dies
auch durch eine ,dufere" Weichmachung Burch
BerUhrung mit solvatisierenden, gegebenenfalls
zur Bildung von Doppelverbindungen Anlafi
gebenden Fliissigkeiten erzielen. So findet Rekri-
sfallisation von Cellulose and Methylcellulose
durch Benetzung mit Wasser bzw. Wasser-Me-
thanol bereits bei Zimmertemperatur statt. Schoii
der geringe Wassergehalt normaler lufttrocke-
ner Cellulose in Hohe von 5 his 12 % geniigt,
um die tR merklich herabzusetzen. Wahrend
die tR wasserfreier, gemahlener Cellulose ober-
halb der Zersetzungstemperatur (> 200 ?) liegt,
zeigt gemahlene Cellulose mit 10 % Wasser-
gehalt eine tR von etwa 100'. Die Solvatation der
OH- and OCH3-Gruppen durch Wasser- and Me-
thanolmolekule bewirkt eine Erhohung der Be-
weglichkeit der Kettenglieder durch Erniedrigung
der die instabilen verformten Bereiche stabilisie-
renden Potentialschwellen, so dali der Vbergang
in den stabilen kristallisierten Zustand schon bei
niedrigerer Temperatur eintritt.
Es ist weiterhin bemerkenswert, daB rontgen-
amorphe Cellulose bei einer Benetzung mit ge-
ringer Wassermenge zur Hochtemperaturmodifi-
kation18 der Cellulose rekristallisiert, wahrend bei
groBerer Wassermenge Hydratcellulose entsteht.
Man kann diese Erscheinung dadurch erklaren,
daB bei der Rekristallisation zur Hochtemperatur-
form andere oder weniger Atome als bei der Re-
kristallisation zur Hydratcellulose beweglichwer-
den. In der Beobachtung liegt der interessante
Fall einer Kristallisationslenkung durch partielle
innere Schmierung vor.
Die fiber der Zersetzungstemperatur liegende
Rekristallisationstemperatur der Cellulose maeht
es weiterhin verstandlich, warum die verschiede-
nen Modifikationen der Cellulose durch normale
Erhitzung nicht ineinander umwandelbar sind.
Zwischen den Kettengliedern der kristallinen Be-
reiche besteht ohne Beeinflussung durch Schmier-
mittel eine so starke zwischenmolekulare Kraft-
wirkung, dali eine merkliche Beweglichkeit unter-
halb der Zersetzungstemperatur nicht einsetzt.
Erst durch Zufiigung von benetzenden Stoffen,.
19 'Ober die Existenz einer Hochtemperaturmodifi-
kation der Cellulose vergl. K. H e B u. H. K i e s s i g,
Z. physik. Chem. Abt. B 49, 235 [1941].
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wie Wasser, and Eintreten dieser Stoffe in die
gestorten Gitterbereiche erhoht sich die Beweg-
lichkeit der Molekule, die eine Modifikationsum-
wandlung bei niedriger Temperatur ermoglicht.
Dabei ist zu beriicksichtigen, dali die Umwandlung
durch derartige Schmiermittel erst auf dem Um-
wege caber eine Gitterstorung erfolgt, indem die
Fremdmolekule durch den gestorten Gitterbereich
in das Gitter eindringen.
trber den Zusammenhang von Rekri-
stallisationstemperatur, Einf'rier-
temperatur and Schmelztemperatur.
Von besonderer Bedeutung fur die Klarung der
thermischen Eigenschaften des makromolekularen
Festkorpers (insbesondere der Beweglichkeit der
Ketten) ist der Vergleich der im Vorangehenden
bestimmten Rekristallisationstemperaturen mit den
aus dilatometrischen Messungen von E. J e n c k e 1
and K. tY b e r r e i t e r bestimmten Einfriertempe-
raturen. Diese Autoren beobachteten bei Volumen-
Temperatur-Messungen an makromolekularen
Stoffen Anderungen der Ausdehnung, die in engem
Temperaturintervall auftreten, dessen Mittelwert
als ,Einfriertemperatur" bezeichnet wird. Unter-
halb der Einfriertemperatur wird eine geringere
Ausdehnung als oberhalb gefunden. Nach Jenckel
and Vberreiter hangt die Volumenausdehnung
unterhalb der Einfriertemperatur lediglich von
den Schwingungsamplituden der Atome and Mole-
kule (unveranderte Sehwerpunktslage) ab, wah-
rend sich oberhalb der Einfriertemperatur noch
die Ausdehnung dberlagert, die sich aus Lage-
und Orientierungsanderung der beweglich gewor-
denen Kettenglieder (veranderte Schwerpunkts-
lage) ergibt. Nach Kennzeichnung der Einfrier-
temperatur als Punkt beginnender bzw. ver-
schwindender Kettengliedbeweglichkeit ist ein
enger Zusammenhang mit den Rekristallisations-
temperaturen verformter Makromolekule zu er-
warten, da der Eintritt der Rekristallisation eben-
falls nur moglich ist, wenn Platzwechsel von Ato-
men Oder Molekiilteilen erfolgt.
Bei den Volumen-Temperatur-Kurven der un-
gemahlenen and der schwinggemahlenen rekristal-
lisierten Praparate erkennt man in t7bereinstim-
mung mit den Beobachtungen von Uberreiter an
unbehandelten Hochpolymeren zwei Bereiche ver-
schiedener Ausdehnung, die durch den Einfrier-
bereich getrennt sind. Wahrend jedoch bei alien
Praparaten unterhalb der Einfriertemperatur
konstante Volumenausdehnung gefunden wird
(bis - 25 ?), zeigte sich im Gegensatz zu den Be-
funden t7 b e r r e i t e r s 20 im Mefibereich his 180 ?
nur bei Butyl- and Benzylcellulose eine Konstanz
des Ausdehnungskoeffizienten, wahrend bei Cel-
lulose, Methyl- and Athylcellulose mit steigender
Temperatur ein zunehmender Ausdehnungskoeffi-
zient beobachtet wird. Die Lage der Einfriertem-
peratur ware also bei Cellulose, Methyl- and
Athylcellulose nicht durch den Schnittpunkt
zweier Ausdehnungsgeraden, sondern durch den
Beginn der Inkonstanz des Ausdehnungskoeffi-
zienten gekennzeichnet.
Der Vergleich der ermittelten Einfrierternpera-
turen mit den Rekristallisationstemperaturen zeigt,
daft trbereinstimmung zwischen beiden Tempera-
turen nur im Falle der Butyl- and Benzylcellu-
lose besteht, daft dagegen die Einfriertemperatu-
ren bei Cellulose, Methyl- and Athylcellulose Bo-
wie bei Perlon um 50 his 150? niedriger als die
Rekristallisationstemperaturen liegen.
Da ein Zweifel an der gegebenen Deutung von
tR durch den Zusammenhang mit der Rontgen-
untersuchung nicht moglich ist, ist zu erwagen,
ob bei den gemahlenen Stoffen die Einfriertempe-
raturen stark erhoht Sind,, oder ob die Deutung
der Knickpunkte in den Volumen-Temperatur-
Kurven als Einfriertemperaturen zu modifizieren
ist.
Es ist auBerordentlich unwahrscheinlich, dal
die Atome and Molekule der schwinggemahlenen
Stoffe eine geringere Beweglichkeit zeigen als
die der ungemahlenen Stoffe. Vielmehr ist zu? er-
warten, daB durch die bei der Vermahlung auf-
genommene Verformungsenergie eine Erhohung
der Beweglichkeit (Herabsetzung der Einfrier-
temperatur) eintritt. Die Platzwechselwahrschein-
lichkeit der Atome bzw. Kettenglieder steigt durch
den Energiezuwachs OW bei der Vermahlung an,
da zur Auslosung des Platzwechsels im ver-
formten Zustand nur mehr der geringere Ener-
giebetrag W-OW aufzubringen ist. Es liegt
also kein Grund zu der Annahme vor, daft sick
die Einfriertemperatur durch die Schwingmah-
lung in Richtung hoherer Temperatur his zur Re-
kristallisationstemperatur verschiebe. Die bei den
gittergeordneten Stoffen bei 60 his 70' beobach-
teten Unstetigkeiten im Ausdehnungskoeffizienten
20 Die von ti b e r r e i t e r angegebenen Volumen-
Temperatur-Kurven erstrecken sich caber einen gerin-
gen Mefibereich, so daB die Diskrepanz zwischen den
Messungen moglicherweise auf die verschiedene GroIc
des McBbereiches zuriickzufiihren 1st.
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284 E. STEURER
stehen also nicht mit der Kettengliedbeweglichkeit
in Zusammenhang, die zu einer Neuordnung des
Gitters fUhrt.
Will man an der gegebenen Deutung der Un-
stetigkeit im Ausdehnungskoeffizienten als Ein-
friertemperatur festhalten, dann bleibt nur die
Annahme fibrig, daB Bich derartige Einfriertem-
peraturen auch in an sich gittergeordneten Pra-
paraten auf darinvorkommende amorpheBereiche
beziehen. Ffihrt man die gegenseitige Behinderung
der Beweglichkeit der Kettenglieder auBer auf die
innermolekulare Bindung auf die zwischenmole-
kularen Krafte zuriick, dann ist der Grad der Be-
wegungshemmung in den kristallinen Bereichen
infolge des geringeren Atomabstandes groBer als
in den ungeordneten Bereichen. Charakterisieren
die Rekristallisationstemperaturen den Tempera-
turbereich, in dem Beweglichkeit der Kettenglie-
der in den kristallinen Bereichen angeregt wird,
so ist anzunehmen, dali sich die niedrigen Tem-
peratures (bei 60 bis 70?) auf die Desorientie-
rung der Kettenglieder in den rontgenamorphen
Bereichen beziehen.
Die gegebene Deutung einer verschieden groBen
Beweglichkeit von Kettengliedern bei gittergeord-
neten Praparaten in kristallinen and amorphen
Bereichen Milt erwarten, daB mit geringer wer-
dendem Ordnungsgrad der kristallinen Bereiche,
also bei einer Verringerung des Ordnungsunter-
schiedes zwischen kristalliner and ,amorpher"
Phase, eine Abnahme der Differenz von tR and tE
eintritt. In diesem Sinne lalt sich aus den gefun-
denen tR- and tE-Werten (vergl. Tab. 2, Spalte 4)
ableiten, daB der Ordnungsgrad von Cellulose,
Methylcellulose and Perlon (tR- tE, c 80 his 100 ? )
am hochsten ist and mit zunehmender Lange der
in der Cellulose substituierten Kette (Benzyl- bzw.
Butylcellulose tR -tE= 4 his 5) abnimmt. Dieser
Schiul findet seine Bestatigung in dem Bild der
entsprechenden Rontgendiagramme, bei denen in
der gleichen Praparatfolge eine starke Abnahme
von Linienzahl and Linienscharfe beobachtet wird,
was bereits friiher als Zunahme von Gittersto-
rungen gedeutet worden ist.
Es sei hervorgehoben, dal die Unterschiede in
den Rekristallisationstemperaturen bei den ver-
messenen Stoffen den Zusammenhang zwischen
Molekulbeweglichkeit and Nebenvalenzkraften21
erst verstandlich macht, wahrend die bisherige
21 Die Wechselwirkung bezieht sich sowohl auf
intra- als auch auf intermolekulare Anziehung.
Cellulose . .
200
62
140
Methylcellulose
145
60
85
330
0
44
Atbylcellulose
110
65
45
250
,
0
44
Butylcellulose
85
81
4
190
,
0
45
Benzylcellulose
90
85
5
,
Perlon T ... .
140
62/65
80
250
0,55
Tab. 2. Rekristallisationstemperatur tR, Einfriertem-
peratur tE and Schmelztemperatur tF bei organischen
Hochpolymeren.
Deutung des funktionellen Zusammenhangs von
Einfriertemperatur and Gliederbeweglichkeit kei-
neswegs in allen Fallen zwanglos moglich war.
Insbesondere mulite die niedrige Lage der Ein-
friertemperatur von Cellulose iiberraschen, die
z. Tl. noch unter den Einfriertemperaturen ihrer
Derivate lag and die mit den sonstigen physikali-
schen and chemischen Eigenschaften der Cellulose
nicht in Einklang steht. Im Sinne der obigen Deu-
tung besitzt Cellulose in den geordneten Berei-
chen27 eine kleine innere Beweglichkeit, wahrend
in den ungeordneten Bereichen hohe Gliederbeweg-
lichkeit vorzuliegen scheint. Die von P. H. Her -
m a n s 23 aus sterischen Betrachtungen abgeleitete
grole innere Beweglichkeit der Cellulosekette hat
danach in fester Form nur beschrankte Gtiltigkeit.
Es liegt nahe, die Rekristallisationstemperatur
auch zur Schmelz- oder FlieBtemperatur in Be-
ziehung zu setzen. Bei den hochpolymeren Stoffen
ist die Schmelz- oder FlieBtemperatur infolge der
verhaltnismafig geringen Gitterordnung ebenso
wie die Rekristallisationstemperatur unscharf and
nur als Mittelwert fiber einen mehr odor weniger
grolen Schmelzbereich anzunehmen. Legt man
diesen Mittelwert zugrunde, so findet man, dal to
einen konstanten Bruchteil der Schmelztempera-
tur tF darstellt: tR = 0,44 tF .
2. tlber die Entstehung verformter
Stoffe durch Mahlung
Nach Feststellung von Grole and Stabilitat der
Verformung von Makromolekiilgittern bleibt die
Frage often, auf welchem Wege Mahlenergie in
Verformungsenergie umgewandelt wird and wie
22 Dabei ist es ohne Einflufl, oh these Bereiche un-
verformt. oder durch Mahlung verformt sind.
23 P. H. Hermans, J. de Booys u. Chr. J.
M a a n , Kolloid-Z. 102, 169 [1943].
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tBER GITTERGEORDNETE HOCHPOLYMERE STOFFE 285
man sich die Stabilisierung des mechanischen Ver-
formungszustandes vorstellen kann. Die Beant-
wortung dieser Frage wurde bereits im Zusam-
menhang mit Untersuchungen fiber den Energie-
bedarf bei mechanochemischen Valenzspaltungen
behandelt24. Da sie noch nicht endgi ltig gelost
werden kann, seien nur die allgemeinen Bedin-
gungen fur den Eintritt der Verformung ange-
geben, die sich auf die Art des verwendeten Mahl-
gerates and des zu vermahlenden Stoffes sowie
auf den Energieaustausch zwischen den Molekii-
len beziehen.
Der Verformungsprozell ist nicht auf die Mahlung
in der Schwingmuhle beschrankt, sondern wird auch
in anderen Mahlgeraten, wie z. B. in der Kugelmuhle,
beobachtet. Wahrend die mechanische Beanspruchung
in der Schwingmuhle vorwiegend durch Druckkrafte
verursacht wird, treten in der Kugelmuhle vermutlich
in erster Linie Scherkrafte auf. Die mechanische Ver-
formung ist offenbar nicht an die spezifische Mecha-
nik eines bestimmten Mahlvorganges gebunden. Vor-
aussetzung fur die Verwendbarkeit eines Mahlgerates
bei der Verformung ist lediglich der Ablauf des Mahl-
vorganges bei hinreichend tiefer Temperatur. So ist
z. B. die Bloch-Rosetti-Miihle fur die Untersuchung
von Verformungsvorgangen ungeeignet, da sich das
Mahlgut infole groper Reibungskrafte stark erhitzt.
Der mechanischen Verformung durch Mahlung
scheinen nach den bisherigen Erfahrungen grund-
satzlich alle Stoffarten zuganglich zu sein; bis-
her wurde Verformung auBer bei den organischen
Hochpolymeren bei niedrigmolekularen Stoffen,
z. B. Rohrzucker and bei anorganischen an Feld-
spat25, beobachtet. Bei anderen Stoffen, wie z.B.
Polyoxymethylen, Harnstoff, Kochsalz usw., trat
auch bei langdauernder Mahlung keine Verande-
rung im Rontgendiagramm auf. Neben den quan-
titativen Unterschieden in der Grole der Ver-
formung bestehen in der Verformbarkeit also
auch qualitative Unterschiede. Fur den Eintritt
24 E. Steurer u. K. Hell, l.c.17; K. Hell u. E.
S t e u r e r, Z. physik. Chem. 193, 234 [1944].
25 M. L. Jackson u. E. T r u e g, Proc. Soil. Sci.
Soc. America 4, 136 [1939], ref. Z. angew. Chem. 54, 92
[1941].
einer stabilen Verformung mussen offenbar min-
destens zwei Bedingungen gegeben sein: 1. Die
mechanische Beanspruchung mull unterhalb der
Rekristallisationstemperatur des zu vermahlen-
den Stoffes erfolgen; 2. es mull eine unsym-
metrische Verteilung des Kraftfeldes der Mole-
kiile vorliegen, da Energiespeicherung das Vor-
handensein von Minima hoherer potentieller Ener-
gie voraussetzt. Es ist noch naher zu unter-
suchen, welchen EinfluB beide Bedingungen auf
die Verformbarkeit bzw. den Verformungsgrad
der Stoffe besitzen.
Die Bedingung niedriger Verformungstempera-
tur enthalt implicite die Bedingung, dal nach
mechanischer Schwingungsanregung Energie
auf unbeanspruchte Bereiche abgeleitet werden
kann. Durch den Mahlprozel wird?auf ortlich
eng umgrenztem Raum eine Erhohung der
Schwingungsamplituden der Atoine bewirkt, die
zu stabiler Schwerpunktsverlagerung der Atome
nur dann fuhren kann, wenn durch partielle Ab-
leitung von Schwingungsenergie ein ,Einfrieren"
der Atome bzw. Atomgruppen in Lagen hoherer
potentieller Energie moglich ist. Bei allgemeiner
Temperaturerhohung durch Zufiihrung von
Warme werden dementsprechend keine merk-
lichen Gitteranderungen beobachtet. Ein ein-
drucksvolles Beispiel fur den Unterschied von
thermischer and mechanischer Wirkung bietet
Cellulose, die selbst bei Erhitzung bis zur Zer-
setzungstemperatur and nachfolgendem Ab-
schrecken auf tiefe Temperatur keine merkliche
Zunahme der Gitterstorung aufweist, wahrend
bei Mahlung ohne merkliche thermische Zer-
setzungserscheinung schon nach kurzer Zeit er-
hebliche Verformung beobachtet wird. Erst bei
volliger Zerstorung des Gitters durch Schmelzen
seheint sich z. B. bei Cellulosederivaten durch
Abschrecken der Schmelze auch auf rein thermi-
schem Wege in gewissem Umfang Verformung
erzielen zu lassen26.
26 W. 0. Baker, C. Fuller u. N. R. Pape, J.
Amer. chem. Soc. 64, 776 [1942].
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H. ZAHN .
Uber die Einwirkung von Phenolkorpern auf Faserkeratine'
Von HELMUT ZAHN
Aus dem Institut fur Textilchemie in Badenweiler
(Z. Naturforschg. 2 b, 286-291 [1947]; eingegangen am 6. Mai 1947)
Faserkeratine nehmen aus wadrigen Losungen von Phenolkorpern bei Zimmertem-
peratur weit mehr Phenol auf, als bei seiner Bindung als Shure an die basischen
Aminogruppen zu erwarten ist. Die mit der Phenolaufnahme einhergehende reversible
Abnahme des Elastizitatsmoduls and Erhohung der Bruchdehnung der Faser machen
.eine Wechselwirkung des Phenols mit Querbindungen zwischen den Peptidketten wahr-
scheinlich. Phenol besitzt eine grollere Affinitat zu Peptidgruppen der Hauptketten and
Oxygruppen der Seitenketten, als diese unter sich selbst sowie zu Wasser zeigen. Daher
konnen Bindungen zwischen den genannten Gruppen (z. B. Wasserstoffbrucken) ge-
spalten and Sorptionswasser verdrangt werden.
Die Spaltung der Querbindungen reicht erst bei Temperaturen von 70 bis 90' aus,
um die Ketten so weit zu befreien, da11 sie beweglich werden and der Neigung, einen
wahrscheinlicheren, weniger orientierten Zustand anzunehmen, nachgeben, was zur
Verkiirzung der ganzen Faser ftihrt. Verschiedene Abhangigkeiten dieser Superkon-
traktion von Temperatur, Konzentration, Dauer, PH-Wert and Konstitution der Phenol-
korper werden beschrieben.
Von chemischen Veranderungen der mit Phenol superkontrahierten Keratine sind
geringe Urnsetzungen am Cystin and eine Starke Erhohung der Verdaulichkeit in dem
tryptisch wirksamen Pankreatin zu nennen.
Die Phenol-Superkontraktion von Keratinen ist ein Mittel, die Rolle der Wasserstoff-
brucken fiir den Aufbau der Keratinfasern getrennt von den anderen Querbindungen
zu studieren. Als Beispiel werden Beziehungen zwischen der Spaltung von Wasserstoff-
und Cystinbriicken and dem Auftreten von Superkontraktion beschrieben.
1. Cber Querbindungen in Faser-
keratinen
F aserkeratine sind wie die ubrigen fibrillaren
Proteine aus Hauptvalenzketten aufgebaut, in
welchen etwa 20 verschiedene Aminosauren durch
Polykondensation unter Bildung von Peptidbin-
dungen verkntipft sind. Im allgemeinen sind diese
Peptidketten nicht isoliert and frei beweglich,
sondern seitlich miteinander verbunden. Entspre-
chend den mannigfaltigen funktionellen Gruppen,
welche die Ketten and die Seitenketten liefern,
unterscheiden wir verschiedene Arten von Quer-
bindungen zwischen den Peptidketten. Ein erheb-
licher Teil der Bausteine des Keratins entfallt auf
die Hexonbasen and sauren Aminosauren, welche
als Seitenketten basische and saure Gruppen ein-
fiihren. Zwischen diesen nimmt man sogenannte
Salzbriicken an. ' AuBerdem beteiligt sich Cystin
am Aufbau der Faserkeratine, das zwei Peptid-
ketten hauptvalenzmaBig zu verknupfen vermag
(Cystinbriicke). Die Peptidgruppen betatigen we-
t 1. Mitteilung.
gen ihrer grolen Molkohasion Valenzkrafte zu
benachbarten Peptidgruppen derselben Kette oder
anderer Ketten. Man nimmt an, daB sick zwischen
den Peptidgruppen Wasserstoffbrucken ausbilden
konnen, ferner ziehen sich Peptidgruppen im Ex-
tremzustand dipoliger Anordnung elektrostatisch
an. Wasserstoffbrucken sind -auch zwischen alko-
holischen and phenolischen Hydroxylgruppen von
Seitenketten moglich, welche diese sowohl unter
sich selbst als auch mit den Peptidgruppen der
Hauptketten eingehen. Wir verstehen daher unter
Wasserstoffbrucken in Keratinen allgemein die
interchenaren 2, nebenvalenzartigen Verkniipfun-
gen, welche sich zwischen polaren Gruppen wie
Peptidbindungen, Oxy- Oder Saureamidgruppen,
gleichgtiltig ob aulerhalb oder innerhalb der Mi-
cellen, ausbilden. Die Tab.1 gibt einen Vberblick
fiber verschiedene Querbindungstypen zwischen
den Peptidketten in Faserkeratinen.
2 Der Ausdruck ,interchenar" (zwischen den Ket-
ten) ist bei Keratinen eindeutiger als intermolekular,
solange die Gleichsetzung von Peptidkette mit Mole-
kiil nicht bewiesen ist.
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EINWIRKUNG VON PHENOLEN AUF FASERKERATINE 287
Bezeichnung
MaBgebende Gruppen
1. Wasserstoffbriicken
a) Hauptkette: Peptid-
gruppen
b) Seitenketten: Oxy- and
Saureamidgruppen
2. Cystinbriicken ...
Cystin
3. Salzbrucken . . . .
basische and saure Grup-
pen der Seitenketten
Tab.'1. Schema von Querbindungen zwischen den
Peptidketten in Faserkeratinen.
Um die Bedeutung der einzelnen Querbindungen
zu untersuchen, k Ann man Veranderungen in den
Eigenschaften der Keratine,"wie Festigkeit, Elasti-
zitat, thermischer Ausdehnungskoeffizient, Quel-
lung, Doppelbrechung, Rontgenogramm, Loslich-
keit and chemische Reaktionsfahigkeit, in Abhan-
gigkeit von der Aufspaltung der betreffenden
Querbindung untersuchen. Solche Vexsuchsreihen
konnen zu eindeutigen Schliissen nicht fiihren,
wenn im Verlauf der Einwirkung mehrere Bin-
dungssysteme gleichzeitig oder nacheinander an-
gegriffen werden. So ist z. B. erst die von P a t -
terson, Geiger, Mizell and Harris3 ein-
gefiihrte Reduktion des Keratin-Cystins mit Thio-
glykolatlosung bei 351* and pA = 4,5 spezifisch
genug, um eine kritische Priifung der Rolle des
Cystins in Keratin zu erlauben. Dabei ergab sich,
dal einige Eigenschaften der Keratine zu einem
Teil auf der Anwesenheit der Cystinbindungen
beruhen. Andererseits bestehen wichtige Analo-
gies zu anderen Eiweiffasern, in welchen Cystin
entweder gar nicht oder nur in untergeordneten
Mengen vorkommt. So weiB man z. B., dali Fasern
der Naturseide, des Elastins oder Kollagens beim
Erhitzen in quellenden Medien sich verkiirzen
konnen, ohne daB Cystin in diesen Fallen mit-
wirken kann. Es ist bekannt, dali bei Einwirkung
von Wasser auf Keratinfasern bei 60 bis 80 ? in
erster Linie Cystinbindungen hydrolysiert wer-
den. Erhitzt man jedoch Faserkeratine mit Was-
ser auf Temperaturen caber 100 ?, so tritt die
Cystinhydrolyse hinter strukturellen Verande-
* Alle Temperaturangaben in Celsius-Graden.
W. L Patterson, W. B. Geiger, L. R. Mizell
u. M. Harris , J. Res. nat. Bur. Standards 27, 89 [19411.
