COMMUNIST LITERATURE - REPORTS ON COMMUNIST POLITICAL AND ECONOMIC THEORY
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RIPPUB
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C
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131
Document Creation Date:
December 27, 2016
Document Release Date:
April 2, 2013
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4
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Publication Date:
March 5, 1950
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REPORT
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SUBJECT Communist Literature
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PARTEIHOCHSWCHULE ,KARL MARX" BEIM ZK DER SED
THEOKIE
UND
PRAXIS
3 jaHRGa'G
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THEOKIE
UND
PRAXIS
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ahre Oro e Sozialisfische Oktoberreye/ufion
Die KPdSU auf deco Wege zur Groben Sozialisiisdlen Okioherrevolution
Die Apcilihesen Lenins
Der Plan des Uberganges von dear biirgerlkh-domOkraIiS[hell Revolution
zur sozialististen Revolution
Als Manuskript gedruckt
Herausgebet': Parteihochschule ..Karl Marx" beim ZK der SED
Verantwortlich: Redaktionskoliegium
Veroffentlictjt unter der Lizenznummer 1771 des Ministeriums fur Kultur
(Hauptverwaltung Verlagsa.esan)
Satz and Drudt: Ag 04 55 1.4 183 V. 57
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Der Plan W I Lenins fur das Hinuberwachsen der
burgerlich-demokratischen Revolution in die soziali-
stische Revolution ist in vielen seiner Werke ausgear-
beitet and immer mehr vervollstandigt warden Einen
hervorragenden Platz nehmen hierbei solche Arbeiten
ein vie ?Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der
demokratischen Revolution", .,Das Agrarprogramm der
Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution
von 1905 bis 1907", .,Uber die Aufgaben des Proletariats
in der gegenwartigen Revolution" (Aprilthesen), ,.Uber
die Losung der Vereinigten Staaten von Europa", ?Der
Imperialismus als hochstes Stadium des Kapitalismus",
.,Die drohende Katastrophe and wie man sic bekamp-
fen soil", .,Werden die Bolschewiki die Staatsmacht be-
haupten?" u. a.
Bei der Ausarbeitung dieses Planes verwertete W. I.
Lenin die Kampferfahrungen des internationalen Pro-
letariats, die von den Begrundern des wissenschaftlichen
Sozialismus Marx and Engels veraligemeinert worden
waren. Der Leninsche Plan, der auf dem gewaltigen
Erfahrungsschatz des internationalen Proletariats be-
ruht. konnte deshalb eine so grofie theoretische and
praktische Bedeutung erlangen. Weil er gleichzeitig in
slrenger tlbereinstimmung mit der konkreten histori-
schen Wirklichkeit in Ruliland ausgearbeitet wurde.
Bereits 1894 schrieb W. I. Lenin in seinem Werk ,,Was
sind die ,Volksfreunde' and wie kampfen sic gegen die
Sozialdemokraten?": ..Es kann keinen Dogmatismus
geben, wo zum obersten and einzigen Kriterium' einer
Doktrin ihre Ubereinstimmung mit dem wirklichen Pro-
zetl der sozralen and okonomischen EntwidQung ge-
macht wird "t)
Das war die Ridltschnur W. I. Lenins fur seine, ge-
samte theoretisch-politische Arbeit. In seinem Plan
loste Lenin die schwierige Frage des Hinuberwachsens
der burgerlich-demokratisdhen in die sozialistische Re-
volution in der Epoche des Imperialismus in Rullland.
11 w. I. Lenin, ?was slnd die ,Volksfreunde' and vile kampfen
sic gegen die Sozialdemokraten?", Dietz Verlag, Berlin 1950.
s. 4os.
In der Ldsung diesel' Frage ist das Grundlegende fur
den Ubergang zum Sozialismus such fur die anderen
Lander enthalten. Deshalb wird dieser Plan von den
Kommunisten der ganzen Welt studiert and entspre-
chend den konkreten historischen Bedingungen in der
Praxis verwirklicht. Fur die richtige Ausarbeitung der
Strategic and Taktik der Partei des Proletariats forderte
Lenin die genaueste Analyse des Wcchselverhaltnisses
der Klassen and der Besonderheiten' jedes geschicht-
lichen Augenblicks. Eine solche Analyse arbeitete Lenin
aus. Sein strategischer Plan der Partei in der biirgerlich-
demokratischen Revolution Bowie der Plan des Hinuber-
wachsens der burgerlich-demokratischen in die sozia-
listische Revolution \varen wissenschaftlich fundierle
5chlul3folgerungen aus der Analyse des Wechselverhalt
nisses der Klassen.
Der konkrete unmittelbare Plan des Uberganges von
der burgerlich-demokratischen zur sozialistischen Revo-
lution waren die Aprilthesen W I Lenins. Erst zu dieser
Zeit, als die burgerlich-demokratische Revolution in
RuOland gesiegt hatte, war es moglich, einen solchen
konkreten Plan wie die Aprilthesen auszuarbeiten. Das
war nicht nur moglidi, sondern auch notwendig, denn
die Partei der Bolschewiki hatte bis zur Ruckkehr Le-
fins aus der Schweiz keinen solchen konkreten Plan.
In der Revolution von 1905 bis 1907 wurde vom
III Parteitag der SDAPR das Wesentliche fur den
Ubergang zur sozialistischen Revolution gesagt, and
W. I. Lenin gab vor allem in seinem Werk ?Zwei Tak-
tiken 'der Sozialdemokratie in der demokratischen Re-
volution" and in weiteren Arbeiten eine geniale Be-
grundung der taktischen Beschlusse des III. Parteitages
der SD APR.
Jedoch konnte and durfte man die in der Periode der
ersten russischen Revolution ausgearbeiteten taktisdlen
Leitsatze nicht schematisch auf die Periode nach der
Februarrevolution 1917 ubertragen. Die Situation nach
dem Februar 1917 war in vielfacher Hinsicht nicht mehr
die gleiche wie 1905. Nicht zuletzt war aucti die Ent-
wicklung des Imperialismus weiter fortgeschritten. Neue
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fiillt wurden. Um Frieden, Land and Brot zu erlangen,
Forderungen, die die kapitalistisehe Regierung nicht er-
fullen wollte and konnte, war es notwendig, den Uber-
gang zur zweiten Etappe der Revolution, zum Kampf
fur den Sturz der imperialistischen Bourgeoisie, in An-
grill zu nehmen. Iln Bundnis mit der gesamten Bauern-
schaft hatte das Proletariat den Zaren gesturzt and die
schwankende Haltung, der Bourgeoisie, die die Volks-
revolution durch eine Palastrevolution verhindern
wollte, paralysiert. Jetzl den Schwung der Revolution
auszunutzen and im Bundnis mit den armen Bauern and
den anderen ausgebeuteten Masscn den Widerstand der
imperialistischen Bourgeoisie zu brechen and mit deco
Obergang zur sozialistischcn Revolution zu beginnen -
das war die Aufgabe, die Lenin in den Aprilthesen stellte.
Ohne den Ubergang von der ersten 2,ur ?zweiten Etappe
der Revolution war es nicht tnoglich, den imperialisti-
schen Krieg, der taglich Tausende Opfer an Toten and
Verwundeten forderte, der zum wirtschaftiichen Ruin
des Landes fuhrle, durch einen cemokratischen Frieden
zu bccnden.
Die Bourgeoisie, die Menschewiki and Sorialrevolu-
tionarc versus (en den Werktatigen einzureden, dal/
sich der Charakter des Krieges von seiten Rulilands
nach dem Stutz des Zarismus geandert habe, dal/ dieser
Krieg angeblich cin revolutionarer Verteidigungskrieg
geworden sei. Und es gelang ihnen auch eine Zeit lang.
breite Schichten der Arbeiter and insbesondere der
Bauern damit zu betrugen. Die Bolschewiki muflten da-
her cine geduldige Aufklarungsarbeit leisten, um bei
den Massen den wahren imperialistischen Charakter des
Krieges aufzudecken, den die Provisorische Regierung
weitcrfuhrte Lenin sagte in den Thesen, da(i der Krieg
auch totter der neuen Provisorischen Regierung ein Er-
oberungskrieg bleibt. Der Charakter des Krieges wird
nicht durch fromme Wunsche bestimmt, sondern durch
den Klassencharakter der kriegfuhrenden Regierung.
Daher waxen auch die kleinsten Zugestandnisse an die
sogenannte revolutionare Vaterlaundsverteidigung unzu-
liissig. Lenin betrachtete die ?revolutionare Vaterlands-
verteidigung" ais den schlimmsten Feind der weiteren
Bewegung and des Erfolges der russiscnen Revolution.
Solange die Soldatenmassen fiir die Interessen der
russischen and der mit ihnen verbund'enen franzosi-
schen, englischen and amerikaniscnen Imperialisten
kampften, solange sie den Feind inn eigenen Lande, die
russischen Kapitalisten, nisi als diesen Feind erkann-
ten, wares nisi moglich, sie in den Kampf gegen diese
zu fuhren; war der Bruch mit den Interessen des Kapi-
tals nicht moglich. Lenin schrieb: ?Das geringste Zu-
gestandnis an die revolutionare Vaterlandsverteidigung
ist Verrot am Sozttilisnnls, ist vollige Preisgabe des
Internationalism us, unit welch schonen Phrasen, mit
welch ?praktischen" Erwagungen man,dieses auch zu
rechfertigen such.")
Lenin verlan; e, dali man die in gutem Glauben Han-
delnden, in die Irre gefuhrten Vaterlandsverteidiger, die
Vertreter der breiten werktatigen Massen, die keine
materiellen Vorteile aus dem Krieg zogen, gut von den
() W. I. Lenin. Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revo-
hulon, ebenda, Bd. IT, S. 29.
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bewuliten ?Vaterlandsverteidigern", den Fuhrern der
kleinburgerlichen Parteien unterscheide.
Den in die Irre gefuhrten gutglaubigen ?Vaterlands-
verteidigern" muflte man geduldig Hire Irrtumer and
Fehler erklaren, was aber die bewufltcn ?Vaterlands-
verteicliger" betrifft, so mulite man sie als Verrater ent-
larven. Lenin forderte, klarzumachen, dafi man den
Krieg nur Burch den Sturz der Macnt der Bourgeoisie
mit einem wahrhaft demokratischen Frieden beenden
konne and rief dazu auf, die breiteste Propaganda dieser
Ansichten in der Armee zu organisieren Die Frage des
Krieges and des Friedens, die Lenin in der ersten These
aufwarf, wurde vom Leben selbst in den Mittelpunkt
gestellt. In der Frage des Krieges kam der Widerspruch
ztvischen den breiten Volksmassen, die das Ende des
Krieges ersehnten and den Ft'ieden fordertcn, and der
imperialistischen Bourgeoisie, die den Krieg ?bis zum
siegreichen Ende" wollte, zum Ausdruck Diescr Wider-
spruch and die Aufdeckung dieses Widerspruches vor
den breitesten Massen der Bevolkerung durch die
Bolschewiki loste eine gesamtdemokratische Bewegung
fur den Frieden aus, die sich gegen die innperialistiscne
Kriegspolitik der Provisorischen Regierung richtete Das
erklart auch, weshalb die Friedensfrage die Imperia-
listen so empfindlich traf Somit war der Ubergang von
dcr ersten zur zweiten Etappe der Revolution durch die
Fortdauer des imperialistischen Krieges and die Not
wendigkeit, ihn durch einen demokratischen Frieden zu
beenden, begunstigt
Auf den internationalen Kongressen in Stuttgart.
Kopenhagen and Basel wurde das Proletariat aller Lan-
der verpflichtet, .,mit alien Kraften dahin zu streben, die
durch den Krieg herbeigefuhrte wirtschaftliche and
politische Krise zur Aufruttelung des Volkes auszu
nutzen and dadurch die Beseitigung der kapitalistischen
Klassenherrschaft zu beschieunigen."%) W. I Lenin trat
konsequent fur die Durchfuhrung dieser leitenden
Grundsatze im Kampf gegen den Krieg ein
Die Losung des demokratischen Friedens war in den
Handen der Bolschewiki eine starke Waffe zum Zu-
sammensc lufl der Massen unter ihrem Banner Die
Friedensiosung war die den breiten Volksmassen ver-
standlichste Losung. Sic wurde insbesondere auch am
besten von den Millionenmassen der Bauern verstanden.
fur sic war der Frieden auch deshalb notwendig, um
den verhaflten Gutsbesitzern den Boden wegzunehmen
um bei der Aufteilung des Gutsbesitzerbodens dabet zu
sein. Die Forderung W. I Lenins nach der Beendigung
des Krieges durch einen demokratischen Frieden, ohne
Annexionen and Kontributionen. lag auch im Interesse
det? fruher vom Zarismus hid jetzt von der Provisori-
schen Regierung unterdruckten Nationalitaten in RuB-
land. Unter Annexionen verstand Lenin nicht nur die
im gegenwartigen Kriege annektierten Gebiete Lenin
verstand darunter auch das gewaltsame Festhalten dei?
Volker innerhalb der Grenzen Rulilands.
In der von W. I. Lenin ausgearbeiteten Resolution
zur nationalen Frage, die von tier Aprilkonferenz an-
genomnten wurde. heillt es u. a.? ?Allen Nationen, die
zu Ruliland gehoren, mull das Recht auf freie Los-
trennung and Bildung eines selbstandigen Staates zu-
%) Manifest des Auaerordentlidien Sozialisiisdien Kongresses
in Basel (29.-25. November 1912), aus Budheret des Marxis-
nms-Leninismus. Bd. 19, Dietz Verlag, Berlin 1966, S. 13%
erkannt werden. Die Verneinung dieses Rechtes and die
Unterlassung von MaBnahmen, die seine praktisehe
Durchfiihrbarkeit verburgen, ist gleichbedeutend mit
der Unterstutzung der Eroberungs- and Annexions-
politik."8)
Das war die Richtlinie der Politik der Bolschewiki in
der nationalen Frage.
Die Provisorische Regierung dagegen lehnte die
elementarsten Forderungen der unterjochten Nationali-
taten Rulilands ab. Die von der Bourgeoisie geschaffene
Provlsorische Regierung war weder gewillt noch fahig,
cine ernsthafte Losung der nationalen Frage zu garan-
tieren In der Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft uber
die nationalen Randgebiete and in der weiteren imperia-
listischen Expansion sah die Bourgeoisie eine der Grund-
lagen ihrer ~virtschaftlichen and politischen Macht, ihrer
Klassenherrschaft. Gestutzt auf die kleinburgerlichen
Parteien, die Sozialrevolutionare and die Menschewiki,
verfocht sic die alte zaristisehe Losung des ?einigen and
unteilbaren Ruliland."
Der Unterschied zwischen dem Zaren and der Provi-
sorischen Regierung hinsichtlich der nationalen Unter-
driickung bestand lediglich darin, dali die Zaren die
Annexionspolitik often and brutal durchfuhrten, wah-
rend die Provisorische Regierung ?genau dieselbe An-
nexionspolitik raffinierter, versteckter"s) betrieb.
Der gesamte zentralisierte barokratische Appai?at des
Zarismus in den nationalen Gebieten blieb vollig un
angetastet. Die russische Sprache war nach vie vor die
Staatssprache fur alle Volkerschaften. Die staatliche
Schule blieb gleichfalls russisch. Die Forderungen der
unterdriickten Volkerschaften nach GewShrung natio-
nalen Rechte wurden abgelehnt Es konnte unter? diesen
Umstanden nicht ausbleiben, dali die nationale Be-
freiungsbewegung nach der Februarrevolution nicht
schwacher, sondern starker wurde and daft sich die
Sympathien der national unterdruckten Volkerschaften
immer mehr dem von den Bolschewiki gefuhrten Prole-
tariat zuwandten, Weil nur das Proletariat konsequent
die Interessen der national unterdruckten Volkerschaf-
ten verfocnt.
Die Aprilthesen W. I. Lenins hatten somit eine grofle
Bedeutung fur den Kampf der Bolschewiki um die Ge-
winnung jener-breiten Schichten des Volkes, die an
einem demokratischen Frieden and an 'der Beseitigung
der nationalen Unterdruckung interessiert waren. Sic
zeigten, daft der Weg fur die Erreichung eines demokra
tischen Friedens der Weg des Ubergangs von der ersten
zur zweiten Etappe der Revolution war.
Orientierung auf die friedliche Entwicklung
der Revolution
,Nachdem W I. I.enin diese wirhtigen Fragen der Revo-
lution geklart hatte, zeigte er, welche Stellung die Partei
der Bolschewiki zur Provisorischen Regierung einerseits,
and zu den Sowjets der Arbeiter- and Soldatendeputier-
ten andererseits einnehmen and weicte Taktik sic
"or allem anwenden mull, um auf dem Wege des Uber-
gangs von der ersten zur zweiten Etappe der Revolution
sicker vorwartszukommen. Lenin stellte in den April-
'9 W. I. Lenin, Samtiidie \Verke, Bd. XX, 2. Halbband, Verlag
far Literatur and Politik, tVien-Berlin 1928. S. 291.
") Ebenda; 1. Halbband. S. 929.
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thesen die Losung auf, der Provisorischen Regierung
keinerlei Unterstutzung zu geben and auf den Uber-
gang der gesamten Staatsmacht in die Hande der Sowjets
zu bestehen.
Das erforderte die Entlarvung der Provisorischen Re-
gierung ?statt der unzulassigen, Illusionen erweckenden
,Forderung', diese Regierung, die Regierung der Kapita-
listen, solle aufhoren, imperialistisch zu sein 4f6)
Es ist bekannt, daft J. W. Stalin, abgesehen von den
bis zur Ruckkehr Lenins allgemein vorhandenen Un-
klarheiten uber den weiteren Verlaut der Revolution,
im wesentlichen cine richtige politische Linie verfolgte,
indem or, zum Unterschied von Kamenew - dessen
Position der bedingtenUnterstutzungtier Provisorischen
Regierung sich jener der Menschewiki naherte -, die
werktatigen Massen aufrief, die Errungensehaften der
Revolution zu erweitern and die Sowjets als Organe
der revolutionaren Macht des Volkes zu festigen, ,Ie-
doch selbst J W. Stalin vertrat eine unrichtige Auf-
fassung in der Stellung zur Provisorischen Regierung.
In seinem Aufsatz ?Ober den Krieg", der am 16. Marz
1917 in der ?Pravda" veroffentlicht wurde, verlangte
er den ?Weg des Drucks auf die Provisorische Regie
rung, indem man von ihr fordert, der unverzuglichen
Einleitung von Fi?iedensverhandlungen zuzustimmen. `ti)
Das zeigt, vie schwierig die richtige Ausarbeitung
der Politik in dieser Frage war. Jedoch hat J W Stalin
rasch diese falsche Auffassung uberwunden and auf
del. Aprilkonferenz der Bolschewiki Lenins Standpunkt
untersti tzt. Er hat 1924 selbst semen fehlerhaften
Standpunkt am besten eingeschatzt, indem or darauf
hinwies, daft die Politik des Druckes auf die Proviso-
rische Regierung ? , eine zutiefst falsche Position war,
denn sic erzeugte pazifistische Illusionetl, leitete Wasser
auf die Muhle der ,Vaterlandsverteidiger' and ei?-
scntverte die revolutionare Erziehung der Massen."12)
Die Provisorische Regierung wollte and konnte auf
Grund ihres imperialistischen Charakters keine der
Grundforderungen der Massen erfullen. Wer infolge-
dessen solche Forderungen an sic stellte, mullte bei den
Massen unvermeidlich die Illusion erzeugen, dali die
Provisorische Regierung diese Forderungen erfiillen
konne. muflte die Vertrauensseligkeit der Masscn gegen-
uber der. Provisorischen Regierung starken, anstatt sic
zu uberwinden.
Ihr durfte keinerlei Unterstutzung gewahrt werden,
denn sic war eine imperialistische Regierung.
Lenin stellte jedoch in den Aprilthesen nicht die Lo-
sung des Sturzes der Provisorischen Regierung auf. Er
Bing davon aus, dali diese Regierung die Unterstutzung
der Sowjets besafl and zog in Betracht, dal/ in den moi-
sten Sowjets der Arbeiter- and Soldatendeputierten die
Bolschewiki in der Minderheit waren and gegenuber
dem Block aller kleinburgerlichen Parteien, durch die
die Bourgeoisie ihren Einflull auf das Proletariat and
die armen Bauern ausubte, sogar in einer schwachen
Minderheit.
ifi) w. I. Lenin, uber die Aufgaben des Proletariats in der
gegenwardgen Revolution, In: W. I. Letiin, Ausgewghlte
Werke in zwei B5nden, Bd. IT, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 8.
i
Ii) J. W. Stalin, Werke, Bd. 3, Dletz Verlag, Berlin 1951, S. %.
12) Ebenda, Bd. 6, Dietz Verlag, Berlin 1452, S. 298.
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Unter diesen Bedingungen hatte die Forderung des
Sturzes der Provisorischen Regierung bedeutet, gleich-
zeitig gegen sic and die Sow jets zu k5mpfen, and des-
halb war sic falsch.
Lenin arbeitete in den.Aprilthesen eine solcheTaktik
aus, die auf die Verstarkung des Einflusses der Bol-
schewikiinnerhalb der Sowjets and auf die Eroberung
der Mehrheit in den Sowjets gerichtet war. Lenin ver-
langte ?Aufklarung der Massen daruber, daB die So-
wjets der Arbeiterdeputierten die einzig lnoglidte Form
der revolulionaren Regierung sind, and daB daher un-
sere Aufgabe (die Aufgabe der Bolschewiki - 0. H.),
solange sick diese Regierung von der Bourgeoisie beein-
Bussen laflt, nur in geduldiger, systematischer, beharr-
licher, besonders den praktischen Bedurfnissen der Mas-
sen angepatiter Aufklarung uber die Fehler ihrer Tak-
tik bestehen kann.
Solange wir in der Minderheit sind, leisten wir die
Arbeit der .Kritik and Klarstellung der Fehler, wobei
wir gleichzeitig die Notwendigkeil des Ubergangs der
gesamten Staatsmacht an die Sowjets der Arbeiterdepu-
tierlen propagieren, damit die Massen sick clurch die
Erfahrung von ihren Fehlern befreien "n)
Es ist klar, daB das keine blanquistische Taktik war,
vie dies damals Plechanow and andere den Bolsche-
wild vorwarfen. Diese Taktik war auf die Gewinnung
der Mehrheit in den Sowjets gerichtet, die Sowjels aber
waren die Organisation der Mehrheit des Volkes. Die
Mehrheit in den Sowjets konnte nicht anders as durch
geduldige Aufklarung cler Massen, also durch die Me-
thode der Uberzeugung errungen werden. Damit stand
vor den Bolschewiki jetzt die Aufgabe, die breiten
Massen geduldig and kameradschaftlich davon zu uber-
zeugen, daB die Provisorische Regierung weder in ihrer
Innen- noch in ihrer Aullenpolitik Vertrauen verdiente,
daB sic dem Volk weder Frieden noch Freiheil, weder
Brot noch Boden gewahren konnte, and daB deshalb
die Unterstutzung dieser Regierung durch die mensche-
wistischen and sozial-revolulionaren Fuhrer der Sowjets
falsch war. Die Massen mullten daruber aufgelclart
werden, daB die fehlerhafle Taktik der Menschewiki
and Sozialrevolutionare den Erfolg der weiteren Revo-
lution unmoglich b achen wurcle.
Die Arbeit der Bolschewiki mullte die Massen an
Hand ihrer eigenen Erfahrungen davon uberzeugen, daB
ihre Forderungen nur damn erfullt werden konnten,
Wenn die gesamte Macht in die Hi nde der Sowjets der
Arbeiter= and Soldatendeputierten uberging.
Lenin vies darauf hin, daB diese scheinbar ?bloB"
propagandistische Arbeit' in Wirklichkeit im hochsten
Grade praklische revolutionare Arbeit war.
Das Weiterschreiten der Revolution hing:von der
Kraft des klassenbewuflten and organisierten Proleta-
riats and seiner Verbindung mit den armen Bauern ab.
Diese prinzipielle Feststellung hatte Lenin schon 1905
getroffen. Jetzt'muflte das Klassenbewulltsein des? Pro-
letariats and der Massen uberhaupt vor allem dadurch
entwiccelt werden, daB man es von der blinden Ver-
trauensseligkeit gegenuber der Provisorischen Regierung,
befreite, die die Volksmassen auch noch dadurch hin-
13)-W I. Lenin, tYber die Aufgaben des Proletarlats in der
gegeneriirligen Revolution, in: W. I. Lenin, Ausgewiihlte
Werke in zhvei BBnden, Bd. II, Dictz Verlag, Berlin 1952, S. B;9,
hielt, daB sic sic immer wieder auf die Einberufung
der Konstituierenden Versammlung vertrostete, wobei
sic gar nicht im Ernst daran dachte, sic jemals einzu-
berufen. Nur lurch die Uberzeugungsarbeit war es mog-
lich, vie Lenin schreibt:
sowohl das BewuBtsein des Proletariats als auch
das BewuBtsein der Massen sowie deren kiihne, ent-
schlossene Initiative liberall inn Lande, die eigenm5ch-
tige Verwirklichung, Entfaltung and Festigung derFrei-
heiten, der Demokratie, des Prinzips des Gemeinbesilzes
des Volkes am gesamten Boden vorwartszutreiben. "i)
Die Taktik, die W. I. Lenin fiir den Ubergang von der
burgerlich-demokratischen zur sozialistischen Revolution
ausgearbeitet hatte, bestand somit darin, durch gedul-
dige Uberzeugungsarbeit unter den Massen die Mehr-
heit in den Sowjets zu erringen, and damit die Zusam-
mensetzung and die Polilik der Sowjetregierung zu
andern.
Diese Taktik war auf. die friedliche Entwicklung der
Revolution gerichtet, was bis zum 4. Juli 1917, dem Zeit-
punkt, wo die kleinburgerlichen Parteien offen and be-
wuBt ins Lager der Konterrevolution ubergingen, vollig
real war. Diese friedliche Entwicklung der Revolution
war moglich, veil die Waffen in den Handen des Vdl-
kes waxen. Im Befehl Nr.1 des Petrograder Sowjets
der Arbeiter- and Soldatendeputierten, der auch von
Kerenski unterschrieben war, hieB es ?Die Truppen-
leile haben sick in alien ihren politischen Aktionen dem
Sowjet der krbeiter- and Soldatendeputierten and ihren
Komitees unterzuordnen. Befehle der Militarkommission
der Reichsduma sind nur dann durchzufuhren, wean sic
den Befehlen and Beschlussen der Sowjets der Arheiter-
und Soldatendeputierten nicht widersprechen " Das
heiBt, daB es in den ersten Monaten nach der Februar-
revolution keine Gewalt gab, die die Sowjets hatte daran
hindern konnen, die ganze Staatsmacht in ihre Hande
zu nehmen. RuBland war zu dieser Zeit von alien krieg-
fuhrenden Landern das freieste Land mit den grbBten
demokratischen Freiheiten.
Hatlen damals die Sowjets der Arbeiter- and Sol-
datendeputierten, die in der Mehrheit noch den Par-
teien der Sozialrevolutionare and Menschewiki angehor-
ten, die gauze Macht ubernommen, so ware es durch
die Uberzeugbngsarbeit der Bolschewiki unter den Mas-
son ohne weiteres moglich gewesen, daB bei den Wah-
len zu den Sowjets andere Vertreter aus den Betrieben
and Truppenleilen gewahlt werden waren Das heilit.
dalI es auf diesem Wege moglich gewesen ware, die Zu-
sammensetzung der Sowjets zu andern and langsam,
auf friedlichem Wege, aus dieser kleinburgerlichen
Maciit eine Macht der revolulionaren Arbeiter and
Bauern, eine Diktatur des proletariats zu machen
Die Aprilthesen sind ein klassisches Beispiel dafur,
daB die Kommunisten nicht unter alien Umstanden fur
den bewaffneten Aufstand eintreten, ja, dalI sic bestrebt
sind, moglichst ohne BlutvergieBen die sozialistische
Revolution zum Siege zu fiihren. Ms nach dem 4. Juli
1917 diese friedliche Entwicklung der Revolution un-
moglich geworden war, schrieb W.I Lenin: ?Dieser
Weg (der friedliche Weg - 0 H.) ware der schmerz-
1) W. I. Lenin, Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revo-
lution, ebenda, S. 22.
14
1 i
1`'t
i,
loseste gewesen, and darum muBte man mit alley Ener-
gie fur ihn kampfen.'"1)
Das widerlegt auch die verleumderise he Behauptung
der Feinde der Arbeiterklasse, die den Kommunisten vor-
werfen, sic wollen ihre Ziele nur durch Gewalt durch-
setzen. W, I. Lenin, der die Partei der Bolschewiki durch
seine Aprilthesen auf eine friedliche Entwicclung der
Revolution urientierte, ivies gleichzeitig darauf bin, daB
die Revolution nur vorwartsgetrieben werden konnte,
Wenn der alte Machtapparat mit seiner Polizei undArmee
zerstort and eine proletarische Miliz geschaffen wurde.
In der Arbeit ?Die Aufgaben des Proletariats in un-
serer Revolution", in der er die Aprilthesen ausfuhrlich
erlauterte, schrieb Lenin: ?Die Kommune and die So-
wjets der Arbeiter-, Soldaten-, Bauern- usw. Deputier-
ten zerschlagen and beseitigen diese Maschine.'"e)
Dies zeigt, daB es vollig irrig ware, die friedliche Ent-
wicklung der Revolution and die Zerschlagung des alien
Staatsapparates einander entgegenzustellen, dean W. I.
Lenin trat fur die friedliche Entwicklung der Revolution
em, aber gleichzeitig verfocht e? mit alter Entschieden-
heit die Zerschlagung des alten Machtapparates. Die
friedliche Entwicklung der Revolution and die Zerschla-
gung des alten Machtapparates, sowie seine Ersetzung
durch einen proletarischen, mit dem Volk verbundenen
Machtapparat, stellen eine Einheit dar. Der Unterschied
zwischen einer auf dem Wege des bewaffneten Auf-
standes durchgefiihrten proletarischen Revolution and
einer Revolution auf friedlichem Wege kann hinsichtlich
der Zerschlagung des alten Staatsapparates lediglich
darn bestehen, dalI er im ersten Falle, vie die Oktober-
revolution lehrt, schnell, im Laufe einer kurzen Zeitspanne,
zerschlagen wurde, wahrend dies bei einer friedlichen
Revolution, vie dies die revolutionare Entwicklung in
den CSR and in anderen Landern den Volksdemokratie
zeigt, allmahlich geschah.
Die Erfahrungen der internationalen Arbeiterbewe-
gung lehren jedoch, daB ein so wichtiger Teil des alten
Staatsapparates, tvie die Armee, sofort den Handen der
Imperialisten and Militaristen entrissen werden muB,
well sonst der friedliche Weg zum Sozialismus nicht
moglich ist.
Im ersten Falle.ist die Zerschlagung des biirgerlichen
Staatsapparates, vie das Marx in seinem Brief an
Kugelmann 'schrieb, ?die Vorbedingung jeder yolks-
revolution", im zweiten Falle wird diese notwendige Be-
dingung allmahlich erfullt. In jedem Falle muB also der
alte burgerliche Staatsapparat zerschlagen werden.
Ebenso vie Marx and Engels machte W. I Lenin die
Frage des Weges, der Methoden and Formen des Kamp-
fes fur den Sieg der Revolution vom Krafteverhaltnis
zwischen dem revolutionaren Proletariat and der Bour-
geoisie abhangig. Die Frage nach dem Verhaltnis zwi-
schen den friedlichen oder gewaltsamen MaBnahmen,
die die Arbeiterklasse im Verlauf der sozialistischen
Umwalzung ergreift, wird einzig and allein durch die
Starke des Widerstandes, den die Bourgeoisie leistet, be-
stimmt.
Das gilt nicht nur bei der Machtergreifung durch das
Proletariat, sondern fur den gesamten ProzeB der sozia-
15) W. I. Lenin,'Zu den Losungen, ebenda, S. 70.
16) Ebenda, S. 27.
listischen Umwalzung, die mit der Machtergreifung nicht
endet, sondern erst beginnt. Die Starke des Wider-
standes der Bourgeoisie hangt von allem vom Kiafte-
verhaltnis zwischen dem Proletariat, das in jedem Falle
seine Macht festigen mull and der Bourgeoisie ab. Wenn
die Bourgeoisie gewaltsamen Widerstand leistet, mull
ihr Widerstand Burch die Diktatur des Proletariats ge-
wallsam gebrochen werden. Es ist vollig falsch and fur
den Bestand der proletarischen Staatsmacht sehr ge-
fahrlich, die Kraft der gestBrzten Ausbeulerkiassen nur
nach ihrem Anteil an der Gesamlbevolkerung zu be-
urteilen, vie dies unlangst Genosse Kardelj in selner
Rode vom 7. Dezember 1950 tat. Die Starke der gesturz-
ten Bourgeoisie besteht, vie Lenin lehrl, in der Starkc
des internationalen Kapitals, in der Starke ihrer inter-
nationalen Verbindungen, Die Starke der gesturzten
Bourgeoisie besteht weiterhin in dem Geld, das ihr ver-
blieb in ihren venwaltungstechnischen and militarischen
Kenntnissen and vor allem auch In der Starke der
kleinen Warenproduktion, die standig kapitalistische
Elemente hervorbringt. Das alles zu ignorieren, bedeulel
die Wachsamkeit der Partei and der Staatsmacht des
Proletariats gegenuber den konterrevolutionaren
Machenschaf ten des Imperialismus zu Iahmen.Die Starke
des Proletariats hangt vor allem von seiner BewuBtheit
and seiner Onganisiertheit sowie von semen Verbindun-
gen mit den anderen werktatigen Schichten in Stadt
and Land ab. Von entscheidender Bedeutung fiir die
Starke des Proletariats in einem Lande sind seine Ver-
bindungen mit dem Proletariat der anderen Lander,
insbesondere der Sowjetunion and den zum sozialisti-
schen Lager gehorenden Landern. Die Starke des Prole-
tariats hangt von der Starke den Positionen des Sozialis-
mus in der ganzen Welt ab. Die Kraft des Proletariats
hangt aueh von semen Verbindungen mit der anti-
imperialistisehen nationalen Befreiungsbewegung ab.
Je starker das Proletariat ist, um so weniger Kraft
and Energie wird die Bourgeoisie zum Widerstand gegen
die sozialistische Revolution haben. Je weniger? jedoch
die Bourgeoisie Widerstand leisten kann, um so elasti-
schere Methoden kann das Proletariat gegenuber den
Bourgeoisie anwenden.
Dieser Gesichtspunkt liegt auch der weiteren Entwick-
lung dieser Frage durch den XX. Parteitag der KPdSU
zugrunde, der bei der Losung dieser Frage die Ver-
anderung des Krafteverhaltnisses zwischen Kapitalis-
nius and Sozialismus-im WeltmaBstab zugunsten des
Sozialismus berucksichtigte and hieraus neue Sch1uB-
folgerungen fi rdie Wege undMethoden des Kampfes zog
Alle Macllt den Sowjets
Die Taktik fur den Ubergang von der bBrgerlich-
demokratischen zur sozialistischen Revolution, die W. I.
Lenin ausgearbeitet hatte, beruhte auf einer genauen
Analyse des Krafteverhaltnisses. Aber die Analyse des
Krafteverhaltnisses genugte nicht fur die Ausarbeitung
den Taktik. Dazu brauchte die Partei eine klare Von-
stellung von der weiteren Entwicklung der Revolution
bis zu ihrem Siege, bis zur Ernichtung der Diktatur des
Proletariats. Dieses Ziel war bereits im Maximal-
programm der Partei verankert and Lenin verteidigte
diesen wichtigsten Punkt im Parteiprogramm gegen
alle revisionistischen Angriffe. Aber es war noch nicht
kiar, welche staatliche Form die Diktatur des Proleta-
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riats in Rufiland haben wird. Diese Frage konnte 1903,
als das Parteiprogramm beschlossen wurde, nosh nicht
beantwortet werden. Die richtige Beantwortung dieser
Frage war 'von auBerordentlicher Bedeutung fur den
siegreichen Ausgang der Revolution. Natiirlich gab es
auf die Frage nach der Staatsform der Diktatur des Pro-
letariats Hinweise von den Begrundern des wissen-
schaftilehen Sozialismus.
Nachdem die Pariser Arbeiter im Marz 1071 die Kom-
mune errichteten = die erste Diktatur des Proletariats -,
schrieb Karl Marx in seinem Werk ?Der Burgerkrieg in
Frankreich":
?Sic war ... die endlich entdeckte politische Form,
unter der die okonomische Befreiung der Arbeit sich
vollziehen konnte."t7)
Marx und Engels selbst kamen spater nicht vieder
auf diesen Hinweis zuruck und er geriet in Ver-
gessenheit.
Es gab jedoch nosh den weiteren Himveis von Fried-
rich Engels in seiner Kritik des Erfurter Parteipro-
grammentwurfs von 1891, daB die demokratische Re-
publik ?die spezifisehe Form fur die Diktatur des Pro-
letariats" ist,"'B)
Dieser Himveis von Friedrich Engels war richtung-
gebend fur alle Marxisten - auch fur W. I. Lenin.
W. I. Lenin schrieb noch in seiner Arbeit ?Ober die
Losung der Vcreinigtcn Staaten von Europa" im Sep-
tember 1915, daB ?die politisehe Form der Gesellschaft,
in der das Proletariat siegt, indem es die Bourgeoisie
sturzt, die demokratische Republik sein wird."19)
Selbstverstandlich meinten auch Engels und Lenin
eine prolelarische demokratische Republik, eine Diktatur
des Proletariats und keine burgerliche demokratische
)3epublik, Fur die richtige Entscheidung dieser Frage,
wie auch fur alle anderen, gab es nur ein Kriterium-
die Praxis, das grundliche marxistische Studium der
Praxis.
In der Revolution 1905 schufen die revolutionaren
Massen erstmalig Sowjets der Arbeiterdeputierten, und
auch die blutige Unterdruckung der ersten russisehen
Revolution durch den Zarismus konnte den revolutio-
naren Massen nidrt die revolution5re Erfahrung dieser
neuen machtigen Organisations- und Kampfform, die
die Keime der neuen Macht waren, rauben. Daher ent-
standen in der Februarrevolution sofort Sowjets der
Arbeiter- und Sowjets der Soldatendeputierten. Sic
wurden aus den Einheiten der Armee, an der Front und
im Hinterland, aus den Betrieben und Dorfern delegiert.
Sic uberzogen das ganze Land vie ein Netz, demgegen-
tiber sich die alten Etnrichtungen der zaristischen Und
der Provisorischen Regierung als ohnmachtig erwiesen
Lenin salt, daB die Sowjets eine Macht von demselben
Staatstypus waren, tivie die Pariser Kommune 1871. Auf
Grund des Studiums der Pariser Kommune und der
17) Karl Marx, Der Burgerkrieg in Frankreich, in: Marx/Engels,
Ausgewtlhlte Schriftcn in zwei Biinden, Bd, I, Dietz Verlag,
Berlin 1952, S. 494.
Is) Friedrich Engels, Zur Kritik des sozialdemokratischen Pro-
grammentwurfs 1891, in: Karl Marx, Kritik des Gothaer
Programms, Dietz Verlag; Berlin 1955, S. 83.
19) W.I Lenin, Ober die Losung der Verelnigten Staaten von
Europa, in, \V. I, Lenin, Ausgew ihitc Werke in zwci BSndcn,
Bd. I, Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 753.
10
Sowjets in den Revolutionen 1905 und 1917 kam er zu
der Schlulifolgerung, die er erstmalig in den Aprilthesen
formulierte:
?Keine parlamenlarische Republik - von den Sowjets
der Arbeiterdeputierten zu dieser zuruckzukehren ware
ein Schrilt ruckwarts -. sondern die Republik der So-
wjets der Arbeiter-, Landarbeiter- und Bauerndepu-
tierten im ganzen Lande, von unten bis oben. Alle
Macht den Sowjets!" ~)
Genosse Molotow schrieb uber diese Entdeckung:
?So wurde von Lenin die Parole der sozialistischen
Revolution in die Sprache der russischen Revolution
ubersetzt. Und mehr als das. So wurde der Schliissel
zu ihrer Verwirklichung, zu ihrer Verkorperung gefun-
den. Die Parole der sozialistischen Revolution ;verwan-
delte sich in omen Begriff, der den breitestenSchichten
der Arbeiter? und. Werktatigen zu einer vertrauten For-
derung wurde. Das Ziel des Kampfes lag auf einmal
von alien Hiillen entblofit da."21)
Damit halte W.I Lenin gezeigt, vie die Machtfrage
nicht nur dem Inhalt, sondern auch der konkreten Form
nach in der zweiten Etappe der Revolution zu losen war.
Die Entdeckung der Sowjetrepublik als beste Staats-
form der Diktatur des Proletariats war gleichzeitig
von grofler internationaler Bedeutung, veil diese Ent-
deckung das Wesentliche fur die Ausarbeitung der
Staatsformen beim Ubergang vom Kapitalismus zum
Sozialismus und beim Aufbau der kommunistischen Ge-
selischaftsordnung fur alle Volker enthalt, veil damit
eine von den Volksmassen selbst hervorgebrachte Staats-
form entdeckt war, die viel demokratischer als die
demokratischste burgerliche Republik ist.
Angesichts des Geschreis der Imperialisten, die ihre
Freiheit und ihre Demokratie loben und preisen und
auch angesichts der Versuche gewisser Revisionisten,
die die Diktatur des Proletariats, die sozialistische De-
mokratie durch eine verschwommene ?unmittelbare wirt-
schaftliche und politische Demokratie" ersetzen wollen,
ist es notwendig, zu belonen, daB selbst die demokra-
tischste burgerliche Republik das Machtinstrument in
den Handen der besitzenden Minderheit zur Unter
druckung der ausgebeuteten Mehrheit ist.
Das Proletariat und die anderen Werktatigen Schichten
brauchen jedoch einen Staat zur Unterdriickung der aus-
beutenden Minderheit im Interesse der werktatigen
Mehrheit, einen Staat, ?auf neue Art demokratisch -
wie Lenin sagte - (fur die Proletarier und uberhaupt
fur die Besitzlosen) und ?auf netie Art diktatorisch
(gegen die Bourgeoisie) , , ,"22)
Dieser Staat, der im Ergebnis der Zerschlagung des
alten Ausbeuterstaates entsteht, muB geeignet sein, die
breiten Massen des Volkes zum aktiven politischen
Leben, zur staatlichen Verwaltung des Landes heranzu-
ziehen. Ein soicher Staat 1st die Sowjetrepublik, Die
Sowjets ermoglichen - entsprechend der Klassen-
struktur des proletarischen Staates, in dem zum ersten
29) W. I. Lenin, t)ber die Aufgaben des Proletarints in der
gegenwlirtigen Revolution, ebenda, Bd. II, S. 9.
21) ?Arbeiterliteralur", Verlag fir Lfteratur und Politik,
Wien VIII, S. 37.
22) w. I. Lenin, Staat und Revolution, in W. I. Lenin, Aus-
gewiihlte Werke in zwei Biinden, Bd. II, Dietz Verlag,
Berlin 1952, S. 183,
Mal nicht eine Minderheit, sondern die Uberwiegende
Mehrheit der Bevolkerung herrscht - die aktivste Be-
teiligung der Massen an der Politik, an der Verwaltung
des Staates, sic sind auch aus diesem Grunde viel demo-
kralischer als jede burgerlich-demokratische Republik.
Da die Sowjets von den Volksmassen selbst hervor-
gebracht wurden, die auf Grund ihrer eigenen Erfahrun-
gen immer mehr erkannten, daB ihre Forderungen nicht
von der Provisorischen Regierung, sondern nur von den
Sowjets gegen die Provisorische Regierung durchgesetzt
werden konnten, mufllen die Bolschewiki ganz zwangs-
laufig das Vertrauen der Volksmassen erringen. Die
Bolschewiki waren jene Partei, die konsequent dafiir ein-
lrat, daB das Netz der Sowjets verbreitert und gefestigt
wurde, daB die Sowjets die Forderungen der Massen
initiativ auch gegen die Anordnungen der Provisorischen
Regierung (die beispielsweise gegen die Aneignung und
Bestellung des Qutsbesitzerbodens durch die Bauern
einschritt) durchsetzten, die dafiir eintrat, daB die So-
wjets alle Macht ubernahmen. Die Losung ?Alle Macht
den Sowjets" half den revolutionaren Massen, die
Sowjetmacht, die sic in der Keimform selbst hervor-
gebracht hatten, zu voilenden und zum Siege zu fi hren.
Bei dieser Hilfe spielte natiirlich die geduldige Uber-
zeugung der Massen an Hand ihrer eigenen Erfahrungen
die Hauptrolle.
Es wurde schon gesagt, daB die Leninsche Taktik der
geduldigen, systematischen Uberzeugung auf einer ge-
nauen Analyse des Krafteverhaltnisses beruhte. Erst mit
der Entdeckung der Sowjetrepublik war restlos klar,
woriiber und in welcher Richtung die Massen geduldig
und beharrlich aufgeklart werden muBten. Die Losung
?Alle Macht den Sowjets" war von gewaltiger Bedeu-
tung fur die Gewinnung und Aktivierung der Massen
durch die Bolschewiki. Wer wie die Menschewiki und
Sozialrevolutionare die Sowjets fur die Unterstutzung
der Provisorischen Regierung millbrauchte und dagegen
war, daB die Sowjets alle Macht ubernehmen, muflte
auf die Dauer bei den Massen an EinfluB verlieren, well
er damit gegen das auftrat, was die Massen selbst ge-
schaffen hatten und unterstutzten, Weil er damit immer
mehr in Widerspruch zu den Volksmassen kam
Die Massen erkannten den Charakter der verrate-
rischen Politik der Menschewiki und Sozialrevolutionare
nicht sofort. Aber auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen,
die ihnen von den Bolschewiki erklart wurden, erkann-
ten sic das immer besser. Dieser ErkenntnisprozeB der
Massen war gleichzeitig der ProzeB ihres Abschwenkens
von der Provisorischen Regierung rind den kleinburger-
lichen Parteien, und der ProzeB ihrer Hinwendung zu
den Bolschewiki, der ProzeB des Vorwartsschreitens der
Revolution.
Niemand kann auf die Dauer eine Politik gegen die
Massen durchfuhren, auch wenn diese Politik durch
noch so viele Versprechungen verschleiert wird. Die
Massen lernen an ihren praktischen Erfahrungen, die
Verlogenheit der Versprechungen und Vertrostungen zu
begreifen Und hierbei halfen ihnen die Bolschewiki
Eine groBe Bedeutung fur die Gewtnnung der Massen
hatten die okonomischen Ubergangsforderungen in den
Aprilthesen. So vichtig es war, den Weg aus dem )m-
perialistischen Krieg zu einem demoltratischen Frieden
zu weisen, so wichtig war es auch, zu zeigen, welche kon-
kreten Schritte getan werden mussen, um aus deco
Hunger und der wirtschaftlichen Zerruttung herauszu-
kommen, die der fortdauernde Krieg immer mehr ver-
scharfte. Bei den okonomischen MaBnahmen, die hierzu
erforderlich waren, konnte es sick nicht um die ?Ein-
tuhrung" des Sozialismus handeln. Lenin sagte:
?Die Partei des Proletariats dart sicli unler keincn
Umslanden das Ziel setzen, in einem Lande der Klein-
bauernschaft den Sozialismus ,einzufuhren`, bevor nicht
die uberwiegende Mehrheit der Bevolkerung die Not-
wendigkeit der sozialistischen Revolution erkannt hat."B)
Es kam jelzt darauf an, solche Forderungen aufzu-
stellen, die von den Massen verslanden wurden und
deren Durchfuhrung die Entwicklung immer naher an
den Sozialismus heranfuhrte. Obgleich von einer ?Ein-
fiihrung" des Sozialismus keine Rede sein konnte, veil
der Sozialismus uberhaupt nicht ?eingefuhrt" werden
kann, sondern auf dem Wege einer revolutionaren Um-
valzung alley politischen, okonomischen und kulturellen
Verhaltnisse erreicht wird, durfte man sich nicht, wie
die Mensehewiki und Sozialrevolutionare, davor Lurch-
ten, Schrilte zum Sozialismus hin zu tun, tveil es gar
lceine andere Moglichkeit gab, aus dem Hunger und der
Zerruttung herauszukommen. Lenin vies darauf bin,
daB der objektive Gang der Entwicklung derart ist, ?daB
man von den Monopolen aus (und der Krieg hat deren
Zahl, Rolle und Bedeutung verzehnfacht) nicht vorwarts-
schreiten kann, ohne zum Sozialismus zu schreiten 2)
Die von den Massen hervorgebrachten Sowjets be-
trachtete W. I. Lenin als die ersten Schritte zum So
zialismus bin Sic waren die politische Voraussetzung,
um Schritte auf okonomischem Gebiet in der Richtung
zum Sozialismus zu machen. Lenin sagte:
?Hatle die schopferische Volkskraft der revolutionaren
Klassen nicht die Sowjets hervorgebracht, so ware die
proletarisdle Revolution in RuBland eine hoffnungslose
Sache; denn mit dem alten Apparat wurde das Prole-
tariat die Macht zweifellos nicht behaupten konnen,
cin newer Apparat aber kann nicht sofort geschaffen
werden."')
W,I Lenin trat konsequent fur die Ausnutzung der
revolutionaren Staatsmacht bei der Losung aller poli-
tischen und wirtschaftlichen Aufgaben in der Periode
des sozialistischen Aufbaus und des Ubergangs zum
Kommunismus ein Die Errichtung einer zentralisier-
ten kommunistischen Produktion und die slaatliclie Len-
kung der Volkswirtschaft betrachtete or als unerlaBliche
Voraussetzungen fur den siegreichen sozialistischen und
kommunistischen Aufbau
Die Erfahrungen des sozialistischen Aufbaus in der
Sowjetunion und in den Landern der Volksdemokratic
haben die Richtigkeit dieser Leninschen Hinweise be-
wiesen. Daran zu erinnern, ist besonders wichtig ange-
sichts verschiedener revisionistischer Versuche, die heute
eine angebliche tlberlegenheit der Kleinwirtschaft gegen-
tiber der sozialistischen GroBwirtschaft und die Ver-
23) W. I. Lenin, Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revo-
lution, ebenda, S. 32.
2i) W. I. Lenin, Die drohende Kalastrophe, ebenda, S 124. ,
23) W. I Lenin, Werden die Bolschewiki die Staatsmacht be-
haupten?, in: Lenin/Stalin, Das Bahr 1917, AusgewShite
werke, Dietz Verlag, Berlin 1949, S 593.
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ringerung der Rolle der Partci and des proletarisehen
Staates beim sozialistischen Aufbau propagieren.
Ohne einen proletarisehen Staat ist der Sieg der
Arbeiterklasse fiber die Bourgeoisie, ist der Aufbau des
Sozialismus nicht moglich. Aus diesem Grunde kann
die Bourgeoisie sehr wohl mit opportunistisehen Theo-
r?etikern and Parteifiihrern einverstanden scan, die vie
Kautsky 1918 die Sowjets als Kampforganisation lobten,
sic aber als Staatsorganisation verleumdeten and ab-
lehnlen,oder die vie Ollenhauerin getreuer Fortsetzung
dieser opportunistischen Linie gegen die Aktionseinheit
der Arbeiterklasse auftreten, veil er, vie er schrieb,,,auf
deco Boden der parlamentarischen Demokratie" steht,
and wir auf dem Boden der Diktatur des Proletariats
Den Boden den Baucrn
Alle okonomischen Maf3nahmen, die Lenin in den
Aprilthesen formulierte, konnten nur? von den Sowjets
durchgefuhrt werden.
Die Nationalisierung des gesamten Grund and Bodens,
das war die erste Mal3nahme, die verwirklicht werden
muf3te, um aus der Hungersnot herauszukommen. Diese
Mafinahme wurde von der Mehrheit des russischen Vol-
kes gefordert and konnte selbstverstandlich nicht von
den alien Staatsbeamten, sondern nur von den Organen
der Mehrheit des Volkes, den Sowjets, durchgefuhrt
werden.
Aus diesem Gr?unde forderte W. I. Lenin auch in den
April thesen neben der Nationalisierung des Bodens and
der Beschlagnahme des Gutsbesitzerlandes, im Agrar-
prograinm das Schwergewicht auf die Sowjets der Land
arbeiterdeputierten zu legen. Demgemal3 heillt es in
den Aprilthesen:
? , . die Verfugungsgewalt uber den Boden sleht den
ortlichen Sowjets der Landarbeiter- and Bauerndepu-
tierten zu, Schaffung besonderer Sowjets von Deputier-
ten der armen Bauern. Errichtung von Musterwirt-
schaften aus alien groflen Gutern (im Umfang von etwa
100 bis 300 Del3jatinen, je nach. dem Ermessen der
Srtlichen Institutionen) unter Kontrolle der Landarbeiter-
deputierten and auf Rechnung der Gesellschaft,"20)
In dieser These sehen wir ganz kiar eine Wider-
spiegelung der Interessen der armen Bauern, die 65 Pro-
zent aller? Bauernhofe in Ruflland ausmachten, wobei
man sehen mul3, dal3 naturlich die Beschlagnahme des
Gutsbesitzerlandes and die Nationalisierung des gesam-
ten Bodens Bich direkt gegen die Gutsbesitzer, aber
nicht gegen die Mittelbauern and audr nicht unmittel-
bar gegen die Kulaken richtete.
Diese Forderung war also einmal auf die Gewinnung
breitester bauerlicher Schichten, aber vor allem daraut
gerichtet, die selbstandige Organisierung del- Land-
arbeiter and der armen Bauern and ihren Zusammen-
sch1uf3 um das Proletariat fur den Ubergang zur sozia-
listisehen Revolution zu gewahrleisten; sic stellte den
Bolschewiki die Aufgabe, gerade den Landarbeitern and
den armen Bauern zu helfen, Sowjets zu bilden.
Diese These brachte die Forderungen der bauerlichen
Massen richtig zum Ausdr?uck and half der Partei der
20) W. I. Lenin, Uber die Aufgaben des Proletariats in der
gegcnwartigen Revolution, in: W. I. Lenin, Ausgewahlte
werke in zwei Banden, Bd. II, Dietz Verlag, Berlin 1052, S. 0.
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Bolschewiki, die auf der Grundlage des jahrhunderte-
alten Gegensatzes zwisrhen den Gutsbesitzern and den
Bauern entstandene biiuerlirhe demokratische Bewegung
unter? die Fuhrung des Proletariats zu bringen.
Die Forderungen nach der Beschlagnahme des Guts-
besitzerlandes and der Nationalisierung des gesamten
Grund and Bodens waren naturlich Forderungen auf
wirtschaftlichem Gebiet. Sic entspradren zugleich der
politischen Aufgabe zur Gewinnung der Bauernmassen
als Bundesgenossen des Proletariats. Das war das Krite-
rium and das ist auch der prinzipielle Kern aller Agrar-
programme der Bolschewiki, \vie auch heute aller marxi-
stisch-leninistischen Partelen. Dos ist auch die Richtung,
in der die KPdSU das Agrarprogramm nicht nur in der
Zeit vom Marz bis zum Oktober 1917, sondern auch
schon vorher and bis auf den heutigen Tag immer weiter
ausarbeitete and prazisierte.
Die Nationalisierung des gesamten Bodens and die
Beschlagnahme des Gutsbesitzerlandes wurden jedoch
ihre politische Aufgabe nicht erfullt haben, wenn sic
nicht gleichzeitig Schr?itte gewesen varen, um aus dem
Hunger and der Zerruttung herauszukommen Lenin
vies darauf hin, dali die Nationalisierung nicht nur das
?letzte Wort" der burgerlichen Revolution, sondern aurlr
ein Schritt zum Sozialismus ist, and dalI man das Blend
des Kr?ieges nicht bekampfen kann, ohne solche Schritte
zum Sozialismus zu tun.
Weitere Schritte in dieser? Richtung, die Lenin in den
Aprilthesen forderte, waxen die Verschmelzung der
Banken zu einer Nationalbank and die sofortige Kon-
trolle fiber sic durch den Sovjet der Ar?beiterdeputierten,
sowie der Ubergang zur Kontrolle uber die gesellschaft-
liche Produktion and Verteilung der Erzeugnisse durch
den Sowjet der Arbeiterdeputierten. Die Verschmelzung
der Banken and ihre Kontrolle durch die Arbeiter-
sowjets traf die Imperialisten an einer? empfindlichen
Stelle In der Arbeit ?Die drohende Katastrophe and
wie man sie bekampfen soil", in der Lenin die Frage der
Kontrolle der Banken and der Produktion and der Ver-
teilung weiter untersuchte, ivies er darauf hin, dal3 von
den 50 Millionen Rubeln, die der Krieg taglich kostete,
wahr?scheinlich 10 Millionen als Rustungsprofit in die
Tasche der Kapitalisten and der von ihnen bestochenen
Beamten flielien.
Solche Kriegsgewinne wurden naturlich von den Ban-
ken verheimlicht. Die Verschmelzung dGr? Banken and
ihre Kontrolle durch die Sowjets schob dem einen Riegel
vor. Es war dann auch nicht mehr moglich, dali die
Kapitalisten ihre Einkommen ver?heimlichten and sick
um die Einkommensteuer? herumdruckten. Die Kontrolle
der Banken and die Kontrolle der Produktion and der
Verteilung der Erzeugnisse durch den Arbeiteldepu-
tierten-Sowjet bedeutete, daf3 den Industriellen and den
mit ihnen verbundenen privaten Banken gewaltige Geld-
summen entzogen and diese friedlichen Zwecken zu-
gefuhrt werden konnten. Lenin vies darauf hin, daft nur
dann, wenn die Banken nationalisiert sind, eine I{on-
trolle daruber moglich ist .. ?wohin and woher, wie
and wann die Millionen and Milliarden kommen and
gehen. Und nur die Kontrolle uber die Banken, uber
diese Zentrale, diese Hauptachse and diesen Haupt-
mechanismus der kapitalistischen Zirkulation, wurde es
ermoglichen, in der Tat and nirht nur in Wor?ten die
Kontrolle uber das ganze Wirtschaftsleben, uber? Pro-
duktion and Verteilung der vjchtigsten Erzeugnisse in
Gang zu bringen ..."27) Die Nationalisierung der Ban-
ken nahm der Bourgeoisie eine wichtige Machtposition.
Durch die von Lenin geforderle Kontrolle der Banken
sowie der Produktion and der Verteilung der Erzeug-
nisse wurde die Arbeiterklasse an die Lenkung and
Leitung von Betrieben and an die organisatorische Lei-
tung des Wirtschaftslebens herangefuhrt find die Natio-
nalisierung der Industrie and der Banken wurde durch
clieArbeiterkontrolle vorbereitet. Den Kampf um die Ver-
wurzelung der Idee der sowjetischen staatlichen Kon-
trolle bezeichnete Lenin als den gewaltigsten Kampf des
sozialistischenBewufltseins gegen diebiirgerlich-anarchi-
stische Spontaneitat. Im Verlauf der weiteren Entwick-
lung der Revolution kampften die Arbeiter nach diesen
Weisungen Lenins and ver?hinderten damit in vielen
Fallen die Pr?oduktionssabotage der Kapitalisten, die die
Revolution mit der ?knochernen Hand des Hungers" er-
sticken wollten
Die Arbeiter kampften um die revolutionare Durch-
fuhrung der in den Aprilthesen geforderten wirtschaft-
lichen Maflnalimen, die die Fortfuhrung des Krieges hin-
derten and eine schrittveise revolutioniire Einmischung
der Arbeiter and Bauern in die Leitung der Wirtsdlaft
bedeuteten.
Die Menschewiki and Sozialrevolutionare erhoben
naturlich Einwande gegen die Nationalisierung der
Banken and ihre Kontrolle, sic meinten, das Proletariat
verde mit diesen Aufgaben nicht fertig werden. Aulier-
dem waxen sic nicht davon abzubringen, dalI es nicht
statthaft sei, von Sozialismus zu sprechen, veil die Revo-
lution nur eine burgerliche ist.
Lenin antwortete ihnen auf der Aprilkonferenz
folgendermaflen:
?Die Revolution ist eine burgerliche, and deshalb soli
man nicht vom Sozialismus sprechen - sagen die Geg-
ner?. Wir aber sagen umgekehrt: da die Bourgeoisie aus
der entstandenen Lage nicht her?aus kann, so marschiert
die Revolution eben vorwarts." 20)
Die \virtschaftlichen Forder?ungen in den Aprilthesen
zeigten, wie man aus der Zerruttung herauskommen
konnte, sic fuhrten die Arbeiter schrittweise an die
Leitung des Wirtschaftslebens her?an and trugen dazu
bei, ihre revolutionare Aktivitat and Initiative, ihre
Bewulltheit and Organisiertheit? auf eine hiihere Stufe
zu heben .
Ausgerustet mif dem Leninschen Kampfplan verstand
es die Partei, den allgemein demokratischen Kampf fur
den Fr?ieden, die bauerlich-demokratische Bewegung fur
die Absrhaffung des gutsherrlichen Grundbesitzes bei
tYbergabe der Gutsl inder?eien an die Bauern, die natio-
nale Befreiungsbewegung and die sozialistische Bewe-
gung des Proletariats fur den Sturz der Bourgeoisie and
die Err?ichtung der Diktatur? des Proletariats zu einem
27) \V. I. Lenin, Die drohende Katastrophe and wie man sie
bekampfen "soll, ebenda, S. 87/08.
23) w, I. Lenin, Bede zur Resolution fiber die gegenwartige
Lage am 12. Mai (28. April), in \V. I Lenin, Samtliche
Werke, Bd. \X, I. Halbband, Verlag filr Literatur and
Politik, Wien-Berlin 1028, 5. 378.
einheitlichen machtigen revolutionaren Strom zu-
sammenzufassen.
Ausger?ustet mit deco Plan Lenins stahlte die Partci
die Bewufllheit and Organisiertheit der Arbeiterklasse
rind festigte dos Bundnis mit den armen Bauernmassen.
Der Leninsche Hinweis wurde schon zitiert, daf3 in
der Epoche des Imperialismus die sozialistische Revo-
lution von der burgerlich-demokratischel: Revolution
nur durch den Grad der Bevufltheit and Organisierl-
heit der Arbeiterklasse, sowie der Verbindung der
Arbeiterklasse mit den armen Bauern getrennt ist.
Wenn \vir die Aprilthesen unter diesem Gesichtspunkt
betrachten, so stellen sic ein konkretes, theoretisch
begrundetes Programm dar, um jenen Grad von Bewu(it-
heit and Organisiertheit der Arbeiterklasse and jene
enge Verbindung mit den armen Bauern zu erreichen,
die notwendig sind, um die sozialistische Revolution
clurchzufiihren.
Schaffung der HI. Internationale
Unter diesem Gesichtswinkel mussen wir auch die
Forderungen, die W. I. Lenin auf dem Gebiet des Partei-
aufbaus stellte, betrachten. Die sofor?tige Durchfuhrung
cities Parteitages, Anderung des Parteiprogramms, An-
derung des Namens der Partei sowie die Forderung auf
?Erneuerung der Internationale" sollten dazu beitragen
and trugen, wie die Geschichte beweist, dazu bei, die
Bewufltheit and Organisiertheit der Arbeiterklasse in
Rutland and in der ganzen Welt auf eine hoher?e Stufe
zu heben.
Wenn Lenin den Bolschewiki die Aufgabe stellte, die
Initiative zur Schaffung einer neuen, der III. Inter-
nationale zu ergreifen, so war dies die natjirliche Schluf3-
folgerung aus dem unversi hnfichen Kampf Lenins, der
Bolschewiki and alley revolutionaren Krafte in der inter-
nationalen Arbeiterbewegung, die dem Banner des prole-
tarisehen Internationalismus die Treue hielten and fur
die marxistische Einheit der internationalen revolutio-
naren Bewegung kampften. Es ergab sich, dalI diese
Konsequenzen nicht auf Rullland beschrankt werden
konnten. Die P rderung einer III. Internationale ist die
Kronung der Aprilthesen.
Die III. Internationale hatte die Aufgabe, die revolu-
tionare Lehr?e des' Marxismus-Leninismus gegeni ber
allen revisionistischen Falschungen zu verteidigen and
den Zusammenschlull der Vorhut der fortgeschrittenen
Arbeiter aller Lander zu fordern. Ohnedem war es nicht
moglirh, die Massen der Werktatigen zur? Verteidigung
ihrer wirtschaftlichen and politischen Interessen, zur
Verteidigung der ersten siegreichen proletarischen Dikta-
tur, des Zentrums der internationalen? revolutionaren
Bewegung zu mobilisieren.
Die Grundung einer III -Internationale, die Lenin in
den Aprilthesen, in dem Plan fur den tlbergang zur
sozialistischen Revolution in RulIland forderte, demon
striert anschaulich die unlosbare Verbindung des Kamp-
fes der r?ussischen Arbeiterklasse mit dem Kampf der
Arbeiter aller Lander der Erde and zeigt auch, dal3 die
russische Revolution von Anfang an keirie nur russische
Angelegenheit, sondern gleichzeitig eine Sache des Welt-
proletariats war and stets scin wird.
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Zu eini9en Fra9en des KamPles der Kommunistisdledlidlen Arbeit an tier 9
urn'
'rtsrhalt 1921-1925
loinz Abruhnns
tr vera ent t ten teute en 1, et etner Lektion
aus der bedeutsamen Periode der Geschichte der KPcISU
(1921-1925), deren Lehren angesichts des Ansturms der
Feinde der internationaien Arbeiterklasse narh dent
XX. Parteitap filr uns von besonderer Aktualitdt sind.
Dep 2. Tell der Lektion bringen wlr in der ni chsten
Nummer der ?Theorie and Praxis". Die vorliegende
Lektion wurde Anf ang Januar 1957 vor den Studenten
des 4. Dreijahr-Lehrpanps gelesen. Die Redaktion
Einlcitung:
Auf dem %X. Parteitag der KPdSU vies Genosse
Chruschlschow in seinem Rechenschaflsbericht darauf
hin, claB die ruhmreiche Geschichte der Kommunisti-
schen Partei der Sowjetunion such in Zukunft eine
der wichtigsten Quellen zur Erziehung der Kader ist.
Das gilt nicht nur fur die Kader unserer grollen Bru-
derpartei, sondern in gleichem Maf3e auch fur die
Karler unserer Partei
Sind die reirlren Erfahrungen der KPdSU, die sic im
Verlaufe dreier Revolutionen, im ProzeB des Aufbaus
diner neuen Gesellschaftsordnung sammelte, insgesamt
von grol3er allgemeingultiger Bedeutung, so haben die
Erfahrungen, die die Kommunistische Partei der Sowjet-
union in der Ubergangsperiode sammelte, besonderes
Gewicht, weilwir in derDDR, vie alle Volksdemokratien,
uns in der Ubergangsperiode vom Kapitalismus zum
Sozialismus beflnden. Wenn auch bei uns, wie in den
anderen Volksdemokratien die konkreten Bedingungen
des Ubergangs verschieden sind, so sind die Haupt-
krafle and die I-Iauptformen der gesellschaftlichen Pro-
duktion dieselben, vie sic in RuBland waxen: Kapita-
lismus, kleine Warenproduktion and Sozialismus; dem
entsprechen die Klassenverhaltnisse: Bourgeoisie, Klein-
bourgeoisie (in der Hauptsache die Bauern) and Pro-
letariat. Daraus ergibt sick - wie Lenin mehrfach be-
tonte - daB die nationalen Eigenheiten keineswegs das
Allerwichtigste hetreffen konnen. Von diesem Leninschen
Leitsatz ist auch die Milteilung fiber Besprechungen
zwischen Delegationen der KPcISU and der SED vom
0.!?. Januar 1957 durchdrungen.
,,Die Vertreter der. beiden Parteien, sind der Meinung,
daB trotz des Vorhandenseins nationalen? Eigenheiten and
der besonderen Formen and Methoden beim Aufbau des
Sozialismus in den einzelnen Landern die Hauptwege
zum Sozialismus fur alle Lander die gleichen sind."r)
Die Gr'oBe Sozialistisehe Oktoberrevolution brauehte
noch keine drei Jahre Erfahrung, um Lenin in seinem
genialen Werk ?Der hake Radikalismus" zur SchfuB-
folgerung kommen zu lassen:
?Die Erfahrung hat bewiesen, daB in einigen uberaus
wesentlichen Fragen der proletarischen Revolution alien
Landern unvermeidlich bevorsteht, dasselbe durch-
zumachen, was RuBland durdlgemacht hat."2)
Wie recht Lenin behalten hat, werden wir, wie in
keiner anderen Periode der Geschichte der KPdSU, ge-
rade in diesem Zeitabschnitt des Kampfes der KPcISU
kennenlernen. Und gerade danin liegt die gewaltige
aktuelle Bedeulung der grundlegenden Erfahrungen der
KPdSU, die dieser Zeitabschnitt ibermittelt.
Ich beschranke mich auf die Behandlung der wichtig-
sten Probleme des Kampfes der KPdSU in der Uber-
gangsperiode - auf die Betonung jener Fragen des
Kampfes der KPdSU, die fiir die Losung der Fragen
unserer Partei von besonderer, aktueller Bedeutung
sind. Deswegen lenke ich die Aufinerksamkeit in der
Hauptsache auf folgende Probleme:
1 Die Verscharfung des Klassenkampfes in der Uber-
gangsperiode. Die veranderten Formen des Klassen-
kampfes.