411. Zahn, Naturwiss. 31, 137 [1943].
5 E. E16d u. H. Z ahn, Kolloid-Z. 108, 94 [1944].
0 C. N e u b e r g, Biochem. Z. 76, 107 [19161.
A. Kiintzel in W. Gralmann, Handbuch der
Gerbereichemie and Lederfabrikation, 1. Band, 1. Teil,
S. 573, Wien 1944.
rungen, insbesondere Desorientierung von Ketten
and Micellen, zuriick4. Beim Erhitzen von Kera-
tinfasern mit Formamid an Stelle von Wasser er-
folgt eine starke Schrumpfung der Faser, Ab-
nahme von Quellungsanisotropie, Doppelbrechung
and Orientierung der Micellen, ohne dal Cystin-
bindungen. an diesen Vorgangen in merklichem
Umfang beteiligt sind5. Formamid gehort zu'den
von N e u b e r g? als hydrotrop bezeichneten, "che-
misch sehr verschiedenartigen Stoffen, welche an
sich wasserunlosliche Substanzen ,dem Wasser
zuwenden", d. h. in Wasser loslich machen bzw.
ihre Quellung erhohen (K ii n t z e 11) . Es ist ein-
leuchtend, daB diese Erscheinung der Zunahme
von Quellung and Loslichkeit z. B. bei Cellulose,
Starke, Superpolyamiden von anderen Vorgangen
als von der Spaltung von Cystinbriicken verur-
sacht wird. Wenn daher die Schrumpfungstem-
peratur von Keratinen in Formamid auf 115 ?
sinkt gegeniiber 135 ? in reinem Wasser, so kann
man annehmen, dal hier nicht Cystin, sondern
andere BrUcken zwischen den Ketten aufgespal-
ten werden, diese beweglich werden and Bich in
einen wahrscheinlicheren Zustand desorientieren
konnen.
In "Verfolgung dieses Gesichtspunktes haben
wir Beziehungen zwischen Keratinfasern and
anderen hydrotropen Stoffen untersucht. K ii n t -
z e 1 and S c h w a n k e berichteten caber eine
starke Aufnahme von Phenolen durch Kollagen-
fasern and dadurch bewirkte strukturelle Ver-
anderungen. Bei Wolle hatten Herzog and
K r a h n 9 eine Loslichkeit in Phenol bei hoheren
Temperaturen beobachtet. Eigenartige Krepp-
effekte von Wolle beim Erhitzen mit konzentrier-
ten Phenollosungen fanden B a r r and S p e a k -
m a n 1O. Es zeigte sich, dal die Einwirkung von
Phenol auf Faserkeratine nicht auf Quellungs-
und Losungsvorgange beschrankt bleibt, sondern
eine spezifische Einwirkung auf Wasserstoffbriik-
ken darstellt and daher ftir das Studium dieser
wichtigen Gruppe von Querbindungen in Keratin-
fasern besonders geeignet erscheint. Bei Zimmer-
temperatur treten reversible Veranderungen auf,
wahrend bei 70 bis 100 ? eine irreversible Des-
orientierung von Ketten and Micellen erfolgt.
b A.Kiintzel u. M.Schwank, Collegium 1940,
441, 455, 489, 500.
9 R. 0. Her z o g u. E. K r a h n, Hoppe-Seyler's Z.
physiol. Chem. 134, 390 [1924].
10 T. Barr u. J. B. Speakman, J. Textile Inst. 35,
T 77 [1944]..
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
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II. GAHN
2. Reversible Reaktion von Kerati-
nen mit Phenol bei 201
Schafwolle nimmt aus 1-7-proz. walrigen Phe-
nollosungen (PH = 5) erhebliche Mengen Phenol
auf, wobei die Aufnahme mit der Konzentration
der Phenollosung linear ansteigt, sofern das Ver-
haltnis von Losung zum Substrat 60 : 1 tibersteigt.
Je Gramm Wolle werden 700 his 800 mg Phenol
aufgenommen, ohne dali Sattigung eintritt. Das
von der Wolle aufgenommene Phenol wird beim
Einlegen in schwachere Losungen bzw. Wasser
6
Last
Abb. 1. Dehnungs-, Belastungskurve einer einzelnen
Wollfaser in Wasser (? ? ?) and 7-proz. Phenol-
losung (o-o-o).
Abb. 2. Abhangigkeit der Superkontraktion von Roil-
haaren in 25-proz. Phenol von der Temperatur
(20 Minuten).
leicht wieder abgegeben, wobei das H e n r y -
N e r n s t sche Verteilungsgesetz anwendbar ist.
An der Bindung des Phenols konnen sich die'
Aminogruppen nur geringfiigig beteiligen, da sie
nur mit etwa 0,8 Millimolen in 1 Gramm Wolle
enthalten sind, wahrend die Phenolaufnahme
zehnmal so groB ist. Diese erfolgt bei pH 5,0 in
der Ndhe des isoelektrischen Punktes der Wolle,-
bei welchem die Saurebindung der Aminogruppen
ihr Minimum erreicht. Modellversuche zeigten,
daB Cellulosefasern nur geringe Mengen Phenol
aufnehmen, wahrend Naturseide and Superpoly-
amide Phenol betrachtlich zu binden vermogen.
Superpolyamide quellen bereits in 3-proz..walriger
Phenollosung irreversibel auf. Da die wesent-
lichen Querbindungen in Superpolyamiden Was-
serstoffbriicken sind, folgern wir, daB auch in
Wolle an .der Phenolbindung Peptidgruppen der
Hauptketten and geeignete Seitenkettengruppen
beteiligt sind. In diesem Falle miilten die zwi-
schen diesen Gruppen bestehenden Bindungen
eine Abschwachung erfahren. Dafiir spricht der
Befund, daB die elastischen Eigenschaften von
Keratinfasern durch die Aufnahme von Phenol
reversibel in dem Sinne beeinflulit werden, den
man bei Schwachung von interchenaren Bindun-
gen erwartet. Wie Tab' 2 zeigt, nimmt die Bruch-
dehnung in Abhangigkeit von der Konzentration
der Phenollosung reversibel zu.
Phenol-
Trockenbruch-
konzentration
dehnung
/
U/ 0
Test
38,8
1,0
39,2
3,0
47,4
5,0
51.8
7,0
L
55,8
Tab. 2. Trockenbruchdehnung von Wollfasern in Ab-
hangigkeit von der Konzentration der Phenollosung
wahrend der Vorbehandlung.
Per Elastizitatsmodul wird durch Phenolauf-
nahme herabgesetzt. Die Dehnungs- and Entdeh-
nungskurve einzelner Wollfasern wurde zuniichst
in reinem Wasser mittels stufenweiser Be- and
Entlastung registriert and nach Erholung auf die
Anfangslange an der gleichen Faser dieselbe Be-
handlung in Phenollosung durchgeftihrt. Wie die
Abb.1 zeigt, ist die Belastung, welche zu einer
Dehnung von 20 bis 30 % erforderlich ist, in
7-pron. Phenollosung erheblich kleiner als die-
jenige in Wasser. Die Wollfasern verhalten sich
bei der Entdehnung in beiden Medien gleichartig.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daB der Ela-
stizitatsmodul nicht nur durch Spaltung von
Cystin- and Salzbindungen, sondern auch von
Wasserstoffbriicken herabgesetzt wird. Die An-
ziehungskrafte zwischen den Ketten werden be-
reits bei der Sorption von Wasser verringert, wo-
bei die Dehnbarkeit and Reilgrenze der Faser er-
hoht wird. Phenol ist wirksamer als Wasser.
Quellungsversuche ergaben, daB Phenol das von
den Peptidgruppen gebundene (3-Wasser (Speak -
inanll) sowie einen Teil des Kapillarwassers
verdrangt.
31 J. B. Speakman, Trans. Faraday Soc. 40, 6
[1944].
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3. Superkontraktion von Keratin-
fasern mit Phenolkorpern
Wenn man Keratinfasern mit Phenollosungen
erwarmt, treten irreversible Veranderungen auf,
unter denen die Verkii.rzung der Faser (Super-
kontraktion) am deutlichsten in Erscheinung tritt.
Diese erreicht bei RoBhaaren, in 25-proz. Phenol
10 Minuten lang erhitzt, bereits bei 85? einen Be-
trag von 15 %, wahrend hierzu mit Formamid
eine Temperatur von 115 ?, mit Wasser sogar von
135? erforderlich ist. Die Temperaturabhangig-
keit der Verktirzung von RoBhaaren in einer
25-proz. walrigen Phenolschmelze ist in Abb.2
graphisch dargestellt. Die Superkontraktion hangt
ferner wie beim. Formamid von der Konzentration
stark ab. In der Abb. 3 ist die 100 ? - Isotherme der
Superkontraktion von RoBhaaren in Abhangig-
keit vom Mischungsverhaltnis Phenol : Wasser
aufgetragen. Die Superkontraktion steigt bei einer
Konzentration von 10% Phenol stark an, erreicht
ihr Maximum bei 25% and fallt bis 90% langsam
and bei noch hoheren Konzentrationen des Phe-
nols stark ab. Auger dem gewohnfichen Phenol
erwiesen sich auch die beiden Dioxybenzole
Brenzcatechin and Resorcin als Starke Superkon-
traktionsmittel. Die Konzentrationsabhangigkeit
der Superkontraktion bei 100 ? and einer Er-
hitzungsdauer von 20 Minuten ist in Abb.4 gra-
phisch dargestellt. Die Verktirzung erreicht in
einer 45-proz. Resorcinschmelze ein deutliches
Maximum. Dieses liegt im Falle von Brenzcate-
chin bei 40%. Das Hydrochinon verhalt sich ab-
weichend von semen Isomeren. Selbst bei Ver-
wendung einer 50-proz. Schmelze bleibt die Faser-
schrumpfung unter 10.% (Abb.4). Von substitu-
ierten Phenolen untersuchten wir o- and p-Nitro-
phenol. RoBhaare verkiirzten sich in 10-proz. p-
Nitrophenollosung, 20 Minuten auf 100 ? erhitzt,
nur urn 5,7%. Auch eine bei 100 ? gesattigte
walrige Losung von Salicylsaure verkiirzte RoB-
haare nur um 2,8%.
Um die Wirksamkeit der verschiedenen Phenole
fur die Auslosung von Superkontraktion zu ver-
gleichen, mussen auger Konzentration, Tempera-
tur and Versuchsdauer auch die pH-Werte der
Phenollosungen berticksichtigt werden. Bei alien
untersuchten Phenolderivaten stieg die Super-
kontraktion mit dem pH-Wert stark an. Abb.5
zeigt, daB eine 7,5-proz. Phenollosung bei PH = 5
eine Superkontraktion von nur 3%, bei pH = 8
30
%Phenol -
Abb. 3. Abhangigkeit der Superkontraktion von RoB-
haaren vom Mischungsverhaltnis Phenol : Wasser bei
100' and 20 Minuten.
I
yyrlrochinon
0 10 ZO 30 ye 00 7D 80 90 100
6ew%-
Abb. 4. Abhangigkeit der Superkontraktion von RoB-
haaren in Brenzcatechin, Resorcin and Hydrochinon
bei 100 ? and 20 Minuten Erhitzungsdauer von der
Konzentration.
4 70
B 9 10
Py -
Abb. 5. Abhangigkeit der Superkontraktion von RoB-
haaren in einer 7,5-proz. Phenollosung (1001, 20 Mi-
nuten) vom pH-Wert.
eine solche von 20% herbeiftthrt. Bei den Nitro-
phenolen and der Salicylsaure bewirkt pH-Er-
hohung starke Superkontraktion. Eine 1-mol.
Salicylsaure superkontrahiert z. B. RoBhaare bei
PH=9,3 um 25% and eine 0,6-mol. Losung von
o-Nitrophenol bei PH=9 um 14 %. K ii n t z e l
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290 H. Z A H N
nimmt an, dal die freien Sauren vielfach deswegen
nicht hydrotrop wirksam sind, weil die betreffende
hydrophile Gruppe von den Aminogruppen des
Eiweil abgefangen wird12. In unseren Beispielen
werden jedoch verhaltnismaBig hohe Konzentra-
tionen angewendet, so dal3 nur eine untergeord-
nete Menge hydrophiler Gruppen durch Reaktion
mit den Aminogruppen ausscheiden kann.
Die Zunahme der Schrumpfung von Keratin-
fasern in schwach alkalischen Phenollosungen
kann von der reinen Alkaliwirkung experimentell
abgegrenzt werden. Keratinfasern schrumpfen
selbst in 1/4o-mol. Natronlauge bei 100 ? in 20 Min..
nur geringftigig. Fur die Deutung der pH-Abhan-
gigkeit der Phenolsuperkontraktion ist sowohl die
Reaktionsfahigkeit des Phenols als auch die der
Querbindungen in den Faserkeratinen zu unter-
suchen.
4. Veranderungen im Feinbau von
Keratin durch Erhitzen mit hydro-
tropen Korpern
Untersucht man Keratinproben, welche durch
Erhitzen mit hydrotropen Mitteln irreversibel ge-
schrumpft sind, mit der Rontgenmethode, so zeigt
sich, daB das orientierte a-Keratin-Rontgeno
gramm in desorientiertes (3-Keratin umgewandelt
worden ist (d-Keratin). Der rontgenoptisch fest-
gestellten Desorientierung entspricht eine Ab-
nahme der Quellungsanisotropie sowie der Dop-
pelbrechung. In Tab. 3 sind Superkontraktion,
Super-
kontrak-
Faktor
Doppel-
brechun
tion
Flache/
'
g
X 104
angp
L
0
0,3
9,0
19,0 63
8,5
3,1
10,2
21,5
6,9
30,7
5,2
12,0
25,5
4,9
31,4 4,5
10,3
21,8
4,8
38,2 4,7
10,3
21,8
4,6
Tab. 3. Superkontraktion, Quellungsanisotropie und
Doppelbrechung in Abhangigkeit von der Einwir-
kungsdauer von 50-proz. Resorcinlosung auf RoBhaare
bei 1000.
Quellungsanisotropie und Doppelbrechung in Ab-
hangigkeit von der Einwirkungsdauer von 50-
proz. Resorcin auf RoBhaare bei 100 ? zusammen-
gestellt. Man erkennt die starke Abnahme der
Melidaten im Verlauf der Superkontraktion.
12 A. Kiintzel, 1. C.7, S. 580.
5. Chemische Veranderung der Kera-
tine nach Erhitzen mit Phenol-
korpern
Es erhebt sich die Frage, ob die in den vorigen
Abschnitten beschriebenen Formanderungen von
Keratinfasern .und die Umwandlung von a- in d-
Keratin mit der Spaltung chemischer Bindungs-
systeme einhergeht. Unter Reaktionsbedingungen,
bei welchen mit Formamid oder Phenol eine
starke Superkontraktion ausgelost wird, trat ein
nennenswerter Substanzverlust nicht auf. Die
kolorimetrische Cystinanalyse ergab, dal die Di-
sulfidbindungen intakt bleiben. Eine Spaltung von
Peptidbindungen war nicht festzustellen. Im Falle
von Formamid ist nach M i c h e e 113 eine Reak-
tion mit den Aminogruppen wahrscheinlich. Bei
den genannten Bedingungen erfolgt also kein Ab-
bau von Hauptvalenzbindungen, sondern eine
Spaltung von interchenaren Nebenvalenzbindun-
gen, insbesondere den Wasserstoffbriicken, wo-
durch die Kohasion der Ketten und Roste herab-
gesetzt und these beweglich werden. Diese Fest-
stellung gilt bei starkeren Einwirkungsbedingun-
gen nur beschrankt. Hier erfolgt ein simultaner
Abbau. von Hauptvalenzbindungen. Wenn man
z. B. Wolle mit einer 25-proz. Phenollosung 1 Stde.
lang auf 100? erhitzt, werden 7%, in 3 Stdn. 25%
vom Cystin abgebaut. In 50-pron. Phenollosung
betragt dagegen der Cystinverlust selbst nach
4 Stdn. nur 9%. In Tab. 4 ist Cystingehalt, Alkali-
loslichkeit und tryptische Verdaulichkeit in Ab-
hangigkeit von der Dauer der Einwirkung 50-
proz. Phenols auf Wolle bei 100 ? zusammenge-
stellt.
Dauer
Cystin-
Loslichkeit (?/?
Verdaulichkeit
in
Minuten
gehalt
0/
/
inn/10-NaOH,
650, 60 Min. 14
(/?) in 0,05-
proz.Pankreatin
_
0
0
6X 24h, 42?
Unbe-
handelt
11,1
11,0
18,2
20
10,8
11,8
74,1
40
10,6
14,0
85,2
60
10,5
16,1
88,4 1
120
10,3
20,4
89,4
240
10,1
20,5
96,4
Tab. 4. Cystingehalt, Alkali- und Pankreatinloslich-
keit in Abhangigkeit von der Einwirkung 50-proz.
Phenols auf Wolle bei 100 0.
13 F. Micheel, Chem. Ber. 80, 37 [1947].
14 M. Harris u. A. L. Smith, J. Res. nat. Bur.
Standards 18, 623 [1937].
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EINWIRKUNG VON PHENOLEN AUF FASERKERATINE
Wahrend die Alkaliloslichkeit im Verlauf der
Phenoleinwirkung nur wenig zunimmt, ist die
plotzliche Erhohung der Verdaulichkeit bereits
nach kurzem Erhitzen auffallend. Wir hatten ge-
funden, dal3 die Pankreatin-Lbslichkeit vom Fein-
bau des Keratins beeinflullt wird, indem natives
a-Keratin nur zu etwa 10%, desorientiertes f3-
Keratin (d-Keratin) dagegen zum groilten Teil
verdaulich ist15. Der Verdauungsriickstand von
mit Phenol denaturiertem Keratin besteht wie im
Falle der Formamidbehandlung vorzugsweise aus
der Epidermikulai6, deren Cystingehalt um 50%
hoher liegt als derjenige der ganzen Faser. Wir
isolierten beispielsweise aus einer mit Phenol be-
handelten Schafwolle vom Cystingehalt 12,2% ein
Epidermikulapraparat in einer Ausbeute von
8,9%, dessen Cystingehalt 20,4% betrug 17.
6. Weitere Anwendungen der Phenol-
reaktion in der Keratinforschung
Wir haben gezeigt, dali in der Behandlung von
Keratinfasern mit Phenollosungen bei 80 his 100 ?
eine Moglichkeit gdgeben ist, Wasserstoffbriicken
zu spalten, ohne dal hierbei die Peptidketten
selbst oder Cystinbindungen in nennenswertem
Umfang angegriffen werden. Daher kann man mit
Hilfe der Phenolreaktion die Eigenschaften der
Wasserstoffbrucken studieren. In Verbindung mit
der spezifischen Spaltung von Cystin mittels Thio-
glykolaten lassen sich komplexe Vorgange in ihre
einzelnen Komponenten zerlegen. Fur das Pro-
blem der Superkontraktion von Keratinfasern z. B.
scheint nun bewiesen ?zu sein, daB nur solche
Reagenzien Keratinfasern verkiirzen konnen,
welche Wasserstoffbriicken in genugendem Um-
fang aufspalten. Am allgemeinsten wird eine
solche Spaltung von hydrotropen Mitteln, z. B.
Phenol, erreicht. Die Behandlung bei Zimmer-
temperatur geniigt jedoch nicht, weil die Befreiung
der Ketten, ausgedriickt in der Abnahme des Ela-
stizitatsmoduls, nur geringfiigig bleibt. Beim Er-
15 E. E 16 d u. H. Zahn , Melliand Textilber. 27, 68
[1946].
16 E. E 16 d u. H. Zahn, Naturwiss. 33, 158 ['1946].
17 Vergl. auch W. B. Geiger , J. Res. nat. Bur.
Standards 32, 127 [1944].
hitzen sinkt dieser E-Modul oberhalb einer be-
stimmten Temperatur um zwei Zehner-Potenzen
ab, and der lineare thermische Ausdehnungs-
koeffizient schlagt von positiven in negative Werte
um. Die Faser beginnt sich zu verkiirzen. Hat
man die Cystinbindungen spezifisch aufgespalten,
so erfolgt keine Superkontraktion. Dieselben Ver-
anderungen im E-Modul and das Umschiagen des
Ausdehnungskoeffizienten treten jedoch auf, wenn
man die reduzierte Faser anschlieflend z. B. mit
40-proz. Resorcinlosung behandelt. Es ist bemer-
020 30 Wiwi
7 50 671 70 &I ,A7 of
Abb. 6. Temperaturabhangigkeit der Superkontraktion
von unbehandelten Roflhaaren (. -i- -I-) and reduzier-
ten Roflhaaren (o o o) in 40-proz. Resorcin (pg = 6,9)
in 20 Minuten.
kenswert, daB nunmehr eine Superkontraktion von
15% bereits bei 45 ?, bei unbehandelten RoBhaaren
erst bei 85? erreicht wird (Abb. 6). Die Kombina-
tion von Cystin- and Wasserstoffbriicken-Spaltung
bedeutet eine Erleichterung der Superkontraktion.
Die Phenolbehandlung ist ferner geeignet, die
Einzelvorgange, welche der eigentumlichen Fixie-
rung gedehnter Keratinfasern zugrunde liegen,
aufzuklaren. Es ist. Aufgabe von weiteren Mittei-
lungen, diese and andere Beziehungen darzustel-
len. Im ganzen fiihren diese Untersuchungen von
der zu speziellen chemischen Betrachtungsweise
auf eine allgemeinere Deutung der Eigenschaften
der Keratinfasern vom Standpunkt der in ihr ent-
haltenen Ketten and ihrer seitlichen Kohasion.
Hrn. Prof. Dr.-Ing. E. E 16 d bin ich fur die Er-
m6glichung der vorliegenden Arbeit zu warmstem
Dank verpflichtet.
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Verhalten transplanti erter Ringdrusen ?letaler" Drosophila-Larven
Von MARGUERITE VOGT
Aus dem Hirnforschungsinstitut Neustadt (Schwarzwald)
(Z. Naturforschg. 2b, 292-294 [1947]; eingegangen am 22. Mai 1947)
Es wurden larvale Ringdrusen der Drosophila-Mutante lethal-giant-larvae (lgl) sowie
letaler mannlicher mel/sim-Bastarde in lebensfahige Wirtslarven verpflanzt. Wahrend zur
Zeit der Verpuppung der Wirte die lgl-Ringdrusen-Hauptzellen in illrer GroBe hinter der
Norm zuriickbleiben, erreichen sowohl die Corpus-allatum- als auch die Ringdrusen-Haupt-
zellen der mel/sim-Mannchen eine annahernd normale GroBe. Das in situ verminderte
Wachstum der Ringdrusen-Hauptzellen der lgl-Mutante diirfte daher vorwiegend genetisch.
das]enige der mel/sim-Mannchen in erster Linie milieubedingt sein. Die transplantierten
Ringdrusen beider letaler Konstitutionen zeigen in den ersten Stunden des Imaginallebens
der Wirtstiere den normalen Untergang der Hauptzellen bei Erlialtung der Corpus-allatum-
sowie der Corpora-cardiaca-Zellen. Die adulten Corpus-allatum-Zellen unterscheiden sich
von normalen lediglich durch ihre geringere GroBe. Eine Funktionspriifung der ersteren
fiel fur die lgl-Mutante positiv aus.
Bekanntlich konimt es bei der Drosophila-
Mutante lethal-giant-larvae (1gl)1 sowie den
letalen mannlichen 2 Larven aus der Kreuzung D.
melanogaster X D. simulans tells zu einem verspa-
teten Eintritt, toils zu einem volligen Unterbleiben
der Bildung des Puppentonnchens oder Pupa-
riums. Wie H a d o r n 3, 4 als erster zeigen konnte,
laft sich in den letalen Larven durch Implanta-
tion genetisch normaler Ringdrusen eine recht-
zeitige Pupariumbildung auslosen. Es ist also die
Hypodermis der letalen Larven auf Verpuppungs-
hormon reaktionsfahig; die in den letalen Larven
normalerweise auftretende Verzogerung bzw. das
vollige Unterbleiben der Pupariumbildung sind
offenbar die Folge einer ungenilgenden Hormon-
produktion der Ringdruse letaler Larven. Dabei
bleibt unentschieden, ob die ungentigende Hor-
monproduktion der Ringdruse durch die gene-
tische Konstitution der Ringdrusenzellen (primare
Pleiotropie H a d o r n s 5) oder aber durch eine
milieubedingte Entwicklungsverzogerung inner-
halb des letalen Wirtes (sekundare Pleiotropie)
verursacht ist. Eine Klarung der obigen Frage
laBt sich - innerhalb gewisser Grenzen - durch
das Transplantationsexperiment erreichen. Im fol-
genden sei daher fiber Versuche berichtet, in denen
i Die Letalitat beschrankt sich auf homozygote
Tiere.
2 Im Gegensatz zu den letalen mannlichen mel/sim-
Larven sind die weiblichen mel/sim-Larven voll lebens-
fahig.
3 E. H a d o r n, Naturwiss. 25 [1937] ; Proc. Nat.
Acad. Sci. 23 [1937]. '
?letale" Ringdrusen in genetisch normale Larven
verpflanzt wurden. Da die Ringdrusenimplantate
gleichzeitig fiber die Metamorphose der Wirtstiere
hinaus verfolgt werden konnten, lie-Ben sich fer-
ner auch die durch das vorzeitige Absterben der
letalen Wirte in situ nicht in Erscheinung treten-
den imaginalen Entwicklungspotenzen der letalen
Ringdrusen naher priifen. Die Ergebnisse sollen
bier ebenfalls kurz geschildert werden 6.
Befunde
1. Verhalten transplantierter ?leta-
ler" Ringdrusen bis zur Verpuppung
der Wirtslarven
Nach Scharrer and H a d' o r n' ist die. Ring-
driise holnozygoter lethal-giant-Larven durch ein
im Vergleich zur Norm verinindertes Gro0en-
wachstum der Ringdrusen-Hauptzellen charakteri-
siert. Entsppechendes gilt in noch starkerem MaBe
fur die Ringdrfise der letalen mannlichen mel/sim-
Larven.
In Abb.1 c * ist die Ringdruse einer 72-stdg. mann-
lichen mel/sim-, in Abb. 1 d zum Vergleich diejenige
einer 72-stdg. weiblichen mel/sim-Larve abgebildet.
Man erkennt deutlich die im Wachstum zuriickgeblie-
4 E. Hadorn u. J. Neel, Roux' Arch. 138, 281
[1938].
5 E. H a d o r n, Schweiz. med. Wschr. 70, 1237
[1940].
6 Fur die Anfertigung der histol. Praparate mochte
ich Frl. Ruth H a g l e r vielmals danken.
7 B. Scharrer u. E. Hadorn, Proc. Nat. Acad.
Sci. 24, 236 [1938].
Abb. 1 a-k siehe Tafel S. 296 e.
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benen Drusenzellen der mannlichen Bastardlarve; im
Gegensatz zur Mutante igl sired her neben den Haupt-
zellen (Hz) auch die dem Corpus allatum (C. a.) zu-
gehorigen Ringdrii.senzellen von der Wachstumshem-
mung betroffen. Die in Abb.1 c abgebildete Grolle der
Zellen wird auch in alteren mannlichen mellsim-Lar-
ven nicht iiberschritten.
Es war daher zu prufen, ob die Wachstumshem-
mung - die zugleich die Ursache fur die oben
erwahnte ungeniigende Produktion von Verpup-
pungshormonen in den letalen Larven sein diirfte -
bei Verpflanzung der letalen Ringdrusen in ein
normales Milieu ausbleibt. Zu diesern Zwecke
wurden Ringdrusen von 1g111- Bowie von mann-
lichen mel/sim-Larven in die Leibeshohle normal
lebensfahiger Larven transplantiert and die Im-
plantate zur Zeit der Pupariumbildung der Wirts-
larven auf ihre Zellgrolle untersucht.
Als Wirte fur die lgl-Implantate wurden die ens
den gleichen Zuchten stammenden heterozygoten
lgl en bwlCy cn2-Larven, als Wirte fur die mannlichen
mellsim-Implantate die weiblichen mellsim-Bastard-
larven gewahlt. Das Alter aller Wirtslarveh betrug
zur Zeit der Implantation 38-40 Stdn., dasjenige der
lgt-Spenderlarven stets 38-40 Stdn., dasjenige der
mel/sim-Spenderlarven dagegen 24-26, 38-40 oder
62-64 Stunden. Um das Auffinden der Implantate zu
erleichtern, wurden die Ringdrusen stets zusammen
mit den larvalen Hirnhemispharen sowie den mit die-
sen verbundenen Augen - Antennen - Imaginalscheiben
verpflanzt. Da letztere bei den in Frage kommenden
letalen Larven auch unter den normalen Milieubedin-
gungen mehr oder weniger stark degenerieren, war
hiermit gleichzeitig die Moglichkeit gegeben, stets die
genetische Konstitution der Implantate zu verifizieren.
In Abb. 1 b ist ein Schnitt durch eine transplan-
tierte lgl-, in Abb.1 e and 1 g durch eine transplan-
tierte mannliche mel/sim-Ringdruse wiedergege-
ben. Wahrend die Hauptzellen der lgl-Ringdruse
auch im normalen Wirt in ihrer Groile hinter der
Norm zurUckbleiben (vergl. Abb. 1 b mit Abb.1 a),
ist der fordernde Einflull des normalen Wirts-
milieus auf die letale mel/sim-Ringdruse sehr aus-
gepragt (vergl. Abb. 1 e u. 1 g mit Abb. 1 c u. 1 f ).
Dies ist besonders deutlich zu erkennen in dem
Schnitt der Abb. 1 g. Es handelt sich um einen der-
jenigen Falle, in denen die letale Ringdruse in
einen jiingeren Wirt verpflanzt wurde. Der for-
dernde EinfluIl erstreckt sich hier sowohl auf die
Hauptzellen als auch auf die Zellen des Corpus
e Die lgl-Larven stammten aus einer lgl cn bw/Cy cn2-
(- lethal-giant-cinnabar-brown/Curly-cinnabar-2)-Kul-
tur, die Hr. Prof. H a d o r n zur Verfugung stellte,
woftir ich meinen besten Dank aussprechen mochte.
allatum. (In schroffem Gegensatz hierzu stelit
das Verhalten der zusammen mit der letalen
ntel/sim-Ringdruse verpflanzten Hirnhemispharen
and Augenantennenscheiben, die stark in ihrein
Wachstum zuruckgeblieben sind and gleichzeitig
degenerierende Zellen aufweisen, s. Pfeile Abb. 2 a
raid b.) **
Die Untersuchung weiterer, hier nicht abgebil-
deter Implantate letaler Ringdrusen ergab ahn-
liche Befunde. Zusammenfassend konnen wir so-
mit schliellen, dali die in situ herabgesetzteWachs-
tumsintensitat der letalen Ringdrusen bei der
Mutante lgl vorwiegend durch die genetische Kon-
stitution der Ringdrusenzellen, bei den mannlichen
Bastardlarven dagegen in erster Linie milieube-
dingt ist. Diese Schlutifolgerung hat fur den Fall
der Mutante lgl allerdings nur dann Giiltigkeit,
wenn eine schon vor der Transplantation erfolgte
Schadigung der lgl-Ringdrusen Burch das letale
Milieu ausgeschlossen werden kann. Diese Vor-
aussetzung ist durch die Tatsache gerechtfertigt,
dali die Grol3e der Zellen der lgl-Ringdrusen zur
Zeit der Transplantation noch nicht von der nor-
malen abweicht.
2. Verhalten transplantierter ?leta-
ler" RingdrUsen wahrend des Imagi'-
nallebens der Wirtstiere
Bei Drosophila degenerieren normale Ringdrii-
senhauptzellen - in situ `vie auch im Transplan-
tat (V o g t 9) - in den ersten Stunden des Imagi-
nallebens, so da11 von der larvalen Ringdruse in
der Imago nur die Zellen des Corpus allatum Bo-
wie der Corpora cardiaca persistieren. Eire ent-
sprechendes Verhalten zeigten auch die transplan-
tierten RingdrUsen von homozygoten lgl- turd
mannlichen mel/sim-Larven.
In Abb. 1 h u. i sowie Abb. 2 d u. e sired zwei letale
Ringdrusenimplantate wiedergegeben, die einige Stun-
den nach 8chliipfen der Wirtsimagines fixiert wurden.
In beiden Fallen ist die beginnende Degeneration der
Hauptzellen an dem Auftreten sich mit Hamatoxylin
dunkel farbender Kugeln (s. Pfeile) zu erkennen. In
alteren Wirtsimagines verschwinden die Hauptzellen
vollig, wahrend die Zellen des Corpus alldtum and der
Corpora cardiaca auch auf diesem Stadium deutlich
erhalten bleiben (Abb.1 j u. k; Abb. 2g, h u. j).
Der einzige histologische Unterschied, der sich
bei den adulten Ringdrusen letaler Spenderlarven
aufzigen liell, war eine durchschnittlich gerin-
M. V o g t, Roux' Arch. 142, '131 (1942].
** Abb. 2 a-j siehe Tafel S. 296 d.
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294 VERHALTEN TRANSPLANTIERTER RINGDRTYSEN
gere GrO1 e der Corpus-allatum-Zellen (vergl. die
Corpus-allatum-Zellen in Abb. 1 j and Abb. 2 g u. h
mit denjenigen einer weiblichen mel/sim-Spender-
larve10 in Abb.2i).
In einer letzten Versuchsserie wurde die Funk-
tionsfahigkeit der ?adulten" Corpus-allatum-Zellen
der Mutante lethal-giant-larvae ndher untersucht.
Es wurden zu diesem Zwecke je zwei lgl-Implan-
tate 2 his 9 Tage nach dem Schlupfen der Cy-
Wirte in allatectomierte 11 D. hydei - Weibchen
iibertragen and ihr Einflul, auf die Wirtseier-
stocke gepriift. Wie aus der Tab. ersichtlich ist,
Alter der Cy.Wirtsimago
zur Zeit der 17bertragung
des lgl-Implantates in
den hydei-Wirt
Bildung Aus-
reifeP bleiben
Eier der
Eireifung
2 Tage
3 ?
5
7 0
9
1 13
In 3 Fallen wurden an Stelle der gesamten Gehirn-
ringdrusenkomplexe lediglich die abpraparierten Ring-
driisen implantiert.
Tab. Forderung der Eireifung in allatectomierten
D. hydei-Weibchen durch Implantation ,,adulter" igl-
G eh i rnri ngdrus enk omplexe.
kam es in 12 der 13 hydei-Weibchen zur Eirei-
fung, wahrend letztere in 13 Kontrollweibehen, in
die an Stelle der lgl-Implantate lediglich Ringer-
ldsung injiziert wurde, ausblieb.
Da die lgl-Implantate neben den adulten Ringdrusen
auch noch Hirngewebe enthalten, lieBe sich die FSr-
derung der Eireifung auch auf eine Mitilbertragung
in den Hirnhemispharen gespeicherten Corpus-allatum-
Hormones zurilckfiihren. Eine solche Mitubertragung
gespeicherten Hormones konnte indessen fur 3 Falle
der Tab. (s. *) mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
So war es in diesen 3 Fallen moglich, die adulten
Ringdriisen vor der U"bertragung in den hydei-Wirt
von den Hirnhemispharen abzulosen and getrennt zu
verpflanzen. Die hydei-Weibchen mit den isolierten
Ringdriisen-Implantaten bildeten reife Eier aus, wah-
rend eine Eireifung in den Weibchen mit den Gehirn-
Implantaten ausblieb.
Es ist also bei der Mutante lgl die Persistenz
der Corpus-allatum-Zellen mit einer solchen der
Funktion verbunden.
Bekanntlich gliedert H a d o r n 12 die Organe der
lgl-Mutante in drei Gruppen: die ganz normalen,
die im Wachstum gehemmten, aber eine unveran-
derte Zellstruktur zeigenden Organe and die de-
generierenden Organe. Nach dieser Gliederung ge-
hort das adulte Corpus allatum der Mutante le-
thal-giant ebenso wie die larvalen Hauptzellen der
Ringdriise zur zweiten Gruppe. Dabei zeigt die
oben nachgewiesene Funktionsfahigkeit der adul-
ten lgl-Corpus-allatum-Zellen von neuem. die Be-
rechtigung, mit H a d o r n die zweite Organgruppe
von den degenerierenden Organen der dritten
Gruppe zu trennen.
10 Die abgebildete GroBe gilt in gleicher Weise fur
heterozygote Cy-Spenderlarven.
11 Aus rein technischen Grtinden wurden stets zu-
sammen mit dem Corpus allatum auch die Corpora
cardiaca and das Ganglion hypocerebrale entfernt.
13 E. H a d o r n, Arch. Jul.-Klaus-Stiftg., Erganzgs.-
band zu 20, 82 [1945].
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Untersuchungen uber basophile Plasmastrukturen
Von ANGELA NOLTE
Aus dean Zoologischen Institut der Universitat Munster
(Z.'Naturforschg. 2 b, 295--300 [1947]: eingegangen am 3. Marz 1947)
Die biochemische Methode von B r a c h e t zum Nachweis der Ribonucleinsauren wurde
mit der Methode von P i s c h i n g e r zur Bestimmung der Umladungsbereiche mit acidi-
metrisch abgestuften Farblosungen and mit polarisationsoptischen Untersuchungeri kom-
biniert. Es wurde auf diese Weise die basophile Struktur?der verhornenden Epidermis, des
Ergastoplasmas and der Nifl-Schollen untersucht.
Es konnte gezeigt werden, dad der von Z e i g e r bei verhornenden Epithelien
beschriebene Ladungsschwund primar nichts mit der Alterung von Geweben (Proto-
plasmahysteresis von R u z i c k a) zu tun hat. Dieser Ladungsschwund beruht vielmehr
auf der Abnahme der Konzentration der Ribonucleotide von der Epithelbasis zur Ober-
flache hin.
Weiterhin wurden Ribonucleotide nachgewiesen im Ergastoplasma des Pankreas der
weiden Maus and in den Nibl-Schollen der Ganglienzellen des Ruckenmarks der weilen
Maus.
Die Doppelbrechung des Ergastoplasmas erwies sich als abhangig von einem orien-
tierten Einbau der Ribonucleinsauren. Nach der Behandlung des Ergastoplasmas mit
Ribonuclease ist die Doppelbrechung nicht wieder hervorzurufen.
M it der Entwicklung der Farbungstechnik in der
zweiten Halfte des vorigen Jahrhunderts wurde
es deutlich, dad bestimmte Zellelemente basische,
andere saure oder neutrale Farbstoffe bevorzugen.
Da die Kerne in der Regel eine besondere Affinitat
zu ?basischen Farbstoffen zeigen, bezeichnete man
diese Farbstoffe als ,Kernfarbstoffe" and hielt kon-
sequenterweise alle Strukturen des Cytoplasmas, die
in ahnlicher Weise eine Vorliebe fur solche Farb-
stoffe zeigen, fur vom Kernchromatin abstammende
Gebilde.
H e r t w i g pragte Air these Plasmastrukturen den
Ausdruck ?Chromidien". Die Cytologen glaubten
durch ihre mit den verschiedensten Farbungstechni-
ken durchgeftihrten Untersuchungen nachweisen zu
konnon, dad wirklich ein Chromatinaustritt durch die
Kernmembran hindurch erfolge, and zwar besonders
stark in Zellen mit lebhafter Tatigkeit. G o 1 d -
s c h m i d t l ging in seiner Chromidialtheorie so weit,
Ergastoplasma, Dotterkerne, Nilll-Schollen, Mitochon-
drion u. a. mit Chromidien zu homologisieren.
Zu der plotzlichen Ablehnung der Chromidialtheo-
rie trugen in besonderem Made die Entwicklung der
Cytogenetik einerseits and die histochemische Erfor-
schung der Kernstrukturen andererseits bei. Die
Cytogenetik hatte eine grundsatzliche Trennung der
Chromosomenstrukturen vom Plasma erwiesen, and
1 R. G o 1 d s c h m i d t, Chromidialapparat lebhaft
funktionierender Gewebszellen. Zool. Jb. 21, 49-140
[1909].
2 T. C a s p e r s s o n, Untersuchungen der Nuclein-
saureverteilung im Zellkern. Z. wiss. Mikroskopie mi-
kroskop. Techn. 53 [1936].
F e u 1 g e n erbrachte snit seiner Nuclealreaktion den
eindeutigen histochemischen Nachweis, dad die Thymo-
nucleinsaure, auf der die starke Farbbarkeit der Kerne
mit basischen Farbstoffen im wesentlichen beruhen
mull, auf Chromosomen bzw. Zellkerne beschrankt
ist. (Heute wissen wir, dab sie auuerdem in Bakte-
rien, Cyanophyceen and Viren aulerhalb eines Zell-
kernes vorkommt.) Hierdurch schien die Chromidial-
natur der basophilen Plasmastrukturen ernstlich in
Frage gestellt.
Die Vermutung jedoch, dad auch fur die typische
Basophilie des Cytoplasmas Nucleinsauren mitver-
antwortlich zu machen sind, konnte neuerdings durch
zwei Methoden exakt bewiesen werden: einmal mit
der Messung der Absorptionsspektren in ultraviolet-
tem. Licht nach C a s p e r s s o n 2 and zum anderen mit
der histochemischen Methode, wie sie B r a c h e t 3 an-
wandte. Caspersson vermochte mit Hilfe der Mikro-
skopie in ultraviolettem Licht zum erstenmal im
Cytoplasma exakt Nucleinsauren zu erfassen, die
keine Feulgensche Nuclealreaktion geben. Es handelt
sich um Nucleinsauren von Ribosenatur.
Schon vor Brachet hatte u. a. van H e r w e r den 4
durch ihre Losungsversuche mit Nuclease aus der
Milz zu beweisen geglaubt, dal3 basophile Struk-
turen, wie Nifll-Schollen usw., aus Nucleinsauren
3 J. B r a c h e t, Der histochemische Nachweis der
Pentosenucleinsauren. C.R. Seances Soc. Biol. Filiales
Associees 133 [1940].
4 M. A. van H e r w e r d e n, 17ber die Nuclease-
wirkung auf tierische Zellen. Arch. Zellforschg. 10
[1913] ; Uber die Nuclease als Reagens auf die Nu-
cleinsaureverbindungen der Zelle. Anat. Anz. 47 [1914].
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296 A. NOLTE
bestehen. Nach der heutigen Auffassung konntn aber
diese Ergebnisse von van H e r w e r d e n nicht als
Kriterium gewertet werden, da es rich bei der
Nuclease aus 'der Milz wohl um ein Fermentgemisch
gehandelt hat. Erst die Versuche von Brachet mit
einer spezifischen Nuclease, der Ribonuclease aus
Rinderpankreas, ermoglichen uns einen einfachen and
exakten histochemischen Nachweis der Ribonucleotide
des Cytoplasmas. Dieses Ferment zeichnet sich durch
eine Beschrankung seiner Wirkung nur auf die Ribo-
nucleinsauren aus. Weder die Thymonucleinsaure,
noch die Eiweillstoffe, noch die Glykoproteide wer-
den angegriffen. Wichtig ist ferner, dall die Wirkung
der kristallisierten Ribonuclease auf die Hefenuclein-
sauren durch biochemische Untersuchungen weit-
gehend geklart wurde (Fischer, Schramm5).
Es erfolgt dabei ein Abbau der Polynucleotide his zu
Mononucleotiden and damit eine Vermehrung der
freien Saureaquivalente, and zwar entsteht auf vier
der vorhandenen Aciditaten eine neue.
B r ache t verglich die Wirkung seiner aus Rin-
derpankreas gewonnenen Ribonuclease mit der Wir-
kung- der kristallisierten Ribonuclease and erzielte
bei seinen Untersuchungen an -Gewebestiickchen oder
Paraffinschnitten mit beiden die gleichen Ergebnisse.
Nach der Behandlung mit Ribonuclease bei 651 his
70 ? zeigen die basophilen Strukturen des Plasmas
keine Affinitat zu basischen Farbstoffen mehr. Dieses
Verschwinden der Affinitat zu basischen Farbstoffen
nach der Fermenteinwirkung gilt nach Brachet als
Kriterium fur das Vorhandensein von Ribonucleoti-
den. Bracket selbst beschrieb die Wirkung des Fer-
mentes mit folgenden Worten: ?La rbonuclease n'a
done provoque aucune attaque des proteines, elle a
simplement fait disparaitre leur basophilie."
Wahrend nun Schramm and Fischer bei ihren bio-
chemischen Untersuchungen der Ribonucleasespal-
tung der Hefenucleinsaure eine Zunahme der Acidita-
ten feststellen konnten, fand Brachet, dal3 die von
ih,m untersuchten Strukturen and Gewebe ihre starke
Aciditat, die sich in ihrer Affinitat zu basischen Farb-
stoffen zeigte, nach der Fermenteinwirkung verloren
haben. Es ist selbstverstandlich, dali die an Geweben
oder Paraffinschnitten durchgefiihrten Fermentver-
suche viel zu komplexer Art sind, als dal3 man sick
schon jetzt exakte Vorstellungen von den hervor-
gerufenen Veranderungen machen konnte. Ziehen wir
aber in Erwagung, dall B r ache t 6 feststellen konnte,
dal3 sich nach der Einwirkung von Ribonuclease auf
Organisator-Implantate in der gebrauchten Ferment-
losung im grollen tiberflull ldsliche Derivate der
Ribonucleinsaure befanden, so konnte man vermuten,
F. G. F i s c h e r, Zum enzymatischen Abbau and
zur Struktur der Nucleinsauren. Naturwiss. 1942, 377
-408; G.Schramm, G.Bergold u. H.Flain-
in e r s f e l d, Zur Konstitution der Hefenucleinsaure.
Z.Naturforschg. 1, 328 [1946].
6 J. B r a c h e t, Embryologie chimique [1944].
A. P i s c h i n g e r, Die Lage des isoelektrischen
Punktes histologischer Elemente als Ursache ihrer
verschiedenen Farbbarkeit. Z. wiss. Biol., Abt. 13, Z.
Zeliforschg. 3, 169-197 [1926].
dad die die Basophilie hervorrufende Ribonuclein-
saure durch das Ferment gespalten wird (vielleicht
his zu Mononucleotiden) and die entstehenden Teil-
produkte mehr oder weniger in Losung gehen. Auf
diese Weise konnte man sich das Verschwinden der
Basophilie erklaren. Andererseits ware es denkbar,
dab die freienSauregruppen innermolekular verestert
werden and so das Verschwinden der Basophilie her-
vorrufen. Fur die vorlie~enden Untersuchungen war
die Entscheidung dieser Frage von keiner wesent-
lichen Bedeutung. Wichtig ist lediglich, data die Ribo-
nuclease eine spezifische Wirkung nur auf die Ribo-
nucleotide austibt.
Meine Aufgabe war as, diese histochemischen Er-
gebnisse von Brachet in Einklang zu bringen mit
den mehr physikalisch gerichteten Untersuchungen
von Pischinger7, Zeiger8 and Riese fiber
das Ladungsmosaik von Geweben and mit der polari-
sationsoptischen Methode. Insbesondere war die Rich-
tigkeit der Protoplasmahysteresis fur den Verhor-
nungsvorgang mit den Methoden von Brachet and
Pischinger zu ilberpriifen.
Die Untersuchungen warden auf Anregung and
tinter Anleitung meines hochverehrten Lehrers, Ilrn.
Prof. Dr. E. R i e s, durchgefuhrt, der leider im Fe-
bruar 1944 gefallen ist. Ich werde seiner stets in
Dankbarkeit gedenken.
1. Material and Technik
Fur die vorliegenden Untersuchungen warden Dru-
senzellen, nervose Gewebe and verhornendes Epithel
bendtigt. Ich wahlte zu diesem Zwecke Pankreas and
Ruckenmark der weillen Maus and als verhornendes
Epithel Menschen-Zehenhaut, die mir freundlicher-
weise vom Anatomischen Institut der Universitat
Munster zur Verfugung gestellt wurde.
Als Fixierungsmittel wurde stets 96-proz. Alkohol
angewandt, um eine moglichst geringe Verschiebung
des isoelektrischen Punktes (I.E.P.) der Gewebs-
eiweillstoffe zu erhalten. Die Einbettung erfolgte
caber Xylol bzw. Benzol in Paraffin, mit Ausnahme
der Zehenhaut, deren Sprddigkeit durch eine Be-
handlung mit Methylbenzoat-Celloidin herabgesetzt
wurde.
Die Bestimmung des I.E.P. wurde mit der von
P i s c h i n g"e r ausgearbeiteten Methode mit acidime-
trisch abgestuften Losungen eines nicht umladbaren,
hochdispersen, sauaen and basischen Farbstoffes
(Schering-Kahlbaum-Losungen, Citrat- and Phosphat-
gemische) durchgefuhrt. Als Farbstoffe dienten das
basische Methylenblau and das satire Kristallponceau
in einer Verdiinnung von 1:20000. Zur Fixierung
der Methylenblau-Farbung verwandte ich eine 1-proz.
Ammoniummolyb dat-Losung.
8 K. Z e i g e r, Das Ladungsmosaik der Epidermis.
Z. Zellforschg. 23, 431-441 [1936].
9 E. R i e s, Zur Histophysiologie des Mausepankreas
nach Lebendbeobachtung, Vitalfarbung and Stufen-
untersuchung. Z. Zellforschg. 22, 523-585 [1935].
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A. Nolte; Untersuchungen fiber basophile Plusuiastruleturen
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Abb. 1.
a) Verhornende Epidermis der menschlichen Zehe. b) Verhornende Epidermis der menschlichen Zehe
Methylgrtin-Pyronin-Farbung. nach 1/4-std. Behandlung mit Ribonuclease. Methylgriin-
Vergr. 110/1. Pyronin-Farbung.
Abb. 2. Verhornende Epidermis der menschlichen Zehe,
1/4 Min. mit Ribonuclease (1 : 1000 verdtinnt) bohandelt.
Methylgriin-Pyronin-Farbung.
Verge. 90/1.
Abb. 3. Ausschnitt aus Abb. 2, stark vergrofiert.
Vergr. 520/1.
Zeitschrift f" IA `i'&md"I or`R I4a&d 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
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a) Ergastoplasma in den Zellen des Pankreas
der weiilen Maus. Methylgriin-Pyronin-Farbung.
Vergr. 520/1.
b) Pankreaszellen nach 1/,-std. Behandlung mit
Ribonuclease. Methylgriin-Pyronin-Farbung.
Vergr. 520/1.
Abb. 5.
a) NiBI-Schollen in den Nervenzellen des Rucken- b) Nervenzellen des Ruckenmarks der weillen Maus
marks der weillen Maus. Methylgrun-Pyronin-Farbung. nach 1/4-std. Behandlung mit Ribonuclease. Methyl-
Vergr. 520/1. griin-Pyronin-Farbung.
Zeitschrift fiir Naturforschun 2b, Seite 296b
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M. Vogt, Verhalten transplantierter Rinydrasen ?letaler"? Drosophila-Larven (Seite 292)
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Abb. I a. Schnitt durch eine transplantierte heterozy-
gote Cy-Ringdruse, Wirt weille Puppe. Vergr.500/1.
b. Schnitt durch eine transplantierte lgl-Ringdruse,
Wirt weille Puppe. Vergr.500/1.
c. Schnitt durch eine 72-stdg. mannliche mellsim-
Ringdriise. Vergr. 500/1.
d. Schnitt durch eine 72-stdg. weibliche mel/sim-Ring-
drtise. Vergr. 500/1.
e. Schnitt durch eine transplantierte mannliche mel/sim-
Ringdriise. Spenderlarve zur Zeit der Verpflanzung
38-40 Stdn. alt, Wirt zur Zeit der Sektion weide Puppe.
Vergr. 500/1.
f. Schnitt durch eine transplantierte weibliche mel/sim-
Ringdrtise. Wirt weif e Puppe. Vergr. 500/1.
g. Schnitt durch. eine transplantierte mannliche mel/sim-
Ringdrtise. Spenderlarve zur Zeit der Verpflanzung
62-64 Stdn. Wirt zur Zeit der Sektion weille Puppe.
Vergr. 500/1.
h u. i. Zwei Nachbarschnitte durch eine transplan-
tierte mannliche mel/sim-Ringdrtise. Spenderlarve zur
Zeit der Verpflanzung 24 Stdn. alt. Wirt zur Zeit der
Sektion 0 - 6 - Stdn. -Imago . In Pfeilhohe degenerie-
rende Hz. Vergr. 500/1.
u. k. Zwei Nachbarschnitte durch eine transplan-
tierto mannliche mel/sim-Ringdruse. Spenderlarve zur
Zeit der Transplantation 24 Stdn. alt, Wirt zur Zeit der
Sektion 3 Tage alte Imago. Vergr. 500/1.
Abkiirzungen: C.a. = Corpus allatum; Hz = Hauptzel-
len; C.c. = Corpora cardiaca.
Zeitschrift fiir Naturforschung 2 b, Seite 296c
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Alb. 2 a u. b. Schnitt durch eine Hirnhemisphare so-
wie eino Augenscheibe (Au) eines mannlichen mel/sirrn-
Implantats, dessen zugehorige Ringdrtise in Abb. 1 g
wiedergegeben ist. In Rohe der Pfeile degenerierende
Zellen. Vergr. a 300/1, b 500/1.
c. Schnitt durch nine Hirnhemisphare sowie eineAugen-
scheibe (Au) eines woiblichen mel/sim-Implantats. Wirt
zur Zeit der Sektion wei[3e Puppe. Bh=Bildungsherde.