2 Den Kampf um die Einheit and die Geschlossenheit
tier marsistisch-leninistischen Partei als der entschei-
denden Voraussetzung fur den Sieg der sozialistischen
Krafte bei der Losung der Frage ?Wer - wen?"
3. Der Kampf um die Festigung der Klassengtund-
lage der Diktatur des Proletariats - das Bundnis des
Proletariats mit der werktatigen Bauernschaft - als
der Grundfrage der Neuen t5konomischen Politik
Aus Platzmangel behandle ich nicht die Fragen, die
mit dem XIV. Parteitag der KPdSU in Verbindung
stehen and im 2 Tell der Lektion eingehend erortert
werden.
Wie war die Lage der Sowjetrcpubiik nach der Beendi-
gung des Burgerkrieges, woraus ergab sick nun die
Moglichkeit diner langeren Periode des friedlichen
Aufbaus?
Diese Moglichkeit ergab sich vor? allenl aus den Ende
1920, Anfang 1921 von sich gegangenen Veranderungen
der internationalen Lage.
Bestimmend fur die neu entstandene Lage war jene
Tatsache, daB es dem Sowjetvolk unter Fuhrung der
Kommunistischen Partei gelungen war, durch auf-
opferungsvollen Kampf alle Versuche der Imperialisten
zu durchkreuzen, die junge Sowjetmacht zu erdrosseln.
Das Proletariat hatte in der Tat bewiesen, dal3 es fahig
?ist, nicht nur die Diktatur des Proletariats zu erobern,
sondern auch gewillt war, die errungene Macht mit
alien ihm zur? Verfugung stehenden Mittein zu ver-
teidigen, Die Imperialisten mufiten die Unbezwingbar?-
keit der neuen Arbeiter-und-Bauern-Macht in Rufiland
zur Kenntnis nehmen,
"-) W I. Lenin, Ausgew5hlle Werke in zwel BSnden, Bd II,
Dietz Verlag. Berlin 1952, S 678
14
Zu diesem ausschlaggebenden Faktor der inneren
Kraft eines Volkes, das von der Kommunislischen
Partei gefuhrt wird, kamen solche bedeutenden Momente
hinzu, die die internationale Lage gUnstig fur die junge
Sowjetmacht gestalteten, vie die okonomische Krise in
den imperialistischen Siegerlandern in den Jahren
192021, das staeke Anwachsen der kommunistischen
.Bewegung in den kapitalistisdten Landern (zahlte der
1. Kongref der Kommunistischen Internationale 19 Dele-
gierte, so waren auf deco III. Kongref3 der Kommuni-
stischen Internationale bereits 40 Lander durch Dele-
gierte vertreten) and schlie(llich die wachsenden Wider-
spruche im imperialistischen Lager, die din Zusammen-
fassen der imperialistischen Krafte gegen die Sowjet-
macht zunichte machten.
Unter diesen Umst5nden gelang es nun dem Sowjet-
land endlich, nach vielen Unterbrechungen an das Werk
des sozialistischen Aufbaus heranzugchen and ale Krafte
auf diese Aufgabc umzustellen.
..Wir konntn jetzt mit viel grofierer Zuversicht and
Fcstigkeit an das uns naheliegende, dringliche and uns
schon seit langem lockende Welk des wirtschaftlichen
Aufbaus gehen, mit der Gewil3heit, daB es den kapita-
listischen Herrschaften nicht gelingen wird, diese Arbeit
so leicht vie fruher zu durchkreuzen "3)
\Vie war die Lagc der beiden Hauptklasscn - der
Arbeiterklasse and der Bauernschaft - and ihr Ver-
hiiltnis zueinander nach dem Sieg im Burgerkrieg?
'1'ur das r?ichtige Verstandnis des Kampfes den Kom-
munistischen Partei der Sowjetunion in denUbergangs-
pesiode ist nicht nun and nicht so sehr? die internatio-
nale Lage, sondern in nosh 'viel bedeutenderem Mafle
die Lage and das Verhaltnis der beiden Hauptklassen,
den Arbeiterklasse and der Bauernschaft zueinander
von Bedeutung. Der Ubergang vom Burgerkrieg zum
friedlichen Aufbau war mit den grolten Schwierig-
keiten verbunden, die mit der aufierst katastrophalen
wirlschaftlichen Lage des Landes zusammenhingen
Sieben Jahre imperialistischer Krieg and Burgerkrieg
hatten tiefe Spuren hintenlassen. Die von den Front
heimkehrenden Kampfes? sahen uberall Trummer?, Ver-
wustung and 'auferste Not. Ganze Industriezweige
waren fast zum Stillstand genommen Die Produktion
der Grof3industrie sank im Vergleich zu 1913 auf
13,8 Prozent herab. Neben unermel3lichen materiellen
Verlusten hinterlieB der' imperialistische Krieg and der
Burgerkrieg Dutzende Millionen obdachloser Menschen.
1921 zahlte der Sowjetstaat 800 000 Invaliden des
Burgerkrieges, davon 45 Prozent, die Opfer von Pogro-
men der weil3gardistischen Soldateska waren. Hundert-
tausende ausgehungerte and zerlumpte eltern; and
obdachlose Kinder trieben sich auf den Landstraf3en
herum. Das hatte der fluchbeladene Imperialismus dem
Sozialismus in die Wiege gelegt. Die Bourgeoisie ver-
ssschte das von ihr hervorgerufene unsagbare Elend and
das Chaos in der Industrie als eine Folge ?bolsche-
wistischer Mif3wirtschaft" hinzustellen. Der Hauptgrund
aber fur das Absinken der Produktivkrafte, fur die Not
waren der imperialistische Krieg and der der A'rbeiter-
2) W. I. Lenin, SSmtliche Werke, Bd. XXVI, Verlag fur fremd-
sprachige Literatur, Moskau 1940, S. 29.
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50X1 -HUM
kasse von den Imperialisten aufgezwungene Burger-
krieg. Die Antwort der Diktatur des Proletariats waren
die Mafinahmen des Kriegskommunismus. Aber such der
Kriegskommunismus, den die Partei gezwungenermaBen
einfdhren muf3te, um den Sieg im Burgerkrieg zu~ `
sichern, konnte nicht dazu beitragen, die Produktiv-
krafte des Landes zu heben.
Wie war die Lage der Arbeiterklasse?
Die Arbeiterklasse als die herrschende Klasse hatte
die ganze Schwere des Kampfes getragen, sowohl um
die Errichtung der Diktatur des Proletariats - ihr Werk
wurde durch den Sieg in den GroBen Sozialistischen
Oktoberrevolution gekront - als auch im Burgerkrieg,
als es gait, die eroberte Macht gegen eine gewaltige
Ubermacht an Feinden zu behaupten. Sic nahm ales auf
sick - Hunger, Typhus and Khlte, um nur die Macht zu
behaupten. Es liegt im Wesen der proletarischen Revo-
lution, daB sic von der Klasse, die der Hegemon in der
Revolution ist, auch die groBten Opfer fordert. Jede
Revolution fordert von der Klasse, die sic durchfUhr?t,
groBe Opfer. Aber keine Klasse hat je in der Geschichte
so viel Opfer, Not and Entbehrung auf Bich genommen,
vie die russische Arbeiterklasse. Fragt man danach, wo-
her sic die Kraft dazu nahm, solche Heldentaten zu volt
bringen, so gibt es nur dine Antwort: veil an der Spitze
ihres Kampfes in allen Etappen des schwierigen Weges
dine solch' erprobte Partei stand vie die Kommunistische
Partei, die es immer verstand, die gesamte Klasse fur
die Losung auch der schwierigsten Aufgaben zu mobili-
sieren. So 1st es nicht zuf511ig, dali die Partei in der
schwersten Zeit Bich immer? an die fortgesch5ittensten
Arbeiter wandte
Die Spuren des Burgerkrieges gingen aber auch an
diner solch' gestahlten Arbeiterklasse vie der russischen
nicht vori ber Lenin warnle wiederholt davor, die An-
forderungen auch gegenuber den Arbeiterklasse nicht
ins schier UnermeBliche zu steigern. In den Industrie-
bezirken vie Petrograd, Moskau and anderen Zentren,
lebten viele Industriearbeiter in den schwierigsten Ver-
haltnissen. Zehntausende der Besten waren im Burger-
krieg gefallen. Tausende waxen dabei, den neuen Staats-
und Wirtschaftsapparat aufrubauen.
Es ver?anderte sich auch die soziale Zusammensetzung
der Arbeiterklasse in dem Sinne, daB viele Arbeiter, die
noch unlangst auf dem Dorf beschaftigt waren, in die
Stadte and Fabriken kamen Sic waren auch oft die
Queue spontaner Unzufriedenheit.
Entscheidend aber fur die Kampfkraft der Arbeiter-
klasse war der Zustand der Industrie. Inftilge der Zer-
ruttung der Industrie wanderten bedeutende Arbeiter-
massen ins Dorf and horten faktisch auf, Arbeiter zu
seen. Die Arbeiterklasse ging in ganz kurzer Zeit um
eine Million zuri ck. Diese Arbeiter verlonen die Ver-
bindung zur? Produktion and damit ging eine Deklassie- '
rung vor sich; die Klassenbasis der Diktatur? des Proleta-
riats wurde geschwacht, and es ergab sich dine ernsle
Gefahr fur den Bestand der Sowjetmacht. Das alles ver-
starkte den kleinburgerlichen EinfluB auf die Arbeiter-
klasse and rief dine gesteigerte Tatigkeit der konter-
revolutionaren Parteien, der Menschewiki and Sozial-
revolutionare hervor?.
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Vie war die Lage dcr Bauernschaft und ihr Vcrhiiltnis
zur Arbciterklasse?
Um die Lage der Arbciterklasse zu verbessern, den
DeklassierungsprozeB aufzuhalten, gab es nur den einen
Weg: die GroBindustrie in Gang zu setzen. Aber
dazu waren vor allem Brenn- und Rohstoffe sowie
Lebensmittel notwendig, die von niemand anderem kom-
men konnten, als von der Bauernschaft. Auch die
Bauernschaft war in einer schweren Lage. Sic trug aber
ihre schwere Lage nicht mit der Bewulllheit der Arbeiter-
klasse, sondern begann often ihre grotie Unzufrledenheit
zu auuern, insbesondere mit der im Kriegskommunismus
eingefuhrten Pflicltablieferung (Zwangsumlage). Diese
Unzufriedenheit der Bauernmassen wurde von den
Kulaken und WeiBgardisten ausgenutzt und land ihren
Ausdruck in einer Reihe von Aufstanden im Herbst und
Winter 1920/21, so daB oft starke?Kraftc der Rolen
Armee aufgeboten werden muBten, um diese Aufstande
niedcrzuschlagen.
Iiierbei stoBcn wir auf die auBersl wichtigc marxi-
slisch-leninistische Fragestellung nach den inneren und
auBeren Widerspruchen. So sehr diese konterrevolutio-
ni ren Aufstande und Meulereien einzig und allein das
Work des Klassenfeindes waren, so wurde dock dutch
die Tatsache, daB es dem Klassenfeind gelang, Teile der
Bauernschaft fir seine konterrcvolutionaren Aktionen
zu gewinnen, cis RiB im Verhaltnis zwischen der
Arbciterklasse und der Bauernschaft sichtbar Dec
Marxismus-Leninismus lehrt bekanntlich, daB in der
Ubergangsperiode zwischen der Arbeiterklasse und der
Bauernschaft ein nichtantagonistischer Widerspruch vor-
handen 1st. Die Besonderheit der nichtantagonistischen
Widerspruche in der Ubergangsperiode, die mit dem Zu-
sammenschluB zwischen der Arbeiterklasse und der
werktatigen Einzelbauernschaft zusammenhingen, be-
stehen darin, daB diese Widerspruche auf die Ver-
schiedenartigkeit der Produktionsverhiltnisse zuruck-
gehen - einerseils in der sozialistischen Industrie mit
der Arbeiterklasse, andererseits in der auf Privateigen-
tum beruhenden kleinen Warenproduktion mit der
Bauernschaft. Die gemeinsamen Interessen dieser beiden
werktatigen Klassen uberdecken diese 'Widerspruche.
Der Marxismus-Leninismus geht aber davon aus, daB
dieser Widerspruch nicht fur immer bestehen muB uncl
clahei losbar? ist. Anders sahen es alle jene, die nicht auf
dem Standpunkt des Marxismus standen, Sic gingen da-
von aus, daB dieser Widerspruch unuberbruckbar sei und
zum ZusammenstoB zwischen Proletariat und Bauern???
schaft fuhren muB. Das war die trotzkistische Konzep-
tion, die zur Ablehnung des Bundnisses mit der Bauern-
schaft fuhrte und schlieBlich tiberhaupt die Moglichkeit
des Aufbaus und Sieges des Sozialismus in einem Lande
leugnete.
Das an der Macht befindliche Proletariat lost dieses
Widerspruch auf der Klassengrundlage der Diktatur des
Proletariats, indem es unter der Fuhrung der Arbeiter-
klasse ein Bundnis mit der Bauernschaft eingeht, das
in den verschiedenen Etappen der Revolution eine unter-
schiedliche Konstellation aiifzeigt, abet immer zum Ziele
hat, die Bauernschaft auf den Weg zum Sozialismus zu
fihren. rn der Hauptsache lost das Proletariat den
Widerspruch dutch Festigung des Biindnisses aul okono
von heute auf morgen hinter sick gebracht werden kann,
sondern ein Weg des prinzipiellen Klassenkampfes 1st,
davon zeugt gerade die Periode der NOP, davon zeugt
auch die Entwicklung in den Volksdemokratien.
Bereits zu'Ausgang des Burgerkrieges im Februar? 1920
sprach Lenin sowohl von diesem Widerspruch als auch
davon, hvie er einzig und allein zu losen ist.
?Wir haben keine Angst, zehn, ja sogar? zwanzig Jahre
zu arbeiten, abet wir mussen der Bauernschaft zeigen,
daft an Stelle der alten Absondetung der Industrie von
der Landwirtschaft, dieses tiefsten Widerspruches, von
deco sich der Kapitalismus nahrte, indem er Hader zwi-
schen dem Arbeiter der Industrie und dem Arbeiter der
Landwirtschaft sate, wit unsere Aufgabe stellen, dem
Bauern das zuruckzugeben, was wir auf Kredit von ihm
in Form von Brot erhieiten, hveil wit wissen, daB Papier-
geld naturlich kein Aquivalent fur Brot ist. Diesen
Kredit mussen wir vermittels der Organisation,der Indu-
strie und der Versorgung der Bauern mit Industrie-It
produkten zuruckzahlen."4)
Das ist die einzige )rklarung auch fur die Ursachen,
die eben zum RiB im Verhaltnis der Arbeiterklasse zur
Bauernschaft fuhrte und die Erklarung fur die kom-
plizierte, innerpolitische Lage, die sich in diesem Zu-
sammenhang am Ende des Burgerkrieges in Sowjei-
ruBland ergab.
Diese Leninsche Analyse lenkt uns auf den Kern der
Sache, namlich, die Ursache flit alle Schwierigkeiten,
auftrelende Fehler und Mingel beim Aufbau des Sozia-
lismus in dem tiefsten Widerspruch zwischen Bour-
geoisie und Proletariat zu suchen, daB Hader zwischen
den werktatigen Kiassen und die sich daraus ergeben-
den Folgen einzig und allein das Werk der Bourgeoisie
sine/. Von dieser Leninsehen Erkenntnis muB man auch
ausgehen, wenn man die innere Lage der Sowjetmacht
Anfang 1921 betrachtet. So stieB die Sowjetmacht An-
fang 1921, nachdem sic die wichtigsten Etappen des
Burgerkrieges zuruckgelegt hatte, und zwar siegreich zu-
ruccgelegt hatte, auf die allergroBten innerpolitischen
Schwierigkeiten, die zur Unzufriedenheit eines erheb-
lichen Teils nicht nur der Ba
uelnschaft,sondern auch von,
Teilen der Arbeiterklasse fuhrte. Aus den Darlegungen
konnen wit also zusammenfassen, daB die innerpoliti?
sehen Schwankungen das Resultat des Hauptwider-
spruches zwischen Bourgeoisie und Proletariat - zwi-
schen der sfegreichen Diktatur des Proletariats und der
Konterrevolution waren.
Wir sprachen bereits davon, daB der Hunger und der
wirtschaftliche Tiefstand einzig und allein das Werk der
Imperialisten waren, daB der Kriegskommunismus keine
gesetzmallige Erscheinung der Ubergangsperiode ist,
sondern die Antwort der Diktatur des Proletariats war
aui den Wurgegriff der Church ills und Briands. Also
fuBte die Unzufriedenheit der Bauern mit der im Kriegs-
kommunismus eingefuhrten Pflichtablieferung auf die-
sem Hauptwiderspruch Das heiBt nicht, daB die Mall=
nahmen des Kriegskommunismus falsch waren Die
Zwangsumlage erfi llte unter den Bedingungen eines
fiirchterlichen Krieges vollkommen ihre Aufgabe, die
Industrie zu erhalten, selbst zur schwersten Zeit,, als
die zentralen Industriegebiete von den Getreidegebieten
) W. I. Lenin, Werke, Bd. 30, S. 30/11, russ.
Sobald aber der auliere Feind zerschlagen war - das
war erst gegen 1921 der Fall -, stand vor der Sowjet-
macht eine andere Aufgabe: das Bundnis zwischen
Arbeiterklasse und Bauernschaft auf eine neue Basis,
auf die feste und dauerhafte okonomische Basis zu
stellen. Auf der Allrussischen Konferenz der KPR (B)
im Mai 1921 sagte Lenin in seinem Bericht aber die
Naturalsteuer:
?Erst gegen Fruhjahr 1921 haben wir diese Aufgabe
unmittelbar gestellt, und das geschah zu einer Zeit, als
die MiBernte von 1920 die Lage der Bauern geradezu
unglaublich verschlechtert hatte, als wir zum ersten.
Male bis zu einem gewissen Grade innerpolitische
Schwankungen zu verzeichnen batten, die nicht mit dem
Ansturm der Feinde von auflen, sondern mit dem Ver-
haltnis zwischen der Arbeiterklasse und der Bauern-
schaft zusammenhingen."5)
So sehen wit also, daB zwar die Einfuhrung der mit
dem Kriegskommunismus zusammenhangenden Zwangs-
umlage durch den Hauptwiderspruch zwischen Bour-
geoisie und Proletariat hervorgerufen wurde, daB abet
die auf dieses? Grundlage entstandenen inneren Schwie-
rigkeiten sich aus den nach dem Burgerkrieg neu ge-
staltenden Verhaltnissen zwischen Proletariat und
Bauernschaft ergaben.
Mit aller Deutlichkeit sprach das Lenin nosh einmal
in seiner letzten Redo ?Fi of Jahre russische Revolution"
aus:
I
?Das war das erste und, ich hoffe, das letzte Mal in
der Geschichte SowjetruBlands, daB grolle Massen der
Bauernschaft, wenn auch nicht bewuflt, so doch instink-
tiv, stimmungsmaBig gegen uns waxen."6)
Die Verscharfung des Klasscnkampfes
Die konterrevolutionare Kronstadter Meuterei
und ihre Liquidierung
Wit mussen nun unsere ganze Aufinerksamkeit auf
eine Frage lenken, die von groBter aktueller? politischer
Bedeutung ist und deren eingehende Kenntnis uns wert-
volle Erfahrungen ubermittelt. Das sind die Fragen der
Verscharfung des Klassenkampfes in der Ubergangs-
periode, die wir insbesondere am Beispiel der konter-
revolutionaren Meuterei in Kronstadt im Marz 1921
klarmachen wollen.
Bis heute und gerade heute werden die Kronstadter
Ereignisse des Jahres 1921 immer wieder? von jenen,
die die Organisatoren der Meuterei waren, hervor-
geholt, um die Kommunistische Partei der Sowjet-
union und Lenin zu verleumden, die Bolsehewiki und.
das sozialistische Sowjetsystem dafiir verantwortlich zu
machen, daB in Verbindung mit den MaBnahmen der
notwendigen gewaltsamen Niederschlagung der Kron-
stadter konterrevolutionaren Meuterer neben den weiB-
gardistischen Organisatoren auch irregefuhrte Matrosen
und Arbeiter von diesen Malnahmen betroffen wurden,
5) w. I. Lenin, Ausgewdhlte Werke in 12 B5nden, Bd. 9, Verlags-
genossenschaft auslundischer Arbeiter in der UdSSR, Moskau-
Leningrad 1936, S. 223.
6) W. I. Lenin, Ausgewdhlte werke in zwei Banden, Bd. II,
Dietz Verlag, Berlin 1952, S 967.
So schreibt die Munchener Zeitung ?Die Kultur" vom
15. Januar 1957:
,,... der Aufstand von Kronstadt 1st ja ein flammen-
des. Menetekel gerade in jener fruhen Epoche, die alles
Kommende ankundigt,"
Ahnliches haben sic am 17. Junf geschrieben und natur-
lich auch in Verbindung mit der Niedersehlagung der
Konterrevolution in Ungarn. Man mull vollkommene
Klarheit in dieser Frage haben. Deswegen werde ich
sic sehr ausfiihrlich behandeln.
Sprachen wir davon, daB die entstandene inner?-
politische Krise - wie Lenin sagte - das erste Mal in
gewissem Grade nicht das Resultat eines auBeren An-
stolies war, so bedeutet das nicht, daB die neu entstan-
dene Lage nicht sofort - sowohl von der inneren Konter-
revolution, als auch von den auf der Lauer liegenden
Imperialisten - ausgenutzt wurde, um die Gesamtlage
der Sowjetmacht nosh mehr zu verscharfen. Nicht un-
begrundet sprach Lenin gerade in dieser Zeit des ofteren
davon, daB man auf der Hut sein mull, daB man nie
Weil, wann der Feind zum Angriff ubergeht. Die Kar-
dinalfrage der NOP ?Wer - Wen?" brachte Lenin auf
einen Nenner mit der Verscharfung des Klassenkamp-
fes, wenn er sagt: ?Der Kern der Sache 1st aber der, daB
der Kampf nosh verzweifelter, nosh ruccsichtsloser ist
und sein wind als der Kampf gegen Koltschak und
Denikin."7)
Damit zeigt Lenin, daB der Klassenkampf - neben
dem Burgerkrieg als der hochsten Form des Klassen-
kampfes - in der Ubergangsperiode nosh andere, nicht
weniger kompiizierte Formen annimmt. Von diesem
Gesichtspunkt aus mull man auch den in dieser Zeit sich
verscharfendeti Klassenkampf in Verbindung mit den
Kulakenaufstanden und der Kronstadter konterlevolu-
tionaren Meuterei des Jahres 1921 einschatzen.
Man mull davon ausgehen, daB die Organisatoren der
Sabotage und Meutereien von 1921 n cht mehr dieselben
waren, vie die des Kornilowputsches odor in den
Jahren des Burgerkrieges bei Perm.
Die inneren und auBeren Feinde batten ihre Taktik
geandert. War ihnen in den Jahren desBiirgerkrieges und
der auslandischen Intervention der Sturz der Sowjet-
macht nicht gelungen, so versuchten sic jetzt unter Aus-
nulzung der schweren wirtschaftlichen Lage, die von
ihnen selbst herbeigefuhrt wurde, die Sowjetmacht von
innen heraus zu sprengen.
In Anbetracht der grolien Sympathien des Volkes fur
die Sowjetmacht begannen sic sich mit ?sowjetischer?
Farbe" zu ubertunchen und slellten schon nicht mehr
die alte Losung ?Nieder? mit den Sowlets auf, sondern
riefen jetzt zum Sturz der Sowjetmacht unter der Lo-
sung auf ?Fiir? die Sowjets, aber ohne Kommunisten"
Die konterrevolutionare Losung ?Sowjets ohne Kom-
munisten" spielte vor allem auf die Unzufriedenheit der
Bauernschaft an, insbesondere mit der Ablieferungs-
pflicht. Mit der Losung ?Sowjets ohne Kommunisten"
wollte die Konlerrevolution vor allem die Bauern gegen
die Lebensmittelbeschaffungsabteilungen aufbringen,
die sich in'ihrer grolien Mehrheit gerade aus Kommu-
7) W. I. Lenin, Ausgewalilte Werke in 12 BSnden, Bd. 9, Ver-
lagsgenossenschaft ausltindischer Arbeiter in der UdSSR,
Moskau-Leningrad 1936, S. 279.
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nisten and den liewuf3ten Arbeitern der Industriebezirke
zusammensetzten and die im Auftrage der Partei ein
grol3es Werk vollbrachtcn, besonders in der schweren
Zeit des Burgerkrieges.
Was war das Wesen der ncuen Taktik der
Konterrevolut ion?
Das Wesen der neuen Taktik der Konterrevolution be-
stand darn, vor allem mit Hilfe der kleinburgerlichen
Schichten auf irgend eine Weise eine Machtverschiebung
zu erreichen. Bei dieser Taktik war den Menschewiki
eine besondere Rolle zugedacht. Aber auch die rus-
siscren Menschewiki waren nicht mehr dieselben vie
zur Zeit Kerenskis. Sie waren bereits bei ihren Kol-
legen der II. Internationale, insbesondere bei Noske and
Ebert in die Schule gegangen, die es bereits erprobt
hatten, vie man mit Revolutionen fertig wird, wenn
man nur die Kommunisten von der Macht fernhalt.
Es ging ihnen also darum, zunachst die Bolschevikf
von der Macht zu entfernen, d. h., der Sowjetmacht
Herz and Hiin zu rauben, um ihr Bann den TodesstoB
?ru versetzen. Die Kommunisten aus den Sowjets ver-
treiben, bedeulete nichts anderes, als die Diktatur des
Proletariats zu Fall bringen.
Diese Taktik flatten die sozialdemokratischen Ver-
ri tee in Deutschland 1918 dem Wesen nach bereits er-
foigreicl gegen die revolutionare Arbeiterklasse benutzt,
um die Revolution abzuwiegeln. Davon spricht auch
Lenin, als er die Taktik der Feinde in Verbindung mit
der ncuen Losung ?Sowjets ohne Kommunisten"
entlarvte.
Er schrieb, daB die Kapitalislen and Gutsbesilzer
etwa so denken:
?Wir ivollen jeden, wer immer es audi sei, sogar
Anarchisten, jede beliebige Sowjetmacht unterstutzen,
darn it nur die Bolschewiki gesturzt werden, damit nur
eine Verschiebung der Macht herbeigefuhrt wird!
Einerlei, ob nach rechts odes nach links, ob zu den
Menschewiki oder zu den Anarchisten hin, nur eine
Verstiebung der Macht weg von den Bolschewiki, das
ubrige aber - das ubrige werden ?wir", die Miljukow,
?wir", die Kapitalisten and Gutsbesitzer, schon ?selber"
besorgen; die Anarchisten, die Tschernow and die Mar-
tow werden wir schon hinausprugeln, vie wir es in
Sibirien mit den Tschernow and Maiski, vie wir es in
Ungarn mit den ungarischen Tsciernow and Martow,
wie wir es in Deutschland mit den Kautsky, in Wien
mit Fr. Adler and Konsorten gemacht haben."6)
Von dieser konterrevolutionaren Taktik - ?einer nur
kleinen Machtverschiebung", der Ausschaltung der
Kommunisten aus den Raten, hat die Konterrevolution
bis heute nicit abgelassen. Im Gegenteil, die konter-
revolutionaren Ereignisse in Ungarn lieIlen mit alley
Scharfe and Deutlichkeit diese Taktik der Konter-
revolution erkennen.
Es lohnt sick, die Ereignisse in Ungarn nochmals vor
Augen zu fuhren and sie in das Licht der Leninschen
Erkenntnisse zu stellen, um zu sehen, \vie resit Lenin
8) \V. I. Lenin, AusgewShlte Werke in zwei Blinden, Bd. II,
Dletz Verlag, Berlin 1952, S. 855/856?
18
mit semen Worten hatte, die er in ?Der ,linke Radika-
lismus", die Kinderkrankheit im Kommunismus" schrieb:
daft in einigen uberaus wesentlichen Fragen der
proletarischen Revolution alien Landem unvermeidlich
bevorsleht, dasselbe durchzumachen, was RuBland
durchgemacht hat."9)
Lassen win den Genossen Marosan, Mitglied des' Exe-
kutivkomitees der Ungarischen Sozialistischen Arbeiter-
partei, sprechen. In seinem Artikel ?Rechenschaft" vom
5. Januar 1957 schreibt en:
?Betrachten wir also genauer die ungarischen Ereig-
nisse der jungsten Vergangenheit. Am Nachmittag des
23. Oktober flndet eine friedliche Demonstration statt,
ab d handelt es side bereits um efnen bewaffneten
Aufstand. Es werden samtliche militarischen, politischen
and Nachrichtenzentralen sowie alle Transportmittel
besetzt bzw beschlagnahmt. Die Anrede ?Genosse" wird
abgesdhafft, and es entsteht neu der ?Herr". Der Sitz
der Parteizeitung wird angegriffen. Jede andere Zei-
tung kann erscheinen, nur die der Kommunisten nicht.
Die blutigen, bewaffneten Ereignisse halten tagelang
an. Die Partei- and Staatsfiihrung rutscht unter dem
Druck der Forderungen der die StraBe beherrschenden
Konterrevolutfonare immer tiefer herab. Die sich tug-
11th verandernde Zusammensetzung der Regierung er-
moglicit die Desorganisierung des gesamten staatlichen
Lebens, and hinter den mit der Nationalflagge getarn-
ten antikommunistischen, antisowjetischen and anti-
volksdemokratischen Losungen wird das Wesen der
Dinge immer deutlicher eikennbar. Am 30. and 31. Ok-
tober trauen sick in immer gri llerem Umfang and offen
alle diejenigen hervor, in deren Interesse der bewaff-
nete konterrevolutionare Aufstand erfolgt ist. Bei der
Regierung erscheinen - ich bin selbst Zeuge dafiir? -
zuerst die mittleren Gewerbetreibenden and fordern die
Aufhebung der 1949 durchgefiihrten Verstaatlichung,
dann erscheinen die Vertreter der Fabrikbesitzer and
fordern die Wiederherstellung der Verhaltnisse, hvie sic
vor der Verstaatlichung im Jahre 1948 bestanden. Die
Horthy-Offlziere treten in Schli &tordming am- Die Grog- -- -
grundbesitzer, die ungarischen Aristokraten wagen sich
hervor?, um erneut den Grund and Boden in Besitz zu
nehmen, um die Produktionsgenossenschaften mit Ge-
walt zu zeischlagen. Neben ihnen wuten, morden and
brandschatzen die bewaffneten Banden der Kulaken?"10)
Man kann nur notmals sagen, vie richtig Lenin die
Taktik der Konterrevolution einschatzte, bereits als
sie das erste Mal mit ihrer Taktik auftrat. Wie viele
Leiden konnen der siegreichen Arbeiterklasse erspart
werden, wean sie sich auf die Erfahrungen der sowje-
tischen Arbeiterklasse, die von einer solch' erprobten,
von Lenin gefuhrten Partei, wie die der Bolschewiki,
stutzt.
Wieviel Erfahrung des Klassenkampfes steckt in den
Worten Lenins:
?So gering oder ldein zunachst, vie soil ich mich aus-
drncken .. die Machtverschiebung, die die Kronstadter
Matrosen and Arbeiter erstrebten, gewesen ware - sic
wollten die Bolschewfki in bezug auf den freien Handel
9) Ebenda, S. 678.
10) Aus der internationalen Arbeiterbewegung", Nr. 2 (14)
worn 26. Januar 1957.
- - - b=?u?u?~, uis she ulese mehr moglich sein wurde, den Kapitalismus in RUBland
Taktik der Konterrevolution sofort entlarvte and durch- zu restaurieren, wenn es der Kommunistisdien Partei
kreuzte. Ende Oktober vorigen Jahres, als die Konter- der Sowjetunion gelingt, das gestiirte Bundnis zwischen
revolution bereits glaubte, den Sieg in der Tasche zu der Arbeiterklasse and der Bauernschaft zu festigen.
haben and sic sick ansciickte, mit derselben Taktik der
Machtverschiebung auch bei uns Unruhen zu stiften, Es 1st ein alter Trick der Konterrevolution, ihr drecki-
erklarte Genosse Otto Grotewohi eindeutig and fur alle ges Handwork immer als ?spontane Bewegungen des
unmi0verstandlich: Volkes, Erhebungen and Revolutionen" auszugeben. Sic
korrigieren - scheinbar keine grol3e Verschiebung, Gefahr eines Risses fm BBndnis sick abzuzeichnen be-
scheilibar dieselben Losungen: ?Sowjetmacht", mit einer gann. Aber eiii Ril3 in der Klasserigrundlage der Dikta-
kleinen Anderung oder nur verbessert - in Wirklich- tur des Proletariats ist gleichbedeute^?1 m;+ ^ ^^- RIB
keit aber dienten hier die parteilosen Elemente nur as im Fundament des Sowjetstaates. 50X1 HUM '
Sprungbrett, als Stufe, als Briicke, uber die die WeiB-
gardisten Icamen. Das ist politisch unvermeidlich;'ii) Das begriff audi derKlassenfeind, sowohl der innere als
?Das kbnnte den Herrschaften so passen, daB bei uns
die Minister vie Puppen ausgewechselt werden konnen.
Aber unsere Minister sind keine Puppen. Das Sind Ar-
beiter, das sind Menschen, die iahrzehntelang die Er-
fahtungen des Arbeiterlebens selbst erlebt and durch-
gemacht haben. Die konnen fiihlen and denken mit
jedem Arbeiter, kennen seine Bedurfnisse and wissen
aus diesem ihrem eigenen Leben heraus ihre Regie-
rungstatigkeit zu gestalten. Bei uns besteht gar kein
Anlafl, die Regierung zu verandern. Regierungswechsel-
nur hveil es Mode ist-machen wir nicht mit. Wir sind
fur Modekrankheiten vollkommen unempfindlich."iia)
Man kann also die neue Taktik der Konterrevolution
dahin zusammenfassen, dalI es ihr nicht um die Form
'der Sowjets ging, sondern einzig and allein um den
Inhalt der Sowjets, darum, wer an der Spitze der So-
'wjets steht and damit die Politik der Sowjets bestimmt.
Zum ersten Mal brachte die Konterrevolution die
neue Taktik im Kampf gegen die Sowjetrepublik bei
der Organisierung der konterrevolutionaren Meuterei
in Kronstadt zur Anwendung, die am 1. Marz 1921, am
Vorabend des X. Parteitages der KPR (B), begann.
Spracien wir vorher davon, dalI - cvie Lenin sagte -
bis zu einem gewissen Grade die innerpolitischen Span-
nungen das erste Mal seit Bestehen der Sowjetmacht
_ ___ nicht da.$_unmitteJbgre E> gebr~is _einee. auBn Ansofies_
leltet wurde. Also auch ?Parteilosigkeit" diente als
-_
waren, so sieht die Sadie der Kronstadter Meuterei Tarnung er onTerrevoIaition. Diese ?par e1 ose-Ar= -`
anders aus. Sic war das eindeutige Resultat einer lange beiterkomitee" stellte. vor allem solche Losungen auf,
vorbereiteten Organisation - ein Zusammenspielen der vie Neuwahl der Sowjets, Einfuhrung des freien Han
aal3eren and inheren Konterrevolution, unter unmittel- dels, Aufhebung der Ablieferungspflicht. Mit diesen
barer Beteiligung der Menschewiki and Sozialrevolutio- Losungen, die klar auf das unzufriedene, schwankende
nare mit Unterstutzung der II Internationale kleinburgerliche Element abgestimmt waren, versuchten
Wer war der Organisator der konterrevolutionaren
Meuterei in Kronstadt?
Es lohnt sick, sick mit der Vorbereitung der konter-
revolutionaren Meuterei in Kronstadt etwas ausfuhr-
licher zu befassen, weil sic uns bis heute - and gerade
heute - sehr viel Lehren vermittelt.
Wir werden node horen, wie Lenin bereits zu Aus-
gang des Burgerkrieges sehr aufinerksam das Klassen-
verhaltnis zwischen Arbeiterklasse and Bauernschaft be-
obachtete, daB sick hier das Verhaltnis anderte and die
Ii) W. I. Lenin, AusgewShlte Werke in 12 BSnden, Bd. 9, Ver-
lagsgenossenschaft ausl5ndlscher Arbeiter in der UdSSR,
Moskau-Leningrad 1936, S. 106.
ha) ?Neues Deutschland" worn 28. Oktober 1956,
sic dieses auf? ihre Seite zu ziehen, vie uberhaupt das
Schwanken der kleinburgerlichen Elemer+^ ^ ' ----
deres Merkmal der Kronstadter Ereigniss50X1-HUM
Lenin schatzte deswegen auch klassenmaBig die konter- `
revolutionare Meuterei in Kronstadt als kleinburgen1i h
Konterrevolution ein, die in einem klei- nburger idle
Lande mit geningem Proletariat - wie es Rullland 1921
. war - weit gefahrlicher war als alle wetBgardistische
Generale zusammengenommen. Ort and Zeit waren auch
nicht zufallig gewahlt worden. Die Imperialisten unter-
stutzten die Meuterer vor ahem uber Estland. Die Lage
Kronstadts, als Schlussel fur Petrograd, war fur die
Konterrevolution auBerordentlich gunstig, zumal 'die
Kronstadter Garnison ihrer alten revolutionaren Garde
D) W. I. Lenin, Ausgewihlte Werke in 12 B5nden, Bd. 9, Ver-
lagsgenossensthaft ausl5ndischer Arbeiter in der UdSSR,
Moskau-Leningrad 1936, S. 105. 50X1-HUM
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brauchen dieses ?spontane" Element zur Tarnung Ihrer
von langer Hand vorbereiteten konterrevolutionaren An-
scilage auf die Arbeiterklasse. So war es in Ungarn and
so war es, als die Konterrevolution die Meuterei in Kron-
stadt vorbereitete. Auf dem X. Parteitag den KPR (B)
sagte Lenin dazu:
?Zwei Wochen vor den Kronstadter Ereignissen schrieb
man bereits in den Pariser Zeitungen, dalI in Kronstadt
ein Aufstand ausgebrochen sei. Es ist ganz kiar, dab
wir es hier mit der Arbeit der Sozialrevolutionare and
der auslandiscien Weillgardisten zu tun haben; and zu-
gleich lief die Bewegung auf eine kleinbiirgerliche
Konterrevolution, auf kleinbiirgerliche Anarchic hin-
aus."12)
Es ist durchaus kein Zufall, daB Pariser Zeitungen
zwei Wochen vorher aus der Schule plauderten. Der
ganze konterrevolutionare Plan wurde in Paris in enger
Zusammenarbeit mit dem franziisischen Generalstab
ausgearbeftet.
Natiirlich wurden durch die Konterrevolution auct
?Rate and Komitees" gebildet. So kam bereits am 2. Tag
der Meuterei ein ?Provisorfsdies Revolutionskomitee der
Matrosen, Rotarmisten and Arbeiter" zustande, das vor-
gab, auf ?parteiloser" Basis zu beruhen, in Wirklichkeit
aber von den Mensdiewiki and Sozialrevolutionaren ge-
enlbldf3t war and die neuen Rekruten - meist Bauern-
sohne - omen gunstigen Boden fur ihre konterrevolu-
tionaren Losungen bildeten?
Der Zeitpunkt des Aufstandes war auch nicht zufallig
gewahlt worden. Die Sowjetmacht fuhrte damals eine
Reihe Verhandlungen - in Moskau befanden sick eine
ti rkische and eine persische Delegation -, desgleichen
liefen Verhandlungen uber elnen Friedensvertrag mit
Polen. Die Imperialisten versuchten, um jeden Preis die
Verhandlungen mit ihrem nachsien Nachbarn zum Schei-
tern zu bringen. Auch diesem Ziel sollte die Kronstadter
Meuterei dienen,
Aber vie sorgfaltig die Konterrevolution auch ihr
Werk vorbereitete, sie sollte ein Fiasko erleiden, Um den
konterrevolutionaren Aufstand im Keim zu ersticken
and so einen neuen Burgerkrieg zu verhindern, mufite
die Kommunistische Partei schnell and entschlossen
handeln, Die Taktik des Feindes, die Festung so lange
zu hatten, bis die zugefrorene Kronstadter Bucht eisfrei
and fur die auf der Lauer liegenden englischen Kriegs-
schiffe befahrbar wurde, mutlte um jeden Preis durch-
kreuzt werden, Die Kronstadter Meuterei wurde nach
vorherigemArtilleriebeschull am 18,Marz durch 300 Dele-
gierte mit Genossen Woroschilow an der Spitze nieder-
geschlagen.
i
Die Lage innerhaib der Partei in der Periode des Vber-'
gangs zur friediichen Arbeit bei tier VicderhersteI1ung
der Volkswirtschaft
Die Parleidiskussion uber die Gewerkschaftcn
Die Kronstadter Meuterei deckte die konterrevolutio-
mire Tatigkeit der Menschewiki and Sozialrevolutionare
auf, Bereits wahrend der Kronstadter Meuterei be-
stand ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den
Kronstadter Meuterern und,siimtlichenparteifeindlichen
b' + Gruppierungen, mit den Trotzkisten an der Spitze. Die
Eigenart der ?Kronstadter Methode" bestand ja gerade
darin, von dem hoffnungslosen konterrevolutionaren
Versuchlunter weil3gardistischer Flagge die Sowjetmacht
zu stiirzen, i berzugehen zur Sammlung aller partei-
feindlichen Ef mente innerhalb der Partei, zum Kampf
gegen die Parteilinie. Die hist'orische Leninsche Resolu-
tion ?t)ber die Einheit der Partei", angenommen auf
dem X. Parteitag der KPR (B), deckt gerade diesen Zu-
sammenhang auf, indem darauf hingeviesen wird, dali
die Feinde des Proletariats auch nur die kleinste Ab-
weichung von der strengeri, konsequenten Einhaltung
der Generallinie (,,... kommunistischen Linie") der
Partei ausnutzen, ja sogar bereit waren, die Losung des
Sowjetsystems zu akzeptieren, um nur die Diktatur des
Proletariats zu Fall zu bringen. Vor allein waren es die
Sozialrevolutionare, die die Losungen des konterrevolu-
tionaren Aufstandes angeblich im Namen der Sowjet-
macht, gegen die Sowjetregierung Rufllands ausnutzten.
Sehr bezeichnend fur die ruhrige Tatigkeit der Sozial-
revolutionare? and Menschewiki in jenen Tagen 1st efn
Bertcht der Tscheka vom 24.1Juni 1921. Drei Monate
nach der Zerschlagung der Kronstadter Meuterei, als sick
die Sicherheitsorgaite der Sowjetmacht die erste Uber-
sicht uber die verschiedenen Verschworungen gegen die
Diktatur des Proletariats verschafften, schrieb die
?Iwestija":
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?Bezeichnend fur diese Parteien (Menschewiki) ist die
Tatsache, dali bet alien Verschworungen gegen die So-
wjetmacht, die durch die Tscheka aufgedeckt wurden,
Immer irgend eine Gruppe von Menschewiki aufgesto-
bert wird, die an der dreckigen, illegalen,konterrevolu-
tionaren Tatigkeit beteiligt ist "1a)
Standen die Menschewiki and Sozialrevolutionare
often auf der anderen Seite der Barrikade, so heillt das
nicht, dal3 es auch nicht innerhalb der Partei Leute gab,
die entweder bewuflt dem Feind in die Hande spielten,
oder dem Druck des Gegners erlagen and so die Kampf-
kraft der Partei, die in solchen Zeiten eine militante
Disziplin braucht, aufs gefiIhrlichste schwachten, ,Jedes I
Debattieren and jede unnotige Diskussion nutzen in
solche- rr La_ge dem_Klassengegner. Dabei mull man in
Rechnung setzen, dali der Gegner bestrebt ist and es
auch versteht, sich sogar in Kommunisten, ja sogar in,i
radikalste K_ommunisten umzufarben.
`~So and nicht anders mull man auch die Gewerkschafts-
diskussion, die von den Trotzkisten in dieser Zeit her-
aufbeschworen wurde, betrachten. Stellt man fur diese
Diskussion das Leninsche Kriterium ?Wem ni tzt es?",
so gibt es nur eine Antwort:
In einer Zeit, wo der Kiassenfeind often die Diktatu~t '
des Proletariats attackiert, dient jede Bewegung and
Diskussion, die die Partei von ihrer Hauptaufgabe, der
Verteidigung der Mackt der Arbeiterklasse ablenkt, ob-
jektiv der Konterrevolution; dabei spielt das sub jektive
Wollen odor Nichtwollen nur eine unto rgeordnete Rolfe.
Dadurch, daft die Krafte der Partei gebunden warden,
paJ1t in soichen Zeiten solch' eine Diskussion vollkommen
in die Konzeption der Konterrevolution.
So kam der Kampf aller parteifeindlichen Gruppie-
rungen gegen die Leninsche Einheit der Partei zur Zeit
der Gewerkschaftsdiskussfon einer direkten Unterstut-
zung der Kronstadter Meuterer zugute, diente objektiv
der Konterrevolution. Besonders die Trotzkisten and
Sinowjew hielten jetzt- da die Partei suh in Schvierig-
keiten befand - die Zeit fur gekommen, um erneut ihre
Angriffegegen die LeninscheEinheitderParteizu richten
--DieAusfalleder.Tiotzkiien.gegen dieParteien.--
ten natirlich auch die t)berreste anderer parteifeind-
licher Gruppierungen, \vie ?linke Kommunisten" mit
Bucharin an der Spitze, die ,1Arbeiteropposition", die
?demokratischen Zentralisten" u. a (Auf ihre politische
Konzeption werde ich nosh spater eingehen )
Alle glaubten nun, die Freiheit zu haben and auf die
Partei Schmutz werfen zu konnen. So unterminierten
die Trotzkisten and andere Grvppierungen in diesem
entschetdenden Moment des Ubergangs zum friedlichen
Aufbau die notwendige Einheit and Geschlossenheit der
Partei. Versuchten die aulleren Feinde, den Ruin der
Volkswirtschaft zum Sturz der Sowjetmacht auszu-
nutzen, so schreckten die schwankenden Elemente, ob
sie sick ?links" drapierten odor rechts standen, vor den
grot3en Schwierigkeiten zuriick, and erlagen dem Druck
des Feindes. So war fur den Kampf der internationalen
Bourgeoisie gegen Sowjetrullland fur das Jahr_ 1921 be-
sonders das Zusammemvirken des okonomischen and
militarischen Kampfes charakterfstisch, der Versuch, den
Sturz von auflen mit dem Sturz aus dem Inneren heraus
zu vereinigen.
Der Partei war es klar, dalI die Lage sich auf das
Aullerste zugespitzt hatte? Um die verktatigen Massen
zu stutzen and ihre Lage zu verbessern, um das Bund-
nis der Arbeiterklasse mit der werktatigen Bauernschaft
zu festigen, um das junge Sowjetland zu retten and das
Werk fortzusetzen, das auf den Oktoberbarrikaden so
ruhmvoll begonnen wurde, war es notwendig, klug, ent-
schlossen and Schnell zu handeln, um die Wunden zu
heilen, die vier Jahre imperialistischer Krieg and drei
Jahre Burgerkrieg geschlagen hatten.
Die Gewerkschaftsdiskussion
Um die schweren Wunden zu heil'en, die der Krieg
geschlagen hatte, um den Umbau der dkonomischen
Grundlagen des Landes nach sozialistischen Prinzipien
zu ermoglichen, war die breiteste Heranziehung der
Arbeiterklasse and ihrer gewerkschaftltchen Organi-
sationen notwendig, Lenin betonte, .. fur alle neuen
Produktionsaufgaben eine auf tYberzeugdng gegriindete
breite and solide Basis..." zu schaffen.11)
Lenin entwickelte deshalb im Zusammenhang mit
semen grundlegenden Darlegungen uber die Organisie-
rung des sozialistischen Aufbaus and die Aufgaben der
Arbeiterklasse- ais der fahrenden Kraft hierbei seine
Lehre von der Errichtung des Sozialismus mit nicht-
sozialistischen Handen. Hiermit schuf er eine wirhtige
Methode zur Verwirklichung seines Planes fur den
sozialistischen Aufbau.
Auf dem XI. Parteitag der KPR (B) bezeichnete
Lenin das Vorhaben, die kommunistische Gesellschaft
allein mit den Handen der Kommunisten aufzubauen,
als ?eine ganz kindliche Idee". Er fuhrte aus, dali die
Kommunisten nur ein Tropfen im Volksmeer sind and
die Wirtschaft nur dann leiten konnen, wenn sie von
den anderen Teilen der Volksmassen lernen and ste
zum Aufbau heranziehen.
Diese Politik beruht u. a. eben auf der richtigen An-
~vendung der Leninschen Lehre, dali es fur den Sieg
des Sozialismus nirht nur moglich, sondern unumgang-
lich ist, die opfervollen Heldentaten der Arbeiterklasse
Rolle and Aufgaben der Gewerkschaften auf. Die Frage
der Gewerkschaften war zu jener Zeit nicht die Haupt-
frage der Parteipolitik. Lenin kennzeichnet diese Dis-
kussion uber die Gewerkschaften als omen fur die Par-
tei ?unerlaubten Luxus".
Wenn Lenin sagte, dalI die Gewerkschaftsdiskussion
ern unerlaubter Luxus war, so deshalb, veil die Partei
schon Idar and deutlich die Rolle and die Aufgaben der
Gewerkschaften dargelegt hatte. Das war im Programm
der Partet - angenommen auf dem VIII. Parteitag der
KPR (B) -, vie auch besonders auf dem IX. Parteitag
geschehen, wo eine Resolution ?Zur Frage der Geverk-
schaflen and ihrer Organisationen" angenommen wurde.
Vor allem aber lenkte diese Diskussion die Partei von
den zwingenden wirtschaftlichen Aufgaben,ab. Und hies
auf dieser Ebene trafen sick die Feinde innerhalb der
Partei mit den Kronstadtern, and darin bestand auch
das Hauptverbrechen der Trotzkisten in dieser Zeit.
Die Feinde der Sowjetmacllt hatten sich uberzeugen
mussen, dal/ weder der offene Burgerkrieg, Blockade
and Intervention, nosh die Methode ?Kronstadt" 50X1-HUM
wjetmacht auf die Knie zwingen konnten.
Nun, da alle diese Formen des Kampfes der, Bour-
geoisie an der Kraft der Arbeiterklasse, die von der
Kommunistisehen Partei sicker durch alle Sturme ge-
fuhrt wurde, gescheitert waren, sahen idie Feinde eine
neue Chance fur ihre konterrevolutionaren Plane, die
Partei von innen heraus zu sprengen, um damit die
Arbeiterklasse der Fuhrung zu berauben, um so leichter
den Kapitalismus wiederherstellen zu konnen. Die
Feinde hatten sick srhon uberzeugen mussen, dalI ihren
konterrevolutionaren Zielen emn unuberwindliches Hin-
dernis im Wege stand: die Kampfkraft der Partei, die
entscheidend von der Einheit and Geschlossenheit ihrer?
Reihen abhangt. Deswegen spielte auch auf alien Partei-
tagen der KPR (B) jener Periode der NOP, auf dem
X., XI, XII? XIII. and XIV. Parteitag der Kam15OX1
die Einheit der Partei die ausschlaggebende Rolle.
Die Stellung zur Einheit der Partei wurde_zum-Kri-
Cerium fur a11e:Fragen. der ~7bergangsperiode. Von
-HUM
beim sozialistischen Aufbau cTurcZi 14fillionen nic~1~'prole`--~resem-StandpunkLaus.il~ul3_l~ran auch .jede fraktionelle
tarischer Hande zu unterstutzen, wobei diese Millionen Tatigkeit and Gruppierung betrachten and konkret die
Hande durch die Arbeiterklasse and ihre Partei gefuhrt Trotzkis, die in seiner Plattform zum Ausdruck kommt.
werden mussen.
Vor allem aber lehrt der Leninismus, dalI zur Losung
er Fragen des sozialistischen Aufbaus die Partei der
rbeiterklasse es verstehen mull, die game Kiasse d. h.
lie Masse der Arbeiterklasse zu gewinnen. Diese Auf-
abe kann in der Periode des sozialistischen Aufbaus
ur vermittels der Gewerkschaften als der breiten Or-
anisation der Arbeiterklasse gelost werden. Diese Auf-
abe kann nur gelost werden, wenn die fuhrende Rolle
er Partei innerhalb der Gewerkschaften gesichert ist,
wenn die Partei`und Gewerkschaft ihr Verhaltnis zur
Arbeiterklasse nicht auf Methoden des militarischen
Befehls and des Zwanges aufbaut, sondern in der
Hauptsache ihre Politik auf der Methode der Uber-
zeugung durchfihrt. Gegen diese, von der Partei ge-
gebenen Linie, traten die Feinde innerhalb der Partei
auf. Sie zwangen der Partei eine Diskussion uber die
14) w. I. Lenin, Sdmtliche werke, Bd. XXVI, Verlag fir fremd-
sprachige Literatur, Moskau 1949, S. 92.
Im Grunde genommen hatten auch alle anderen Platt-
formen, sowohl die Plattform Bucharins ais auch die
Plattform der ?Arbeiteropposition" der ?Gruppe des
demokratischen Zentralismus", dasselbe Ziel: den
Ubergang zur NOP zu verhindern. Die trotzkistische
Plattform aber war die gefahrlichste. Sie war deswegen
so gefahrlich, veil sie in der Endkonsequenz da??? ^?-
fuhrt hatte, die Partei von den Massen zu trenne50X1-HUM
Die Trotzkisten forderten die ?Anziehung ?der Daumen-
schrauben und.die Durchruttelung der Gewerkschaften".
An Stelle der Methode der t)berzeugung in der Gewerk-
schaftsarbeit and der Entfaltung der innergewerkschaft-
lichen Demokratie forderten sic die ?sofortige Ve;staat-
lichung der Gewerkschaften" and die Ubertragung der
militarischen Methoden des Zwanges, "der Hauptmetho-
den zur Zeit des Kriegskommunismus, auf die Gewerk-
schaftsarbeit.
Die Gewerkschaften sollten als freiwillige Massen-
organisationen liquidiert werden, die fiihrende Rolle
21
50X1-HUM
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der Partei sollte zunichte gemacht werden. Eine solche
Politik hatte unweigerlich zum Untergang der Diktatur
des Proletariats gefuhrt. Trotzki land in seinem Kampf
gegen Lenin' and die Partel auch bei Bucharin mit seiner
?Produktionsdemokratie" Unterstutzung, der, vie Lenin
einmal sagte, besondere Vorliebe fur ?verschnorkelte
Schlagworte" besitzt. In Verbindung mit der Gewerk-
schaftsdiskussion sagte Lenin: ?Genosse N. I. Bucha-
rin, weniger Wortverrenkungen! Das wird fur Sic, fur
die Theorie and fur die Republik von Nutzen sein."t5)
Gegen diesen Angriff der Trotzkisten, der sick gegen
die Dlktatur des Proletariats nichtete, der das Bundnis
der Arbeiterldasse and der Bauernschaft sprengen sollte,
trat Lenin mit aller Entschiedenheit auf. Da die Haupt-
kraft der parteifeindlichen Gruppierungen die Trotz-
kisten waren, fuhrte die Partei auch den Hauptschlag
gegen sic.
Auf dem Plenum des ZK im November 1920 wandtc
sick Lenin gegen die politisch schadliche and gefahrliche
trotzkistische Plattform. Am 30. Dezember 1920 sprach
Lenin in einer Versammlung dei? bolschewistischen
Deputierten des VIII. Sowjetkongresses and der Funk-
tionare der Gewerkschaflen and entlarvte die Trotz-
kisten. Er vies ihnen nach, daB sic die Gewerkschaften
mit militarischen Organisationen verwechseln and zeigte
ihr Bestreben, die Gewcrkschaften der Partei entgegen-
zustellen?
In semen Arbeiten ?Die Krise der Partei", ?uber die
Gewerkschaflen, die gegenwartige Lage and die Fehler
des Genossen Trotzki" and ?Nock einmal uber die Ge-
werkschaften", die Lenin im Jahre 1921 schrieb, richteto
en vernichtende Schliigc gegen die oppositionellen Grup-
pen. Lenin entwickelte in diesen Arbeiten die marxi-
stische Stellung zu den Gewerkschaflen in der Epoche
der Dilctatur des Proletariats. Vor allem klarte Lenin die
Frage, welchen Platz die Gewerkschaften im System der
Diktatur des Proletariats einnehmen.
?Ihrem Platz im System der Diktatur des Proletariats
nach stehen die Gewerkschaften - sagt Lenin -, wenn
man Bich so ausdrucken darf, zwischen, der Partei and
-
--
-
_-------der-Staatsmacht "19) - -- -- ?-- - -----?-
Der Leninismus lehrt, daB beim Ubergang zum Sozia-
li~mus die Diktatur des Proletariats unvermeidlich 1st;
die Diktatut? des Proletariats aber? Icann nieht durch die
gesamte Arbeiterklasse verwirklicht werden, Die Avant-
garde, der Vortrupp des Proletariats, der in der revolu-
tionaren Partei organisiert ist, venvirklicht die Diktatur
des Proletariats im Bundnis mit der werktatigen Bauern-
schaft. Aber die Diktatur des Proletariats kann ihre
staatlichen Funktionen nicht ausi ben ohne ern solides
Fundament \vie die Gewerkschaften.
Die Gewerksdraften stellen die Verbindung des Von-
trupps mit den Massen her.
Da sick die Dilctatur? des Proletariats nicht durch eine
das Gesamtproletariat umfassende organisation ver-
wirklichen laBt, ergibt sich, dab die Diktatut? des Prole-
tariats aulier dem Transmissionsriemen der Gewerlc-
schaflen noch eine ?ganze Reihe von Zahnradern" be-
notigt. In der Auseinandersetzung mit Trotzlci zur Ge-
werkschaftsfr3ge sagt Lenin:
fl)' Ebenda, S, 85.
15) Ebenda, S. 78,
22
?Die Diktatur (des Proletariats H. A.) lafit sick nidtl
verwirkilehen ohne einigc Transmissionen von der
Avantgarde' zur Masse der fortgeschrittenen Klasse and
von dieser zur Masse der Werktatigen."17)
,,Die Gewerkschaften sind _ betont Lenin -nichtnun
historisch notwendig, sondern eine historisch unver-
meidliche Organisation des Industrieproletariats, das
unter den Verhaltnissen der Diktatur des Proletariats
fast restlos von ihr erfaBt wird, d. h,, daB bei der Ver-
wirklirhung der Diktatur des Proletariats die Rolle der
Gewerkschaften aullerst wichtig ist.
Aber welche Aufgaben haben die Gewerkschaften
unter den Verhaltnissen der Diktatur? des Proletariats''
Sic Sind einigermaBen kompliziert and man mull sic
gut verstehen. Zwar 'sind die Gewerkschaften , , . eine
Organisation derherrschenden, madrtausubendenKlasse,
die die Diktatut? verwirklidrt, jener Klasse, die den
staatlichen Zwang ausubt . , ,"ts)
Die Gewerkschaften'sind also eine Organisation der
Diktatur des Proletariats - also einer Klasse, die staat-
lichen Zwang ausubt. Die Gewerkschaften sind aber
keine staatlfdren Organisationen, keine Organisationen
des Zwanges. Die Gewerkschaften, belont Lenin, sind
eine erzieherische Organisation.
sic sind eine Schule, eine Schule des Verwaitens,
eine Schule des Wirtschaftens, eine Schule des Kommu-
nismus."ts)
Wenn wir also von den Gewerkschaften als Schulen
des Kommunismus sprechen, so ist darunter zu ven-
stehen, daB die Gewerkschaften die Aufgabe haben, aus
ihren Reihen die Krafte zu stellen, die von den Staats-
organen zur unmittelbaren Leitung der nationalisierten
Betriebe, zur Leitung des Staates, eingesetzt werden
konnen. Sic haben die Aufgabe, diese Krafte zu fiirdern
and zu schulen, die breitesten Arbeitermassen zur ent-
scheidenden Teilnahme am sozialistischen Aufbau and
zur Arbeit in der staatlichen Verwaltung heranzuziehen.
Das ist die Rolle der Gewerkschaften im System der
Diktatut? des Proletariats als Schulen des Kommunis-
mus, SO W1e es Lenin letrrte.
Die von Trotzki der Partei aufgezwungene Gewerk-
schaftsdiskussion hatte in Wirklichkeit eine Bedeutung,
die wait uber die Gewerkschaftsfrage hinausging. In
einer spateren Resolution eines ZK-Plenums (17.,Januar
1925) wind festgestellt, daB die Diskussion um die Ge-
wenkschaft in Wirklichkeit ? . , um das Verhaltnis zur
Bauernschaft ging, die sick gegen den Kriegskommunis-
mus wandte, um das Verhaltnis zur parteilosen Arbeiler-
masse, uberhaupt um das Herangehen der Partei an die
Massen in einem Zeitabschnitt, wo der Burgerkr)eg be-
reits zu.Ende ging.""a)
Bis jetzt haben win immer davon gesprochen, daB die
Gewerkschaften eine Organisation der Arbeiterklasse
sind, was haben nun die Bauern dabei zu tun? Warum
ging es urn'das Verhaltnis zurBauernschaft? Die Bauern
sind ja gar nicht in den Gewerkschaf ten organisiert. Wir
haben gerade erkiart, daB die Dilctatur des Proletariats
sick niche venvirklichen.lal3t, ohne einige Transmtssionen
17) Ebenda, S. 80,
1S) Ebenda, 5. 78,
15) Ebenda.
20) KPdSU in Resolutionen, Ed, I, S. 9t4,
Iron der van gar a zur Masse der Iortgeschrittenefi"
Klasse and von dieser zur Masse der Werktatigen, also
von der Vorhut der Klasse, d. h. der Partei zur ganzen
Klasse and von der ganzen Klasse zur grolien Masse
der Werktatigen uberhaupt.
Wer war aber in SowjetruBland in jenen Jahren diese
---------x--- - - v--- --- -
Masse? These Masse war eben die Bauernschaft. Anfang
der zwanziger-Jahre betrug_ diese Masse z. B._ in der
RSFSR 80 Prozent der BevSlkerung.
Deswegen sagte Lenin:
,,In Rulland ist diese Masse die Bauernmasse, in an-
deren Landern gibt es eine solche Masse nicht, aber
selbst in den am weitesten vorgeschrittenen Landern
gibt es eine nichtproletarische oder nicht rein proleta-
rische Masse."?-Oa)
So sieht es also mit der prinzipiellen Stellung der
Gewerkschaften in der Periode des t)bergangs vom Kapi-
talismus zum Sozialismus aus and so mull man die kon-
krete Frage sehen, dalI die Gewerkschaftsdiskussion
gleichzeitig eine Frage der Bauernschaft, oder - verall-
gemeinetnd-eine Frage des Verhaltnisses zur Masse 1st.
Die Kenntnis des Leninschen Standpunktes aber die
Gewerkschalten, die Kenntnis der richtigen Methoden
der Fiihrung der Arbeiterklasse in den Gewerkschaften,
vie sic von Lenin ausgearbeitet wurden, ist von groBer
aktueller Bedeutung. Die Gewerkschaften als Organisa-
tionen, die berufen sind, die Verbindung der Avantgarde
mit den Massen herzustellen, konnen aber die Rolle als
Transmissionen nur' erfullen, wenn die Arbeiter die
Gewerkschaften als ihre eigenen Organisationen be-
trachten. Diese Erkenntnis wind von den Arbeitermassen
aber nur dann gewonnen werden, wenn die Gewerk-
schaften konsequent die Interessen der Arbeiterklasse
vertreten, Die Gewerkschaften ki omen dies jedoch nur
dann, wenn sic von der Partei der Arbeiterklasse ideolo-
gisch-politisch gefuhrt werden. Sic konnen es dann,
wenn in den Gewerkschaften nicht, vie das Trotzki tat,
mit militarischen_Methoden, sondern mit_der Haupt-
methode der Uberzeugung, mit der Methode der prole-
tarischen Demokratie, gearbeitet wind.
Lenin betonte auf dem X. Parteitag:
?Vor allem mussen win uberzeugen and dann erst
Zwang anwenden, Wir mussen um jeden Preis zuerst
uberzeugen and dann erst Zwang anwenden!"21)
In einer anderen Arbeit ?uber die Gewerkschaften, die
Lage and die Fehler Trotzkis" kennzeichnet Lenin
gerade die Frage danach, wie man an die Massen heran-
treten, die Massen gewinnen, sick mit ihnen verbinden
Icann, als' den springenden Punkt der Meinungsverschie-
denheiten mit den Trotzkisten.
Aus den vorher zitierten Worten Lenins sahen win
bereits, daB die Methode der Uberzeugung Elemente
des Zwanges nicht ausschliellt. Es ist unmiiglich, in der
Epoche der Diktatur des Proletariats auf den Zwang
zu verzichten
:0a) W. I. Lenin, SSmtliche Werke, Bd. XXVI, Verlag lUr $remd-
sprachige Literatur, Moskau 1948, S. 80.
21) Lesematerial fUr das Studium der Geschithte der KPdSU,
Kapitel VIII/IX, S. 204.
50X1 -HUM
Fragen des Herangehens an die Massen
Wenn Lenin sagte, daB die Methode der tTerzeugung
Elemente des Zwanges nicht ausschliellt, so 1st damit
nicht gesagt, daB Lenin and die Partei unter AnWen-
dung von Zwang das gleiche verstanden, \vie die
Trolzkisten.
Die Trotzkisten waren fiir die Anwendung des Zwan-
ges als der einzigen Methode der gewerkschaftlichen
Arbeit.
Lenin war, wenn es die Lage erforderte - fur eine
militante Disziplin beim VortrupQ der Arbeiterldasse;
Trotzki aber versuchte militarische Methoden der Armee
auf die Gewerkschaften, die die ganze Klasse erfassen,
zu Ubertragen.
Mit der halb burokratischen, halb militarischen Linie
in der Gewerksrhaftsarbeit versuchte Trotzlci den All-
russischen Zentralrat der Gewerkschaften zu sprengen,
zu spalten. Spaltung in der Gewerkschaft aber, wo die
Masse des Proletariats organisiert 1st, bedeutete folglich
Spaltung in der Masse des Proletariats.
Nicht umsonst richten die Feinde des Proletariats in
Situationen, wo sich die Partei der Arbeiterklasse in
Schwierigkeiten befindet, ihren ?verstarkten Angriff
gegen die Einheit der Gewerkschaften. Dieser Versuch
wurde am 17. Juni bet uns von der Konterrevolution
unternommen, scheiterte aber an der Geschlossenheit
der Partei, die die Gewerkschaften fi hrt.
In Ungarn zeigten uns die Ereignisse, vie wichtig es
ist, den Leninsthen Himveis zu beachten, daB die Ge-
wenkschaften nicht Transmissionsriemen irgendeiner
Organisation sind and damit zum Tummelplatz der
Reaktion werden konnen, sondern Transmissionsriemen
des Vortrupps der Arbeiterklasse - der Kommunisti-
schen Partei. 50X1-HUM
- -Wie sah"Lei iir das Verhaltnis von Ubcrzcngung
and Zwang?
Bei der Fragestellung mull man mehr als bei irgend
einem anderen Problem vom Kriterium des Klassen-
standpunkts der Arbeiterklasse herangehen. Das 1st um
so notwendiger, well die Feinde der Arbeiterklasse ge-
rade bei dieser Fragestellung Verwirrung in die Ar-
beiterklasse hineintragen wollen. Lenin wuBte sehr gut,
was Zwang and Gewalt in der Hand der Diktatur des
Proletariats bedeirten. Die Kommunistische Partei der
Sowjetunion hat es wiederholt sowohl theoretisch be-
griindet als auch ausgezeichnet verstanden, in der Praxis
Zwang'undGewalt im Interesse der Diktatur desProle-
tariats, im Interesse der Erhaltung des ersten Arbeiter-
und-Bauern-Staates anzuwenden.
Auf dem V. Allrussischen SowjetkongreB im Dezem-
ber 1920 wies Lenin darauf hin, daB in einem klein-
bauerlichen Land die Hauptaufgabe darin besteht, es zu
verstehen, zum staatlichen Zwang Uberzugehen, um die
bauerliche 'Wirtschaft zu heben, daB das aber nur er-
reicht werden kann, wenn die Sowjets verstehen, neue
Millionen Bauern, die darauf nicht vorbereitet sind, zu
uberzeugen, Lenin sagte:
23
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
. es mut3 dafur gesorgt werden, daB der Zwangs-
apparat belebt and gestarkt, fundiert and entfaltet sei
fur einen neuen Schwung der Uberzeugung. )
Denselben Gedanken Linden wir bei Lenin nosh ekn-
nal wieder in der Auseinandersetzung mit Trotzki, wo
enin darauf hinweist,
. dali wir dann richtig and erfolgreich Zwang an-
wandten, wenn wir es verstanden, vorher fur ihn eine
basis durch Ubelzeugung zu schaffen "27a)
So stelit also Lenin das Problem Zwang and Uber-
eugung gegenuber dem Verbundeten dar. Aber such
em Verbundeten gegenuber ist das Kriterium der
classenstandpunkt des Proletariats, die Erhaltung der
Diktatur des Proletariats.
Wenn es um die Feinde der Arbeiterklasse ging, hat
die siegreiche Diktatur des Proletariats nie gezogert,
Gewalt bis zur? letzten Konsequenz anzuwenden and
das Moment der Uberzeugung voll and ganz dem der
Gewalt unterzuordnen. Das war der Fall, als es um die
Befreiung des Sowjetlandes von der Konterrevolution
and den auslandischen imper?ialistischen Interventen'
ging. Als seinerzeit der VIII. Parteitag der KPdSU die
Notwendigkeit begriindete, in der Armee vorwiegend
die Methode des Zwanges anzuwenden, ging die Partei
davon aus, daB sick die Armee aus zwei verschiedenen
sozialen Gruppen, Arbeiterklasse and Bauern, zu-
sammensetzt, dalI die Armee in der Hauptsache aus
Bauern besteht, daB die Bauern aber nidit ohne weite-
res fur den Sozialismus kampfen werden, daB man sie
aber zwingen kann and ,mull, in ihrem eigenen Interesse
fur den Sozialismus zu kampfen. Dar?um kamen solche
rein militarischen Methoden der Einwirkung zustande,
vie das ~S tern der Kommissare mit den politisehen
Abteilungen, Revolutionstribunale,' Disziplinarstrafen,
Besetzung der Funktionen durch Ernennung usw.
Die sowjetische Arbeiterklasse zog damit nur die not-
wendigen Lehren aus der Geschichte der internatio-
nalen Albeiterbewegung, die an Beispielen Teich ist,
die zeigen, dalI dolt, wo die Partei der Arbeiterklasse
es versaumt hat, im Interesse der Arbeiterklasse and
aller Werktatigen Gewalt and Zwang gegenuber den
~einden des Proletariats anzuwenden, sie es immer mit
B)ut bezahlt hat.
Die Sowjetmacht hat auch vollkommen richtig Behan-
delt, dalI sie in dem Moment, als sich im Herzen Euro-
pas, im faschistischen Deutschland, 1933 em gefahrlicher
Kriegsherd bildete, eine Reihe' Sicherungsmalinahmen
im Innern and nach aullen ergriff. Das war um so not-
wendiger?, als damals die Sowjetmacht als einziger pro-
letarischer Staat auf sich allein gesteilt war.
So zeigen die historischen Erfahrungen des revolutio-
naren Klassenkampfes, daB der Grad der Anwendung
von Gewalt and Zwang 'immer von den jeweiligen
Klassenverhaltnisseh der beiden Grundklassen - dem
Proletariat and der Bourgeoisie - sgwohl im eigenen
Lande als auch aullerhalb de's Landes abhangig 1st.
Lenin sprach ganz klar and unumwunden davon, war-
um die Arbeiterklasse' das Recht and die Pflicht hat,
wenn notwendig, audl Zwang anzuwenden.
22) w. I. Lenin, S6mtlirhe werke, Bd. XXVI, Verlag fir fremd-
sprarhige Literalur, Moskau 1040, S. 46.
22a) Ebenda, S. 02.
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?Die Dkklatur des Proletariats war erfolgreich, veil
sie es verstand, Zwang mit Ubelzeugung zu vereinen.
Die Diktatur? des Proletariats scheut nicht Zwang and
schroffe, entschiedene, rucksichtslose Ausubung des
staatlichen Zwanges, denn die fortgeschrittene Klasse,
die durch den Kapitalismus am meisten unterdruckt
wurde, hat das Recht, diesen Zwang anzuwenden, denn
sic tut es im Namen der Interessen aller Werktatigen
and Ausgebeuteten and besitzt Mittel des Zwanges and
der Ubelzeugung, fiber die keine einzige der fruheren
Klassen verfugt hat, obwohl sic unvergleichlich mehr
materielle Miiglichkeiten der Propaganda rind Agitation
batten als wir."23)
Ekn Beispiel der Anwendung von Zwang im Interesse
aller Werktatigen ist die Niedersclilagung der konter-
rcvolutioniiren Meuterei in Ironstadt durch die
Sowjctmacht
Ja, werden einige sagen, aber Kronstadt war dock
eine Sache der Konterrevolution, da ist dock alles klar.
Organisiert and angefiihrt wurde die Kronstadter? Meu-
terei von WeiBgardisten, die - vie gesagt - Hand in
Hand mit den Menschewiki and Soz'ialrevolutionaren
arbeiteten. Wenn man sick nun die Frage vorlegt, wen
dieser Zwang and die Gewalt der Diktatur des Proleta-
riats getroffen hat, so mull man naturlich sehen, daB in
Kronstadt nicht nur? 10 000 ausgesuchte Weillgardisten
and Kulakensi hne, sondern auch eine Minderheit von
deklassierten Arbeitern and insbesondere mitderPflicht-
ablieferung ulizufriedenen Bauernsohnen waren, die da-
vorl betroffen wurden. Auch ein Teil irregefuhrter Arbei-
ter and Matrosen war dabei, die den Losungen der'
Konterrevolution auf den Leim gingen, die sick sagten:
?Sie sind ja fur die Sowjetmacht, haben sogar Komitees,
uns gent es schlecht - vielleicht bringt ihre Losung vom
freien Handel mehr Fleisch and Brot."
Und trotzdem hat die Partei tausendmal riditig ge-
handelt, als sic - nachdem die Meuterer ein Ultima-
tum ablehnten - den.Befehi gab, die Geschutze auf
die Meuterer? von Kronstadt zu richten. Der X. Partei---
tag der KPdSU (B) hat vollkommen richtig gehandelt,
als er audl nicht eine Minute ziigerte, 300 Delegiette
des Par?teitages mit Wolosdiilow an der Spitze ab-
zukommandieren, um die Meuterer niederzuschlagen.
Die 300 bewuBten Kommunisten mit einem Mitglied
des ZK an der Spitze haben in diesem Fall voilkommen
im Auftlage and im Interesse der gesamten Klasse and
aller? Werktatigen gehandelt, als sic einen gefahrlichen
Herd der Konterrevolution mit Geschutzsalven and
Gewehren niedersehlugen, auch wenn sich unter 10 000
Meuterern eine Minderheit irregefuhrter Arbeiter,
Bauern and Matrosen befand. So ist die Nieder-
schlagung der Kronstadter Meuterer ein Beispiel der
richtigen Anwendung von Zwang and Gewalt im Inter-
esse der Gesamtheit der Arbeiterklasse and damit aller?
Werktatigen.
von''O6 zeu ung and Zwang eingegangen, weil es die)
ganze internationalle Lage erfoiderlich ma J sick ubei
solchUebensyyichtige Probleme der Diktatur des Prole- I
,.tariats volllt__ o_-_ mmelte Klarheit zu verschaffen.
23) Lesematerial fir das Sludium der Geschidrie der KPdSU,
Kapitel VIII and IX, S. 133.
Aber auch:Kronstadt andert nichts an der Sache, daft
die Hauptmethode der gewerkschaftlichen Arbeit unter
den Massen die Methode der Uberzeugung ist, dali man
nicht mit militarischen Methoden innerhaib der Gewerk-
schaften die Massen' fur den sozialistischen Aufbau ge-
~vinnen Bann. Die Arbeiterklasse ist eine Klasse, die
]craft ihrer? iikonomischen Lage zum Sozialismus hin-
neigt. Sic "ist der kommunistischen Agitation leicht
zuganglich and organisiert sick freiwillig in den
Gewerkschaf ten. Darum bildet die Arbeiterklasse die
Grundlage des proletarischen Staates, darum mull man
bei der Arbeit in den Gewerkschaften uberwiegend
die Methode der Uberzeugung zugrunde legen. Daraus
entwickeln sick solche rein gewerkschaftlichen Metho-
den der Eimvirkung, vie die Aufklarung, die Massen-
propaganda, die Entfaltung der Eigeninitiative der
Arbeitermassen, die Wahlbarkeit usw.
Um ekn solches Land vie Sowjetrulland mit einen
damaligen Beviilkerung von etwa 140 Millionen, wovon
80 Prozent Bauern waren, regieren zu kiinnen, mull die
Sowjetmacht, mull die Diktatur des Proletariats das
feste Vertrauen der Arbeiterklasse besitzen, denn nur
durcil die Arbeiterklasse and mit den Kraften der Ar-
beiterklasse laBt sick ein solches Land verwalten. Um aber?
das Vertrauen der Mehrheit der Arbeiter zu erhalten and
zu festigen,1st es notwendig, die Bewultheit, die Selbst-
tatigkeit and die Initiative der Arbeiterklasse systema-
tisch zu entfalten, ist es notwendig, die Arbeiterklasse
systematisch im Geist des Kommunismus zu erziehen,
sic dazu in den Gewerkschaften zu organisieren and
zum kommunistischen Aufbau heranzuziehen.
Mit den Methoden Trotzkis, das heilt mit den Metho
den des Zwanges and der ?Durchruttelung" konnte diese
Aufgabe nicht gelSst werden.
Ubcr die Arbeiteropposition
War die durch Trotzki hervorgerufene Gewerkschafls-
diskussion die eine Richtung des Kampfes gegen
--die- Parteiso- 't-rat the-von-Schlapnikw-gefUhrte,,Ar
beiteropposition" von der anderen Seite gegen die
Leninsche Einheit der Partei auf. Diese Gruppe war
nicht die Hauptgruppe, aber nicht weniger gefahrlich,
veil sic ihre parteifeindliche Tatigkeit unter? der Maske
des Kampfes gegen den Burok ratismus tarnte. Auch sic
trat mit einer gewerkschaftlichen Plattform auf, die sic
in der Forderung zusammenfalte: ?Die Organisation
der Verwaltung der gesamten Volkswirtschaft obliegt
dem Allrussischen KongreB, der zu gewerkschaftlichen
Verbanden organisierten Produzenten. Dieser KongreB
wahlt das Zeritralorgan, welches die gesamte Volkswirt-
schaft zu leiten hat."21)
Bereits auf dem X. Parteitag, also vor fiber 35 Jahren,
sprach Lenin von der anarchosyndikalistischen Ab-
weichung als einer internationalen Frage, die auch in
der KAPD eine Rolle gespielt hat and richtig von der
KPD bekampft wurde. Da diese Worte Behr aktuell,
klingen, untersuchen wir diese Plattform etwas naher.
Auf dem X. Parteitag beschaftigte sick Lenin mit
diesen Gruppierung and schatzte sic als anarchosyndi-
24) Russisehe Korrespondenz, Jahrgang II, Bd I, S. 186.
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50X1 -HUM
kalistische Abweichung em. Diese Abweichung ist V
allem durch die Einwirkung des kleinburgerlichen
Elements auf das Proletariat and die Kommunistische
Partei hervorgerufen worden. Sic widerspiegelt also
den Druck des kleinburgerlichen Elements, dessen Lage
sick infolge der Millernte and der verheerenden Folgen
des Krieges krall verschlechtert hatte pnrl dnc lrn;ngn
Ausweg sail. 50X1-HUM
In dem Leninsdien Resolulionsentwurf zum Anarcho-
syndikalismus auf dem X. Parteitag wird darauf hill-
gewiesen, daB die Forderungen der ?Arbeiteropposition"
theoretisch grundlegend falsch sind, daft sic einen viilli-
gen Bruch mit dem Marxismus, dem Kommunismus
bedeuten and dalI sic den Ergebnkssen der proletarischen
Revolution widersprechen.
Die Haltlosigkeit and Shcadlichkeit der Auffassungen
der ?Arbeiteropposition" besteht darin, daB der Begriff
?Produzent" den Proletarier mit dem Halbproletarier
and mit dem kleinen Warenproduzenten gleichsetzt.
Damlt verwischt der Begriff .,Produzent" den Kiassen-
begrfff, lenkt das Proletariat vom Klassenkampf ab. In
dem Ref erat Lenins auf dem X. Parteitag der KPdSU (B)
?fiber die Parteieinheit and die anarchosyndikalistische
Abweichung" sagte Lenin, sick auf Marx and Engels
berufend: 50X1-HUM
?Marx and Engels bekampften schonungslos jene
Leine, die den Klassenunterschied vergaBen and ganz
allgemein von Produzenten, von Volk oder von Werk-
latigen'sprachen. Wer die Werke von Marx and Engels
nur einigermaflen kennt, der kann nicht vergessen, daB
in alien diesen Werken diejenigen verspottet werden,
die von Produzenten, von Volk, von ' Werktatigen
schlechthin reden. Es gibt keine Werktatigen oder
Schaffenden schledrihin, sondern es gibt entweder
den Produklionsmittel besitzenden Kleineigentumer,
lessen ganze Mentalitat and alle Lebensgewohnheiten
kapitalistisch sind - was auch nieht anders sekn kann -,
oiler den Lohnarbeiter, der eine ganz andere Mentalitat
hat, den Lohnarbeiter der Grofiinduslrie, der im Anta-
gonismus, im Gegensatz zu den.KapitaTiis'len, im Kampfe
-niit fir n-steht )-- - ?_- --?------_-._-.
Wohin solche dem Marxismus fremden and schadlichen
Theorien von den ?Produzenten" fuhren, zeigt uns ein
Artikel von Aser Deleon, veroffentlicht unter dem Titel
?Gemeinsame Probleme, gemeinsame Wege" in der Zeit-
schrift ?Die Gewerkschaftsbewegung" Nr 12/1956. In
dem Abschnitt ?Die Betetigung der Produzenten am
wirtsdlaftlichen Leben" spricht der Verfasser des Arti-
kels davon, daB es heute eine weltweite Erscheinung
ist, daB die Produzenten einen EinfuB auf die Leitung
der Betriebe haben. Aser Deleon schr5QXl -HUM
?Sowohl in den hochentwickelten europaischen Lan-
dern als auch in den unterentwickelten nichteuro-
piiischen Landern Asiens, Sudamerikas and anderen
Gebieten nimmt die Arbeiterklasse in verschiedenen
Formen am Wirtschaftsleben teil, Die Unterschiede be-
ziehen sick auf die Ziele and Prinzipien: Es kann Bich
um Beteiligung in der Form der Beratung oder der
gemeinsamen Leitung selbst handeln; die Beteiligung
der Arbeiter kann sick auf die Beziehungen km Arbeits-
2) w. I. Lenin, Sfmtllche werke, Bd. XXVI, Verlag fur Iremd-
sprachige Literatur, Moskau 1046, S. 330/331.
25
prozed, auf den Pro1uktionsproze13, die Handelsbeziehun-
gen besdlranken oder das gesamte Leben des Betriebes
umfassen, sic kann im Rahmen des einzelnen Betriebes
oder? Industriezweiges schon auf Staatsbasis auftreten,")
Da fur den Verfasser nur der Begriff ?Produzent"
existiert, so ist es auch selbstverstandlich, daft bei ihm
in seinem ganzen Artikel niemals das Wort Kapitalist
erscheint. Wurde er den Klassenbegriff nicht ver-
wischen, so mufite er auch die Antwort darauf geben, in
welcher Form z, B. in Sudamerika der Produzent auf-
tritt - namlich als Sklave, deco gegenuber der im ame-
r?ikanischen Sold stehehde Sklavenhandler steht. Und
welche gemeinsanen Probleme, gemeinsamen Wege
kann es zwischen diesen beiden ?Produzenten" geben?
Da fiir den Verfasser nur ?Produzenten" existieren,
cxistieren fur ihn auch nur hochentwickelte und unter?-
entwickelte Lander, nicht aber sozialistische Staaten,
wo die Arbeiterklasse im Bundnis mit der werkt5tigen
Bauernschaft die Herrschaft ausiibt - und auf der an-
deren Seite auf blutiger Unterdriickung und Ausneutung
beruhende imperialistische Staaten.
Worfn Itcgt die ganzc Gefiihrlichkeit solcher ?Theoricn"?
Der Forderung des ?Kongresses der Produzenten" oder
ahniichen ?Theorien" nachkommen, hiefle nichts an-
cieres, als die Kommunistische Partei und die von ihr
gefuhrten Sowjels von der Fuhrung und Leitung der
VolkswIrtschaft auszuschalten. Die Kommunistische
Partei aber von der Fuhrung der Volkswirtschaft zu ver-
drangen, 1st gleichbedeutend damit, das game System
der Diktatur? des Proletariats zu erschuttern. Deswegen
fuhr?te Lenin solch' einen energischen Kampf gegen diese
Abwcichung von der Generallinie der Partei. Deswegen
verur?teilte der X. Parteitag in der Resolution ?tYber die
anarchosyndikalistische Abweichung in unserer Partei",
die ?Arbeiteropposition" und erldarte, dad die Propa-
ganda der Ideen des Anarchosyndikalismus unverein-
bar ist mit der Zugehorigkeit zur Konfmunistischen
Partei.
Die ?Arbeiteropposition" deckte sick in'ihren An-
schauungen sehr? stark mit der Gruppe des ?Demokra-
tischen Zentralismus". Wie alle parteifeindlichen Grup-
pier?ungen hatte auch sic nun die Zeit fur'gunstig ge-'
halten, das Panier? ?der freien Diskussion" zu erheben.
Lenin war nicht gegen das Diskutieren, machte aber die
Partei darauf aufinerksam, tv_o die Grenze der Diskus-
~sion ist: namlich bei der in Beschlussen festgelegten
denerallinie dei?" Partei_ Lenin weist in diesem Zu-
sammenhang darauf hin, daB, wenn in die politische
Diskussion, in den politischen Kampf Vorschlage hin-
eingetragen werden, die nicht der Politik der Partei
entsprechen, solch' eine Politik die einmutige Arbeit
der Partei hintertreiben mull.
Das entspricht dem organisatoriSchen Aufbau einer
jeden Partei, die auf den Leninschen Prinzipien des
demokratischen Zentralismus aufgebaut ist. Deswegen
fordert Lenin
eine theoretische Diskussion ist eine Sache, die
politische Linie der Partei, der politische Kampf ist
etwas anderes. Wir 'sind kein Diskutierklub. , .. vor
21) In: Die Weltgewerkschafisbewegung, Nr, 12/50.
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allem aber mussen wir unter den schwierigsten Verhalt-
nissen kampfen, und darum mussen wir uns zu einer?
festen Einheit zusammens'lliel3en."27)
Der X. Parteitag der KPR (B) und seine Beschlusse
Der X. Parteitag der KPR (B), der vom 8. bis 10. Marz
1921 stattfand, zog das Fazit der vorangegangenen Dis-
kussion fiber die Gewerkschaften. Er lehnte die trotz-
kistische Plattform ab und stellte der antimarxistischen
Plattform der Trotzkisten die Leninsche Plattform, die
?Plattform der 10" entgegen, der Bich Lenin, Stalin und
andere angeschlossen hatten. l
Diese Leninsche Plattform ging - wie bereits dar-
gelegt - davon aus, dal/ die Gewerkschaften Schulen
des Verwaltens, des Wirtschaftens, Schulen des Kom-
munismus sind, die ihre Arbeit auf der Methode der
tYberzeugung aufbauen mussen. Samtliche bedeutenden
ortlichen Parteiorganisationen schlossen sick der Lenin-
schen Plattform an. Die Leninsche Plattform Wurde
mit gewaltiger? Stimmenmehrheit vom Parteitag an-
genommen.
Ich habe bereits einige Male davon gesprochen, welche
Bedeutung der Kampf um die Einheit der Partei in die-
ser Zeit hatte. Deswegen widmete der X. Parteitag den
Fragen der Einheit der Partei besondere Aufinerksam-
keit. Den Rechenschaftsbericht des ZK gab Lenin; er?
trat gleichzeitig mit einem Referat fiber die Einheit der
Partei auf. In einer besonderen Resolution ?uber die;, t .
Einheit der Partei" schlug Lenin vor, alle fraktionellen(,f
Gruppen aufzulosen und alle Parteiorganisationeni zu
verpf1TCliti n,-streng darauf zu achten, jegliche fraktio
nelle Tatigkeit zu unterbinden. Eine Verletzung dieses
Beschlusses des Parteitages zog den bedingungslosen so-
fortigen Ausschlud aus der Partei nach sick. Der Partei-
tag bevollmachtigte das ZK, im Falle der Verletzung der
Disziplin durch irgendein Mitglied des ZK oder durch
Wiederaufleben der fraktionellen Tatigkeit alle Straf-
maBnahmen bis zum Ausschlud aus Clem ZK und der
Partei in Anwendung zu bringen.
Wodurch gewann der Kampf dcr Kommunistischen
Partei um die Festigung und Starkung ihrer Reihen
gerade in dieser Periode so gewaltig an Bedeutung?
In ver?schiedenen Arbeiten dieser Periode - der
NOP - weist Lenin auf die Gefahr hin, die der Uber-
gang zur NOP in sick birgt. Gewisse Zugestandnisse an
die Bauernschaft, Konzessionen - wenn auch in streng
bestimmtem Rahmen -, aber immerhin Konzessionen
an die Kapitalisten, bargen Gefahren in sick. Die Partei
stellte dem Kommunismus die Aufgabe, den Handel zu
erlernen, auch das Barg Gefahren in sick, well viele
Kommunisten nun eng mit Spekulantenelementen in
Beruhrung kamen, und das alles in einen Zeit, in der
das Land ungeheure Not und Leiden durchmachen mulite,
wo es am Allernotwendigsten fehlte.
Uber den Zusammenhang zwischen den Aufgaben der
NOP und der notwendigen Festigung der Parteireihen
heilit es in den Direktiven des X. Parteitages zurPartei-
reinigung.
27) 1V. I. Lenin, Skmtltche Werke, Bd. XXVI, Verlag fur iremd-
sprachige Literatur, Moskau 1940, S. 332.
?Die Partei leilet jetzt eine der schwersten Etappen
der Revolution. Die Hauptgefahr ist das kleinburger-
liehe Element. Damit unsere Partei wohlbehalten das
Land durch diese notwendige Etappe bringen kann, da-
mit die Zugestandnisse an die Bauernschaft sick nicht
in eine gevaltige Gefahr fur die proletarische Revolu-
tion verwandeln konnen, 1st es notwendig, daB unsere
Partei mehr als es bis jetzt war, vie aus einem Gull
gegossen dasteht. Es ist der systematische Kampf gegen
den kleinburgerlichen Einflud zu fuhren, der in unsere
eigenen Reihen versucht einzudringen."
Die Gefahr des Einflusses der biirgerlichen Ideologie
lwurde unter den Bedingungen des tYbergangs zum sozia-
lrstischen Aufbau nicht schwacher, sondern verstarkte
sick.
Lenin wies in der Resolution fiber die Einheit der
Partei darauf hin, daft es nicht so sehr vom subjektiven
Willen der Vertreter einzelner Gruppen der Opposition
abhangt, die Partei zu schwachen oder nicht. Die Konter-
revolution unternimmt alles, um aueh nur" die kleinste
Abveichung von der Generallinie der Partei auszu-
nutzen, um die proletar?isehe Revolution zu Fall zu
bringen.
Die Erfahrungen aller? friiheren Revolutionen lehr?en,
`lad die Ko_nterrevolution im Kampf gegen.die proleta-
ric!i Revolution rich irntner der der aufiersten revolu-
tronaren Partei am nac_hsten stehenden Opposition be-
'\ \dient, um die Diktatur des Proletariats zu erschuttern
und zu" sturzen und dem Sieg der Kapitalisten und Guts-
besitzer den Weg zu bahnen. Um den Feinden jede Mog
ickeit zu nehmen, unter den Mantel der Kritik zu
schliipfen, forderte die Leninsche Resolution aber die
Einheit der Partei, dad die unbedingt notwendige Kritik
an den Mangeln der Partei so gehandhabt vird, daB
jeder praktische Vorschiag in moglichst praziser Form
und unverzuglich ohne jegliche Verschleppung an die
ortlichen und zentralen leitenden Organe der Partei zur?
Erorterung weitergeleitet vird. Was ist damit gesagt?
Erstens, es mussen praktisdre Vorschlage seen, die keinen
Raum fur Kritikanten geben; zweitens, die Vorschlago
-------mussen-priizls-sedh es-dar-f tn.ihnen keinenPlat? fiir
falsche Auslegungen geben; drittens, sic mussen unver-
~. zughch weitergeleitet werden, damit sick um diese Vor-
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schlage keine Gruppe bildet. Deswegen heilit es auch an
anderer Stelle der Resolution, daB irgendeine Analyse der
allgemeinen,- Linie der Partei oder die Auswertung
ih'rer "praktischen Erfahrung, die Kontrolle der Durch-
fiihrung ihrer Beschlusse," das Studium der Methoden
zur Berichtigung von Fehlern usw. auf keinen Fall vor-
her in Gruppen erortert werden dart, die sick auf Grund
irgendeiner ?Plattform" u. a. biden, sondern ausschlied-
lich und unmittelbar zur Behandlung durch alle Partei-
mitglieder vorzulegen ist.
So genau umriB Lenin die Aufgaben der Kritik, eben
veil er sich vollkommen inn klaren war, welch' eine
scharfe Waffe die Kritik 1st, der man sich aber auch zu
bedienen wissen mud. Davon ging Lenin aus, wenn er
in derselben Resolution fordert:
vie die Fehler der Partei oder einzelner ihrer Mit-
glieder in der Praxis korrigiert werden." "s)
Der Leninsche Resolutionsentwurf ?tYber die Einheit
der Partei", der vom X. Parteitag der KPR (B) zum
Besehlud erhoben wurde, war in alien Perioden des
Kampfes der KPdSU eine machtige Waffe im Kampf
um die Einheit und Reinheit der Partei und hat auch
heute fur alle Kommunistischen und A50X1-HUMn
nichts an Bedeutung verloren.
In diesem Zusammenhang mochte idr, bevor irh
auf den hauptsachlichsten Beschlul3 des X. Parteitages
eingehe, nods auf den Besehluf3 des Parteitages ?tYber
die Kontr?ollkommission" hinweisen Ich gene des-
wegen auf diesen Beschlu5 em, um zu zelgen, vie
Bich unsere Partei in ihren Beschlussen auf die Lenin-
schen Hinweise stutzt und die Erfahrungen seit der
3. Parleikonferenz, besonders aber seit dem konler-
revolution5ren Putsch in_ Ungarn, in Rechnung stellt.
Ich ver?weise in diesem Zusammenhang auf den Be-
schluf3 des 30. Plenums des ZK der SED fiber die Auf-
gaben der Parleikontr?olikommissionen.
Der X. Parteitag ging in seinem Beschlufi ,,uber? die
Kontroilkommission" davon aus, dal/ der Kampf um die
Einheit und Autoritat der Partei auch semen organi-
satorischen Niederschlag linden muB. Das geschah in den
Annahme der entsprechenden Resolutionen Es muflle
aber auch efn zentrales 1?arteiorgan geschaffen werden,
das streng fiber die Durchfuhrung denBeschlusse wacht
und jeden zur Verantwortung zieht, der diese Beschlusse
ver?letzt. Bis zum X Parteitag gab es laut Statut zwar
Revisionskomnrissionen, einen besonderen Abschnitt
uber? die Aufgaben der? Kontrollkommissionen nahm
aber erst das erste, nach dem X. Parteitag angenom-
mene Statut der Partei auf - angenommen von der
XII. Allrussisehen Parteikonferenz im August 1922 Die
Resolution zur ZKK des X. Parteitages zahlte zu den
Aufgaben der Parteikontrollkommission, den Kampf zu
fuhren gegen den sick in die Partei einschleichenden
Burokralismus, das Karrieristentum und die personliche
Bereicher?ung durch Ausnutzung einer Stellung im Partei-
Daruber hfnaus beauftragle der X. Parteitag die
Parteikontr?ollkommission, ?den Kampf zu fuhren gegen
die Verbreitung unbegrundeter und unkontrollierter,
die Partei oder einzelne ihrer Mitglieder betreffende
Geriichte, Verleumdungen und ahnliche Nachrichten,
die die Einheit und Autoritat der Partei verletzen." 2 )
Auch dieser BeschluB war eine scharfe Waffe der
Partei im Kampf um die Einheit ihrer Reihen und traf
vor allem. die Oppositionsgruppen und Fraktionsmacher,
die, vie wir sehen werden, auch nicht vor Verleum-
dungen? gegenuber fiihrenden Mitgliedern der Partei
zuruckschreckten
Der X. Parteitag der KPR (B) und der Obergang zur NfSP
Der bedeutendste Beschlud des X. Parteitages war der
uber die Ersetzung der Ablieferungspflicht durch die
Naturalsteuer, fiber den tYbergang von der Politik des
Partei, die von Feinden umgeben 1st, und muB in bezug 23) W. I. Lenin, Siimlliche Werke, Bd XXVI, Verlag fiir fremd-
auf den Inhalt der Kritik durch seine eigene unmittel- sprarhige Literatur, Moskau 1940, S. 322.
bare Teilnahme an der Sowjet- und Parteiarbeit prufen, 20) BeschiUsse, Bd. I, S. 533.
?Jeder, der Kritik ubt, hat auderdem der Form der
Kritik nach Rucksicht zu nehmen auf die Lage der
27.
I
?j J
Kriegskommunismus zur Neuen Okonomischen Politik.
Dem BeschluB lag das Referat Lenins zur selben Frage
zugrunde. Um eine solch' tiefgehende Veranderung in
der okonomischen Politik vorzunehmen, war eine ge-
waltige Vorbereitungsarbeit, eine genaue Kenntnis der
Lage im Lande erforderlich.
Die Vorbereitungsarbeiten der Partei zum X. Partei-
tag, der den historischen BeschluB uber die Ersetzung
der Ablieferungspflicht (Zwangsumlage) durch die Na-
turalsteuer annehmen sollte, sind nicht nur von groller
historischer Bedeutung, sondern besitzen gleichzeitig
gewaltige aktuelle' Bedeulung. In jenen Tagen des
t)bergangs zur friedlichen Aufbauarbeit trat die ganze
Weisheit and Weitsicht der Leninschen Politik zutage.
So %vie in den anderen Perioden, ob in der des
Kampfes um die Macht oder der eesten Jahre des
Kampfes um die Behauptung dot Macht, immer ver-
stand es Lenin, das wichtigste Kettenglied bei der
Losung dot vor? der Par?tei.stehenden Aufgaben zu er-
greifen. Im Jahre 1921 sah Lenin die Notwendigkeit
in dem okonomischen Herangehen an die Bauernschaft
and Lenin find das entscheidende Kettenglied jener
Epoche in der Neuen Okonomischen Politik.
A. M. Gorki schrieb in einem seiner Artikel uber diese
Fahigkeit Lenins, daB niemand vor ihm so gut voraus-
sehen konnte, was kommen mull, vie Lenin. Nur des-
wegen konnte or es, 'veil er mit der Halfte seiner Seele
in der Zukunft lebte, eiserne, aber bewegliche Logik
ihm die entfernte Zukunft in volikommen konkretcn,
realen Formen zeigte.
.,Das - schrieb Gorki - erklar?te auch meiner An-
sicht nach seine bewundernswurdige Standhaftigkeit im
Verhaltnis zur Wirklichkeit, die ihn niemals enttausdrte,
vie schwer and kompliziert sic auch war, niemals semen
festen Glauben ins Schwanken brachte, daB der Mo-
ment kommt, wo die Arbeiterklasse and die Bauern-
schaft die Herren in der ganzen Welt sein werden."?)
So schrieben Freunde uber den Genius der Revolution.
Dei? tiefe Glaube Lenins an den kommenden Sieg des
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das Verhaltnis zwischen dem Proletariat and der Bauern-
schaft zu uberprufen and zu andern,
?Wie andern?" - schrieb Lenin - ?dazu muB man
aufinerksam beobachten . fit)
Der Erfolg jeder? or?ganisatorisdlen Ma3nahme, die
die Partei and die Sowjetregierung beim t)bergang zum
sozialistischen Aufbau unternahmen, hing einzig and
allein von der Losung des Grundproblems jener Epoche
ab: vom richtigen Verhaltnis der Arbeiterklasse zur
Bauernschaft, von der Festigung des Bundnisses der
Ar'beiterklasse and der Bauernschaft auL der neuen
Grundlage, unter den Bedingungen der friedlichen
Entwicklung.
Darin lag der Schlussel aller anderen, sowohl der
okonomischen als auch der politischen Aufgaben. Aber
wie ging Lenin an die Losung dieses komplizier?ten
Problems heran?
Vor allem /cam es darauf an, die Millionenmassen fur
den friedlichen Aufbau zu mobilisieren.
Lenin war darauf bedadlt, alle wichtigen Entscheidun-
gen and Beschlusse der Partei and Regierung nicht nur
den breiten Massen zur Kenntnis and zum BewuBtsein
zu bringen, sondern auch die Masse selbst aktiv in die
Gestaltung der BeschlUsse einzubeziehen.
Diese Tatigkeit Lenins bei der Vorbereitung des Ge-
setzes uber die Einfuhrung der Naturalsteuer ist von
grofltem Interesse Prinzipiell theoretisch war fur das
ZK der Partei, fur Lenin, die Fr?age der Einfuhrung der
Naturalsteuer klar?, abet Lenin hielt es fur uberaus
wichtig, die Gedanken, Meinungen and Vorschlage der
Bauern darUber zu horen
Horen wit, was der fortschrittliche amerikanische
Schriftsteller Albert Williams, der 1921 bei Lenin zum
Empfang geladen war, in seinem Buch uber Lenin
schreibt:
?Viele warteten im Empfangszimmer auf ihre Reihe,
um von Lenin empfangen zu werden. Und wir waren
einige Zeit gezwungen, zu warten. Das war au0er-
gewohnlich, veil Lenin immer? sehr punktlirh war. Wir
Kommunismus, Lenins eigene Kuhnheit and Festigkeit zogen daraus den Sch1ull, daB irgendein wichtiges Staats-
bei der Durdlfuhrungaes von der Partei eingescFllagenen
Kurses, beruhte auf einer? tiefen, allseitigen Kenntnis
der Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung.
Das muBten auch seine Feinde anerkennen. Der eng-
lische Journalist Rane schrieb nach einem Besuch, den
or Lenin 1919 abstattete, uber diese Fahigkeiten Lenins:
keit Lenin aufhalte. So verging eine halbe Stunde,
ander?thalb Stunden and wir saBen immer noch and
begannen bereits die Geduld zu verlieren, aber aus
Lenins Kabinett drang immer nosh die gedampfte gleich-
mallige Stimme des Besuchers. Wer konnte bloB dieser
wichtige Gast sein
der eine solche lan
e Audie
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,
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daB theses der erste groBe Fuhrer ist, der seine Lenin hat? Endlich, die TUr offnete sick and zum Er-
eigene Personliclrkeit unterschatzt; dem jegliche person- staunen aller sick im War?tezimmer Befindenden trat
lithe Eigenliebe vollkomrnen fremd seL" , aus Lenins Kabinett - weder ein Militar, noch Diplo-
Lange bevor Lenin auf dem X. Parteitag mit seinem mat, hock uberhaupt irgend ein hochgestellter Beamter,
genialen Plan auftrat, hatte er die Lage im Lande auf- sondern ein einfacher Mushik, ein Bauer in Schafs-
merksanr studiert, alle Fragen, die mit dem Ubergang pelz and Bastschuhen, der typische Vertreter der Dorf-
zur Naturalsteuer zusammenhingen, zutiefst durchdacht armut, denen man damals zu Millionen im Sowletland
and viele Delegationen von Arbeitern empfangen. begegnete."
Sehr aufinerksam beobachtete Lenin, was in der
Bauernschaft vor sick ging, unterhielt sirh mit den
Bauern, studierte ihre Briefe and machte sick mit ihren
br?ennenden Noten and ihrer Anliegen bekannt. Lenin
war sick daruber im klaren, daB allein schon die Tat-
sache der Beendigung des Krieges die Aufgabe stellte,
30) Gorki, Werke, Ed. 24, S. 3T7, russ.
?Entschuldigen Sie mich bitte" - sagte Lenin, als
ich in sein Kabinett eintrat. ?Das war ein Tambower
Bauer, ich wollte von ihm horen, was er uber die
Elektrifizierung, iber,die Kollektivierung and die Be-
zahlung der Zarenschulden denkt. Und das war so inter?-
essant and bestechend, dalI ich ganz die Zeit verga6"
31) V. I. Lenin, Werke, Ed. 32, S. 14, russ.
28
Weiter schreibt Williams uber Lenin: ?Als Quelle
der Information dienten Lenin die verschiedensten Men-
schen. Tausend gesammelte Faktoren wog er sorgfaltig
ab, siebte and analysierte sic. Und das gab ihm das
Ubergewicht uber seine Feinde, half ihm, sic nieder-
zuringen and zu besiegen.
Er hatte es nicht notig, zu raten, welche Gedanken
den sibirischen Bauern, den Rotarmisten oder Don-
kosaken beschiiftigten. Fur ihn war es kein Geheimnis,
was der Leningrader EisengieBer, der Trimmer von der
Wolga, die MoskauerAufraumefrau denkt and fihlt...
Er unterhielt Bich mit ihnen personlich oder mit irgend
jemand der zuverlassigen Genossen, die gerade mit
diesen Menschen gesprochen hatten."32)
In einer Situation, in der das Land eine der schwer-
sten Zeiten durchlebte, in der die ZerrUttung der Indu-
strie and Landtdirtschaft ungeheuer grog war and die
Bauernschaft grof)te Schwankungen durchmachte, die
such Teile der Arbeiterklasse ergriffen hatten, in einer
Situation, wo die Panikmacherei, durch die Mensche-
wiki and Sozialrevolutionare ver?starkt, ihre Bliiten
trieb and die_ Konterrevolution im Vorgefuhl groBer
Siege sick wiegte, vies Lenin der Partei der Arbeiter-
klasse den sicheren Weg.
Im Dezember 1920 hatte Lenin an einer? Beratung
parteiloser Bauerndelegierten teilgenommen, aufinerk-
sam den sturmischen Diskussionen der Bauern zugehort
and jede Aulierung der Bauern sorgfaltig notiert. Seine
Aufzeichnungen versandte Lenin sogar an die Mit-
glieder des Zentralkomitees and den Rat der Voiks-
kommissare, damit sic sick mit den Meinungen and
Noten der Bauern bekanntmachen sollten.
Sehr interessant and aufschlu3reich 1st ein Bauern-
brief aus der damaligen Zeit, den eine Gruppe von
16 Bauern aus dem Panfilowaer Landbezirk aus dem
Gouvernement Wolodga an Lenin gesandt hatte.
In diesem Brief griBten die Bauern den ?verehrten
Fi hrer and groBen Genius, Genossen Lenin" and teil-
ten ihm mit, wie gegenwartig die Lage im Landbezirk 1st.
- Sie_schrieben__iYOxtlidl:__-------
?Gegenwartig wird von den Bauern unsexes Land-
bezirks fast alles eingezogen: Getreide, Vieh, Heu, Roh-
materialien. Das Handwerkertum verkummerl. Den
Bauern werden 18 bis 30 Pfund Lebensmittel im Monat
belassen... Zur Fri hjahrsaussaat bleiben wir fast ohne
Saatgetreide. Dieses irgendwo zu kaufen, ist fur uns
sehr schwer - es ist gar zu teuer?. Die Aussaatkommis-
sionen and die ganze Aussaatkampagne 1st notwendig
im Sinne einer Untersti tzung mit Samereien, einer
Organisation von Inventar and landwirtschaftlichen
Gersten zu organisieren. Und all dieses muBte rerht-
zeitig getan werden. Es ware wunschenswert, jetzt fiber-
all, wo es moglich ist, zur Vielfelderwirtschaft uber-
zugehen"
Nachdem sic die Mangel geschildert and zur erfolg-
reichen Durchfuhrung der Aussaatkampagne den Vor-
schlag gemacht haben, an Stelle der Zwangsumlage den
Bauern mit einer Steuer zu belegen, and zwar nicht in
Form von Geld, 'sondern von- Getreide, and daB diese
32) Albert Williams, Das groate Empfangszimmer der welt.
Zitlert aus "Fragen der Gesehirhte", Nr. 1/1959.
Die staatsmannische Tatigkeit Lenins im Jahre 1921."
Steuer entsprechend dem Boden berechnet werden mull,
schrieben sic welter: ?Wenn der Bauer die Hohe seiner
Steuer wissen wird and die Zeit ihrer Ablieferung,
dann werden wir im Landbezirk nicht zehn Dutzende
Einziehungsbeamte gebrauchen. Wir denken, daB alle
werktatigen Bauern bereit sein werden, dieses Steuer-
system anzunehmen and ihre Wirtschaft zu verbes-
sern ..." Zum Sch1uB des 13riefes schrieben sic nosh
mit bauerlicher Einfachheit: ?Wir betonen die Not-
wendigkeit der Durchfuhrung dieser Malinahmen and
bitten dabei, uns nicht als fur die Sowjetmacht schad-
liche Elemente anzusehen, sondern im Gegenteil als
Menschen, die eine fruchtbare Arbeit wUnschen, um die
Freiheit der Bauern and Arbeiter zu festigen."37)
Lenin zeigte fur diesen Brief grolies Interesse, veil
or besonders typisch den Wunsch der Bauern zum Aus-
druck brachte.
Am 8. Februar 1921 verfallte Lenin in Auswertung
der zahlreichen Briefe der Bauern and ihrer Diskussio-
nen auf den Konferenzen den ?Provisorischen Vor-
entwurf zu den Thesen betreffs der Bauern". In ihm
wurden folgende Punkte in den Vordergrund geriickt.
1. Dem Wunsch der parteilosen Bauernschaft nadl
Ersetzung der Zwangsumlage (im Sinne der Abgabe
aller Uberschusse) durch eine Getreidesteuer 1st zu ent-
sprechen.
2. Die Hohe der Steuer 1st im Vergleich zu dem Um-
fang der vorjahrigen Ablieferungspflicht herabzusetzen.
3. Das Prinzip, wonach die Hohe der Steuer? in Ein-
klang stehen soil mit der aufgewandten Kraft der
Bauern in dem Sinne, daB der Steuersatz bei erhohtem
Arbeitsaufwand des Bauern herabgesetzt wird, ist zu
billigen.
4. Die Freiheit des Bauern, seine uber die Steuer
hinausgehenden Uberschi sse im ortlichen Wirtschafts-
verkehr abzusetzen, unter der Bedingung der schnellen
and vollstandigen Entrichtung der Steuer, ist zu er-
weitern."31)
Auf der Grundlage dieses Dokuments, in dem der
4kbcrgang zur NOP umrissen wurde, wurde dann am
21, Marz 1921 vom Allrussischen Zentralexekutivkomitee
das Gesetz uber die Naturalsteuer auf Getreide, Kar-
toffeln and Olsaaten angenommen.
In seinem Bericht auf dem X. Parteitag ?t)ber die
Naturalsteuer" wurde der t)bergang zur NOP von Lenin
theoretisch allseitig begrundet and die praktiscll-
politische Hauptfrage formuliert: das okonomische BUnd-
nis der Arbeiterklasse mit der werktatigen Bauern-
schaft zum Aufbau des Sozialismus herzustellen and zu
festigen.
Lenin hatte bereits in seinem ?Plan and Konspekt
der Broschiire ,t)ber die Naturalsteuer"' darauf hin-
gewiesen, dalI das Bi ndnis mit der werktatigen Bauern-
schaft gegen Denikin and Co. wahrend des .Burger-
krieges find das Bundnis jetzt beim wirtschaftlichen
Aufbau nicht ein and dasselbe ist. Das bedeutet, daB die
Formen des Bundnisses nicht gleich sein konnten. Im
Burgerkrieg bestand die Form des Bundnisses darin,
daB der Arbeiterstaat, der den Bauern den Boden
33) ?Bednota" vom 9. Marz 1921, russ.
3S) W. I. Lenin, Werke, Bd. 32, S. 111, russ.
29
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gegeben hatte, diesen Boden schutzte and dale der
Bauer dem Staat die Lebensmittel auf Kredit gab bis
zur Wiederherstellung der Groflindustrie.
Nachdem der Krieg beendet and der Boden nicht
mehr gefahrdet war, geniigte die alte Form des Bund-
nisses nicrt mehr. Jetzt ging es nicht mehr darum, dem
Bauern den Boden zu sichern, sondern darum, den
Bauern das Recht zu gewahrleisten, uber den Ertr'ag
des Bodens frei zu verfugen. Das entsprach vollkommen
den Interessen des Bauern als Kleineigentumer. Hatte
er dieses Recht niche, dann war die weitere Verringe-
rung der Aussaatfhiche, das fortscireitende Absinken
der Landwirtschaft,? die Lahmung des Verkehrswesens
and der Industrie.(wegen Brotmangel), die Zersetzung
der Armee (wegen Brotmangel) nicht zu vermeiden
and an den wirtschaftlicren Aufbau nicht zu denken.
Der Plan der sozialistfschen Umgestaltung, der von der
Kommunistiscien Partel unter Fuhrurig Lenins in Ah-
griff genommen wurde, war ern Plan des allmahlicren
Ubergangs dcr Millionen Werktatigen zu neuen gesell-
scraftlichen Beziehungen. Dabei ging die Partei davon
aus, diesen Ubergang moglicrst ohne einschneidenden
Bruce, mit grofiter Anpassung an die vorhandenen ge-
wohntcn Beziehungen. - d. h. Marktbeziehungen durch-
zrifuhr'en.Deswegen wares notwendig, die neuen Schritte
zum Sozialismus nur in dem MaCe durchzufuhren, wie
unter aktiver Eimvirkung des sozialistischen Staates da-
fur die materiellen Vorbedingungen gesciaffen wurden, in
dem MaCe, wie die werktatigen Massen these Not-
wendigkeit einsahen. Das hieli mit anderen Worten, dali
man den wer'ktatigen Bauern in der Wahl der Metho-
den des sozialistischen Aufbaus Zugestandnisse machen
mufite, die ihrer wirtschaftlicien Lage entsprachen.
Zugestandnisse an die Bauernsciaft machen, hieti
aber? nicrt, auf den Weg des Sozialismus in der Land-
wirtschaft verzicrten, sondern solche Zugestandnisse
den Bauern machen, um ihnen den sozialistischen Weg
zu erleichtern.
Wie konsequent Lenin darauf acrtete, dali in dieser
komplizierten Lage sici nicht das Schwergewicht ver-
lagerte, davon spricht ern Brief Lenins an den Volks
kommissar fur Landwirtschaft vom August 1921, in dem
Lenin fiber ern Buch zu Fragen der Landwirtschaft
seine Meinung,sagt. Ich' mochte diese kurze Notiz Lenins
hier einfugen, tveil sic manciem auch heute ins Stamm-
buch geschr?ieben seen konnte.
?Ein Durchblattern zeigt, dali das efn durch and durch
burgerlicies Dreckbuci ist, das das Bauerlein dureh,
zur Schau gestellte burgerlicie, ?gelehrte" Lugen betoren
will. Fast 400 Seiten? and nichts uber das Sowjetsystem
and seine Politilc, uber unsere Gesetze and Malinahmen
des Ubergangs zum Sozialismus usw. Nur? ern Dnmm-
kopf odor ein boswilliger Saboteur konnte dieses Bucl
alie fur die Redaktion and das Erscheinen dieses Buches
ver'antwor?tlichen Personen namhaft zu machen." 3J)
Diese Worte Lenins, seine tiefe Empor?ung fiber eine
dem Marxfsmus-Leninismus feindliche Schrift, die dem
Aufbau des Sozialismus grolien Schaden zufilgen kann,
lafit uns gleicizeitig den Leninschen Stil des theoreti-
37) Brief an den Volkskommissar fir Landwlrtschaft Theodoro-
wilsch, in: W. I. Lenin, Sdmtlichc Werke, Bd. CCV1, Verlag
? ftlr fremdsprachige Literatur, Moskau 1940, S. 590.
30 -
schen Kampfes erkennen. Solche Einschatzungen Lenins
helfen uns, besser den ideologischen Kampf unserer
Partei gegen die verschiedenen revisionistiscrcn Auf-
fassungen zu verstehen and zu begreifen, warum das
30. Plenum unserer Partei die revisionistiscren Auf-
fassungen Viewegs zur Agrarfrage als konterrevolutio-
nare Konzeption Eczeichnete, die mit den Erklarungen
der rechten Sozialdemokr'atie in der Agrarfrage uber- ,
einstimmt.
Lenin sprach einmal davon, dal3 es dem Wesen nach
in der NOP mehr? Altes als Neues im Ver'haltnis zur
fr'iiheren Politik gibt,
Die Grundlagen der NP gab Lenin bereits Anfang
1918 in einer Reihe Arbeiten, hauptsachlich in ?Die
nachsten Aufgaben der Sowjetmacht", ?Die Kinder'ei and
Kleinburgerlicikeit" bekannt. Der Leninsche Plan der
Inangriffnahme des sozialistischen Aufbaus enthielt ml
Wesen folgende Punkte:
1. Organisier?ung einer? allumfassenden Rechnungs-
legung and Kontrolle uber Produkle and ihre Verteilung.
2. Er'hohte Diszfplin and gesteiger?te Arbeitspr'oduk-
tivitat.
3. Einfuhrung des Leistungsprinzips in der Entlohnung.
4. Organisation des sozialistischen Wettbewerbs.
5. Einfuhrung des Prinzips der personlichen Verant-
Wortung in der Bctriebsleitung.
6. Ausnutzung der burgerlicren Spezialisten zum Auf-
bau des Sozialismus unter Kontrolle der- Diktalur des
Proletariats,
7 Moglichkeit der Ausnutzung des Staatskapitalismus
Es genugt, darauf hinzuweisen, dale am 30. Oktober,
1918 bereits efn Gesetz uber die Einfiihr'ung de1? Natural-
steuer erlassen wurde.
Die von Lenin bereits im Jahre 1918 vorgezeichnete
Politilc der Inangriffnahme des sozialistischen Aufbaus
wurde Burch die Intervention unterbrochen, die die
proletarische Diktatur zwang, zu den Methoden des
Kriegskommunismus iiberzugehen. Unter dem Einflufl
der durch den Burgerkrieg notwendigen militarischen
Aufgaben and der sehr schwierigen Lage, in der sich
die junge Sowjetrepubiik befand, ergaben sick auch
Fehler, deren hauptsachlichster darin bestand - wie
Lenin sagt:
? . den unmittelbaren Ubergang zur kommunistiscren
Produktion and Verteilung zu vollziehen,"36)
Von diesen Fehlern spricht aurh Lenin in seiner Rede
?Funf Jahre sozialistische Revolution", indem er darauf
himveist, daB die Bolscheiviki 1918 grolle Dummheiten
gemacht haben. Das war verstandlich, denn
1. war Rufland efn zur'uckgebliebenes Land mit einem
sehr? niedrigen Bildungsniveau;
2. stand die' junge Sowjetmacht allein da, ohne von
irgendwo Hilfe zu bekommen, im G,egenteil, die ganze
kapitalistische Welt lag auf der Lauer, uber den ersten
proletarischen Staat herzufallen; .
3' sagte Lenin: ,,.. , liegen unsere Fehler auch darin
begrundet, dali wir den alteri Staatsapparat ubernommen
36) W. I. Lenin,'Ausgewahlte Werke in 12 Banden, Bd. 9, Ver-
lagsgenossenschaft ausilindiseher Arbelter in der UdSSR,
Moskau-Leningrad 1936, S. 274.
habcn - oben wohl .einige Tausend Kommunisten
arbeiteten, unten aber arbeiteten Zehntausende -
Hunderttailsende vom Zaren and von der burgerlichen
Gesellschaft ubernommene Beamte gegen uns,"37)
Lenin and die Bolschewiki haben nie ihre Fehler
verheimlicht, nie der Arbeiterklasse verschwiegen, in
welchen Sdiwierigkeiten Bich das Land befindet. Dabei
ist die Partei aber nie in Panikstimmung verfallen,
hat nie das Valk auf die Fehler orientiert, sondern
wullte immet' aus diesen Sdiwierigkeiten herauszukom-
men. Der Beschlufi uber die NOP war bereits der Be-
ginn, vile Shcwierigkeiten zu meistern.
?Wir werden herauskommen, denn unsere Politik ist
ihren Grundlagen nach richtig and stellt alle Klassen-
kr5fte im internationalen MaCstab in Rechnung. Wir
werden herauskommen, denn wir beschonigen unsere
Lage nicht. Kennen alle Sdiwierigkeiten. Sehen alle
Krankheiten, kurieren sic systematisch, beharrlidr, ohne
in Panik zu verfallen."zC)
Aber das heifit nicht, dali es nicht Leute, - auch
Kommunisten - gab, die diesen Ausweg nicht sahen
and in Panik verfielen. Mit solch einem Kommunisten
setzte side Lenin im Juli 1921 auseinander. Der Redak-
teur einer? Zeitscirift - Mjasnikow - fiel angesicits
der gemachten Fehler and der grolien Sdiwierigkeiten
so in den Abgrund der Sentimentalitat, dali er in einem
Artikel ?Heikle Fragen" zur Sdhlulifolgerung kam: ?Bei
uns gibt es eine Unmenge von Miflstanden and Mili-
brauchen. die Pressefreiheit wird sic aufdeccen."
Scionungslos zerscrlug Lenin in seiner Antwort an
Mjasnikow die Luge von der Pressefreiheit. Gerade
heraus scireibt Lenin, dali die proletariscie Macht
keinen Selbstmord begehen will, and deshalb gar nicht
daran denkt, die ?Pressefreiheit" einzufiihren. ?Wir
sehen klar die Tatsache: ,Pressefreiheit` wurde in der
Praxis bedeulen, dali die internationale Bourgeoisie un-
ausbleiblich hunderte and tausende 'Scir'i?tsteller ..
kauft and ihre Propaganda, ihren Kampf gegen uns
organisiert."
?Pressefreiheit wurde die Kraft der Weltbourgeoisie
starken. Das ist eine Tatsache. Nicht der Sauberung der
Kommunistisdhen Partei in Ruliland von einer Reihe
ihrer Schwacien, Fehler, Ubelstande, Krankheiten (es
ist zweifellos ern Haufen von Krankheiten da) wird die
Pressefreiheit dienen Denn das will die Weltbourgeoisie
nicht, Die Pressefreiheit wird vielmehr zu einer Waffe
in den Handen dieser? Weltbourgeoisie werden. Sic ist
nicht tot, sic lebt. Sic steht neben uns and lauert:"39)
Das war die Antwort Lenins an alle diejenigen, die
die Kommunistische Partei kurieren wollten and be-
gannen, nach Medikamenten zu gr'eifen, die den sicheren
Tod der Arbeiter-und-Bauern-Macht gebracht hatten.
Diese Worte?Lenins zur Pressefreiheit zeigen uns aber
such, vie die Kommunistische Partei jeden Versuch
zuruckschlug, der auf eine Abschwachung der Diktatur
des Proletariats gerichtet war Erst nach der siegreichen
Zerschlagung der Interventen and Wei13gardisten kehrte
die Partei unter neuen Bedingungen zur NOP zuriick.
a7) Siehe W. I. Lenin, Ausgewahlte Werke in zwei Bdnden,
Bd. II, Dletz Verlag, Berlin 1952, S. 974/975. '
35) W. I. Lenin, Slimtliche Werke, Bd. XXV, Verlag far Literatur
and Politik, -Wien-Berlin 1930, S. 595,
39) Ebenda, Bd. XXVI, S. 594,
50X1 -HUM
Der Ubergang zur Naturalsteuer and rum Warenumsatz
war eben die Wiederherstellung and Fortsetzung der
okonomischen Politik der Diktalur des Proletariats, die
schon 1918 verkundet worden war.
Lenin spricht in seiner Arbeit ?Funf Jahre russisdie
Revolution" davon, dal/ die Massen bereits fuhlten, es
aber die Partei noch nidrt verstand zu fornlnlieren -
ivas sic nach einigen Wochen anerkennen mulite, dali der
Ubergang zu rein sozialistischen Formen, zu rein sozia
listiscrer Verteilung, die Krafte der Sowjetmacht in
tier- gegebenen Etappe iiberstieg and dali der Sowjet-
h'epublik der Untergang drohte, laenn sic es ni50X1-HUM
stunde, einen Ruckzug vorzunehmen, derart, ?".
sick auf leichtere Aufgaben beschriinkte.
Das Zentralkomilee war sick z. B. daruber im lclaren
dali die Notwendigkeit der Zwangsumlage entfallei
war, dafi man sic durch die Naturalsteuer ersetzei
mulite, um den Bauern die Moglicikeit zu geben, di
Ubersciilsse ihrer Produktion nach' eigenem Ermesse;
zu verwenden. Die Naturalsteuer, das war eben di
leichtere Aufgabe, auf die sick die Sowjetmacht he
schrankte.
Durch diese Mallnahme sollte die Moglichkeit gegeben
werden, die Landwirtschaft zu beleben, die Produktion
von Getr'eide and gewerblichen Nutzpflanzen zu er-
hohen, um die Industrie and die Stadte zu versor'gen,
den Warenumsatz zwischen Stadt and Land dadurch zu
beleben and das Biindnis der Arbeiterklasse and der
Bauernschaft auf eine neue okonomiscie Grupr1ln
50X1-HUM
stellen
.
Bei dem niedrigen Stand der Industrieproduktion
konnte derSowjetstaat aber dem Bauern keine Industrie-
produkte fur das gesamte abzuliefernde Getreide geben,
das der Staat benotigte. Deshalb war die Sowjetregie-
rung gezwungen, diejenige Menge Getreide aus den
Uberschiissen der Bauern zu besteuern, die sic mfn-
destens zur Versorgung der Arbeiter and der Roten
Ar'mee br'auchte. Der andere Teil dieser Uberschusse
verblieb dem Bauern, er konnte sic gegen notwendige
Industrieprodukte eintauschen, hauptsachlich gegen Er-
zeugnisse der o lichen Leichtindustrie.
Lenin ging damals von den konkreten Bedingungen im
Lande aus and stellte deshalb im wesentlichen auch
nur? eine Aufgabe, alle Hebel in Bewegung zu setzen,
um den Warenumsatz zwischen Stadt and Land zu be-
leben and zu vergroliern; er ging dabei davon aus, dali
der dem Aufbau des Sozialismus am meisten Nutzen
bringt, der auf dem Gebiet der Wirtschaft die besten
Resultate erzielt. Das war das A and 0, urn das Biind-
nis mit dem Bauern auf eine neue okonomische Grund-
lage zu stellen.
Dabei.mullte man in der Politik von der realen Tat-
sacie ausgehen; daB man den kleinen Warenproduzen-
ten nur durch zwei Dinge zufriedenstellen konnte, nam-
lich erstens durch_eine gewisse -Freilieit des Umsatzes
and zweitens_1urch~die Besdiaffung- von Waren_und
Produkten, da -sonst von -einer l Freiheit. des,.Umsatzes J
]seine Rede..sein konnte. Ohnederiiwu -"rde diese Politik em
Fetzen Papier bleiben. ?Die Kiassen werden aber nicht
durcr Papierchen, sondern nur dur_ch materielle Dinize
zufriedengestellt", schrieb Lenin. -~ ? 50X1-HUM
Aus diesen wenigen Stelleri aus den Werken Lenins
ist ersichtlich, dal die Partei ihr Augenmerk vor allem
darauf richtete, verniittels der Neuen Okc5Oi -HUM
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Politik die wirtschaftliche and politische Macht des
Sowjetlandes zu starken.
Die Feinde der Sowjetmacht dagegen betrachteten die
NP nur als ein Zugestandnis an den Kapitalismus.
Sic gingen an die Fragen der NP mit dem Buick nach
rUckwarts, dem Sozialismus den Ri cken zugewandt,
heran. Lenin vies aber? nach, daB die NOP kein Zu-
gestandnis an die Kapitalisten bedeute, sondern ge-
wisse Zugestandnisse an die Bauernschaft machte, um
das Bundnis zu festigen and zu starken, damit die So-
wjetmacht starker wind, daB man an die Frage der
NOP wahrend der t?bergangsperiode uberhaupt nur mit
dem Bllck nach vorn zum Sozialismus herangehen
kann. Bekanntlich entsprach die Freiheit des Waren-
umsatzes den wirtschaftlichen Interessen der Bauern-
~Schaft als kleine Warenproduzenten, erhohte ihre Ar-
beitsproduktivitat and fuhlte zu einem schnellen Auf-
sdrwung der Landwirtschaft. Nur auf dieser Grundlage
konnte man die staatliche Industrie ins Leben rufen,
konnte man uberhaupt eine machtige Industrie schaf-
fen, die die okonomische Grundlage des Sozialismus ist,
konnte man den tlbergang zur entscheidenden Offen-
sive gegen alle Oberreste des Kapitalismus sichern.
Der tlbergang zur Naturalsteuer zog zweifellos eine
gewisse Belebung kapitalistischer Elemente nach sick.
Wean aber? der proletarische Staat das MaB and die
Kontrolle bestimmt - and der proletarische Staat ver-
fugt aber? diese Mittel -, konnen diese kapitalistischen
Elemenle fur den proletarischen Staat keine Gefahr
heraufbeschworen.
Die Warenproduktion kann uberhaupt nur unter be-
stimmten Bedingungen zum Kapitalismus fi hren, wenn
1.. kapitalistisches Eigentum an den Pr?oduktionsmitteln
esistiert, wenn 2, die Arbeitskraft als Ware auf dem
Markt auftritt, wenn 3, im Lande ein System der kapi-
talistischen Ausbeutung der Lohnarbeiter vorherrscht.
Die Warenproduktion unter? den Bedingungen der
siegreichen Diktatur des Proletariats dient der sozia-
listischen Gesellschaft and fdhr?t nicht zum Kapitalis-
mus, well unter den Bedingungen der Qbergangsperiode
die Warenproduktion kein unbegrenzte Wirkungssphare
besitzt, tivie sic unter dem Kapitalismus and in einem
! streng umris'senen Rahmen der proletarischen Macht
-gesetzt 1st,
Mit allem Nachdrudc unterstrich Lenin, daB auch nur
der Versuch, die Entwidclung des nicht staatlichen, also
privaten oder genossenschaftlichen Handels zu unter-
binden, bei dem- Vorhandensein von`t1V illionen udeiner?
Produzenten ,,... Dummheit ware and dem Selbstmord
fur jene Partei gleichkam e das versuchen wurde'; 0)
Dummheit, veil diese Politik okonornisch unmoglich
ist, Selbstmord, well eine Partei, die eine soiche Politik
probieren wurde, unweigerlich Zusammenbruch er-
leiden wurde.
Dieses Mall, dieser? Rahmen fur den Kapitalismus
War in der Sowjetunion durch die Vergesellschaftung
der Produktionsmittel in den Handen der Diktatur des
Proletariats genugend eng gezogen.
So war die NOP auf die Zulasswig desXapitalismus
innerhalb bestummter? Grenzen berechnet, wobei sick
die.Komrrrandohohen inn en Handen des proletarischen
Staates befanden, J. W. Stalin charakterisiert die NOP
40) W. I. Lenin, Werke, Bd. 32, S. 323, russ.
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als den Kampf der sozialistisehen Elemente gegen die
kapitalistischen and den Sieg der sozialistischen fiber
die kapitalistischen Elemente. Sic war schlielilich auf
die Liquidierung der Ausbeuterklasse and die Errich-
tung der okonomischen Basis des Sozialismus ger?ichtet.
Das war der eindeutige Buick nach vorwarts.
Die Sowjetmacht erklarte der Bauernschaft direkt,
dal3' sic ihr? Zugestandnisse mache, dock nur dazu, um
sic allmahUcli auf den sozialistischen Weg zu fuhren.h-'
Die Partei machte der werktatigen Bauernschaft nur?
im Interesse der Erridrtung des Fundaments der sozia-
listischen Okonomik Zugestandnisse. Die Partei er-
kannte, daB man zuerst der Bauernschaft helfen muffle,
veil sic sill starker ermudet fuhlte als die Arbeiter-
klasse, veil die Lage der l3auern katastrophal var, be-
sonders nach der groflen Mtflernte 1920 and veil der
Kredit der Bauern an den Staal nicht unerschi pflich
sewn konnte, sondern eines Tages zuruckgezahlt wer-
den muffte. Das heiilt nicht, daB die Lage der Arbeiter-
klasse leichter war. Fur die Arbeiterklasse war die
Lage Behr schwierig. Doch die politisch entwickelten
Elemente des Proletariats begriffen, daB sic im Inter-
esse der Diktatur der Arbeiterklasse die groBten An-
str?engungen machen mussen, um der Bauernschaft zu
helfen, koste es, was es wolle.
Lenin wirft in diesem Zusammenhang auch die Frage
der Entbehrungen des Proletariats auf. Die Frage ist
die, sagte Lenin:
?Wie ver?teilen wir? diese Entbehrungen. Wir? Sind die
Staatsmacht. Wir sirid bis zu einem gewissen Grade
imstande, die Entbehrungen zu verleilen, sic mehreren
Klassen aufzubirden and dadur?ch die Lage einzelner?
Schichten der Bevolkerung verhaltnismaflig zu erleich-
tern. Nach welchem Grundsatz mussen wir verfahren?
Nadr dem der Gerechtigkeit oder der Mehrheit? Nein!
Wir mussen praktisch handeln, wir mussen die Ver-
teilung so vornehmen, daB_wir die,Macht des Pro a a-
riats erhalten. Das_ ist- unser einziger Grundsatz!"")
Der Grundsatz der Gerechtigkeit ware fur die Arbeiter-
klasse ausgefallen, der Grundsatz der Mehrheit fur diet
Bauernschaft. Die Partei muffle aber praktisch handeln,
d, h, so, daB die Diktatur des Proletariats erhalten bleibt.
Das hochste Prinzip der Diktatur des Proletariats isl
aber die Wahrung des Bundnisses der Arbeiterklasse
mit der Bauernschaft. Lenin betonte in der bereits an-
gefuhrten Rede auf dem III. Kongrel der Kommu-
nistischen Internationale, daB die Naturalsteuer gerade
darauf gerichtet ist, dieses Bundnis zu festigen.
Lenin schatzte jedoch nicht nur nuchtern die Krafte
der Bauernschaft ein, sondern tat dies ebenso mit
denen der Arbeiterklasse. Er zerschlug vor allem das
Argument, das die Menschewiki and Sozialr?evolutio-
nar?e gebrauchten, indem sic sagten, daB die Bolsche-
wiki jetzt an die Krafte der Arbeiterklasse nicht mehr
glauben wur?den and deshalb der Bauernschaft Zu-
gestandnisse machen,
Lenin betonte, daB das ganze Geschrei uber ?mehr
Vertrauen zur Arbeiterklasse" in. Wirklichkeit auf die
Starkung des Einflusses der Menschewiki and Sozial-
revolutionare hinauslief and neue Falle von Kron-
41) \V. I. Lenin, Ausgewdhlte Werke in 12 Biinden, Bd. 9, Ver-
lagsgenossenschari ausliindischer Arbeiter in dcr UdSSR.
Moskau-Leningrad 1936, S. 252.
stadt zunr Ziel batten. Upd Lenin stellte dem Proleta-
riat die Aufgabe, diese Schreier, diese Helfershelfer
der Weiflgardisten zu entlarven and zum Teufel zu
jagen. Als Kruteruum fur die Ehrlichkeit gegenuber?
dem Proletariat stellte Lenin die Arbeit an der Wirt-
schaftsfront heraus. Und Lenin sagte, wem diese Arbeit
?langweilig" and ?uninteressant", ?unverstandlich" ist,
wer die Nase rumpft oder in Panik verfallt, odersich
an Deklama~tionenu_ber_den , iruheren Elan and Enthu-
siasmus" berauscht, den soilte m bei ;,v6n deI
Arbeit befreien" and ?kaltstellen", damit er? keinen
Schaden anrichten kann.
In diesen Jahren wurde besonders von der sogenann-
ten ?Arbeiteropposition" das zur Aufputschung ruck-
standiger Arbeitermassen ausgesuchte Argument ge-
braucht, ?die Bauern verwohnt man mehr oder weni-
gee, den Arbeitern gibt man gar nichts."
Die Partei erkannte sofort die Gefahrlichkeit dieses
Arguments, das auf die Umwandlung des Proletariats
in Kleinburger? abzielte. Der von der ?Arbeiteroppo-
sition" beeinflullte ruckstandige Arbeiter argumentiertc
r~fahr so:
?Den Bauern verwohnt man, hat ihn von der Ab-
lieferungspflicht befreit and ihm den freien Teil seiner
Uberschusse zum Austausch uberlassen, wir Arbeiter,
die wir an der Werkbank stehen, wollen das Gleiche
haben.. also auch ube_r einen _Tell der h_erge_s_t_ellten
Erzeugnisse verfugen."
Es ist offensichtlidr, daB dies zum Zerfall der Arbeiter-
klasse gefuhrt hatte.
In diesem Zusammenhang entwickelt Lenin die Frage,
vie man der Arbeiterklasse am besten helfen konnte,
namlich einzig and allein durch Wieder- herstellung der
Grollindustrie als der materiellen Grundlage der Dik-
tatur des Proletariats. Zur Wiederherstellung der Indu-
strie mull man unbedingt mit der Belebung der Land-
wirtschaft beginnen, um eune geni gende Lebensmittel-
und Rohstoffbasis zu haben, ohne die an die Wieder-
herstellun der Industrie, geschweige dean an die Er-
50X1 -HUM
richtung des Fundaments der sozialustisch~n [lknnnnlik
nicht zu denken 1st. 50X1-HUM
?Die Arbeiterklasse - betonte Lenin - kann ihie
Wunden nicht anders heilen, ihre proletarische, ,Klas-
senkraft' nicht anders wiederherstellen, die Bauern-
schaft kann in ihreni Vertrauen zu der proletarischen
Fuhrung nicht anders bestarkt werden, als each MaB-
gabe des tatsachlichen Erfolges bei der Wiederherstel-
lung der Industrie and der Herstellung eines richtigen
staatlichen Produktionsaustausches, dei? sowohl fur den
Bauern als auch fur den Arbeiter vorteilhaft wird. "i2)
Das war der kurzeste and schmerzloseste Weg,
um der Arbeiterlasse zu helfen. Lenin sagle: ,,... wir
mussen die Verteilung so vornehmen, daB wir die
Macht des Proletariats erhalten. Das 1st unser einzieer?