Vergr. 300/1. Vergl. mit Abb. 2 a.
d it. e. Zwei Nachbarschnitte durch cine transplantierte
1.y1-Ringdruse. Wirt zur Zeit der Sektion 0-6 Stdn. alto
Imago. In Pfeilhohe degenerierende Hz. Vergr. 500/1.
f. Schnitt clinch eine transplantierte lgl-Ringdruse. Wirt
zur Zeit der Sektion 0-1 Stdn. alto Imago. Gut er-
haltene Corpora-cardiaca-Zellen. Vergr.500/1.
g u. h. Zwei Schnitto durch zwei ?adulte" lgl-Corpora
allata, in g Wirt 2 Tage alto Imago, in h 3 Tage alto
Imago. Vergr. 500/1.
i. Schnitt durch ein transplantiertes ,adultes" Corpus
allatum einer weiblichen mel/sim-Larve. Wirt 2Tage alto
Imago. Vergl. mit g u. li sowie mit Abb. 1 j. Vergr. 500/1.
j. Schnitt lurch eine zweimal verpflanzte ?adulte" 1q1-
Ringdrtise; die zweite Verpflanzung erfolgte aus der
2 Tage alten Cy-Imago in ein allatectomiertes hydei-
V"eibehen. Sektion 3 .Cage nach zweiter Ubertragung.
Vergr. 500/1.
Zeitsebrift fiir Naturforschung 2b. Seite 296d
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UNTERSUCHUNGEN BASOPHILER PLASMASTRUKTUREN 297
Die polarisationsoptischen Untersuchungen wurden
entsprechend den Angaben von Ries 10, nach vor-
heriger Behandlung der Gewebe mit acidimetrisch ab-
gestuften Losungen, mit Hilfe des Bernauer Polari-
sationsfilters von ZeiB durchgefi hrt.
Fur die Losungsversuche mit Ribonuclease stellte
ich die Fermentlosung nach den Angaben von Brachet
folgendermalen her: Rinderpankreas wurde fein zer-
kleinert and 24 Stdn. bei 37 ? mit 1-2 Vol. Essigsaure
(0,1-n.) behandelt. Dann wurde 10 Min. gekocht (Ribo-
nuclease ist nach Jones11 und B r a c h e t im Gegen-
satz zu fast allen anderen Fermenten, deren Wirkung
beim Erhitzen vernichtet wird, kochbestandig), fil-
triert, das Filtrat neutralisiert and nochmals filtriert.
Daraufhin wurde die Losung dialysiert and der sich
bildende Niederschlag durch Zentrifugieren entfernt.
Die Schnitte wurden von Paraffin befreit, die Alko-
holstufen kurz hinuntergefiihrt and verschieden lange
Zeit (5 Min. bis 2 Stdn.) bei 65 ? bis 70 ? in die Ribo-
nucleaselosung gestellt. Zur Kontrolle wurden Schnitte
gleich lange Zeit bei derselben Temperatur in destil-
liertes Wasser gebracht.
Samtliche Mikrophotographien wurden mit dem
Panphot (Leitz) unter Anwendung eines Griinfilters
angefertigt.
2. Verhornende Epidermis
Von ganz besonderer Bedeutung waren die
Untersuchungen des Verhornungsprozesses der
Epithelien fur eine der wesentlichsten neueren
Alterstheorien, ni mlich fur R u z i c k a s Proto-
plasmahysteresis. Ruzicka and seine Schule 1'2
fUhren das Altern von Zellen and Geweben auf
kolloidchemische Zustandsanderungen des Proto-
plasmas zuriick. Wie manche Kolloide sich mit
der Zeit verandern (Synarese), so soil sich auch
die Substanz des lebenden Organismus vom Be-
ginn der Entwicklung his zum Tode kontinuier-
lich verdichten. Diese Verdichtung infolge von
Wasserverlust soil aufLadungsschwund berv-hen.
Nach Ruzicka sinkt im Laufe der Entwicklung
and des individuellen Lebens die H-Ionenkon-
zentration in den Korpersaften wie auch in den
Zellen stetig, d. h. die Ladung der Korpersub-
stanz nahert sich immer mehr dem Neutralpunkt.
Er sieht in der Histogenese der Oberhaut des
Molches - also in einem Verhornungsprozel -
einen klassischen Beleg fur seine Theorie.
10 E. R i e s, Der submikroskopische Ban der Pan-
kreaszelle. Z. Zellforschg. mikroskop. Anat. 1940,
456-466.
11 W. J ones , Amer. J. Physiol. 52, 203 [1920].
12 VI. R u z i c k a, Beitrage zum Studium der
Protoplasmahysteresis. (Zur Kausalitat des Alterns.)
Roux'Arch. 101, 459-482 [1924]; 116, 104-122 [1929].
Z e i g e r 13 glaubte durch seine histologischen
Untersuchungen fiber die Verhornung von Epi-
thelien die Theorie der Protoplasmahysteresis be-
statigen zu konnen. Er bestimmte durch Reihen-
versuche mit acidimetrisch abgestuften Losungen
je eines nicht umladbaren basischen and sauren
Farbstoffes (Methode Pischinger) das Ladungs-
mosaik der Epidermiszellen. Gleichzeitig ermit-
telte er die Strukturdichte der verschiedenen Zell-
schichten, vor allem mit der Heidenhainschen
Eisenhamatoxylinfarbung. Er kam zu folgendem
Ergebnis: ,Bei allen geschichteten Plattenepithe-
lien verschieben sich die Umladungsbereiche in
der Richtung von der Epiihelbasis bis zur Ober-
flache von weit in saurem Gebiet gelegenen Wer-
ten nach dem Neutralpunkt zu." Parallel zu die-
sem Befund konnte er eine Zunahme der Struk-
turdichte in den oberflachlichen Schichten des
Epithels feststellen. Er schlol aus diesen Ergeb-
nissen, daB es bei der Differenzierung and Alte-
rung von Zellen in mehrschichtigen Epithelien als
Folge der Protoplasmahysteresis zu einer fort-
schreitenden Synarese der Zellkolloide komme.
Eigene Untersuchungen: Es war zu
erwarten, dali die typisehe Basophilie der ver-
hornenden Epidermis auf einem Gehalt an Ribo-
nucleotiden beruhen mull. Ich fuhrte im Som-
mer 1941 die Fermentlosungsversuche nach Bra-
chet durch and konnte feststellen, daB nach einer
1-,std. Einwirkung' der Ribonuclease bei 65 ? bis
70 ? die Affinitat zu basischen 'Farbstoffen ver-
loren gegangen war. Die Schnitte lielen sich nicht
rnehr mit Pyronin anfarben (Abb.1). Zu dem
gleichen Ergebnis gelangte spater auch B r a -
chet14.
Um das Verschwinden der Basophilie naher zu
erfassen, fuhrte ich Farbungen mit acidimetrisch
abgestuften Farblosungen durch. (Naheres fiber
these Methode von Pischinger bei Zeiger 15.) Vor
der Behandlung mit Ribonuclease stellte ich als
Umladungsbereiche (I.E.P.) des Cytoplasmas der
verschiedenen Zell-Lagen - kenntlich an dem
sprunghaften Riickgang der Farbungsintensitat -
gleichmaBig in den verschiedenen Zellschichten
13 K. Zeiger, s.Anm.s.
14 J. B r a c h e t, La localisation des acides pen-
tosenucleiques dans les tissues animaux et les oeufs
d'amphibiens en voie de dSveloppement. Arch. de Biol.
207 [1942].
15 K. Z e i g e r, Der Einflul von Fixationsmitteln
auf die Farbbarkeit histologischer Elemente. Z. Zell-
forschg. 10 [1930].
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
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A. NOLTE
folgende Werte fest (Fixierung in 96-proz. Alko-
hol) : Basale Zellschicht pH 2,9
Stachelzellen pH 3,4
Obere Zellschicht pH 3,9.
Die trbergange zwischen den einzelnen Zell-
schichten sind nicht Scharf, sondern flieLend. Es
verschiebt sich also der isoelektrische Bereich des
basophilen Plasmas vom Stratum germinativum
bis zur Oberflache langsam von pH 2,9 in Rich-
tung des Neutralpunktes and zwar um 1 pH-Ein-
heit.
Ahnliche Verschiebungen hatte Z e i g e r bei
den verschiedensten Plattenepithelien beschrieben,
z. B. dem Zahnfleisch (Hutaffe), der Hornhaut
(Kaninchen), dem Harten Gaumen (Hutaffe), der
Speiserohre (Pferd).
Nach einer 1/4-std. Behandlung der mit Alkohol
fixierten Schnitte mit Ribonuclease bei 65 ? his
bis 70' wurde ebenfalls die I.E.P.-Bestimmung
nach Pischinger durchgefiihrt. Die einzelnen
Schichten der Epidermis zeigten nun kein La-
dungsmosaik mehr. Es scheint also ein Zusam-
menhang zu bestehen zwischen den Ribonucleoti-
den in der verhornenden Epidermis and dem
Ladungsschwund. Sind nun die Ribonucleotide
gleichmafig in den verschiedenen Zellschichten
verteilt? Um diese Frage zu beantworten, wur-
den Verdiinnungen der Fermentlosung his zu
1:1000 hergestellt and die Einwirkungszeit his
auf 1/4 Min. abgekiirzt. Die Abb. 2 zeigt einen
Schnitt, der 1/4 Min. der auf 1: 1000 verdiinnten
Fermentlosung ausgesetzt war. Das Plasma der
unteren Zellschichten ist noch schwach mit Pyro-
nin angefarbt, wahrend das Plasma der oberen
Zell-Lagers farblos erscheint. Noch deutlicher ist
diese Abnahme der Anfarbbarkeit mit Pyronin
auf einem vergrolerten Ausschnitt dieses Schnit-
epithelien nachweisen konnte, auf die Abnahme
der Ribonucleotide von der Keimschicht zur Horn-
schicht and die damit verbundene Abnahme der
Basophilie zuriickzuftihren ist.
Z e i g e r glaubte aus dem Ladungsriickgang
der Substrate and der zunehmenden Starke der
Doppelbrechung schlieBen zu konnen, dal mit
fortschreitender Alterung der Zellen als spezi-
fische Koiidensationsprodukte der Plasmahystere-
sis ureter Wasserabgabe and Schrumpfung immer
mehr and mehr stabchenformige Mikrone ent-
stehen. Er nimmt an, daB Beim Aneinanderlagern
der stabchenformigen Proteinmicellen durch die
Riickkehr von dissoziierten lonen in das Gitter
des Molekiilgefiiges geladene Teilchen verschwin-
den. Statt dieser Annahmen and Vermutungen
Zeigers konnte durch die' vorliegenden Unter-
suchungen der Ladungsschwund exakt auf die
Abnahme der Ribonucleotide in .den einzelnen
Zellschichten zurtickgefiihrt werden. Die Tat-
sache, dal die Ribonucleotide am starksten in der
Keimschicht auftreten, laBt sich durch ihre Be-
deutung ftir die EiweiB-Synthese erklaren. C a s -
p e r s s o n and B r a c h e t'7 fanden Ribonucleo-
tide im Plasma stets dort, wo eine rasche Zellver-
mehrung and vor allem eine EiweiBproduktion
stattfindet. Beide Forderungen sind bei unserem
Untersuchungsobjekt erfiillt, sowohl die rasche
Zellvermehrung in der Keimschicht als auch die
starke Produktion von Proteineil als Grundlage
fur die Keratinbildung.
Es zeigt sich also, daB der Ladungsschwund in
verhornenden Epithelien zunachst nichts mit einer
Synarese der Zellkolloide zu tun hat, wie es
Zeiger annimmt. Er ist vielmehr durch die Ab-
nahme der Ribonucleotide bedingt, die ihrerseits
bei der Synthese der Eiweile mitwirken. An die-
sen Eiweilen kann sick d
t di
A
ann ers
e
lterung
tes zu sehen (Abb. 3). Die geringe Enzymmenge der Zellkolloide vollziehen.
reichte bei der stark abgekiirzten Einwirkungszeit Auffallend ist es, dall nach Z e i g e r die trber-
nicht aus, um die grOBeren Mengen von Ribo- gangsepithelien keinen Unterschied der Ladungs-
nucleotiden in der untersten Zellschicht zu spal- aquivalente basaler and oberflachlicher Elemente
ten. S c h r a m m 16 stellte ebenfalls fest, daB mit zeigen, wohl aber eine zunehmende Verdichtung
geringer Enzymmenge die Spaltung der Hefe- der Strukturen. Er versuchte diese Abweichung
nucleinsauren sehr unvollstandig ist. durch die mehr oder weniger ausgepragte, mehr-
Da die Ribonucleotide iiberall dort, wo sie vor- reihige Anordnung von Elementen der Basal- and
kommen, eine starke Basophilie bedingen, ist der Zwischenzone zu erklaren. Dadurch seien
wohl beim vorliegenden Versuchsobjekt der 17 Schluf gerechtfertigt, daB die Verschiebung der umsatz T. der C a s p Zelle. e r N s s o n , aturwiss.2 299, , 33 S 33 [1941]; 4J J. BBraEich h et,
.
Umladungsbereiche, die Zeiger bei alien Platten- La localisation des acides pentosenucleiques pendant
16 le developpement des amphibiens. C.R. Seances Soc.
s. Anm. Biol. Filiales Associees 133 [1940].
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
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UNTERSUCHUNGEN BASOPHILER PLASMASTRUKTUREN 299
mehr Zellen unmittelbar mit der gefaBnahen Basis
des Epithels in Verbindung als beim Plattenepi-
thel. Die Protoplasmahysteresis wird namlich
nach Ruzicka durch das Abriicken der Zellen
von ihrer Ernahrungsbasis beschleunigt. Fiir die-
ses unstimmige Verhalten von Platten- and Vber-
gangsepithel laBt sich jetzt, da wir annehmen
miissen, dal der so auffallige Ladungsschwund,
der sich each Zeiger am deutlichsten bei stark
verhornenden Epithelien zeigt, auf einer Ab-
nahme der Ribonucleotide von der Ba.salschicht
zur Hornschicht hin beruht, eine einfachere Er-
klarung linden. Der Ladungsschwund fehlt nam-
lich tiberall dort, wo keine groBere Eiweiu-Syn-
these stattfindet, so bei dem von Zeiger unter-
suchten Harnleiter-Epithel vom Kaninchen, bei
dem mehrreihigen Zylinderepithel vom Mittelteil
der Pars cavernosa urethrae des Menschen and
dem zweireihigen Epithel aus dem Nebenhoden-
gang von Hund, Maus and Meerschweinchen. In
alien diesen Fallen fehlen vermutlich grouere
Konzentrationen von Ribonucleotiden, da keine
besondere Eiweilproduktion wie bei der Bildung
von Keratinen vorliegt. Zeiger konnte sowohl
bei den Plattenepithelien als auch bei den t7ber-
gangsepithelien eine Verdichtung des Plasmas
feststellen, also eine Plasmahysteresis. Es ist also
unsere Annahme berechtigt, dal der Ladungs-
schwund bei verhornenden Epithelien primdr
nichts mit einer Protoplasmahysteresis zu tun hat.
3. Ergastoplasma
Als zweites Objekt zur Untersuchung von baso-
philen Strukturen des Plasmas wahlte ich das
Ergastoplasma des Pankreas der weiuen Maus.
Als Ergastoplasma wird eine Plasmazone bezeich-
net, die sich vor allem nach Fixierung mit eis-
essig- and sublimathaltigen Flussigkeiten durch
ihre Affinitat zu basischen Farbstoffen auszeich-
net (Jacobs18).
Pankreasschnitte wurden verschieden lange Zeit
(2 Min. bis 2 Stdn.) der Wirkung der Ribonuclease
aus Rinderpankreas ausgesetzt and dann mit Methyl-
griin-Pyronin gefarbt. Nach einer 1/4-std. Einwirkung
der Ribonuclease farbt sich das Ergastoplasma nicht
mehr snit Pyronin (Abb. 4). Zur Kontrolle wurden
Schnitte gleich lange Zeit bei derselben Temperatur
(65? bis 70?) in destilliertes Wasser gebracht and
anschlieuend mit Methylgriin-Pyronin gefarbt. Es
18 W. J a c o b s, Untersuchungen fiber die Cytolo-
gic der Sekretbildung in der Mittel darmdruse von
Astacus lept. Z. Zellforschg. 8, 1-62 [1929].
zeigt sich auger einer sehr geringen Abblassung der
Pyronin-Fdrbung kein Unterschied gegeniiber den
unbehandelten Schnitten.
Nach der Fermentbehandlung tritt die typische
Ergastoplasma-Struktur bei der Anfarbung mit
sauren Farbstoffen wie Lichtgriin wieder deutlich
in Erscheinung. Die vorher basophile Struktur ist
also durch die Einwirkung von Ribonuclease
acidophil geworden. Daraus lalt sich nach Bra-
chet der Schlul ziehen, daB das Ergastoplasma
Ribonucleotide enthalt, die seine Basophilie be-
dingen. Das gleiche Ergebnis veroffentlichte Bra-
chet 1942, and ich mochte es hier lediglich als Be-
statigung noch einmal erwahnen.
Soweit ich die Literatur iibersehen kann, hat
Brachet seine Fermentmethode nicht mit der Me-
thode zur Bestimmung der Umladungsbereiche
nach Pischinger kombiniert. Ich tat es, um den
Wechsel der Affinitat durch die Einwirkung der
Ribonuclease exakt festzulegen. Es zeigte sich,
wie erwartet, eine deutliche Verschiebung des
I.E.P. des Ergastoplasmas gegen den Neutral-
punkt hin :
I.E.P. nach Alkoholfixierung p1I 3-3,4,
I.E.P. nach Alkoholfixierung
and Fermentbehandlung pA 5-6.
Der Bereich der Anfarbung mit sauren Farbstof-
fen ist also deutlich gewachsen.
R i e s 19 gelang es, das Ergastoplasma bei der
polarisationsoptischen Untersuchung doppelbre-
chend zu machen, indem er das unfixierte Gewebe
mit einer Reihe von acidimetrisch abgestuften Lo-
sungen behandelte. Maximal etwa bei pg 1,9 tritt
eine kraftige Doppelbrechung auf. Um die Ein-
wirkung derRibonuclease auf dieDoppelbrechung
des Ergastoplasmas zu tiberpriifen, brachte ich
die mit den gepufferten Losungen vorbehandelten
.Gewebestiickchen 1/4 Stde. bei 65 ? bis 70 ? in die
Fermentlosung and untersuchte sie dann polari-
sationsoptisch. Die Doppelbrechung war nicht
mehr festzustellen. Auch nach einer anschlieBen-
den, erneuten Behandlung der Stiickchen mit ge-
pufferten Losungen lieu sich das Ergastoplasma
nicht wieder doppelbrechend machen. Um sicher-
zugehen, dal dieses Ausbleiben der Doppelbre-
chung auf der Einwirkung des Fermentes be-
ruht, nicht aber auf der Temperatur der Losung,
behandelte ich Gewebestuckchen auf dieselbe
Weise mit destilliertem Wasser. Das polarisa-
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300 UNTERSUCHUNGEN BASOPHILER PLASMASTRUKTUREN
tionsoptische Bild zeigte jedoch wie vorher eine
deutliche Doppelbrechung des Ergastoplasmas.
Wir konnen daraus schlieBen, daB die submikro-
skopischen Bausteine des basophilen Plasmas
durch die Ribonuclease eine Veranderung erfah-
ren haben mussen, die auch dureh die Nachbe-
handlung mit acidimetrisch abgestuften Losungen
nicht reversibel zu machen ist. Wir konnen an-
nehmen, daB Beim Ergastoplasma die Doppelbre-
chung auf einem orientierten Einbau bzw. auf
Absorption von Nucleinsduren (in diesem Falle
Ribonucleinsauren) beruht, ahnlich wie es
S c h m i d t 20 fur den Feinbau der Chromosomen
gefunden hat. Auch dort sind Eiweilmicelle an
Nucleinsauremolekiile angelagert oder salzartig
gebunden.
I.E.P. nach Alkoholfixierung
I.E.P. nach Alkoholfixierung and
4. Erganzende Untersuchungen
Ahnlich wie Beim Ergastoplasma wurden auch
bei den NiBI-Schollen aus den Ganglienzellen des
Ruckenmarks der weiBen Maus Fermentlosungs-
versuche durchgefiihrt, deren Ergebnisse mit den
1942 von Brachet veroffentlichten ubereinstim-
men. Die NiBI-Schollen verlieren nach der Be-
handlung mit Ribonuclease ihre Affinitat zu basi-
schen Farbstoffen (Abb. 5) and zeigen eine starke
Verschiebung des I.E.P. in Richtung auf den
Neutralpunkt.
20 W. J. Schmidt , Die Doppelbrechung von Karyo-
plasma, Cytoplasma and Metaplasma. Monographien
11, Berlin '1937.
Einwirkung der Ribonuclease pH 5.
Ina Laufe der Untersuchungen konnte weiter-
hin gezeigt werden, dal einfache Losungsver-
suche mit Salzen, Sauren oder Basen nicht als
spezifische Reaktionen gewertet werden diirfen.
Als Beispiel soil. ein Versuch mit 10-proz. NaCI-
Losung naher ausgefiihrt werden:
Es wurden kleine Stuckchen Pankreas 12 Stdn. in
96-proz. Alkohol fixiert and dann 12 Stdn. in 10-proz.
NaC1-Ldsung gebracht. AnschlieBend wurden die
Stuckchen entwassert and in Paraffin eingebettet. Die
Schnitte wurden einmal mit Hamalaun-Eosin and zum
anderen mit gepufferten Farblosungen gefarbt. Das
Ergastoplasma war auf den mit Hamalaun-Eosin ge-
farbten Schnitten kaum erkennbar. DaB es aber trotz-
dem nicht herausgelost wurde, zeigen uns die nach
der Methode von Pischinger gefarbten Schnitte. Das
Ergastoplasma ist hier deutlich sichtbar, zeigt jedoch
eine Verschiebung des I.E.P. zum Neutralpunkt hin,
and zwar von PH 3-3,4 nach Alkoholfixierung bis
PH 5,3. Ahnliche Verschiebungen des I.E.P. zeigt das
Ergastoplasma nach Behandlung des Gewebes mit an-
deren Losungen, wie 0,5-proz. HC1, konz. NaCl usw.
Wir sehen also, dal das Ausbleiben der Anfar-
bung nach solchen indifferenten Losungsversu-
chen an der Verschiebung der Ladung der Struk-
turen liegen kann. Wenn man heute iiberhaupt
noch aus derartigen Losungsversuchen Schltisse
ziehen will, so mUBte man sic aber auf jeden
Fall mit der Methode von P i s c h i n g e r kon-
trollieren.
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KOPULATION UND EIPRODUKTION BET SCHMETTERLINGEN
Ober den EinfluB der Kopulation
auf die Eiproduktion and Eiablage von Schmetterlingsweibchen
Von HERBERT BRANDT*
(Z. Naturforschg. 2 b, 301-308 11947]; eingegangen am 24. Marti 1947)
1. Beim Kiefernspanner Bupalus piniarius L. besteht ein gesicherter Unterschied in der
Gesamtzahl der legereifen Eier begatteter- and unbegatteter ~? zugunsten der ersteren.
2. Dieser Unterschied wird mit steigendem Puppendurchmesser, d. h. mit steigender
Korpermasse der ~~, groBer.
3. Auch bei der Mehlmotte Ephestia kuhniella Z e 11 e r besteht in demselben Sinne ein
gesicherter Unterschied in der Gesamtzahl der legereifen Eier befruchteter and un-
befi uchteter W.
4. Dieser Unterschied ist nicht darin begriindet, dal3 durch die bei den befruchteten ??
sehr bald einsetzende Eiablage Platz fur Neubildung von Eiern geschaffen wiirde. Er
steht auch in keinem Zusammenhang mit der Lebensdauer der Imago and unter den ge-
gebenen Umstanden ebenfalls nicht mit der Gesamtentwickluhgsdauer des weiblichen
Tieres.
5. Von den bei der Begattung in das ? ubertragenen mannlichen Geschlechtsprodukten
geht wahrscheinlich eine caber die im weiblichen Organismus liegende Eibildungstendenz
hinausfiihrende zusatzlich fordernde Wirkung auf die Eiproduktion aus.
6. Begattete Kiefernspannerweibchen legen einen hohen, unbegattete einen weitaus
geringeren Prozentsatz ihres Eivorrates bis zum naturlichen Tode ab.
7. Auch der Unterschied in der Eiablage begatteter and unbegatteter Mehlmottenweib-
chen ist sehr groi.
8. Dieser Unterschied steht in keinem Zusammenhange mit der Groue der Eiproduktion
oder der Lebensdauer, sondern ist moglicherweise die Folge einer spezifischen, eine be-.
schleunigte Eiablage in Gang setzenden Wirkung der Kopulation bzw. der bei der Kopu-
lation ubertragenen mannlichen Produkte.
I. Eiproduktion
D le Mitteilungen in der Literatur fiber die An-
zahl der von Schmetterlingsweibchen produ-
zierten Eier geben zwar vnrschiedene Hinweise
auf einen Unterschied in der Eizahl begatteter
and unbegatteter Weibchen, doch fehlt ihnen in-
folge der verhaltnismaBig geringen Menge des
Untersuchungsmaterials, wodurch eine statistische
Auswertung unmoglich wird, die entschiedene Be-
weiskraft. Im folgenden wird caber umfangreichere
Untersuchungen zum angegebenen Thema be-
richtet.
A. Untersuchungen am Kiefern-
spanner Bupalus piniarius L.
Bei friiheren Untersuchungen fiber die gegen-
seitigen Beziehungen von Puppengewicht, Pup-
pengroBe and Eizahl beim Kiefernspannerl stellte
* Z. Zt. (13b) Lailling b. Otzing (Ndb.).
H. Brandt, Puppengewicht,. Puppengrole and
Eizahl beim Kiefernspanner Bupalus piniarius L., Mitt.
Forstwvirtschaft, Forstwissenschaft [1936].
ich die Gesamteizahl, d. h. die Summe der abge-
legten and in den Geschlechtsorganen verbliebe-
nen legereifen Eier, getrennt bei solchen W fest,
die begattet waren and entwicklungsfahige Eier
abgelegt hatted, and bei solchen, die unbegattet
geblieben waren.