Grundsatz." 50X1-HUM
So dienten die Beschliisse des X. Parteitages der
Festigung der Diktatur des Proletariats auf der Grund-
lage eines festen okonomischen Bundnisses der Arbeiter-
klasse mit der Bauernschaft, im Interesse des Aufbaus
des Sozialismus.
Die historiselre Wende vom Krieg zum sozialisti$dren
A_ufbau war fur viele Kommunisten ein Prufstein, ja
sogar? fur solclie; die mit der Waffe in dei? Hand gegen
Denikin ihren Mann gestanden batten, Die Besten der
Arbeiterklasse gaben alles hin fur die Errichtung der
Diktatur des Proletariats. Und es war fur sic nicht leidrt,
einen Knopf zuriickzustecken, denn der Feind attackierte
die Partei v_on.,links` und,.,rechts'. Mit eiinern Wort-
es ging nicht alles so glatt, es waren aufwuhlende Tage,
aber niemand, der mit der Partei eng verbunden war,
erlaubte es, die Partei zu beschmutzen, ihre Fuhrer? zu
verleumden.
Noch 10 Jahre spater stellte die Partei an viele Mit-
glieder die berechtigte Frage: and vie war dein Ver-)
halten zur Partei in der Periode der NOP?
t,2) Ebenda, S. 266.
50X1 -HUM
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i
Der Deireiungskampi des algeristhen Volkes
I,urhl Huuhnii, urslur SnkrntlIr dnr i(nmmunisllsthun Parini AliInriuns
(Diese Lektion, die eta Ausdruck des proletarischen Internationalismus ist, wurde am 21. Jantzar 1957
'var dem Kollektiv der Parteihochschule ?Karl Marx" gehalten)
Es 1st fur mich eine grolle Freude und eine grofle Ehre,
vor einem solchen Auditorium sprechen zu konnen, vor
Vertretern einer Arbeiterklasse und eines Volkes, das
trotz aller Rii kschlage, Siege und Niederlagen in der
Geschichte, der Welt solche bedeutenden Personlichkeiten
gegeben hat wie Schiller und Goethe, Karl Marx und
Friedrich Engels, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
und den groBen Genossen Ernst Thalmann. Ich begrulie
euch im Namen der Kommunistischen Partei Algeriens,
im Namen der algerischen Befreiungsbewegung und des
algerischen Volkes, das heute mit der Waffe in der Hand
fur seine Freiheit kampft. In. seinem Namen uberbringe
ich euch brUderliche und kamer'adschaftliche Kampfes-
gri 3e.
Iieute ist es also mein Auftrag, zu euch uber Algerien
zu sprechen. Ich mochte gleich betonen, daB, wenn es
auch in anderen Landern trotz aller kolonialen Unter-
druckung Freiheitsbewegungen gibt, so dock heute Al-
gerien das einzige Land ist, wo es einen wirklichen
Krieg des unterdruckten Volkes gibt. Die franzosischen
Kolonialherren behaupten, die gegemvartige Lage in
Algerien sei das Ergebnis einer ausl indischen Inter-
vention, vor? allem Agyptens. Nun, der Widerstand des
alger'ischen Volkes ist nicht erst zwei Jahre alt, er
datiert in Wirklidrkeit seit 1830. Gleich nach der An-
kunft der franzosischen Kolonialherren in Algerien im
Jahre 1830 begann der organisierte Widerstand, der bis
1870 von dem Emir Abd el Kader gefi hrt wurde. In
der weiteren Geschichte Algeriens setzte sick der Wider-
stand fort, immer wieder durch bewaffnete Aufstande
in ganz Algerien neu belebt. Der bedeutendste Aufstand
brash 1871 aus, das heiBt zu einer Zeit, als sick auch
die Pariser Kommune erhob. Die Solidaritat zwischen
der franzosischen Arbeiterklasse und dem algerischen
Volk datiert seit der Zeit, da die franzosische Bour-
geoisie die K5mpfer der Kommune, an ihrer Spitze die
G,enossin Louise Michel, nach einem entlegenen Landes-
teil Algeriens deportierte, die aber auch dort die Ge-
danken der Pariser Kommune propagierten. Damals
konnten die bewaffneten Aufstande im Blut 'erstickt
werden. Wenn heute der Kampf von einem viel grolleren
AusmaB 1st, so vor allem deshalb, veil sick durch den
Freiheitskampe des algerischen Volkes und dank der
internationalen Faktoren elne ganz neue Lage ergeben
hat. Wenn also die franzosischen Kolonialherren be-
haupten, die gegenwartige Lage in Algerien sei das Er-
gebnis irgendeiner auslandischen Intervention, so wollen
sic damit in Wirklichkeit den uber 100 Jahre wahren-
den Freiheitskampf, des algerisdren Volkes verschleiern.
Aulierdem behaupten tie, Algerien sei ein Tell Frank-
reichs. Ich kann euch aber den Beweis erbringen, daB
Algerien in Wirklichkeit eine Kolonie und nicht ein Teil
Frankreichs 1st.
Ihr kennt sicker die geographische Lage Algeriens,
Das Land 1st von Marokko und.Tunis begrenzt und hat
eine KUstenlange von 1000 km; die Oberflache betragt
2,2 Millionen qkm,.. d. h ungefahr das Vierfache Frank-
nete, aber von diesen 30 algerischen Abgeordneten
vertreten 15 eine Million Europaer und die anderen
15 Abgeordneten, die nicht einmal besonders respektiert
werden, neun Millionen eingeborene Algerier. Alle
Wahlen, die bisher in Algerien stattgefunden haben,
wurden systematisch verfalscht,' damit auf jeden Fall
die Vertreter das Abgeordnetenmandat erhielten, die
die Kolonialveiwaltung unterstUtzten,
Die demokratischen Freiheiten, die Meinungsfreiheit,
Koalitions-, Versammlungs- und Pressefreiheit usw.,
bestehen in Worten, das heiBt, die Bevolkerung euro-
paischer Herkunft nutzt sic aus, aber fur die etn-
geborene Bevolkerung sind sic absolut illusor'isch. Dazu
kommt, daB heute alle Erscheinungen des offentlichen
Lebens in Algerien durch die Rassendiskriminierung
gepragt Sind. Man kann sagen, daB der Algerier -und
das trifft auch fur mich per'sonlich zu - sick in seinem
Heimatlande Algerien als Auslander fuhlt, Das Sind
die Kennzeichen Algeriens auf der politischen Ebene.
Betrachten ivir nunmehr die wirtschaftliche Lage
Algeriens. Die Geschichte der franzosischen Kolonial-
herrschaft in -Algerien war die Geschichte des organi-
sierten Diebstahls und Raubes des Landes unserer
Bauern, der in alien moglichen und erdenklichen For-
men vor sick Bing, Zur? Zeit 1st die Bodenflache vie
folgt verteilt: 21650 Kolonialherren besitzen 2,7 Mil-
lionen ha, dagegen haben 543 350 eingeborene Eigen-
tumer 7,1 Millionen ha, wobei man berucksichtigen
mull, daB sick unter diesen Eingeborenen noch 5600
Feudaleigentumer befinden. Aber diese statistischen
Angaben der Bodenver'teilung allein geben noch keinen
richtigen Einblick in den Reichtum der Kolonialherren,
denn man mull sehen, daB sic sick den besten Grund
und Boden angeeignet haben, Dari ber geben folgende
Zahlen Aufschlull: Von 140 Milliarden Franken Gesamt-
wert der pflanzlichen Produktion gehoren 92 Milliar-
den Franken den Eur'opaern und nur 48 Milliarden den
eingeborenen Algeriern. Betrachten wir die allgemeine
Orientierung der algerischen Landwirtschaft, so zeigt
sick, daB sic nicht etwa von den Bedurfnissen der Be-
volkerung, sondern von dem Profitstreben der Kolonia-
listen diktier't ist.
Im Jahre 1830 hatte Algerien nur auf, einer Fladre
von 2000 ha Wein angebaut (d. h. fur Tafelwein), veil
die Algerier als Muselmanen keinen Wein tr'inken.
Aber die Kolonialher'r?en haben den Weinanbau ent-
wickeit, der heute 380 000 ha Flache einnimmt, das sind
wertmaflig 40 Prozent der gesamten pflanzlichen Pro
duktion. Algerien galt einmal als die Kornkammer
Roms,,heute jedoch fehlt es an Getreide und Algerien
ist gezwungen? Getreide einzufi hren. Die Kolonialisten
mussen in ihren Statistiken selbst folgende Tatsachen
zugeben: Wenn jeder Algerier 1871 uber 5 Quintal')
an pflanzlichen Produkten zum Leben verfugte, so hat
er dagegen heute weniger als 2 Quintal.
Die industrielle Entwicklung Algeriens wurde mit
allen Mitteln verhindert. Die anderen Wirtschafts-
zweige des Landes, d, h. die Gruben, Banken, Ver-
kehrsmittel, der Handel usw,, sind in den Handen der
Kolonialisten. Ein besonderes Kennzeichen Algeriens
ist, daB auf Grund der Entw,icklung der kolonialisti-
1) Em Quintal = 100 kg
when Bourgeoisie chic algerische Bourgeoisie uber-
haupt nicht existiert.
Gerade diese Tatsachen erklaren, warum sick der
Krieg in Algerien in solchen erbitterten Formen voll-
zieht. Aber der FreIheitskrieg wird auch deswegen er-
bittert gefQhrt, veil sick jetzt schon neue Perspektiven
der kolonialen Ausbeutung in Algerien abzeichnen. Die
franzosischen Kolonialherren sind an dem geradezu
phantastischen Reichtum an Boilenschatzen in der Wi ste
Sahara interessiert. Sic denken an strategische, also
kriegswichtige Metalle, Edelmetalle sowie an Erdol.
Eine Zahlenangabe wird ouch einen 'Einblick in
die Zukunft vermitteln. Zur Zeit produziert Algerien
100 000 Tonnen Erdol im Jahr. Franzosische Regierungs-
kreise
sind
der
Me}nung,
daB
diese Produktion
im
Jahre
1959
den
Stand von
4
Millionen Tonnen
er-
reichen wird.
Betrachten wir .nun die soziale Struktur. Beispiels-
weise hatten 1953 drei Gesellschaften des Eisenerzberg-
baus einen Reingewinn von 31/2 Milliarden franzosi-
schen Franken, aber ihren Arbeitern haben sic nur?
'/. Milliarde Franken an Lohnen gezahlt, Nach den
franzosischen Statistiken betragt das mittlere Jahres-
einkommen eines Algeriers kaum 20 000 Franken. Zum
Vergleich sei gesagt, daB das mittlere Jahreseinkommen
eines Arbeifers in Frankreich 240 000 Franken betragt.
Aber selbst dieses Einkommen von 20 000 Franken hat
nur der algerische Arbeiter, der uberhaupt das Gluck
hat, Arbeit zu linden. Zur' Zeit sind 1500 000 e}n-
geborene Algerier arbeifslos. Dazu kommen noch 300 000
Algerier, die Algerien verlassen muliten, um in Frank-
reich Arbeit zu suchen. Auf Grund dieser Lage kann
man sagen, dali die Hungersnot in Algerien chronisch
ist. Das zwingt zahlreiche Algerier, von Gras und wil-
den Wurzeln zu leben. Selbst eine Organisation der UN
mufite feststellen, dali die Algerier nur durchschnittlich
uber 1443 Kalorien am Tage verfugen, das sind "-/a des
Lebensminimums. Die Lage des algerischen Volkes
wird noch durch folgende Zahlen verdeutlicht: die Sta-
tistik gibt an, daB 50 Prozent aller alger'isehen Kinder
vor der Vollendung des fi nften Lebensjahres sterben,
Vor der Ankunft der Kolonialisten waren solche Krank-
heiten vie Tuberkulose vollkommen unbekannt in Alge-
rien. Heute haben wir 400 000 tuberkulosekranke Men-
schen, das heiflt, genauso viele wie ganz Frankreich
mit semen 43 Millionen Einwohnern.
Betrachten wir nun die Lage auf dem kulturellen
Gebiet. In Algerien gibt es heute noch 80 Prozent An-
alphabeten. Etwa 2 Millionen Kinder im schulpflichti-
gen Alter wandern auf den Straflen umher, einfach des-
halb, veil es fur sic keine Schulen gibt. Zwar gibt es
eine Universitat in Algier, aber nur ein Zehntel der
5000 Studenten sind eingeborene Algerier. Der Unter-
richt erfolgt nur in franzosischer Sprache, der einzigen
in Algerien offiziell anerkannten Sprache. Das Un-
erhorteste 1st, daB die arabische Spiache, also die Mutter-
sprache von neun Zehnteln der algerischen Bevglke-
r'ung, in Algerien als Fremdsprache betrachtet wird.
Das betrifft aueh die mohammedanische Religion und
ihren Kultus. In Frankreich besteht ein Gesetz uber
die Trennung von Staat und Kirche: Dieses gilt auch
in Algerien, aber nur insoweit, als es die christliche
und judische Religion betrifft. Die Priester des Islam, die
Mufti, werden als franzosische Staats(unktionare be-
ieichs. Algerien tragt heute die Mer?kmale einer Kolonie,
das heilit, es dient den franzosischen Kolonialherren als
Rohstoffquelle. Algerien ist ein Absatzmarkt fur fran-
zosische Fertigwaren, es gibt den franzosischen Kolonial-
herren billige Arbeitskrafte und 1st franzosisches Kapi-
talsanlagegebiet.
Der Aufbau der algerischen Wirtschaft dient nicht
der Befriedigung der Bedurfnisse des algerischen Vol-
kes, sondern dem Proftstreben der franzosischen Kolo-
nialherren. Betrachten wir zunachst die politischen und
staatlichen Verhaltnisse Algerien.
Nash Ankunft der franzosischen Kolonialisten war
Algerien seit 1871 in drei Departements (Bezirke) ein-
geteilt. Es wurden politische Einrichtungen entsprechend
denen in Frankreich geschaffen. Diese Einrichtungen
sollten den Bedurfnissen der in Algerien lebenden fran-
zosischen Bevolkerung diesen. Die wirkliche Lage Al-
geriens wird aber erst klar, wenn man die Verhaltnisse
etwas naher pruft. Seit Beginn dieses Jahrhunderts
haben die Kolonialisten die Finanzautonomie Algeriens
gefor'dert mit dem Ziel, die algerische Bevolkerung nosh
besser ausbeuten zu konnen und Algerien nicht etwa
mit dem franzosischen Staatshaushalt zu verbinden.
Aufierdem hat Algerien seit 1947 ein sogenanntes Son-
derstatut. Es besteht auch eine algerische Versammlung,
die jedoch nur beratende Funktionen hat. Algerien steht
unter? der Leitung eines franzosischen Generalgouver-
neurs, der in Paris ernannt wird. Der Generalgouver-
neur ernennt wiederum fur den groliten Tell Algeriens
sogenannte Administratoren. Es besteht also in Algerien
ein Gemeindewesen mit sogenannten gemischten Kom-
munen, deren Rate sich einerseits aus Administratoren,
die von Oberadministratoren ernannt werden, und an-
dererseits aus gewahlten Vertretern zusammensetzen.
Aulierdem gibt es noch einen Tell des Landes, Si d-
algerien, der auch' in normalen Zeiten von franzosischen
Militar verwaltet wurde, also nicht der Zivilverwaltung
unterstand. Diese Merkmale beweisen, dali Algerien
eine Kolonie und von Frankreich klar abgegrenzt ist.
Aber der Unterschied zeigt sich beispielsweise auch
an den Gemeindeinstitutionen. Erst seit Ende des zwei-
ten Weltkrieges waren die eingeborenen Algerier iber-
haupt in ihren Gemeinderaten vertreten. Die Wahler
jedoch sind in zwei Kollegien eingeteilt. Das eine Kol-
legium besteht nur aus Angehorigen europaischer Her-
kunft, das andere wird von eingeborenen Algeriern
gebildet. In den Gemeinderaten verfugen die Vertreter
europaischer Herkunft uber drei Funftel der Sitze und
den Algeriern wurden zwei Funftel zugesprochen. Jeden-
falls trifft man in den algerischen Gemeinden nie einen
algerischen Burgermeister. Es gibt auch noch andere
Institutionen, wo ahniiche Zustande herrschen.
Algerien zahlt heute 10 Millionen'Einwohner, davon
sind 1 Million Europaer, unter ihnen in der Haupt-
sache Franzosen, Italiener und Spanier. In der franzo-
sischen Nationalversammlung hat Algerien 30 Abgeord-
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trachtet and haben sick nach den Gesetzen and Ver-
ordnungen des franzSsischen Staates zu richten.
Das Sind die tieferen Ursachen, die der berechtigten
Erhebung des algerischen Volkes ,zugrundeliegen.
Noch vor kurzem behauptete der franzosische
Ministerprasident Guy Mallet, Algerien sei ein Teil
Frankreichs and die Algerier seien Franzosen. Ich habe
Guth berichtet, vie die wirkliche Lage ist and ihr konnt
euch vorstellen, daB Herr Guy Mallet einige Mi he hat,
in Algerien, aber auth anderswo zu behaupten, daB
wir Algerier uns als franzosische Burger fuhlen. Aber
die franzosischen rechtssozialistischen Fuhrer haben nun
einmal die Gewohnheit zu lugen. 1lbrigens erzahlen
sic, sie betrieben absolut keinen Krieg in Algerien,
sondern fUhrten nur die Befriedung durch.
Jetzt wollen wir uns diese ?Befriedung" einmal an-
sehen. Seitdem diese Herrschaften im Januar 1956 zur
Macht kamen, haben sie in jeder Weise die Nachfolge
der Kolonialherren i bernommen. Sie setzten im fran-
zosischen Parlament das Dekret uber den Ausnahme-
zustand, d. h. in Wirklichkeit uber den Kriegszustahd
durch, and sie haben sick auth bemuht, den Bestand
der ?Befriedungskrafte" in Algerien zu erhohen. Vor
Beginn der Ereignisse waren weniger als 50 000 fran-
zosische Soldaten in Algerien stationiert. Als aber der
neue franzosische Generalgouverneur Robert Lacoste
zu Beginn des Jahres 1956 nach Algerien kam, gab es
schon 200 000 franzosische Soldaten, and heute wutet
in Algerien eine regelrechte Kolonialarmee von 500 000
Mann, die mit alien modernen Waffen ausgerustet ist.
Naturlich fuhrt diese Armee weitreichende militarische
Operationen gegen die algerischen Patrioten durch.Ein-
gesetzt werden die Luftwaffe, die Kriegsmarine, die
Infanterie, kurz, alle Waffengattungen and Formationen.
Aber trotz des Einsatzes so gewaltiger Mittel erleben
die franzosischen Kolonialisten schwere Ruckschlage
and Niederlagen. Infolgedessen unternehmen sic bar-
barische Vergeltungs- and Unterdruckungsmallnahmen
geger die algerische Bevolkerung. Wird zum Beispiel
ein Ort verdachtigt, die kampfenden algerischen Patrio-
ten zu unterstutzen, so wird er von einer grof3en Zahl
Soldaten besetzt, die die sogenannte Sauberung, das
heiBt Plund'erung, Vergewaltigung and Niedermetze-
lung der Zivilbevolkerung organisieren. Zur Zeit gibt es
in Algerien 300 algerische Patrioten, die zum Tode ver-
urteilt sirtd. Viele von ihnen wurden bereits hingerich-
tet. Aber diese Zahlen sagen nicht alles, dean die Urteile
der Kriegsgerichte sollen von den Grausamkeiten and
ungeheuren Gewalttaten, die tagtaglich von' franzosi-
schem Militar begangen werden; ablenken. Seit der
Verkindung des Ausnahmezustandes in Algerien ist
eine andere Form der Hinrichtung vorherrschend, die
standrechtliche Hinrichtung. Und diese Hinrichtungen
nehmen zuweilen Massencharakter an. Zum Beispiel
wurden 50 km von Algier entfernt einige Ddrfer ver-
dachtigt, sic hatten den algerischen Patrioten geholfen.
Die ganze uber 15 Jahre alte Bevolkerung wurde auf
dem Marktplatz zusammengetrommelt and dann ist
man mit Panzerwagen fiber sic himveggefahren. In
einem anderen Gebiet, in 'Kabylien, organisierten die
Patrioten einen Hinterhalt; sic hatten Erfolg and zogen
sick dann zuriidc.,Die militarischen Streitkraftekamen
and nahmen Haussuchungen vor, fanden aber nichts.
36
Um sick zu rachen, trieben sic 61 Bauern zusammen,
stellten sic am Rande eines Abgrundes auf and schos-
sen sic mit Maschfnengewehren nieder. Im Gebiet von
Palestro, das ebenfalls der Unterstutzung von Patrioten
beschuldigt wurde, hat man, um ein Exempel zu sta-
tuieren, die Bauern in omen Hubschrauber getrieben
and aus einer Hohe von 500 Metern aus dem Flugzeug
gesturzt. Das Sind Operationen, die von der franzosi-
schen Armee selbst organisiert werden.
Dazu kommt nun nosh der sogenannte zivile Terror
der franzosischen Kolonialherren, die halbmilitarische
Gruppen ausrusten. Die eingeborenen Algerier sind von
Mord, ErschieBungen and Racheaktionen bedroht and
werden hingerichet, wean sic auth nur eine Waffe be-
sitzen. Die halbmilit5rischen Truppen der franzosischen
Kolonialherren dagegen werden nosh von der franzosi-
schen Verwaltung'mit Waffen ausgerustet. Das war auth
in der allerletzten Zeit' der Fall, als der Kolonialherr
Fronget beerdigt wurde. Faschistische bewaffnete Ele-
mente drangen inAnwesenheit derfranzosischenPolizei
in die arabischen Wohnviertel ein, steckten die Laden
in Brand and schossen blind in Laden and Hauser
hinein. Das Ergebnis war: 10 Tote and 15 Schwerver-
letzte in einem Wohnviertel Algiers. Naturlich wurden
diese Herrschaften nicht etwa bestraft, sondern der
franzosische Generalgouverneur Lacoste hat zur ?Auf-
rechterhaltung der Ruhe and Ordnung" den Fallschirm
jager-General Massut eingesetzt, der aus Vietnam
zuruckgekommen
war.
Dieser Herr hat
mit 10 000
Fallsdrir?mjagern
terrorisiert.
ein einziges arabisches Wohnviertel
Mit vollem Recht haben sick die Franzosen uber die
entsetzlichen Verbrechen entrustet, die von den Nazi-
Organisationen wahrend des zweiten Weltkrieges in
Frankreich begangen wurden. Sic haben sick mit be-
rechtigter Emporung gegen das ungeheuerliche Ver-
brechen der Faschisten in Oradour-sur-Glane gewandt
and heute mussen wir uns fragen, tvie viele Oradour-
sur-Glanes es eigentlich in Algerien gibt. Ungezahlt sind
die Opfer. Daruber gibt es keine Statistik, Ich kann nur
einen kleinen Hinweis geben. 1945' gab es eine grofie
Welle der Unterdruekung, die 45 000 Algeriern das
Leben kostete, obwohl sic nur 0 Monate dauerte. Wenn
lhr bedenkt, daB die jetzige viel starkere Welle der
Unterdruckung schon 26 Monate dauert, so bekommt
ihr eine annahernde Vorstellung von der Anzahl der
Opfer. Selbstverstandlich sind die Gefangnisse and
Konzentrationslager i berfi llt mit algerischen Patrioten
Und die Folterungen and Quaiereien, die bewuBt in
den Gefangnissen and Konzentrationslagern organisiert
werden, unterscheiden sick nicht von dem, was man
von seiten der Faschisten im Krieg erlebt hat.
So sieht die Politik der ?Befriedung" der franzosischen
Rechtssozialisten in Algerien aus; Aber diese Unter-
druckung hat ihren Zweck ?nicht erreicht, ganz im
Gegenteil, sic hat die Festigung der algerischen Be-
freiungsfront noch beschleunigt.
Betrachten wir nun die nationale Bewegung and den
Kampf des algerischen Volkes. Die ersten 'nationalen
Befr?eiungsorganfsationen wurden nach dem ersten
Weltkrieg unter dem Eindruck der Grol3en Sozialisti-
schen Oktoberrevolution gegrundet. Diese Organisa-
tionen blieben lange Zeit auf einer reformistisehen
Plattform stehen, d. h. sic forderten demokratische
Reformen, stellten aber keine grundlegenden Aufgaben.
Nach dem zweiten Weltkrieg, nach dem Sleg der demo-
kratischen Krafte fiber den Faschismus and der Be-
freiung einer Reihe Kolonialvolker hat auth die alge-
rische nationale Bewegung einen groBen Aufschwung
genommen. Im Laufe der letzten 10 Jahre hat unser
Voik, haben vor allem die algerischen Arbeiter viel
gelernt.
Die politischen and sozialen Krafte verteilen sick
folgendermallen: es gibt zwei nationalistische Parteien,
denen nur eingeborene Algerier angehorten, dann gibt
es die Kommunistische Partei Algeriens, der sowohl
eingeborene Algerier als auth Europaer angehoren,
aullerdem gibt es verschiedene franzosische Parteien,
die den entsprechenden Parteien in Frankreich an-
geschlossen sind, vie zum Beispiel die Sozialistische
Partei, die Radikal-Sozialistische Partei u, a. Auf der
Gewerkschaftsebene gibt es den Allgemeinen Algeri-
schen Gewerkschaftsverband, der dem Allgemeinen
Franzosischen Gewerkschaftsverband (CGT) angeschlos-
sen ist. Dort sind die kommunistischen and national-
gesinnten Arbeiter and Werktatigen organisiert. Aufier-
dem gibt es nosh andere Gewerkschaftszentralen, die
sogenannten ?autonomen" Verbande, die Force Ouvriere
and die christlichen Gewerkschaften, die den entspre-
chenden Gewerkschaftszentralen in Frankreich unter-
stehen. Aber salt ungefahr einem Jahr gibt es noch
zwei andere Gewerkschaftszentralen, die von den Natio-
nalisten geleitet werden. Auf dem Lande gibt es den
Allgemeinen Landbund, dem aber hauptsachlich die
Kolonialherren angehoren. Trotz aller groflen Anstren-
gungen der Kommunistischen Partei Algeriens and der
Ubrigen fortschrittlichen Organisationen ist es uns leider
noch nicht gelungen, die algerischen Bauern zu organi-
sieren, veil die entsprechenden Organisationen jedes-
mal durch die GewaltmaBnahmen der franzosischen
Unterdrucker? zerstort 'wurden. Das ist ungefahr die
Verteilung der politischen and sozialen Kraftein Algerien.
Wie schon gesagt, haben sick die Volksmassen im
Laufe der letzten Jahre eine grofie politische and gesell
schaftliche Erfahrung erworben. Im Verlauf der Kampfe
haben sic vor allem die flberzeugung gewonnen, dalI
die Befreiung keinesfalls ohne Kampf and vielleieht
nicht ohne bewaffneten Kampf zu erreichen ist. Unter
diesen Umstanden grundeten rationale Krafte, die sick
von den grolien nationalistischen Parteien getrennt bat-
ten, 'am 1. November 1954 das revolutionare Komitee
.,L'Union et l'Action" and gaben die Parole zum be-
waffneten Aufstand aus. In den folgenden Monaten
hat sick das Komitee in die Nationale Befreiungsfront
umgewandelt. Diese Nationale Befreiungsfront ist keine
Koalition von Parteien, sondern eine individuelle Samm-
lung der nationalen Elemente. So wurde dieser Zu-
sammenschlu6, nationaler Krafte, mit Ausnahme einer
Gruppe der nationalen algerischen Bewegung (Mouve-
ment National Algerien - MNA) im Kampf errungen.
Aber die. Nationale Befreiungsfront hat nicht nur die
ehemaligen Organisationen der Nationalisten, sondern
auth neue Krafte mitgerissen, veil ihre Parolen den
WUnschen der algerischen Volksmassen entspradren. Sic
hat Bauern, Arbeiter, Intellektuelle, Burger and auth
Gemeindefunktionare sowie bestimmte feudaleKrafte
fair den Kampf gewonnen. Der Einflufl, den diese Front
erhalten hat, zeigt sich z. B. darin, dali es im letzten
Sommer zu Studentenbewegungen ham and der All-
gemeine Algerische Studentenverband erklarte: ?Unser
Platz ist nicht mehr im Horsaal, unser Platz 1st auf
dem flachen Lande, unter den algerischen Partisanen."
Und tatsachlich gibt es an den Fakultaten der Univer-
sitat Algier keine Studenten mehr. Auch die Ober-
schuler gaben die Parole aus, die hoheren Schulen and
die Schulen uberhaupt zu boykottieren. Diese Parole
wurde auth befolgt. Der EinfluB der Nationalen Be-
freiungsfront kommt auth in anderen Aktionen, zum
Beispiel in den wiederholten Generalstreiks, zum Aus-
druck.
Es ist klar, daB die Teilnahme der algerischen Frauen
an dem bewaffneten Kampfe des algerischen Volkes
Behr gering ist, nicht nur auf Grund der mohammeda-
nischen Religion, sondern auth auf Grund der Tradi-
tionen Algeriens. Aber die algerische Frau wird in an-
derer Form in den Kampf efnbezogen, um die bewaff-
neten Kampfer zu unterstutzen, z. B. durch Geldsamm-
lungen, Waschestricken and Sammeln von Verband-
stoffen, kurz, durch alles, was in dieser Beziehung fur
die bewaffneten Kampfer des Volkes getan werden
kann. Die Erfahrung zeigt uns auch, dalI sidr der
Kampf ausweitet and dalI die Schranken zwischen Re-
ligion and Tradition and dem wirklichen Leben all-
mahlich von den Frauen in dieser Hinsicht uberwunden
werden.
Seit ihrer GrUndung hat die Nationale Befreiungs-
front die Armee der Nationalen Befreiung aufgebaut.
Das war zuerst eine Armee, die sich aus kleinen Grup-
pen zusammensetzte, die aber heute mit aller Kraft
and mit Erfolg auL dem gesamten algerischen Terri-
lorium operiert. Bei dieser Armee handelt es sich jedoch
keineswegs um eine regulare Armee, vie die fran-
zosische, and sic fUhrt auth keinen Stellungskrieg, son-
dern einen Guerillakrieg, einen Partisanenkrieg.
Es gibt in Algerien keine befreiten Gebiete. Zwar
gibt es Gebiete, wo die Verwaltung der Kolonialisten
Uberhaupt nicht mehr besteht, wo die Organisationen
der Widerstandsbewegung zum Beispiel die Steuerein-
ziehung, Rechtsprechung and die Verwaltung auf an-
deren Gebieten ubernommen haben. Aber ich wieder-
hole, man kann nicht davon sprechen, dalI irgendwo in
Algerien ein vollkommen befreites Gebiet besteht.
Die Kampfer selbst waren zuerst einmal die Bauern,
dann schlossen sick andere soziale Schichten, mittlere
and kleine Handwerker, Geschaftsleute and Arbeiter
unter der Leitung von intellektuellen Kleinburgern
and auth Arbeitern, die in der Vergangenheit in Frank-
reich waren, dem Kampf an. Die unmittelbaren Haupt-
ziele der Nationalen Befreiungsfront entsprechen den-
jenigen der Kommunistischen Partei Algeriens, Die
Forderung nach nationaler Unabhangigkeit, Errichtung
einer demokratischen and sozialen Republik, Durch-
fuhrung einer Bodenreform and Nationalisierung der
Banken and Gruben sind auth die nachsten Ziele der
Kommunistischen Partei Algeriens,
Unsere Kommunistische Partei Algeriens kampft
schon seit zehn Jahren fur eine nationale demokratische
Front des algerischen Volkes. Sic steht heute mitten im
Kampf in alien semen Formen, Aber ich mochte be-
tonen, daB die Partei nicht der Nationalen Befreiungs-
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front angehort. Die Genossen haben vielleicht geglaubt,
daB ich hier die Befreiungsfront reprasentiere. Unsere
Partei gehort nicht der Leitung der Nationalen Be-
freiungsfront an, also kann ich aurh nicht sagen, dali
ich sic hier vertrete. Aber unsere Partei unterstiitzt
sie in vollem Umfang, nicht nur wegen ihrer unmittel-
baren Ziele, sondern weil sic gegen den franzosischen
Imperialismus kampft.
Es 1st klar, dfifl der Kampf unserer Partei in den
Volksmassen selbst tiefe Auswirkungen hervorgerufen
hat. Im August 1951 wurde mit Hilfe aller anderen
nationalen Organisationen die algerische Front fur die
Unabhangigkeit and die Achtung der demokratischen
Freiheit konstituiert. Diese Front bestand einige Mo-
nate, hat sick dann aber im Laufe des Jahres 1952 auf-
gelost. Unsere Partei verfolgte immer die Politik der
nationalen Einheit and rief immer wieder fur Bildung
einer nationalen dcmokratischen Front Algeriens auf.
Es 1st klar, daB die Bildung der Nationalen Befreiungs-
front, vie sic tatsachlich erfolgte, die Auswirkung der
Forderung 1st, die auf Grund unseres Kampfes aus den
breiten Volksmassen hervorging, auch wenn unsere
Partei zur Zeit dieser Front selbst nicht angehort.
Unsere Partei hatte bewaffnete Partisanengruppen
aufgestellt. Aber nach einer Diskussion and in Uber-
einstimmung mit der Leitung der Nationalen Be-
freiungsfront haben wir beschlossen, diese bewaffneten
Gruppen aufzulosen, um ihre Kampfer in die bevaff-
neten Gruppen der Nationalen Befreiungsfront, also in
die algerische Befreiungsarmee einzugliedern. Und in
demselben Geist der Vereinigung kampfen wir fur den
ZusammenschluB der Arbeiterbewegung in einer Ge-
werkschaftszentrale and fur die Einbeziehung der Kom-
munisten in die Nationale Befreiungsfront. Die Leitung
der Nationalen Befreiungsfront sagte uns: ?Lost cure
Kommunistische Partei einfach auf and schlieflt ouch
individuell der Nationalen Befreiungsfront an, wie es
auch andere Parteien getan haben. ` Es ist liar, daB
unsere Partei diesen Vorschlag nicht annahm. Sic bleibt
also bestehen and betreibt ihre Propaganda and Agita-
tion weiter fur die Einbeziehung in die Nationale Be-
freiungsfront unter Berucksirhtigung der organisatori-
scheti and politischen Einheit and Unabhangigkeit der
Partei. Die Teilnahme der Kommunistischen Partei an
der Nationalen Befreiungsfront ist eine Frage des
Kampfes and des Krafteverhaltnisses. In dem Malle,
vie es sick erweist, daB die Kommunisten im Be-
freiungskampf des algerischen Volkes die besten sind,
in dem Mafle, vie ihre Politik tiefer in die Reihen des
Volkes eindringl, 1st es klar, daB wir die Feindselig-
keilen deF nationalistischen Fuhrer uberwinden and die
Teilnahme unserer Partei an der Nationalen Befreiungs-
front erzwingen. Ich mull aber betonen, daB das Ver-
haltnis unserer Partei zur Nationalen Befreiungsfront
schon, jetzt positiv 1st. Das sind die Hauptmerkmale der
nationalen Bewegung.
Ich mochte jetzt einige Worte fiber die Algerier euro-
paischer Herlcunft sagen. Denn es ware nicht richtig,
nur die eingeborenen Algerier sehen zu wollen, die das
Joch der Kolonialherren tragen mussen, wie es auch
unrichtig ware, einfach einen europaischen Block gegen
die Eingeborenen in Algerien zu sehen. Auflerdem gibt
es nur 21 000 Kolonialherren and davon wieder nur
6000 Groflgrundbesitzer, Naturlich gibt es auch in den
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anderen Zweigen der Wirtschaft unseres Landes Aus-
beuter, aber ihre Zahi ist begrenzt. Die europaische
Bevolkerung setzt sick aus Arbeitern, Beamten, Hand-
werkern, Kaufleuten and Freischaffenden zusammen,
die auf keinen Fall als Ausbeuter angesehen werden
konnen. Auflerdem gibt es eine Gruppe Europaer, die
absolut auf der Seite der nationalen algerischen Be-
freiungsbewegung steht. Zunachst einmal die Kommu
nisten europaischer Herlcunft, die entsprechend der
Politik ihrer Partei mitten im Kampf, auch im bewaff-
neten Kampf gegen die franzosischen Imperialisten
stehen. Es gibt aber auch fortschrittliche Christen, die
in der einen oder anderen Form die nationale, Be-
freiungsbewegung der Algerier unterstiitzen. Es gibt
demokratisrhe and liberale Elemente unter den Euro-
paern, die der Meinung sind, daB die Losung des ganzen
Problems in friedlicher Verhandiung and demokratt-
scher Ause!nandersetzung mit den Algeriern liegt.
Man mull naturlich sehen, daB es auch Algerier euro-
paischer Herkunft gibt, die sick auf der Seite der
Kolonialpolitiker befinden and im Gegensatz zur natio-
nalen Befreiungsbewegung stehen. Nach der Auffassung
der kampfenden eingeborenen Algerier sind die Alge-
rier europaiseher Herlcunft etn integrierender Bestand-
teil der algerischen Bevolkerung. Wir sind der Meinung,
daB sic in einem befreiten Algerien die gleichen Rechte
and Pflichten wie die algerischen Burger haben wer-
den. Diejenigen, die dann ihre ursprungliche Staats-
zugehorigkeit bewahren wollen, werden ebenfails in
Algerien frei leben konnen, unter einer Bedingung
allerdings, daB sic die Gesetze des befreiten Algerien
respektieren auf der Grundlage des Fremdenrechtes
Deshalb sind win der klaren and festen Uberzeugung.
daB diese eine Million Algerier europaischer Herkunft
keineswegs ein Hindernis auf dem Wege der Erfullung
der Forderungen des algerischen Volkes sein konnen
Alles das widerlegt die Lugen des Herrn Guy Mollet.
wenn en erzahlt, es handle sick hier um einen religio-
sen Krieg, um religiosen Fanatismus and Panislamismus.
Die Kommunistische Partei Frankreichs nimmt zur
algerischen Frage eine prinzipiell richtige and gerechte
Haltung em, die der franzosischen Arbeiterklasse and
dem franzosischen Volk zur Ehre gereicht. Die Kom-
munistische Partei stout, gerade was die algerische
Frage betrifft, in Frankreich selbst auf grofle Schwierig-
keiten. Die rechtssozialistischen Fiihrer in Frankreich
erzahlen den franzosischen Arbeitern: Verloren wir
Algerien, so bedeute das, daB von fiinf franzosischen
Arbeitern einer arbeitslos wurde and daB die eine
Million Franzosen, die sick heute in Algerien befindet,
hinausgeworfen wurde and in Frankreich Arbeit and
Wohnung bekommen muflte.
Mit dieser Lugenpropaganda iiben sic naturlich Etn-
fluB auf einen Teil der franzosischen Arbeiter aus. Das
erklart die Schwierigkeiten, auf die die Kommunistische
Partei Frankreichs stoat.
Natrirlich fragt sick nach einer solehen Schilderung
der Lage in Algerien jeder, welche Perspektiven der
lcampf des algerischen Volkes hat. Ich mochte sagen,
daB die Widerstandsbewegung Algeriens, ob es sick um
Nationalisten od'er Kommunisten handelt, fur eine fried-
lithe Regelung der Probleme in Algerien eintritt. Wit:
sind fur Verhandlungen mit den Vertretern der fran-
zosischen Regierung. Wir wiinschen, daB die UN uns
hilft, eine Losung in diesem Sinne zu finden, Wir Sind
der Meinung,-daB durch die Anerkennung unserer ge-
rechten nationalen Bestrebungen mit Hilfe der UN
diese friedliche Regelung in den kommenden Monaten
durchaus zu erreichen ist.
Aber uns' rind auch die Intrigen der franzosischen
Regierung im Rahmen der UN bekannt. Wir wissen,
dal/ trotz der neuen Krafte, die sichr jetzt dieser Orga-
nisation angeschlossen haben, die Imperialisten eine be-
herrschende Position im Rahmen der UN bewahren.
Das alles mussen win in Betracht ziehen. Damit rechnen
wir and stiitzen uns vor allem auf unseren eigenen
Kampf. Unser Volk ist sick der Gerechtigkeit seiner
Sache and seiner Kraft bewulit geworden. Bekampften
die Patnioten zu Beginn ihres Widerstandes die fran-
zosischen Kolonialherren unter der Losung: ?Lieber
sterben, als auf Knien liegend leben", so kampfen sic
heute in der Gewillheit ihres baldigen Sieges.
Das 1st der Unlerschted. Das algerische Volk ist uber-
zeugt vom guten Ausgang seines Kampfes, nicht nur,
weil es seine Kraft im Kampf selbst etproben konnte,
sondern well es jetzt von deco Bewulltsein beseelt ist,
in diesem Kampf niche aUein zu stehen. Es well), daB
upgezahlte Krafte an seiner Seite stehen, die Arbeiter-
klasse der ganzen Welt, die sick gegen den ungerechten
Krieg in Algerien erhoben hat. Das algerische Volk
weiB, daB die Brudervolker auf seiner Seite stehen. Das
marokkanische and tunesische Volk, alle diese Volker,
die Bich die Anerkennung ihrer nationalen Unabhangig-
keit erkampft haben, wissen sehr wohl, daB ihre eigene
Unabhangigkeit in Wirklichkeit nicht gesichert 1st, so-
lange das algerische Volk nicht die Unabhangigkeit er-
kampft hat.
Das marokkanische and tunesische Volk unterstutzen
den algerischen Befreiungskampf audi materiel. Es
gibt zum Beispiel in Marokko Lazarette, wo Verletzte
and Verwundete des algerischen Befreiungskampfes
gepflegt werden. Wenn in der nachsten Zeit keine wink-
lick friedliche_Regelung des algerischen Problems ge-
funden wird, so wird es niemandem gelingen, weder
das marokkanische noch das tunesische Volk daran zu
hindern, dem algerischen Volk mit Waffen zu Hilfe zu
kommen.
Das algerische Volk weifl, daB die aktive Solidaritat
aller arabischen Lander, aller asiatischen Volker, die
auf der Bandung-Konferenz vertreten waren; auf seiner
Seite steht. Das algerische Volk weiB sehr wohl, was es
der Welt des Sozialismus schuldig ist; die ihm immer
aktiv and solidarisch zur Seite stand. Wenn heute der
Kampf des algerischen Volkes gegen den franzosischen
Imperialismus so wirkungsvoll 1st, dann nicht zuletzt
dank des Bestehens des sick standig festigenden sozia-
listischen Lagers, an dessen Spitze die grolle, unbesieg-
bare Sowjetunion steht.
Genossinnen and Genossen, ihr habt in curer Deut-
schen Demokratischen Republik das Gluck, diesem sozia-
listischen. Lager anzugehoren. Eure Solidaritat hat un-
serem Volke viel in seinem gerechten Freiheitskampf
geholfen. I6h mochte dieseGelegenheit ergreifen, um euch
den Dank unseres kiimpfenden algerischen Volkes aus-
zusprechen, Win wissen sehr wohl, daB wir mit diesem
Kampf, den win gegen den franzosischen Imperialismus
in Afrika fuhren, auch euch helfen and unterstutzen,
ebenso vie cure Arbeit, cure Erfolge and Fortschritte
fur das kampfende Algenien eine wertvolle Hilfe.und
Unterstutzung bedeuten. Es ist klar, daB solche ungluck-
seligen Ereignisse vie in Ungarn nicht dem algerischen
Volke and den anderen Volkern helfen, die fur ihre natio-
nals Unabhangigkeit kampfen, Diese Ereignisse gaben
den Imperialisten die Moglichkeit, viele Menschen zu
verwirren, Im Gegensatz dazu ist alles, was die sozia-
listischen Lander starkt, ihre Zusammenarbeit enger
gestaltet, alles, was die marxistisch-leninistische Ideo-
logic festigt, fur uns eine wirksame and wertvolle
Hilfe. Wenn man von diesem Gesichtspunkt ausgeht,
1st es klar, dal] uns jeder Werktatige auf seinem Ge-
biet, auf dem er arbeitet and kampft, helfen kann. Ihr
selbst, die ihr an dieser Schule arbeitet, werdet uns
helfen, indem ihr gut lernt, euch gut entwickelt and
auf cure Arbeit vorbereitct, denn ihr seid die Kader
den Pantei, die morgen im Einsatz sind. Deshalb, liebe
Genossinnen and Genossen, mochte ich meinen Vortrag
damit schlieBen, daB ich ouch viele Bute Erfolge wunsche,
von allem, daB euer Vaterland vereint werden moge.
Ich beende meine Ausfuhrungen mit dem Rule: Es lebe
die Freundschaft des algerischen mit dem deutschen
yolk! Es lebe der proletaeisc}ie Internationalismus! Es
lebe der Frieden unter dem Volkern!
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Zur llerausgabe des Lesemaierials Zu einigen Fragen des Parleiaulbaus
(Auszu~je ales 1Verken 1V. I. Leninsj
Werner Tocrno
Das von der Parteihochschule ?Karl Marx" beim ZK
der SED als Manuskript veroffentlichte Lesematerial
ist der Beginn einer Arbeit im Lehrstuhl Parteiaufbau,
um die Kenntnis der Werke W. I. Lenins zu Fragen
des Partelaufbaus zu vertiefen. Wir erachten es zum
besseren Studium dieser Fragen fur notwendig, bis zur
volligen Herausgabe der Werke Len ins durch das In-
stttut fur Marxismus-Leninismus eine Zusammenstel-
lung zu veroffentlichen, der die von 1928 bis 1940 in
deutscher Sprache erschienene Ausgabe der Samtlichen
Werke Lenins zugrunde liegt.
Es gab bereits fruher in der Sowjetunion einen
Sammelband ?Lenin/Stalin zu Fragen des Parteiaufbaus"
und 1958 ist ein Sammelband: Lenin ?QberdenPartei-
aufbau" herausgegeben werden. Diese Ausgabe 1st.um-
fangreicher als unser Lesematerial Sie enthalt auch
Auszuge aus den bekannten Grundwerken Lenins ,,Was
tun?", ?Ein Schritt vorwarts, zwei Schritte zuruck", ?Der
,linke Radikalismus`, die Kinderkrar)kheit im Kommu-
nismus" u. a. und auch eine Reihe Artikel, die uns in
deutscher $prache nicht zuganglich waren.
Wir haben uns in dem Lesematerial jedoch in der
Hauptsache auf die schwer zuganglichen und nicht all-
gemein bekannten Schriften Lenins beschrankt.
Die Lehre von der Partei neuen Typus, die Lenin-
schen Organisationsprinzipien, wurden in der Ver-
gangenheit im wesentlichen nur auf der Grundlage des
Werkes ?Ein Schritt vorwarts, zwei Schritte zuruck"
und des Kurzen Lehrgangs der Geschichte der KPdSU (li)
behandelt. Zu Fragen der Kaderarbeit, der Kritik und
Selbstkr'itik, der Zusammensetzung der Partei, der Kon-
trolle der DurchIuhrung der Beschlusse wurde wghlge-
sagt, daB Lenin solche Normen des Parteilebens ent-
wickelt hat. Sie wurden aber uberwiegend aus dem
Kurzen Lehrgang und den Werken des Genossen Stalin
begrundet. Bereits heute konnen wir jedoch trotz der
nosh immer begrenzten Kenntnis der Werke Lenins
sager, daB die von Lenin entwickelte geschlossene Lehre
von der Partei neuen Typus, von den Organisations-
prinzipien, den Normen des Parteilebens und den Prin-
zipien der Parteifi hrung nicht in einzelnen Schriften
zu linden ist. Dazu mussen wir uns bemuhen, das
Gesamtschaffen Lenins zu erarbeiten Vor allem mussen
wir naturlich solche Werke vie ,;Brief an einen Genos-
sen ...", ,,Was tun?", ?Ein Schritt vorwarts, zwei
Schlitte zuriick", ?Der ,linke Radikalismus', die Kinder-
krankheit im Kommunismus", ?Die nachsten Aufgaben
der Sowjetmacht" u, a. heranziehen.
Lenin hat alle grundlegenden P.rinzipien und Normen
des Parteilebens entwickelt. Das ist auch kein Zufall,
denn Lenin stand an der Spitze der Partei im Kampf
um die Errichtung der Diktatur des Proletariats, im
Kampf auf Leben und Tod gegen die feindliche Inter-
vention und in den ersten und zugleich schwersten
Jahren des Aufbaus der sozialistischen Gesellschafts-
ordnung. Lenin und die Partei der Bolsch'ewiki sind un-
losbar rntteinander verbunden.
Die' Lehren Lenins sind daher verallgemeinerte Er-
fahrungen des tagtaglichen Kampfes bei der Schaffung
der Partei neuen Typus, bei der Durchfuhrung der
GroBen Sozialistischen Oktoberrevolution, bei der Er-
richtung der Diktatur des Proletariats, sind Kampf-
erfahrungen der Partei, die an der Macht ist. Lenin ver-
teidigte den Marx ismus konsequent gegen alle Schattie-
rungen burgerlicher Einfliisse und entwickelte den
Marxismus unter den neuen historischen Bedingungen
schopferisch welter, d? h, er berucksichtigte und ver-
arbeitete standig die Erfahrungen der internationalen
Arbeiterbewegung. Deshalb gehoren die Lehren Lenins
fiber die Partei neuen Typus auch zu den grundlegen-
den Erfahrungen, die ausnahmslos fur jede revolutio-
nare Kampfpartei volle Gultigkeit haben.
Nach dem Tode Lenins wurden auf der Grundlage
des Marxismus-Leninismus, die Normen des Partei-
lebens unter den jeweiligen Bedingungen des Kampfes
durch die KPdSU weiterentwickelt.
Der Schatz der grundlegenden Lehren Lenins, der fur
jede Partei neuen Typus eine unausschopfbare Fund
grube darstellt, wird heute durch die Kommunistischen
und Arbeiterparteien bereichert.
In dem Lesematerial linden wir eine Fiille von Hin-
~veisen zu den Fragen der Notwendigkeit einer marxi-
stischen Partei und ihrer Rolle als bewuBter organi-
sierter Vortrupp der Arbeiterklasse; zu Fragen des
Kampfes um die Einheit und Reinheit der Partei, des
demokratischen Zentralismus, der Disziplin, der Kritik
und Selbstkritik, der Notwendigkeit der Arbeit in den
Massenorganisationen und unter den Massen iber-
haupt; der Organisationsarbeit in der t)bergangsperiode,
des proletarischen Internationalismus und des Ver-
trauens in die unbesiegbare Kraft der Arbeiterklasse.
Beim Stud ium tritt immerwieder der offensive Charak-
ter durch Lenin bei der Darlegung unserer Weltanschau-
ung hervor. Aus der Fulle der Hinweise Lenins mochten
wir nur zwei Fragen herausgreifen, die das Lese-
material durchziehen:
1. Die Notwendigkeit der fuhrenden Rolle der Partei.
2. Die Voraussetzungen fur die Verwirklichung der
fuhrenden Rolle der Partei.
Es werden hier vor allem die Erfahrungen der Partei
nach der Errichtung der Diktatur des Proletariats her-
angezogen, well sie fur uns heute von besonderer Be-
deutung Sind.
I. Die Notwendigkeit der fuhrenden Rolle der Partei
Das 30. Plenum setzte sick mit den verschiedenen
revisionistischen Auffassungen, auseinander, die heute
darauf gerichtet rind, die revolutionare Partei der Ar-
beiterklasse und ihre Rolle als bewul3te Vorhut zu
liquidieren. Besonders gefahrlich sind die Auffassun-
gen einigen: jugoslawischer Genossen, die sick als
Lehinisten ausgeben So erklarte z. B. Kardelj, daB die
-40
fuhrende Rolle d'er Partei im Kampf fur den Sieg des
Sozialismus unvereinbar sei ?? , . mit der tatsachlich
entscheidenden Rolle der Massen der Produzenten , ?
In derselben Richtung laufen die Auffassungen Vuema-
novics, der es fur unzulassig halt, daB die Partei das
soztalistische BewuBtsein uber die Massenorganisationen
in die Arbeiterklasse und die Werktatigen hineintragt.
Aber die ?Erfahrungen der internationalen Arbeiter-
bewegung lehren etwas anderes. Schon vor rund 90 Jah-
ren wurden die Erfahrungen der internationalenArbeiter-
bewegung in den allgemeinen Statuten der Internatio-
nalen Arbeiter-Assoziation verallgemeinerl. Im Arti-
kel 7a, der als Lehre der Pariser Kommune in die
Statuten eingefugt wurde, heiBt es:
,,In seinem Kampfe gegen die vereinigte Macht der
besitzenden Klassen kann das Proletariat nur dann als
Klasse auftreten, wenn es sick selber zu einer beson-
dern politischen Partei konstitutiert, die alien fruheren,
von den besitzenden Klassen gebildeten Parteien gegen-
iibersteht.
Diese Vereinigung des Proletariats zur politischen
Partei ist unentbehrlich, um den Triumph der sozialen
Revolution und ihres letzten Zwecks - die Abschaf-
fung der Klassen - zu sichern."I)
Im Jahre 1913, in einer Zeit, als das Liquidatorentum
cine weit verbreitete Erscheinung war, schrieb Lenin in
clemArtikel ?Konfus gewordeneParteilose": ?Fine Politik
im ernsten Sinne des Wortes konnen nur die Massed
machen, eine parteilose und keiner darken Partei
folgende Masse aber ist eine zersplitterte, nicht klassen-
bewuBte Masse, die keiner Ausdauer fahig ist und zum
Spielzeug geschickter Politikanten wird ..
Die Bedeutung der Partei nach dem Sturz der Bour-
geoisie, nach der Machtergreifung durch die Arbeiter-
klasse wurde von Lenin besonders hock eingeschatzt;
galt es dock jetzt, die aufbauende Rolle der Arbeiter-
klasse,ihre Schopferkeaft beim Aufbau der neuen sozia-
ltstischen Gesellschaft in. den Vordergrund zu rucken.
Neue sozialistische Produktionsverhaltnisse mussen in
Stadt und Land geschaffen werden. Die Erziehung der
Arbeiterklasse als der jetzt herrschenden Klasse und
die Umerziehung vieler Millionen Werktatiger, vor allem
der werktatigen Bauern und ihre t)berfuhrung in die
sozialistische GroBproduktion mussen in Angriff genom-
men werden. Dazu bedarf es aber einer konsequent
revolutionaren Partei der Arbeiterklasse. Nur eine solche
Partei, die mit den Entwicklungsgesetzen der mensch-
lichen Gesellschaft verlraut ist und die Arbeiterbewe-
gung mit dem wissenschaftlichen Sozialismus verbindet,
1st in der Lage, die Arbeiterklasse im Kampf fur die
Verwirklichung ihrer wahren Interessen zu fuhren.
Die Praxis beweist, dali auch heute die Lehre Lenins
von der Partei nach wie vor voile Gultigkeit hat. Auf
dem 2. KongreB der Kommunistischen Internationale
vermittelte Lenin der internationalen Arbeiterbewegung
die Erfahrungen von 3 Jahren Sowjetmacht, die Erfah-
rungen der Partei, die als erste an der Spitze der Ar-
beiterklasse die politische Herrschaft der Arbeiterklasse
errichtete.
I) Mars/Engels, Ausgewihlte Schrlften in zwcl BSnden, Bd. I,
Dletz Verlag, Berlin 1952, S. 362.
^-) Lesemalerlal, S. 119 (W. I Lenin, Samtliche Werke, Bd. XVII,
Verlagsgenossenschafl ausliindlscher Arbelter in der UdSSR,
Moskau-Leningrad 1935).
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
In der auf dcm 2. KongreB angenommenen Resolu-
tion heiBt es: ?Die Arbeiterklasse braucht die Kom-
munistische Partei nicht nur bis zur Eroberung der
Macht und nicht nur uvahrend der Eroberung der Mac it,
sondern auch nachher, wenn die Macht bereits in die
Hande der Arbeiterklasse ubergegangen 1st. Die Ge-
schitte der Kommunistischen Partei Rullands. , . zeigt,
daB die Rolle der Kommunistischen Partei nach der
Eroberung der Mach durch die Arbeiterklasse nicht
nur nicht geringer geworden, sondern im Gegenteil
auBerordentlich gewachsen ist..:`3)
Seitdem sind rund 37 Jahre vergangen. Im Ergebnis
der Zerschlagung der Hitler-Tyrannei durch die Kraft
der Sowjetvolker wurde die Arbeiterklasse zur fuhren-
den Kraft in vielen Landern und es entstand ein
System sozialistischer Staaten.
In dcm Kampf, den heute die imperialistische Bour-
geoisie gegen den Marxismus-Leninismus unter der
Devise: Gegen den ?Stalinismus" fiihrt, wind unter
dem Druck dieses Angriffes, selbst von einigen Kom-
munisten die fuhrende Rolle der Partei verneint. Des-
halb verdient die Resolution des 2. Kongresses der
Kommunistischen Internationale von 1920 gerade heute
cine grundliche Uberlegung. In der Resolution heillt es:
?Die Notwendigkeit einer politisehen Partei des Pro-
letariats fallt erst nach der volligen Beseitigung der
Klassen weg... Die Kommunistische Partei aber wird
erst dann vollstandig in der Arbeiterklasse aufgehen,
wenn der Kommunismus aufhort, ein Kampfobjekt zu
seen, und die gesamte Arbeiterklasse kommunistisch
geworden ist,"') Gemeint ist bier, wenn die Arbeiter-
klasse aller Lander der Erde die Gedanken der Grollen
Sozialistischen Oktoberrevolution und den Aufbau des
Kommunismus zum Siege gefuhrt hat.
Somit konnen heute alle Auffassungen, die den Par-
teigedanken verneinen, alle Auffassungen, die eine
Schwachung der Partei der Arbeiterklasse anstreben,
nur dem internationalen Monopolkapital in die Hande
spielen. Derartige Auffassungen sind Angriffe gegen
die grundlegenden Erfahrungen, die uns die Partei
Lenins vermittelt hat, sind Angriffe auch gegen unsere.
Ar'beiter-und-Bauern-Macht und mussen deshalb gebuh-
rend zurudcgewiesen werden. Das haben uns nicht nut,
unsere eigenen Erfahrungen, sondern auch die Ereig-
nisse in Ungarn gelehrt.
II. Welches sind nun die Voraussetzungen fur die
Verwirklidmng der fuhrenden Rolle der Partei?
1Vic muf /lie Partei aussehen, um ihre historischc Rolle
crfullen zu konnen?
Auch zu dieser Frage finden wir im Lesematerial
zahlreiche wichtige Hinweise. Der Kampf Lenins um
die. Einiieit und Reinheit der Partei spiegelt sick in
diesen Schriften wider. Senn Kampf um die Schaffung
einer Partei neuen Typus und ihre slandige Festigung
war untrennbar verbunden mit dem Kampf um die
Herslellung der Einheit der Ansichten in den Grund-
fragen der marxistischen Weltanschauung, vor allem
3) Lesematerlal, S. 241 (W. I. Lenin, Slimllidm Werke, Bd. XXV,
Verlag? far Llteralur und Politllc, wren-Berlin).
Resolutlonen des 2.'Kongresses der KommunlstlschenInter=
nallonale.
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in der Fra~e der Diktatur des Proletariats. 'Die Einsicht
in die Entwicklungsgesetze der menstlichen Gesell-
schaft verleiht der Partei die Kraft, ihre Rolle als ?be-
ivuBter Vorlrupp zu erfullen. Lenin liee in Fragen der
Weltanschauung nicht die geringste Abweichung zu,
veil jegliche Abweichung von den Grundlagen des
Marxismus einer .Abweichung von den Interessen der
Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit, d, h. von ihren ob-
jektiven Interessen entspricht. Da der Marxismus-Leni-
nismus der wissenschaftliche Ausdruck der objektiven
Interessen der Arbeiterklasse ist, so muB jede Ab-
weichung vom Marxismus, da es nur zwei Ideologien -
die burgerliche and die proletarische Ideologie - gibt,
unweigerlich in das Lager der Bourgeoisie fuhren.
Daraus ergibt sich die Aufgabe der Partei, fur die
Einheit and Reinheit der Parteireihen zu kampfen,
einen unversohnlichen, prinzipiellen Kampf gegen alle
Tendenzen des Revisionismus iu fuhren, um ,,... die
gesamte Arbeiterklasse auf das Niveau ihrer kommu-
nistischen Vorhut emporzuheben" r5) Da die Arbeiter-
klasse in verschiedenen Organisationen, vor allem in
den 'G eiverkscliaften organisiert ist, ist es notwendig,
libel' die Massenorganisationen das sozialistische Be-
wuetsein in die Arbeiterklasse liineinzutragen. Diese
Aufgabe vermag' einzig and allein die marxistisch-
leninistische Partei der Arbeiterklasse zu losen, denn
es gibt nur einen wissenschaftlichen Sozialismus and
nur eine Partei, die Partei des Marxismus-Leninismus,
die these Aufgabe zu erfullen imstande ist. DaB dieser
eindeutige Klassenstandpunkt nicht immer eingenom-
men wird, davon zeugen die revisionistischen Erklarun-
gen von Kardelj and anderen fuhrenden jugoslawischen
Kommunisten, deren Auffassungen auf eine Huldigung
der Spontaneitat hinauslaufen.
Es ist kein Zufall, daB die letzten Tagungen unseies
Zcnlralkomitees die ideolo~ischen Aufgaben in den
Mittelpunkt der Arbeit steflen. Die Grundfragen der
gegenvartigen Periode mussen der Arbeiterklasse and
alien Werktiitigen grundlich erlautert werden. Nur aus
dieser Einheit der Ansichten ergibt sich ern einheit-
liches Handein. Jede Vernachlassigung and Unter-
schatzung der ideologischen Arbeit hilft den Feinden
der Arbeiterklasse.
Naturlich ist die ideologische Einheit and Reinheit
der Parlci nur die eine Seite. ?Die Einheit ist unmog-
lieu ohne Organisation"0), schrieb Lenin 1914.
Wit' wissen, daB Lenin einen hal;tnackigen Kampf
fuhrte, um cine einheitliche, straff organisierte Partei
zu schmieden. In der Resolution des 2. Kongresses del
Kommunistischen Internationale heiBt es: ?Ellen dieser
Klassenkampf ertordert such die Zusammenfassung der
ailgemeinen Fuhrung der verschiedenartigen Formen
der- proletarischen Bewegung (Gewerkschaften, Ge-
nossenschaf ten, Sportorganisationen, Bildungsarbeit,
Wahlen usw:) in einem einzigen Zentrum. Ein solches
allgemeines leitendes Zentrum kann nur eine politische
Partei sein".7)
) Lesematerial, S. 236 (Lenin, S9mtliche tVerke, ebenda).
6) Lesemateriai, S.126 (W. I. Lenin, Siimtllche Werke, Bd. XVII,
Veringsgenossenschnfl ausliindiseher Arbeiten in der UdSSR,
Moskau-Leningrad 1935, Artikel ?Ober die Einheit").
7) Lesemnterlal, S. 237 (W: I. Lenin, Stimtliche Werke, Bd. XXV,
Verlag far Literatur and Politlk,'Wien-Berlin, Resolutionen
des 2. (congresses der Kommunistischen Internationale).
Das leitende Prinzip, nach deco die Partei aufgebaut
werden muB, ist der demokratische Zentralismus. Die-
ses Prinzip besagt, dat) die Partei der Arbeiterklasse
eine straff zentralisierte, auf demokratischer Grundlage
aufgebaute Organisation sein muB, in der cine eiserne,
bewuBte Disziplin herrscht, in der side die Minderheit
der Mehrheit unterordnet. Dieses Prinzip gibt die Mog-
lichkeit einer straff zentralisierten Leitung bei gleich-
zeitiger Verwirklichung des demokratischen Wiihlbar-
keitsplinzips; es ist die Grundlage fur die engste Ver-
bindung mit den Massen and schafft alle Voraussetzun-
gen, um die ideologische Einheit mit der Einheit der
Aktion zu verknupfen.
Der XX. Parteitag der KPdSU and such unsere Partei
fordern in ihren Beschlussen die Einhaltung der Lenin-
schen Normen des Parteilebens, die Entfaltung der
innerparteilichen Demokratie. Das haben einige Mit-
glieder unter dem Druck der burgerlichen Ideologie
falsch aufgefalit and Angriffe gegen den demokratischen
Zentralismus geiichtet.
Wie vereinbaren sich die MaBnahmen zur Entfaltung
der innerparteilichen Demokratie mit der Durchsetzung
des Prinzips des demokratischen Zentralismus?,
In verschiedenen Veroffentlichungen in unserer Presse
zur Auswertung der Parteiwahlen tritt die eine Seile
des demokratischen Zentralismus, das Wahlbarkeils
prinzip in den Vordergrund. Es wind darauf verwiesen,
daB keinerlei Verletzungen der innerparteilichen Demo-
kratie zugelassen werden. Das ist vollkommen richtig.
Manche Leitungen ]haben diese Hinweise der Partei
jedoch nicht richtig verstanden. Die ?Einhaltung der
innerparteilichen Demokratie" geht bei diesen Leitungen
soweit, daB sic sich gar nicht mehr darum kummern
wollten, wer fur die neue Leitung in Frage game. Das
soil die Mitgliederversammlung ?unbeeinfluBl" ent-
scheiden, sagten solche Genossen. Unter Entfaltung der
innerparteilichen Demokratie verstehen einige Genossen
praktisch, apes dem Selbstlauf zu uberlassen. Das heiBt
dock abet', Unorganisiertheit and Unsicherheit zulassen,
so daB solche Bedingungen geschaffen werden, die fur
den Klassenfeind objektiv gunstig sind.
Lenin versteht unter Entfaltung der Demokratie
.,organisierte Selbsttatigkeit'.s) Diese Seite wird in un-
serer praklischen Tatigkeit nosh vielfach aulier acht
gelassen. Die Vernachlassigung des Rechtes der Mit-
glieder ,,... an der Erorterung aller Fragen der Politik
der Partei and ihrer praktischen Arbeit teilzuneh-
men..."?) wird oftmals nicht als Verletzung der inner-
parteilichen Demokratie angesehen. Aber Lenin hat
gerade dieser Seite, der Heranziehung der Mitglieder
an die leitende Parteiarbeit, grofite Aufinerksamkeit bei-
gemessen. Die Verwirklichung dieses Rechts kann man
ebenfalls nicht dem Selbstlauf uberlassen. Die Selbst-
tatigkeitder Mitgliedermue durch die fihrende Tatigkeit
der Parteileitung systematisch organisiert werden.
Wird also die innerparteiliche Demokratie, allseitig
entfaltet, bedeutet das zugleich eine Verstarkung des
Zentralismus, and zwar in dem Sinne, daB die uber
q)? Lesematerial, S.176 (W. I. Lenin, Sdmtliche Werke, Bd. XXIII,
Verlag far fremdsprachige Literatur, Moskau 1940, Referat
Lenins auf dem II. Allrussischen Gewerkschaftskongren 1919.
9) Statut der Sozialistischen Einheltspartet Deutschlands, Ab-
satz 3a, Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 14.
geordneten Leitungen mehr mit den unteren Organi-
sationen, die Grundorganisationen, melii mit den efn
zelnen Mitgliedern arbeiten. Damit werden durch die
Mitarbeit alley Mitglieder die Beschlusse der Partei,
d. h. also die leitenden Weisungen des Zentrums besser
durchgefuhrt, die Einheit der Aktion besser gewahr-
leistet. Lenin forderte, daB die Partei handle tvie cin
Mann. Das ist nichts anderes als die Verwirklichung
des demokratischen Zentralismus in einer revolulio-
naren Kampfpartei, einer Partei, die in sich die Einheit
von Theorie and Praxis verkorpert.
Das soften nur einige Hinweise aus der Fulle des
Gedankenreichtums Lenins zu Fragen des Parteiauf-
baus sein, den uns das Lesematerial bietet.
Wenn wir des Sdhopfers der Partei neuen Typus, des
Genius Lenin an seinem 87. Geburtstag gedenken, der
an der Spitze des ersten Landes stand, von dem das
kapilalistisehe Joch abgeschuttelt wurde, so soften vir
niemals das grandiose Werk aus den Augen verlieren,
das er uns als Vermachtnis, als grundlegende Erfahrun-
gen fur unseren heutigen Kampf hinterlassen hat.
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'I t
L
Zu einigen Problenten der nalionalen and kolonialen Frage
k~
.1
Das heillt snit anderen Worten, dalI die westlichen
Imperialisten heute in Asien nur noch Malaya, Singa-
pur, Nordborneo, Neu-Guinea, Goa and einige andere
als Kolonien besitzen. Das berechtigt zu der Feststel-
lung, dali dem Imperialismus in Asien das Ruckgrat
gebrochen worden ist. Zumal wenn wir daran denken,
daB besonders auch die Volker Malayas einen aktiven,
I) W. I. Lenin, Das Erwachen Asiens, In W. I. Lenin, Samt-
liche Werke, Bd. 19, S. 66, cuss.