Die Schmetterlinge schlupften aus Freilandpuppen
in einem Flugkafig and wurden sofort nach dem
Schlupfen paarweise isoliert, oder es wurde ein frisch-
geschltipftes Y einzeln gehalten, das somit unbegattet
blieb. Das ~ eines isolierten Paares kam nur dann
fur die Auswertung in der Gruppe der begatteten ??
in Frage, wenn aus seinen Eiern Raupchen schliipf-
ten. Die Eiablage erfolgte vbllig normal an den
Nadeln eines beigegebenen Kiefernkurztriebes. Die
Zahlung der Eier, der dbgelegten wie der in den Ge-
schlechtsorganen verbliebenen legereifen, erfolgte
nach dem naturlichen Tode des ?.
Die Zahlenwerte der Eiproduktion sind der
Tab.1 zu entnehmen. Die mittlere Eizahl der be-
gatteten ? betragt 175,4?4,99 Eier, die der unbe-
gattet gebliebenen 140,2 ? 3,53 Eier. Der Unter-
schied ist statistisch gesichert: Diff M / m Diff -
5,76>3.
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H. BRANDT
I
abs.
abs.
0/0
1
0,7
6
3,8
50 100 150 200
13
9,8
24
15,2
32
24,1
54
34,2
41
30,8
64
40,5
30
22,6
10
6,3
250 Bier I n I
E Mier I a
16
12,0
133
100,0
158
100,0
Min. i
296 1 47
I 1 1 1' I
Tab. 1. Gesamteizahl begatteter (A) and unbegatteter (B) Kiefernspannerweibchen.
Grouter
Puppen-
Mittlere Eizahl
Eizahl un-
durch-
begatteter
QQ in /a
messer,
begat-
unbegat-
der Eizahl
be-
unbe-
in mm
teter
teter W
begatteter
gattet
gattet
3,9
86,0
55,4
4,1
80,4
85,4
4,3
110,4
97,5
4,5
152,6
124,5
F
4 7
186,2
152,4
4,9
202,2
161,8
5,1
246,6
184,4
5,3
296
197
6,6
1
Tab. 2. Gesamteizahl begatteter and unbegatteter
Kiefernspannerwe
ibchen, geschliipft aus Puppen ver-
schiedener Grole.
Es sei erwahnt, dal der Unterschied in der Eizahl
begatteter and unbegatteter um so groBer wird, je
groBer der groBte Durchmesser der Puppe, d. h., wie
ich in der erwahnten Arbeit ausfiihrlich dargelegt
babe, je groBer die Eiproduktionsmoglichkeit wird,
die mit der Zunahme des groBten Puppendurchmes-
sers linear. ansteigt. In Tab. 2 'ist angegeben, wieviel
% der'von begatteten W produzierten Anzahl lege-
reifer Eier von unbegatteten, aus Puppen mit dem
gleichen groBten Durchmesser geschliipften ?9 aus-
gebildet wurden. Entsprechend wird der Quotient
Diff M/mDiff als Mall der statistischen Verschieden-
heit der beiden betrachteten Versuchsgruppen mit zu-
nehmendem Puppendurchmesser immer groBer, wie
Tab. 3 zeigt.
B. Untersuchungen an der Mehlmotte
Ephestia kuhniella Zeller
1. Methodisches
Die Versuchstiere gehorten der Wildform an. Sie
stammten in der Hauptsache aus drei Zuchten, ein ge-
ringerer Teil aus weiteren vier. Bei jeder Zucht
waren 250 Jungraupchen in 100 g Weizenschrot ge-
geben, was nach K o h 1 e r 2 in bezug auf Entwick-
lung and Eiproduktion der Schmetterlinge als opti-
mal zu, gelten hat. Die Zuchtschalen hatten einen
Durchmesser von 11,5 cm and eine Hohe von 3,7 cm.
Die Feuchtigkeitsverhaltnisse waren in alien Zuch-
ten gleich. Die gesamte Entwicklung der Tiere his
Grouter
Puppendurch-
messer in mm
Diff M
"nDiff
4,1
4,3
0,41
1,57
` 3
4,5
3,49
4,7
4,9
3,93
4,59
3
5,1
7,38
Tab. 3. Diff M / mDiff Beim Vergleich der Eizahl be-
gatteter and unbegatteter Kiefernspannerweibchen, ge-
schliipft aus Puppen verschiedener GrOBe. (Wegen der
geringen Anzahl der Beobachtungen [vergl. Tab. 2]
ohne die beiden extremen Grofenklassen.)
zum naturlichen Tode der Imagines verlief bei einer
konstanten Temperatur von 20 0 C. Nachdem das erste
Tier geschlupft war, wurden die Zuchten mehrere
Male am Tage kontrolliert and die geschliipften Tiere
wurden jeweils entfernt. Die ?? wurden in kleinen
Glasschalchen isoliert and his zu ihrem natUrlichen
Tode ungestort gehalten. Einige wurden schon in
Kopulation angetroffen; these blieben mit dem a zu-
sammen. Zu anderen wurden ein, gelegentlich zwei
as gesetzt, and die iibrigen blieben ohne SS. Die Ko-
pulation konnte auch bei denjenigen ?? oftmals be-
obachtet werden, zu denen erst nach Entfernung aus
dem ZuchtgefaB ein a` gesetzt war, doch wurde zur
Kontrolle spacer festgestellt, ob aus den abgelegten
Eiern Raupchen schliipften. Es wurden bei der Aus-
wertung einerseits nur solche ?? beriicksichtigt, aus
deren Eiern sich tatsachlich Raupchen entwickelten,
andererseits nur solche, -lie ohne d geblieben waren
and auch keine befruchteten Eier abgelegt hatten. Es
schieden somit die Falle aus, in denen ein ? mit einem
o' zusammen gehalten wurde, es aber zu keiner Ab-
lage befruchteter Eier gekommen war, in denen aber
moglicherweise eine nicht beobachtete Begattung,
wenn auch keine Eibefruchtung eingetreten sein
konnte. Nach dem naturlichen Tode jedes ? wurde die
Zahl der von ihm abgelegten Eier sowie die Zahl der
noch in den Ovarien, den paarigen Ovidukten and
dem Oviductus communis vorhandenen legereifen Eier
festgestellt, die an ihrer GrOBe and ihrer Festigkeit
ohne weiteres von den noch nicht legereifen zu unter-
scheiden sind. Unter der Eizahl eines ? ist im folgen-
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415ROO0700040006-3
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
KOPULATION UND EIPRODUKTION BEI 'SCHMETTERLINGEN 303
50
100
150
200
250
300
350
400
450
500
50
Der
6
nz
Max.
Min.
A
abs.
?/
-
-
4
6
9
4
6
9
4
6
9
7
12
1
14
24
1
7
12
1
6
10
3
7
12
1
2
4
3
3
5,2
58
100
0
317,2
? 116,03
? 15,23
562 78
o
,
,
,
,
,
,
,
,
,
,
B
abs.
?/
-
-
-
-
-
-
-
-
9
30
0
18
0
60
3
10
0
-
-
-
-
-
-
-
-
30
100
0
2900
'
26 30
'
? 4 80
'
356 226
0
,
,
,
,
C
abs.
?/0
2
3,5
6
10,5
5
8,8
12
21,0
27
47,4
5
8,8
-
-
-
-
-
-
57
1
212'3
?
61'35
? 8'12
309 56
D
abs.
0
-
4
10
17
3
227
9
? 37,91
? 6,49
288 142
/0
-
-
11,8
29,4
50,0
8,8
-
-
-
-
1,0
,
A+B
abs.
?/0
-
-
4
4,5
4
4,5
4
4,5
16,0
18,2
32
36,4
1
11,4
6
6,8
7
8,0
2
2,3
3
3,4
88
100,0
308 0
'
? 96 30
'
+ 10 26
? '
562 78
C+D
abs.
o/o
2
2,2
6
6,6
9
9,9
22
24,2
44
48,3
8
8,8
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
9
100,0
218,1
+ 54,30
? 5,69
309 56
Tab. 4. Gesamteizahlen der Mehlmotten-~~ aller Gruppen.
(A: befruchtet; B: befruchtet + lackiert; C: unbefruchtet; D: unbefruchtet + lackiert.)
den die Summe der abgelegten und nach dem Tode
noch in den Geschlechtsorganen und -ausfiihrgangen
befindlichen legereifen Eier zu verstehen.
2. Die Eizahl befruchteter und un-
befruchteter W
58 W, die befruchtete Eier abgelegt hatten -
kurz als ,befruchtete ??" bezeichnet - (Versuchs-
gruppe A), und 57 ,unbefruchtete ??" (Versuchs-
gruppe C) kamen zur Untersuchung. Die Eizah-
len Sind aus Tab. 4 zu entnehmen. Der Mittelwert
der Eizahl der be f ruchteten W ist 317,2 ? 15,23 Eier,
der der unbefruchteten 212,3 ? 8,12 Eier. Der Unter-
schied ist statistisch gesichert: Diff M/mDiff =
6,08 > 3.
3. Etwaige Mpglichkeiten der Er-
klarung des Unterschiedes in der
Eizahl befruchteter und unbe-
fruchteter W
a) Eizahl und Eiablage
Befruchtete ?? beginnen bald nach Beendigung
der Kopulation mit der Eiablage, wahrend unbe-
fruchtete ihre Eier entweder iiberhaupt nicht oder
nur zum geringen Tell ablegen (vergl. S. 306). In
Tab. 12 ist verzeichnet, wieviel % der legereif ent-
wickelten Eier von den befruchteten und unbe-
fruchteten W abgelegt worden sind. Der Mittel-
wert betragt fur Versuchsgruppe A 82,1 ? 2,76 %,
fur Versuchsgruppe C 13,25 ? 2,30 %. Von den
befruchteten W legten 41,7% 95-100%, von den
unbefruchteten ~ ? hingegen 71,9 % nur 0-5 %
ihrer legereif entwickelten Eier ab.
Der Unterschied in der Eizahl befruchteter und
unbefruchteter ?? konnte nun darauf zuriickzu-
fUhren sein, dal bei den befruchteten / ? durch die
Ablage der Eier fortwahrend Platz f fir deren Neu-
bildung geschaffen wird, bei den unbefruchteten
?? aber die sich in den Geschlechtsorganen ge-
wissermaBen stauenden Eier eine fiber ein gewis-
ses Mali hinausgehendeEibildung verhindern. Um
these Frage zu entscheiden, wurde das Hinterleibs-
ende von insgesamt 30 ?? sofort nach Beendigung
ihrer Kopulation mit Lack bestrichen (Versuchs
gruppe B), zur Kontrolle wurde dasselbe bei ins-
gesamt 34 frischgeschlupften und mit Sicherheit
noch keine Kopulation eingegangenen ?? ausge-
fiihrt (Versuchsgruppe D), wodurch tiberall eine
Eiablage unmoglich gemacht wurde. Diese Mani-
pulation rief keine Schadigung der ?? hervor, wie
schon aus dem Vergleich der Lebensdauer der W
aller Versuchsgruppen hervorgeht (Tab. 6). Die
mittlere Lebensdauer der Gruppe B mit 13,3 ? 2,18
Tagen iibertrifft sogar die der. Gruppe A mit
11,7?2,38 Tagen um ein Geringes (DiffM/mDiff=
3,14>3), wahrend die derGruppeD mit12,6?3,78
Tagen von der der Gruppe C mit 11,6?3;38 Tagen
statistisch nicht verschieden ist (Dill M/mDiff =
0,92 < 3).
Die Eizahlen aller ?? der Versuchsgruppen U
und D sind ebenfalls in Tab. 4 verzeichnet. Der
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
304 H. BRANDT
Vergleich
DiffM
Die Mittelwerte
der Versuchs-
3
der Eizahlen
gruppen
"tDiff
sind statistisch:
A-B
1,70
< 3
gleich
A-C
6,08
> 3
verschieden
A-D
5,39
> 3
verschieden
B-C
8,23
> 3
verschieden
B-D
7,69
> 3
verschieden
C-D
1,63
< 3
gleich
Tab. 5. Vergleich der Mittelwerte der Eizahlen aller
Versuchsgruppen (Mehlmotte). (A: befruchtet; B: be-
fruchtet + lackiert; C: unbefruchtet; D: unbefruch-
tet + lackiert.)
5
7
1 9
111
13
15
17
19Tg.
I
100
1
1
1
1
4
150
1
3
4
200
2
2
4
250
1
1
1
4
4
3
1
1
16
300
1
4
10
10
4
3
32
350
3
4
2
1
10
400
3
2
1
6
450
2
3
2
7
500
1
1
2
550
2
1
3
Eier
1
3
9
29
26
14 1
5
1 I
88 I
Mittelwert der Gruppe B ist mit 290,0?4,80 Eiern
nicht von dem der Gruppe A mit 317,2 ? 15,23 Eiern
verschieden: DiffM / mDiff -1,70 < 3. Dasselbe
gilt fur die Gruppe D mit M = 227,9 ? 6,49 Eier im
Vergleich mit der Gruppe C mit M - 212,3 ? 8,12
Eier: DiffM / mDiff -1,63 < 3. Hingegen sind die
mittleren Eizahlen der beiden befruchteten ??-
Gruppen von jeder der beiden unbefruchteten W-
Gruppen C and D statistisch gesichert verschie-
den (Tab. 5). Es ergibt sich also, da/1 die Eiab-
lage auf die Neubildung von Eiern ohne Ein-
flu/3 ist.
Die Gruppen A and B einerseits, C and D an-
dererseits konnen, da in den Eizahlen kein Unter-
schied festzustellen ist, vereinigt werden, wie das
im Folgenden unter b) and c) geschehen ist. Die
Eizahlen aller befruchteten and unbefruchteten
sind der Tab. 4 zu entnehmen. Der Unterschied
zwischen den Mittelwerten 308,0 ? 10,26 Eier (be-
r = + 0,26 ? 0,100.
Tab. 7. Lebensdauer and Eizahl bei befruchteten Mehi-
motten-?9 (A + B).
fruchtete W) and 218,1 ? 5,69 Eier (unbefruch-
tete Y?) ist wiederum statistisch gesichert:
DiffM / -Diff = 7,66> 3.
b) Eizahl and Lebensdauer des
Schmetterlings
Zwischen der Lebensdauer aller befruchteten
?? (M -12,2 ? 2,44 Tage) and aller unbefruchte-
ten (M = 12,0 ? 3,45 Tage) besteht kein Unter-
schied: DiffM /'66 Diff = 0,45 < 3 (Tab. 6)., Der
Unterschied in der Eizahl der befruchteten and
unbefruchteten Y? ist also nicht auf einen Unter-
schied in der Lebensdauer beider Gruppen zu-
riickzufiihren. Es besteht bei der Mehlmotte iibri-
gens iiberhaupt keineKorrelation zwischenEizahl
and Lebensdauer: bei den befruchteten W ist der
3
5
7
9
11
13
15
17
Tag,
n
I TM,
a
m
Max.
Min.
A
abs.
?/0
-
-
1
1,7
3
5,2
8
13,8
21
36,2
15
25,9
8
13,8
2
3,4
--
-
58
100,0
11,7
? 2,38
? 0,31
17,5
4,5
B
abs.
?/o
-
-
-
-
-
-
1
3,3
8
26,7
11
36,7
6
20,0
3
10,0
1
3,3
30
100,0
13,3
? 2,18
? 0,40
18,5
9,5
abs.
?/0
-
-
1
1,8
6
10,5
16
28,1
12
21,1
6
10,5
8
14,0
6
10,5
2
3,5
57
100,0
11,6
? 3,38
? 0,45
18,5
5,5
D
abs.
?/0
1
2,9
-
-
3
8,8
4
11,8
5
14,7
7
20,6
9
26,5
4
11,8
1
2,9
34
100,0
12,6
?3 78
? 0
>65
18,0
3,6
A+B
abs.
?/0
-
-
1
1,1
3
3,4
9
10,2
29
33,0
26
29,5
14
15,9
5
5,7
1
1,1
88
99,9
12,2
? 2,44
? 0,26
18,5
4,5
C+D
abs.
0/
1
1,1
1
1,1
9
9,9
20
22,0
17
18,7
14,3
13
17
18,7
10
11,0
3
3,3
91
100,1
12,0
? 3,45
?0,36
18,5
3,5
Tab. 6. Lebensdauer der Mehlmotten-W aller Gruppen.
(A: befruchtet; B: befruchtet + lackiert; C: unbefruchtet; D: unbefruchtet + lackiert.)
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
Approved For Release 200?/08/14 : CIA-RDP83-00415R000700040006-3
KOPULATION UND EIPRODUKTION BEI SCHMETTERLINGEN 305
1'! 3 5 7 9
11 13 115 17
19 21
29 n M o m flax. Min,
23 25 27 11
rage 'Tage ! Tg. Tg.
be attet
g
abs.
10,
2
1,5
7
5,3
8 10 23 23
6,0 7,5!17,3 17,3
18
13,5
I
115
12,8111,3!
8 ;2
6,0
j
- - -i - 133 111,5?4,20 ?0,36
- 100,0
21 1
unbegattet
abs.
o
-
21
13 1
125, 22 17 10
15 6 13 7110 763
~ 7
17 i
107'
13 8
90 51
9 5
, ~
57 32
3
1911251000109;?657?052
28 2
Tab. 8. Lebensdauer der Kiefernspanner-?Q.
Versuchs-
Aus den cinzelnen Zuchten gesehlilpft als
gruppe
1.- 10. 11.- 20. 21.- 30. 131.- 40. 141.- 50. 151.- 60. 161. if. 9
A + B
befruchtet
276,4
300,4
348,4
339,8
306,1
322,3
343,2Eier
C + D
unbefruchtet
182,3
209,6
236,9
246,3
230,3
219,8
226,8Eier
Tab. 9. Durchschnittliche Eizahl der nacheinander aus den einzelnen Zuchten geschltipften lfehlmotten-?? in
den Versuchsgruppen.
Korrelationskoeffizient r = + 0,26 ? 0,100, bei den
unbefruchteten W ist r = + 0,11 ? 0,104 (vergl.
Tab. 7 als Beispiel fur die den Berechnungen von
r zugrunde liegenden Korrelationstabellen).Die
Eientwicklung verlauft hier also sehr schnell.
Beim Kiefernspanner besteht zwar eine verhalt-
nismallig deutliche positive Korrelation zwischen
der Lebensdauer and der Produktion legereifer
Eier sowohl bei begatteten W (r = + 0,56 ? 0,059)
wie auch bei unbegatteten (r= + 0,41 ? 0,067).
Danach verlauft hier die Eiproduktion langsamer
als bei der Mehlmotte, wo eine solche Beziehung
nicht festgestellt werden konnte. Andererseits ist
jedoch die Lebensdauer der begatteten mit
11,5 ? 0,36 Tagen von der der unbegatteten mit
10,9 ? 0,52 Tagen (Tab. 8) statistisch nicht ver-
schieden (Diff M/ noDiff = 0,94 < 3), so dali auch
hier der beobachtete Unterschied in der Eiproduk-
tion begatteter and unbegatteter W in keinem Zu-
sammenhang mit der Lebensdauer steht.
c) Eizahl and Entwicklungsdauer
der ??
Wie K oh 1 e r 2 angab, ist die Eizahl derjeni-
gen Mehlmottenweibchen, die aus einer Zucht am
spatesten schliipfen, gegenihber der der friiher ge-
e W. Koh 1 e r , Der Einflull verschiedener Ernah-
rungsgrade auf aullere Korpermerkmale, auf die Ent-
wicklungsgeschwindigkeit, Lebensdauer and Fort-
pflanzungsfahigkeit -von Ephestia kiihniella Z e 11 e r,
Biol. Zbl. 60 ['1940].
schliipften W in Zuchten mit einer Anfangsfutter-
menge von 40 and 20 g auf 250 Raupchen herab-
gesetzt, and zwar wird dieser Unterschied vom
26. bzw. 11. aus einer Zucht geschliipft'en ? nierk-
lich. Bei optimal ernahrten Zuchten (100 and
60 g Anfangsfuttermenge auf- 250 Raupchen) 1st
hingegen these Beobachtung yon ihm nicht ge-
macht worden. Schon danach ist somit auch in
unserem Falle eine derartige Fehlerquelle auszu-
schliellen. Immerhin habe ich noch die meinen
Berechnungen zugrunde liegenden Zahlen in die-
ser Hinsicht gepriift. Zwar sind zufallig T. mit
kiirzerer Entwicklungsdauer in den Gruppen A
and B (befruchtete TT) etwas starker vertreten
als in den Gruppen C and D (unbefruchtete v?),
aber die Betrachtung der Eizahlen lehrt, dal die
durchschnittliche Eizahl der spater geschlUpf-
ten TT nicht geringer ist als die der friiher ge-
schliipften (Tab. 9). Das zufallige (Jberwiegen
der mit kihrzerer Entwicklungsdauer in der
Gruppe der befruchteten ?Y (A + B) ist also hier
bedeutungslos, da unter den gegebenen Bedin-
gungen die Entwicklungsdauer des Mehlmotten-
weibchens keinen Einflu/i auf seine spatere Ei-
produktion hat.
C. Schlullfolgerung
Der Unterschied in der Eizahl befruchteter and
unbefruchteter Y Y ist sowohl bei der Mehlmotte
wie beim Kiefernspanner statistisch gesichert. Er
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
if. B I' \ 1) T
steht, wie nachgewiesen -werden konnte, in keinem
Zusammenhange mit Eiablage, Lebensdauer der
Imago and Gesamtentwicklungsdauer der W. Der
Unterschied kann also nur 0_uf dem beruhen, was
die Gruppen der befruchteten and unbefruchteten
W allein unterscheidet, d. h. auf den mit der Be-
gattung verbundenen Vorgangen. Bei der Begat-
tung werden die Spermien zusammen mit Sekre-
ten aus den Anhangsdriisen der mannlichen Ge-
schlechtsorgane in die weiblichen Geschlechts-
organe iibertragen. Es ist nicht unwahrscheinlich,
dal von den mannlichen Geschlechtsprodukten
innerhalb des weiblichen Organismus eine die
Eibildung befordernde Wirkung ausgeht. Durch
solche Einwirkung wird nattirlich nicht die Eibil-
dung uberha.upt in Gang gesetzt, vielmehr wird
sie voni weiblichen Organismus hereits eingeleitet
and his zu einem gewissen Male, das der Eizahl
nnbefruchteter W entsprechen diirfte, weiterge-
fiihrt. Mit den mannlichen Geschlechtsprodukten
wiirde ein zusatzlicher Anreiz gegeben, der die
Eibildung caber das im weiblichen Organismus
liegende MaB hinaus steigert, and zwar, wie
die Ergebnisse am Kiefernspanner zeigen, desto
mehr; je groBer die im ? fur die Eibildung zur
Verfiigung. stehende Masse, d. h. je groBer der
Durchmesser der Puppe ist, zu deren weitgehen-
der Umarbeitung in legereife Eier die im weib-
lichen Organismus liegende Eibildungstendenz
nicht mehr ausreicht. Bis zum Vorliegen von Er-
gebnissen aus beabsicltigten weiterfuhrenden Im-
plantationsversuchen mull allerdings noch damit
gerechnet werden, dal die nachgewiesene Folge-
erscheinung der Kopulation auch auf nervosem
Wege herbeigefiihrt sein konnte (vergl. unter II C).
Dal vom mannlichen Organismus bzw. von
mannlichen Organprodukten entwicklungsfordern-
de Einfltisse auf das ~ ausgehen, ist schon einmal,
and zwar von G o e t s c h 9 bei der Termite Kalo-
73 W. G o e t s c h, Staatengriindung and Kastenbil-
dung bei Termiten, Naturwiss. 29 [1941].
termes flavicollis, beobachtet worden, bei der Such-
tige Korpersekrete des mannlichen Geschlechts
zur vollstandigen Entwicklung der weiblichen Ge-
schlechtsorgane erforderlich sind. In diesem Zu-
sammenhang sei an einige Befunde beim Men-
schen erinnert, die eine Vergrollerung der Schild-
druse and des Uterus im Gefolge der Kopulation
wahrscheinlich machen.'
II. Eiablage ,
Verschiedentlich ist angegeben worden, daB be-
gattete Schmetterlingsweibchen einen groberen
Teil ihrer legereif entwickelten Eier ablegen als
unbegattete. So teilt E i d m a n n? die in Tab. 10
zusammengestellten Zahlen mit. Unser Material
kann ebenfalls zur Kenntnis eines etwaigen Zu-
sammenhanges zwischen Begattung and Eiablage
beitragen.
Dasychira pudibunda
Lymantria inonaeha
Dendrolimus pini . . . .
Bupalus piniarius . . .
begattet unbegattet
?i? %
Tab. 10. Zahl der abgelegten Eier in %, der legereif
entwickelten bei begatteten and unbegatteten Schmet-
terlingsweibchen (nach E i d m a n n 4).
A. Fesistellungen am Kiefern-
spanner-
Begattete Kiefernspannerweibchen legen his zu
ihrem nattirlichen Tode unter den auf S. 301 ange-
gebenen Bedingungen im Mittel 89,1?1,15% ihres
entwickelten Eivorrates ab, die unbegatteten 9?
hingegen im Mittel nur 38,04 ? 2,46% (Tab. 11).
4 11..E i d m a n n, 3lorphologische and physiologische
Untersuchungen am weiblichen Genitalapparat der
Lepidopteren. II. Physiologischer Teil, Z. angew.
Entomol. 18 [1931].
5
15
25 35 45 55 65
75 85
95%
I n
M Max. Min.
a in
egattet
abs.
0 ~ o
-
-
1
0,8
- 1 3
-0o8 2e3
3 2
2,3 1,5
7
53
14
10,5
102
76,6
133
1001
89,1
100
13,23 1,15 144 ??=33,1
11,6
ibegattet
abs.
39
24
21 9 '16
'
9 11
5
5
19
158
382
100
30
90246
0
?/0
24,7
15,2
133'5,7
']0,1
5,7 7,0
3,2
3,2
12,0
100;1
,
999=5,7
)
8,99=5,1
Tab. 11. Zahl der abgelegten Eier in % der legereif entwickelten bei begatteten and unbegatteten Kiefern-
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
KOPULATION UND EIPRODUKTION BEI SCHMETTERLINGEN 307
5
15 25 35
45
55
65 75
85
95 0/0 M v m Max. Min.
?/o ?/
?
abs.
A 1?/
o
2--
3,4 --
-
-
3
5 2
5
8,6
1 3
5
,2
1
1,7
11
19,0
33 58
56 9 100,0 82,1 ? 21,06 t 2,76
? o 0-0- 100
-86
6,5
C abs.
o
/
43 ; 3 4
5,3 7,0
1
18
1
1,8
2
3,5
2
3,5
1
1
8
-
-
- 57
- 13:
13,2
1 ,2 ?1735?230
100
73,6
0
,
,
184Q=31,6
Tab. 12. Zahl der abgelegten Eier in % der legereif entwickelten bei befruchteten (A) and unbefruchteten
(C) Mehlmottenweibchen.
Da begattete ?4, wie wir sahen, durchschnitt-
lich mehr Eier produzieren als unbegattete, konnte
man annehmen, dall die grolere Eizahl der be-
gatteten Y4 den grolleren Prozentsatz an abge-
legten Eiern herbeiftihrt. Es besteht aber beim
Kiefernspanner keine Korrelation zwischen der
Gesamteizahl and dem Prozentsatz der davon zur
Ablage gekommenen Eier, and zwar weder bei
den begatteten 4? (r= + 0,09 ? 0,86) noch bei den
unbegatteten (r = - 0,06 ? 0,079).
Eine geringe Korrelation (r = + 0,32 ? 0,078)
zwischen Lebensdauer and Eiablage ist hingegen
bei begatteten W insofern zu erkennen, als die
linger lebenden I? einen etwas grolleren Teil des
Eivorrates ablegen als die nach wenigen Tagen
cterbenden, aber bei unbegatteten ?? ist diese Be-
ziehung schon.nicht mehr deutlich (r = + 0,22 ?
0,076). Da im iibrigen die Lebensdauer begatteter
and unbegatteter Kiefernspannerweibchen nicht
verschieden ist (Tab. 8), ist diese Beziehung in
unserem Zusammenhange auger acht zu lassen.
B. Feststellungen an der Mehlmotte
Die Verhaltuisse bei der Mehlmotte liegen iihn-
lich wie beim Kiefernspanner; Auf den gruud-
legenden Unterschied in der Eiablage begatteter
and unbegatteter ?? wurde bereits hingewiesen.
Erstere legen im Mittel 82,1 ? 2,76 % hires Vor-
rates an . entwickelten Eiern ab, letztere nur
13,2 ? 2,30 (Tab. 12).
Was die Beziehungen von Eizahl and Eiablage
angeht, so besteht bei begatteten ?? eine geringe
Korrelation (r = + 0,38 ? 0,113). Diese beruht
aber in erster Linie auf den wenigen ubernormal
produktiven ? and ist bei unbegatteten ?Y
(r= + 0,19 ? 0,087) nicht vorhanden. Sie reicht
keinesfalls aus, um den erwahnten groflen Unter-
schied in der Eiablage zu erklaren.
Zwischen Lebensdauer and Eiablage kann bei
begatteten Mehlmottenweibchen keine Beziehung
festgestellt werden: r = + 0,20 ? 0,081. Bei unbe-
gatteten ?? liegt allerdings eine deutliche Kor-
relation vor: r = + 0,55 ? 0,092. Aber da, wie?
beirn Kiefernspanner, die Lebensdauer begatteter
and unbegatteter ?? der Mehlmotte nicht verschie-
den ist (Tab. 6), kann diese Beziehung fur unsere
Fragestellung ohne Berticksichtigung bleiben.
C. Schluifolgerung
Der frappante Unterschied in der Eiablage be-
gatteter and unbegatteter Schmetterlingsweibchen
hangt, wie nachgewiesen wurde, entweder iiber-
haupt nicht mit der Lebensdauer der Y9 and der
Zahl der von ihnen produzierten Eier zusammen
oder kann doch in seineni Ausmafe keinesfalls
durch eine gelegentlich zu erkennende Beziehung
zwischen den genannten Momenten erklart wer-
den. Es folgt, dali der Unterschied in der Eiablage
durch einen spezifisehen, mit der Begattung wirk-
sam werdenden Faktor hervorgerufen wird. Die
Begattung bzw. die bei der Begattung in den
weiblichen Organismus gelangenden mannlichen
Produkte bewirken also wahrscheinlich nicht nur
eine verstarkte Eibildung, sondern setzen auch
die Eiablage in Gang, die bei Ausbleiben der Be-
gattung erst spat and sparlich erfolgt.
Ein schones Beispiel fiir diesen Einfluil -der Begat-
lung ist bei M a e r c k s ? zu finden. Am 'ersten and
zweiten Lebenstag begattete ?4 des bekreuzten Trau-
benwicklers Polychrosis botrana Schiff. begannen am
dritten odor vierten Tage mit der Eiablage, die sich;
immer geringere Tagesleistungen zeitigend, bis zurn
20. bzw. 24. Lebenstag erstreckte. Ein Weibchen kam
erst '15 Tage nach dem Schliipfen zur Begattung and
begann am 17. Tage, also wiederum zwei Tage da-
nach, mit der Eiablage, die his zu seinem am 32. Tage
erfolgten Tode walirte.
Hier mag noch ein in gewisser Weise analoger
Vorgang bei einem systematisch weit entfernten
5 H. Maercks, Beobachtungen fiber Lebensdauer
and tagliche Eimenge des bekreuzten Traubenwick-
lers Polychrosis botrana Schiff, Anz. Schadlings-
kunde 11 [1.935].
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308 R. KAPLAN
Tiere erwahnt werden, namlich der bei dem Ka-
ninchen beobachtete Eintritt der Ovulation erst
? nach erfolgter Kopulation. Aber gerade diese
analoge Tatsache, die auch nach Begattung mit
einem sterilen a' oder nach elektrischer Reizung
,ohne jegliche Begattung. in Erscheinung treten
kann, Taft vorerst die Moglichkeit offen, dafi in
unserem Falle der die Eiablage befordernde Kopu-
lationseinflnB auch auf ein nervoses Phanomen
zurUckzufiihren. ware, sei es in unmittelbarer
Auswirkung des Kopulationsvorganges oder eher
noch - da die Eiablage erst eine gewisse Zeit
each der Kopulation einsetzt - als reflektorische
Folge des Fiillungszustandes oder der entleeren-
den Bewegungen von Bursa copulatrix oder Re-
ceptaculum seminis. Die vorgesehenen Untersu-
chungen werden such hierin vermutlich weitere
Aufklarung geben.
Spontane Mutabilitat bei Bacterium prodigiosum
Von REINHARD KAPLAN
Aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut fur Zuchtungsforschung, Erwin - B a u r - Institut, Voldagsen
(Z. Naturforschg. 2b, 308-312 [1947] ; eingegangen am 19. Marz 1947)
Die biophysikalische Analyse des Mutationsprozesses ergibt eine Charakterisierung
der Gene in I3insicht auf ihre stoffliche Natur, wahrend die Bastardanalyse lediglich die
Lokalisation dieser ihr im Wesen unbekannt bleibenden Erbfaktoren gestattet. Darum
kann jene Methode such bei nichtkreuzbaren Organismen eine Entscheidung dariiber?
herbeifuhren, ob die fur Erbvariationen verantwortlichen Faktoren dieselbe stoffliche
Natur besitzen wie die Gene der hoheren sexuellen Organismen. Die spontanen Erb-
variationen von Bact. prodigiosum, die ein Umschlagen der Koloniefarbung erzeugen, er-
wiesen sich als nach der Eintrefferfunktion von der Lagerzeit der Zellen abhangig and
ergaben Temperaturquotienten, denen Aktivierungsenergien von etwa 0,6 eV entspre-
chen. `Daraus and aus den Absolutgrolen der Mutationsraten lied sich weiterhin eine an-
scheinend einfache Beziehung zwischen Aktivierungsenergie und -entropie finden, die
such Vermutungen caber die Grollenordnung der beteiligten Genzahl gestattete. Danach
scheint der untersuchte Variationsprozell durch relativ wenige Erbfaktoren (vielleicht
nur einen) zustandezukommen, die den mutablen Genen hoherer Organismen entsprechen.
D le Aufklarung des Mutationsprozesses bei
hoheren Organismen hat uns Moglichkeiten
geliefert, , die Gene direkt durch ihr stoffliches
Wesen (ablesbar an den Besonderheiten der Mu-
tationsentstehung) zu charakterisieren, ohne da-
bei die Lokalisation in den Chromosomen (er-
schlieBbar aus dem Erbgang nach Kreuzung) zu
beriicksichtigen. Sehen wir diese Lage der Gene
im Kern als weniger wesentlich an als ihre spe-
zielle molekulare Struktur, so gibt uns die syste-
matische quantitative Analyse erblicher Varia-
tionen eine Handhabe,-die Frage nach dem Vor-
handensein von Genen such fur solche Organis-
men zu beantworten, die keine Sexualitat (Kopu-
lation and Meiose) besitzen. Fur die Bakterien
sind schon viele Tatsachen fiber Erbvariationen
bekannt, die es aussichtsreich erscheinen lassen,
mit den Methoden der Mutationsforschung diese
Frage anzugehen. Dies erscheint wichtig, weil sie
zum Teil Moglichkeiten der weiteren Aufklarung
des Genbaues bieten konnten, die bei den hohe-
ren Organismen nicht vorhanden sind. Eine Sich-
tung der Literatur ergab, dali sprunghafte Erb-
variationen der Bakterien (,,Dissoziation" usw.)
durch die gleichen Agentien erhalten wurden, die
such bei hoheren Organismen'Mutatiorien erzeu-
gen (Alterung, Strahlen, Chemikalien). Unter den
wenigen quantitativen Ergebnissen erscheint am
wichtigsten der Nachweis exponentieller Wirkung
der Rontgenstrahlendosis auf die Va.riantenrate1.
Dies zeigt, dal zumindest gewisse Varianten sehr
wohl echte Genmutationen sein konnen. Die Er-
gebnisse fiber die Strahlentotung der Bakterien
hatten schon seit langerem ihre Erklarung durch
Annahme letalmutationsahnlicher Vorgange nahe-
gelegt2. Die Lage and Zusammenfassung der be-
treffenden Gene in Chromosomen bzw. Kernen ist
nattirlich fur diese Fragestellung von sekundarer
Bedeutung. Die Bakteriengene brauchen u. U.
weder in Chromosomen aggregiert zu sein, noch
1 Ralph E. Lincoln, Genetics 25,125 [19401.
2 P. Jordan, Protoplasma 32, 464 [1939].
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SPONTANE MUTABILITAT BEI BACTERIUM PRODIGIOSUM
evil. diese in echten Kernen (mit Membran, Spin-
delmechanismus, Nukleolen usw.) zu liegen.
Zur Aufhellung des bakteriellen Erbvariations-
mechanismus ist eine Methode notig, die an einer
groflen Anzahl von Einzelzellen die Haufigkeit
von Erbvariationen, die in ihnen entstanden sind
and sich an den daraus hervorgehenden Nach-
kommenschaften (Einzelkolonien) manifestieren,
festzustellen gestattet. Denn die quantitative Ab-
hangigkeit des Prozentsatzes der mutierten unter
einer gro.tlen Zahl gepriifter Zellen, der Muta-
tionsrate, von den einwirkenden Agentien ist es
ja, was uns erst die intimen Zuge des Mutations-
prozesses and des Gens (Monomolekularitat,
Grofle des Strahlentreffbereichs, Aktivierungs-
energie usw.) erkennen lIUUt. Die ein,achste Me-
thode besteht darin, nach Einwirkung des Agens
auf die Zellen eine Suspension von moglichst
hohem Prozentsatz an Einzelzellen, z. B. durch
Schiitteln, herzustellen and von dieser kleine
Mengen zur ,Aussaat" auf Agarplatten breitzu-
streichen. Praktisch jede der daraus hervor-
gehenden Kolonien stellt dann die Nachkommen-
schaft einer Zelle der Suspension dar and kann
deren erbliche Konstitution anzeigen. Als ein
hierzu (beziiglich Einzelligkeit u. a. Eigenschaf-
ten) geeigneter Organismus erwies sich Bacte-
rium prodigiosum (= Serratia marcescens). Da
bei ihm das spontane Umschlagen eines Bruch-
teils der Zellen zu abgeanderten. Kolonien (z. B.
rot nach weiul and umgekehrt) haufig vorkommt
and die Erblichkeit dieser Variation nachgewie-
sen ist3, lag es nahe, diese spontanen Anderungen
mit den bei hoheren Organismen bekannten spon-
tanen Mutationen zu vergleichen. Vber ein erstes
Ergebnis dieses Vergleichs sei hier berichtet.
Die Versuchsnzethode bestand darin, aus einer Ein-
zelkolonie einer Petrischalenkultur (,,Stammplatte' )
eine Zellensuspension herzustellen, von der dann eine
Impfose voll auf eine weitere Petrischale mit synthe-
tischem Nahragar (Glycerin - Zitronensaure - Am-
monphosphat, pH 7,0) ausgespatelt wurde. bie so er-
haltene ,Zahlplatte" wurde bei 300 C bebrutet and
die angewaclisenen roten (r) and weilien (w) Kolo-
nien (insgesamt moist mehrere hundert je Platte)
ausgezahlt. Das Verhaltnis der r- bzw. w-Kolonien
zur Gesamtzahl der gepruften entspricht dann der
Mutationsrate der Zellen der Stammkolonie. Als von
mutierten Zellen abstammend wurden nur die total
umgeschlagenen Kolonien gezahlt, solche mit Sek-
toren dagegen als unmutiert gewertet, da die sektor-
erzeugende Mutation erst im Verlauf der Kolonie-
entwicklung entstanden sein mutate.
3 M. I. Bunting, J. Bacteriology 40, 57 [1940].
Kolonienflache
(mm!)
0,27
0,27
0,35
0,49
0,99
1,22
1,40
2,17
2,85
Durchschnitt:
,,88=12,0
9/43 = 20,9^/,
34/180 = 18,9 ?
26/146 = 17,8
12/52 = 23,1
71/361 = 19,6
52/272 = 19,1
43/190 = 22,6 ?
71/432 = 16,5 ,,
77/419 = 18,4
395/2095 = 18,9
0/0
PHom. = 0,15
309
'Cab. Mutationsraten von 9 r-Kolonien gleichen Alters
(10 Tage bei 30? C), aber verschiedener Zellzahl
(Flache).
Als erste Frage garde gepriift, ob das l: nr
schlagen der Koloniefarbe, z. B. von r nach w,
durch den Ablauf der Zellteilung induziert wird
(durch zufallige Entmischung von frei im Plasma
liegenden Erbpartikeln o. a.) oder unabhangig
von dieser geschieht. Sie wurde entschieden durch
Feststellung der Mutationsrate in gleich alters,
aber vetschieden grolen Kolonien einer Stamm-
platte, bei denen also i n gleichen Zeitraum ver-
schieden viele Zellteilungen, wohl durch zufallige
Nahrstoffunterschiede, stattgefunden hatten. Wie
die Tabelle zeigi, 1st trotz eines Unterschiedes des
Flacheninhaltes der Kolonien von etwa 110,
dem ein wahrscheinlich noch groderer Zellzahlen-
unterschied entsppicht, kein Unterschied der Mu-
1ationsra.te nachweisbar. Hierdurch wird fur die
gepriifte Zeitspanne eine weitgehende Unabhan-
gigkeit des Erbvariationsvorgangs von der Zell-
teilung angezeigt, wie wir es von den Genmutatio-
nen hoherer Organismen gewohnt sind.
Das zweite angeschnittene Problem war die Ab-
hangigkeit der Mutationsrate von der Zeitdauer,
wahrend der die Mutationen stattfinden konnen.
Von den Mutationen hoherer Organismen wis-
sen wir, dad sie Umlagerungen molekiilartiger
Atomverbande durch einzelne uberschwellige
Warmeschwingungen, analog den monomolekula-
ren chemischen Reaktionen, sind. Fur derartige
Prozesse ist eine exponenfielle Zeitabhangigkeit
typisch, falls diese Funktion nicht von sekunda-
ren Faktoren verformt wird. Zur Feststellung der
Abhangigkeit der Mutationsrate von der Zeit
wurde die Beobachtung ausgenutzt, dad die Kolo-
nien nach etwa zwei Tagen ihr. Wachstum wegen
Nahrstoffmangels einstellen and die Zellen sich
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310. it. KA111:1AAN
each Eintreten dieses Ruhestadiums noch eine
Zeitlang lebend and walirscheinlich ungeteilt hal-
ten. Es wurden also r- and w-Stammplatten (ins-
gesamt 28 r, 22 w) im Brutschrank weiter aufbe-
wahrt and von ihnen nach gewissen Zeiten aus
Einzelkolonien Zahlplatten abgeimpft. Durch Aus-
zahlung dieser wurden die Mutationsraten in den
Kolonien der Stammplatte erhalten. Ein Teil der
Zahlplatten wurde als Stammplatten fur weitere
gleichartige Versuche verwendet. Die Ergebnisse
der Abimpfungen von r-Kolonien aus den Stamm-
platten ist in Abb. 1, die von w-Kolonien in Abb. 2
r- -w
}'
1
I
315 / i ~
j=0,010
/ i
0 - -- 5 10 t = 15
Tage oath .Jmplang der Stammp/alle
Abb. 1. Abhangigkeit der Mutationsrate r - w
(% weille Kolonien) vom Alter rotor Stammkolonien,
dergestellt. Die eingezeichneten Fehlerspannen
der Prozentsatze sind each der Naherungsformel
P. q / n berechnet (p = % mutierte, q = % un-
mutierte Kolonien, n = Gesamtzahl ausgewerte-
ter Kolonien der Platte).
Die Versuche Writ r-Kolonien ergaben zunachst
eine deutliche Zeitproportionalitat (Abb.1: voile
Kurvenpunkte ? , v.3, = 0,019), die dem unteren
Teil einer Exponentialfunktion entspricht. Das
bei langerer Aufbewahrung stattfindende Aus-
trocknen and Absterberr der Kolonien begrenzte
die Versuchsdauer. Inr Verlaufe der Versuche, bei
denen die Mutationsraten von 57r-Kolonien (aus
10 Stammplatten) verschiedenen Alters festgestellt
wurden (in Abb.1 sind in einigen Kurvenpunk-
ten die nahe beieinander liegenden Raten mehre-
rer Kolonien zusammengezogen), fanden sich
auch insgesamt 7 Kolonien (Doppelkreise o ),
die aus der gefundenen Zeitkurve herausfielen,
also stabiler oder mutabler waren als der ?Nor-
nralstamm``. Wiederholte Versuche, sie als stabi-
lere oder labilere Stamme zu isolieren, schlugen
fehl, da ihre Nachkommenschaften (einfache Kreise
o ) nicht konstant beziiglich der Zugehorigkeit
zu einer ,Mutabilitiitslinie" waren. Sie ergaben
z. T. uneinheitliche Mutationsraten, die oft fiber
oder tinter den jeweiligen Elternstamrnen lagers.
Wie Abb.1 zeigt, lassen sich diese ?inkonstanten"
Kolonien etwa 5 Mutabilitatszeitfunktionen (---)
zuordnen. Das beobachtete Entstehen dieser ,Ne-
benlinien" aus der ,Norinallinie" mit einer Hau-
figkeit von 7/57 zeigt jedoch, dali der Unter-
schied beider Typen our graduell ist and
darin besteht, daB der Normalstanrm han-
figer Nachkommen seiner eigenen Mutabili-
tat ergibt als die Nebenstannne.
Das unvorhergesehene ,Springen" der
Mutationsrate zeigten auch analog den
r-Nebenlinien alle untersuchten w-Kolonien
bezuglich des Vbergangs w Hach r. Ein rela-
tiv stabilerer ?Normalstanrm" war hier nicht
deutlich nachweisbar. Sehr wahrscheinlich
bestehen aber auch hier Unterschiede in der
?Intraphanmutabilitat" (s. u.) der einzelnen
Linien, doch offenbaren sich diese nicht so
deutlich wegen des kleinen Versuchs-
umfangs and wohl auch wegen ihrer ge-
ringeren reellen Gro!en. Die gefundenen
Punkte ordnen sich etwa 4 Zeitlinien ein.
Moglicherweise batten sich bei weiterem
Suchen in beiden Phanotypen r and w noch
nnehr solche Linien auffinden lassen.
Da die Aufbewahrung der Stammplatten die
Zellen allmahlich absterben Bell, vielleicht aber
auch nach Abschlull des Koloniewachstums noch
Zellteilungen stattfinden, war zu priifen, ob nicht
die gefundene Zeitfunktion durch unterschied-
liches Absterberr oder Vermehren der r- and w-
Zellen entstehen konnte. Bezeichnen wir mit t die
Zeit, AO das Ausgangsverhaltnis der r- and w-
Zellen and mit S die Differenz der Sterbe- bzw.
Wachstumsraten beider Zelltvpen, so gilt unter
Annahme des bei Bakterien weit verbreiteten ex-
ponentiellen Wa'chstums bzw. Absterbens fur die
Mutaiitenratem=1/1+Ao?e?d`,~1/1+A0 (1? t).
Die Zeitfunktion miilte dann also im Anfangsteil
nach oben hyperbelahnlich konkav sein. Der
gegenteilige exper?irnentelle Kur?venverlauf zeigt
demnach, dal Sterbe- oder Wachstumsvorginge
am Zustandekommen der gefundenen Zeitfunk-
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SPONTANE MUTABILITAT BET BACTERIUM PRODIGIOSUM 311
tion nicht wesentlich beteiligt sein konnen, son-
dern dali these durch Ansammeln von Mutationen,
(lie im Laufe der Zeit entstehen, erzeagt wird.
Wenn wir den beiden Phanotypen r and w nur
je einen Genotyp zuordnen konnten, so miiite die
Mutationsrate in im Laufe der Zeit durch das Hin-
and Rtickmutieren (r F w) einem Gleichgewichts-
zastand, analog einer reversiblen chemischen Re-
aktion, zustreben, der nur von den beiden Muta-
durch Anderung der Mutationskonstante kund-
geben. Wir wollen sie ?Intraphanmutationen"
nennen. Das im Experiment zu findende End-
gleichgewicht in wurde daher von einer sehr
grolen Zahl Reaktions-(= Mutations-)Konstan-
ten abhangen, die im einzelnen kaum bestimmbar
sind. Aus den gleichen Griinden entsprechen die
den Kurven angeschriebenen Mutationskonstan-
ten ?^o nur denjenigen Ubergangen, die zu einem
Umschlag der Koloniefarbung fiihren; die Intra-
phanmutationen kommen darin nicht zum Aus-
druck. Die Frage, ob die &efundenen Genotypen
inehreren verschiedenen Genen oder verschiede-
nen Allelen eines Gens entsprechen, lafit sich auf
dem sonst iiblichen Wege der Bastardanalyse
mangels der Sexualitat nicht entscheiden. Vorerst
durfen wir auf Grund der gefundenen Form der
Zeitfunktion wohl mit ziemlicher Sicherheit an-
nehmen, data die untersuchten Erbvariationen des
Bact. prodigiosum Prozesse von der gleichen Art
darstellen, wie wir sie als Genmutationen von del
hoheren Organismen her kennen. Ihre relativ
groie spontane Haufigkeit im vorliegenden Falle.
auch enter den Bakterien keine Normalerschei-
nung, 1a13t sie nicht den normal stabilen, sondern
den mutablen Genen zuordnen.
Ein drittes Problem wurde durch die Abhan-
gigkeit der Zeitfunktion von der Temperatur an-
geschnitten. Es wurden r- and w-Stammplatteii
aus den Linien (r)?,
= 0,11 zu-
= 0,019 bzw. (r)?3
0
0
t=15T e naehst bei 30 ? C 2 bzw. 1,5 Tage bebrutet, damn
Abb. 2. Abhangigkeit der Mutationsrate w-)? aber bei 15 ? C weitergehalten. Die tiefere Tern-
(% rote Kolonien) vom Alter weif3er Stammkolonien. peratur bewirkte eine. Senkung der Mutationskou-
tionskonstanten ?,, and ?j, bestimmt wiirde:
in = in., - (mom - m0) . e -(tt.+,(",,)t , mit 9n0
= Ausgangsmutationsrate and M. = ?r / ?,- + ? Zr
= Endmutationsrate. Setzen wir, was dem Fall
der Versuche entsprache, m0 = 0 and e-x __ 1- x .
also m ?ry, ? t, so lieien sich die Mutationskon-
stanten ?r and aus dem Anstieg der Kurven
inr Nullpunkt bestimmen. In unserem Falle mus-
sen wir aber jeder gefundenen Zeitfunktion einen
anderen Genotyp zuordnen, da ein bestimmter
Genotyp (Gen, Allel) ja nicht nur durch sein von
ilun erzeugtes Phan (hier also Koloniefarbe),
sondern auch durch seine Mutabilitat ckarakteri-
siert ist. Ferner hatten wir gesehen, dali zwischen
den ,Zeitlinien" innerhalb eines Phans mutative
Ubergange stattfinden, die sich also nicht durch
Umschlagen der Koloniefarbung, sondern nur
stanten ( X =empirische Punkte, -.-.- . - Zeit-
funktion), jedoch konnten bei dem w-Typ die zwei
gefundenen 15? - Linien wegen dessen haufigerer
Intraphanmutationen nicht sicher bestimrnten 30 ?-
Linien zugeordnet werden. Am wahrscheinlich-
sten, auf Grund der bisher beobachteten Vber-
gange, ist die Zuordnung von (eri)?15 = 0,038 zu
(W1114L30 = 0,11 and 0r%)?15 = 0,020 zu (r)?,0 = 0,065.
Fur die Gene von Drosophila" konnte unter An-
wendung des van 't Hoff schen Gesetzes aus der
Temperatttrabhangigkeit der Miutabilitat die Akti-
vierungsenergie U = 1,98.10-4 (T 1 ? T 2 / T 1 - T)
lg (?l/?2) eV errechnet werden, die eine Warme-
schwingung des Genmolekuls zur Entstehung
einer Mutation iiberschreiten muli. Nach 5 ergiht
n N. W. Timof6eff-Ressovsky u. K. G.
Z i in m e r, Z. Vererbungsl. 79, 530 [1941].
5 K. Pat au u. N. W.Timof6cff-Ressovsl:y,
Z. Vererbungsl. 81, 62 [1943].
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312 SPONTANE MUTABILITAT BEI?BACTERIUM PRODIGIOSUM
sich fur die CIB-Letalgene 1,35 eV, fur ein relativ
mutables bb-Allel 0,95 eV. Die gleiche Rechnung
fur unsere r - w-Mutation mit lr>t'30 = 0,019 und
(r)tL15 = 0,0060 Mut./Tag liefert U,. = 0,58 eV. Ord-
net man den beiden 15?-w-Linien die beiden oben
erwahnten 30?-Linien zu, so erhalt man J.iir these
Gene oder Allele U,,, = 0,53 eV und U,,, = 0,59 eV.