Kampf um ihre Freiheit and Unabhangigkeit fuhren
and dali auf Neu-Guinea (West-Irian) Bich der Kampf
gegen die ho115ndischen Kolonisatoren fur die Wieder-
vereinigung mit der Indonesisehen Republik ausbreitet,
Auch in Afrika, der letzten groBen Domane der Im-
perialisten, sind die Volker erwacht. Seit 1945 haben
sich befreit:
Bevolkerung
(Mill,)
Bodenflache
(1000 qkm)
Agypten
22
994
Marokko and Tanger
10
448
Sudan
8,8
2530
Ghana
4,5 ,
203,7
Tunesien
3,2
125
Libyen
1,1
1760
6 Lander
49,9
6060,7
Das heilit trait anderen Worten, dalI sich seit 1945
18 Prozent der Bevolkerung Afrikas mit einem Terrf-
torium von 21 Prozent von der Kolonialherrschaft be-
freit and ihre nationale Unabhangigkeit errungen haben?
Aber dabei mull htnzugefi gt werden, daB, abgesehen
von Nordafrika, der innerafrikanische Kontinent, die
Bevolkerung von Belgisch-Kongo, Tanganjika, Uganda,
Kenia, Nigeria, Rhodesien and der anderen Gebiete,
noch von den imperialistischen Raubern beherrscht
wird. Trozdem konnen wir schlu0folgernd aus den
Kampfen der letzten 10 Jahre - besonders wenn wit,
an Kenia and Rhodesien denken - die Feststellung
treffen, dalI auch in Innerafrika das Ende des Kolonia-
lismus heranreift.
Zusammenfassend kann man also sagen, daB sich
innerhalb von 10 Jahren 20 Lander mit mehr als
1,3 Milliarden Menschen vom kolonialen und halbkolo-
nialen Joch befreiten. Betrug vor Ausbruch des ersten
Weltkrieges die Gesamtfache aller Kolonien and der
wichtigsten Halbkolonien 89,4 Millionen qkm, d. h.
der Erdoberflache and waren 930 Millionen Men-
schen, d. h fast 60 Prozent der Bevolkerung der Erde,
von den Imperialisten kolonial versklavt, so sind es
heute nur noch ungefahr 145Millionen, d.h? 9Prozent and
auch diese kampfen, unterstutzt von den fortschrittlichen
Kraften der Welt, um ihre Befreiung.
Das zeugt davon, dalI die Zeit des Kolonialismus un-
widerruflich vorbef 1st.
Wenn wir von den Perspektiven der Befreiung der
Menschheit vom sozialen and nationalen Joch sprechen,
mussen wir ncuerdings vor allem auch an Afrika
denken. Afrika, der zweitgrollte Kontinent der Erde,
mit semen r'iesigen Bodensch5lzen, sefnen wertvollen
tropischen Kulturen and seiner strategisch wichtigen
Lage wird immer mehr in den Strudel des politischen
Weltgeschehens hineingerissen,
Man hat oft den Eindruck, dalI viele Genossen eine
veraltete Vorstellung von Afrika haben. Afrika _ dann
denkt man zumeist an undurchdringliche Urwv lder, an
Lowen, Elefanten, Zebras, an lendenschurzbekleidele
Neger. Aber wir denken nicht in erster Linie an die
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W. I. Lenins besondere Aufinerksamkeit gall neben
dem Befreiungskampf des Proletariats der nationalen
Befrelungsbewegung der Volker, die er als einen neuen
and unverruckbaren Bestandteil des internntionalen
Kampfes der Werktatigen gegen ihre imperialistischen
Unterdrucker betrachtete,
Lenins Voraussage, daft das Erwachen Asiens and der
Beginn des Kampfes des fortschrittlichen Proletariats
Europas um die Macht die am Anfang des 20. Jahrhun-
derts begoniiene neue Epoche der Weltgeschichte kenn-
?reichne,t) hat sich vollauf bestatigt. Heute existiert ein
sozialistisches Weltsystem von der Elbe bis zum Gelben
Meer, vom Eismeer bis in die Ti-open, an dessen Spitze
die Sowjetunion steht, and eine machtige nationale
Befreiungsbewegung erschuttert das imperialistische
Kolonialsystem in semen Grundlesten.
Der nationale Befreiungskampf der kolonialen and
abh5ngigen Lander wurde besonders wahrend and
nach dem zweiten Weltkrieg auf eine neue, hohere
Stufe gehoben. In Asien sprengten die Volker gleich
Riesen ihre Kezten. Das grotie 600-Millionen-Volk
Chinas befreite sich and baut den Sozialismus auf; das
gleiche geschieht in der Koreanischen Volksrepublik
and in der Demokratischen Republik Vietnam. Frei
and unabhangig sind auch die Volker, Indiens, Indo-
nesiens, Birmas, Ceylons, Pakistans u? a. and audh im
Nahen and Mittleren Osten gibt es heute souverane
Staalen, die nicht mehr ein Spielball imperialistischer
Machte sind.
Im einzelnen haben sich in Asien seit 1945 Iolgende
Liinder ihre nationale Unabhangigkeit erkampft:
Bevolkerung
(Mill,)
Bodenflache
(1000 qkm)
China
600
9900
Indien
380
2950
Indonesien
80
1904
Pakistan
76
946
Burma
8
677
Nordvietnam
13
165
Nordkorea
10
127
Nepal
8,6
140
Ceylon
8
66
Kambodscha
4,1
181
Laos
3
237
Syrien
3,5
181
Jordanien
1,4
96
Libanon
1,4
9
14 Lander
1207,0
17 583
Industrialisierung Afrikas, an die Fabriken and Werke,
an die Kupfei. and Urangruben Rhodesiens, an die
Kobalt- and Zinnminen im Hochland von Katanga, an
die Gold- and Diamantenminen, Kohlenbergwerke and
Eisenhutten der Sudafrikanischen Union, an die Elektri-
zilatswerke am mittleren Sambesi, am Inga and am
Viktoria-See, an die groflen Autostrallen and Eisenbahn-
linien, die Afrika kreuz and quer durchziehen sowie an
die Hafenstadte mit ihren industriellen Einrichtungen.
Das ist aber das wichtigste fur unsere Betrachtungen,
and zwar deshalb, well mit der Industrialisierung die
afrikanische Arbeiterklasse im Entstehen begriffen ist
and dadurch ?zahlenm5llig wachst, Wir sollten uns in
diesem Zusammenhang der Worte Stalins erinnern:
?Der Imperialismus 1st die schamloseste Ausbeutung
and unmenschlichste Unterdrickung der Hunderte von
Millionen ziihlenden Bevolkerung riesiger Kolonien and
abhangiger Lander... Der Imperialismus ist aber ge-
zwungen, in den Landern, die er ausbeutet, Eisen-
bahnen, Fabriken and Werke zu bauen, Industrie- and
Handelszentren anzuleben. Das Aufkommen der, Klasse
der Proletarier, das Entstehen einer einheimischen In-
telligenz, das Erwachen des nationalen Selbstbewulit-
seins, das Erstarken der Befreiungsbewegung - das sind
die unvermeidlichen Folgen dieser ,Politik'."2)
Es 1st schwierig, die zahlenmiiBige Starke and das
Wachslum der Atbeiterklasse Afrikas anzugeben. Aber
an Hand einiger Beispiele konnen wir die Wachstums-
tendenz der afrikanischen Arbeiterklasse dennoch ver-
anschaulichen.
In Nigeria, der grofiten Kolonie Grollbrilanniens in
Afrika, gibt es offlziell gegemvartig 400 000 Lohnarbei-
ter, in Franzosisch-West- and Aquatorialafrika rund
800 000 Lohn- and Gehaltsempfanger; in Belgisch-Kongo
1954 schon 1200 000 Lohnarbeiter; in Nord-Rhodesien
250 000, davon sind rund 45 000 in den Bergwerken be-
schaftigt; in Kenia gibt es 28 000 Gewerkschaftsmitglie-
der?; in den Sudafrikanischen Gold- and Diamanten-
gruben arbeiten etwa 320 000 afrikanische Arbeiter s)
An diesen wenigen Zahlen ist zu ersehen, daB in Afrika
jene Klasse heranwachst, die von der Geschichte aus-
ersehen 1st, die gro0e Triebkraft im Kampf um die
soziale fund nationale Befreiung zu sein, jene Klasse,
die in diesem Kampf die Fuhrung ubernehmen wird.
Aus diesen veralteten Vorstellungen resultiert viel-
fach noch die Unterschatzung des Kampfes der Volker
Afrikas fur die Verbesserung ihren Lebenslage and um
ihre nationale Unabhangigkeit. Und dabei mull man
dock sehen, daB mit der Befreiung des groliten Teils
Asiens (dort leben in den Kolonien nut, noch 16 Mil-
lionen Menschen) die Bedeutung Afrikas als Queue
des Profits, als Lieferant billiger Rohstoffe and als
strategische. Basis unermelilich fair die Imperialisten
gewachsen 1st Denken wir nur daran, daB Afrikas An-
tell an der'Weltproduktion an Diamanten 98 Prozent,
betragt, an Kobalt 80 Prozent, an Hang 75 Prozent, an
Palmol 80 Prozent, an Kakao 63 Prozent, an Gold
57 Prozent, an Phosphaten 28 Prozent, an Chrom and
Mangan 38 Prozent, an Kupfer 26 Prozent, an Kaffee
15 Prozent, an Hirse 23 Prozent, an Antimon 22 Prozent,
2) J. W. Stalin, Werke, Bd. 6, Dietz Verlag 1952, S. 65/66.
1) Siehe: ?Die -Weltgewerkschaftsbewegung", Monatszeitschrift
des WGB, Jahrgang 1956. '
wobei wir hinzufugei mussen, dal3 Afrika erst heute
industriell erschlossen wird and die Ressourcen noch
gar nicht abzuschatzen Sind.
Deshalb 1st aber audh das Erwachen des afrikanischen
Kontinents, der Kampf der, Volker Afrikas um ihre
nationale Freiheit and Unabhangigkeit von so gewal-
tiger historischer Bedeutung.
Ich mochte auf eine Frage zuruckkommen, die der
Generalsekretar der Kommunistischen Partei Algeriens
in seinem Vortrag an unserer Hochschule beriihrte.
Genosse Bouhali erklarte bekanntlich, daft die Kom-
munistische Partei Algeriens nicht an der Leitung der
nationalen Befreiungsbewegung teilnimmt. Die Grunde
wurden uns ausfuhrlich dargelegl.") Aber diese Tatsache
war uns unbekannt. Das beweist, daft wir in der Ver-
gangenheit den Kampf der kolonialen and abhangigen
Lander um ihre nationale Unabhangigkeit ru verein-?
facht and zu schematisch betrachtet and gelehrt haben.
Wir haben die Kompliziertheit and Mannigfaltigkeit
des nalionalen Befreiungskampfes, der vor allem vom
okonomischen and sozialen Entwicklungsstand des Lan-
des, der Starke and Bewulitheit der Arbeiterklasse and
einer Reihe anderer wichtiger Faktoren abhangt, oft
nicht richtig eingeschatzt.
Wir wissen, daft schon die okonomischen and politi-
schen Verhaltnisse der einzelnen kapitalistischen Lan-
der Europas and Amerikas durch das Wirken des Ge-
setzes der UngleichmaBigkeit der okonomischen and
politischen Entwicklung sehr verschieden sind. Fur die
Lander Afrikas and Asiens trifft das in noch viel
groBerem Mahe zu. Infolge des oft jahrhundertelangen
kolonialen Jocks and der ubrigen naturlichen and
gesellschaftlichen Bedingungen sind die sozialen and
okonomischen Verhaltnisse in Afrika and Asien auBer-
ordentlich mannigfaltig. Denken wir z. B. an Indien,
Indonesien, Syrien and andere, Dort hatte die indu-
strielle Entwicklung bereits vor der Befreiung ein be-
stimmtes Niveau erreicht. Es gab eine Arbeiterklasse
and eine organisierte Kommunistische Partei, Hinzu
loam, daB sich das Vorherrschen des auslandischen Kapi-
tals insofern gunstig auf den nationalen Befreiungs-
kampf auswirkte - and das 1st die Dialektik der
geschichtlichen Entwicklung dieses Kampfes -, dalI die
nationale Bourgeoisie durch das Vorherrschen des aus-
landischen Kapitals in ihrer okonomischen and politi-
schen Entfaltung behindert wurde uttd sic dadurch
gegen den Kolonialismus Front machte.
Die Verbindung des nationalen Befreiungskampfes
gegen den Imperialismus mit dem Kampf gegen die
Uberreste feudaler Ausbeutung ermoglicht die Efn-
beziehung der Bauern in diesen Kampf. Und das ist
von groflter Bedeutung, da die ubergrofe Mehrheit der
Bevolkerung? Bauern sind. D'araus ergibt sich, daB die
breitesten Schichten der Bevolkerung an dem natio-
nalen Befreiungskampf teilnehmen and die Arbeiter-
klasse and ihre Avantgarde, die Kommunistische
Partei, in diesem Kampf eine hervorragende Rolle
spielen. Aber die Meisterung der politischen Fuhrung
des nationalen Befreiungskampfes durch die Arbeiter-
klasse and ihre Kommunistische Partei hangt, wie es
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V.
uns Genosse Bouhall am Beispiel Algeriens gezeigt hat,
nosh von einer ganzen Reihe von Faktoren ab.5)
Anders dagegen sieht die Sache aus, wenn wir z. B.
an einige Volker Zentralafrikas oder Asiens denken.
Wir mussen in Betracht ziehen, daft diese Volker auf
einer gesellschaftlich viel tieferen Entwicklungsstufe
stehen als z. B. die Agypter oder Syrier. In einigen Gebie-
ten Zentralafrikas beginnt sich die Industrie erst zu ent-
wickeln, erne nationale Bourgeoisie ist erst im Entstehen
begriffen, das gleiche gilt fur die Arbeiterklasse.Trotz-
dem beginnen aber diese Volker auf Grund des Wirkens
der Widerspruche des Imperialismus, and Weil diese noch
kolonial unterjochten Volker in der heutigen Zeit nicht
isoliert vom weltumspannenden Befreiungskampf leben,
den Kampf gegen die Kolonisatoren zu fuhren. An der
Spitze des Kampfes steht die junge, aufstrebende natio-
nal Bourgeoisie, stehen meist im Ausland erzogene
Intellektuelle, Fiihrer? aus dem Volke, die zum Tell
unter religios verbramten Losungen die Massen im
Befreiungskampf fiihren. Fur uns 1st aber lhlar, daB die
sich entwickelnde Arbeiterklasse Burch die Erfahrungen
ihres Kampfes um die Verbesserung ihrer Lebenslage
and durch den Kampf fur die nationale Unabhangig-
keit ihres Landes rasch lernen wind, sich bewuBt an
die Spitze dieses Kampfes gegen die Kolonisatoren zu
stellen.
Hierbei mochte ich noch eine Frage beruhren, die in
der Vergangenheit an unserer Hochschule nicht immer
richtig behandelt worden ist, namlich die Bedeutung
der politischen Unabhangigteit der ehemals kolonialen
and unabhangigen Lander Asiens and Afrikas fur die
weitere Entfaltung des nationalen Belreiungskampfes.
In einer Lektion des Lehrstuhls Politische Okonomie
des Kapitalismus ?Das imperialistische Kolonialsystem
and sefn Zerfall in der zweiten Etappe der allgemei-
nen Krise des Kapitalismus" wird richtig dargelegt,
daB das Kolonialsystem nicht zu eng aufgefafit and
nicht nur direkt auf die Kolonien bezogen werden
dart. Aber nicht richtig 1st es meiner Meinung nach,
wenn im Verlauf der Behandlung versehiedener? Pro-
bleme herauskommt, daB eine Reihe Volker, die ihre
politische Unabhangigkeit bereits erworben haben (z. B.
Indien,Indonesien, Ceylon u. a) faktisch noch als kolo-
niale and abhangige Lander behandelt werden.
Diese fehlerhafte Darstellung kommt deshalb zu-
stande, well zwei verschiedene Fragen miteinander ver-
wechselt wurden. Namlich erstens die Frage der politi-
schen Befreiung and Selbstbestimmung der Volker and
zweitens die Frage des Grades der okonomischen Un-
abhangigkeit der Lander, die erst vor kurzem ihr kolo
niales Joch abgeschuttelt haben. Selbstverst5ndlich 1st
es richtig, daB this auslandische Kapital noch immer
groBen EinfluB in den genannten Landern besitzt. Aber
die Tatsache, daB die Volker Indiens, Indonesiens, Cey-
lons, des Sudans u. a, ihre politische Unabhangigkeit
errungen haben, bedeutet dock, daB die Volker heute
politisch selbstandig handehi and immer groBeren Efn-
fluB auf das Weltgeschehen ausuben, vie es sich be-
sonders anschaulfch in der UN widerspiegelt. -
Wie wahr these Feststellung 1st, zeigt das Reagieren
der Bourgeoisie auf die Erringung der politischen Un-
abhiingigkeit von Ghana. Im ?Wirtschaftsdienst" des
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Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs, Marz 1957,
steht folgendes: ?Schwarze Nationalisten in ganz Afrika
sehen in Ghana jetzt cin Vorbild, das sie in Liberia
nicht sehen konnten, and zweifellos wird dadurch eine
neue Welle der Bewegung in dem im Aufbruch befind-
lichen Kontinent ausgelost,"
Wir ddrfen dock dabei auch nicht auger acht Lassen,
daft seit dem siegreichen Oktober? 1917 diese Staaten
nicht mehr isoliert dem Weltimperialismus gegeniiber-
stehen, sondern im Gegenteil sich heute bet der Er-
ringung and Festigung der politischen and okonomi-
schen Unabhangigkeit auf die Staaten des sozialisti-
schen Weltsystems stutzen konnen. Es ist also theore-
tiscll and politisch falsch, die politische Unabhangig-
keit zu unterschatzen, well man damit einen gewalti-
gen mobilisierenden Faktor der staatlichen Unabhangig-
keit fur den weiteren Aufschwung der nationalen Be-
freiungsbewegung and fur den Kampf um den Frieden
in der Welt ignoriert.
Die welthistorischen Veranderungen in Asien and
Afrika versuchen die Imperialisten mit der uralten
Ldge von den ?Machenschaften des internationalen
Kommunismus" (Argumentation Pineaus in der UN)
odor mit dem Geschwatz der ?Gefahr sowjetischen Efn-
dringens oder FuBfassens" (Eisenhower uber die Er-
eignisse im Nahen Osten) oder neuerdings von der
Gefahr eines ?asiatischen bzw. afrikanischen Natio-
nalismus" (besonders die grollbourgeoise westdeutsche
Presse) zu verunglimpfen.
Wir Kommunisten wissen, daB diese Ablenkungs-
manover imperialistischer Ideologen bewuBte Falschun-
gen Sind. Denn jeder, der auch nur fliielitig die Geselze
der gesellschafllichen Entwicklung kennt, weiB, daB auf
die Dauer die Versklavung von Millionen Menschen
unmoglich 1st, das unausbleiblich eine nationale Be
freiungsbewegung entstehen muBte and daB das Ende
des Kolonialismus vor der Tiir steht.
Richtig ist allerdings, daB die Kommunisten in cler
Welt den nationalen Befreiungskampf der kolonialen
and halbkolonialen sowie die Befreiung abhangiger
Volker mit groBter Sympathie verfolgen and diesen
Kampf unterstutzen.
Dem Genossen Bouhali wurde von einigen Genossen
die Frage gestellt, ob es wahr sei, dali es in der natio-
nalen arabischen Befreiungsbewegung nationalistische
Tendenzen gibt, Auf diese Frage mochte ich eingehen
and einige Gedanken auBern uber das Problem des
Nationalismus bei den um ihre nationale Unabhangig-
keit kampfenden Volkern Asiens and Afrikas.
Ich mochte davon ausgehen, dali die Klassiker des
Marxismus-Leninismus bekanntlich gelelirt haben, daB
der burgerliche Nationalismus and der proletarische
Internationalismus zwei unversohnlich sich gegenuber-
stehende Losungen sind, die den zwei grolien Klassen-
lagern entsprechen. Aber die Kiassiker haben uns zu-
gleich gelehrt, niemals abstrakt an eine geselLschaft-
liche Erschefnung heranzugehen. Sic haben uns gelehrt,
bei jeder gesellschaftlichen Erscheinung vom Klassen-
standpunkt des Proletariats aus immer die Frage zu
stellen: Welches Ziel, verfolgt diese and jene Bewegung,
in wessen Interesse wird sic durchgefuhrt, and in wel-
chem Mahe entspricht sic den Erfordernissen einer fort-
schrittlichen Entwicklung der Menschheit. Um diese
allgemeingultige These des Marxismus, die fur die Be-
handlung unserer Frage wichtig 1st, zu konkretisieren,
sei zunachst an den nationalen Befreiungskampf in der
Aufstiegsperiode des Kapitalismus erinnert, Damals
war der nationale Befreiungskampf im wesentlichen
ein Kampf gegen das Joch auslandischer Monarchen,
ein Kampf der Volksmassen unter Fuhrung der jungen
aufstrebenden Bourgeoisie gegen das iiberlebte feudal-
absojutistische System. Von diesem Standpunkt aus die
damalige nationale Bewegung betrachtet, ergibt sich,
data sic einen progressiven Inhalt hatte: sic trug zum
Sieg der burgerlichen Ordnung, zur Entwicklung der
biirgerlichen Demokratie and des nationalen Selbst~
bewulitseins der Volker bei, Daher ist es auch ganz
,naturlich, dafi Karl Marx and Friedrich Engels and
ihre Gesinnungsgenossen, die Kommunisten, z. B. den
Kampf der italienischen Patrioten unter Fuhrung Gari-
baldis gegen das Joch der Habsburger Monarchic be-
gruBten and moralisch unterstutzten 6)
In der damaligen Zeit gab es aber auch nationale
Bewegungen, die keinen progressiven Inhalt halten.
Deshalb wandten sich Marx and Engels z, B. gegen die
nationale Bewegung einiger slawischer Nationalitaten,
der Tschechen and Sudslawen, veil diese Bewegungen
damals vom russischen Zarismus and von der oster-
reichischen Monarchic zur Festigung der Reaktion in
Europa benutzt wurden.
Komplizierter wind das Problem der nationalen Frage
mit dem t)bergang des Kapitalismus in seen hochstes
Stadium, den Imperialismus, wo die imperfalistischen
Machte die ]coloniale Expansion im grofien MaBstab be-
treiben and die Welt unter sich aufteilen.
In der Periode des Imperialismus entwickelt sich der
burgerliche Nationalismus zu einer Waffe der Imperia-
listen, die imperialistischen Ideologen gebrauchen den
Nationalismus, um die Unterwerfung, Unterdruckung
and Ausbeutung anderer Volker mit den ?hochsten
Interessen" ihrer Nation (d. h. in Wirklichkeit den
Interessen der Monopolisten and Bankiers) zu recht-
fertigen. Die extremsten Formen des burgerlichen
Nationalismus sind bekanntlidi der Chauvinismus,
Rassismus and Kosmopolitismus.
Aber Lenin hat in diesem Zusammenhang auch flier
'wieder davor gewarnt, das Problem des Nationalismus
abstrakt zu betrachten. In seinem ?Ursprunglichen Ent-
wurf der Thesen zur nationalen and kolonialen Frage
fiir den II. KongreB der Kommunistischen Internatio-
nale" (1920) weist Lenin darauf hin, daB die Kommu-
nistischen Parteien klar unterscheiden mussen ?zwischen
den unterdriickten, abhangigen, nicht gleichberechtigten
and den unterdriickenden,ausbeutenden,vollberechtigten
Nationen, im Gegengewicht zu dem burgerlich-demo-
kratischen Lug and Trug, vermtttels dessen man die
der Epoche des Finanzkapitals and Imperialismus eigene
/coloniale and finanzielle Versklavung der ungeheuren
Mehrheit der Bevolkerung der Erde durch eine geringe
Minderheit der reichsten, vorgeschrittensten kapita-
0) Karl Maize: ?Spree and Minelo" and ?Quid pro Quo";
Friedrich Engels: ?Po and Rhein" and ?Savoyen, Nizza and
der Rhein";
W. I. Lenin: ?Aber Marx' Stellung im italienischen Krieg
von 1859" in: Marx/Engels/Lenin/Stalin ?Zur deutschen
Geschichle", Dietz Verlag, Berlin,
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)istischen Lander zu vertuschen sucht,"7) Und in semen
Aufzeichnungen ?Zur Frage der Nationalitaten oder
der Autonomisierung" (30. and 31. Dezember 1922)
kommt Lenin auf dieses Problem zuruck. Dort heiflt es:
?Ich habe bereits in meinen Schriften uber die nationale
Frage geschrieben, daB es nicht angeht, abstrakt die
r'rage des Nationalismus Lm allgemeinen zu stellen.
Man mull unterscheiden zwischen dem Nationalismus
einer unterdriickenden Nation and dem Nationalismus
einer unterdruckten Nation, zwischen dem Nationalis-
. mus einer grolen Nation and dem Nationalismus einer
kleinen Nation,"s)
Wie bereits erwahnt, vei;suchen die imperialistischen
Ideologen, die grolle, fortschrittliche nationale Bewe-
gung gegen den Kolonialismus and damit gegen den
Imperialismus als ?Nationalismus" zu verunglimpfen.
Aber der Nationalismus der sich vom imperialistischen
Joch befreienden Volker ist heute eine fortschrittliche
Erschefnung, da er sich gegen den Imperialismus richtet
and dem nationaleh Befreiungskampf der unterdruckteri
Volker Asiens and Afrikas machtige Impulse verleiht.
Und wir sollten auch hier wieder an die Worte Lenins
denken: ?Jeder burgerliche Nationalismus einer unter-
druckten Nation hat einen allgemein demokratischen
Inhalt, der sich gegen die Unterdriickung richtet, and
diesen Inhalt unterstutzen wird unbedingt ... `s)
Lenin formuliert also ganz klar, welchen Inhalt wir
unterstutzen - n5mlich nur den allgemein demokra-
tischen.
In diesem Zusammenhang sei ein hervorragender
Vertreter der nationalen Befreiungsbewegung Asiens,
der President Indonesiens, Sukarno, zitiert, der dm
17. Mai 1950 vor dem USA-KongreB die eben zitierten
Worte Lenins faktisch konkretisierle, als er erklarte:
?Fur uns bedeutet Nationalismus die Wiederherstellung
unserer Staaten, den Versuch, unseren Volkern gleiche
Achtung zu sichern; er bedeutet die Entschlossenheit,
unsere Zukunft selbst in die Hand zu nehmen , . .
Begreifen sic das, and sic haben den Schlussel zu vielen
Gesch$hnissen der Nachkriegsgeschichte. Begreifen sic
es nicht, dann konnen keinerlei Uberlegungen, kein
Wortschwall and kein Niagara von Dollars etwas an-
deres als Erbilterung and Enttauschung hervorrufen."
Und der President Agyptens, Gamal Abdel Nasser,
hat den allgemein demokratischen Inhalt des ?asiati-
schen Nationalismus" noch tiefer konkretisiert, als er
am 3. Juli 1950 in einem Interview mit einem Ver-
treter des tschechoslowakischen Rundfunks erklltrte,
daB die agyptische Regierung sich innerpolitisch das
Ziel setzt, eine Schwerindustrie zu schaffen, die land-
wirtschaftliche Produktion zu entwickeln, das National-
einkommen zu erhohen, den Lebensstandard zu heben
and eine kooperierende Gesellschaft zu bilden, die auf
den Prinzipien der Solidaritat and der Gleichberechti-
gung fuBt. Und aulenpolitisch sei die Regierung Agyp-
tens bestrebt, unabhangig zu blefben, eine Einmischung
in die agyptischen Angelegenheiten nicht zuzulassen,an
7) W. I. Lenin, AusgewShite Werke in 12 BSnden, Bd. 10,
Vcrlagsgenossenschaft ausilindischer Arbeiter in der UdSSR,
Moskau 1937, S 225.
$) In ?Einheit", Hett 8(1959, S. 710.
U) W. I. Lenin, Ubcr das Recht der 'Nationen auf Sclbst-
bestimmung, in: W. I. Lenin, Zur nationalen Frage, Dietz
Verlag, Berlin, S. 97. ,. - - -
47
Militarblocks nidlt teilzunehmen and die Freiheil and
den Frieden der Volker zu verteidigen.
Wenn wir zu unserem Ausgangspunkt zuruckkehren,
dann muB festgestellt werden, daB die' um ihre Frei-
heit kiimpfenden Volker Asiens and Afrikas sick fort-
schrittliche, allgemein demokratische Ziele gestellt
haben: Den Kampi gegen den Kolonialismus, den
Kampf fur die vollige nationale Befrelung and Un-
abhangigkeit ihrer Nationen and die Erhaltung des
Friedens. Der Kampf gegen den Kolonialismus, fur die
Erreichung and Fesligung der nationalen Unabhangig-
keit, fur die t)berwindung der wirtschaftlichen Ruck-
standigkeit, gegen die Ober'r'este des Feudalismus so-
wie der Kampf fur die Ver'hinderung von Kriegen -
das ist der ?allgemein demokratische" Inhalt der natio-
nalen Befreiungsbewegung der unterjochten Nationen,
von dem Lenin sprat//. Diese Ziele haben nichts gemein
mit dem Nationalismus der imperialistischen Machte.
Im Gegenteil, der Nationalismus der vom Imperialis-
mus unterjochten bzw, bedrohten Volker richtet sich-
tvie bereits gesagt - gegen den Imperialismus.'?)
Aus diesel' klaren Leninscilen Konzeption ergibt sich
die Politik der sozialistischen Staaten, ergibt sich die
Politik unserer Regierung gegenuber den sich vom
Kolonialismus befreienden Landern Asiens and Afrikas
Unsere Partei lafit sich hierbei von dem Hinweis
Lenins leiten, im Interesse der Weltrevolution ?eine
Politik des engsten Bundnisses mit alien nationalen
and kolonialen Freiheitsbewegungen" zu betreiben.
Hierbei verwies Lenin darauf, daB die Politik eines
sozialistischen Staates nicht nur darauf gerichtet sein
kann, formell den Befreiungskampf and die Gleichheit
der Nationen anzuerkennen, sondern daB diese An-
erkennung den Willen einschliefien muff, dienen Volkern
reale Hilfe zur Entwicklung ihrer Wirtschaft and Kul-
tur zu leisten. ?Wir werden alle Anstrengungen machen,
urn uns den Mongolen, Persern, Indern, Agyptern zu
nahern, uns mit ihnen zu verschmelzen ... Wir wer-
den uns benliihen, diesen ruckstandigen and noch mehr
als wir unterdruckten Volkern nach dem treffenden
Ausdruck der polnischen Sozialdemokraten ?uneigen-
nulzige Kulturhilfe" angedeihen zu lassen, d. h. ihnen
beinl irbergang zur Benutzung von Maschinen, zur Er?-
leichtelung der Arbeit, zur Demokratie and zum Sozia-
lismus zu helfen."11)
Lenin hat dabei den Genossen, die unmittelbar mit
dieser wichtigen Aufgabe betraut sind, den unschi tz-
baren Rat erteilt, sich gegenuber den ehemals national
unierdruckten Volkern auBerst behutsam, feinfiihlig
and aufinerksam zu verhalten. Lenin schrieb, daB die
kleinste Grobheit oder Ungerechtigkeit den kleinen
ehemals unterjochten Nationen gegenuber unentschuld-
10) Anmerkung: Wir dUtfen dehnoch nie auoer acht lassen,
dal] der Nationalismus eine bUrgerliche Ideologie 1st and
er deshalb niemals der Standpunkt des Prolelarlats sein
kann. Ds Proletariat illl3t sich bei der Lt sung der natio-
nalen Frage vom proletarischen Internationalismus leiten.
Stehe besonders: W. I. Lenin, ?Kritische Bemerkungen zur
nattonalen Frage", Dietz Verlag, Berlin 1949, S. 12, 22/23.
r') W. I Lenin, ?Ober eine Karrikalur auf den 11Inii dsmus
and den impelaiistlschen bkonomismus", in: W, I. Lenin,
S imuiche Werke, Bd. SL\, Verlag fUr Literatur and
Politik, Wien-Berlin, S. 278.
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bar sei and deco Kampf gegen den Imperialismus
schweren Schaden zufugt.i")
Lenin hat 'als Oberhaupt der Sowjetregierung Vol?-
biidlich danach gehandelt. Auf seine Initiative hin hat
der junge Sowjetstaat den Volkern der Tiirkei, Afgha-
nistans and des Ilans, die damals alle Krafte anspann-
ten, um ihre staatliche Souveranitat and politische Un-
abhangigkeit zu behaupten, vorbehaltlos Beistand ge=
wahrt,"Nach diesen Leninschen Richtlinien verfahrt die
Sowjetunion and verfahren heute alle sozialistischen
Staaten. Die Lander des sozialistischen Weltsystems-
besonders auch unsere Deutsche Demokratische Repu-
blik - leisten den wirtschaftlidl scnvach entwickelten
Landern Asiens and Afrikas zunehmende Hilfe and
allseitigen? Beistand bei der Erfullung ihrer groBen
Aufgaben, die darin bestehen, sich des lastenden Erbes'
des Kolonialsystems zu entledigen and die jahrhun-
dertealte wirtschaftliche, technische and kulturelle Ruck-
standigkeit zu beseitigen.
Wahrend die sozialistischen Staaten getreu den Lenin-
schen Hinweisen gegenuber den ehemals kolonialen
and abhangigen Landern sowie den nosh um ihre Frei-
heft kampfenden Volkern eine Politik der Freund-
schaft betreiben and ihnen uneigennutzige Hilfe es-
weisen, lassen sich die imperialistischen Staaten in
ihrer Politik davon leiten, das Kolonialsystem aufrecht
zu erhalten bzw. auf raffinierte Weise wiederherzu-
stellen.
Das Schreiben des Standard-Oil-Konigs N A. Rocke-
feller an Eisenhower vom Januar 1950 hat uns einen
Einblick verschafft, wie das amerikanische Monopol-
kapital die ?unterentwickelten Gebiete" unter? die Bot-
mafiigkeit der USA zu bringen hofft. Begunstigt wer-
den diese Bestrebungen des amerikanischen Imperialis-
mus dadurch, daB die USA, abgesehen von Portoriko.
formell keine Kolonien besitzen. Unter Ausnutzung
dieser Tatsache versuchen die amerikanischen Imperia-
listen den Anschein zu erwecken, als sefen die USA
keine Kolonialmachl, als betrieben sic sogar eine anti-
kolonialistische P.olitik.
Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei der
USA, William Z. Foster, hat dazu geschrieben: ?Wenn
viele nicht begreifen, daB die Vereinigten Staaten efrl
imperialistfscles Land sind, so liegt das daran, daB die
USA, juristisch betrachtet; abgesehen von Portoriko, keine
Kolonien haben. Das erklart sich aber dadurch, daB die
Vereinigten Staaten als Nachzugler? auf dem Felde des
Imperialismus erstens feststellen muBten, dali die
nleislen unentwickeiten Lander der Welt bereits von
anderer imperialistischen Machten eingeheimst waren,
and zweitens, daB es angesichts der Entwicklung der
kolonialen Freiheitsbewegung sehr schwer, wenn nicht
unmoglich geworden was, die noch freien unentwickel-
ten Lander direkt in Kolonien zu verwandeln. So tvaren
die Vereinigten Staaten gezwungen, ihr eigenes System
der imperialistischen wirtschaftlichen and politisdlen
Herrschaft zu elitwickeln, ein System, das in Wirklich-'
keit eine wirksamere Beherrschung der Volker gewahr-
12) W I. Lenin, Zur Frage der Nationalit5ten oder der Adtono-
misierung, in:.,Einheit" 811956, S. 712'713.
`;"
leistet, als die alten groberen Methoden des britischen,
franzosischen and niederlandischen Imperialismus."3)
Und Nehru hat dieselben Gedanken am 3. Januar
1933 in einem Brief an seine Tochter folgendermaflen
ausgedriickt:
?Du mulit nicht denken, dali sick das amerikanische
Reich auf die Philippinen besrhrankt. Zwar Sind die
Philippinenli) das einzige kolonial von ihnen abhangfge
Land, aber da sic aus den Erfahrungen and Schwierig-
keiten anderer imperialistischer Lander gelernt haben,
sind die alten Methoden von ihnen verbessert warden.
Sic machen sich nicht erst die Muhe, ein Land zu an-
nektieren, vie das Grolibritannien mit Indien getan
hat. Das einzige, woran sic interessiert sind, 1st Profit,
and daher unternehmen sic Schritte, um die Reich-
turner eines Landes zu kontrollieren. Durch die Kon-
trolle der Reichtumer 1st es aber ziemlich leicht, die
Bevolker'ung eines Landes and das Land selbst in die
Hand zu bekommen. Auf diese Weise beherrschen die
Amerikaner? ohne Schwierigkeit and ohne Zusammen
stoBe mit aggressiv-nationalistischen Kreisen manches
Land and haben teil an semen Schatzen. Diese kunst-
volle Methode wird okonomischer Imperialismus ge
nannt. Der Atlas sagt daruber nichts aus. Ziehst Du
geographische Kenntnisse odes' eine Landkarte zu Rate,
dann mag ein Land frei and unabhangig sein. Liiftest
Du aber den Schleier etwas, so wirst Du feststellen,
daB es sich in den Klauen eines anderen Landes, bes-
ser gesagt in den Klauen der Bankiers and Industrie-
konige eines anderen Landes befindet. Dieses unsicllt-
bare Reich besitzen die Vereinigten Staaten von
Amerika."13)
Dieses? ?unsichtbare" Kolonialismus der USA tritt
gegenwartig besonders aktiv in Erscheinung. Denken
wir dabei nur an die Kredite, an die, Eisenhower-
Doktrin, an die Reise Nixons durch Afrika usw. Die
USA spielen sich zur Tarnung in Worten als Gegner?
des Kolonialismus auf, wobei allerdings die USA in
gewisser? Weise tatsachlich fur die Liquidierung des
Kolonialbesitzes der westeuropaischen Machte sind, aber
selbstverstandlich nicht, um den kolonialen and ab-
hangigen Landern ihre Unabhangigkeit and Freiheit
zu gewahren, sondern um sic auf raffinierteste Weise
erneut zu versklaven, indem an die Stelle des offenen
Kolonialismus westeurop5ischer Pragung der ?unsicht-
bare" Kolonialismus der USA treten soil.
Fiir uns Marxisten war immer klar, daB die fiih-
rende imperialistische Macht - die USA - darauf aus
ist, die Weltherrschaft zu errichten, das kapitalistische
Ausbeutersystem and die politische Abhangigkelt der
Volker, besonders Asiens undAfrikas, aufrechtzuerhalten.
Fur uns ist aber wichtig, die Mittel and Methoden
kennenzulernen, mit denen die USA die Volker einzu-
13) w. Z. Foster, ?Der Wellkapitalismus im Niodergang", Dietz
Verlag, Berlin 1954, S. 48.
1) Die USA waren im Juli 1946 gezwungen, die Unabh9ngig-
keit der Philippinen ?als einzelnen autonomen Staat" zu
gew5hren. Aber die USA haben Privllegien and Rec to
auf den Philippinen, die die Philippinen faktisch zu einer
Kolonie herabwUrdigen.
13) Jawaharlal Nehru, ?woltgeschichtliche Betrachtungen", Pro-
greli-Verlag Johann Fladung GmbH, Dusseldorf 1957,
S. 558/559. Siehe auch: Ber)cht D. T. Schepilows zu Fragen
der internationalen Lage and der sowletlschen Aullen-
politik, In: ?Neue Zeit", Nr 8/1957, Dokumente, S. 13.
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fangen versuchen. Wir entsinnen uns, daB bis var kurzem
der strategische Plan der USA darin bestand, uber die
Schaffung von asiatisch-afrikanischen Militarblodcs efn
neues, umfassendes Kolonialsystem zu errichten. Der
erste Schritt besland in der 1954 gesehaffenen SEATO.
Den USA gelang es tatsachlich, Pakistan, Thailand and
die Philippinen in diesen Militarblock einzubeziehen.
Dadurch war es den USA moglich, in diesen Ltindern
Militarstiitzpunkte zu errichten, Waffen zu liefern, usw.
Das war aber nicht alles. Diese Lander begannen jetzt
auf Grund der Vertragsverpflichtungen, die Militarisie-
rung des Landes durchzufuhren. Welche Ausmafie das
angenommen hat, zeigen die Ausgaben fur die Auf-
riistungen: Pakistan verbraucht etwa 50 Prozent, Thai-
land 40 Prozent des' Haushaltes. Es versteht sich, daB
diese industriell schwach entwickelten Lander diese
finanzielle Last nicht zu tragen vermogen and in im-
mer groBere wirtschaftliche and politische Abhangig-
keit von den USA geraten. Das ist aber gerade die
Absicht, die Methode des USA-Imperialismus, um auf
diese Weise den asiatischen and afrikanischen Volkern
neuc koloniale Fesseln anzulegen.l6)
In diesem Zusammenhang ist das Eingestandnis
Rockefellers interessant, daB diese Art kolonialistiseher
Politik der USA in Asien ein Fiasko erlitten hat. -
?Wir sollen unsere Augen nicht der Tatsache verschlie-
Ben, daB militarische Bundnisse gerade jetzt infolge der
aktiven auBenpolitischen Offensive der Russen immer?
unpopularer werden. Wir mussen der Tatsache ins Auge
sehen, daB Wahrend der vergangenen zwei oder drei
Jahre die Politik des Aufbaus militarischer Bundnisse
ernste Ruckschlage erlitten hat. Die SEATO mag als
Beispiel dienen. Die wichtigsten asiatischen Lander
haben es abgelehnt, ihr beizutreten." Das gleiche kon-
statiert er vom Bagdadpakt. Ms Hauptgrund fur dieses
Fiasko sieht Rockefeller die Tatsache an, daB ?die Kon-
zeption der Gewalt zu nackt gezeigt wurde". Wir fiigen
hinzu, and das 1st die Hauptursache, daB die Volker
Asiens and Afrikas die kolonialistische Politik der USA
erkannt haben and gegen diese Politik der USA kamp-
fen, da diese Volker frei and unabhangig bleiben wollen.
Rockefeller bleibt aber bei dieser Feststellung nicht
stehen, sondern entwiekelt in diesem vertraulichen
Schreiben ein politisches Programm, wie durch andere
Methoden - nicht ?in einer so plumpen Form", son-
dern ?vorsichtig and geduldig" - der strategische Plan
durch Schaffung von Militarbundnissen das ?unsicht-
bare" Kolonialreich der USA zu errichten, dennoch er-
reicht werden 'kann. Rockefeller sehreibt: ?Wir mussen
mit den Malnahmen, die die Schaffung and Festigung
unserer Militarbiindnisse zum Ziel haben, fortfahren,
denn diese Bundnisse, moglicherweise nutzlich, iym
irgendeine kommunistische Aggression abzuwehren and
nationalistischen Ausbriichen vorzubeugen, festigen un-
sere gesamte Position in Asien and im Mittleren Osten.
Wir sollten die wichtige Tatsache nicht auBer acht
lassen, daB praktisch unser gesamter Naturkautschuk,
Magnesium, Chrom and Zinn sowie ein wesentlicher?
Tell unseres Zinks, Kupfers and Ols and ein Drittel
oder mehr des Bleis and des Aluminiums, das wir
brauchen, von tYbersee kommt and daruber hinaus,
16) Siehe: N. S. Chruschtschow, Rechenschaftsbericht des ZK
der KPdSU an den R%, Parte)tag, Dietz Verlag, Berlin 1956,
S. 26-28.
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daB es vor allem aus den unterentwickelten Gebieten
Afrikas and Asiens kommt, die in der Sphare des
einen oder anderen der von den USA errichteten Militar-
biindnisse liegen. Dies trifft auch auf den Hauptteil
unseres ?Superstrategischen Materials" (vor allem Uran-
erz) zu, Um diese BiindnIsse zu festigen and wenn
moglich zu erweitern, mussen wir ein Programm der
wirtschaftltchen Entwicklung aufstellen, das weit genug
geht, um uns in Asien, Afrika and anderen unter-
entwickelten Gebieten einen politischen and militari-
schen EinfluB zu sichern, der so groB ist oder grofjer
als der, den uns der Marshallpi'an in Europa verschafft,
Darum mut3 der Hauptanteil unserer wirtschaftlichen
Zuteilungen an unterentwirkelte Lander durch Kanale
flieBen, die errichtet wurden, um unseren Militarbund-
nissen zu dienen. Dies sollte dazu beitragen, die Bund-
nisse selbst anziehender zu machen."
Das heiBt, daB die USA iiber? die Gewahrung von
?Wirtschaftshilfe", d. h, dutch die Gewahrung von Kre-
cliten, die Militarpakte schmackhaft machen wollen, um
die betreffenden Lander unter ihre Kontrolle zu brin-
gen.11) Wir wsssen, daB die USA diese Politik nicht
nur gegeniiber den asiatisehen fund afrikanisehen Vol-
kern amvenden, sondern heute sogar Landern wie Jugo-
slawien and neuerdings auch Volkspolen ?Hilfe" ge-
wahren wollen.
Interessant ist, daB der deutsche Imperialismus auf
ahnliche Weise vie der USA-Imperialismus vorgeht.
Die Bundesrepublik besitzt keine kolonialen Gebiete
and das elleichtert den deutschen Monopolisten das
wirtschaftliche Eindringen in die Interessenspharen des
englisch-franzosischen Imperialismus, Denken wir z. B.
an die am 20. Miirz 1957 in Ram gebildete kleineuro-
paische Zollunion. Im Zentrum der Abmachungen von
Rom steht die Frage der Kolonialpartnerschaft der
Bundesrepublik.18) Die Abmachungen sehen vor, daft
die franzosischen Oberseegebiete der Zollunion an-
gegliedert werden, wodurch es den Partnerlandern ge-
stattet ist, das uneingeschrankte Niederlassungsrecht in
Anspruch zu nehmen. Dafiir? verpflichteten sick die
Zollunionspartner,im Vetlaufe von 5 Jahren der fran-
zosischen Regierung fur die ?Erschliellung" der t)ber-
seegebiete 500 Millionen Dollar zur Verfugung zu stel-
len. Die Bundesrepublik allein zahlt rund 200.Millionen
1 Dollar. Diese finanziellen Mittel, die die Bundesrepu-
blik den franzosischen Imperialisten fur deren Kolonial-
herrschaft zur Verfugung stellt, werden direkt oder in-?
direkt gegen den Freiheitskampf des algerischen Volkes
lend aller anderen unterdruckten Volker eingesetzt. Das
hei6t, dalI sick die deutschen Imperialisten ? bereits
heute wieder offiziell in die Kolonialpolttik eingeschal-
tat haben, dali die Bundesrepublik ?Kolonialmacht ge-
worden" ist, wie es in der westdeutschen ?Welt am
Sonntag" vom 31. Marz 1957 zu' lesen ist, oder, noch an-
ders ausgedruckt, daB sick die deutschen Imperialisten
dadurch jetzt faktisch direkt am Kampf gegen die um
ihre nationale Unabhangigkeit, kampfenden kolonialen
17) Siehe: D. T. Schepllow, Bede nut dem X.Y. Parteitag der
KPdSU, In: Dlskusstonsreden auf dem XX. Parteltag der
KPdSU, Dlelz Verlag, 'Berlin 1956, S. 45.
18) Siehe; Referat des Genossen Waldeck Roctet, Milglied des
PolitbUros des ZK der KPF, auf dem Plenum des ZK der
KPF, In: Aus der internallonalen Arbelterbewegung;
Nr. 5/1957, S. 1314.
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and abhangigen Lander beteiligen.18) Auf der anderen
Seile ist es etn bemerkenswertes Eingestandnis, daB
der franzosische Imperialismus allein gar nidht mehr
imstande ist, den nationalen Freiheitskampf der von
ihm unterjochten Volker Herr zu werden. Das zeigt
aber, vie richtig es 1st, wenn Nasser schon vor einiger
Zeit von einem ?westeur'opiiischen kollektiven Kolonia-
lismus" sprach. An dieser Stelle muB auch erwahnt
wcrden, daB die USA auch bei diesen Planen ihre
Hande im Spiel haben. Auf der 30. Tagung des ZK der
SED wurde bekanntlich festgestellt, daB der USA-
Imperialismus infolge seiner starken Kapitalbeteiligung
an westdeutschen and anderen westeuropaischen Indu-
strien ?einen Teil seiner wirtschaftlichen Expansions-
plane in Europa, im Mittleren Osten and Asien mit den
Handen des deutschen Finanzkapitals durchfuhrt."?)
Aber trotz dieser an der Oberflache erscheinenden
Verfechtung gemeinsamer Interessen der imperialisti-,
when Machte treten die imperialistischen Gegensatze
immer krasser in Erscheinung. Nehmen wir den Nahen
and Mittleren Osten: Auf der einen Seite versprechen
die USA Frankreich and England jedwede I?Iilf'
bei der Erhaltung ihrer Positionen in diesem okono-
misch and strategisch wichtigen Raum. Auf der an-
deren Seite aber unterminieren die USA systematisch
das Prestige Englands and Frankreichs, um ihl?en Platz
im ganzen Nahen and Mittleren Osten einzunehmen.
Genosse Schepilow charakterisierte diese Tatsache
vie folgt: ?Besondere Scharfe and Gespanntheit hat
der Kampf zwischen den USA and England lm Nahen
and Mittleren Osten angenommen. In den Nachktiegs-
jahren haben die USA England in diese/? Zone seiner
wichtigsten Olpositionen beraubt, So entfielen 1937 auf
die USA nur etwa 13 Prozent der Erdolgewinnung im
Nahen Osten, auf England iiber? 80 Prozent. Jetzt hat
sick das vollkommen geanderl: Im Jahre 1956 kon-
trollielten die USA fast 60 Prozent der nahostlichen
Olgewinnung, England aber etwa ein Drittel. Der Nahe
Osten ist zum Schauplatz eines angespannten Kampfes
zwischen den beiden alten, geschwachten Kolonial-
reichen - England and Frankreich - and dem neuen,
starkeren amerikanischen Reich geworden. Naturlich
sind sich die USA, England and Frankreich einig in
ihrem Bestreben, die Bewegung der arabischen Volker
fur nationale Freiheit and Uhabhangigkeit zu untel?-
drucken. Aber die USA wollen dieses Ziel auf eine
Weise erreichen, die sic schlieBlich zum Herren allet?
Erdolquellen and strategischen Aufmarschgebiete dieses
Raumes machen soll."21)
Dabei sei daran erinnert, daB die USA bei der Ver-
folgung derartiger Ziele bereits Erfahrungen gesammelt
haben. Denken wir daran, daB die USA Frankreich 1946
in den schmutzigen Krieg in Indochina trieben; ohne
sick selbst aktiv zu beteiligen, Als die Franzosen aus
Indochina hinausgeworfen wulden, traten die USA in
Sudvietnam an ihre Stelle. Dem Wesen nach wieder-
19) Siehe: ,, rkl5rung des' Aullenmtnlsterlums der DDR fiber
den Neokolonlalismus Wcstdeulsctlands", in: ?Neues
Deutschland" vom 11. April 1957.
m) Walter t lbricht, Grundtragen der Politik der Sozialistischen
Elnhettspartet Deutschlands, Dlelz Verlag, Berlin 1957, 5.17.
21) D. T. Schepllow, Zu Fragen der Internationalen Lage 'und
der sowjetischen Auf3enpolitik, In. Neue Zelt 8/1957, Doku-
mente, S. 12.
holte sick dasselbe in Iran, wo die herrschenden Kreise
derUSA,an die Stelle der englischen and hollandischen
Monopolisten getreten sind and faktisch die gesamte
Ausbeute and den Absatz des Erdols kontrollieren. Das
gleiche wiederholt Bich jetzt mit deco Bagdadpakt, wo
durch den Beitritt der USA ?England auf eine eigene
Politik im Nahen Osten praktisch verzichtet and Eng-
land automatisch von den USA beaufsichtigt wind",
vie es in der Zeitung des deutschen Monopolkapitals
?Der Volkswlrt" am 30. Marz 1957 formuliert lvurde.
Aber wir ddrfen auch eine andere wichtige Seite
nicht auflerhalb unserer? Betrachtungen Lassen, namlich
die Absicht der USA, mit nackter kolonialistischer Blu-
talitat den Kamp! der arabischen Volker um ihre natio-
nale Unabhangigkeit and Freiheit zu ersticten, Darin
haben die USA ebenfalls groBe Erfahrungen, wenn wir
besonders an Guatemala denken, Die ?Eisenhower-
Doktrin" cnthalt im Kern diese\Drohung an die arabi-
schen Volker and Israel, ?diesem amerikanischen agent
provocateur im Nahen Osten", ist dabei eine besondere
Rollerugedatht,22) Aber, wie Genosse Schepilow sagt,
Sind die Zetten einer ungestraften Vergewaltigung
des Freiheitswillens der Volker endgultig vorbei. ?Das
Kolonialsystem ist grundlich erschuttert, es bricht zu-
sammen unter den machtvollen Schlagen des groBen
nationalen Befreiungskampfes der Volksmassen. Nut'
wer sick muBigen Traumereien hingibt, kann meinen,
wenn Im Nahen Osten die Stunde des Kolonialsystems
Englands and Frankreichs geschlagen habe, sei die Zeit
fur die Errichtung des Kolonialsystems der Vereinigten
Staaten von Amerika gekommen. Die Imperialisten
vergessen, dalI es auf der Welt, namentlich auch tnh
Nah- and Mittelostraum, die Haupttriebkraft det?
Geschichte gibt. Und diese Haupttriebkraft 1st Seine
Majestdt das Volk."a)
22) Aus dem Berirht des Polilbttros nut der 3t. Tagung des
ZK, Berlchlerstntter, Genosse Fred Oelfner, ?Neues
Deutschland" vom 29. Mltrz 1957, S. 3.
23) D. T. Scheptlow,'Zu Fragen der internationalen Lage and
der sowJet)schen Aufenpolitik. Ebenda, S. 13.
,51
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Die Erlahrungen der Pariser Kommune and einige Fragen der marxislisdl-
leninisiisdlen Theorie vom Staat and der Dikiaiur des Proletariats'
Einige krilisdlo QomerkunGen zu don Auliassungon des GBfOSSBf Kardolj in tier SlaatsiraGe
,lam
Ilelmul hlrizci'
Am 18. Marz jahrte sick wiederum der Tag, ?hn dem
im Jahre 1871 die Arbeiterrevolution von der Stadt
Paris Besitz ergriff. Zwei Monate and zehn Tage wehte
uber Paris die rote Fahnp desr?evolutionaren Proletariats.
Wenn wir heute anlaBlich dieses Tages uber einige
Grundprobleme unserer Theorie vom Staat and der
Diktatur des Proletariats sprechen wollen, so lassen
wir uns von der grofien Bedeutung der Erfahrungen
der Kommune fur die Entwicklung der Lehre des
Marxismus-Leninismus vom Staat and der Diktatur
des Proletariats leiten. Gerade heute angesichts der
neuen, grofien Welle der Reaktion gegen den Kommu-
nismus, ihrer Versuche, von sozialreformistischer?, von
kleinburgerlicher Position.nus die Grundprinzipien des
Marxismus-Leninismus, insbesondere seine Lehre von
der Dilctatur des' Proletariats zu revidieren, ist es
notwendig, diese Lehren gegen alle Versuehe der Revi-
sion zu verteidigen. Wir lassen uns schlieBlich davon
leiten, dat) das Versiandnis der Lehren, die Marx and
Engels aus der Kommune zogen and die Lenin unter
den neuen Bedingungen des Klassenkampfes weiter-
fuhrte, die im Sowjetstaat ihre glanzende Verwirk-
lichung fanden, uns helfen werden, die Richtigkeit, die
mareistisch-leninistische Fundierung der Politik unserer
Partei besser and tiefer zu verstehen.
Wir? kennen die Mangel and Fehler der I{ommune,
clie Bedeutung des Fehlens eines? revolutionaren Partei,
die Inkonsequenz der Kommune gegeniiber dem Klassen-
feind and dergleichen. Aber all das mindert nicht im
geringsten ihre grofle Bedeutung fur das internationale
Proletariat, fur die revolutionare Arbeiterbewegung,
?Denn die Kommune kampfte nicht fur irgendeine
lokale oder eng nationale Aufgabe, sondern fur die Be-
freiung der gesamten werktatigen Menschheit, aller
Erniedrigten and Geachteten."2)
Die Pariser Kommune war der erste Versuch der
sozialistischen Revolution and der Errichtung seiner
revolutionaren Diktatur durch das Proletariat. ?Die
Kommune hat das europaische Proletariat gelehrt, die
Aufgaben der sozialistischen Revolution konkret- zu
stellen."3)
Vom ersten Tage ihres Bestehens an zeigte die revo-
)utionare Bewegung in Paris klar ihren Klassencharak-
ter. Die Kommune, in der fast nur Arbeiter oder an-
erkannte Arbeitervertr?eter sallen, faBte Beschliisse mit
eind.eutig proletar?ischem Charakter, sie erliel3 sic im
Interesse der Arbeiterklasse and teilweise trugen ihre
MaBnahmen einen tief'in die alte Gesellschaftsordnung
einschneidenden Charakter. Die Kommune beseitigte
das System der alten stehenden Armee and der Kon-
1) Aus einem Referat vor dem Lehrstuhl Dlalektischer and
historischer Maleriallsmus an der Partethochschule ?Karl
Marx" anlaalich der Wloderkehr des Jahrestages der Pariser
Kommune am 10. Marz.
2) \V. I. Lenin, Dem Andenken der Kommune, in: W. I. Lenin,
tlber die Pariser Kommune, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 12,
3) W. I. Lenin, Die Lehre der Kommune, ebenda, S. 15.
skription and schuf eine Nationalgarde, der alle waffen-
fahigen Burger angehiiren sollten. Sic cruet) em Dekret
uber die Verhaftung von Geiseln aus den Reihen der?
Bourgeoisie, das allerdings nicht durchgefuhrt wurde.
Sic traf entschiedene Maanahmen gegen den Chauvinis-
mus, im Namen des Internationalismus. Etndeutig
zeigte sick ihr Klassencharakter in ihren sozialen Mati-
nahmen im Interesse der Werktatigen, insbesondere an
dem wichtigsten Dekret der Kommune uber die Er-
fassung alley von den Kapitalisten stillgelegten Fabriken
and die Ausarbeitung von Planen fur die Inbetrieb-
nahme dieser Fabrikeu durch die in ihnen beschaftigten
Arbeiter selbst and uber ihre Vereinigung zu einem
groflen Verband.
Als proletarische Revolution war die Pariser? Kommune
der erste Versuch des revolutionaren Proletariats, die
alte, burgerliche Staatsmaschine zu vernichten and die
Diktatur des Proletariats zu errichten. AI's echte prole-
tarische Massenbewegung bereicherte sic die Theorie
des Marxismus vom Staat and der Diktatur des Prole-
tariats um ihre revolutionaren Erfahrungen, die ersten
Erfahrungen der proletarischen Revolution and der?
Diktatur des Proletariats. Sic bestatigte durch ihre
revolutionare Praxis nicht nur die Richtigkeit aller bis
dahin aufgestellten Hauptthesen der marxistischen
Staatstheorie, sondern lieferte auch konkretes Material
zur Begrundung neuer Thesen.
Was waren die wichtigsten Lehren der Kommune in
bezug auf den Staat and die Diktatur des Proletariats?
Die Pariser Kommune war die erste praktische Be-
statigung dafur, dat) die Theorie von der revolutionaren
Diktatur des Proletariats zur revolutionaren praktischen
Wirklichkeit werden kann.
Die Pariser Kommune war die Bestatigung and
praktische Begrundung derSchluBfolgerung des Marxis-
mus von der? Notwendigkeit der Zerschlagung des alten
Staatsapparates.
Die Pariser Kommune gab trotz der nur kurzen Zeit-
dauer ihrer Existenz wichtige Hinweise fur die Beant-
wortung der Frage, wodurch der alte Staatsapparat er-
setzt werden muB.
Die Pariser Kommune war ein neuer Typ des Staates
and bildete zugleich diesem Typus entsprechende staat-
liche Formen - wenn auch nur in den Ansatzen -
heraus. ,Die Grundmerkmale dieses Typus Sind: 1. Quelle
der Macht 1st nicht das vorher vom Parlament beratene
and beschlossene Gesetz, sondern die direkte, von unten
kommende Initiative der Volksmassen im Lande, die
direkte ,Machtergretfung', um diesen landlaufigen Aus-
druck zu gebrauchen; 2. Ersetzung von Polizei and
Armee, als vom Volke getrennte and dem Volke ent-
gegengestellte Institutionen, durch die direkte Be-
waffnung des gesamten Volkes; die Staatsordnung wird
bei einer solchen Macht von den bewaffneten Arbeitern
and Bauern selbst, yam bewaffneten Volke selbst ge-
schutzt; 3 ebenso wird die Beamtenschaft, die Biiro-
52
".-^^.a~cce;.;uz.?sr:.a.,:emr~?xt.+x.e.;s+wra - - -- -
kratie; entweder durch die unmiltelbare Herrschaft des
Volkes selbst ersetzt oder zumindest unter besondere
Kontrolle gestellt; die Beamten verwandeln sick in nicht
nur wahlbare, sondern auch auf die erste Forderung
des Volkes hin absetzbare Personen, ihre Rolle wird auf
die von- einfachen Bevollmachtigten reduziert: aus einer
privilegierten Schicht mit hoher, bourgeoiser Bezahiung
ihrer ,Piistchen' verwandeln ste sick in Arbeiter einer
besonderen ,Waffengattung', denen Entlohnung nicht
hoher ist als der ubliche Lohn eines qualitizierten
Arbeiters.
Darin and nur darin besteht das Wesen der Pariser
Kommune als eines besonderen Staatstypus." i)
Wenn im folgenden, ausgehend von den Lehren der
Kommune and ihrer Analyse durch die Klassikec, auf
einige Fragen unserer Staatstheorie naher eingegangen
werden soil, ist es zugleich notwendig, einige Versuche zu-
ruckzuweisen, diese Lehren zu entstellen oder sic in An-
spruch zu nehmen, um revisionistisehe, dem Marxismus-
Leninismus widersprechende Auffassungen zu begrunden.
I. Die Notwendigkeit der Zerschlagung der alten burger-
lichen Staatsmaschine in der proletarischen Revolution -
ctn unabdingbarcr Bestandteil der Lehrc von der
Diktalur des Proletariats
Die Zerschlagung, die Vernichlung des burgerlichen
Machtapparates in der? proletarischen Revolution and
die Staffung eines neuen, proletarischen Machtappara-
les ist ein unabdingbarer? Bestandteil der proletarisclen
Revolution and der? Ercichtung der Dilctatur des Prole-
tariats.
Die Pariser Kommune war der erste Versuch der
revolutionaren Arbeiterbewegung, den reaktionaren,
burokratisch-militaristischen Apparat des burgerlichen
Staates zu vernichten and auf semen Trummern einen
neuen, sozialistischen Staatsapparat zu ercichten. Die
Kommune war der erste Versuch, der erste Nacnveis
der Richtigkeit jener These von Marx, die ihre un-
widerlegbare Bestatigung durch die revolutionare Praxis
der Oktoberrevolution and der Sowjetmacht Land.
Die Pariser Kommunarden muBten von Anfang an
erkennen, dat) die Macht der Arbeiterklasse nicht zu
behaupten ist, wenn der gegen die Arbeiterklasse ge-
richtete Unterdruckungsapparat der Bourgeoisie welter
bestehren bleibt, wenn er nicht beseitigt and zer?schlagen
wird. Ihn einfach ,,in Besitz zu nehmen", mit ihm fort-
zuwirtschaften,erwies Bich in der revolutionaren Praxis
der Kommune als eine gefahcliche Utopie.
Trotz der nut kurzen Zeit ihrer Existenz and trotz
dcr so uberaus schwecen Bedingungen, unter denen sic
den Kampf fiihren muBte, hat bekanntlich die Pariser
Kommune - wenn auch in erheblichem MaBe spontan
and nicht entschlossen genug - eine gewaltige Arbeit
bei.? der Vernichtung der alten burgerlichen Staats-
maschine and der Schaffung neuer, revolutionarer
Machtorgane geleistet. Marx analysierte sehr genau,
wie die Kommunarden an die Losung dieser Aufgaben
gingen, wie sic Polizei, Beamtenapparat and andere
Institutionen der burgerlichen Slaatsmacht beseitigten.
Ini ?Burgerkrieg in Frankreich" schreibt cc: ?Das
50X1 -HUM
stehende Heer and die Polizei, die Werkzeuge der
materiellen Macht der alten Regierung, einmal be-
seitigt, ging die Kommune sofort darauf aus, das geist-
lir11e Unterdruckungswerkzeug, die Pfaffenmacht, zu
brechen ... Die Pfaffen wurden in die Stille des
Privatlebens zuruckgesandt, um dart nach dem Bilde
ihrer Vorganger, der Apostel, sick von den Almosen
der Glaubigen zu nahr?en ... Samtliche Unterrichts-
anstalten wurden dem Volk unentgeltlich geoffnet and
gleichzeitig von aller Einmischung des Staats and der
Kirche gereinigt ... Die richterlichen Beamten ver-
loren jene scheinbare Unabhangigkeit, die nur dazu
gedient hatte, ihre Unterwurfigkeit unter alle aufein-
anderiolgenden Regier?ungen zu verdecken ... Wiealle
iibrigen Sffentlichen ?Diener? sollten sic fernerhin ge-
wahit, verantwortlich and absetzbar sein."5)
Bekanntlich kam Marx bereits durch das Studium der
Erfahrungen der revolutionaren Kampfe in Frankreich
and Deutschland in den Jahren 1848-1851 zu derSchlua-
folgerung von der? revolutionaren Zerschlagung der bur-
gerlichen Staatsmaschine. Wir kennen seine Worte, mit
denen er diese Folgerung zum ersten Male in seinem
,18. Brumaire" zog: ?Alle Umwalzungen vervollkomm-
neten diese Maschine statt sic zu beechen ?6) Die Pariser
Kommune hat sic folgerichtig bestatigt. Noch in den
Tagen der Kommune, im April 1871, schrieb Marx an
Kugelmann: ?Wenn Du das letzte Kapitel meines ,Acht-
zehnten Brumaire' nachsiehst, wirst Du linden, daB ich
als nachsten Versuch der franzi sischen Revolution an-
spreche, nicht mehr vie bisher die burokratisch-mili-
tarische Maschinerie aus eines Hand in die andre zu
iibertragen, sondern sic zu zerbrechen, and dies ist die
Vorbedingung jeder wirklichen Volksrevolution auf dem
Kontinent. Dies 1st auch der Versuch unsrer heroischen
Pariser Parteigenossen."7)
Wie kam Marx zu dieser Folgerung? Im ?Biirger-
krieg in Frankreich" faflt Marx seine Gedanken dazu
sehr pragnant nosh einmal zusammen 8) Er analysiert
hies die Entwicklung des burgerlichen Staatsapparats
in Frankreich von der franzosischen Revolution des
18. Jahrhunderts bis zum zweiten Kaiserreich. Er zeigt,
vie die zentralisierte burgerliche Staatsmaschine mit
all ihren Organen and Institutionen, aus der Zeit der
absoluten Monarchic herstammend, der gerade erst ent-
stehenden Bourgeoisgesellschaft gegen den Feudalismus
diente, wie mit der Entwicklung der burgerlichen?Revo-
lution and ihres Staats dieser Apparat im Dienst der
Bourgeoisie immer mehr vervollkommnet wurde and vor
allem, vie im Verlauf der kapitaliistischen Entwicklung
and dec Zuspitzung des Klassenkampfes zwischen Bour-
geoisie and Proletariat der Unterdriickungscharakter?
dieser Staatsmaschine oftener and immer oftener her-
vortrat, sein volkslleindliches Wesen immer klarer wurde.
Zugleich entwickelten sick besonders seine gegen das
Volk gerichteten Institutionen, entwickelte sich der
Burokratismus and Militarismus des burgerlichen
) K. Marx, Dec Bargerkrieg in Frankreich, Dietz Verlag,
Berlin 1952, S. 70/71.
6) K. Marx, Der achtzehnte Brumalre des Louis Bonaparte,
Marx/Engels, Ausgewdhltc Schriilen in zwei Banden,. Bd. 1,
Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 307.
7) K Marx, Bricfe an Kugclmann, Dietz Verlag, Berlin 1952,
5. 129.
6) Vgl. K. Marx, Der Btlrgcrkrieg in Frankreich, Dietz Ver-
lag, Berlin 1952, S. 65-99,
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Staates. So wurde dieser Apparat zu einem immer
brutaleren Instrument zur Knechtung der Lohnarbeit
durch das Kapital. Darin bestand seine Hauptaufgabe,
davon wurde seine gesamte Struktur und Arbeitsweise
bestimmt und darauf seine Kader?, seine Otfiziere, Gen-
darmen, Beamten und Richter gedrilit.
Dieser burokratisch-mllttaristische Apparat wurde
zum Haupthindernis fiir? die Entwicklung der Gesell-
schaft, fiir die Durchsetzung der Demokratie fiir die
Arbeiterklasse und alle Werktatigen. Einen solchen
Apparat zu ubernehmen, ihn fiir die semen Aufgaben
gerade entgegengesetzten Ziele des Proletariats ,,in
Gang zu setzen", ist. absolut unmoglich. Ein Abgehen
von dieser These, die Lenin die Hauptlehre des Marxis-
mus von den Aufgaben des Proletariats gegenuber dem
burgerlichen Staat nannte,s) ihr Anzweifeln, muf3 zur
Entstehung oder Forderung schadlicher Illusionen in
der Arbeiterklasse aber den burgerlichen Staat und in
der praktlschen Politik zu einer reformistischen Position
fuhren. Das hat in der internationalen Arbeiterbewe-
gung die'Haltung der rechten Fuhrer der sozialistischen
Parteien der kapitalistischen Lander hinreichend be-
wiesen. Aber auch einer der Fuhrer der jugoslawischen
Kommunisten, der? Genosse Kardelj, vertr?at vor dem
Parteiaktiv der norwegischen Arbeiterpartei in Oslo
1954 eine solche Position. Kardelj fiihr?te dort aus: ?Der
westeuropaische Sozialismus geht einen anderen Weg.