Die gefundenen niederen Aktivierungsenergien
der Prodigiosum-Gene entsprechen also den Er-
wartungen, die man auf Grund der Befunde an
den stabileren Drosophila-Genen haben kann. ?
Das Temperaturgesetz monomolekularer Reak-
tionen erlaubt eine noch etwas weitergehende
Analyse der Befunde. Bei bekannter Aktivierungs-
energie U ergibt sich danach fur die Mutations-
konstante t.L = n C ? e-u1 T; dabei ist n die Ge-
samtzahl der Allele aller beteiligten Gene, Ic =
0,86.10-4 eV und C eine Zahl, die von der Molekul-
struktur bestimmt ist und fur normale Molekule
DO hochstens 5'.1017
? Tag-1 gesehatzt wird r.
Setzen wir die bekannten Werte fur die 01B-Gene
(p'2o =1,0.10-4 ? Tag-', U =1,35 eV) ein, so er-
halten wir n C = 2.1019 ? Tag-'. Die in Frage kom-
mende Allelenzahl n im X-Chromosom wird? auf
etwa 104. gesehatzt, so dalI sich fur C etwa 1015
ergibt, was der erwahnten Schatzung nicht wider-
sprechen wurde. Fur das besagte bb-Gen erhalt
man auf gleiche Weise (p'2o = 6,5.10-6, U = 0,95)
fur nC = 1,6.1011. Da die Allelenzahl von bb
wahrscheinlich innerhalb einer Zehnerpotenz liegt,
diirfte C urn 1011 betragen. Dies liegt aber trotz
der groien Ungenauigkeit der Bestimmungen
enter dem Wert der normalen ClB-Gene. Fur
unsere Prodigiosum - Mutationen erhalten wir
nC = 8.107 (r), 6.107 (w,) und 4.108 (w2). Diese
Werte liegen also wiederum unterhalb von bb.
Tragen wir die Aktivierungsenergie U gegen den
deh Aktivierungsentropie proportionalen Aus-
druck log (n C)- auf (siehe Abb. 3), so scheinen
sich die Werte aller behandelten Gene einer Ge-
raden einzuordnen. Insbesondere liegen die Pro-
digiosum-Punkte etwa auf der Geraden dutch die
beiden fur Einzelgene von Drosophila geltenden
Punkte. Der fur die CIB-?Gensummen"-Muta-
tionsraten geltende Punkt fallt dagegen deutlich
heraus. Man kann somit vermuten, dali bei den
untersuchten Prodigiosum-Mutationen zumindest
nicht sehr viele Gene im Spiele sind, moglicher-
weise nur eines,. Diese Vermutung wird gestUtzt
durch denmachst zu veroffentlichende Ergebnisse
von UV-Bestrahlungen: Eine Dosis, welehe ein
D"berlebendenverhaltnis von 10-5 ergibt, erzeugt
eine ?Gensummen"-Mutationsrate verschiedenarti-
ger Mutanten von 10%, wdhrend die Mutations-
t
7B(71C)
15
0
CZB
CZB/
~
n
bb,
wz?i
w,
,rr
11
Abb. 3. Zusammenhang zwischen Aktivierungsenergie
(U) und -entropie (lg C) bei Genen von Drosophila
melanogaster (Cl B, bb) and Bacterium Prodigiosum
(r, w~, w2).
rate r --). w nicht nachweisbar erhoht ist und dem-
nach enter 1% liegt. Die Zahl der r-*w-Gene ent-
spricht also hochstens 1/10 der an der Gensummen-
rate beteiligten Gene.
Wegen der groilen Fehler in der Bestimmung der
b'eiden Konstanten U und C erscheint es unsicher,
dall der gefundene Zusammenhang real ist. Mog-
licherweise ist die Zahl der CIB-Gene wesentlich
unterschatzt, sind die Temper aturkoeffi zienten
sehr ungenau bestimmt und die p. fur Prodigio-
sum wegen der (nicht gezahlten) Intraphan-
mutationen zu niedrig eingesetzt. Dadurch wur-
den Bich die C-Werte vielleicht delien von bb
nahern, wenn auch eine solche Verschiebung
kaum eine Konstanz von C gegeniiber U ergeben
dtirfte.
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Ober morphologische Geschlechtsunterschiede bei Valeriana dioica
Von FRANZ MOEWUS
Aus deco Kaiser-Wilhelm-Institut fur medizinische Forschung in Heidelberg
(Z. Taturforscbg. 2b, 313-316 [1947]; eingegangen am 27. Mai 1947)
In der Umgebung von Heidelberg ist Valeriana dioica L. streng diozisch. Zahlungen
am Standort ergaben 20,65% 3S, Aussaatversuche fiihrten gleichfalls zum t7berwiegen
der ~T, wahrend im Bayrischen Wald 91,2 % d01 gefunden wurden. Durch 3lessungen
wurden folgende morphologische Geschlechtsunterschiede erfailt: 1. Die ?? sind etwa
doppelt so lang wie die SS. 2. Die ~? haben 3, selten 4, die 43 2, selten 1 oder 3 Inter-
nodien. 3. Der Unterschied in der Sprodlange kommt erst durch das 3. Internodium der
~T zustande, da die 1. and 2. Internodien bei W and S' gleich lang sind. 4. Die Sprosse
der ?? sind etwa 1,5-mal dicker als die der 013. 5. Die Blatter der Y? sind durchschnitt-
lich doppelt so lang wie die der 33. Es ist zu vermuten, dale alle these Grolienunter-
schiede auf verschiedene Wuchsstoff- bzw. Hemmstoffproduktion zurtickzufiihren sind.
1. Zahlenverhaltnis der Geschlechter
Nach C o r r e n s 1 ist Valeriana dioica L. sub-
diozisch. In Koch s Synopsis s wird eine T. sil-
vatica von V. dioica angegeben, deren Bliiten alle
oder grolitenteils zwittrig sein sollen. Die bei Hei-
delberg in den Jahren 1941 and 1942 untersuchten
Pflanzen waren. ausnahmslos rein weiblich oder
rein mannlich. Auch bei Waldmiinchen (Bayr.
Wald) im Jahre 1943 gesammelte Exemplare wie-
sen eine rein dioziSche Geschlechtsverteilung auf.
Tab. 1 gibt die Auszahlung von 5806 Pflanzen wie-
der. Die an acht verschiedenen Stellen (1-8) bei
Heidelberg gemachten Zahlungen ergeben ein deut-
liches 17berwiegen der l?: 79,35%. Die ungleiche
Augenfalligkeit . der beiden Geschlechter kann
nicht die Ursache sein. 3 ?? and 3 33, deren Bliiten
im Friihjahr 1941 noch geschlossen waren, wurden
gun Standort ausgegraben and weiter kultiviert.
JedesW wurde mit dem Pollen eines d3' belegt; die
Sanlen der 3 Pflanzen wurden getrennt geerntet.
Die Aussaatversuche (Tab. 1, Reihe 9-11) lie-
ferten wieder eine Minderzahl an 3'd; auch die
Aussaat der Samen von im Freien abgebliihten ~?
gab 25,6 % 33, trotz wesentlich ungiinstigerer
Bodenverhaltnisse als am Standort (Tab. 1, Zif-
fer 12). Bei den im Friihjahr 1943 in Herzogau
bei Waldmiinchen gesammelten Pflanzen wurden
91,2% dd gefunden. Hier ist also das Zahlenver-
haltnis gerade in das andere Extrem verschoben.
Da nach M e u r m a n 3 bei V. dioica das lnann-
1 C. C o r r e n s, Handworterb. Naturwiss.1913, Bd. 4,
S. 975; Handb. Vererbungswiss. 1928, Bd. II C.
=' W. D. J. K o c h s Synopsis der Deutschen and
Schweizer Flora. 3. Aufl. 1902, Bd. II, S. 1206.
liche Geschlecht das heterogametische ist, ware
zu priifen, ob sich weiblich bestimmender and
nlannlich bestimmender Pollen unter verschiede-
nen Auienbedingungen verschieden verhalt oder
ob spezifische genotypische Ursachen fur das Zu-
standekommen der Zahlenverhaltnisse an den
verschiedenen Standorten verantwortlich sind.
' ?pQ davon
r q'v cpd 0/0
Cr
Naval
1. SchriesheimerTal A
1125
879
2. Schri esheimer Tal B
422
351
71 i 16,82
3. ScbriesheimerTal C
1612
1284
328
20,35
4. Kreuzgrund A
48
32
16
33,33
5. Kreuzgrund B
234
177
57
24,36
6. Kreuzgrund C
1222
978
244
19,97
7. Mausbacbtal A
43
30
13
30,23 l
8. Mausbachtal B
30
27
3
10,00
4736
3758
978
20,65
9. Aussaat Pflanze 1
112
87
25
22,32
10. Aussaat Pflanze 2
136
118
18
13,24
11. Aussaat Pflanze 3
78
56
22
28,20
12. Aussaat.
234
174
60
25,60
13. Waldmiinchen
(Bayr. Wald)
510
45
465
91,20
1,82
1,00
6,80
81
2
,
1,14
7,00
5,48
0,59
3,93
2,91
5,09
2,85
1,25
Tab. 1. Zahlenverhaltnis der Geschlechter bei
Valeriana dioica.
II. i'tlorphologische Geschlechtsunterschiede
1. Unterschiede im Bereich der Bliite
Seit langem? ist bekannt, dafi die Blumenkrone
der mannlichen Bliiten von V. dioica groler ist
als die der weiblichen Bliiten, and zwar ist die
der ma.nnlichen etwa 3 mm, dip der weiblichen
3 Al e u r in an, Soc. Sci. Fenn. Comment. biol. 11. 3
[1925].
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F. MMOLWUS
Bluten nur 1 mm lang. Wahrend die weiblichen
Blutenblatter in der Regel wei1 gefarbt sind,
ha ben die mannlichen eine rosa his rotlicheFarbe.
Wieweit die Verschiederiheiten in der Bltitenfarbe
konstant sind, lafit sich nicht sagen. An manchen
Standorten waren sowohl die weiblichen als auch
die mannlichen Bluten rein weifi gefarbt, an ande-
ren rosa (unabhangig vom Alter der Bltite). Be-
achtenswert ist weiter, daB die weiblichen Bluten
viel dichter zusammengedrangt stehen als die
mannlichen.
Kreuzgrund C) von 250 ?4 and 250 33 zur Bliite-
und zur Fruktifikationszeit ist in Abb.1 wieder-
gegeben. Die Lange der W (28-62 cm) variiert
starker als die der 33 (9-26 cm). Die beiden
Variationskurven unterscheiden sich zur Frukti-
fikationszeit deutlich. Der Quotient Lange W :
Lange 33 ist fast 2,3. Vergleicht man these Mes-
sungen mit den zur Blutezeit vorgenommenen,
dann sieht man, daB die Y4 im Durchschnitt 5,6 cm
kiirzer sind. Die Infloreszenzen der ?? strecken
rich also nach der Blute um fast 20%. Der Quo
w
rB/u/eze//
p
ie
zu
it I 1 1.
V
~
I
6~7D N6 ' 2 2%6 31 Y,9 y/YO 52 w an
gbh. 1. Langemnessung von 250 ? and 250 33 zur Blifte-
zeit (---) and zur Fruktifikationszeit (--). Alittelwert
der 33 17,8 bzw. 18,0 cm, der Q? 35,6 bzw. 41,2 cm.
2. Unterschiede in der SproBlange
Bereits G o e b e 14 erwahnt, daB die 33 von V.
dioica unter denselben Vegetationshedingungen
kleiner sind als die W. S t e c k h a n, fand da-
gegen keinen GroBenunterschied. Die bei Heidel-
berg ausgemessenen Pflanzen wiesen aber einen
deutlichen GroBenunterschied auf. Die Messun-
gen wurden zur Blutezeit and zur Fruktifikations-
zeit vorgenommen. Zur Fruktifikationszeit werden
die Unterschiede noch grofier, da sich die weib-
lichen Infloreszenzen Burch postflorales Wachs-
tum stark strecken. Die Hohe der Pflanzen wird
gemessen vom obersten Grundblatt his zum ober-
sten Ende des Bliitenstandes. Zur Bltitezeit wur-
den 3696, zur Fruktifikationszeit 3884, Pflanzen
gemessen. Nur Pflanzen mit geoffneten Bluten
warden verwendet. Fine Messung (vom Standort
a K. G o e b e 1, Organographie der Pflanze, 3. Aufl.
1928, 1. TI., S. 190:
Ii. Ste c k h a n, Z. ind. Abst. Vererbungsl. 73,
).98 [1937].
tient Lange W: Lange 33 zur Blutezeit ist
gerade 2,0. Die ~? sind demnach bereits zur
Bltiilezeit durchschnittlich doppelt so lang
wie die 33? Lingebeutelte ?7 wachsen nach
der Bliite nicht weiter, da die Befruchtung
ausgehlieben ist. Zur Blutezeit war der
niedrigste Quotient 1,50, der hochste 2,79:
zur Fruktifikationszeit sind die Werte 1,67
bzw. 3,10. Damit ist Bas Ausgangsmaterial
zur weiteren Analyse dieses morphologi-
schon Gesehlechtsunterschiedes (Sprofi-
lange) gegeben. Geplant sind Wuchsstoff-
und Hemmstoffbestimmungen.
3. Zahl der Internodien
Die Sprosse der ? and 33 von V. dioica
unterscheiden sich nicht nur in ihrer
.Lange, sondern arch in der Zahl der Inter-
nodien bzw. in der Zahl der Blattpaare. In
Tah. 2 ist die Zahl der Internodien von W rind 33
zweier Standorte wiedergegeben. 4? mit 1 oder
2 Internodien wurden nicht beobachtet. Die W
haben meist 3, selten 4, die 33 meist 2, selten 1
oder 3 Internodien. Da sich die Zahl der Inter-
nodien schon friihzeitig erkennen lafit, kann
man an diesern Merkmal bereits an noch niche
bliihenden Pflanzen in der Regel unterscheiden,
ob sie W oder 33 sind. Zwischen Sprofhohe
and Internodienzahl be~tehen
relationen. ? , die Langer als 59
folgende Kor-
cm sind, haben
Zahl der Zahl der I
enter- Internodien
snchten
Pflanzen 4 ! 3 2 j 1
Schriesheimer Tal A
Schriesheimer Tal A Apr
Kreuzgrund C
Kreuzgrund C
172
59
367
109
162
1
349
1
58
104
Tab. 2. Z.dhl der Internodien von Valeriana dioiea.
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4 Internodien. Unter den Pflanzen von 55-59 crn
Lange befanden sich 12, die 41nternodien besallen,
17 hatten 3. Alle W unter 55 cm setzten sich aus
3 Internodien zusammen. Die 23'' mit 3 Inter-
nodien waren 30 bzw. 31,5 cm lang, die'4 SS mit
1 Internodium unter 10 cm.
An einer Anzahl Pflanzen wurde
auch die Lange der Internodien be-
stimmt. Das 1. Internodium wurde
gerechnet vom obersten Grundblatt
his zum 1. Blattpaar. Fiir these
Messungen wurden 400 W mit 3
mid 400 3'3 mit 2 Internodien ver-
wendet. Die Ergebnisse sind in
!ebb. 2 veranschaulicht. Vergleichen
wir die- Internodienlangen der W
- 5,5 cm das 1., 10,9 cm das 2.,
16,5 cm das 3. - and die der 3'a
- 5,2 cm das 1., 10,2 cm das 2. -,
data fallt auf, daft bei den W and
den 33 die 1. Internodien gleich
ungefahr gleicher Hohe fiber dem obersten Grund-
blatt, 1,6-1,7-mal dicker als die Sprosse der 3S.
6. Blattlangen
Als letztes Unterscheidungsmerkmal wurde die
Blattlange untersucht, and zwar auch wieder an
1371efrlvin
/A
29ntemo
dium
,
'
3.7m mi'ium
I
'
' \\
l
I
tL_
Abb. 2. Messung der Internodienlange von 400 ?7 and 400 33'.
-- = 1. Internodium (M ?? = 5,5 cm, M as = 5,2 cm), --- =
2. Internodium (M ?Q = 10,9 cm, MSS = 10,2 cm), - - - = 3. In-
ternodium (M ?? = 16,5 cm).
lang sind: 5,5 bzw. 5,2 cm. Dasselbe gilt fur die
2. Internodien: 10,9 bzw. 10,2 cm. Der Unterschied
in der Spro%flange kommt erst durch das 3. Inter-
nodium der 44 zustande; es ist durchschnittlich
16,5 cm lang. Weiterhin ergibt sich aus den Mes-
sangen, dali sich die Internodienlangen der ?
wie 1 : 2 : 3 verhalten. Ob diese Verhaltniszahlen
reell sind, kann wegen der geringen Gr6fie des
Beobachtungsmaterials noch nicht gesagt werden.
Jedenfalls miiflten auch hier Wuchsstoffbestim-
mungen an den verschiedenen Internodien zu
interessanten Feststellungen ffihren.
5. Stengeldurchmesser
Da sich herausgestellt hat, daft die 1. and 2. In-
ternodien der W and J3' durchschnittlich gleich
lang sind, kann man vergleichbare Werte erhal-
ten, wenn der Durchmesser des Sprosses kurz
unterhalb der Blattpaare bestimmt wird. Die Mes-
sungen wurden mit einem Mikrometer (shoo mm)
vorgenommen. In Abb. 3 ist eine Messungsreihe
wiedergegeben. Danach unterscheiden sich die ?
and 33 deutlich im Sprofldurchmesser. Die Quo-
tienten Durchmesser W : Durchmesser SS sind
unterhalb des 1. Blattpaares 1,6, unterhalb des
2. Blattpaares 1.7. Die Sprosse der ?? sind dem-
nach unterhalb des 1. and 2. Blattpaares, also in
x \,,I
l_-
-11 -17 -213 -2,8 -45 41 -Y7 mrn -53
Abb. 3. Messung des Stengeldurchmessers von 151 2
and 145 SS unterhalh des 1., 2. and 3. Internodiums.-
W: 1. Internodium -?-?- (A1=3,8 mm) ; 2. Interno-
dium ___ (AI=2,7 mm); 3. Internodium - (M =
1,8 mm). Sol: 1. Internodium --- (M = 2,4 mm) ;
2. Internodium - (M = 1,6 mm).
W mit 3 and 3J mit 2 Internodien bzw. Blattpaa-
ren. In Abb.4 ist eine Messungsreihe dargestellt.
Die Blattlangen der ?, in der Reihenfolge 1., 2.,
3. Blattpaar, verhalten sich wie 1 : 2 : 3, die der d'
wie 1 :2. Die Quotienten Blattlange ? : Blatt-
lange dd sind fur das 1. Blattpaar 2,0, fiir das
2. Blattpaar 2,2. Die Blotter der ?? sind demnach
durchschnittlich doppelt so lang wie die der'SS.
Wahrend sich die Variationskurven der Blatt-
langen vom 1. Paar noch etwas fiberschneiden, ist
das bei den Langen vom 2. Blattpaar nicht mehr
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der Fall. Daraus konnen wir. den Schlull
ziehen, daB wir an den Blattlangen des
2.Blattpaares ?? and 3'd' gut unterscheiden
konnen. DaB dies moglich ist, zeigten zahl-
reiche daraufhin unternommene Stichproben
an Pflanzen anderer Standorte. Jedoch nn 6
noch gepriift werden, wie sick die Blattlan-
gen im Laufe der Entwickhing his zur
Bliitezeit andern. Dies gilt auch fiir die
Internodienlange, die ja auch eine deutliche
Unterscheidung beiderlei Geschlechier er-
moglicht, ehe zu erkennen ist, ob weibliche
oder mannliche Millen entstehen. Dem-
gegentiber erlaubt die Internodienzahl ziem-
lieh eindeutig die Feststellung, ob es sich um TY
oder urn M handell.
7. Kurze Besprechung der Ergeb-
nisse
Die an Valeriana dioica genauer untersuchten
Merkmale sind sekundare Geschlechtsmerkmale,
die mit der geschlechtlichen Fortpflanzung selbst
nichts zu tun haben. Eine Zusammenstellung von
sekundaren Geschlechtsmerkmalen bringen C o r -
r e n s 1 and S t e c k h an auf die verwiesen sei.
Besonderer Wert wurde auf die Erfassung von
Grouenunterschieden gelegt (SproBlange, Inter-
nodienlange, Stengeldurchmesser, Blattlange) ,
denn diese sollten es erlauben, mit Hilfe physiolo-
gischer Methoden die Versehiedenheiten genauer
zu analysieren. Letzten Endes miissen ja GrOBen-
'
tea
,,
X
i
ZI
I
i I
I
ahb.4. Mlessung der Blattlangen von 151 ~? and 145 33.
~?: 1. lnternodium (Al = 45,5 min) ; 2. Internodium ---
(1I = 30,3 mm); 3. Internodium -- (M = 15,2 mm). 3S:
1. Internodium --- (11=27,7 min), 2. Internodium --
(M = 13,6 man).
unterschiede durchWachstumsregulatoren,Wuchs-
stoffe and Hemmstoffe, zustande kommen. Der
Kausalzusammenhang ware folgendermaBen vor-
stellbar: Durch ein Gen ist z. B. die. Blattlange
festgelegt. Die Realisatoren wirken derart ein,
dal bei den ? die Blatter doppelt so lang werden
wie bei den 3S. Die Realisatoren sollten also
irgendeinen EinfluB auf die Wuchsstoff- bzw.
Hemmstoffproduktion haben. Entweder konnte bei
gleichbleibender Wuchsstoffinenge die Hemmstof-
bildung geandert werden oder bei gleichbleibender
Hemmstoffinenge die Wuchsstoffbildung, oiler es
andern sich beide Wachstumsregulatoren. Diese
Veranderungen sollten mit Hilfe genauer Wuchs-
stoff- and Hemmstoff-Teste erfallt werden konnen
and damit.einen Einblick in die Wirkungsweise
der Realisatoren erlauben.
BERICHTE
Ober die Struktur der bei Vogein vorkommenden Porphyrine
In der Klasse der Vogel sind Porphyrine recht weit
verbreitet. So ist Porphyrin ein regelmalliger Be-
standteil der gefleckten Eischalen. Indessen beschrankt
sich sein Vorkommen keineswegs nur auf diese, da
auch bei einer Anzahl ungefleckter and selbst weilier
Schalen Porphyrin spektroskopisch nachweisbar ist'.
Weniger weft verbreitet and weniger auffallig als
in den Schalenflecken der Eier ist das Porphyrin in
Federn vorhanden. Immerhin sind his jetzt Porphy-
rine in den Federn zahlreicher Vogelarten nachge-
wiesen, die 13 verschiedenen Ordnungen des Systems
angehoren2. Infolge der geringen Farb stoffinengen,
um die es sich hier handelt, ist das Porphyrin in den
weitaus meisten Fallen nur durch die Fluoreszenz-
reaktion nachweisbar. Bezeichnenderweise beschrankt
sich der Porphyringehalt der Federn in der Regel auf
verborgene Gefiederregionen, also auf Federn and
Federabschnitte, die weitgehend vor der Einwirkung
des Lichtes geschtitzt sind. Uni so iiberraschender ist
es daher, dali durch die reichliche Einlagerung von
freiem Porphyrin in einem einzigen bisher bekannten
Fall auch eine Gefiederfarbe (Schmuckfarbe) ent-
stehen kann, wie die weinroten Genickfedern der
Schopftrappe, Lophotis ruficrista, zeigen 3.
Den am besten and langsten bekannten Fall der
Federpigmentierung durch Porphyrin finden wir bei
den Turakos (Musophagiden). Hier ist der haupt-
sachlich in den Schwungfedern dieser Vogel auftre-
0. V o 1 k e r , J. Ornithol. 88, 604 [1940] ; Ioppe-
Seyler's Z. physiol. Chem. 273, 277 [1942].
2 0. Volker, Biol. Zbl. 64, 184 ['1944].
0. 176 1 k e r, Ornithol. Mber. 46, 107 [1938].
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Eischalen von:
Larus ridibundus (Lachmowe) . . . . . . .
Vanellus vanellus (Kiebitz) .
Federn von:
Lophotis r. ruficrista (Schopftrappe) . . . .
Lophotis r. gindiana (Schopftrappe) . .
Lissotis melanogaster (Schwarzbauchtrappe)
Federn von:
Tura ens corythaix . . . .
leucolophus . . . .
hartlaubi .
1. leucotis . . .
1. tivingstoni . . .
Protoporphyrin
Bemerkung
Nach Entkupferung and
Decarboxylierung des
nativen Uroporphyrin-
kupfersalzes (Turacin)
Musophaga rossae
Gallirex porphyreolophus
Ruwenzorornis j. johnstoni
tende, lichtbestandige rote Farbstoff, das Turacin, ge-
radezu als systematisches Merkmal zu werten, da er
nur dieser kleinen,.rein afrikanischen Gruppe von
Vogeln eigen ist4. Da im Turacin nach H. F i s c h e r 5
das Porphyrin an Metall gebunden ist, so stellt der
rote Federfarbstoff der Turakos gleichsam einen Son-
derfall der Porphyrinablagerung in Federn dar.
Auller in den Eischalen and den Federn vieler Vogel
finden sich Porphyrine auch noch in den normalen
Faces dieser Tiere. In den Exkrementen der Trap-
pen and Eulen sind these ]edenfalls regelmallig nach-
weisbar 6.
Das Ooporphyrin, . wie der rote Farbstoff in den
Schalenflecken der Eier zunachst genannt wurde, er-
hieltenerstmalig H.Fischer u. F.K0g17 ausKie-
bitz- and Moweneierschalen in kristallisiertem Zu-
stand. Nach erfolgter Reindarstellung erwics sich
dieser Farbstoff schlielllich als identisch mit Proto-
porphyrin, also der eisenfreien Stammverbindung des
Hamins. Das Protoporphyrin der Eischalen ist somit
nur durch den Mangel an Eisen von der Farbkompo-
nente des Hemoglobins unterschieden.
Aus den rosenroten, lichtempfindlichen Federn der
Trappen (vergl. Tab.), die als die porphyrinreichsten
der Vogel zu gelten haben, konnte V o 1 k e r 8 nach
weitgehender chromatographischer Reinigung ein Por-
phyrin zur Kristallisation bringen and mit Kopro-
porphyrin III identifizieren. Vas Koproporphyrin der
Trappenfedern entspricht somit in seiner Struktur,
d. h. der Stellung der Seitenketten am Porphinkern,
4 E. Stresemann, Handb. d. Zoologie (Ktiken-
thal-Krumbach) 7.Bd., 2.Haifte, Aves, 1927 his
1934.