Er hat sick darauf eingeslellt, die politischen und wirl-
schaftlichen Positionen der Arbeiterklasse, d, h, des
Sozialismus, durch den bestehenden Mechanismus der
klassischen bi rgerlichen Demokratie allmahlich, auf
evolutionarem Wege, zu fordern." Und ohne sich damit
auseinanclerzusetzen, fahrt Kardelj inn Gegenteil fort'
?Indessen unterliegt es im grotien und ganzen dock
keinem Zweifel, dali fiir eine ganze Reihe von Landern
tier evolutionare Weg zum Sozialismus durch den politi-
schen Mechanismus der klassischen europaischen burger-
lichen Demokratie nicht nur moglich ist, sondern viel-
mehr zur Tatsadre wird," Was bedeutet das aber an-
ders als Aner?kennung des sogenannten ?demokratischen
Sozialismus" - im konkreten Fall des sogenannten
?skandinavischen Wegs" - und Abgehen von der
Staatskonzeption des Marxismus-Leninismus auf eine
sozial-reformistische Position.
Hat sich vielleicht etwas geandert in bezug auf den
burgerlichen Staatsapparat, seit Marx diese These auf-
stellte? Ja, es hat sich etwas geandert. Der Kapitalis-
mus hat sich zum Imperialismus entwickelt, er hat sein
letztes, erzreaktionar?es, verfaulendes Stadium erreicht.
Auf dieser Grundlage haben sich auch Veranderungen
in bezug auf den burgerlichen Staatsapparat ergeben.
Dieser Apparat verwandelt sich in. den Hauptlandern
des Kapitals' aus einem - Instrument der gesamten
Bourgt oisie in ein Instrument dcr herrschenden Schicht
des Finanzkapitals; die Monopole ordnen sich diesen
Apparat unter, Mit der fur die Periode des Imperia-
lismus charakteristischen zunehmenden Verscharfung
des Klassenkampfes wird dieser burokratisch-militarj-
stische Apparat immer mehr aufgeblaht und greift
zu immer raffinierteren urid brutaleren Methoden zur
Niederhaltung der revolutionaren Volksbewegung gegen
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den Imperialismus. In ?Staat und Revolution" hebt
Lenin hervor: ?Insbesondere aber weist der Imperialis-
mus ... eine ungewohnliche Starkung der Staats-
maschinerie auf, ein unerhortes Anwachsen ihres Be-
amten- und Militarapparates in Verbindung mit einer
Verstarkung der RepressionsmaBregeln gegen das Pro-
letariat sowohl in den monarchistischen als auch in den
freiesten, republikanischen Landern." 10)
Das gilt fiir alle entwickelten kapitalislisrhen Lander,
auch dort, wo die Arbeiterklasse unter Fuhrung der
marxistisch-leninistischen Par?tei an der Spitze einer
breiten Volksbewegung steht und die Umwandlung
dieses Staates in ein faschistisches Terrorregime des
Finanzkapitals verhindert, tvie z. B, in Italien. Aber
haben sich dadurch die Bedingungen verandert, von
denen ausgehend Marx die These von der Notwendig-
keit der revolutionaren Zerschlagung der bUrgerlichen
Staatsmaschine begrundet? Nein, im Gegenteil, Dieser
Staatsapparat ist und bleibt ein Ausbeuterapparat, ein
Apparat des Finanzkapitals gegen das Volk. Folglich
mull er zerschlagen, vernichtet werden.
Fassen wir diese Probleme kurz zusammen, die uns
die Frage beantworten, warum die Arbeiterklasse die-
sen Apparat zerschlagen mull, so ergibt sick vor? allem
folgendes:
Dieser Apparat kann von dcr? Arbeiterklasse nicht
ubernommen, sondern mull zerschlagen werden, well
er ein Ausbeuterapparat ist, gesrhaffen und entwickelt,
um die Volksmassen, das Proletariat und seine Ver-
burideten niederzuhalten, Das Wesentliche ist also die
Klassenfrage, das Klassenwesen dieses Apparates. Dar-
aus ergibt sich, dali dieser? Apparat gegen das Volk
tatig wind, sein ganzer Aufbau dem angepallt 1st, seine
Struktur und Arbeitsweise nur darauf gerichtet sind
und seine Kader fur diesen Zweck ausgewahlt, erzogen
und eingesetzt werden. Charakteristisch fur diesen
Apparat 1st die Entwicklung des Burokratismus und
Militarismus in grollem Ausmall,
?Das Proletariat kann sich des ,Staatsapparals' nicht
,bemachtigen', ihn nicht ,in Gang setzen' Es kann abet'
alles zerschlagen, was am alten Staatsapparat der tinter-
druckung dient, was verknochert, unverbesserlich-
burgerlich ist, und an dessen Stelle semen cigenen,
neuen Apparat setzen."r1)
Bekanntltch ist die Begrundung der absoluten Richtig-
keit dieser These des Marxismus-Leninismus im vorigen
Jahr wieder? besonders aktuell geworden,
Nach dem XX, Parteitag der KPdSU wurde mehr?-
fach die Frage aufgeworfen, vie diese These des
Marxismus-Leninismus aber die Notwendigkeit der?
Zerschlagung des bUrgerlichen Staatsapparates in Ein-
klang zu bringen 1st mit der Moglichkeit der Aus-
nutzung des Parlaments fur den Ubergang zum Sozialis-
mus. Auf dieses Problem soil deshalb hier nosh ein-
gegangen werden, ohne allerdings dabei die vielfalti-
gen, mit der? Ausnutzung des Parlaments fur den Ober-
gang zum Sozialismus verbundenen Fragen untersuchen
zu wollen? Auf sic soil nur insoweit eingegangen wei?-
d en, als es erforderlich scheint, um nachzuweisen, dal/
19) Ebenda, S. 191.
l~) Vgl. W. L Lenin, Staal 'und Revolution, in: w. I.' Lenin,
11) w. I. Lenin, werden die BoISChewiki die Slaatsmadit be-
Ausgew.jhite werke in zwei Bdndcn, Bd. 11, Dietz Verlag,
hauplen?, in: Lenin/Stalin, Das Jahr 1917, Ausgew lhlte
Berlin 1952, 5. 195.
werke, Dietz Verlag, Berlin 1949, S. 591.
54
die marxistische Auffassung von der Notwendigkeit der?
Zerschlagung des alten Ausbeuterstaatsapparates der
Bourgeoisie in drr sozialistischen Revolution auch dann
voll und ganz richtig bleibt, wenn die Revolution auf
dem Wege der Ausnutzung des Parlaments vor sick geht.
Der XX, Parteitag der KPdSU analysierte sehr ein-
gehend die gewaltigen Veranderungen in der Welt zu-
gunsten des Sozialismus. Er vies nach, dal/ sick fiir
den Kampf der revolutionaren Arbeilerbewegung fiir
den Ubergang zum Sozialismus neue Perspektiven el?-
offnen und unter bestimmten Bedingungen in einer
Reihe von Landern die Moglichkeit einer friedlichen
Entwicklung der sozialistischen Revolution entsteht.
Man, mull jedoch betonen, dal/ es sick dabei um einen
revolutionaren Prozell handelt. Ob friedlich Oder nicht
friedlich, der Ubergang zum Sozialismus bleibt eine
proletarische Revolution. Darin unterscheiden sick unsere
Auffassungen nach vie von grundlegend von denen
der Opportunisten und, auch von Kardeljs Apffassung
vom evolutionaren Weg zum Soziallsmus fiber den
Mechanismus der bi rgerlichen Demokratie. Auch wenn
wir heute in einer Reihe von Landern die Moglichkeit
sehen, bei einem solchen friedlichen Ubergang zum
Sozialismus das Parlament auszunutzen und wir von
einem parlamentarischen Weg des Ubergangs zum So-
zialismus sprechen, so meinen wir damit eine Revolu-
tion, eine proletarische Revolution, die unter Ausnut-
zung des Parlaments vor sich geht, in der das Parla-
ment von der Arbeiterklasse ausgeni tzt wird, um die
Bourgeoisie zu entmachten und die Diktatur des Pro-
letariats zu errirhten.
Die Moglichkeit einer solchen friedlichen Entwick-
lung der Revolution schlie(lt auch in keiner Weise die
Gewaltanwendung gegen die Bourgeoisie, durch die
Arbeiterklasse aus.
Auf dem XX. Parteitag wurde bei der Begrundung
der Moglichkeit eines friedlichen Ubergangs zum So-
zialismus und der Moglichkeit, dabei das Parlament
auszunutzen, die alte These des Marxismus-Leninismus
hervorgehoben, dal/ die Gewaltanwendung des Prole-
tariats gegen die Bourgeoisie nicht so sehr vom Pro-
letariat .abhangt als vielmehr vom Widerstand der
Bourgeoisie, von deren Gewaltanwendung. Daraus folgt
jedoch nicht, dal/ das Proletariat bei einem friedlichen
Ubergang zum Sozialismus auf jede'Gewaltanwendung
verzichten kann. Auf dem XX. Parteitag wurde gleich-
zeitig an das erinnert, was Marx, Engels und Lenin
immen wieder? betont haben, dal/ die Bourgeoisie ihre
Macht nicht freiwillig ablritt. Es ware eine klein-
burgelliche Utopie zu glauben, dal/ die Bourgeoisie auf
jeden Widerstand verzichten wurde. Worum es hier
geht, das sind der Grad und die Formen des Wider-
standes der Bourgeoisie, folglich auth der Grad und
die Formen der Gewaltanwendung durch das Proletariat.
Dort, wo die Bourgeoisie ernsthaften Widerstand leistet,
bewaffneteKrafte gegen die Volksmassen einsetzen kann,
ist eine aulierste Zuspitzung des Klassenkampfes unver-
meidlich, mull such das Proletariat zum bewaffneten
Kampf, zum Sturz der Bourgeoisie mit Waffengewalt
greifen. Anders ist es dolt, wo die Bourgeoisie nicht in
der 'Lage ist, gegen ihren Sturz bewaffneten Widerstand
zu leisten Dort ist eine friedliche Entwicklung der Revo-
lution moglich. Aber das ist aurh ein revolutionarer
Kamp!,' 1st Gewaltanwendung des Proletariats gegen
die Bourgeoisie, dock in anderen Formen. Daraus folgt,
dal/ die Arbeiterklasse auch bei Ausnutzung des Parla-
ments fiir den Ubergang des Sozialismus nicht auf ge-
wisse Formen der revolutionaren Gewalt verzichten
kann, wenn dieser Weg auch nicht mit den scharfsten
Formen der gewaltsamen Auseinandersetzung, dem be-
waffneten Aufstand und dem Burgerkrieg verbunden ist.
Unter welchen Bedingungen erscheint nun heute die
Moglichkeit eines solchen Ubergangs zum Sozialismus
'unter Ausnutzung des Parlaments zulassig?
Dabei sind in erster Linie zu berucksichtigen die
Veranderungen im internationalen Krafteverhaltnis zu-
gunslen des Sozialismus, die Entstehung und EntwIck-
lung des sozialistischen Weltsystems unter Fuhrung der
Sowjetunion und seine gewaltige Ausstrahlung auf die
Arbeiterklasse und alle Werktatigen in der ganzen
Welt, der Einfluli der sozialistischen Ideen auf die
Arbeiter, die Bauern und die Intelligenz in den kapita-
listischen Landern. Gleichzeitig entstanden in einer
Reihe kapitalistischer Lander die okonomischen und
politischen Voraussetzungen und damit die reale Mog-
liclrkeit, die Mehrheit der Beviilkerung um die Arbeiter-
klasse zusammenzuschliellen. Auf dieser Grundlage
bietet sirh die Moglichkeit, eine stabile, revolutlonare
Parlamentsmehrheit zu erringen und das Parlament zu
grundlegenden sozialen Umgestaltungen auszunutzen,
Eine solche Moglichkeit entsteht jedoch nur im Kampf,
nun in Landern, wo es der herrschenden Klasse nicht
moglich ist, der Erringung einer solchen Parlaments-
mehrheit und der Ausnutzung des Parlaments im Inter-
esse der Revolution, im Interesse des Volkes ernst-
haf ten Widerstand entgegenzusetzen. In Landern je-
doch, ?in denen der Kapitalismus nodr stark 1st, wo
sich in semen Handen ein gewaltiger Militar- und
Polizeiapparat befindet, 1st ein ernsthafter Widerstand
der reaktionaren Krafte unvermeidlich",12)
Dort, wo das Finanzkapital bereits weit auf dem
Weg der Faschisierung fortgeschritten ist, wo die legalen
Moglichkeiten des Kampfes fur die Arbeiterklasse und
ihre Partei beseitigt oder fast beseitigt wurden, das
Parlament beseitigt oder zu einem blollen Anhangsel
des binokratischen Machtapparates mit der reaktiona-
ren Regierung an der Spitze degradiert wurde, 1st ein
solcher friedlicher Ubergang zum Sozialismus unter
Ausnutzung des Parlaments nicht gegeben. So ist gegen- I
wartig in Westdeutschland unter den Bedingungen des
Adenauer-Regimes, der politischen und okonomischen
Hernschaft der Imperialisten und der Zugehorigkeit
Westdeutschlands zur NATO, bei Verbot der Partei
der Arbeiterklasse, der Unmoglichkeit demokratischer
Wahlen, auch angesichts der sowohl faktischen als auch
juristischen Abhangigkeit des Bundestages von der
immer mehr von faschistischen Kraften durchsetzten
burokratischen Exekutive die Moglichkeit eines solchen
Ubergangs zum Sozialismus nicht gegeben.
Hier geht es um den Kampf gegen den Imperialis-
mus und seine Politik der Militarisierung und Faschi-
sierung. Das heilit, dort, wo einerseits die Bourgeoisie
aber einen starken Staatsapparat verfugt - stark nicht
nur hinsichtlich der Zahl der Soldaten und Gendar-
12) N. S. Chrusrhtschow, Rechenschattsbericht des ZK der
XPdSU an den XX., Parleilag, Dietz Verlag, Berlin 1959, S. 97.
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men, sondern hinslcltlich der tatsachliehen Moglich-
keit der herrschenden Klassenkrafte, ihn gegen das
Volk einzusetzen - and andererseits die Volksmassen
in ihrem Kampf geschwacht sind, die Arbeiterklasse
gespalten, die demokratischen Krafte zersplittert sind,
1st ein solcher Weg zum Sozialismus niclit gangbar. Die
Moglichkeit dazu entsteht jedoch, wenn es der Arbeiter-
klasse gelingt, an der Spitze einer breiten Volksbewe-
gung der Faschisierung Einhalt zu gebieten and die
MonopolbourgeoisIe zu isolieren. Dort, wo es moglidh
ist, im Kampf gegen den Imperialismus, gegen die Be-
drohung der Lebensinteressen der Arbeiter and aller
Werktatigen, im Kampf um die Sicherung des Friedens
and die nationale Unabhangigkeit, im Kampf gegen
die Faschisierung and um die,Erhaltung der demokra-
tischen Rechte and Freiheiten die Einheit derArbeiter-
klasse herzustellen and die breitesten Massen der
Werktatigen um die Arbeiterklasse zusammenzuschlie-
lien, entsteht die Moglichkeit, bei den Wahlen, gestutzt
auf diese breite Massenbewegung, bei Beseitigung un-
demokratischer Wahlgesetze, bei Verhinderung der Ver-
falschung des Wahlerwillens usw. zu einer Parlaments-
mehrheit zu kommen and das Parlament in ein Instru-
ment des Volkswillens zu verwandeln. Aber es hielie
unbegrundete and schadlidhe Illusionen erwecken, wenn
man glaubt, daB damit die Frage der Macht bereits
entschieden sea.
Es genugt niclit, ein demokratisches Wahlgesetz zu er-
kiimpfen and die Zusammensetzung des Parlaments zu
verandern, um die Bourgeoisie politisch zu entmachten.
Es gent um eine stabile and revolutionare Parla-
mentsmehrheit. Nur wenn diese Mehrheit im Par-
lament von diner marxistisch-leninistischen Partei ge-
fuhrt wind, 1st eine Ausnutzung des Parlaments fur
die Entwicklung der Revolution moglich. Die Erfahrun-
gen der internationalen Arbeiterbewegung, niclit zu-
letzt die Erfahrungen der Arbeiterklasse mit opportu-
nistisch orientierten sozialdemokratischen Parlaments-
mehrheiten and Regierungen haben uns gelehrt, daft
nur die marxistisch-letinistisdhe Partei der Arbeiter-
klasse imstande ist, wenn sic den opportunistischen
Elementen, die mit der Bourgeoisie paktieren, eine Ab-
fuhr erteilt, sic isoliert, die Arbeiterklasse and die
werktatigen Massen zusammenzuschliel3en, die klein-
burgerlichen Schwankungen der Masse der Werktatigen
zu uberwinden and die Arbeiterklasse zur Errichtung
ihrer Diktatur zu fuhren. Ohne politische Fuhrung
durch die marxistisch-leninistisdhe Partei derArbeiter-
klasse, ohne Kampf gegen den Opportunismus 1st die
Diktatur des Proletariats nicht zu verwirklichen, Das
1st auch eine der wichtigsten Lehren der Pariser Kom-
mune. Denn das Fehlen einer revolutionaren Partei
war bekanntlich eine der Ursachen ihrer Niederlage.
Nur die marxistisch-leninistische Fi hrung einer revo-
lutionaren, linksorientierten Parlamentsmehrheit er-
moglicht die Verwandlung des Parlaments in ein Organ
des Volkswillens, die Ausnutzung des Parlaments zur
politischen Entmachtung der Bourgeoisie and zur Ver
wirklichung sozialistischer Mal3nahmen. Und hier zeigt
sich notwendig, dali das Parlament 'ausgenutzt werden
muff zur Zerschlagung des burgerlichen Staatsappara-
tes. Lenin lehrt uns:
?Die Vertretungskorperschaflen, and dabei auch die
,fortscrittlichsten', sind verurteilt, papierne Korper-
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schaften zu bleiben, solange die in ihnen vertretenen
Klassen niclit die wirklidhe Staatsgewalt besitzen."13)
Mit der Erringung ihrer Parlamentsmehrheit besitzt
die Arbeiterklasse nosh niclit die politisehe Macht. So-
lange die Bourgeoisie nosh uber den Staatsapparat ver-
fiigt oder uber entscheidende Positionen in ihm, be-
sitzt sic sowohl noch starke materielle als auch wit-
tige Mittel der ideologischen Beeinflussung des gesell-
schaftlichen Lebens. Deshalb ware es auch beim Ober-
gang zum Sozialismus unter Ausnutzung des Parla-
ments eine Illusion zu glauben, die Bourgeoisie wurde
auf ihre Moglichkeiten zum Widerstand, die ihr gerado
auch der Apparat, solange er nicht zerschlagen ist, bei
Entstehung einer revolutionaren Arbeitermehrheit im
Parlament nosh bietet, einfach verzichten. Deshalb
mull Ausnutzen des Parlaments im Interesse der Revo-
lution in erster? Linie bedeuten, Ausnutzen des Parla-
ments zur Zerschlagung des burgerlichen Staatsappara-
tes and zur Schaffung des neuen Machtapparates, der
der Arbeiterklasse zur Verwirklichung ihrer Diktatur
dient. Auch wenn man sick rein theoretisth einen
solehen Widerstand der Bourgeoisie ausgeschaltet denkt,
was praktisch eine Illusion ware, wurde Bich dieser
Apparat aus den bereits oben angefuhrten Grunden ais
unfahig erweisen, den Zielen der Diktatur des Proleta-
riats zu dinnen. Unter? alien Umstanden ergibt sich also
auch unter? den Bedingungen der Ausnutzung des Par-
laments beim Ubergang zum Sozialismus unbedingt die
Notwendigkeit der Zerschlagung des burgerlichen and
der Schaffung eines neuen, proletarischen Macht-
apparates.
Im Kampf um die Zerschlagung des burgerlichen
Staatsapparates and die Losung anderer? Aufgaben der
sozialistischen Revolution hurt das Parlament mit einer
revolutionaren, von der marxistisch-leninistischen Partei
gefuhrten Arbeitermehrheit auf, ein Organ, ein Bestand-
teil des burgerlichen Staatsapparates zu scin Es ver-
wandelt sick in diesem Kampf in ein Organ der pro-
letarischen Staatsgewalt, in einen Bestandteil des neuen,
proletarischen Staatsapparates. Mit seiner Ausnutzung
fur die Enhvicclung der sozialistischen Revolution and
damit der Ver?anderung des Inhaltes seiner Tatigkeit
mussen sich notwendig audh seine organisalor?ischen
Formen and seine Arbeitsweise wandeln. Hier wird gc-
rade in diesem Prozefl das eintreten, was Lenin in ?Staat
and Revolution" bei den Lehren der Pariser Kommune
uber? die trberwindung des Parlamentarismus schreibl:
?Der Ausweg aus dem Parlamentarismus 1st naturlich
niclit in der Aufhebung der Vertretungskorpet?schaften
and der Wahlbarkeit zu suchen, sondern in der Um-
wandlung der Vertretungskorperschafien aus Schwatz-
buden in ,arbeitende' Korperschaften,"1') Lenin fahrt
fort: ?Den korrupten and verfaulten Parlamentarfsmu
s
der burgerlichen Gesellschaft ersetzt die Kommune durch
Korperschaften, in denen die Freiheit des Urteils and
der Beratung nicht in Betrug ausarlel, denn da mussen
die Parlamental?fer selbst arbeiten, selbst ihre Gesetze
ausfuhren, selbst kontrollieren, was bei der Durchfuh-
rung herauskommt, selbst unmittelbar vor ihnen Wah-
lern die Verant'wortung tragen. Die VertretungskorPer-
13) W, I. Lenin, Samtllche Werke, Ed, 15, S. 307, rugs.
1%) W. I. Lenin, Slaat and Revolution, in: w. I. Lenin, Aus-
gewdhlle Werke in zwei BSnden, Bd. 11, Dletz Verlag,
Berlin 1952, S., ,192.
schaften bleiben, aber der Parlan
1e11tarismus als beson-
deres System, als Trennung der gesetzgebenden von der
voilzfellendetr Tatigkeit, als Vorzugsstellung fiir Ab-
geordnete (Helvorhebung H. M,) besteht hier niclit. Ohne
Vertrelungskorperschaften konnen wir uns eine Demo-
kratie niclit denken, auch die proletarische Demokratie
nicht, ohne Parlamentarismus konnen and miissen wir
sic uns denken , ..") Und in den Vorarbeiten zu seinem
Werk ?Staat.und Revolution" flndet sich bei Lenin nosh
ein sehr interessanter Hinweis dazu, was Lenin unter
einem solchen ?arbeitenden Organ" verstand, Hier heillt
es: ..... keine parlamentarische Institution, sondern eine
,arbeitende'. In welchem Sinne arbeitende? Okonomisch:
Die Mitglieder sind Arbeiter, politisch: keine ,Schwatz-
bude', sondern Sadhlichkeit, keine Spaltung, sondern
Einheit.,. Die Vereinigung der gesetzgebenden and
ausfuhrenden Funktfon ist gleich >Jbergang zum Weg-
fallen des Staats in dem Sinne, dal3 niclit ein besonderes
Organ, niclit besondere Organe die Staatsangelegenheiten
wahrnehmen sondern alle seine Mitglieder."11)
Doch Ausnutzen des Parlaments zur Zerschlagung
des burgerlichen Staatsapparates heillt niclit nur, dali
Bich das Parlament in diesem Prozefi selbst in ein
proletarisches Organ der Staatsgewalt wandelt, son-
dern zugleich Ausnutzen des Parlaments zur Brechun
g
der anderen Teile des burgerlichen Staatsapparats, ge-
stutzt - and nur? dann ist es moglich - auf die revo-
lutionare Massenbewegung von unten. Es bedeutet
Bildung einer revolutionaren Regierung durch das Par-
lament, die ebenso wie das Parlament selbst and eine
Reihe anderer Organe eine solche Wandlung niclit nur
des Inhalts (Klassenwesen), sondern auch der Formen
ihrer Tatigkeit erfahrt, vollige Unterordnung des Ver-
waltungsapparates unter? die Vertretungsorgane der
Werktatigen and seine str?ukturelle and kadermal3ige
Veranderung, Zerschlagung des alten Justizapparates
and niclit zuletzt Brechung der bewaffneten Macit der
Bourgeoisie in Gestalt ihrer? Armee and Hires Polizei-
apparates.
Es ware jedoch eine Utopie, Vermutungen dar?iiber
anzustellen, in Welchen Formen sich dieser Prozel in
der Praxis vollziehen wind Entscheidend 1st, daft er
sich in dieser oder jener Form in alien Landern voll-
ziehen mull, in denen es der Arbeiterklasse moglich
scin Wild, unter? Ausnutzung des Parlaments zum So-
zialismus uberzugehen. Sicherlich werden sich dabei
neue and besondere Formen, in denen sich these Zer-
schlagung des burgerlichen Staatsapparates vollzieht,
herausbilden. Sicherlrch wird dabei die Anwendun
legislativer, normativer Gewalt eine b
esondere Rolle
e
spielen. Doch wird das auch niclit die einzige Form
sein, in der diese Zerschlagung des burgerlichen Staats;
apparates vor. sich gehen hvird, denn die Ausnutzung
des Parlaments Beim Qbergang zum Sozialismus be-
deutet keineshyegs nur Anwendung parlamentarischer
Kampfformen. Sic schlielit andere Formen des revolu-
tionaren Massenkampfes gegen die Bourgeoisie, auch
speziell proletarisrhe Kampffornlen wie
~ den ? politi-
schen
Streik usw., keineswegs aus. Aber fur uns sind
heute niclit diese Formen, sondern ihr Inhalt ent-
scheidend. Entscheidend ist, data auch beim (Yber an
zum Sozialismus unter Ausnutzun de g g
g s Parlaments der
1) Ebenda, S..103.
1G) Leninsehe Sammlung, XIv. S. 351, russ.
burgerliche Staatsapparat zerschlagen werden mutt,
denn das ist keine Frage der Formen der Revolution,
sondern die Zerschlagung des burgerlichen Staats-
apparates als Voraussetzung zur Errichtung der Dikta-
tur des Proletariats gehort notwendig zurGrundinhalt
der proletarischen Revolution.
II, Der Aufbau des neuen, sozialistischen Staats-
apparates, Der dcmokratisclle Zentralismus als scn
grundlegendes Organisationsprinzip
Die Pariser Kommune bestatigte niche nur lurch
ihre - wenn auch kurze - revolutionare Praxis die
Richtigkeit der These des Marxismus von der Not-
wendigkeit der revolutionaren Zerschlagung des burger-
lichen Staatsapparates, sondern lieferte 'vor ahem das
erste Material fur die Beantwortung der bis dahin in
der malxistischen Staatstheorie offen gebliebenen Frage
der staatlichen Formen der Diktatur des Proletariats,
Ihre Erfahrungen Waxen eine ubcraus wichtige Be-
reicherung der Lehre von der Diktatur des Proleta-
riats. Sic brachten das erste Material, um konkreter
die Frage beantworten zu konnen: Wodurch ist die
alte Staatsmaschine zu ersetzen? 50X1-HUM
?Auf diese Frage" - schreibt Lenin in ?Staat and
Revolution" - ?gab Marx 11147, im ,Kommunistischen
Manifest`, eine nosh vollig absteakte Antwort, rich-
tiger: eine Antwort, die die Aufgaben, niclit aber die
Methoden ihrer Losung aufzeigte. Sic ist zu ersetzen
durch die ,Organisation des Proletariats als herrschende
Klasse', durch die ,Erkampfung der Demokratie' - das
war die Antwort des ,Kommunislischen Manifestes'.
Ohne side auf Utopien einzulassen, erwartete Marx von
der Erfahrung der Massenbewegung eine Antwort auf
die Frage, weldhe konkreten Formen diese Organisation
des Proletariats als herrschende Klasse annehmen, in
weicher Weise diese Organisation sich mit der moglichst
vollstandfgen and folgerichtigen ,Erkampfung der De-
mokratie' vereinigen lessen wurde."17)
Deshalb wurden die Erfahrungen der Kommune bei
der Organisation der politischen Macht, ihrer konkre-
ten Formen, von Marx sehr eingehend analysier?t, so
gering sic auch waren. Marx sah in der Kommune die
bestimmte Form einer Republik, ?die niclit nur? die
monarchisehe Form der Klassenherrschaft beseitigen
sollte, sondern die Klassenherrschaft selbst." 8)
Worin sah Marx diese ?bestimmte Form" dieser so-
zialistischen Republik, diese zweccentsprechende Staats-
form der Diktatur? des Proletariats?
Die Wichtigsten Hinweise von Marx dazu sind, wenn
man sic kurz zusammenfaf3t, folgende:
1. Die Bildung 'wirkijcher Vertretungsorgane des
Voikes mittels des demokratischen Wahlrechts der
Kommune.
2, Die Verantwortlic1 eit and RechenschaftspflicI
der gewahlten Abgeordneten gegenuber dem Volk
den
,
Wahlern Die Garantie dafi r war das Recht der Wahler
17) W. I. Lenin, Staat and Revolution, in W. I Lenin, Aus-
gewahite Werke in zwci Blinden, Ed II, Diclz Vcrlag,
Berlin 1952, S. 187/180.
18) K. Marx, Der Bargerkrleg in Frankrelch, Dlelz Verlag,
Berlin 1952, S. 89,
57
~ rv
51
p
i
I~
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auf jederzeitige Absetzbarkeit der Abgeordneten. (Dazu
das gebundene Mandat.) -
3. Dle dementspredlende Zusammensetzung der Ver-
tretungsorgane (in ihrer Mehrheit aus Arbeitern oder
anerkannten Arbeitervertretern),
4. Dle Konzentration der gesamten Staatsgewalt bei
diesen Vertretunggorganen, die Unterordnung des ge-
samten Exekutivapparates unter diese Vertretungs-
organe (Polizei, Verwaltungsorgane).
5. Der Charakter dieser Vertretungsorganc als arbei-
tende Kbrperschaften, gesetzgebend and vollziehend
zugleich.
6. Die allgemeine Volksbewaffnung.i~)
7. Die Beseitigung aller Privilegien der Staats-
beamten, ihre Verantwortlichkeit gegenuber den Ver-
tretungsorganen and ihre jederzeitige Absetzbarkeit.
8. Die Wahlbarkeit, Verantwortlichkeit and Absetz-
barkeit der Richter.
9. Die Festlegung der Gehalter aller Amtspersonen,
von den Mitgliedern der Kommune an abwarts, auf
das Niveau ?des Arbeitslohnes`:20)
Alle diese Prinzipien21), die Marx bei der Analyse
der Erfahrungen der Kommune entwickelte, haben
spater in den Sowjets ihre glanzende Verwirklichung
and Entwicklung gebunden and um ihre konsequente
Verwirkiichung geht es heute auch bei uns im Rahmen
der weiteren Demokratisierung unseres Slaatsapparates.
Aber gerade von diesen eindeutigen and klaren Hin-
weisen von Marx, auf die Lenin spater dutzende Male
"or allem bei der Erklarung des Charakters der Sowjet-
macht hingewiesen hat, will Genosse Kardelj nichts
wissen. In seiner Rede 1954 in Oslo erklarte er vielmehr:
?Die Frage der konkreten politischen Formen zur prak-
tisehen Verwirklichung der politisch and ideologisch
klaren Grundsatze and Perspektiven ist jedoch bei wei-
tem nicht so bereinigt. In dieser Hinsicht steilt selbst
Marx keine bestimmten Thesen auf; er vermochte es
auch nicht and wollte sich offensichtlich auch nicht dar-
auf einlassen, Aufgaben zu 1osen, die der Pra.ds kom-
mender Geschlechter vorbehalten Waren. Anfangs vertrat
er offenbar die Ansicht, die Staatsmaschtne sei jenes
Hauptinstrument, mit dissen Hilfe das Proletariat seine
historische.sozialistische Rolle verwirklfchen and dadurch
naturlich auch die alte Staatsmaschfne durch eine neue
ersetzen werde. Spater, in seinem ?18. Brumaire" and
nach der Pariser Kommune, ist Marx - die Gefahr des
Burokratismus vorausahnend - voller Bedenken jeder
selbstandigen zentralisierten Staatsmaschjne gegenuber
and vertritt di&Ansicht, an ihre Stelle solle das als der
l9) Die Forderung von Marx and Engels nark Absehaffung
des slehenden Heeres and nach der allgemeinen Volks-
bewaffnung (Milizsystem) entsprnch dem damaligen Stand
der Entwicklung der Kriegstechnik. Die Entwlcklung, die
diese lnzwlschen erfahren hat, bedingt heute eine stehende
Armee in den sozialistlsehen Staalen. Dabei 1st es 3edoch
interessant, teslzustellen, daa dadurch, vie die Erfahrungen
einer Reihe sozialistlscher Staaten zelgen, Formen der be-
waffdeten Mneht des Volkes, die den damaligen Gedanken
von Marx and Engels sehr nahe kommen, keineswegs aus-
geschlossen sind, wie die Kampfgruppen in den Betrieben
and Institutionen.
'O) Vgl.: K. Marx, Der BUrgerkrleg In Frankreich, Dietz Ver-
lag, Berlin 1952, S. 70/71.
"-t) Mit Ausnahme Punkt 0, vgi. Funnote 19.
58
Staat organisierte Proletariat treten. Die Pariser Kom-
mune oder die nationale Gemeinsehaft derartiger sick
selbst verwaltender Kommunen bezeichnet er als ,die
endlich entdeckte politische Form, unter der die i kono-
mische Befreiung der Arbeit Bich vollziehen konnte`."
Nach Kardelj ware also Marx nur bis zur Pariser
Kommune fur die Diktatur des Proletariats eingetreten,
danp habe er sich davon losgesagt, daB der proletarische
Staat das Hauptinstrument zur ikonomischen Umgestal-
tung der Gesellschaft sei. Es genugt, den ?Burgerkrieg
in Frankreich" anzufuhren, um die Unhaltbarkeit dieser
Behauptung zu beweisen. Es ist nicht anzunehmen, daB
cin Mann wie Kardelj sick auf die Lehren, die Marx
aus der Kommune zog, beruft, ohne sic zu kennen, daB
ihm unbekannt ist, was Marx im ?Burgerkrieg in Frank-
reich" schreibt: ?Die Kommune sollte daher als Hebel
dienen, um dieo'.;onomischen Grundlagen umzustfirzen,
auL denen der Bestand der Klassen and damit der Klas-
senherrschaft ruht."27)
Was war aber die Kommune? Marx beantworlet auch
das: ?Ihr wahres Geheimnis war dies: Sic war wesent-
lich eine Regierung der Arbeiterklasse, das Resultat des
Kampfs der hervorbringenden gegen die aneignende
Klasse, die endlich entdeckte politische Form unter der
die ikonomische Befreiung der Arbeit Bich vollziehen
konnte.
Ohne diese letzte Bedingung war die Kommunalver-
fassung eine Unmiglichkeit and eine Tauschung,"27)
Warum laf3t Genosse Kardelj diese ?Regierunp der
Arbeiterklasse", die Marx besonders hervorhebt, aus?
Das 1st ja eben die Diktatur des Proletariats, der Staat
der Ubergangsperiode, das Instrument der Arbeiterklasse
bei der Umgestaltung der Gesellschaft. Warum vergiBt
Kardelj die Diktatur des Proletariats? Dieses ?Versehen"
Kardeljs erweist sick als durchdachte and beabsichtigte
Linie. Im nachsten Satz behauptet er, Marx habe nach
der Kommune, aus Angst vor dem Burokratismus, eine
zentralisierte Staatsmacht abgelehnt. Das sei eine Lehre
der Kommune. Diese Behauptung Kardeljs 1st eine Un-
geheuerlichke3t. Sic ist allerdings nicht neu. Kardelj be
findet sick bei diesem Versuch, Marx den Foderalismus
Proudhons zu unterstellen, in wenig angenehmer Ge-
sellschaft. Diesen Vorwurf erhoben gegen die Kommune
schon die Verfechter des burokratisch-zentralfsierten
biirgerlichen Staats in Versailles. Sic schrien, daB die
Kommune die Einheit der Nation zerstoren wolle. Bis-
marck unterschob der Kommune - schon Marx machte
sick daruber lustig - eine Sehnsucht nach der preuBi-
schen Sladteoldnung.24) Und damit auch der Opportunis-
mus nicht fehlt - Bernstein schrieb in seinem Buch ?Die
Voraussetzungen des Sozialismus and die Aufgaben der
Sozialdemokratfe" in bezug auf Marx' Lehren aus der
Kommune, darin sei ein Programm entwickelt, ?daft
sefnem politischen Gehalt nach in alien wesentlichen
Zugen die gr~l3te Ahnlichkeit aufweist mit dem Fode-
ralismus - Proudhons." Das ist die gleiche Position, vie
sic Kardelj mit seiner Theorie von der Dezentralisierung
vertritt. In Wtrklichkeit, das weiB Kardelj genau, war
Marx Zentralfst!
22) K. Marx, Der Burgerkrieg 'in Frankreich, Dietz Verlag,
Berlin 1952, S. 70.
-9) Ebenda.
2) Ebenda, S. 73.
Im ?Burgerkrieg in Frankreich" schreibt Marx: ,,De
Pariser Kommune sollte selbstverstandlich allen grol3en
gewerblirhen Mittelpunkten Frankreichs zum Muster
dienen. Sobald die kommunale Ordnung der Dinge e3n-
mal in Paris and den Mittelpunkten zweiten Ranges
eingefuhrt war, -hatte die alte zentralisierte Regierung
auch in den Provinzen der Selbstregierung der Produ-
zenten weichen mUssen. In einer kurzen Skizze der natio-
nalen organisation, die die Kommune nicht die Zeit
Matte, weiter auszuarbeiten, heifIt es ausdriicklich, daB
die Kommune die politische Form selbst des kleinsten
Doris sein and daB das stehende Heer auf dem Lande
durch eine Volksmiliz mit aul3erst kurzer Dienstzeit cr-
setzt 'verden'solite, Die Landgemeinden eines jeden Be-
zirks sollten ihre genleinsamen Angele?enheiten (Her-
vorhebung - H. M.) durch eine Versamnllung von Ab-
geordneten in der Bezirkshauptstadl verwalten, and
diese Bezirksversammlungen dann wieder Abgeordnete
zur Nationaldelegation in Paris schicken; die Abgeord-
nelen soilten jederzeit absetzbar? and an die bcstimmten
Instruktionen ihrer Wahler gebunden sein. Die wenigen,
aber wichtigen Funktionen, welche danp noch fur eine
Zentralregierung ubrigblieben, soilten nichl, wie dies
absichtlich gefalscht worden, abgeschafft, sondern an
kommunale, d h. streng verantwortliche Beamte uber-
tragen werden. Die Einheit der Nation soli nicht ge-
brochen, sondern im Gegentefl organisiert werden durch
die Kommunalverfassung; (Hervorhebung - H. M.) sic
sollte eine Wirklichkeit werden durch die Vernichtung
jener Staatsmacht, welche sill fur die Verkorperung
dieser Einheit ausgab, aber unabhangig and uberlegen
sein wollte gegenuber der Nation, an deren Korper sic
loch nur ein Schmarotzerauswuchs war "I)
Kardelj weill genau, daB Marx hier, wenn er sidl
gegen den Zentralismus wendet, den Zentralismus der
burgerlichen Staatsmaschine meint, den Zentralismus
des ?Schmarotzerauswuchses" am Korper der Nation,
der zerstort, der vernichtet werden mull, wahrend
Marx zugleich fur den neuen, sozialistischen Staats-
apparat den Zentralismus, aber einen prinzipiell an-
dersgearteten, begrundet. Marx gebraucht hierfur den
Begriff ?Die Einheit der Nation solite organisiert wer-
den". Praktisch begrundet Marx damit den demokra-
lischen Zentralismus als Prinzip des neuen, sozialisti-
schen Staatsapparats,
Einem Theoretiker vie Kardelj ist ohne Zweifel
auch bekannt, daB Lenin im 3. Kapital seines Werkes"
?Staat and Revolution", das Bich mit den Erfahrungen
der Kommune and ihrer Analyse durch Marx be-
schaftigt, diesen Hinweisen von Marx einen besonderen
Abschnitt widmet, den 4, mit der Uberschrift ?Organi-
sierung der Einheit der Nation". Es sei hier nur auf'
zwei Stellen daraus hingewiesen: ?Marx geht sowohl
mit Proudh"un als audl mit Bakunin gerade in der
Frage des Fiideralismus auseinander (von der Diktatur
des Proletariats schon gar nicht zu reden). Aus den
kleinburgerlichen Anschauungen des Anarchismus er-
gibt sich prinzipiell der Fiideralismus. Marx 1st Zen-
tralist. Und in semen hier zitierten Darlegungen 1st
nicht die geringste Abweichung vom Zentralismus Sent-
halten. Nur Leute, die vom kleinburgerlichen ,Aber-
glauben` an den Staat erfallt sind, kiinnen die Ver-
25) Ebenda, S. 71.
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nichtung der burgerlichen Maschinerie fur eine Ver-
nichtung des Zentralismus halten!")
Und dem Verleumder Bernstein, der Marx zum An-
archisten stempeln wollte, hielt Lenin entgegen: ?Marx
betonte ausdrucklich, als ob er die Mi glichkeit einer
Vcrzerrung seiner Ansichten vorausgesehen hatte, dal]
die gegen die Kommune erhobene Anschuldigung, sic
hatte die Einheit der Nation vernichten, die Zentral-
rcgierung abschaffen wollen, dine bewufite Falsdlung
ist. -Marx gebrauchte absiehtlich den Ausdruck ,Die
Einheit der Nation sollte organisiert werden`, um den
klassenbewullten, demokratischen, proletarischen Zen-
tralismus dem burgerlidlen, militarischen, burokrati-
schen entgegenzustellen."27)
Es kann kein Zweifel daruber bestehen, daB Kar-
delj ein Werk wie ?Staat and Revolution" kennt. Sein
Verhalten in dieser Frage kann deshalb nur als be-
wuf3te Faischung des Marxismus, des Leninismus be-
trachtet werden. Auch Lenin verfalschte Cr, wenn er
schreibt: ,,In der russischen Revolution, die unter den,
urwuchsigen Druck der Ruckstandigkeit litt, hatte sick
trotz Lenins Bemuhungen, die Entwicklung in die ent-
egengesetzte Ridltung zu lenken, zu Stalins Zeilen
der Grundsatz durchgesetzt, die zentralisierte Staats-
maschine sei die wichtigste Organisationsform in der
Entwicklung zum Sozialismus ..."
Kardelj revidiert hier also ganz bewuilt den Marxis-
mus-Leninismus in seiner Grundfrage - in der Frage
der Diktatur des Proletariats. Er scheut sick nicllt vor
der direkten Falschung der Lehren von Marx and
Lenin. Ihm kommt es dabei gar nicht auf die Position
an, auf die er sill selbst steilt.
Lenin sebrieb in semen ?Briefen aus der'Ferne": ,,Wir
brauchen eine revolutionare Staatsmacht, wir brauchen
(fur eine bestimmte Ubergangsperiode) den Staat. Da-
durch unterscheiden wir uns von den Anarchisten. Der
Unterschied zwischen den revolutionaren Marxisten and
Anarchisten besteht nicht nur darin, daB jene fur die
zentralisierte kommunistische Grolproduktion, diese
aber fur eine zersplitterte Kleinproduktion eintreten.
Nein, der Unterschied gerade in der Frage der Macht,
in der Frage des Staats besteht darin, daB wir die
revolutionare Ausnutzung revolutionarer Staatsformen
fur den Kampf um den Sozialismus verfechten, wahrend
die Anarchisten dagegen sind.
Wir brauchen den Staat. Aber wir brauchen keinen -
Staat von der Art, tvie ihn die Bourgeoisie iiberall ge=
schaffen hat... Und darin unterscheiden wir uns von
den Opportunisten and Kautskyanern der alters, schon
in Faulnis iibergegangenen sozialistischen Parteien, die
die Lehren der Pariser Kommune and die Analyse
dieser Lehren durch Marx and Engels entstellt oder
vergessen haben." 28)
Kardelj tut beides! Ihm ist jede Position recht, um
den Marxismus-Leninismus zu revidieren.
Das zeigt sick auch in seiner ?Theorie" vom Buro-
kratismus. Der Burokratismus 1st das Schreckgespenst, '
26) W. I. Lenin, Staat and Revolution', hr W. I. Lenin, Aus-
gewdhlle Werke in zwef Binden, Bd. II, Dietz Verlag,
Berlin 1952, S. 198.
27) Ebenda,`S. 199.
28) W I. Lenin, Brlefe aus der Ferne, 3. Brief, in: W. I. Lenin,
'Ober die Pariser Kommune, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 30.
59
das er gegen den demokratischen Zentralismus ins Feld
fiihrt. Dabei zeigt sick bei Kardelj die gleiche Positions-
losigkeit. Einmal hat er ehn geradezu aberglaubisches
Vertrauen zum Bi rokr?atismus, da, wo dieser zu Hause
1st, im biirgerlichen Staat. Dort, wo ein solches buro-
kratisches System der Regierung gegen das Volk durch
fiber den Massen stehende, privilegierte Personen zum
wesentlhchen Bestandtefl des staatlichen Machtapparates
gehort, vertritt er den Standpunkt, daB man cvolutio-
nar, mittels des Mechanismus eben dieses birgerlichen
Staates zum Sozialismus kommen konne. Oder sollte
sick Kardelj selbst dariber nicht klar sein, sollte es ihm
gehen wie Kautsky, fiber den Lenin in ?Staat und Re-
volution" schreibt: ?Kautsky hat absolut nicht den Un-
terschied begriffen zwischen burgerlichem Parlamen-
tarismus, der die Demokratie (nicht fur das yolk) mit
dem Burokratismus (gegen des yolk) ver?bindet, und
dem proletarischen Demokratismus, der sofort Mafl-
nahmen er?gr?eifen wird, um den Burokratismus radikal
zu unterbinden, und der imstande sein wird, diese Mali-
nahmen zu Ende zu fuhren, bis zur volligen Vernich-
tung des Burokratismus, bis zur EinfUhrung der vollen
Demokratie fur das Volk.")
Aber Kardelj braucht ja den Burokratismus, um den
Zentralismus des sozialistischen Staates zu bekampfen.
Er sieht nur, daft es auch im sozialistischen Staats-
apparat burokratische Erscheinungen gibt, aber er?
interessiert sick nicht fur ihre wahren Quellen. Er will
nicht sehen, daft diese Erscheinungen dem System des
sozialistischen Staates fremd sind, ein t7ber?bleibsel
und Erbe des Kapitalismus. Fur ihn ergibt sick der
Burokratismus aus der Zentralisation, er? behauptet,
daft sick der Verwaltungsappar?at ?zwangslaufhg buto-
kratisiert, veil sick in semen Handen das Monopol der
Wir?tschaftsleitung befindet", aber? e1? will die Klassen-
natur des Burokratismus nicht erkennen. Lenin schreibt
in ?Staat und Revolution" uber das Wesen des Buro-
kratismus:
?Wir kommen unter dem Kapitalismus, unter der
Herrschaf t der Bourgeoisie ohne Beamten nicht aus. Das
Proletariat ist geknechtet, die werktatigen Massen sind
durch den Kapitalismus versklavt. Unter? dem Kapita-
lismus 1st die Demokratie durch die ganzen Verhaltnisse
der Lohnsklaverei, der Not und des Elends der Massen
eingeengt, eingeschnurt, gestutzt, verstummelt. Aus die-
sem Grund, und nur aus diesem, werden die beamteten
Personen in unseren politischen und gewerkschaftlichen
Organisationen durch die Ver?haltnisse des Kapitalismus
demoralishert (oder, genauer gesagt, haben sie die Ten-
denz, demoralishert zu werden) und neigen dazu, sick in
Birokraten, d, h in den Massen entfremdete, fiber den
Massen stehende, privilegierte Personen zu ver?wandeln.
Darin besteht das Wesen des Burokratismus, und so-
lange,die Kapitalisten nicht expropriier?t sind, solange
die Bourgeoisie nicht gesturzt ist. - solange ist eine ge-
wisse ,BUrokratisierung' sogar der proletarischen be-
amleten Personen unvermeidlidh."30)
Aber dem sozialistischen Staatsappar?at ist nicht nur?
der Burokratismus zutiefst wesensfrernd, er besitzt auch
2)) W. I Lenin, Staat und Revolution, WI I. Lenin, Aus-
g~wiihlte Werke in zwei BSnden, Bd Ir, Dietz Verlag,
Berlin 1952, S. 214.
33) Ebenda, S 248/249.
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die Mittel, um den Burokratismus zu bekampfen, ja um
ihn vollig auszurotten. Das wichtigste Mittel 1st dabei
die konsequente' Durchsetzung gerade des von Kardelj
verleugneten - demokratischen Zentralismus. Aurh das
ist eine Erfahrung schon der Pariser Kommune. ?Ge-
rade am Beispiel der Kommune hat Marx gezeigt, daft
unter dem Sozialismus die beamteten Personen auf-
horen, ,BUrokraten', ,Beamte' zu semi, sic horen in dam
Mafia auf, es zu sein, wie aulier der Wahlbarkeit auch
noch die jederzeitigeAbsetzbarkeit eingefuhrt wind, dazu
noch die Reduzierung des Gehalts auL den durchschnitt-
lichen Arbeiterlohn, dazu noch die Ersetzung der parla-
mentarischen Korperschaften durch ,arbeitende Korper-
schaften', die vollziehend und gesetzgebend zu gleicher?
Zeit Sind."31)
Fir Kardelj aber ist das Wundermittel, das er gegen
den Burokratismus anpreist - die Dezentralisierung
im Sinne der volligen Auflosung der einheitlichen t
Staatsgewalt in der ?Selbstverwaltung der Produzen-
ten", also in der Konsequenz die Abschaffung der Dik
tatur des Proletariats. Daft ein solcher Weg konsequent r
gesehen - ubrigens geht man ihn auch nicht in Jugo-
slawien - nur? zur? Restauration des Kapitalismus und,
um beim Burokratismus zu bleiben - zum Entstehen
eines neuen, burokratischen Machtapparates - der
Bourgeoisie - fuhren wurde, sollte Kardelj bekannt
sein.
War?um r?ichtet Bich sein Angriff auf den demokra-
tischen Zentralismus,gegen die Diktatur? des Proletariats?
Der demokratische Zentralismus ist unter den Be-
dingungen der Diktatur des Proletariats eine objektive
Notwendigkeit. Er ergibt sick notwendig aus ihren
historischen Aufgaben,
Das Proletariat bedarf der zentralisierten, cinheit-
lichen Staatsgewalt, um die Bourgeoisie zu schlagen,
ihren Widerstand zu bredhen und sic nicht nur? politisch,
sonder?n auch okonomisch zu entmachten. Auch das
lehrte schon die Kommune. ..... wenn aber? das Prole-
tariat und die arme Bauernschaft die Staatsgewalt in
ihre Hande nehmen, sick vollkommen frei in Kommunen
organisier?en und das Wirken dieser? Kommunen ver-
einigen, um das Kapital zu schlagen, den Widerstand
der Kapilalisten zu brechen und das Privateigentum an
den Eisenbahnen, Fabriken, am Grund und Boden usw.
dec gesamten Nation, der gesamten Gesellschaft zu uber?-
tragen - wird das etwa nicht Zentralismus sein? Wird
das nicht der konsequenteste' demokratische Zentralis-
mus sein? Und dazu noch proletarischer Zentralismus?" 3"-)
Notwendig ergibt sick der Zentralismus des prole-
tar?ischen Staates weiter aus dec Bedrohung des sozia-
listischen Staates durch den Imperialismus, aus dec
Notwendigkeit der Verehnigung tiller Krafte zur Ver-
teidigung gegen imperialistisehe Aggression, aus der
Notwendigkeit dec Vereinigung und Zentralisierung
alley Krafte der Arbeiterklasse und ihren Verbundeten
gegen die vereinigte und zentralisierte Macht der im-
per?ialistischen Bourgeoisie.
Schliefllich wird die Zentralisation durch die Natur
der sozialistischen bkonomik notwendig. Der Sozialis-
mus ist nicht das Produkt blind, spontan wirken-
der Gesetze, sondern er wird geschaffen durch die
31) Ebenda, S. 249.
32) Ebenda, 5.198.
'4 ,i
auf die bewuBte Ausnutzung dcr? objektiven okono-
mischen Gesetze gerichteten und einheitlich t5tig t'er-
denden schopferischen Krafte der Volksmassen, unter
Fuhrung dec Arbeiterklasse. ?Dcnn Sozialismus", lehrt
Lenin, ?das 1st der Aufbau einer zentralisierten Wirl-
schaft, einer von einem Zentrum aus geleiteten Wirt-
schaft, der nur vom Proletariat durchgefUhrt werden
kann , ,
Der gesellschaftlhche Charakter den Produktion en-
fordert notwendig die Einheitlichkeit der Volkswirt-
schaft, ihrer Leitung von einem Zentrum aus und nach
einem Plan. Aber dazu bedarf es eines zentralen Or-
ganes, das in der Ubergangspeniode nun die Diktatur
des Proletariats sein kann. Deshalb lehnt uns auch Lenin:
?Win sind fir den Zentralismus und fir einen ?Plan",
aber fir den Zentralismus und fur den Plan des prole-
tarischen Staates, der pnoletarischen Reguliecung der
Produktion und Verteilung im Interesse der Armen,
Werktatigen und Ausgebeuteten, gegen die Ausbeuter." 3')
Die Beseitigung der zentralisierten Leitung den Wirt-
schaft, ihre Zersplitterung wurde deshalb auch notwen-
dig zur Anarchic der Produktion, zur Stagnation der
okonomischen Entwicklung und damit zur? Ver?hinderung
des sozialistischen Aufbaus fuhren. Bekanntlich hat das
30. ZK-Plenum der SED mit besonderem Nachdruck
her?vorgehoben, daB ganz besondecs in einem industriell
hochentwickelten Land wie unserer Republik eine solche
Dezentralisierung, vie sic Kardelj vorschwebt, zu aulier-
ordentlich schadiichen Folgen, zur Zerruttung unserer
Volkswirtschaft fuhren wurde. Unsere modern Groli-
industrie in von der okonomischen Entwicklung ]angst
uberholte Formen zu zwangen, ware nicht nun okono-
misch ein ungeheurer Ruckschritt. Eine solche Mali-
nahme schlieBt, urn nun zwei Beispiele zu nennen, die
Losung solcher okonomischer Aufgaben, vie die unseres
wichtigsten okonomischen Problems, die Entwicklung
unserer Bnaunkohlenindustrie oder die Nutzung der
Atomenergie vollig aus und wurde dadurch zurSchwa-
chung der Diktatur des Proletariats und ihrer Beseiti-
gung fuhren.
So ergibt sick notwendigenweise die Zentralisation
unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats.
Aber clieser Zentralismus des proletarischen Staates ist
ein vollig neuer von dem burokratischen Zentralismus
des burgerlichen Staates qualitativ verschiedener? Zen-
tralismus. Lenin betont: ?Wic sind fur den demokra-
tischen Zentralismus. Und man mull sick daruber klar-
werden, vie Bich der demokratische Zentralismus einer-
seits vom burokratischen Zentralismus, ander?erseits
vom Anarchismus unterscheidet.")
Der burokratische Zentralismus 1st gegen das Volk
gerichtet, trennt den Staatsapparat vom Volk. Der demo-
kratische Zentralismus dagegen verbindet im sozhalisth-
schen Staatsapparat die nohvendige Zentr?alisation mit
der breitesten Entfaltung der Demokratie zu einer un-
trennbaren Einheit. Unter den Bedingungen der Dikta-
33) w. I. Lenin, Siimtiiche _Werke, Bd XXIII. Verlag fur
fremdsprachige Lileralur, Moskau 1910, S. 607,
35) W. I. Lenin, Werden die Bolschewiki die Staatsmacht be-
haupten? in Lenin/Stalin, Das Jahr 1917, Ausgewlihlle
Werke, Dietz Verlag, Berlin 1919, S. 598.
33) W. I. Lenin, SSmtliehe Werke, Bd. XXII, Ring-Verlag AG,
ZUrlch 1934, S. 4G5'466.
tur des Proletariats cntstehen nicht nun alle Voraus-
setzungen fir die Verwirklichung wahrer Den1okralie,
sondern wird die Demokratie selbst zur gesellschaft-
lichen Notwendigkeit. Ohne breiteste Einbeziehung der
Massen in die Leitung des Staates ist der sozialistische
Staat zur Losung semen Aufgaben aullerstande, ist en
nicht aktions- und existcnztahig. Deshalb sind immer
breitere Entwicklung dcc Demokratie und Aufbau des
Sozialismus mileinander identisch.
Unsere Partei hat dem bekanntlidh in jeder Phase
unserer Entwicklung Rechnung getragen. Es genUgt, die
Tatsache zu ecwahnen, datl die 2. Panteikonferenz un-
serer Partei, die den Ubergang zum planmafiigen Auf-
bau des Sozialismus beschlo0, gleichzeitig Mafinah1nen
zur weitenen Demokratisierung des Staatsapparats ein-
leitete. Man mull auch damn erinnern, daB die 3. Partef-
konferenz, die in der Direktive fiber den 2. Fi nfjahr-
plan die Perspekttven des sozialistischen Aufbaus fest-
legte, in ihrem Besdilull ?uber Mafinahmen zur breite-
ren Entfaltung der Demokratie in der Deutsdhen Demo-
kratischen Republik" zugleich den Weg ivies, um die
damit verbundenen Aufgaben zu losen.
Ein anderes Problem, auf das im Zusammenhang mit
den Auffassungen Kardeljs zumindest hinzuweisen not-
wendig scheint, ist das Verhaltnis von Zentralisalion
und Selbstverwaltung unter den Bedingungen der Dikta-
tur des Proletariats.
Man mull klarslellen: Win sind keineswegs gegen die
?Selbstverwaltung". Die Diktatur des Proletariats, die
sozialistische Demokratie, schafft erslmalig eine wirk-
liche Selbstverwaltung des gesamten werktatigen Vol-
kes. Win sind fur die lokale Selbstverwaltung, aber
inn Rahmen des demokratischen Zentralismus, im Rah-
men der einheitlichen gesamtstaatlichen Planung und
Leitung. Fur Kardelj aber sind Zentnalisation und
Selbstverwaltung zwei einanden? ausschliellende Be-
grille. Er fafit den Begriff der Selbstverwaltung in
dem Sinne auf, vie ihn die kleinburgerlhchen Ideo-
logen und die Anarchisten gebrauchen, die ihn der
zentralisierten Staatsgewalt entgegenstellen. Indem en
Bich dabei auf Marx' Analyse der Kommune beruft,
versucht Kardelj, diese als Selbstvenwaltungskorper-
schaft in seinem Sinne fur sick in Anspruch zu nehmen,
In Wahrheht - darauf wurde bereits hingetviesen - hat
Marx bei semen SkizzierungdennationalenOrganisation,
wie sic den Pariser Kommunarden vorschwebte, chic
ganz andere Position vertreten. Fur Marx und Engels
war die Kommune keine Selbstverwaltungskorpersthaft
im Sinne des kleinburgerlichen Anarchismus, sondern
ein System den Organe den Staatsgewalt - leider konnte
es Bich nicht volt dazu entwickeln - eines gesamtnatio-
nalen, zentralisierten, proletarischen Staates.
Es ist in diesem Zusammenhang sehr interessant, den
Brief von Engels an Bebel vom Matz 1875 zur .Kr?itik
am Gothaer Programm zu lesen. Darin schlagt Engels
iri seinem eigenen und im Namen von Marx von, im
Programm der Partei das Wort ?Staat" durch ?Gemein-
wesen"zu ersetzen, mit dem nach ihrerMeinung das fran-
zosische Wort ?Kommune" am besten'zu verdeutschen sei.
Lenin weist in ?Staat und Revolution" auf die bewullte
Auswahl dieses Wortes hin, das zum Unterschied von
dem Wort ?Gemeinde" nicht die einzelne Gemeinde,
sondern die Gesamtheit, das System der Gemeinden be-
61
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deulet. Scheinbar aber kennt Kardelj diesen Hinweis
von Marx and Engels nicht. and auch nichl einen
anderen Hinweis Lenins in ,.Staat unc) Revolution" zu
diesem Problem: ?Engels fa3t aber den demokratischen
Zenlralismus keineswegs in dem burokratischen Sinne
auf, in dem die bur?gerlichen and kleinburgerlichen Ideo-
logen, darunter auch die Anarchisten, diesen Begriff
gebrauchen. Der Zentralismus schliellt fur' Engels nicht
im geringsten jene weitgehende lokale Selbstverwaltung
aus, die, bei freiwilliger Wahrung der Einheit des Staa-
tes durch die ,Kommunen` and Provinzen, jeden Buro
kratlsmus and jedes ,Icommandieren' von oben un-
bedingt bcseitigl," 6)
Der demokralische Zentralismus schlielit keineswegs
die Initiative der ortlichen Organe, die Selbstverwaltung
an den Or?ten aus. Der dcmokratische Zenlralismus
sichert die Einlzeitlichkeit in den Hauptfragen, im
Wesentlichen, im Grundlegenden, bei grofiter Mannig-
faltigkeit in den konkreten Formen. Er gibt alle Mog-
lichkeilen fur die Berurksichtigung der ortiichen Beson-
derheiten and der ortlichen Initiative nicht nur bei der
Auswahl der Formen and Methoden der Losung aer
aligemeinen, gesamtstaatlichen Aufgaben, sondern auch
bei der Losung spezieller, ortlich bedingter Aufgaben.
Er kennt deshalb auch nicht den Gegensatz zwischen
zenh?alisierter, einheitlicher Staatsgewalt and orllicher
Selbstverwaltung. Die oruiten Machtorgane des prole-
tarischen Staates, die die Selbstverwaltung der Bevolke-
rung an den Orten gewahrleisten, sind Glieder des etn-
heillichen and zentralisierten Systems der proletarischen
Staatsgewalt.
Die Konsequenz des von Kardelj gefuhrten Kampfes
gegen den demokratischen Zentralismus, fur die so-
genannte ?Selbstverwaltung der Produzenlen", die
?direkte Demokratie", die ?wirlschaftliche Selbstver-
waltung" oiler vie er seine Konzeption der Auflosung
des Zentralismus noel] nennt, wird deutlic] durch den
Versuch, die marxistist-leninisttsche These von der
Notwencligkeit der Starkung and Festigung des sozia-
listischen Staates beim Ubergang zum Sozialismus als
falsch aufzuheben. Kardelj schreibt:
?Wohlbekannt ist eine der grundlegenden Stalin-
schen Thesen, wonach eben die'standige Festigung des
Staates and seiner Rolle im Gesellschaftslebcn die
wichtigste Triebfeder der sozialen Entwicclung sei , .
Im Gegensatz zu dieser Theorie stehen wir auf dem
Standpunkt, daB die Revolution nicht bloB eine Staats-
maschine durch eine andere ersetzen, sondern zugleich
den Pr?ozell des Absterbens der Funktion des Staates
als eines Machtmittels uberhaupt zum Anlauf bringen
soil."
Wir? wollen absehen davon, daB Kardelj diese These
des Marxismus-Leninismus vollig verdreht. Aut Stalin
hat sic nie so gebraucht. Fur den Marxisnus-Leninis-
mus war der proletarische Staat, war die Diktatur des
Proletariats nie etwas anderes als das Instrument in
den Handen der Arbeiterklasse zur? revolutionaren Um-
gestaltung der Gesellschaft37) Kardelj aber braucht
diese ?Triebfedertheorie", um den proletarischen Slant
35) W. I Lenin. Stant and Revolution, in: W. I. Lenin. Aus-
gewtihlle Werke in zwei Biinden. Rd, II. Diet Verlag,
Berlin 1952, S. 213.
37) Siehe auch Besehluli der. 2. Parteikon[erenz der SED.
62
als eine selbstandige and sick verselbstandige Kraft
den Massen entgegenzustellen.
Uns interessiert hier insbesondere die Frage, warum
sick Kardelj dagegen wendet, den proletarischen Staat
zu starken, zu festigen, was er an die Stelle dieser
marxistisch-leninistischen These zri selzen gedenkt. Er
will sic ersetzen Burch die These vom Absterben des
Staates, der Diktatur? des Proletariats in der sozialisti-
schen Revolution. Diese Theorie Kardeljs von derAuf-
hebung der Diktatur des Proletariats beim Ubergang
zum Sozialismus findet sick auch in seiner Rede
von 1956, indem er erklart: ?Man darf nicht vergessen,
dali von einem ausgebauten sozialistischen System, ge
schweige vom Kommunismus, solange keine Rede sei11
kann, wie der Staat als Waffe der Gewalt der Haupt-
faktor in den wirtschaftlichen Verhallnissen and Be-
wegungen ist. Der Sozialismus mull im aullersten Male
von burokratischen Hemmnissen befreit sein."
Als Mittel and Weg zur Vcrwirklichung dieses Pro-
zesses des Absterbens des proletarischen Staates be-
trachtet Kardelj eben die Dezentralisierung, die Ent-
wicklung der ,direkten Demokratie". ?Diese Entwick-'
lung der direkten Demokratie wind zugleich zum Pro-
zeta des Absterbens des Staates als Instrument des
Klassenbewulitseins." (Kardelj)
Bekanntlich haben sich auch bei uns in der Repu-
blik solche Liebhaber des Absterbens des Staates, die
in die Fulitapfen Kardeljs treten, gefunden Diese Ge-
nossen haben nichts geler?nt aus der marxistisch-lenini-
stisehen Staatstheorie and die Klarung dieser? Frage
lurch die KPdSU Sic glauben, die Kritik am Dogma-
lismus and an den Fehler?n des Genossen Stalin zum
Anlall nehmen zu konnen, um erneut diese revisioni-
stische, langst widerlegte These vertreten zu konnen
Ihrem Inhalt nach lauft also diese Konzeption auf folgen-
des hinaus: Aufgeben der Diktatur des Proletariats, ihr
schr?ittweises Absterben and ihre Ersetzung durch die
?gesellschaftliche" and ?wirtschaftliche Selbstverwal-
tung" im Prozefi der Entwicklung zum Sozialismus
Im Gegensatz dazu haben die Klassiker? des Marxis-
mus-Leninismus, besonders auch Lenin, das Absterben )
des Staates niemals als ein aktuelles Problem beim
Ubergang zum Sozialismus angesehen Bekanntlit
schreibl Lenin in ,.Staat and Revolution ?Es ist klar. '
dalI von einer Bestimmung des Zeitpunktes des kifnf-
tigers ,Absterbens' nicht einmal die Rede sein kann, um
so mehr?, als es sick bekanntlich um einen langwierigen
Prozel handelt."38) Die Klassiker des Marxismus-Leni-
nismus haben vielmehr mit ahem Nachdruck, die histo-
rische Notwendigkeit der Starkung des proletarischen
Staates beim Ubergang zum Sozialismus begrfindet
Wir alle kennen Marx' beruhmte Definition der Dikta-
tur des Proletariats als Staat der Ubergangsperiode
vom Kapitalismus zum Kommunismus. Wean Marx,
Engels and Lenin vom Absterben des Staates sprachen.
hatlen sic stets den Kommunismus im Auge, d. h. die
1?eriode, in der die Bedingungen, die den Staat hervor-
bringen and notwendig machen, weggefallen sind. Lenin
betont: ?Der Unterschied zwischen Marxisten and An-
ar?chisteri besteht darin, daB die Marxisten, die Bich die
vollige Aufhebung des Staates zum Ziel setzten, dieses
Ziel fur erreitbar halten erst nach der Aufhebung der
$) Ebenda, S. 221.
Klassen durch die sozialistische Revolution, als Resultat
der Aufrichtung des Sozialismus, der zum Absterben
des Staates fuhrt; die Anarchisten wollen die vollige
Aufhebung des Staates von heule auf morgen, ohne die
Bedingungen fur die Durchfihrbarkeit einer solchen
Aufhebung zu begreifen. "3s) In seinem Werk ?Staat and
Revolution" widmet Lenin der Untersuchung dieser? Be-
dingungen fur das Absterben des Staates ein ganzes
Kapitel."la) Darin weist er nach, dalI erst in der kom-
munistischen Gesellschaft, wenn die Ausbeuterklassen
verschwunden sind, wenn es keine Klassen mehr gibt,
der Staat abzuster?ben beginnt, indem die vom Kapita-
lismus befreiten Massen sick nach and nach daran ge-
wohnen, die elementaren Regeln des Zusammenlebens
der Mensehen ohne Gewalt, ohne ~Lwang, d. h. ohne
einen Staat; einzuhalten. Deshalb kommt Lenin hier
auch zu der Folger?ung: ?Zum vollstandigen Absterben
des Staates bedarf es des vollstandigenKommunismus."61)
Bekanntlich hat Stalin die Notwendigkeit der Existenz
des Staates unter den gegemvartigen Bedingungen
auch im Kommunismus begri ndet. Der Prozell des Ab-
sterbens des Staates beim Ubergang vom Sozialismus
zum Kommunismus wird erst dann zu einem aktuellen
Problem, wenn fur die sozialistischen Lander die Be-
drohung durch den Imperialismus, die Gefahr imperia-
listischer Aggression fur immer entfallen ist. Solange
der Widerstand der Weltbour?geoisie noch nicht end-
gultig gebrochen ist, Solange die Gefahr imperialisti-
scher? Aggression gegen die Lander des Sozialismus
noch nicht beseitigt ist, kann vom Absterben des Staates
nicht die Rede sein. Unter den gegenwartigen Bedin-
gungen die Losung des Absterbens des Staates aufzu-
stellen, heiBt die Arbeiterklasse entwaffnen, den Sozia-
lismus gegenuber dem Imperialismus wehrlos machen.
Aber gerade darauf lauft diese Konzeption Kardeljs
hinaus. Das kam besonders klar zum Ausdrucc in seiner
Haltung gegenuber? den standigen Angriffen des Im-
perialismus gegen das sozialistische Lager, vor allem
gegenuber dem faschistischen Putsch des Imperialismus
gegen die Volksdemokratie in Ungarn. Angesichts einer
soichen Situation erklart Kardelj: ?Heute ist das Inter-
nationale Verhaltnis der geselischaftlichen Krafte ein
solches, daft das weitere Schicksal des Sozialismus nicht
so sehr? durch den Schutz der erreichten Ergebnisse be-
stimmt wird - dean der Sozialismus ist keine ein-
gekreiste Insel mehr -, sondern in erster Linie durch
seine eigene hveitere Entvicklung, durch die Weiter?-
entwicklung des Sozialismus selbst."
Ja, konnte man nun sagen, die Klassiker sprechen
doch hier and dor?t von einem Absterben des Staates
mit Er?richtung der Diktatur? des Proletariats, also beim
Ubergang zum Sozialismus. Ja, Engels spricht zum Bei-
spiel davon, dalI die Pariser Kommune kein Staat im
eigentlichen Sinne gewesen sei. Auch Lenin spricht ge-
r?ade im Zusammenhang mit der Par?iser Kommune
davon, dal mit Errichtung der Diktatur des Proletariats
der Staat abstirbt. Aber Lenin schrankt dieses ?Ab-
sterben des Staates" mit den Worten .,in einem gewissen
39) Ebenda, S. 296.
49) Ebenda, S. 221 II
J) Ebenda, S. 231.
Sinne" em. So schreibt er in ?Staat and Revolution":
?Es ist immer nod] notwendig, die Bourgeoisie and ihren
Widerstand niederzuhalten. Fur die Kommune war das
ganz besonders notwendig, and eine der Ursachen ihres
Scheiterns bestand darin, daB sic das nicht entschlossen
genug getan hat Aber das unterdruckende Organ ist
hier schon die Mehrheit and nicht, wie dies immer, sei
es unter der Sklaverei, der Leibeigenschaft oder der
Lohnsklaverei der Fall war, die Minderheit der Bevolke-
rung. Wenn aber die Mehrheit des Volkes selbst ihre
Bedr? eker unterdriickt, so 1st eine ,besondere Repres-
sionsgewalt' schon nicht meter notig! In diesem Sinne
beginnt der Staat abzusterben, An Stelle besonderer?
Inslitutionen einer bevorzugten Minderheit (privilegier-
tes Beamtenlum, Kommandobestand des stehenden
Heeres) kann das die Mehrheit selbst unmittelbar be-
sorgen, and je grofleren Anteil das gesamte Volk an
der Ausubung der Funktionen der Staatsmacht hat, um
so weniger bedarf es dieser Macht."2) In diesem and
nur in diesem Sinne beginnt bereits mit der Errichtung
der Diktatur des Proletariats das ?Absterben" des Staa-
tes. Mit der Vernichtung der burgerlichen Staatsmaschine
and Errichlung der Diktatur des Proletariats ver?wandelt
sick der Staat aus einer besonderen Repressivgewalt,
die aus der Gesellschaft herausgehoben ist, wie sic die
D1iktatur der Bourgeoisie darstellt, in eine Gewalt der
assen selbst, in die sozialistische Demokratie, in die
Ausubung der Staatsfunktionen durch die Massen selbst.
Es ist also hier keineswegs die Rede vom Absterben
des Staates im Sinne des Absterbens seiner Funktionen,
von einer Schwachung der proletarischen Staatsmacht
and ihrer? Rolle beim Aufbau der sozialistischen and
kommunistischen Gesellschaft. Es geht nicht um ein
Verschwinden von Staatsfunktionen oder ihre Ver?-
wandlung in gesellschaftliehe, solange die Klassen noch
nicht aufgehoben sind, der Sozialismus im Weltmali-
stab noch nicht gesiegt hat. Im Gegenteil.
Der Gedanke Lenins besteht darin, dad mit der Ent-
wicklung der sozialistischen Demokrafie die staatlichen
Funktionen in zunehmendem Mahe von den Massen
selbst unter FUhrung der Arbeiterklasse and ihrer
Partei ausgeubt werden. Es geht also um die immer
br?eitere Entwicklung der sozialistischen Demokratie.
Es geht um die Starkung des proletarischen Staates,
Das .Hauptmittel dazu ist die immer breitere Ein-
beziehung der Massen in die Losung seiner Aufgaben.
Nur ein starker sozialistischer Staat ist in der Lage,
die Aufgaben der revolutionaren Umgestaltung der
Gesellschaft zu losen, den Sozialismus aufzubauen. Die
Starke des proletarischen Staates aber - Lenin wurde
nie etude, das hervorzuheben -besteht in der Bewullt-
heit der Massen and ihrer entscheidenden Teilnahme
an der Ausubung der Staatsgewalt. Deshalb orientieren
wir uns nicht auf uberlebte, theoretisch and praktisch
langst widerlegte, kleinbiirgerliche ?Theorien", sondern
auf die lebendige Wahrheit des Marxismus, des Leninis-
mus, der uns lehrt, die proletarische Diktatur stark
and unbesiegbar zu machen durch den immer engeren,
immer festeren Zusammenschlufl der Volksmassen um
die Arbeiterklasse urld ihre Staatsmacht.
42) Ebenda, S. 189
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- Ihallur S8u311(nbcrfl
Vor 40 Jahren, im April 1917, erschien Lenins Werk heiiliche Hanclein des Welt roletariats zu zerstoren Die
?Der Imperialismus als hochstes Stadium des Kapita- vorzugsweise von sozialdemokratischen Ideologen ver-
lismus". breitete Ldge geht dahin, daB die Analyse von Marx
?Ich will hoffen", schrieb Lenin in seinem Vorwort, nur fur das vorige Jahrhundert richtig gewesen sci,
?daB meine Schrift dazu beitragen wird, sick in jener Lenin dagegen eine falsdhe Vorstellung von der kapi-
okonomischen Grundfrage zurechtzufinden, ohne deren talistischen Entwicklung gehabt hatte, die im aul3ersten
Studium man nicht im geringsten verstehen kann, wie Falle fur Rufiland zutrafe. Der Gegner versucht, Marx
der jetzige Krieg and die jelzige Politik einzuschatzen gegen Lenin auszuspielen and propagiert die der Ar-
sind, namlich in der Frage nach dem okonomischen beiterklasse feindlichen revisionistischen Auffassungen
Wesen des Impertalismus."i) der Verteidiger des Kapitalismus von Bernstein bis
Seinerzeit wurden vtele Bucher geschrieben, die Bich Sternberg als Weiterentwicklung des Marxismus,
mehr oder weniger grundlich mit dem Weltkrieg and Diese Angriffe ge en Lenin sind unm'
g iltelbar gegen die
semen angeblichen Ursacken beschaftigten. Sic sind ideologische Grundlage des Proletariats, Sind a en den
heute meist vergessen and dienen hochstens dem Ge- Marxismus erichtet. Den n g
g n Lenin war es, der im kom-
schichisforscher als Quellenmaterial. Das Werk Lenins promil3losen Kampe gegen die revisionistischen Verfal-
dagegen hat seine grundsatzliche Bedeutung fur die schungen des Marxismus dessen Reinheit wiederher-
richtige Einschatzung der okonomischen and politischen stellte and thn unter den seit der Jahrhundertwende
Entwicklung des Kapitalismus bis heute nicht im ge- eingetretenen neuen Bedingungen weiterentwiccelte. Es
ringsten eingebuBt and wirci sic behalten, solangenoch zeugt von der tiefen Einsicht Lenins in das Wirken der
Kapitalismus auf der Welt exisiiert. Lenin betrachtete, gesellsdhafllichen Krafte, bereits im Anfan sstadium de
im Gegensatz zu anderen Autoren der damaligen Zeit, Imperialismus dessen run g s
g dlegendeEntwicklungslendenz
den erslen Weltkrieg nicht als eine zufallige Erschei- erlcannt zu haben. Ausgehend von der Marx's
nung, sondern als zwangslaufiges Ergebnis der kapita- kenntnis daB then Er-
, dreEnhvicclungderkapilalistischenWider-
listischen Entwicklung seit der Jahrhundertwende. Der spruche notwendig zur proletarischen Revolution
Hauptinhalt seines Werkes ist die Analyse des okono- mull wies Len' fuhren
m nach, daB seit der Jahrhunderhvendc
mischcn Wesens des Imperialismus, d, h, des Kapitalis- der Kapitalismus in sein letztes Stadium ein
nhus unsexes Jahrhunderts. Damit gab Lenin nidht nur daB eine E och get fist.
die richtige Orientierung fur die damalige P e der Kriege and Revolutionen ange ngebro-
Situation, then isl, die nur mit dem Sieg des Sozialismus in der
sondern deckle daruber hinaus die Gesetzmalligkeiten ganzen Welt beendet werden kann. Sei
auf, die die Entwicklung der kapilalistischen Gesell- lie sVorabend
SchluBfolgerung: ?Der Imperialismus fist der Vorabend
schaft auch heute noch bestimmen. Deshalb sind die der proletarischen Revolution" on n '
Feslstellungen Lenins von auflerordentlicher Bedeu- klass a e die A Durcr-
c auf die unmittelbare Vorbeleitun itung and Durch-
tung fiir das richtige Verstandnis der politischen and fuhrung ihrer historischen Auf ab
okonomischen Erscheinungen des Kapitalismus der Beseiti g e, der edurch ien
Bung der Ausbeuiung des Menschen dutch den
Gegemvart. Genosse A. J. Mikojan wies auf dem Mensehen.
XX. Parleitag der KPdSU ausclrucklich darauf hin, daB
man ohne Lenin die Entwidclungsgeseize des Imperia- Lenin lehr;t, daB die Verscharfung der Widerspruche,
lismus uberlkau t With die zum Untergang der kapitalistischen Gesells
P t verstehen kann. Aber erstdurch chafl
die Kenntnis der Enhvidclungsgesetze'kann die Parlei- fuhren mull, von der okonomischen Entwicklung, deren
der Ai?beiterlclasse eine vorausschauende Politik dutch- entscheidender Faklor die Ablosung der freien Konkur-
fuhren, kann she ihre Aufgabe erfullen, der Arbeiter- rent dutch das kapilalisiische Monopol fist, abhangt. Die
klasse die richti a re Auierun Notwendigkeit derHerausbildung kapitalistischerMono-
gg u gegen uncl sic im pole wire dux
ICampL ?ru fuhren, dh die Enlwidklung der Produlciivla?aflc
hervorgerufen, die in den wichligsten Produktionszwei-
Die imperialisttscheBourgeoisie hatte schon sehrfruh gen zu einer sehr hohen
die Gefahrlicikeit der Lenmschen Lehren fur die Auf- Stufe der Konzenlration der
rtchlerhaltung ihrer Herrschaft erlcannt a Produktion gefiihrt hatle.
lid sic mit Die Vereini u
alien ihr zur Verfugung slehenden Miticln bekampfl. g rig kapitalistischer Uniernehmen zu einem
Es fist ]clan, daB she in dem Mal3e, wie tic gesellschaft_ Monopol fist im Grande genommen ein Ausdrucc dafur,
]fiche Entwicklung die Richliglceit der Leninschen Theorie daB eine Veranderung der lcapitalistischen Eigentums-
beweist, zu immer verzweifelteren Mitlcln grcift, um verhaltnisse notwendig geworden isl. Dutch das im Mo-
die Arbeiterklasse zu desorientieren, nopol zentralisierte Kapita/ fist weilgehend die den vor-
monopolistischen Kapitalismus kennzeichnende Zersplit
Dazu gehort 'or allem die heute wieder in grofiem terun der Pr
Umfang angewandte Melhode, bei den Arbeitern Zwei_ g oduktion uberwunden Bedeutet die~ber-
fel an der Richliglceit des Marxismus-Leninismus zu er- hamdung dieser Zersplilterung etwa, daB nun alle fur
die Entwicklung der Produktivkrafte bestehenden Hemm-
wecken, um so die ideologische Grundlage fur clas ein-
nisse beseitigt sind? Nein, im Gegenteil! Lenin weist
I) w. I. Lenin, Der Imperlaltsmus als hticlistes Stadium acs ausdrucklich darauf hin, daB gerade dutch das Monopol
Kapitalismus, in. W I Lenin, Ausgewtihlte \verke in zwct die Tendenz der Hemmung der Entwicklung der Pro-
Btinden, Bd. I, Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 799 duktivkr5fte hervorgerufen wird Die
Herausbildung
64
~k
I1
der Monopole tragt der Tatsache Rechnung, daB die was sic ei entli
Produktion in einer ganzen Reihe von Industri ? g ~~ unter Marxismus verstehen, Hierbei
ezweegen, 1st es bezeichnend, daB diese ?Antidogmatil(er" ihre
vor allem der Schwerindustrie, nur auf der Grundlage Angriffe gegen die Anwend
des Grol3betriebes moglich ist, wobei aber gerade die richten ung mert, antim Pr istipten
Monopole als ein entsclkeidendes Hemmnis " ~ was sic aber nicht hindert antimarxistische
furdieWeiter- Konzeptionen, die von mehr als ernem halben Jahr=
entwicklung auftreten. hundert aufgestellt wurden
als neuestc Erlcenntnissc
Denn durdk den Obergang zum kapitalistisehen Mono- anzupreisen.
pot werden die Grundlagen des Kapitalismus nicht auf- Es is
gehoben, Nadi lure vor besiehen ka t kein Zufall, daft sick an del Frage des Parasi-
pitalrstische Produk- tismus die Gerster scheiden, denn die Bea
tionsverhaltnisse. Nach wie vor besteht ka italistisches ntworlun
P dieser 1'rage zeigt, ob man dem Imperialismus cue
n
Eigentum an den Produktionsmitteln, mussen die Arbei- Pers ektiv
ter ihre Arbeiiskraft verkauten, tvenn sic leben wollen. P e zugesteht odes nicht. Das zeigt sick besod-
ders in den Stellungnahmen zu den Enthvic lungsmog-
Nach wie -vor wirken die okonomischen Gesetze des lichkeiten d
Kapitalismus, fist die Produktion dem Profiistreben der et Produktion and Produktionstechnilc. Alle
Versute, die Hemmung des technrschen Fortschritts
Kapitalisten unterworfen, nach vie vor and nosh mehr and damit des
wirkt das Gesetz der relativen and absoluten Verelcn- gesellschaftlichen Fortschritts durdt die
Monopole zu leugnen, dienen letzten Endes nur dazu,
dung der Arbeiterklasse im Kapitalismus, herrscht das die Notwendil;lceit der
Gesetz der Ionkurrenz and Anarchic in der gesellschaft- der rev zuutionaren Veranderung
Eigentumsverh5linisse u leugnen. Das war zu
lichen Produktion. Da sick also im Wesen nichts gean- Lenins Zeite
dert hat, wird durch die Monopole audr nicht der Wider- mehr der Fall.
spruc h zwischen den sick entwickelnden Produktivkraf-
ten and den ihre Entwicklung hemmenden kapitalisti- Im vormonopolisiischen I{apitalisnkus zwingt der Kon-
sdhen Produktionsverhaltnissen aufgehoben. Ganz im lcurrenzlcampf die Kapitalisten zur Ausnutzung 'des
Gegenteil, das kaprtalistische Monopol ist als ein Er_ letmischen Fortsdkritts and damit zur Weiterentwicc-
gebnis theses Widerspruchs gleichzeitig ein Ausdrudc lung der Produktivkrafte. Lenin stellte nun Pest, dal]
fur dessen wcitere Verscharfung. , in dem Ma?e, wie es gelingt, durck die Bildung eines
Monopols die freie Konkurrenz auszuschalten, dieser
Wenn also das Monopol notwendigerweise auf einer Antr'
bestimmten Stufe der Enttvid{lung der Produktivkrafte reb zum technischen Fortsdkritt bis zu ernem ge-
hvissen Grade versckwindet, daB mit dem kapitalisti-
entstehen multe, so ist es alles andere als ein Weg sdhen
zur Beseitigung des Widerspruch"s zhvischen den Pro- Monopol such die olconomische Moglidklceit ont-
dulctivkraften and den kapitalistischen Produlctionsver- steht, den technischen Fortschritt kiinstlich aufzuhalien.
haltnissen. Denn das kapitalistische Mono of beseiti t Die Faulnis des niedergehenden Kapitalismus kommt
P g u. a. dahin zum Ausdruck, daB die dutch den Iton-
nicht die kapitalistisc hen Produktionsverhaltnisse, deren kurre
Umwandlun nzkampf bedingie Nohvendiglceit, die Produlctrv-
g in sozialistische Produktionsverhaltnisse krafte standig Weiler
zur gesellschaftlichen Notwendigkert geworden 1st. War das Monopol zu aufgehoben wind. eirt, Die nd. DieseTendze Tend a enz des es
der Kapitalismus der freien Konkurrenz gegenuber dem Mo
Feudalismus ein forlschrittliches System - allerdin s nopolkapitalismus zur Stagnation, zur Faulnis, zum
g Parasitismus ist die grundlegende Tendenz, die das
auf Kosten der Werktatigen -, so verwandelte er sich Wese
jetzt zu einem parasitaren, verfaulenden, sterbenden gan desngsperiode Kapt bestimmtmmt.2us in semen heuligen Nieder-
System, das beseitigt werden mull, soil die gesellsehaft- )
lithe Entwicklung weitergehen. Diese Erkenninis der parasilaren Rolle des Monopols
Diese Feststellung Lenin's, daB das lcapitalistische hinderte Lenin nitht, immer wieder zu betonen, daB da-
Monopol die Tendenz zur Stagnation alit Faulnis auf durdk die Moglichketi, auch in Imperialismus den teclk-
allen Gebieten - and damit audh in der Produktion- nischen Fortschritt anzuwenden, nicht aufgehoben wind
erzeugt, ist. seit jeher von alien Verteidigern des Kapi- Er wies in diesem Zusammenhan auf zw
talismus angegriffen worden. Wenn die Vertreter der sachen hin dutch di g ei Tal-
imperralistisclhen Bourgeoisie Bich da a en h w e such die Monopole veranlalit
g g venden alit erden,technische Neuerungen einzufahren
behaupten,.. daB unter imperialistischen Bedingungen '
kinbegrenzte Moglichlceiten der technischen Enttvidclung pole Einmal niemals dadurck, daB dutch die Herrschaft der Mono-
vorhanden srnd, so entspricht diese falsche Behauptung der Kpnkurrenzkampf restios and auf lange
ihren lcapitalrstischen Klasseninteressen. Denn fur she Zeit ausgeschaliet werden kann; zum anderen, daB das
handelt es ?sich datum, die Arbeiterklasse ub Monopollcapital jede ibIoglichkeit, dutch iechniscke Vel?-
er die besserungen die Produkttonsko
wirklichen Entwicklungstendenzen zu tauschen, um jeder step zu senken, aus-
Miiglichkeit der Erschdtterung der Monopolherrschaft nutzen wind.
vorzubeugen. Wenn sozialdemokratishe Ideologen eben- Aber die Tendenz zur Stagnation
falls diese der Arbeiterklasse feindliche Auffassung den MonoP r of e' alit ni ge-
gen fist, wirkt nach vie wor or alid t ge-
vertreten, so entspricht das der Abl
h
e
nung der sozi
a-
listischen Revolution and fiihrt zwangslaufig zu einer
Verteidigung des Kapitalismus. Wenn aber in jugosla-
wischen Zeitschriften, zum Beispiel in der Nasa Stvar-
nost, unter dem Deckmantel des ?Kampfes gegen
den Dogmatismus" bestritten wird, daB die Charak-
terisierung des Imperialismus als parasitarer Kapitalis-
mus heute noch zutreffe, mull man die Frage stellen,'
2) Die Stagnation, die FSulnis and der Parasitismus des Im-
perialismus treien nalitrlich auf alien Gebieten des gesell-
schaftlichen Lebens in Erscheinung, wie z. B. in der Her-
aysbildung von Rentnerschichten and Rentnerstaatcn, im
Anwachsen der unproduktiven Arbeit, In der Militarisie-
rung der,Volkswirtschaft, in dem Verfall des Setulungs-
und Bildungswesens, In dcr Korrumpierung von Sehichten
der Arbeiterklasse and in der poiltischen Reaktton nach
innen and aul3en.
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winnt in einzelnen Industriezweigen, in einzelnen Lan-
dern fur gewisse Zeitraume die Oberhand 3)
Das wird auchimmer wfederdurch diePraxis bewiesen.
1st etn Monopol stark genug, um langere Zeit Produk-
tion und Markt zu beherrschen, dann setzt sick die Ten-
denz zur Stagnation durch, wird der technische Fort-
schritt aufgehalten. Verscharft sick aber der iConkur-
renzkampf, wind durch diesen die I?Ierrschaft eines Mo-
nopols bedroht, dann crgibt sick die Nolwendigkeit,
durch EinfQhrung technischer Neuerungen Sieger im
Konkurrenzkampf zu bleiben. Ms Henry Ford eine Mo-
nopolslellung'in der amerikanischen Autoindustrie ein-
nahm, produzierte er 19 Jahre lang sein T-Modell, das
die Amerikaner spottisch ?Tin-Lizzy" (Blech-Lizzy)
nannten, Erst die hvachsende Konkurrenz, vor allem
durch die General-Motors-Corp. mit ihrem ?Chevrolet",
zwang audi ihn Ende der zwanziger Jahre, Automobile
zu produzieren, die dem neuesten Stand der technischen
Entwicklung entsprachen. Heute steht die General-
Motors weitnus an der Spitze der amerikanischen Auto-
mobilproduktion, und der von diesem Riesenunterneh-
men mit 675 000 Arbeitern und Angestellten gefuhrle
Kanhpf um die absolute Monopolstellung findet semen
Ausdruck darin, daB die Betriebe der Fahrzeugindustrie
sick gegenseitig in der Amvendung der neuesten tech-
nischen Errungenschaflen zu Ubertrumpfen versuchen.
Es ist also durchaus moglich und widerspricht nicht
dem von Lenin erkannten parasitaren Charakter des
Monopolkapitals, daB in bestimmten Zeiten fur be-
stimmte Industriezweige, daruber hinaus audh fur ganze
Lander, eine schnelle Entwicklung der Produktivkrafte
crfolgt. Aber diese durch den Konkurrenzkampf er-
zwungene Entwicklung ist nur eine zeitweise, voruber-
gehende. Denn sic fuhrt zu einer weiteren Konzentra-
tion der Produktion und des Kapitals und dadurch
zwangslauflg zu einer starkeren Monopolbildung. Dar-
aus crgibt Bich, daB in zunehmendem MaBe die durch
das Monopol bedingte Tendenz zur Hemmung des tech-
nischen Fortschritts und damit der Stagnation in der
industriellen Entwicclung insgesamt gesehen, die be-
stimmende Tendenz 1st. Die durch das Monopol gewis
sermaflen konservierlen kapitalistischen Produktions-
verhi ltnisse stellen, vie Lenin schrieb, eine HUlle dar,
die ihrem Inhalt bereits nicht mehr entspricht
und daher unvermeidlich in Faulnis geraten muB, wenn
ihre Beseitigung kunstlich verzogert wird ..
Unter dente Eindruc; der offensichtlichen Stagnations-
erscheinungen in der kapitalistischen Wirtschaft zwischen
den beiden Weltkriegen und der each dem durch die
Kriegsproduktion hervorgerufenen Aufschwung wieder
stark absinkenden Produktion in den ersten Jahren
nach dem zweiten Weltkrieg verbreitete rich die Auf-
fassung, 'daB fur den Imperialismus die Moglichkeit
einer Entwicklung der Produktivkrafte nicht mehr ge-
geben sei. Diese ?Theorie einer absoluten Stagnation"
widersprach der von Lenin gewonnenen Erkenntnis,
daB die aus dem Monopol sick ergebende Tendenz zur
Stagnation die Moglichkeit einer zeitweiligen Entwic:-
lung, eines vorubergehenden Produktionsaufsdnvungs
nicht ausschlietit. Sic entsprach auch nicht der kapita-
listischen Wirklichkeit nach 1945.
8) Ebenda, S. 899.
4) ?benda. S. 879.
66
Die in den letzten 10 Jahren vor sick gegangene Ent-
wicklung in den kapitalistischen LSndern beweist ein-
deutig die Richtigkeit der Leninschen SchluBfolgerung,
daB die Faulnis des Kapitalismus eine rasche Zunahme
der Produktion einzelner Produktionszweige und ein-
zelner Lander fur eine gewisse Periode nicht aus-
schliellt. Das beste Beispiel dafur 1st die wirtschaftliche
Entwicklung Westdeutschlands nach 1950. Nachdem das
deutsche Monopolkapital Bich mit Unterstutzung der
westlichen Besatzungsmachte, 'or allem des USA-Im-
perialismus, wieder in Deutschland - allerdings nur in
cinem Tell Deutschlands - eingerichtet hatte, ist seen
Hauptbestreben darauf gerichtet, schnelistens die ver-
lorengegangenen Positionen wiederzugewinnen. Von
1950 bis 1950 wuchs 'die Industrieproduktion um rund
92 Prozent, wobei die Einrittung und Modernisierung
der Produktionsanlagen einen wesentlichen Anteil bat-
ten. Das kommt in der Tatsache zum Ausdruck, daB die
Investilionsguterindustrien (Stahlbau, Maschinenbau,
Fahrzeugbau, Schiffbau, elektrotechnische, feinmecha-
nische und optische Industrie, Eisen-, Stahl- und Me-
tallwaren) den groBten Produktionszuwachs hatten,
namlich rund 143 Prozent. Die andere Seite dieser Ent-
wicklung ist der ungewohnlich schnelle Konzentrations-
prozeB des Kapitals, der dazu gefuhrt hat, daB heute die
westdeutsche Wirtschaft faktisch von 12 Monopolgrup-
pen beherrscht wird.
Diese Entwicclung wird nun von einer Reihe sozial-
demokratischer Ideologen zum AnlaB genommen, um
die am Anfang des Jahrhunderts aufgetauchten revisioni-
stischen Auffassungen aber eine durch die Entwicklung
der Produktivkrafte hervorgerufene Umwandlung des
Kapitalismus in einem neuen Gewande aufzutischen.
Diese ausdrucklich gegen die revolutionare Aktion der
Arbeiterklasse gerichtete ?Theorie" leugnet die Rolle
der Produktionsverhaltnisse bei der Entwicklung der
Produktivkrafte. Einige ?Theoretiker", die sich zur
Tauschung der Arbeiterklasse sogar auf Marx berufen,
erklaren, daB die Aufhebung des Privateigentums an-
geblich bereits durch die Aktiengesellschaften erreicht
werden ist. Im Zusammenhang mit der Anwendung
der Kernenergie und der Automatisierung der Produk-
tion entwickeln fuhrende, Funktionare der SPD wie
Knceringen, Deist, Brand und Schmidt eine ?Theorie
von der zweiten industriellen Revolution", mit der sic
zu beweisen versuchen, daB die technischen Veranfle-
rungen in der Produktion automatisch zu einer ,,Revo-
lution der gesellschaftlichen Beziehungen" fuhren und
eine Verbesserung der Lebenslage zur Folge haben
wurden. Dabei wind als selbstverstandlfch voraus-
gesetzt, daB sick die Produktivkrafte ungehemmt ent-
wickeln konnen. In seinem im Jahre 1955 erschienenen
Buch ?Marx und die Gegenwart", das heute der SPD
als theoretiseher Leitfaden dient, versucht der jetzt in
den USA lebende Sozialdemokrat Fritz Sternberg zu
erklaren, daB die Konzeption von Marx uber die kapi-
talistischen Entwicklungstendenzen heute nicht mehr
zutrafe und Lenins Vorstellungen falsch gewesen waren.
Fur ihn ist Sozialismus die ?Beseitigung der Armut",
wobei er es nicht nur fur moglich, sondern sogar fur
wahrscheinlich halt,
daB in den USA im Rahmen der kapitalistischen
Produktionsweise die Armut zum Ubeiviegenden Teil
beseitigt hvird."
Allerdings macht er vorsichtigerweise die Einschran-
kung, daB dazu der Frieden erhalten bleiben muB und
keine tiefgehende Krise eintreten darf. Damit greift er
zu den bei den Apologeten des Imperialismus, U. a.
bei den rechten SPD-Fuhrern, beliebten Kunstgriff, die
sick aus der Entwicklung des Kapitalismus zwangs-
laufig ergebenden Zerfallserscheinungen als auBere Zu-
falligkeiten hinzustellen. Entscheidend 1st fur ihn die
Entwicklung der Technik, die nach seiner Auffassung
nicht durch die Monopole gehemmt, sondern geradezu
gefordert wind. Wie alle Apologeten des amerikani-
schen Imperialismus versucht Sternberg, diese angeb-
liche Entwid:lung zur ?Beseitigung der Armut" mit
dem gestiegenen Einkommen einiger Schichten der Be-
volkerung zu beweisen. Dabei halt er es nalurlich nicht
fur erwahnenswert, daB Millionen Farmer ruiniert
wurden und werden, daB es in den USA rund 10 Mtl-
lionen Arbeitslose und Kurzarbeiter gibt, daB infolge
der skrupellosen Arbeitshetze alle 10 Sekunden cin
Arbeiter verungluckt und daB nach dem Bericht eines
KongreBausschusses ?20 Prozent aller amerikanischen
Familien am Rande des Elends leben".
Es 1st klar, daB Sternberg, dessen ganze ?Theorie"
von der ?Transformation des Kapitalismus" auf die an-
geblich fortschrittliche Rolle der Monopole .aufgebaut
ist, heftig gegen die auch in sozialdemokratischen Krei-
sen nicht unbekannte Leninsche These vom parasitaren
Charakter des Imperialismus polemisiert:
Die Leninsche Ansdhauung, daB die Monopole den
Fortschritt hemmen, daB sic darum parasitar seien, habe
Bich als vollig irrig herausgestellt, behauptet Sternberg.
Diese fur seine Konzeption notwendige Behauptung
begrundet er damit, daB die Riesenbetriebe - so
umschreibt er den Begriff Monopol - Trager des
technischen Fortschritts und hierin den kleinen und
mittleren Betrieben uberlegen seien. Sternbergs Be-
hauptung, die er ubrigens durch keine konkreten Tat-
sachen zu beweisen versucht, sei hies fur alle anderen
ahnlichen Auffassungen gestellt, denn sic versucht zwei
Tatsachen als ?Beweise" gegen den Marxismus-Leninis-
mus auszunutzen.
Die eine besteht darin, daB in den kapitalistischen
Landern Technik und Produktion in den letzten Jahr-
zehnten ein gutes Stuck weiterentwickelt wurden. Nun
hat bekanntlich Lenin diese Moglichkeit einer Ent-
wicklung der Produktion und Technik nie abgestritten,
sondern ausdrucklich betont. Wohlweislich ubergeht er
die von Lenin hervorgehobene Tatsache, daB diese Ent-
wicclung sehr ungleichmaBig und nur zu bestimmten
Zeiten in bestimmten Industriezweigen und Landern
erfolgt. Der durch das Monopolkapital hervorgerufene
Parasitismus besteht gerade darin, daB durch ihn eine
allseitige und kontinuierliche Entwicclung unmoglich
gemacht wird.
Der zweite angebliche Beweis geht von der Tatsache
aus, daB neue Technik in den groBen Monopolunter-
nehmen angewandt wird, aber nicht oder sehr selten
in kleinen und mittleren Betrieben. Daraus. wird dann
die SchluBfolgerung gezogen, daB gerade die Monopole
die Trager des technischen Fortschritts seien.
Diese .,Beweisfuhrung" verzichtet bewuBt auf eine
theoretische Anal3 se und bleibt an der Oberflache der
kapitalistischen Gesellschaft hangen, Denn sonst hatle
Sternberg zu der SchluBfolgerung kommen mussen, daB
die Monopole nicht deswegen den technischen Fort-
schrilt anwenden, veil sic Monopole, sondern indu-
strielle GroBbetriebe sind.
Es liegt auf der Hand, daB es heute den kleinen und
mittleren Betrieben unmoglich ist, die neuesten Er-
gebnisse auf dem Gebiet der Automatisierung und der
Elektronik anzuwenden, geschweige zu entwickeln. Die
in die Millionen und Milliarden gehenden Kosten kon-
nen nur von Kapitalen aufgebracht werden, tivie sic in
den groBen Monopolvereinigungen konzentriert sind.
Nur die groBen Konzerne sind in der Lage, die Labora-
torien, Forschungsinstitute und Versuchswerkstatten zu
unterhalten, die bei den heutigen Anforderungen an
Wissenschaft und Forschung notwendig sind. Es sei in
diesem Zusammenhang nur darauf hingewlesen, dali
allein ein MaterialprUfreaktor rund 50 Millionen DM
kostet. Wenn also die wissenschaftliche Forschung und
die Anwendung der neuesten Ergebnfsse der Technik
in den Handen der groBen Monopole liegt, so 1st das
nicht ein Ausdruck der besonderen Fortschrittlichkelt
der Monopole, sondern dafur, dali durch den t7bergang
zum Monopol die Vergesellschaftung der Produktion
schnelle Fortschritte macht.
?Im besonderen wind auch der Prozel der techni-
schen Erfindungen und Vervollkommnungen vergesell-
schaftet "s)
Dieser Hinweis Lenins wird durch die neueste Enl-
wicklung glanzend bestatigt. Die Anwendung der Kern-
energie setzt so umfassende und kostspielige For-
schungs- und Entwicklungsarbeiten voraus, daB sic be-
reits uber den Rahmen der einzelnen Monopolverbande
hfnausgehen und nur uber die Ausnutzung des Staats-
apparates mit semen Finanzierungsmoglichkeiten oder
uber die Biliiung internationaler Monopole, tivie das
?Euratom", durchgefUhrt werden konnen. Es ist heute
kein Geheimnis mehr, daB es unter kapitalistischen
Verhaltnissen unmoglich ware, daB ein kleiner Staat
Forschungsarbeiten in dem Umfange durchfuhren kann,
vie es z. B. in der Deutschen Demokratischen Republik
der Fall ist.
Die von den Verteidigern des Kapitalismus ins Feld
gefUhrte Tatsache, daB heute groBe technische Ent-
wicclungen nur nosh von den Monopolen durchgefuhrt
werden konnen, ist aber nur eine Seite. Die andere,
wesentliche Seite ist, daB durch das Monopol das Privat-
eigentum an den Produktionsmitteln nicht aufgehoben
ist. Der Parasitismus hat gerade seine tiefe Ursache
darin, daB die gesellschaftliehen Produktionsmittel
Privateigentum einer kleinen Anzahl von Monopol-
kapitalisten sind, die die wirtschaftliche Entwicklung
und, indem sic sich dem Staatsapparat unterwerfen,
auch die politische Entwicklung ihren Profitinteressen
anpassen.
?Der Kapitalismus ist so weit entwickelt, daB die
Warenproduktion, obwohl sic nach vie vor herrscht
und als Grundlage der gesamten Wirtschaft gilt, in
Wirklichkeit bereits untergraben ist und die Haupt-
profite den Genies der Finanzmachenschaften zufallen.
Diesen Machenschaften und Schwindeleien liegt die
Vergesellschaftung der Produktion zugrunde, aber der
5) Ebenda, S. 784.
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gewaltige Fortschritt der Menschheit, die sick bis zu
dieser Vergesellschaftung emporgearbeitet hat, kommt
den - Spekulanten zugute ?)
Kann man .die an der Macht befindlichen Manner
in der Bundesrepublik besser charakferisieren, denn
als gewissenlose Spekulanten? Sic spekulieren nicht
nur an der Borse, sondern vor allem in der Arena der
Weltpolitik. Sic spekulieren auf Unruhen in der Deut-
schen Demokratischen Republik, sic spekulieren dar-
auf, daft durch ihre Politik des kalten Krieges eine
Panikslimmung hervorgerufen wird, sic spekulieren
darauf, daB das sozialistische Lager vor ihrer ?Politik
der Starke" zuruckweicht, sic spekulieren vor allem
mit der Moglichkeit, einen neuen Krieg entfesseln zu
konnen and alles nur, um ihre Positionen zu festigen
and Ihre Profite zu erhohen. Wie kann man von solchen
Spekulanten erwarten, daB sic bestrebt sind, den gesell=
schaftlichen Fortschritt zu entwirkeln?
Wenn die Monopole technische Neuerungen einfuhren,
dann nur deswegen, veil auch ihnen gegenuber die
okonomischen Gesetze des Kapitalismus sich als Zwangs-
gesetze der Konkurrenz geltend machen. Aber gerade
das Bestreben der Monopole, Ihre Herrschaftsstellung
mit alien Mitteln zu erhalten, wirkt dieser Tendenz
entgegen and fuhrt immer wieder zu Perioden der
Stagnation. Audi das Bestreben der Monopole, die
Lohne der Arbeiter auf einem moglichst niedrigen
Niveau zu halten, wirkt der technischen Erneuerung
von Produktionseinrichtungen entgegen. Aber auch dort,
wo die Monopole nun einmal gezwungen sind, die
neueste Technik einzufuhren, kommt die Faulnis des
niedergehenden Kapitalismus zum Ausdruck. Dean
neue Technik wird nur angewandt, um durch Senkung
der Produlctionskosten die Profite zu erhohen, auf
keinen Fall aber, um dem Arbeiter die Arbeit zu er-
leichtern, vie es im Sozialismus der Fall 1st. In einem
in der wesldeutschen Unternehmerzettung ?Handels-
blatt" vom 1. Februar 1957 veroffentlichten Artikel
uber die Automatisierung heiflt es:
?Selbst Mammutunternehmen (wieder eine Umschrei-
bung fur das Wort Monopol. W. S.) ..., die sich eine
solche koslspielige Ausrustung leisten konnen, werden
nicht ihre gesamte Produlction vollautomatisieren, son-'
dern nur die Arbeitsgange, bei denen das wirtschaft-
lich gerechtfertigt ist."
?\lrirtsdhaftiich gerechtfertigt" bedeutet, daB.die Ein-
sparung von Arbeitslohnen hoher 1st als die Amorti-
sationskosten der ?kostspieligen Einrichtungen", also
Massenentlassungen von Arbeitern, Senkung der Lohne
and hohcre Anforderungen. Deswegen sieht der Artikel-
schreiber die wesentlichen Schwierigkeiten ?auf dem?
Arbeitsseklor", die, vie er meint, ?uberwiegend psycho-
logiseher Natur" sind. Wahrscheinlich will er damit zum
Ausdruck bringen, daB er sich dock nicht ganz sicher
ist, vie weit es sich die Arbeiter gefallen lassen wer-
den, daB die Entwicklung der Produktivkrafte im Im-
perialismus sich auf die Einfuhrung newer Maschinen
and Produktfonsverfahren beschrankt, dagegen die wich-
tigste. Produktivkraft, die menschliche Arbeitskraft,
zerslort wird.
6) Ebenda, S. 785.
68
Wean das Monopolkapital den technischen Fortschritt
in groBerem Umfange amvendet, so fuhrt das nicht zur
?Beseitigung der Armut" oder zu einem ?Hineinwach-
sen in den , Sozialismus", vie seine ?Theoretiker" be-
haupten, sondern zu einer weiteren Verscharfung der
Klassengegensatze, die in wachsenden Kampfen der Ar-
beiterklasse zum Ausdruck kommt. Das beweisen die
grollen Streiks in der amerikanischen and in der eng-
lischen Automobilindustrie, die bereits durch die ersten
Anfange der Aulomatisierung hervorgerufen wurden.
Auch der monatelange Metallarbeiterstreik in Schles-
wig-Holstein zeigt, daB die Gesetze des Kapitalismus
wirken, daB auch in Westdeutschland Ausbeutung and
Verelendung der Arbeiterklasse zunehmen. Alle diese
Beispiele beweisen umviderlegbar, daB in den kapi-
talistischen Landern nicht die Lohntute das alleinige
Merkmal der wachsenden Verelendung der Arbeiter-
klasse ist, and daB die Arbeiter auch in der Kon-
junktur dem Gesetz der Verelendung unterworfen sind,
dessen Wit-ken gerade in der unerhort gesteigerten Ar-
beitshetze in den westdeutschen Besrieben zum Ausdruck
kommt. Es gehort schon eine grolle Portion Frcchheit
dazu, um die Behauptung aufzustellen, daB durch die
weiter fortschreitende Automatisierung der Gegensatz
zwischen Kapital and Arbeit verschwinden wurde. An-
scheinend sind die herrschenden Krafte in den imperia-
listischen Landern durchaus nicht davon uberzeugt, daB
die weitere Entwicklung zu ihrer Zufriedenheit ver-
laufen wird. Denn sonst hatten sic es doch nicht notig,
sich einen gewaltigen Machtapparat zu schaffen, um
jede forlschrittliche Bewegung unterdrucken zu konnen.
Ein besonders uberzeugender Beweis fur den Parasi-
lismus des die kapitalistische Entwicklung bestimmen-
den Monopolkapitals 1st die Entwicklung in den sozia-
listischen Landern, vor allem in der UdSSR. Die Tat-
sache, daB aus einem der rudcstandigsten kapitalisti-
schen Lander, dem zaristischen RuBland, innerhalb
des verhaltnismaBig kurzen Zeitraums von 40 Jahren
ems der am h5chsten entwickelten Industrielander
wurde, zeigt die tlberlegenheit der sozialistischen Pro-
duktionsverhaltnisse. Diese t)berlegenheit wird noch
eindeutiger, wenn man berucksichtigt, daB der erste
sozialistische Staat auf sich selbst gestellt, standig be-
droht and zweimal einer blutigen Aggression ausgesetzt
war Aber das hinderte ihn nicht, ein weit schnelleres
Entwicklungstempo der Produktion als jedes andere
kapitalistische Land zu entfalten. Heute mussen auch
die Fachleute des Westens eingestehen, daB die UdSSR
auf vielen Gebieten der Wissensehaft and Technik an
der Spitze der ganzen Welt stehen, and jede Leipziger
Messe ruft immer wieder das Erstaunen der ]capita-
listischen Welt uber die technischen Neuheiten der
sozialistischen Lander hervor. Es 1st daher'kein Zufall, -
daB die Imperialisten einen so grofien Wert auf den
?Eisernen.Vorhang" legen and sich gegen die Aufnahme
normaler Beziehungen zu den sozialistischen Landern
strauben. Ihr ganzes, muhsam aufrechterhaltenes Argu-
ment von der ?westlichen tTerlegenheit" wurde ange-
sichts der Tatsachen sehr bald zusammenbrechen.
Das Monopolkapital. konnte deswegen seine unein-
geschrankte Herrschaft uber die kapitalistische Welt
ausuben, veil es uber die fortgeschrittenste Produktion
verfugte. Seine Herrschaft ermoglichte es ihm, alleihi-
ger NutznieBer der Entwicklung der Produktivkrafte
I ?1
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zu sein and jede Entwidtlung der Produktivkrafte, die
nicht semen Interessen entsprach, zu verhindern. Es
konnte die technische Entvicklung in den Kolonien and
Halbkolonien mit ihren Hunderten von Millionen Men-
schen bewufit hemmen, um sich eine wichtige Voraus-
setzung zur Sicherung seiner Herrschaft zu erhalten.
Dieser Zustand hat sich mit der Existenz des sozia-
listischen Weltsystems grundlegend verandert. Einmal
1st die Entwicklung auf einem Drittel der Erde dem
EinfiuB des Monopolkapitals uberhaupt entzogen. Zum'
anderen aber zwingt die schnelle Entwicklung der sozia-
listischen Produlction die Monopole, ebenfalls die Ent-
wicklung der Produktivkrafte zu beschleunigen, um
nicht auf ihrem eigenen Markt ins Hintertreffen zu ge-
raten. So wurde die friedliche Anwendung der Atom-
energie in den USA jahrelang gehemmt, nicht zuletzt
durch den Einllufi der grollen Erdo"1-, Kohien- and Elek-
trizitatskonzerne, die um ihre Profile furchteten. Aber
der Vorsprung der UdSSR auf diesem Gebiet twang
schlieBlich auch das Monopolkapital in den letzten Jah-
ren, diese Entwicklung zu fordern, wobei sich hier vie
auch auf anderen Gebieten efn deutliches Zuruckbleiben
der kapitalistischen Lander hinter der sozialistischen
Entwicklung zeigt. Das kann auch gar nicht anders sein,
dean selbst da, wo das Monopolkapital zur Anwendung
der neuesten Technik gezwungen 1st, kann es die ihm
selbst immanenten Hemmnisse nicht aufheben. Im
Grunde genommen zehrt die ganze Argumentation von
der angeblichen ,,Uberlegenheit des Kapitalismus" nur
davon, daft die sozialistischen Lander heute noch nicht
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auf alien Gebieten zur vollen Entfaltung der Produktiv-
krafte gelangt sind. Das ist aber morgen bereits ganz
anders.
Der Sozialismus hat den friedlichen Wettbewerb nicht
zu furchten, wohl aber der Imperialismus. Deswegen
versuchen die Imperialisten mit Schutzzollen, Embargo-
bestimmungen, Handelsdiskriminierungen, sowie solchen
Methoden, vie der Eisenhower-Doktrin and anderen
aggressiven Akten diesem Wettbewerb moglichst auszu-
weichen, aber gleichzeitig auch den sozialistischen Auf-
bau zu storen. Die ganze Perspektivlosigkeit and Ge-
fahrlichkeit des Imperialismus, die Unmoglichkeit, mit
der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten,
kommt letzten Endes in der Hoffnung zum Ausdruck,
durch Enlfesselung von Vernichtungskriegen die eigene
Herrschaft zu erhalten, indem die sozialistische Entwick-
lung aufgehalten wird, oder vie in Ungarn wieder ruck-
gangig gemacht werden sollte. Das 1st naturlich un-
moglich, denn das Rad der Geschichte laBt sich nicht
zuruckdrehen. Aber wir mussen sehen, daB die Machen-
schaften der USA-Monopole and ihres Hauptverbun-
deten in Europa - das Monopolkapital Westdeutsch-
lands - eine gefahrliche Bedrohung der Menschheit
bedeuten, die nur durch den gemeinsamen Kampf alley
forischrittlichen Krafle unter Fuhrung der gesamten
Arbeiterklasse abgewendet werden kann. In der geetn-
ten deutschen Arbeiterklasse an der Spitze des deut-
schen Volkes entsteht jene unuberwindliche Kraft, die
den Imperialismus and Militarismus in Westdeutsch-
land fur immer hinwegfegen wird.
69
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ll(lnz 11'uthuwiiz
Unacr Z UL U L u. s,crrm ihrer Agrarpolitik, bei der
sozialistischen Umgestaltung unserer Landwirtschaft
von den Grundgedanlcen des Leninschen Genossen-
schaftsplans leiten.
Der Leninsche Genossenschaftsplan stimmt mit den
Hinweisen uberein, die Karl Marx and besonders
Friedrich Engels fiir? die sozialistische Umgestaltung
der Landwirtschaft gegeben haben. Friedrich Engels
schrieb 1886 in einem Brief an Bebel:
daB wir beim Ubergang in die kommunistiscke
Wirtschaft den genossenschaftlichen Betrieb als Mittel-
stufe in ausgedehntem Malle werden anwenden mussen,
daran haben Marx and ich nie gezweifelt"1)
Und in seiner Arbeit uber ?Die Bauernfrage in
Frankreich and Deutschland" entwickelte Friedrich
Engels in den Grundzagen den Weg, den die Partei
nach der Errichtung der politischen Herrschaft der
Arbeiterklasse bei der Uberlettung der Masse der
Bauern zum Sozialismus einschlagen mull. Er betont,
daB die Arbeiterklasse nicht daran denken kann, die
werktatigen Bauern zu enteignen, sondern ihnen nach
der Machtergreifung eine ?verlangerte Bedenkzeit" auf
ihrer Parzelle geben muff mit dem Ziel, sic fur die
genossenschaftlidie sozialistische GroBproduktion zu
gewinnen, ?nicht mit Gewalt, sondern durch Beispiel
and Darbietung von gesellsckaftlicher? Hilfe zu diesem
Zweck'.2)
Weiter zeigte Engels, daB die Erricktung der politi-
schen Herrschaft der Arbeiterklasse and der genossen-
sckaftliche Zusammenscklul3 fur die werktatigen Bauern
die einzige Moglichkeit ist, sic/ als Bauern zu behaup-
ten, denn im Kapitalismus werden sic unausbleiblich
ruiniert
Der Leninsche Genossenschaftsplan baut sick auf die-
sen Grundgedanlcen auf. Er steilt eine Weiterentwicc-
lung and Konkretisierung dieser Gedanken unter den
Verhaltnissen des an der Macht befincllichen Proleta-
riats ciar, this den sozialistischen Aufbau auch auf dem
Lande praktisch in Angriff nehmen muBte. Lenin arbei-
tete einen konkreten Plan zur? sozialistischen Umgestal-
tung der Landwirtschaft aus. Besonders begrundete er
die Notwendigkeit des Bundnisses der Arbeiterklasse
mit den werktatigen Bauern beim Aufbau des Sozialis-
mus Lenin betonte, daB die Diktatur des Proletariats
ein Klassenbundnts der Arbeiterklasse mit den werk-
tatigen Bauern unter Fuhrung der Arbeiterklasse mit
dem Ziel des Aufbaus des Sozialismus darstellt. Lenin
zeigte, daB unter den Bedingungen der Diktatur des
Proletariats and des staatlichen Eigentums an alien
entscheidenden Produktionsmitteln die Entwicklung des
Genossenschaftswesens der Weg ist, um die Millionen-
massen der werktatigen Bauern in den sozialistischen
Aufbau einzubeziehen.
1) Marx, Engels, Bride an A. Bebel, W. Ltebknecht, K. Kautsky
and andere, Tell I, Verlagsgenossenschaft ausltindiscrer
Arbeiler in der UdSSR, Moshau-Leningrad 1933, S 430.
2) Marx/Engels, Ausgewtihlte Sch iflen in zwel B:inden, Bd. II,
Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 406-400.
70
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Die akiuelle Dedeulun der Le
g ninsd.erung der Leitunb
Grandfrab g
,
>.n ~'en der D b
~iebetrieben
en Indust>.
den volkse>.ben
Von WILHELM KLAMPFL and GERHARD HERRMANN
ezentralisierun der Leitung im bremsen, staat sic zu fordern, and wiirden uns um
I. Das Wesen der D g Bute Resultate der bisherigen Arbeit bringen, wur-
Betrieb eb
n wir die Inangriffnahme der Arbeit verzogern
d
ung es p
) Deshalb hat die Vereinfac
arbeit der\Verktatigen am sozialistischenAufbau.
Die Durchsetzung des demokratischen Zentralis- tes, die Vervollkommnung der Methoden der Lei-
-
Einhaltung mus erfordert der von den B staathchen Detrlebsleitungen die strenge tung des Staatsapparates eine aulierordentliche hen.. Be.
irektiven die Organi- deutung fur die weitere Entwicklung. Wir ge
t estellten Auf- nicht von Erwagungen vie z. B. fiber Einsparung
gaben ung der sowle die Erfullung der Garantievom un rung in Seine/ g umfassenden von Stellen and dergleichen aus, sondern es geht um
ab "hrun
g
Verktati en an der Leitung des die prinzipielle Frage der Welter u g unseres
Beteibes. aller g staatlichen Aufbaus im Sinne des d e m o k r a t i -
B e t r i e b e s s c h e n Z e n t r a l i s m u s, der das Grundprinzip
Die Formen and Methoden zur Durchsetzung die- unseres staatlichen Aufoaus ist.
ses Prinzips der Leitung der sozialistischen Wirt-
Formen and Methoden der Lei-
Wirksam-
Ih
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Es mussen so
schaft Sind vielfaltig and wandelbar.keit hangt entscheidend davon ab, inwieweit sic den tung der Volkswirtschaft and der anderen Zweige
1 e ebenen konkreten Bedingungen entspre- des Staatsapparates entwickelt werden, die der bes-
s
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? ihres BewuBtseins Einflu6 nehlnen zu konnen. Wir Fortschrltdts un die
Kontrolle der Durchfahrung der Be-
iclclung zu fragen un
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kulturellen Aufbaus, den herangereiften neuen
dingun lichen Aufgaben; die ~Skonomik der Industriezcveige,
g en anzupassen, um in verbesserter Form auf
? ? , ?? die Fragen des wissenschaftlichen and technischen
die EnhvicklunQ der Initiative der Wer,ctatigen and-`'ader-
, Neuererbewe mng auf K
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g g
len ei
then. Das betrifft sowohl die Formen and Methoden seren Erfullung des Fiinfjahrplanes and der Ent-
.
zur Verwirklirhung diesel Prinzips in der Organi- wicklung der Volkswirtschaft dienen, die Entfa tung
sation der zentralen staatlichen Leitung als auth in der breitesten Initiative der Bevolkerung ermog-
der Organisation der" Leitung der Betriebe. Der lichen and die strenge Einhaltung des Sparsamkeits-
rch die Beschlusse der Sozialistischen Einheitspar- regimes gewahrleisten." (?ND" Nr. 168, 1957, S. 3.)
du
tei Deutschlands eingeleitete ProzeB der Reorgani-
sation de daQ r die bishestaatlichen Leitung ist Ausdruck der Tat- Die hierzu vorgeschlagenen and in
rigen Formen and Methoden der zum Bericht WALTER ULBRICHTS geforderten
Leitung den neuen Forderungen an die Organisa- MaBnahmen stellen nicht nur an die zentralen staat-
tion der Leitung mchtmehr entsprechen. lichen Organe and die kunftigen Industriezweig-
,?
leitungen erhohte Anforderungen,sondern auth an
WALTER ULBRICHT bezeichnet es in seinem Re be, Fur die'se bedeutet dal ein HochstmaQ
f)ber die Vereinfachung des Staatsapparates die Betrie
feat an Selbstandigkeit and Eigenverantwortlithkeit zu
and die t~nderung der Arbeitsweise der iSlitarbeiter e~. Genau so rule eine zu starre Zentralisie
SED ails l einp arates" auf der 32. Tagung des ZK der -
des St die entrungwickder Leitung die Entwicklung der Eigentnitia-
eine der Hauptaufgaben der Partei; ,~ rive der Betriebe hemmt, so wird umgekehrt eine
Leitung unseres ~virtschaftlichen, staatlichen and 'on der Ministerien ?auf die grundsatz-
onzentrati
B K
'-'V e
i
a en;
warden m die Gefahr ger
schlusse (These 5) um so starker moghch sera, 7e
der mehr die Betriebe die ihnen eingeraumten groBeren
i) eh Di: emo konomik der b iaIIen Indnstrie in elbstandig gebrauchen lernen and zwar im
krasrhen Republik. . er Verla; Die wirsc3iait, Rechte s
Deuschen D
Berlin 1996, S. i8.
- 15
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GRUNDFRAGEN DER DEZENTRALISIERUNG DER LEITUNG IN DEN VEB
Interesse der Starkung unseres Staates gebrauchen
lernen.l)
Das bedingt, auch innerhalb des Betriebes solche
Formen und Methoden der Leitung zu entwickeln
rind zur Anwendung zu bringen, die die Eigenver-
antwortlichkeit der Leiter, besonders der mittleren
Leitungskrafte und das Verantwortungsbewuf3tsein
der gesamten Belegschaft fur die Erfullung der
Planaufgaben erhohen.
Ein wichtiges Mittel hierzu ist die Dezentralisie-
rung der Leitung durch Obertragung grol3erer
Recite und PBichten an die Produktionsabteilungs-
leiter. Der Zweck der Dezentralisierung besteht
einerseits darin,derBetriebsleitung und ihrenFunk-
tionalorganen die Konzentration auf die entschei-
denden Fragen des Betriebsgescrehens zu ermog-
lichen, andererseits wind den Leitern der Produk-
tionsabteilungen eine groBere okonomische Selb-
standigkeit eingeraumt. Es werden ihnen Entschei-
dungen bzw. die Anleitung und Kontrolle von Ar?-
beiten ubertragen, die bei starker Zentralisation der
Leitung zum Verantwortungsbereict des Betriebs-
leiters und seiner Funktionalorgane oder dem Ver-
antwortungsbereich des Kaufmannisclen oder Tech-
nischen Leiters bzw. des Leiters der Abteilung Ar-
beit gehoren.
Die uber?tragene gr?oBer?e Entscheidungsbefugnis
kann sick, dem Prinzip der Einzelleitung entspre-
chend, nur auf die von der Abteilung zu erfullenden
Aufgaben beziehen und muB sic/ im Rahmen der
von der Betriebsleitung gesteliten Planaufgabe be-
wegen. Das erfordert exakte Beauflagung und eine
]dare Abgrenzung der Kompetenzen gegenuber ne-
hen-und ubergeordneten Instanzen sowie der Rechte
und Pflichten der in der Abteilung beschaftigten
Mitarbeiter?. Wichtige Hilfsmittel hierzu sind die
Struktur- und Funktionsplane sowie Organisations-
anweisungen.1)
Die Dezentralisierung von Leitungsfunktionen
gibt den Abteilungsleitern grol3ere Rechte in be-
zug auf die Ausfuhrung des von der Betriebsleitung
gestellten Zieles und die Ausschopfung der Moglich-
keiten, diese mit dem geringsten Ailfwand zu erful-
len.
Die groBere Selbstandigkeit der Produktionsab-
teilungen erzeugt notwendig neue Beziehungen zu
den ubergeordneten Instanzen. Die Zahl der Anwei-
sungen wird eingeschrankt.Dem steht eine Zunahme
der generelllen Regelungen in Form von schriftlich
Bxierten Organiaationsanweisungen gegenuber. Die
Betriebsleitung und denen Hilfsorgane haben an-
dererseits bei starkerer Dezentralisierung der Lei-
tung nicht mehr die standige unmittelbare Bezie-
hung zum Abteilungsgeschehen vie das bei starke-
rer Zentralisierung der Leitung der Fall ist. Je star-
ker die Dezentralisierung der Leitung, um so konse-
quenter mu6 die zentrale Kontrolle der, Arbeits-
1) Vgl. THAM M: ?Neue Leitungsformen der Industriezweige",
in D1e wlrtschaft" Nr. 33/1957.
1) VgL $ericht aber'die Arbellskonferenz ,Detriebsorganlsa-
tron" vom 17. bis 19.Oktober 1955 In Weimar, herausgegeben
von der Kammer der Technik, Zentralleltung?
ergebnisse sein. In Anbetracht dessen gewinnen die
Kontrollorgane der Betriebsleitung eine erhohte Be-
deutung, da von der Qualitat ihr?er? Arbeit die Gute
der Informationen der Betriebsleitung uber die Ar-
beitsleistung und Wirtschaftlichkeit der Abteilungen
in grol3em MaBe bestimmt wird. Auch an die Perso-
nalpolitik stellt die Dezentralisierung hoher?e An-
forderungen.
Die Dezentralisierung der Leitung hat grol3e Be-
deutung fur die Weckung der Initiative der Abtei-
lungsleiter und der gesamten Belegschaft der Ab-
teilung. Wahrend eine starke Zentralisierung den
Leiter der Abteilung zu einem vorwregend ausfuh-
renden Organ der von der ubergeordneten Instanz
erteilten Anweisungen macht, bzw. ihn auf deren
Entscheidungen warten laBt, veranlal3t ihn die l7ber-
tragung grof3erer Verantwortung durch Dezentrali-
sierung zum Suchen eigener Wege. Sic fordert die
Entwicklung einer systematischen kollektiven Zu-
sammenarbeit mit den Meistern, Brigadiers und Ar-
beitern. Eine richtig vor?genommene Dezentralisie-
rung, verbunden mit einem wirkungsvollen System
der materiellen Interessiertheit des gesamten Kol-
lektivs, wird die nicht selten nosh vorhandene Passi-
vitat mancher Abteilungsleiter und Meister in Fra-
gen der Arbeitsnormung, der Entwicklung neuer
und besserer technologischer Verfahren, der Ver-
besserung der Arbeitsorganisation, der Unterstut-
zung der Neuererbewegung, der Organisation so-
zialistiseher Wettbewerbe, der Ausnutzung der in
der Abteilung gegebenen Moglichkeiten zur? Kader?-
entwicklung usw, bewirken, was sick gunstig auf die
Erhohung der Rentabihtat der Betriebe auswirken
wird.
Die Dezentralisierung wird auch eine grof3ere
Selbstandigkeit der Abteilungsleiter? zur? Folge ha-
ben. Sic werden sick mit vielen Fragen nicht mehr?
an die zentralen Instanzen wenden, sondern diese
weitestgehend selbst entscheiden. Damit wird eine
wichtige Voraussetzung fur die Reduzierung der
Leitungsstufen bis zur eventuellen direkten Unter-
stellung der Produktionsabteilungen unter den Di-
rektor des Betriebes geschaff en.
Da die Dezentralisierung die Verantwortung der
Abteilungsleiter erhoht, sic zur regen Mitarbeit an
der Entwicklung des Betriebes und der Verbesse-
r?ung seiner Rentabilitat anspornt sowie die Zusam-
menarbeit der Leiter mit der gesamten Belegschaft
fordert, entspricht sic zutiefst dem Wesen der sozia-
listischen Produktionsverhaltnisse und den Anfor-
derungen des Prinzips des demokratischen Zentra-
lismus an die Organisation der Leitung in den Be-
trieben. .
Die .Erhohung der Selbstandigkeit der Produk-
tionsabteilungsleiter in bezug auf die Vorbereitung,
Durchfuhrung, Lenkung und Kontrolle der Bich in
den Abteilungen vollziehenden okonomischen Pr?o-
zesse erfordert, daB ihnen die fur die Durchfuhrung
der dadurcr erforderlichen Arbeiten benotigten Ar-
beitskrafte zur Verfugung gestellt und die Bedin-
gungen geschaffen werden, die das Erreichen des
16
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r
GRUNDFRAGEN DER DEZENTRALISIERUNG DER LEITUNG IN DEN VEB
durch die Dezentralisierung der Leitung gewunsch-
ten Erfolges garantieren. Dieses muB so erfolgen,
daB es im Gesamtbetrieb nicht zu einer Verteuerung
des Verwaltungsapparates und der Kosten fur die
Leitung des Betriebes kommt.
Oft wind in Gesprachen uber die Bildung von
Funktionalorganen in den Produktionsabteilungen
der Eimvand erhoben, daB dieses nur zu einer Er-
hohung des Verwaltungspersonals fuhren wurde.
Dieser Einwand ist berechtigt, wenn es sick nur um
kleine Produktionsabteilungen handelt, bei denen
eine u m f a s s e n d e Dezentralisierung tatsachlich
eine solche Erhohung zur Folge hatte. (Eine umfas-
sende Dezentralisierung wird nach den in der CSR
gesammelten Erfahrungen erst in Abteilungen mit
uber, 300 Produktionsarbeitern rationell.) Trotzdem
kann auch bei kleineren Produktionsabteilungen
eine Dezentralisierung in begrenzterem Umfange
erfolgen, ohne daB diese zu einem Anwachsen des
g e s a m t e n VerwaltungspersonalS fuhren muB.
Selbst bei geringen Erhohungen des Verwaltungs-
personals auf Abteilungsebene ist es moglich, diese
Erhohungen durch eine Einsparung von Verwal-
tungskraften an anderen Stellen auszugleichen.
Letzteres wird meistens ubersehen. Ferner wird bei
dieser Argumentation nicht iminer beachtet, daB
eine Unterstellung' von Funktionalorganen unter?
den Abteilungsleiter oft nur eine Veranderung der
personellen Unterstellung bereits vo1?-
h a n d e n e r Krafte bedeutet, die nicht selten schon
staildig in der Produktionsabteilung ihren Arbeits:
platz haben, jedoch personell und fachlich den der
Produktionsabteilung ubergeordneten Instanzen
unterstellt Sind.
Im folgenden sollen einige der mit der Dezentrali-
sierung der Leitung im Betrieb verbundenen Pro-
bleme behandelt werden. A1s Beispiel dient die Or-
ganisation der Leitung von mechanischen Abteilun-
gen unserer Maschinenbaubetriebe.
II. Die Dezentralisierung der Leitung und die Bil-
dung von. Funktionalorganen in den Produk-
tionsabteilungen in den Maschinenbaubetrieben
der Deutschen Demokratischen Republik.
Wahrend man im Zusammenhang mit der Ein-
fuhrung der wirtschaftlichen Rechnungsfuhrung in
den sowjetischen Industriebetrieben seit langem mit
Erfolg bemuht ist, die Selbstandigkeit der Produk-
tionsabteilungsleiter zu erhohen (vgl. Schriftenreihe:
?Aus sowjetischer und volksdemokratischer Wirt-
schaftsliteratur", Heft 18, S. 62ff.), ist fur unsere
Maschinenbaubetriebe zur Zeit nosh eine sehr starke
Zentralisation der Leitung typisch: Das betrifft be-
sonders die Betriebe mit Einzel- und Kleinserien-
fertigung, aber auch-Betriebe mit Serien- und GroB-
serienfertigung. Eine starkere Dezentralisierung
lindet man in Abteilungen, die nicht am Ort des Be-
triebes liegen. Eine personelle Unterstellung der fur
eine selbstandige operative Leitung der Abteilung
benotigten Leitungskrafte gibt es nur? in wenigen
Betrieben. Das sind vorwiegend Betriebe mit GroB-
serienfertigung, vie z. B. der VEB Automobilwerk
AWZ' Zwickau oder der VEB Walzlager in Berlin.
Die Leitungsstruktur? der Produktionsabteilungen
entspricht in diesen beiden Betrieben, ltzterer? zahlt
zu den grof3eren Mittelbetrieben, annahernd der Or-
ganisation der Produktionsabteilungsleitung in so-
wjetischen Maschinenbaubetrieben. Im VEB Walz-
lager Berlin wird die -Abteilungsleitung nach dem
Vorbild sowjetischer Walzlagerbetriebe organisiert.
Es rind im VEB Automobilwerk Zwickau dem Lei-
ter der mechanisehen Abteilung direkt unterstellt:
1 Werkstattschreiber;
1 Technologe;
3 TAN-Bearbeiter?;
2 Dispatcher;
4 Lohnabrechner;
1 Betriebsabrechner.
Im VEB Walzlager in Berlin-Lichtenberg gehoren
zur Abteilungsleitung:
1. eine Abteilungsverwaltung;
2. ein Produktionsdispatcherburo;
3. ein technisches Buro.
Entgegen der ?Grundsatzordnung Technologie"
wurde auch die Werkzeugausgabe dem Abteilungs-
leiter unterstellt, veil nach den Angaben des Funk-
tionsplanes die sick daraus ergebende Arbeitsweise
geeigneter fur den Produktionsablauf in der Mas-
senfertigung ist, als eine zentrale Unterstellung.
Der Abteilungsverwaltung obliegt:
a) die tagliche Kontrolle der Anwesenheit der Ar-
beitskr?afte als Grundlage fur die Arbeitskrafte-
lenkung, die Arbeitskraftestatistik und die Be-
wertung der Arbeitsdisziplin der Abteilungs-
belegschaft;
b) die operative Kostenkontrolle (einige typische
Kostenarten);
c) die Anforderung von Lerstungen (Reparaturen)
von anderen Abteilungen des Betriebes und Vor-
nahme von Bestellungen verschiedener Art;
d) die Durchfuhrung der laufend anfallenden
Schreibar'oeiten und die Protokollfuhrung bei
den Produktionsberatungen.
Das Produktions.dispatcherburo or-
ganisiert den Auftragsdurchlauf in der Abteilung
und hat auf der Grundlage der erteilten Planauf-
gaben und technologischen Unterlagen alle damit im
Zusammenhang stehenden Arbeiten durchzufuhren.
Der Abteilungsdispatcher ist der Vertreter des Ab-
teilungsleiters in Produktionsfragen.
Das T e c h n i s c h e B u r o vereinigt in sick die
Operativ-Technologen und die Arbeitsnormer. Sic
erhalten fachliche Anleitung durch den Haupttech-
nologen bzw. die Abteilung Arbeitsnormung. Haupt-
aufgaben des Technischen Buros sind das Ergreifen
von MaBnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduk-
tivitat und zur Beseitigung von Kostenubersehrei-
tungen sowie die technische Beratung der Einrichter,
Brigadiers und Meister.