5 H. Fischer u. J.Hilger, Hoppe-Seyler's Z.
physiol. Chem. 138, 49 [1924].
6 0. V o 1 k e r, J. Ornithol. 86, 436. [1938].
ebenfalls dem normalen Hamin bzw. dem Protopor-
phyrin der Eischalen.
Hinsichtlich seiner Struktur schien bisher das Por-
phyrin des roten Federfarbstoffes der Turakos eine
Ausnahme zu machen, da nach den Befunden von H.
Fischer and J. H i i g e r 5 im Turacin das Uropor-
phyrin-Kupfersalz der Isomerenreihe I vorliegen
sollte. R i m i n g t o n 9, der in neuester Zeit die Frage
nach der Struktur dieses Uroporphyrins erneut an
einem umfangreichen Material prufte, machte dabei
die uberraschende Feststellung, dale aus dem Turacin
aller von ihm untersuchten 11 Turacus-Arten (vergl.
Tab.) nach Entkupferung and Decarboxylierung aus-
schliefllich Koproporphyrin III erhalten wird. Dabei
ist hervorzuheben, dale der Abbau des Uropgrphyrins
zum Koproporphyrin auch ?nach dem Urteile von
Hans Fischer viel scharfere Unterscheidungsmoglich-
keiten der Isomeren (Schmelzpunkte, Loslichkeit) ge-
stattet, als dies bei den Uroporphyrinen moglich ist.
H. Fischer muite seinerzeit infolge des wenigen ihm
zur Verfiigung stehenden Materials auf diesen ent-
scheidenden Abbau verzichten.
Diese Ermittelung Rimingtons, wonach also auch
das Porphyrin der Turakusvogel dem Typ III ange-
hort (Uroporphyrin III als Kupferkomplexsalz), er-
ganzt die Vorstellung, die man bisher von der Bio-
genese der Porphyrine bei den Vogeln hatte, in wun
schenswerter Weise. Denn nunmehr lassen sich alle
bisher aus adulten Vogeln isolierten Porphyrine, das
7 H. Fischer u. F. K6 g l , Hoppe-Seyler's Z.
physiol. Chem. 131, 241 [1923]; 138, 262 [1924].
8 0. Vol k e r, Hoppe-Seyler's Z. physiol. Chem.
258, 1 [1939].
9 C. Remington, Proc. Roy: Soc. [London],
Ser. B 127, 106 [19391; Hoppe-Seyler's Z. physiol.
Chem. 259, 45 [1939].
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BUCHBESPRECHUNGEN
Protoporphyrin der Eischalen, das Koproporphyrin III
der Trappenfedern and schlieBliclr das Uroporphy-
rin III der Turakos, auf ihren gemeinsamen Grund-
farbstoff, das Atioporphyrin III, zurkckfiihren. Die
Entstehung von Porphyrinen des Typs III ist in der
Masse der Vogel nach den vorliegenden Erfahrungen
eine auffallend einseitige. Ist es doch bisher noch in
keinem Falle gelungen, Porphyrine des Typs I vom
Typ III abzutrennen and in Substanz zu fassen. Auch
lassen die bei der Aufarbeitung der Porphyrine der
Vogel gemachten Erfahrungen ein spurenweises Vor-
kommen von Vertretern des Typs I neben solchen
vom Typ III praktisch ausschlieBen. Lediglich wah-
rend des embryonalen Lebens ist bei den Vogeln die
Fahigkeit zur Synthese von Farbstoffen beider Iso-
inerenreihen nebeneinander noch vorhanden, wie die
Isolierung von Koproporphyrin I aus dem wachsen-
den Huhnerembry o zeigt (vergi. S c h 0 n hey d e r 10).
Dieses ist dort gleichzeitig mit -dem Auftreten von
Htimoglobin (Porphyrin Typ III) nachweisbar.
Eine weitere Bestatigung des ausschlieBlichen Vor-
kommens von Porphyrinen der Isomerenreihe III bei
den Vogeln di rfte noch von der Identifizierung jener
Porphyrine zu erwarten sein, die sich regelmafig in
den Faces der Trappen and der Eulen finden.
Demgegeniiber ist fair den Menschen wie fir den
hoheren Sauger der Dualismus der Porphyrine, d. h.
die grundsatzliche Fahigkeit des Organismus zur
Synthese isomerer Porphyrine nebeneinander, die
Regel. Dieser ist im normalen wie im pathologischen
Geschehen ffir eine grole Zahl von Fallen nachge-
wiesen.
Otto Volker.
(lichen, Zoolog. Institut.
io F. Schonheyder, J. biol. Chemistry 123. 491
[1938].
BUCHBESPRECHUNGEN
Botanische Bakteriologie and Stickstoffhaushalt der
Pflanzen auf neuer Grundlage von Hugo S c h a n -
derl. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1946. 198 S.,
46 Abb.; Preis karton. 7 RM.
Die Untersuchungen von S c h a n d e r 1 fiber das
Vorkommen von Bakterien in alien pfldnzlichen Ge-
weben sowie die angebliche Symbiose beider, zusam-
men mit seinen Behauptungen fiber die Aufnahme
atmospharischen Stickstoffs durch viele hohere, griine
Pflanzen sind ein neuartiger Beitrag auf einem Ge-
biet, das zumindest in den Grundzti.gen durch viele
Arbeiten bereits als weitgehend geklart angesehen
wird. Die z. T1. schon aus frii`heren Veroffentlichun-
gen bekannt gewordenen Anschauungen des Verfas-
sers Sind daher, wie kaum anders zu erwarten, auf
sehr groBes Mihtrauen gestoBen and konnten bisher
auch in vieler Hinsicht nicht bestatigt werden. Dieses
MiBtrauen wird nosh erholit durch eine viel zu gene-
relie Ablehnung von sorgfaltig ausgefiihrten Kon-
trollversuehen anderer Autoren. Alan vergleiche etwa
die Ablehnung der Arbeit von K. R i p p e 1 seitens
des Verfassers. Andererseits darf nicht verhehlt wer-
den, dad die aus den Beobachtungen des Verfassers
entwickelten Hypothesen neue Gesichtspunkte ent-
halten, die die weitere Nachprufung der Beobachtun-
gen als wichtig erscheinen lassen; es sei nur an
manche noch nicht tiberwundenen Schwierigkeiten bei
der Theorie der Knollehenbakterien erinnert.
Die tberlegungen des Verfassers gruppieren sich
im wesentlichen um zwei Beobachtungen: Nach sei-
non Ausftihrungen gelang es ihm erstens, sowohl aus
FrUchten and Samen als auch aus pflanzlichen Ge-
weben der verschiedensten Herkunft, unter sterilen
Bedingungen in neutralem his basischem Aledium, Bak-
terien zu kultivieren. Und zweitens glaubt or, die
Fahigkeit zur Assimilation von atmospharisehem
Stickstoff bei den verschiedensten hoheren and niede-
ren Pflanzen, insbesondere Nicht-Leguminosen, wie
Buchweizen, Sonnenblumen, Kartoffeln oder Hafer,
nachgewiesen zu habeas. Die Bakterien sollen sich als
Symbionten im Plasma der Zellen in Form von Chmn-
driosomen befinden, wo sie nichts anderes als Stand-
ortsmodifikationen von Bakterien darstellen sollen,
die durch geeignete Kulturmethoden wieder zu echteu
Bakterien regeneriert werden konnen. Dagegen er-
fahrt die bisherige, im wesentlichen aber nur fur die
Leguminosen giiltige Theorie der Stickstoffversor-
gung durch die Bakterien der Wurzelknollchen eine
volIige Ablehnung. Die Knollchen seien MiBbildun-
gen, ein Zeichen von N-Hypertrophie.
Wie Sind these Ergebnisse S c h a n d e r l s nun zit
hewerten? Was zunachst die Frage nach der Isolie-
rung von Bakterien aus Samen and Frichten anhe-
trifft, so konnte von verschiedener Seite bestatigt
werden, dad im Inneren von gesunden, fleischigen
Fruchten, allerdings nur in deren Hohlraum, sowie im
lockeren Fruchtfleisch, Bakterien and Hefen vorkom-
men (Marcus, Romwalter u. von Kiraly,
M i e h e). In Getreidekornern lichen - sick, zwischen
Fruclit- and Samenschale intrazellular wachsend,
Pilze nachweisen (auger N i c t h a m xn e r vor allem
Marcus). In beiden Fallen handelt es rich sogar
z. Ti. um regelmadige Erscheinungen.
Auf der anderen Seite aber gelang es bisher bei
Nachprtifungen der Ergebnisse des Verf. nicht, Mikro-
organismen aus dem festen Fruchtfleisch oder gar au.,
dem Inneren von Samen zu kuitivieren. Der vom
Verf. besonders herangezogene Befund von S t ii h r k,
der aus sterilisierten and dann steril zerquetschten
Erbsen Bakterien ziichtete, laht Bich auch durch Nah-
rungsmangel von zunachst nicht ausgewachsenen Kei-
n,en odes durch anhaftende Luftsacke, die das Aus-
keimen der Bakterien zunachst verhinderten, erkla-
ren. Auch konnte bisher in Nachuntersuchungen
unter Zugrundelegung der Schanderlschen Methodik
das allgemeine Vorhandensein von Bakterien im
Innern von aulerlich steril gemachtem Gewehe nicht
festgestellt werden (vergl. die kritischen Nachunter-
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BUCHBESPRECHUNGEN
suchungen von B u r z i k, K. Rippe1 u. a.). Nur in
einem Fall fand G e B n e r (nach Mar c u s) bei alien
sonstigen negativen Priifungsergebnissen bei. Hon-
lcenya im Mesophyll in 98 % der Falle Bakterien.
Weitere Untersuchungen sind also notwendig: denn
.,nicht gefunden" ist noch nicht mit ,nicht vorhan-
den" gleichzusetzen, wie S c h a n d e r 1 einwenden
kann. Auch andere Angaben, z. B. von S z i l v a s i
uber das Vorkommen von derartigen Bakterien, zei-
gen die Notwendigkeit der weiteren Arbeit.
Die Vorstellung einer allgemeinen Symbiose sol-
cher Bakterien, in der Form der Bakterioiden hzw.
der Chondriosomen, soil durch den behaupteten Nach-
weis der Assimilation des atmospharischen Stickstoffs
bei den verschiedensten Pflanzen besonders nahe-
gelegt werden. Diese Versuche wurden grollenteils
mit Pflaiizen durchgefuhrt, the in Mitscherlich-Ge-
fallen aufgewachsen waren. Es wurde der N-Gehalt
des Bodens sowie der Samen and der des Pflanzen-
materials vor and nach dem Versuch bestimmt and
aus diesem Unterschied der oft erstaunlich hohe N-
Gewinn solcher Kulturen, der dann aus der Luft auf-
genommen sein muBte, festgestellt. Leider wurde der
allergrofte Teil dieser Versuche mit nicht sterilen
Kulturen durchgefuhrt, da es nach der Ansicht des
Verfassers sterile Kulturen wegen des behaupteten
Auswanderns der in der Pflanze selbst vorkommen-
den Bakterien nicht gibt. Damit ist aUer der N-
Gewinn durch Luftstickstoff assimilierende Boden-
organismen nicht ausgeschaltet. Abgesehen von den
unbepflanzten Vergleichskulturen zur Bestimmung
ilires N-Gewinnes im Boden, diirften die Pflanzen
selbst durch die wahrscheinliche Forderung des
Mikroorganismuswachstums in der Umgebung ihrer
Wurzeln (vergl. die Rhizosphare nach S t i ll e ,
auch A. Rippel-Baldes, nicht Rippel-Beh-
r e n s, wie S c h a n c1 e r 1 schreibt) den N-Gewinn im
{ioden in unkontrollierbarer Weise erhdhen. Zusatz-
lich gegebener ,Startstickstoff", der vom Verf. fur
einen besseren N-Gewinn aus der Luft als forderlich
and oft als notwendig erachtet wird, kann ebenso gut
auch fur die Vermehrung der Bodenorganismen wich-
tig sein and deren N-Gewinn verbessern. Einige Ver-
suche liegen aber auch mit sterilen Kulturen vor.
Deren Ergebnisse waren besonders beweisend, befan-
den rich nicht gerade unter diesen GefkOen mit Nicht-
Leguminosen (soweit ich sehe, insgesamt nur 7 von
etwa 200 arlgefuhrten vergleichbaren GefaBversu-
chen) gerade die beiden einzigen Versuche, die einen
N-Verlust bzw. annahernde Gleichheit des N-Gehaltes
aufweisen. Schliefllich wird noch, als besonders ent-
scheidend, ein steril durchgeftihrter ,Fruchtfolge-
versuch ", der ebenfalls N-Gewinne ergab, dargesteilt.
Dieser eine Versuch konnte in der Tat, falls er wirk-
lich steril, ohne den Zutritt von Luftkeimen, durch-
gefuhrt wurde, fur die behauptete Assimilation des
Luftstickstoffs herangezogen werden. Die bisher bei
solchen Versuchen selbstverstandlieh auch noch nak?n
Versuchsende erforderliehe Sterilitat des Bodens -
wurde these am Ende der einzelnen'Teilversuche
uberpruft? - wird vom Verf. nun aber gerade wegen
des behaupteten Auswanderns der Bakterien aus den
Pflanzen fur unmoglich gehalten. Da weiterhin nile
entgegenstehenden Versuche, soweit sic mit N-Mangel-
kulturen durchgefuhrt wurden, vom Verf. wegen des
moglicherweise zum Anlaufen benotigten Startstick-
stoffs abgelehnt werden, sind auch her noch kritisehe
Nachuntersuchungen eriorderlich.
So ergibt sich also: Die Isolierung von Bakterien
aus Samen and Frf chten erscheint gesichert. Eine
exakte Bestatigung fur das regelmaBige Vorkommen
von Bakterien in beliebigen pflanzlichen Geweben ist
jedoch nicht vorhanden, gelegentliche Vorkommen
scheint es aber zu geben. Der saubere Nachweis, .dal
es sich bei solehem Vorkommen um eine echte Sym-
biose handelt, wie der Verf. annimmt, ist, abgesehnn
von Leguminosen and wenigen ahnlichen Fallen, his-
her nicht gelungen. Der Nachweis der Assimilation
des Luftstickstoffs durch griine, hohere Pflanzen er-
scheint mir nach kritischer Durchsicht seiner Experi-
mente, obwohl ein Versuch vielleicht dafiir sprechen
konnte, nicht endgiiltig erbracht. Die Ergebnisse des
V erfassers bedBrfen also weitgehend der Bestatigung,
and es ist einstweilen, vor allem in Hinsicht auf die
Praxis, nicht angebra.cht, bewahrte Anschauungen auf-
zugeben. . Wilhelm Simonis.
Schwermetalle als Wirkungsgruppin von Fermenten
von 0 t t o War b u r g, Berlin-Dahlem. Arbeits-
gemeinschaft Medizinischer Verlage G.m.b.IL,
Verlag Dr. Werner Saenger, Berlin 1946. 195 S.,
Preis geh. 20 RM.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dal- sich die Arbeiten
eines Forschers uber anderthalb Jahrzehnte hin so
folgerichtig eine aus der anderen entwickeln, dark sie
am Schlul3, in Gruppen unterteilt and chronologisch
geordnet, die einzelnen Kapitel eines systematischen
Lehrbuches uber ein fundamentales Forschungsgebiet
darstellen. Solch unwahrscheinliches Buch erschien
bei Springer 19281 Es war das Buch von 0 t t o War -
b u r g ?-Ober die katalytischen Wirkungen der leben-
digen Substanz". Es war das Jahr, mit dem die Ein-
wendungen der fiihrenden Chemiker Wieland,
W i l l s t a t t e r and von E u l e r gegen die Existenz
and die sauerstoffaktivierenden Eigenschaften des
Fermenteisens einschliefen. 35 Arbeiten in drei Ilaupt-
abschnitten zeigten, darn die Katalyse anscheinend
aller energetisch bedeutsamen Reaktionsketten der
Schwermetalle hedurfe, and entwickelten die Gesetz-
maBigkeiten, an denen man erkennt, dad das so ist:
Empfindlichkeit der Reaktionsketten gegen Schwer-
metallkomplexbildner, gegen CO and im ,Falle des
Eisens" Lichtempfindlichkeit der CO-Vergiftung.
Die heuristische Fruchtharkeit dieser Gesetzmallig-
keiten brachte es mit sick, dal3 das dramatische Buch
schon wahrend der Drucklegung iiberholt war: 19281
konnte 0 t t o War b u r g bereits das relative and
absolute Wirkungsspektrum des sogenannten War-
absolute
Atmungs#ermentes mitteilen. In den nach-
sten Jahren folgte die Zusammenordnung der Eison-
fermente zu Reaktionsketten der Elektronendbertra-
gung, die Zuordnung der Oxydationsgifte zu den bei-
den Wertigkeitsstufen des Eisens, die Bestatigung
1 Naturforscher- and Arztetagung Hamburg 1928.
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BUCIf BES PRE CIf UNGEN
der Wirkungsspektra Burch unmittelbare Messung der
Absorptionsspektren auch des Atmungsfermentes bei
Essigbakterien, Azotobakter and Herzmuskel in den
Laboratorien von Otto Warburg and K e i l i n.
Schliel3lich wurde der Geltungsbereich der so gefun-
denen katalytischen Prinzipien erweitert durch die
Entdeckung des wasserstoffentwickelnden Eisens der
Buttersaurebakterien, des Schwermetalls der Hefe-
zymohexase als Schwermetallfaktor der Hefegarung
Ind des Schwermetalls der Chloroplasten als Schwer-
metallfaktor der Photoreduktion der grtinen Pflanzen.
Fugt man hinzu, dad gleichzeitig die GesetzmaBig-
keiten dieser Vorgange durch zahlreiche neue Alodell-
versuche caber photochemische Konstanten and Aus-
heuten gesichert and in breiter Front an die allge-
meine Photochemie angeschlossen warden, so wird
man mit auflerordentlicher Spannung nach dem neuen
Buch von Otto War b u r g greifen.
Dieses Buch ist ganz anders aufgebaut als der Vor-
ganger von 1928. Es ordnet ' in 20 Kapiteln die alten
find die neuen Erkenntnisse zu einem strengen Lehr-
gebaude. Es beginnt in Kapitel I mit dem Platin-
modell von Davy and dem Palladiummodell von Wie-
land and endet in Kapitel XV and XVI fiber das
Atmungseisen mi.t der Diskussion der Haminformeln
and der wahrscheinlichen ,chemischen Konstitution
des Fermenteisens". In den Kapiteln XVII bis XX
werden dann die anderen oben erwahnten schwer-
metallhaltigen Fermente erortert. In Kapitel XXI
sind Versuche iiber den Quantenbedarf der Kohien-
saureassimilation mehr aulerlich angehangt, da diese
Versuche mit Schwermetallen nichts zu tun haben.
Sonst ist in stranger Beschrankung auf das Thema
des Buches alles weggelassen, was nicht unmittelbar
mit Schwermetall zusammenhbngt: sogar die eigenen
EiweiBkomponenten der Schwermetallprotelde selbst,
die in Warburgschen Laboratorien so vielfaltig iso-
liert and kristallisiert worden sind, and erst reeht alle
die Fermente, die nicht selbst Schwermetalle enthal-
ten, auch wenn metallfreies and Aletallferment Glie-
der derselben Reaktionskette sind.
Der materielle Inhalt des Buches geht fiir den Ken-
ner der Originalarbeiten aus den angefuhrten Ent-
deckungen hervor; er kann nicht in Kiirze referiert
werden. Dies gilt nicht fur die letzten beiden Kapitel.
Die in Kapitel XX behandelte Originalarbeit ist recht
unzuganglich in den Berichten der Aloskauer Aka-
demie der Wissenschaften veroffentlicht. Es handelt
sich um ?die Reduktion von Chinon in griinen Zellen
and Granula". Es gilt bei Belichtung grainer Prel3=
safte die Summengleichung 2 Chinon + 2 H2O = 2 Hy-
drochinon + 02 - 52 000 kal. Die Lichtahsorption er-
folgt durch das Chlorophyll. Katalysator der Reduk-
tion dfirfte Schwermetall sein. Denn der Komplex-
bildner Phenanthrolin wirkt hemmend. CO hemmt
nicht, Blausaure and Cystein werden durch Chinon
oxydiert. Die volistandig hemmende Giftmenge wurde
nur zur Bindung des Zinks der Granula ausreichen =
nicht ihrer iibrigen Metalle. Die Reduktion ist an
die Gegenwart von Chlorid - Bromid > Jodid - Ni-
trat gebunden; die anderen Anionen and alle Kationen
sind wirkungslos.
Die bisher unveroffentlichten Versuche fiber Koh-
lensaureassimilation (Kap. XXI) beschaftigen sich mit
dem E m e r s o n - Effekt and fiihren zu dem Ergebnis,
dad die photochemische Ausbeute von Chlorella-
Susperlsionen, die keine toten Zellen enthalten, auch
bei Berticksichtigung dieses Effektes 0,25 cp bleibt.
Der minimale Quantenbedarf bei Reduktion eines 02-
Molektils bliebe also 4.
Wahrend der Aufbau des neuen Buches in seinem
systematischen Fortschreiten vom Einfacheren zunl
Komplizierteren beinahe lehrbuchmaBig streng ge-
gliedert ist, bleibt ihm dock der erregende Reiz des
dramatischen Kampfes zwischen dem Geist des For-
schers and der sproden Verwickeltheit des Objektes
erhalten. Das beruht auf der beinahe einzigartigen
Fdhigkeit W a r b u r g s, von fremden wie eigenen
klassischen Experimenten zur Induktion des Gesetzes
and vom induzierten Gesetz zur Deduktion neuer Ex-
perimente weiterzuschreiten. Es durfte in dem ganzen
Buch wohl nicht eine Tatsache stehen, die nicht in den
FluB dieses analytischen unsl synthetischen Denkens
lebendig eingebaut ist. Diese Art der Diskussion ist
auch auf falsche Experimente and Folgerungen i1ber-
all da ausgedehnt, wo diese geeignet waren, das wie-
der zu trtiben, was mit Aliihe experimentell geklart
war" (S. 149). Die Pragnanz, mit der es geschieht,
mag auf konziliante Naturen leicht etwas erbarmungs-
los wirken. Obwohl diese Pragnanz amfisant ist, be-
ruht sie nicht allein darauf, dad W a r b u r g des so-
wieso nicht trockenen Tones allzu schnell satt ist.
Einen wesentlichen Teil seiner Motive gibt. er anlaB-
?lich der alten Diskussion zwischen H o p p e - S e y 1 e r
and Al a c Al u n n fiber die Histohamatine? an: ?fell
fiihre diese Diskussion hier an, well sie lehrt, wie ge-
fahrlich es ist, wenn man falsche Einwendungen auf
sich beruhen lkBt. Mac M u n n schwieg. Die Folge
davon war, dad in den nachsten 39 Jahren von den
Histohamatinen nicht mehr die, Rede war" (S. 61).
Das Buch ist so gesehlossen, dad es dadurch wie ein
AbschluB aussieht; es ist so beziehungsreich und an-
regend, dad es wie ein Anfang wirkt. Wir hoffen, dad
es auch fur Warburg selbst den Anfang einer
neuen Periode des Forschers bedeutet. Das Buch zu
empfehlen, durfte iiberfliissig sein.
H. H. Weber.
Verantwortlich fur den Inhalt: H. Friedrich - Freksa and A. Klemm
. Druck der Hoffmannschen Buchdruckerei Felix Krais Stuttgart
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
Herausgeber: H. Friedrich-Freksa and A. Klemm
unter Mitwirkung verschiedener Fachgenossen.
Einsendungen and Zuschriften sind zu rich4en, an die
Redaktion der Zeitschrift fur Naturfoi Chung, Tubingen, Johannesweg 11.
Die Zeitschrift soil 1947 in 2 Banden zu je 12 Heften erscheinen, von denen
Band 2 a Astrophysik, Physik and physikalische Chemie, Band 2b anorganische,
organische and biologische Chemie, Botanik, Zoologie u*d verwandte Gebiete
enthalt. Es werden aufgenommen:
1. Originalarbeiten in knapper, sachlicher Darstellung;
2. Kurze Mitteilungen wichtiger Forschungsergebnisse, die unter der Rubrik
,,Notizen" beschleunigt erscheinen werden;
3. Berichte fiber wichtige, in Deutschland zur Zeit schwer zugangliche auslan-
dische Arbeiten gegen Honorierung;
4. Mitteilungen fiber deutsche and auslandische Wissenschaftler, Hochsehulen and
Institute;
5. Besprechungen eingehender Fachliteratur;
6. Anzeigen, die der Beschaffung von Forschungsmitteln dienen.
Redaktionelle Anweisungen
1. Die Autoren werden auf Anordnung der amerikanischen Militarbehorde ge-
beten, ihre Vornamen sowie Geburtstage and Geburtsorte mitzuteilen.
2. Der Ursprungsort der Arbeit ist am Kopf des Manuskripts anzugeben.
3. In Zweifelsfallen wird gebeten, bei der Einsendung des Manuskripts anzu-
geben, ob die Aufnahme in Band 2a oder Band 2b erwunscht ist.
4. Eine Zusammenfassung soil der Arbeit vorangehen.
5. Zitate undAnmerkungen Sind durchlaufend numeriert aisFullnoten zu bringen.
Die im Chemischen Zentralblatt festgelegten Zeitschriftenabktirzungen Sind
moglichst zu bentitzen.
6. Es wird gebeten, die Abbildungen auf das Notwendigste zu heschranken and
durch Strichatzung reproduzierbare zu bevorzugen.
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Interesse des raschen Erscheinens, insbesondere bei kurzen Mitteilungen, das
Lesen der Korrekturen durch die Redaktion gewiinscht, 'so ist dies bei der Ein-
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Verotfentlicht unter der Zulassung Nr. 20 der Nachrichtenkontrolle der Militarregierung
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Approved For Release 2002/08/14: CIA-RDP83-00415R000700040006-3
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C H ~' //~~y,.~/ , Dr. pii.,Rrgantsator, 37 Jahre, politisch nicht belastet, mit guten Zeugnissen, Hochsch3
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langjfihrigeTatigkeit in Forschung and Betrieb der Groftindustrie. Arbeitsgebiete (Veroffentlithungen and Patente): Steroide,
Zellstoff, aliph. Alkohole and Kohlenwasserstoffe, Hochdrucksynthesen (Methanol), - an selbstandiges Arbeiten gewohnt,
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