In der Mehrzahl der Betriebe ist jedoch die Lei-
tung der Produktionsabteilungen so organisiert, daB
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i~m Fortschritt in der
nologen Ab- abteilungcn, die a . ,, .,u cntoile fUhreil konnen,
zwar die Arbeitsnor Operaabretihner in Dezentralisierung dc1 Leit Maschinenbaubetrieb
teir Abtei Ung er oder or die hie r gs hat side in der Mcti.zabl der ung relativ kurzee
teiln arbelten and bier ihren Arbeitsplatz nesetzt 51e wurden nach fin-
der Ab g
ei Personate
dcr den Leitern der Funk- nicht du mb e
haben, diese des entwe n oder Zeit, meist mit der B givndung der
Betriebe bil-
zum ionalor ane des Betriebsdirek s Technischen unterstehe Leiters sparung' wieder aufgetost? Zah11 n Weil
? li nterabteilunge ,
wortun sbereich des T rehoren, Auch colon gar n1 t ei.~t soldic
Ve
bzw. des ant g
s Leiters der Abatltlen ng sic von Arbeit g diesen Stellen? die Leitungen nidit von deren N atzeffderekt uberzeugt
Arbeit be-
ihre g Anweisungen erh ?
en unter- waren odor ~bersehneidung . mlt Die r unklare Arbei Ab-
stelit sind dem in der Leiter der Regel P1onur duktionsabteilung die Produktionsdispo- stehender Organc bt.furcileten ng der Abteilung
tellt Ter- fassung der ?Richtluiicn zur Bildu des tzes.
mnvn fur r, operative aProduktionsplanung, "1 unterstutzte die UmgC 'hun g
' teller fur Material and Werk- Aibeit) un en fur Arbeit
VEB zeuge and c nd Sc, Berenshreibkrafte, Eine Ausnahme bildet der Die Bildung von Unterabtul g
ou e tiallsierung dei Leitung in ge-
g
hat keine Dozen
Lokomotivbau - Elektrotechnische Welke t
t, Z~vai? n?u1?de den Abtei-
nischen Beimler", Fertigung, in tier welch aem dem Leiter der mocha- wunschten Sinne erbrachtlmien die Verantwortung
?Hans is Betriebsleiter bezeichnet, lungsleitern in den Rich ltarbeiter der
bis au[ die Arbeitsnormei? idle Funktionalorgane fur den zweckmaBigen Einsatz der M
personell wurden sic
t sind, (Abteilungstechnologie, Ab- Unterabteilungen ube1?ti?agen, erselllt. Auch fur
eilungunterstellt eilun swirtschaftler mil den Arbeitsgebieten Ma- abei dem Direktor fur Arbeit unt teu Ai?bcit sollten sic nicht dem
alabrechnung, Lohnabrechnung and Abteilungs- die Ausfuhrung ihrei?
?ei
chnun ? Abteilungsplanung mit den Arbeits- Abteilungsleitei, sondern dem Eine Lester so der der Re Abteilung
abbe g, kung, Materialplanung, Ar- Arbeit Rechenschaft ablegc beitsvo ?? fi zur Vernachlassigung der Auf-
gebieten Produktionslen lung
Derbereitung and Terminverfolgung.) muBte zwangslau g ?i Arbeit fuhren, zu-
mzufolga hangt der EinfluB der Leiter der Pro 5aben der die unenug Unterabteilungen ende fu Entwicklung der pla
i -
bteilun en auf die Arbeit dieser Organe mal dulch i? ? okononuschen Selbstandigkeit der
vor ege g and de
nd von dem Niveau ihrer Zusammenarbeit nung ~,
mtit dege Abteilunbcn and die 114angel der Wirkung des
Leitern der genannten Instanzen der Be- 1? materiellen Interessiertheit fur die
e den
ein ungenugender ?okonomischer
?'1ebsleitung mb. Es handelt sick deshalb in den mei- Systems der
n Arbeit dieser Unter-
sttep Betrieben mehr um eine ?Dezentralbslerlmg der Abteilungs
nicht um eine rbeitsausfuhl?ung" Dozensowie der Arbeitsplatze and Zwa gen zur e eben Anleitung war. der
A g g
lralisierung im Sinne der fiber- abteilung wirken daB in
fur die Anleitung Ungunstig muBte sick ferner aus '
iragung der vollen Verantwortung
Leiter der Pro- den Ridltlinien keme klare Abgrenzung gegen
and Iiontrolle dieser Arbeiten an die uber
ions f aben der Abteilung Arbeit and besonders
Abteilungsleiter abteilung bei en. der Dub Abteilungsokonomen, die den den Aug 1 A r eilun Technologic
?clifuhrung der Abtei- gegenuber den Aufgaben de m-
lungbte
splanung der Vorbereitung des Betriebsplanes erfo1gte. Das loste Diskussionen nicht ausus, diei best sind.
and der Analyse des ol. die in bestim
Abteilung , unlerstutzen?, ono gibt m es in ischen Er fast g keebnisses der ten Fragen bis heute no abgesc de
inem Be- Das betrifft vor alleni die Diskussion u e1
Einordnung der Arbeitsnormer.
in sind jc verschiedenen dock scion Ansatze Betrieben dazu vorhanden, organisatorische Blsn much
tnieb,dem Es
Abteilungsab- Unklarheiten hervorrufen muBte sch fie rechnel
i
existi@ren, die Funktioneri eines Abteilungs- der Hinweis fur die Mrttelbetrieebebe, daB on je nach
hat z B. im VEB Diesel- Eigenai t des Betriebes and der
okonomen ?ausuben. So h
der Abteilungsabreciner u. a. jedem Produktionsbereich (gemeint fist der Meister-
folgende g nwerk Rostac. sondern in der Regel fur mindestens dret
: olgen Auf aben zu erfullen bereich), eine Unterabteilung gebildet werden soil. Das be-
1. Mitarbeit am Kostenplan;
,
2. Kontrolle, furausgewahlte weder emem der drei Bereiche hatte eingegliedert
ntwiczlun
derKostene g
Kostenarten and Besprechung entstehender Ab- werden mussen, vomit die Leiter der anderen Be-
it dem Abteilungsleitei?; reiche nur uber den Leiter dieses Bereiches hatten
weichungen m ,
B and Aus- EinfiuB nehmen konnen, oder die Unterabteilung
-
3. Teilnahm- an der Aufstellung des BA B den Bereichen stehenden Produk
ware einem
4. Oberpri fung der Ricitigkeit der errecrineten Ist-
.
Kosten;
5. Vorbereitung auf die Rentabttatsberatungen.
wertung fur die Abteilung, tionsabteilungsleiter unterstellt werden, den es 1e-
GRUNDFRAGEN DER DEZENTRALISIERUNG DER LEITUNG IN DEN VEB
daB diese Unterabteilung ent-
deutete praktisch
dock in den Mittelbetrieben oft nicht gibt. AuBer-
dem wurde ubersehen, daB in einer ganzen Reihe
von kleinen Mittelbetrieben eine Dezentralisierung
Ano1?dnung uber die Bildung von Ab- der Abteilung Arbeit gar nicht notwendig war, da
in der
aum-
Di
,
?
e
teilungen fur Arbeit in den vol.kseigeven and ihnen es die GroBe der Betriebe and die geringere r
n sowie den Organen der lithe Ausdehnung der Betriebsstatten gestalten,,
gleichgestellten Betriebe
i) geforderte Sciaffung von ? diese Arbeiten in groBeni MaBe zu zentralisiereit Es
'irtsdiaftsverwaltung"
V
Arbeit in den Produktions- gibt noch eine Reihe weiterer Faktoren, die ei der
nterabieilungen fur '
L'
1) Min)sterialblatt dei? DOUtSChen Demokratlschen Republik,
Nr. 19 vom 27.5 1952.
18
1) nllnisterium fir Masehineribau dar Deutschen Demokrati-
srhen Republik. Schriftenrethe Heft 6.
1* 1
Analyse der Ursachen fur die nosh vorherrschende
starke Zentralisierung der Leitung zu beachten Sind,
Diese Faktoren sind:
1. die?BetriebsgroBe and die gegebenen Abteilungs-
groBen; -
2, die Produktionsstruktur;
3. der Grad der okonomischen Selbstandigkeit der
n
1
bt
,
unge
ei
Produktlonsa
zu befurchten, da die fur eine umfangreiclie uezen-
4, die Kadersituaiion;
tralisierung gunstigen Abteilungsg1o13en moistens
5, die Entwicklung der Betriebe; vorhanden sind. Wenn trotzdem auch hier nosh die
6. unterschiedliche Auffassungen uber die Zwecc Zentralisierung der Leitung stark hervortritt, so aus
maBigkeit der Dezentralisierung bestimmter? anderen Grunden, die im Folgenden nosh aufgezeigt
Funktionen and bestehende gesetzliche Bestim- werden.
mungen sowie Richtlinien der Ministerien? Es ist also besonders in Mittelbetrieben der >Jber-
gang zur Dezentralisierung der Leitung bis auf die
Dei 1;1n BetriebsgroAe uud der GroJie der produktionsabteilungen sehr sorgfaltig zu bestim-
~itii der
produktionsabtei1u1igef men. In Kleinbetrieben diirfte sic kaum in Frage
kommen, In den Mittelbetrieben wind das Haupt-
Wie scion erwahnt, muB auch die Dezentralisie- au enmerk darauf zu richten sein, mehrere Ab-
itun unter dem Gesichtspunkt streng- g
rung der Le g schnitte zu Abteilungen zusammenzufassen, da z. B.
ster Sparsamkeit erfolgen. Sic soil zu einer Ver- in zahlreichen 114ittelbetrieben Produktionsabteilun
besserung des okonomischen Resultats der Abtei- en als eine den Meistern ubergeordnete Instanz
n fuhren. Fol lick ist der Nutzeffekt zit g
lungsleitu g g kaum existiei?en. Die Moglichkeiten dafur sind oft-
pri fen, der durch die Bildung von Funktional- mals gegeben, abei? nosh nicht genutzt. Das dann
organen'in den Abteilungen erreicht werden kann. eine gute Basis fur die Dezentralisierung gegeben
Die GroBe der Abteilung and deren Produktions- ist, wurde am Beispiel des VEB Walzlager Berlin
leistung haben darauf einen groBen EinfluB. Eine scion demonstriert. Kann man das nlcht, so ist eine
Dezentralisierung ist verfehlt, wenn die dafur be- umfassende Dezentralisierung nicht zu empfehlen,
notigten Kosten den dadurch erreichten Nutzen bzw. sollte eine Dezentralisierung nur in ganz ge-
kompensieien oder ubersteigen. Diese Gefahr be- ringem Umfang erfolgen (Hilfskrafte fur die opera-
steht besonders in Mittelbetrieben, and hier wieder- tive Planung im Meisterbereich; Operativtechnolo-
um in solchen, die relativ kleme VerantwortungS- gen and Arbeitsnormer, eventuell in Personalunion
bereiche der Produktion besitzen. Untersuchungen and Werkstattschreiber).
in Mittelbetrieben des IndustriezweigeS Automobil- sich der EinfluB der Abteilungs-
Traktorenbau haben das bestatigt. Besonders zeibt
and grol3e auf den Grad der Dezentralisierung auch bei
Auch in der Sowjetunion wurden bei Uberprufun- der Festlegung der Verantwortung fur die Instand-
en der Dezentralisierung der Leitung and des da- haltungs- and Reparaturarbeiten. Die Uberwachung
mit g verbundenen Aufwandes ahnliche Erfahrungen and Instandhaltung dei Maschinen and Anlagen ge-
gesammelt. RUMJANZEW berichtet, daB sick be- hurt nach den Rahmenstrukturplanen zum Verant-
sonders in Betrieben mit relativ klemen Produk- wortungsbereich des Hauptmechanikers, der in den
tionsabteilungen dine umfassende Dezentralisierung meisten Betrieben dem Technischen Leiter unter-
dei? Leitung nickt bewahrt hat.') Er kritisiert, daB in stellt fist. Eine regelmaliige Uberwachung der Ma=
zahh?eichen Maschinenbaubetrieben der Bestand des schinen and eine gu' organisierte planmaBige Repa-
verwaltungstechnisclen Personals in den Produk- raturarbeit, besonders der vorbeugenden Repara-
iionsabteilungen 15-20 Prozent der Anzahl der Pro- i.uren, sind fur die Hohe der Produktionsleistung der
duktionsarbeiter betragt. Weiter? wind von ihm be- mechanischen Abteilungen sehr entscheidend Von
mangelt daB in manchen Produktionsabteilungen ihrem Niveau werden sowohl die Hohe als auch der
zehn and mehr verschiedene Biros bestehen, daB Ausnutzungsgrad des geplanten Fonds an Maschi-
unnotig viele Zwischenstufen zwischen dem Abtei- nenstunden sowie das Vermogen, die geplanten T.er-
lungsleiter and den Meistern geschaffen wurden and mine fur die Erfullung der operativen Produktions-
daB der Produktionsbereich - ohne daB es dip Orga- programme einzuhalten, wesentlich beeinfluBt. Be-
nisation des Prodi ktionsprozesses erforderte - mit, sondere Beacltung verdienen diese Faktoren in Be-
unter in zu viele kleine Abteilungen aufgeteilt set, trieben mit relativ uberaltertem Maschinenpark, da
deren Leitung dann gewohnlich nosh nach dem Bei- hier die Maschinen besonders reparaturanfallig sind.
b
spiel groBer Produktionsabteilungen organisiert desgleichen unter den Bedingungen einer ununter-
wurde. Er fordert deshalb die Beseitigung unnotiger brochenen F1ieBfertigung, well jeder unvorherge-
Zwischenstufen in der Leitung der Produktionsab- sehene Maschinenausfall zur Stillegung der gesam-
ten FertigungsstraBe fuhren kann. Das verpflichtet
11 A. F. RUMJANZEW ?Vorlesung in der partethoebsehule tionsfahigkeit
helm ZIC der KPdSU ,(B)", Moskau 1951 Rohubcrsetzung des auch die Abteilungsleiter, der Funk-
Kaplteis III. ?Dle Venvaltung der staatllchen Industrleunter- dei Maschinen and deren Erhaltung grtio Aufinerk
nshmen."
teilungen and die Reduzierung ihres Verwaltungs-
apparates., Als Mal3nahmen empflehlt er die Vergro-
Berung der Abschnitte and Abteilungen and die Zen-
tralisierung der Abteilungsabrechnung bei gleichzei-
tiger Mechanisierung der Abrechnungsarbeiten.
Eih ungi nstiges Kostenbild kann naturlich auch
durch eine schlechte Arbeit der dezentralisierten
Organe hervorgerufen werden. Die Gefahr der
19
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Abteilung erfolgen kann. Wenn trotz der Tatsache,
daB diese Bedingungen in mechanischen Abteilun-
gen von Betrieben mit GroBser?ien- und Massenfer-
tigung zum Teil gegeben sind, und zwar auch hin-
sichtlich der AbteilungsgroBe, audi hier nicht selten
noch eine verhaltnismal3ig starke Zentralisierung
der Planung zu beobachten ist, so ist das in erster
Linie auf eine ungenugende Kaderentwicklung und
die oft zu sporadische Beschaftigung mit der Ent-
wicklung eines den Erfordernissen der wirtschaft-
lichen Rechnungsfuhrung entsprechenden- Plan-
systems zuri ckzufuhren.
Auch die oft nosh anzutreffende Unterschatzung
der Beschaftigung mit den okonomischen Kategorien
durch leitende Mitarbeiter diirfte als eine der Ur-
sachen gelten.
GRUNDFRAGEN DER DEZENTRALISIERUNG DER LEITUNG IN DEN VBB
samkeit zu widmen? Um dieses zu garantieren,
wurde 1954 von den Teilnehmern an der ?2? Konfe-
renz uber Organisation und Planung der Masehinen-
baubetriebe" fur die Maschinenbaubetriebe der CSR
beschlossen, in alien Mittel- und GroBbetrieben eine
Dezentralisierung des Instandhaltungs- und Repa-
raturdienstes vorzunehmen? Es wurde empfohlen,
die Instandhaltung und die laufenden Reparaturen
einem ' Abteilungsmechaniker zu ubertragen. ' Der
Hauptmechaniker soil fur die Generalreparaturen
und die Durchfuhrung mittlerer Reparaturen ver-
antwortlich sein. Letzteres soil in Zusammenarbeit
mit deco Abteilungsmechanikel? erfolgen?r)
Dieser Forderung steht die Stellungnahme des
Direktors eines grofleren Maschinenbaubetriebes
gegenuber, in der er fur semen Betrieb die Zentrali-
sierung als gunstig bezeichnet.2) Die Ablehnung einer?
generellen Dezentr?alisier?ung der Instandhaltung in
Grog- und Mittelbetrieben deckt such mit den Unter-
in Betrieben diescr Croflc muB es nicht zu der in der
burgerlichen 0rgan1sation511te'atu1 als Nachteil der
Zentralisierung gcnannten Burokratislerung der
Leiturig sowie Emschrankung der ?,Arbertsfreudig-
kert" und Verantwortungsfreude" der Abteil'ungs-
leitel? ? kommen. Die Beseitigung des in den kapitali-
stischen Beirieben gegebenen Doppelcharakters der
Leitung und die dadurch moglichen neuen Formen
und Methoden der Leitung bieten die Moglichkeit,
solche Tendenzen schon im Keime zu er?sticken.
em wird von den Organlsatoren kapitalisti-
P.uBerd
Scher Betriebe ubersehen, daB die Arbeitsfreudigkeit
der Abteilungsleiter, besonders der Meister, oft we-
lurch die Zentralisierung der Leitung, als
niger
durch ihre komplizierte Stellung zwischen deco Un-
ternehmer einerseits und den Lohnarbeitern ande-
rerseits beeintrachtigt wind
Der Einfluf3 der Produktionsslruktltr
Die Produktionsstruktur der mechanischen Abtei-
lungen beeinfluBt vor allem den Grad der Zentr?ali-
sierung der Planungstatigkeit. Das betrifft sowohi
Funktionen der technisch-okonomischen Planung
als auch der operativen Produktronsplanung. Zur
Zeit werden diese Funktionen vorwiegend zentral
ausgefi hrt. Das ist nicht zuletzt such dadurch be-
dingt, daf3 viele mechanische Abteilungen noch in
uberwiegendem MaBe nach dem Werkstattprinzip
organisiert sind. Das betr?ifft besonder?s Betriebe mit
Einzel- und Kletnserienfertrgung, da in diesen eine
Organisation der mechanischen Abteilungen nach
Gegenstandsstruktur? sehr? pr?oblematisch ist.r) Die
Organisation der Abteilungen nach dem Werkstatt-
prinzip ist haufig mit innerbetrieblichen Kobpera-
tionsbeziehungen zwischen den einzelnen Abteilun-
gen verbunden. Die Teile mussen zu ihrer? Bearbei-
tung mehrere Abteilungen durchlaufen. Diese Be-
ziehungen mussen geplant und ihr Funktionieren
muB uberwacht werden. Die Erfahrungen lehren,
daB theses - zumindest fur die wichtigsten Teile -
am zweckma1 igsten zentral durch die Produktions-
leitung erfolgt. Das Typische hierbei ist, daB die Pr?o-
duktionsleitung audi die Einhaltung der Termine
fur die Beendigung der einzelnen Arbeitsgange zen-
tral festsetzt und uberwacht. Eine starkere De-
zentralisierung der Planung und Plankontrolle setzt
also voraus, daB die Kooperationsbeziehungen zwi-
schen den einzelnen mechanischen Abteilungen
durch die Organisation der Abteilungen nach Gegen-
standsstruktur auf ein Minimum herabgesetzt wer-
den, wenn moglich ganzlich in Fortfall kommeh.
Damit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen fur
die Dezentralisierung der Planung geschaffen, indem
sick die Planungsabteilung und Produktionsleitung
unter diesen Bedingungen auf die Vorgabe der Teile
oder Erzeugnisse und der dafir zur Verfugung
stehenden Mittel beschranken konnen, wahrend die
weitere Planung im breiten Umfange rnnerhalb der
suchungsergebnissen von LANGE,3) der in Oberein-
stimmung mit sowjetischen Autoren zu der SChluB-
folgerung kommt, daB eine dezentralelOrganisat10 i
der Reparaturarbeit nur in Abteilungen erfolgen
solite, in denen mindestens 100 Maschinen stationer t
sind? Damit ist die Dezentralisierung etndeutig auf
groBe P1 oduktionsabteilungen beschrankt.
Es scheint also bei dieses AbteilungsgroBe die
Grenze zu liegen, wo sich die Vorteile einer dezen-
tralen Organisation, vie bessere Kenntnis der Ma:
schinen und ihrer Eigenheiten, Spezialisierung del
Mechaniker, die groBere EinfluBnahme auf Pflege
und Wartung durch den Bedienenden oiler speziell
damit Beauftragte usw. und die Wirtschaftlichkeit
einer dezentralen Organisation der Instandhaltung
treffen? Das schlieBt die Unterstellung eines Abtei-
lungsmechanikers in kleineren Abteilungen natur-
lich nicht aus. Die gegebenen Verhaltnisse konnen
dieses bedingen. Aber als allgemeine Regelung fur
alle Mittelbetr?iebe ist es offensichtlich nicht zu emp-
fehlen.
Wenn enter den aufgezeigten Untstanden eine
starkere Zentralisierung der Leitung bedingt ist, so
1st das nicht als Nachteil fur die Leitung des Betrre-
bes anzusehen. Es 1st im Gegenteil naturlich, daB
ein Betriebsleiter in diesem Falle der Zentralisation
den Vorzug gibt. Das bringt nicht nur den Vorteil
der Einsparung qualifizierter Krafte, bzw. des ra-
tionellen Einsatzes der zur Betriebsleitung gehoren-
den Leitungskrafte, sondern die Betriebsleitung be-
halt auch einen b'esseren Oberblick fiber das Tages-
geschehen in der Produktion, der bei Dezentralisie-
rung der Leitung in der Regel durch die nur nosh in
gewissen Zeitiaumen stattfindende Berichterstat;
tung fiber das Ergebnis der Abteilungen nicht mehr
gegeben ist.
Trotz der starkeren Zentralisierung der Leitung
1) Schrlftenreihe: ,Aus sowj tl zher und volksdemokraUscher
\Vlrlsdtaflsliteralur , Heft 18,
2) J. SVRCEK: ?Betriebsorganisation 'vom Standpunkt des
Betrlebsdlrektord gcsehen"? in .,Betriebsor2anlSatlOf? Nr. in958.
RohubersetzQberlegungen ergibt sick folgender Schlu6: Zur
exakten Ermittlung des Niveaus dei? Mechanisie-
rung and Automatisierung durchzufuhrende Unter-
suchungen, aus deren Ergebnissen spater sthchhal-
tige and allgemeingultige Kennziffer?n abgeleitet
hverden kdnnten, sollten von-einem Fragenkomples
ausgehen, dessen Beantwortung zur Berucksichti-
gung alter das Mechanisierungs- and Automatisie:
rungsniveau bestimmenden Faktoren zwingt Der
Versuch, alle dabei wesentlichen Fragen aufzu-
werfen, hat zur Ausbildung ernes Fragespiegels ge-
fuhrt, der nachfolgend dargestellt ist and als Grund-
lage fur die genannten Untersuchungen vorgeschla-
gen wind.
Fragcspicgcl zur Ermittlung
des Niveaus der Mechanisierung and Automatisicrung
der Produktionsprozcssc in Industricbctricben
I. Struktur der Produktionsabtei-
lungen des Betriebes and des Pro-
d uktions program ms:
1. Charakter der Produktionsprozesse der Haupt-
produktionsabteilungen sowie der wichtigsten
Hjlfspr?oduktionsabteilungen,
a) kortinuierlicher technologischer Froze!.
b) diskontinuierlicher technologischer ProzeB
(dazu kurze Beschreibung).
2. Abschnitte des Betriebes mit Gegenstandsstruk-
tur, d. h., nach dem F1ieBprinzip arbeitend. Noch
bestehende Moglichkeiten der Fertigungsorgani-
sation zum weiteren Ausbau in diesel' Hinsicht.
Niveau der F1ieBfertigung der bezeichneten Ab-
schnitte (Art des Transports, Stuckzahl je Stunde
bzw. Schicht).
3. Umfang der Gleichartigkeit des Produktions-
sortiments,
a 1Erzeugnisart (Typ) I Produktion im Planjahr (Stuck)
(Typen in Massenferttgungs- oder Serjenfcrthgungs-
stuckzahlen einzeln auffuhren)
(Einze)fertigungserzeugnisse in Gruppen
zusammcnfasscn)
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b) Besonderheiten im Produktionssortiment,
c) Anzahl der kooperierten Teile and der be-
zogeneri Teile je Typ; prozentualer Anteil der
vorgenannten zu den gesamten Einzelteilen je
Typ.
II. Charakteristik des gegenwartigen
Niveaus der Mechanisierung and
Automatisierung
1. Analyse des Listenbestandes an Maschinen,
a) Gesamtzahl der Maschinen,
b) einfache Arbeitsmaschinen (Spezia]- and Uni-
versalmaschinen), davon mit zusalzlichen
Mechanisierungs- and Automatisierungsein-
richtungen (z. B. Kopiereinrichtungen, selbst-
tatige Me13- and Kontrolleinrichtungen u. a.),
c) Halbautomaten and durch Sondereinrichtun-
gen halbautomatisierte Maschinen, die erste-
ren gleichsetzbar sind (z. B. Revolverdreh-
maschinen mit mechanisierter oder automati-
sierter Zufuhrung, Schaltung oder dgl.),
d) Vollautomaten (Werkzeugautomaten mit and
ohne Selbstkorrektur),
e) Aggregatwerkzeugmaschinen (dazu Zahl der
Aufbaueinheiten and Konzentration der Be-
arbeitungsstufen),
f) vollmechanisierte, halbautomatisierte oder
vollautomatisierte Bearbeitungsstrecken,
darin je geschlossene Strecke:
1. Einfache Spezial- oder Universal-Produk-
tionsmaschinen,
2, halb- oder vollautomatische Maschinen,
3. Aggregatwerkzeugmaschinen,
4, automatisierteKontroll-undMe[3maschinen
(jeweils Anzahl),
dabei: Art des T>ansportmechanismus der
Werkstiic{e.
? r
2. Innerbetrieblicher Transport and Beladung
a) Handtransport and Beladung (wichtigste Arten
and Anzahl der Arbeiter),
b) mechanisierter Transport and Beladung (wich-
tigste Arten, Zahl der Arbeiter, Transport-
und Beladungsgerate), ?
c) vollmechanisierter bzw. -automatisierter
Transport (Produktionsabteilung - Zahl des
Bedienungs- and Steuerungspersonals).
3. Analyse der Berufsgruppen in den Produktions-
~bteilungen; TiiUgkeitsanalyse der in den Haupt-
produktionsabteilungen and inh innerbetrieb-
lichen Transport Beschaftigten, gegliedert nach
folgenderi Arten der Arbeit:
, a) reine Handarbeit (auch zur Bedienung von
Maschinen, vie z. B. die [standige] Aufgabe
von Material an Automaten, das Anbinden
von Lasten an Krane ashy.),
b) Handarbeit mit einem mechanisierten Werk-
zeug oder Instruiiient (z. B. mit Prel3luft
meil3el, elektrischer Handbohrmaschine, Pen-
delschleifmaschine, Flaschenzug usw.),
c) Arbeit zur Bedienung bzw. Lenkung von Ma-
schinen and Mechanismen, die im wesentlichen
nicht selbsttatig wirken (Universal-Werkzeug-
maschinen, Hubstapler, Sandslinger u. dgl.),
d) Arbeit zur Bedienung bzw. Steuerung von
Maschinen and Mechanismen, die im wesent-
lichen selbsttatig wirken (1-lalb- and Voll-
automaten, Verteilerslationen ?an Transport-
bandanlagen u. dgl.),
e) Einrichtung and Kontrolle von halb- and voll-
automatisierten Maschinen (Arbeit der E3n-
richter),
f) Tatigkeit von Ingenieure.n and Technikern zur
unmittelbaren Durchfuhrung and Leitung der
Produktion.
(Der Umfang der Tatigkeiten nach a) bis I) soil,
getrennt nach Produktion and Transport, jeweils
in der Zahl von Vollbeschaftigungen - die evtl.
durch Addition mehrerer Teilbeschaftigungen zu
ermitteln sind - and in Prozent zur Gesamtzahl
der in den Hauptproduktionsabteilungen bzw. inh
innerbetrieblichen Transport Beschaftigten an-
gegeben werden.)
4. Mechanisierungsgrad der wichtigsten Produktion
and des innerbetrieblichen Transports,
a) Mechanisierungsgrad in den wichtigsten Haupt-
produktionsabteilungen (Vorfertigungsabtei-
lungen wie Schmieden, Pressereien u. a.,
mechanische Abteilungen, Montage),
b) Mechanisierungsgrad des innerbetrieblichen
Transports,
c) Mechanisierungsgrad in den fur eine konti-
nuierliche Produktion wichtigsten Hilfs- and
Nebenabteilungen.
5, Mechanisierungsgrad, bezogen auf charakteristi-
sche Erzeugnisse (Auswahl nach Fertigungsart:
Einzel-, Serien- oder Massenfertigung).
III. Analyse zur Ermittlung der
Schwerpunkte der Mechanisie-
rungs- and Automatisierungsauf-
gaben im Betrieb
1?. Detaillierte tabellarische Gegenuberstellung von
a) Gesamtaufwand an lebendiger Arbeit je Pro-
duktionsabteilung,
b) Anteil der lebendigen Arbeit je Arbeitsab-
schnitt bzw, auszuwahlender wichtiger Pro-
duktionsvorgange,
c) Mechanisierungsgrad der genannten Arbeits-
abschnitte bzw, wichtigen Produktionsvor-
gange.
33
i
1
Schema zu Frage III, 1.
L Arbcitsabsdtnitt bzw.
rrodukuonsvorgang
It, Gcsamtaulwand an
lebendiger Arbeit
Verausgabtc Icb. Arbeit
in Stunden I in % zu 11
Mcthan.-
Gud
ISczugszcit;
Monatsdurthsthnitt
brew I'lanjahr
2. Einsdiatzung des Niveaus der Mechanisierung
and Automatisierung entsprechend der im 2. Ab-
schnitt aufgefuhrten sechsstufigen Gliederung,
a) des Betriebes,
b) der wichtigsten Hauptproduktionsabteilungen,
c) der die Hauptproduktion unmittelbar beein-
flussenden Neben- and Hilfsproduktionsabtei-
lungen.
3. Entspricht die Qualitat der bereits eingesetzten
Mechanismen and Ausriistungen fur die Mechani-
sierung and Automatisierung den Erfordernissen
des Betriebes and der modernsten Technik? Bei
welchem dieser? Mittel machen sick schwerwie-
gende Mangel bemerkbar (besonders Mechanis-
men and Instrumente fur Me13-, Regel- and
Steuerzwecce beachten)?
4. Vordringlichste Mechanisierungsarbeiten,
a) unter? dem Gesichtspunkt der Beseitigung kor-
perlicher Schwerarbeiten,
b) unter dem Gesichtspunkt der Senkung der
Selbstkosten im Betrieb,
c) unter dem Gesichtspunkt der Beschleunigung
des Produktionszyklus,
d) unter dem Gesichtspunkt der Steigerung der
Arbeitsproduktivitat im Betrieb,
e) unter? dem Gesichtspunkt von b) and des Um-
fangs der erforderlichen Investitionen.
5. Mogliche Veranderungen des Mechanisierungs-
grades and der Produktionsselbstkosten durch
zusatzliche Mechanisierungs- and Automatisie-
rungsmittel (einige typische Beispiele).
IV. Faktoren der Veranderung des
Niveaus der Mechanisierung and
Automatisierung
1, Gibt es einen Plan der Mechanisierung and Auto-
matisierung im Betrieb?
Fur welchen Zeitraum? Nach welchem Prinzip ist
der Plan aufgebaut? Sind fur das Planjahr kon-
krete MaBnahmeri vorgesehen; in welchen Ein-
zelplanen sind sic niedergelegt? Wie soil die
Finanzierung der ml Plan vorgesehenen Mal3nah-
men erfolgen (Investmittel, Investkredite o. a.)?
2. 1st der Plan der Mechanisierung and Automati-
sierung im Betrieb umfassend beraten worden
(~Skonomische Konferenzen, Produktionsberatun-
gen, Gewerkschafts- and Parteiversammlungen)'i
Welches Ergebnis hatten diese Beratungen?
3. Inveslitions- and Amortisationsplan:
a) InvestitionssummefurModernisierung,Mecha-
nisierung and Automatisierung der Produk-
tion (Rekonstruktion),
b) Investitionssumme fur Neuinvestitionen,
c) Anteil der Investitionsmittel bei a) and b) fur
mechanisierte and automatisierte Ausrustun-
gen and fur Steuer-, Me13- and Regeleinrich-
tungen,
d) Gesamtsumme des vom Betrieb aufgenomme-
nen Investilionskredites,
e) Kreditsumme je Einzelvorhaben, davon fur
Modernisierung, Mechanisierung and Auto-
matisierung,
f) vorgesehene Amortisationszeit je Vorhaben,
Anteil fur Steuerungs-, Mef3- and Regelungs-
einrichtungen bei d) and e).
4. Werden im Betrieb odor von ewer ubergeord-
neten Institution Standardisierungsarbeiten zuin
Zwecke der Aufnahme einer volhnechanisierten
odor -automatisierten Produktion eines Betriebs-
erzeugnisses durchgefuhrt (Arlen dcr Standardi-
sierungsarbeiten, Erzeugnis)? Bei welchen Er-
zeugnissen, Baugruppen odor Einzelteilen, die der
Betrieb produziert, sind solche Arbeiten notwen-
dig, aber noch nicht begonnen worden?
5. Welche Mal3nahmen zur Qualifizierung der Ar-
beiter, Techniker and Ingenieure in Richtung auf
die Aufgaben der Mechanisierung and Automati-
sierung werden
a) gegenwartig im Betrieb durchgefuhrt,
b) sind vorgesehen?
6. Wie groB ist die Zahl der Ingenieure, Techniker
and Konstrukteure des Betriebes and ihr pro-
zentualer Anteil an der Gesamtbelegschaft?
a) msgesamt,
b) der Genannten mit Hochschulausbildung,
c) der Genannten mit Fachschulausbildung,
d) der Genannten, die auf Grund langjahriger
Betriebserfahrung and anderer maBgeblicher
Faktoren eine Ausbildung haben, welche der
nach a) oder b) gleichwertig ist (getrennt auf-
fuhren).
Die Zugrundelegung vorstehenden Fragespiegels
bei der Ermittlung des Niveaus der Mechanisierung
and Automatisierung in unseren Industriebetrieben
mag vielen zuerst etwas umstandheh erscheinen.
Unzweifelhaft ist damit auch eine erhebliche 1~ber-
legungsaibeit verbunden. Der EntwicklungsprozeB
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INC. FI1IEDRICII ROTIIIIAUPT/DIPLOM-WIRTSCIIAFTLER IIANS SCIIENKEL
der Mechanisierung und Automatisierung im Zu-
sammenhang mit der sick vollziehenden industriel-
len Umwiilzung erfordert aber in unserer sozialisti-
schen Wirtschaft konkrete wissenschaftliche Unter-
suchungen aller Seiten der Okonomik und Technik,
die beriihrt werden, um auf der Basis dieser Ent-
wicklung die wirtschaftspolitischen Aufgaben unse-
xes Arbeiter-und-Bauern-Staates mit Erfolg und
zum Nutzen der Gesellschaft zu losen. Grundfalsch
ware es natiirlich, den obigen Fragespiegel einfach
in Fragebogen umzuarbeitcn und diese den Betrie-
ben zu ubersenden, denn damit wurde nur nutzlose
Arbeit verursacht werden. Es kommt jetzt vielmehr
darauf an, eine genugend groBe Reihe von Unter-
suchungen in der vorgeschlagenen Weise durchzu-
fuhren und eine sehr griindliche Auswertung der
Untersuchungsergebnisse vorzunehmen. Dabei wird
sich zeigen, weichevereinfachungen imErmittlungs-
verfahren side durch Zusammenfassung verschie-
dener Faktoren erreichen lassen, bis s-ch eine prak-
tisch leicht anwendbare Untersuchungsmethode er-
gibt und es zur Herausbildung vollgultiger Keml-
zilfern kommt.
Fur die Auswahl der zunadlst zu untersudtenden
Betriebe schiagen wir 'or, GieBereibetriebe,
Schmlede- und Pref3beteiebe sowie solche Maschinen-
baubetriebe zu bevorzugen, die Gelegenheit bieten.
bci
a) vorwiegender mechanischer Bearbeitung,
b) vorwiegenden Montagearbeiten
das Niveau der Mechanisierung und Automatisie-
rung zu ermitteln. Dabei sollte darauf geadltet wer-
den, daB Einzel-, Serien- und Massenfertigungs-
betriebe in angemessenen Anteilen erfaBt werden.
Das ist begrundet durch die besondere volkswirt-
schaftliche Bedeutung der Betriebe dieser Art bci
cler Durchfiihrung des 2. Funfjahrplanes, welche
eine moglichst baldige Beantwortung alley node
offenen Fragen bezuglich der Einfuhrung modern-
ster Technik erfordert.
V. Zusammenfassung und SCh1uB-
betrachtungen
Die Losung der wirtschaftspolit-schen Aufgaben
unseres Staates beim weiteren Aufbau des Sozialis-
mus erfordert bezuglich der Einfuhrung der neuea
Teclmik eine planmaBige und systematische Uber-
sicht uber das Niveau der Mechanisierung und
Automatisierung von Produktionsprozessen der In-
dustriezweige und Industriebetriebe.
Die Bereitstellung finanzieller Mittel fiir Investl-
tionen und Investitionskredite muB entsprechend
den wirtschaftlichen und technischen Erfordernis-
sen der proportionalen Entwidclung der Industrie-
zweige und Industriebetriebe vorgenommen wer-
den. Die Steigerung der Arbeitsproduktivitat Bowie
die Verminderung der schweren und mit hohem
tlrbeitsaufwand verbundenen Arbeiten in der In-
dustrie Sind das unmittelbare Ztel der Fortfuhrung
der Mechanisierung der Produktionsprozesse und
der Einfuhrung automatisierter Produktionsablaufe.
Die breite Mechanisierung und Automatisierung
von Produktionsprozessen erfordern also nicht nur
die konstruktivc uncl tedmologische Losung der
technischen Probleme, sondern haben unmittelbare
okonomische Auswirkungen, die planmaf3ig zu er-
fassen und zu kontrollieren Sind.
Einige Grundfragen der systematischen Planung
und Erfassung der okonomischen und wesentlichen
lechnisehen Gesichtspunkte, die bei einer technisdl-
okonomischen Analyse berudcsichtigt werden mus-
sen, wurden hier dargestellt. Den Verfassern kam
es vor allem darauf an, eine unkomplizierte Syste-
matis-erung der einzelnen Stufen der Mechanisie-
rung und Automatisierung vorzunehmen, die sick
auf die realen Zusammenhange in der Produktions-
praxis stutzt. Weiterhin wurde auf die Unzulang-
lichkeit der b-sher gebrauchlichen Kennziffer des
Mechanisierungs- und Automatisierungsgrades als
a 11 e I n i g e r Kennziffer fur die Messung des Ni-
veaus dcr Mechanisierung und Automatisierung
hingewiesen. Fiir eine Untersuchung und Analyse
in gee-gneten Industr-ezweigen und Industriebetrie-
ben wird em Fragespiegel zur Diskuss-on gestellt,
in dem der Versuch unternommen ist, die wesent-
lichsten und kennzeichnenden Faktoren und Merk-
male des Niveaus der Mechamsierung und Auto-
matisierung zusammenzufassen.
Die wertvollsten Anregungen zu den dargelegten
Gedanken konnten aus Veroffentlichungen sowje-
tlscher Okonomen und Ingenieure geschopft wer-
den, veil der weft fortgeschrittene ProzeB der Me-
chanisierung und Automatisierlmg in der Volks-
wirtschaft der Sowjetunion schon seit einigen Jah-
ren die konkrete Behandlung der technisch-okono-
mischen Probleme erfordert, welche mit der Einfuh-
rung und Planung der neuen Technik in der soziall-
stischen Wirtschaft verbunden sind.
Es konnte bei weltem nicht auf alle Probleme der
Analyse des Niveaus der Mechanis-erung und Auto-
rnatisierung eingegangen werden; z. B. dtirften fur
exakte Ernuttlungen in einzelnen Abteilungen von
Maschinenbaubetrieben die -m Fragespiegel ge-
nannten Fakten durchaus nicht ausreichend sein
und Gegenstand einer besonderen Betrachtung
werden. Trotzdem kann nach Ansicht der Verfasser
die hier gegebene Anregung eine brauchbare
Grundlage fur die we-tere einschlaglge Arbelt ab-
geben.
Litern tur:
1. SIROTIN/SCHAFRANSKI: ..Die Planung der
Mechanisierung in der sowjetischen Industrie",
Ubersetzung aus dem Russischen,
Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1956
2. G. A. SCHAUMJAN:..Automaten".
Ubersetzung aus dem Russischen,
VEB Verlag Technik. Berlin 1956
3. W. F. PREIS: ..Zur Frage der Klassifizierung
automatischer? Fliel3linien der Arbeitsmaschinen".
.14 ?
PROnLEME DER EXAKTEN ERAIITTLUNG DES NIVEAUS DER MECIIANISIF.RUNG ...
Kapitel IV in: ?Automatisierung im Maschinen-
bau" (unveroffentlichte Rohubersetzung aus dem
Russischen der Hochschule fur (Skonomie),
Staatlich wissenschaftlich-technischer Verlag fur
Maschinenbauliteratur, Kiew 1955
4. NIKITIN: ?Die Automatisierung derProduktions-
prozesse in der sozialistischen Wirtschaft",
in: ,.Neue Welt", Jahrgang 1954, Nr. 2, S. 199
5. KLIMENKO/RAKOWSKI: ?Technisch-okonomi-
sche Probleme der Automatisierung der Produk-
tion in der UdSSR",
in: ?Presse der Sowjetunion", Nr.147/56, S. 3325
6. PETROV: ?GrundriB der Wirtschaftsstatistik",
tYbersetzung aus deft Russischen,
Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1954
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?1 S
Volkswirtschaftliche Fakultat
Institut fiir Statistik Direktor Prof. Dr. Rumen Janakief
Als Manuskript pedruckt!
then Lehre von der Wirkung
b
Kr>.t>k an der but ?ge>. ?l>.then okonoml.s
ehmenden Ertrab
des sobenannten Gesetzes des abn aes in der Industrie
Von RUMEN JANAKIEFF
Das unterschiedliche sczialokonomische Wesen der
Arbeitsmittel im Sozialismus gegenuber denen im
Kapitalismus bestimmt auch die unterschiedlichen
Moglichkeiten fur die Ausnutzung der Produktions-
kapazitaten in der Industrie dieser zwei gesellschaft-
lichen Ordnungen. Im Kapitalismus sind die Ar??
beitsmittel Eigentum der Kapitalisten and dienen
zur Exploitation der Arbeiter. Im Sozialismus sins]
die Arbeitsmittel gesellschaftliches, sozialistisches
Eigentum. Die i7bereinstimmung zwischen deco Cha-
rakter der Produktivkrafte and den Produktions-
verhaltnissen ist im Sozialismus eine Tatsache.' In
der gegenwartigen Periode der allgemeinen Krisc
des Kapitalismus ist fiir die kapitalistische Industrie
eine geringe Ausnutzung der Produktionskapazi-
taten charakteristisch. Man kann Tausende von Bei-
spielen aus der Wirtschaft der kapitalistischen and
imperialistischen Lander hierzu anfuhren. Der Grad
der Kapazitatsausnutzung ist von der Gesellschafts-
oidnung abhangig. Die sog. ?uberffussige Produk-
tion" ist in Wirklichkeit keine uberfiussige Produk-
tion in bezug auf die tatsachlichen Bediirfnisse der
Bevolkerung, sondern in bezug auf die geringe
Kaufkraft der Bevolkerung.
Die chronische Nichtauslastung der Produktions-
kapazitaten im Kapitalismus verursacht eine Ves-
ringerung des moglichen Volumens der Produktion
(die die Werktatigen brauchen), eine Verringerung
der Arbeitsproduktivitat and eine Steigerung der
Selbstkosten der Produktion. Diese Tatsachen zei-
gen deutlich, daB die kapitalistischen Produktions-
verhaltnisse ein gioBes Hindernis fur die weitere.
Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkrafte
geworden sind. Um dieses Hindernis zu beseitigen,
muB die kapitalistische Gesellschaftsordnung besei-
tigt werden.
Um die chronische Nichtauslastung der Produk-
tionskapazitaten zu rechtfertigen and die kapitalisti-
sche Gesellschaftsordnung als eine ?ewige", ?natur
fiche -
" Ordnung darzustellen and zu verteidigen, haben die modernen burgerlichen Okonomen die
Theorie uber die allgemeine Wirkung des sog. Ge-
setzes des abnehmenden Ertrages entwickelt. Auf
der Grundlage fiktsver okoncmischer Beispiele, sta-
tistischer Tabellen and graphischer Darstellungen
versuchen sic, die Wirkung dieses ?essernen okono-
mischen Gesetzes" zu beweisen and dieses Gesetz
als bestimmenden Faktor fur die tatsachliche Ent-
wicklung der Industrieproduktion and der okono-
mischen Beziehungen hervorzuheben. Es ist nicht
leicht, diese moderne Lehre nur mit allgemeinen
fortschrittlichen Oberlegungen zu zerschlagen. Man
muf3 diese Lehre direkt studieren i nd konkrete
empirische statistische Untersuchungen der burger-
lichen Okonomen and Statistiker? ausnutzen and
analysieren, damit man zutreffende Argumente
gegen diese reaktionarc Lehre der modernen bur-
gerlichen Okonomie bringen kann.
In dieserArtikel werden wir auf der Basis solcher
Untersuchungen versuchen, die Umvissenschaftlich-
keit dieses? Lehre zu zeigen.
Die modernen burgerlichen Okonomen verteidi-
gen die Hypothese, daB unter den realen okonomi-
schen Bedingungen and der Entwscklung der Pro-
duktion.immer folgende Erscheinung zu beobachten
ist: mit der VergroBerung der Ausnutzung der Pro-
duktionskapazitat einesIndustriebetriebes wird man
unbedingt eine Verringerung der Arbeitsproduk-
tivitat, d. h der ?marginalen" t) (GrenzproduktiVi-
tat) and der durchschnittlichen Arbeltsproduktivitat,
tend eine VergroBerung der Selbstkosten pro Einheit
des hergestellten Produktes als Ergebnis bekommen.
Dies sei fur alle Zweige der Industrie charakte-
ristisch.'-)
Diese Lehre hat in der modernen burgerlichen
politischen Okonomie vorherrschende Bedeutung.
Die genannten burgerlichen Okonomen uberneh-
men das sog. ?Gesetz des abnehmenden Ertrages"
als Axiom in die politische Okonomie. Sic dehnen
seine ?Bedeutung" nicht nur auf die Landwirtschaf t,
Verhilli-
1) Unter ?marginaler Produktivltiit" veteteht man zeus
nis zwischen der zusdtzlich herges gnismenge,
uad dem zusatzlichen Arbeitsaufwand.
2) Vergieiche zum Beispiel:
1. ALFRED MARSHALL: Principles of Economics, London 1920.
2, T. B. KEYNES: General theory of Employment, Interest and
Money, London 1930.
3. I D. BLACK: Introduction to production Economics. New
York 19^-3.
4 FR. BENHAM ?Economics, London 1940.
3. B W. KNIGHT Economic Principles in Practice, New
York 1944
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KRITIK AN DER BORGERLICHEN OKONOMISCHEN LEIIRE VON DER WIRKUNG
PfOF. DR. RUMEN JANAKIEFF
sondern auci auf die Industrieproduktion told uber-
haupt auf die game 1Virtschaftstatigkeit aus. Durch
diesel ,Geseti" versuchen sic, im Interesse des Ka-
pitalismus eine Reihe w?ichtiger okonomischer Kate-
gorien zu erkliiren, wie: die Bodenrente, die Hohe
des Profits, die Hohe des Lohns, das ?Bevolkerungs-
gesetz`' (each MALTHUS). die Preisbewegung and
die Verteihmg im Zusammenhang nut der Nach-
frage and dem Angebot Bowie die Selbstkosten bci
den versehiedenen Kombinationen der Produktions-
elenunte usa?.
Mit anderen Worten, diese ~konomen wollen das
Elend and die Arbeitslosigkeit der Werktatigen im
Kapitalismus, die cu'onische Nichtauslastung der
Pi'oduktionskapazitiiten, die riesigen kapitalisti-
scten ProfIte usw, mit dem Wirken dieser ?etvigen
and natiirlicheri Gesetze" erklaren, die in einer
ebensolchen ?.ewigen and unumganglichen kapita-
listischen Ordnung" wirken.
Um das 1Virken des .,Gesetzesin der Industrie-
produktion zu begriinden, benutzen sic die isolier to
Tatsache, daB die relativ bestandigen and die relativ
veranderlichen Kosten bei der Bildung der Selbst-
kosten pro Einheit der erzeugten Produktion Bich
unterschiedlidi iindern and eine verschiedene Roll;
spieler, wenn die Ausnutzung der Produktions-
kaoazitat einer Maschine, ernes Aggregats, einer
Werksabteilung and eines Betriebes verandert wind.
Sic entstellen dieses organisatorische Problem der
ritttigsten Kombination der Produktionselemente
and zeicinen, urn ihre These zu beweisen, verschie-
dene abstrakte Schemata fiir die Bewegung der ver-
schiedenen Arten von Kosten pro Produktionsein-
heit and fiir die Bewegung der Selbstkosten pro
Pr?oduktionseinheit bei einem untersehiedlichen
Grad der Ausnutzung der Kapazitat eines Betriebes.
indent sic ?beweisen", daB die niedrigsten Selbst-
n alien Pr'oduktionen etwa bei der Aus-
?,o.cten i
nutzung der Kapazitat mit 70 Prozent bis 85 Prozent
entstehen.
Bei der Gliederung' dieser Schemata gehen die
obigen Autoren, von ein and derselben, unverander?-
ten Technik aus, von ein and derselben Produktron--
weise and von einer tmveranderten Qualitat der
Produktionseienlente (Arbeit, Maschirien. Grund-
material, Hilfsmaterial usw.), die im Produktions-
prozeB v'er?eint sind.
nimmt tiv rtan, daB das Lohnniveau durch die Arbeits-
at des Grenzarbeiters (des ..marginalen
Arbeite"
rbeitrs) bestimmt wild. Und die Grenz-Arbeits- Produktivitat habe nach einem bestimmten punkt
der Ausnutzung des vorhandenen Produhtionsappa-
rates eine standig fallende Tendenz.
honkrete statistische Untersuchungen von Pro-
du6tionsprozessen, die von bekannten Statistihern
in den USA durchgefuhrt Wurden. zergen uns, daB
in erner Reihe von Produktionszweigen tinter realen
produlvttonsokoitomiscken Bedinglnigen die Sche-
mata der modernen Vulgarokonomen voll and ganz
tviderlegt werden.
So widerlenen die Untersuchungen uber die Pro-
duktion des groBen amerikanischen Trusts ..U. S.
Steel Corporation" fiir die Jahre 1927 bis 1938, die
con M. EZEKIEL and K. WYLIE') durchgefuhrt
Wurden, die Behauptungen der modernen burger-
lichen Okonoren.
Bei einem Teil der Analyse", die von den oben
venannten Autoren uber die Stahlpr'oduktion durch-
,
gefuhrt Wurden, trennte man die Arbeitskosten con
den anderen Kosten and ermittelte man fur je e
einzelne auf diese Weise entstandene Gruppe die
entsPreehenden Funktionen der Selbstkosten.' Die
erhaltenen Ergebnisse sind sowohl vom praktischen
organisator'ischen) Standpunkt. als auch vom theo-
retisch-okonomischen Standpunkt Behr interessant.
In der modernen burgerlichen politischen Oko-
nomie nimmt man an. daB die relativen Aufwen-
dungen von Arbeit in N aturaleinheiten notwendigen-
fals zusammen mit der immer vollstandigeren Aus-
nutzung der Produktionskapazitat eines Betriebes
eI hoht werden (da erwartet wird. daB die Ertrage
je Einheit der Anlage lebendiger Arbeit von etnem
bestimmten Punkt an zu sinken beginnen). Mit an-
deren Worten. es vv ird behauptet. daB bei vol stan-
digerer Ausnutzung der Produktionskapazitat eines
Betriebes die Produktivitat der lebendigen Arbeit
tine fallende Tendenz hat. Die erhaltenen Beziehun-
gen zwischen den ttirklichen Qnwendungen von Ar-
beit zur Erzeu,?ung von 1 Tonne Stahl and der Grolie
des Ertrages unter den Bedingungen des Jahres 1934
sateen folgendermaBen aus:
Das Klassenwesen der Lehre dieser treuen Diener-
a italismus and Imperialismus hegt klar auf
r' KP
Prrenwt Anaendaag eea Arbnt
der Ansacsac pro t Tcnne erzec>ren
F c,s4l in ytelenreten
&r PraluknonskWazrut Petsoaen-Standen
Kce-.lentea
der Ar tts-
ptdakacuir
der Hand. Ail ler'Grundlage dieser abstrakten t ;
Schemata ,;beweisen" sic, daB es notwendig ist, den
Nominal- tmd Reallohn zu verringern, um die Ar-
beitslosigkeit herabzusetzeFl and die'..Vollbeschafti-
guPg zu erreichen, da eine VergruBerung der Zahi
iftigten Arbeiter (d.h die vollstandigere
Rf2 besCh`
Ausnutzung 'der vorhandenen Produktionskap.'tzi-
taten) elnen Ruckgan der Arbeitsproduktn-itat be-
dettten wurde. So, rechtfertigen sie den Angriff der
K'apitrilisten zur Senkung des Leben_tit3fldards der
ArbelterklaSse mid rechtfertiren sic die Arbeits-
zg*- 't and unvolistandige`Ausnutzung der Ka-
pazitat der kapitalistischen Betriebe. Diese Theorre
44
1010
th7 a
133
[55.o
r5'_
Von dieser Angaben haben wir die entsprechen-
den Koeffizienten fur die Arbeitsproduktiviitat er-
h) VgL L. EZEK EL and K WY LIE Cost Functions for the
Steel Industry. Journal of the A.:.ertcan Statistical Association.
r. 218. 1941. p. 98.
t), die in dem rolgenden Diagramm anschau- Falle beobachtet Wurden, da der Betrieb selten mit
mittelt
einer solchen Kapazitat gearbeitet hat). Diese
licher dargestellt n erden konnen: h n Wurden wie die
e
B
I 6C
110
Prozentsatr derKopazitatsausnutzung
60
eiic urg
charakterlsUschen
bei
oben genannten Autoren hervorheben, auch
Untersuchungen festgestellt, die uber die wirklichen
Anwendungen von Arbeit (gemessen in Personen-
Stunden) sowohl ?in der Automobli- als auch in der
Zcmentproduktion der USA gemacht Wurden.
Die burgerlichen Okonomen behaupten, daB fur
'ede Produktion bestimmte Abhangigkeiten zwi-
schen der Kurve der mittleren Ertrage and der
Kurve der zusatzlichen (Grenz-)Ertrage irn Produk-
tionsprozeB charakteristiseh sind, and bringen diese
in abstrakten hypothetischen Beispielen bei der an-
genommenen Fertigung cin and derselben Produk-
80 90
Mach Meinung der oben genannten Autoren steigt
die Arbeitsproduktivitat weiterhin (wenn auch viel-
leicht langsamer) auch nach 90 Prozent Ausnutzung
der Kapazitat des Betriebes (d. h. bis dicht bei
100 Prozent). Aber die Autoren enthalten rich der
Beka intgabe von Ergebnissen aus den Ermittlungen
uber 90 Prozent, da hier der Standardfehier der Re-
gressionslinie zeigt, daB die Zuverlassigkeit der er-
haltenen Regressionslinie nach diesem Prozentsatz
nicht groB ist (wegen der Tatsache. daB uber 90 Pro-
zent Ausnutzung der Kapazitat des Betriebes wenig
I) Die Koefnzienten tvurdn oath der ForreI . 100 mit
einer festen Basis (20 `r Ausnutzung der Kapazitat) ermittelt;
hlerbei bedeutet:
to - die Anwendung von Arbeit pro e.ne Tonne Stahl urter
den 3edin?_ungn des geriagsten tatsdchlichen Prozentsatzes
der Ausnutzung der Produktionskapazitaten:
ti -die Anwn von Arbeit bet andereri d
orskapazitatn (entsprech nd tRt a
Ausnutzung der Pr t:
,
0
t). So bedeutet mm Beispiei 100 den Koefftzienten. den
~
man erhatt aus dem prozeattiafn Gerhaltnis zwisdien der An-
wendung von Arbeit je Tootle Stahl bet einer Entwidtlung der
AusnutZttng der Kapazttat.des Betriebes von 20'?e auf 40 `k
(oder -. I04 = iiz?9 cr)- Demertsprechnd habn wir auch
die fotgenden Koeffzienten: 12.17 '!e. 123.5 '. and 157,1 "..
Wean wir die Koe fizieo efl auf derhal rte er[T ~9 eIer it-
tein. werdn wit demntsP
( U2 ': . 100 ? tUt.3'+. ( 36 100). Es iSt
Uar, dali? die verandeiungn in der Arbetsprodukrivi it bei
den versdiiedenen Gradn der Ausnt tzuttg der Kapazitat des
Truss nicht absotut gleichartig sind (zwtsdtn 20 Cc and 90 :).
Dodi wind acs dies" Angabn g1eichfaU5 young klar, dali wir
Grund hnben eine Hegressionsliaie aufzuzeidmen fda bier
die Abbangigkeit do Cbarakter des Korrelationszusammea-
banges hat). die durch eine gestreckte gerade oder leidit ge-
krnmmte Lithe mm Audrudr gebtadit wind. wetche eine un-
unterbrochene stefgerung der Arbeitsproduktivitat his 90 "n der
Ansnutzung der Kapazitat zeigen wird_
tionsart and einem unveranderten Umfang der zur
Verfugung stehenden Produktionsausrustung.
Nehmen wir beispielsweise eine graphische Dar-
stellung im Lehrbuch der politischen CSkonomie des
amerikanischen Okonomen KNIGHT'), wo die Linie
der Grenzkosten and der gesamten Selbstkosten
(Selbstkosten Pro Produktionscinheit) bet der an-
genommenen Kombination von nur zwei Produk-
tionselementen (z. B. die Arbeit and eine bestimmte
Maschinenart) in Zusammenhang mit dem Umfang
der erzielten Produktion dargestellt wird.
44
y
O
,MC
f
AC
I
1
0 K L
Produ k tions ein h ei ten
Mit dem Punkt ,L wird die Kombination be-
zeichnet, die uns die niedrigsten Selbstkosten pro
Produktionseinheit angibt. d. h, die Menge der Pro-
duktion, bei der die Kombination, der Produktiona-
elemente am gunstigsten 1st and zu den niedrigsten
mittleren Selbstkosten pro Produktionseinheit (R)
fllhrt. Gerade diese Kombination erreicht man nach
Meinung der burgerlichen Okonomen nur dann,
wenn die Produktionskapazitat wesentlich unter
1) CgL B. W ILITGIIT: Economic Principles in Practice. New
York 1944. p. 33.
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PROF. DR. RIJMEN JANAKIEFF
h nur dann, wenn wert sei, mehr Arbeiter heranzuziehen odcr den
100 Prozent ausgenutzt wind, d. fligung stehendera
tine voile Ausnutzung der Kapazitat der Produk- Lohn zu erhohen' urn ~ die zur Ver
r Abteilung, des Betriebes usw, Kapazitaten vollstiindiger auszuitutzen, da
tionsausrustungen de dies so-
wohl die Grenzkosten als auch die Gesamtkosten
With' erreicht wind.
io Produktionseinheit erhohe. So ISrdern sie die
Die Linie der mittleren Kosten (mittleren Selbsl- p ichieinstellung von Arbeilei?n so-
duktionseinheit wird durch die Lime Entlassung odes N
ACten) pro Pro wit die Starkung der groBen Arbeitslosenarmee, ob-
daigestellt, wahi?end die Linie, ~velche die Vei?- wohl eine Reihe von Beti?ieben im wesenlliclien
iinderungen in den Grenzkosten zeigt (d. h, in den 'ter einstellen and die Produktion stei-
Kosten die nur auf die zusatzliche Anwendung einer noch At bet
,
Einheit des Arbeilsaufwandes pro Einheit der zu- gei n kann, ?enn sic die vorhandenen Kapazitaten
ausnutzt. Wenn mehr Ar-
Kurve lich MC erzielten ausgewiesen Produktion wird, Bei der entfallen), durch Produktion die der Ausrustungen besscr
sate beiter eingestellt werden, behaupten diese Oko-
(dem Ertrag) im Umfang OK (auf der a-Achse) nomen, rst es notwendig, die Hohe ihres Lollnes zn
gehen wir bis zum Anfang der sich verringernden verringern.
Ertriigc in bezug auf das veranderliche Element Das Klassenwesen dieser abstrakten Schemata (etwa die Arbeit), d. h, out eine l;inheit der Antyen Lind Theorien, welche die bur?gerlichen Okonomen in
dung des veranderlichen Elementes entfallt ein ihren Lehrbuchern unci ?wissenschaftlichen" Ar-
immer g kleinerei Di tt ag rechts vom Punkt K die beiten predigen, ist klar ersrchtlich So sind sic be-
Produktiviti t der lebendigen Arbeit beginnt also zu strebt, die kapitalistische Ordnung zu verteidigen
Sinken, Beim Punkt K bilden die mittleren Kosten sowie das Sinken des Lohns, die Arbeitslosigkeii
pro Produktionseinheit die Entfernung OPT. Bei der and die chronische Nichtauslastung der Produk-
Procuktion OL gelangen wit' bis zum Punkt R, - tionskapazitaten zu rechtfertigen.
dem Punkt der niedrigsten Selbstkosten. Diese Abgeschen von del Tatsache, daB die cnischei-
Kosten bilden die Entfernung OPT. Die Grenzkosten ,lende Bedingung fur die Bestimmung des taisach-
nehmen nach dem Punkt I{ Schnell zu. Die Grenz ; lichen Umfangs der Produktion and des Grades der
kosten Sind niedr?iger als die mittleren Kosten fur Ausnutzun der vorhandenen Pt?oduktionskapazl-
jeden Ertrag (lede Produktion), der kleiner als OL g
ist. Die Grenzkosten Sind groBer als die mittleren taten im modernen Kapitalismus die erwartet'?
1{osten fi.ir jeden Ditiag, den man nach dem Punkt L Gro fie des Profits ist (d. h. das Streben, einen Maai-
crhalten hat (rechis nach x) Deshab 1 beginnen die malproftt zu erzielen unier Beruckslchtigung der
mittleren Kosten nach dem Punkt h zuzunehmen Konjunkturschwankungen des Marktes). betrachten
Bei dem Eil.iag OL sind die Grenzkosten gleich den wir nun, inwieweit die tatsachliche Entwicklung der
{osten pro Produktionseinheit (Ertrag), Produktion and die Ausnutzung der Produktions-
mittleren I
d, h, se fallen mit dem Punkt R zusammen (der der kapazitaten im Kapitalismus den abstrakten Leit-
Pttnkt mit den niedrigsten Kosten 1st, welcher auf satzen in den Schemata der vulgaren modernen bur-
der Kurve AC aufgetragen wurde). Dies folgt aus gerlichen Okonomen cntsprechen.
dem Leitsatz, daB wir als mittlere Ausgaben die ge- Diese Okonomen nehmen falschllch an, daB die
samten Kosten dividiert durch den entsprechenden Angaben uber alle Produktronsarten unier den tat-
Gesarntertrag (die gesamte Produktionsmenge im sachlichen Produktionsbedingungen so bearbeitet
Naturalausdruck) bezeichnen, wahrend wir als werden konnen, dal3 als Ergebnis immer die Sche-
Grenzkosten nur die Veranderun.g in den Gesamt- mata and Kurven erhalten werden, die wir bereits
kosten, die durch die Produktion des Grenzertrages, dargelegt haben.
d. h. des Ertrages, der infolge einer Einheit zusatz- Was sind tatsachlich die Abhangigkeiten, die bei
licher Anwendung des veranderlichen. Elenentes einer unterschiedlichen Ausnutzung der Kapazitat
Arbeit entsteht, bezeichnen. unter den realen Produktionsbedingungen in der
Die bu gerlichen ~konomen behaupten, daB in kapitalistischen Ordnung in Erscheinung treten.
der Wirklichkeit bei alien Produktionen die Kombi- Etnes der voigelegten Diagramme; dos, die Ver-
nation der zunehmenden Mengen Arivendung einer anderungen der Arbeitsproduktivitat bei etner'voll-
veranderlichen Produktionselementes mit einem an- standigeren Ausnutzung der Produktionskapazitai
deren nicht veranderlichen Element als Ergebnis des Stahltrusts illustriert. widerlegt bereits die Be-
nicht ro ortionale Ertrai?e ergibt, deren eine Phase hauptung, daB eine gewisse Tendenz zum Sinken
lstandinerer Aus-
die p Phase p der abnehmenden Eltrage ist. Hier setzen der . Arbeitsproduktivrtat bar vol, b
diese C)konomen ein unveranderliches Nrveau der nutzung der Kapazitat ernes Betriebes besteht.
Technik and der Produktionswetse und -organi-
sation sowie eine unveranderte Qualitat der Pro- Zusatzlrches ge
duktionselemente vorausDiese abnehmenden Er- die erwahnten Untersuchungen von EZEKIEL and
.
Mernun> der burgerlichert WYLIE bringen, wobei der Weg eingeschlagen wird,
'rage verurs nach die Kurve der gesamten Selbstkosten pro Produk-
blconomen em n A An mvachsen sowohl der Grenzkosten heft zu bestimmen
als auch der Gesamtkosten pro Produktionseinheit iionsern
bei vollstandigerer Ausnutzung der Produktions- Bei diesen Untersuchungen wird eine Abhanglg-
zitaten. Ste behaupten besonders, daB, da die keit zwischen dem Umfang der Produktion (d. h, der
kapa 1
Arbeitsproduktlvitat von einem bestimmten Punkt Ausnutzung einer bestimmten Produktronskapazitat
an eine fallende Tendenz habe, as nicht empfehlens- des Betriebes) and den Kosten pro Produktions-
46
4 4
cinheit festgestellt, da der Betrieb unter den ge-
gebenen realen Produktionsbedingungen als Ganzes
betrachtet wird, ohne, daB eine einzelne Analyse
jedes verschiedenen Produktionsprozesses dur'ch-
gefuhrt wird. Bei diesen Untersuchungen konnen
die Funktionen der Selbstkosten nicht nur als mitt-
lore Kosten pro Produktionseinheit, sondern auch
als Gesamtkosten and als Grenzkosten pro Produk-
tionseinheit ausgedruckt werden. Die burgerlichen
Okonomen nehmen theoretisch an, daB bei jeder be-
stimmten GroBe des Ertrages im kapitalistischen
Betrieb die Produktionselemente so kombiniert wer-
den, daB sic bei dieser bestimmten GroBe des Er-
trages die geringsten Kosten ergeben. Aber in der
Praxis wird dies von den fur die Organisation der
Produktion verantwortlichen Organen selzen er-
i echt. Bei der Untersuchung berucksichtigen die
Autoren gerade die Kombination zwischen den Pro-
duktionselementen bei. jeder bestimmten GroBe der
Kapazitat des Betriebes, die in der Wirklichkeit
beobachtet wurde.
Bei ihren Untersuchungen in der metallurgischen
Industrie befaBten sick M. EZEKIEL and K. WYLIE
mit der Produktion der ?American Steel Corpo-
ration" and untersuchten die Abhangigkeiten zwi-
schen der Ausnutzung der Kapazitat dieses Stahl-
trusts (tnsgcsamt genommen mit alien semen Be-
trieben) and der Entwicklung der Produktions-
kosten.
Wir konnen uns bier nicht mit einrgen Besonder-
heiten der Stahlproduktion bei diesem Trust, den
die oben genannten Autoren bei der Untersuchung
and statistischen Analyse der Angaben im Auge
hatten, befassen and sic beschreiben. Die als Er-
gebnis der Untersuchung erhaltene Regressionslinie
wird in dem folgenden Diagramm dargestellt.
Diagramm Nr.3
~'n r
60
0
(r)Aus errutzte f;apazitot (in /o) X
20 30
?o 50 60 jo 80
Aus dem angefuhrien Diagramm ist zu ersehen,
daB bei dieser Produktion der Punkt der niedrigsten
Kosten pro Produktionseinheit (R) rechts festgestellt
wird - bei ungefahr 100 Prozent der 'Ausnutzung
der Produktionskapazitat des Betriebes, da, obwohl
nach 90 Prozent die P.roduktivitat der lebendigen
Arbeit nicht mit dem gleichen Tempo zunehmen
kann, die Kosten pro Produktionseinheit (pro elite
Tonne Stahl) immer nosh weiter sinken, wenn auch
bereits langsamer, bis ungefahr 100 Prozent der
Ausnutzung der Kapazitat des Trusts.
Die monatlichen Angaben fiber die Jahi'esproduk-
tion an Stahl zeigen unter Berucksichtigung der
Ausnutzung der Produktionskapazitat des Trusts in
der Zeit von 1920 bis 1939, daB die Produktion unter
20 Prozent der Kapazitat fur weniger als 5 Prozent
der Monate, die bei der Beobachtung in Betracht
gezogen wurden,und unter 30 Prozent der Kapazitat
fur 15 Prozent dcr Monate gefallen ist. Die Produk-
tion uberschritt 90 Prozent der Kapazitat nur fur
15 Prozent der'Monate and lag unter 80 Prozent fur
65 Prozent der Gesamtzeit. Es ist offensichtlich, dai3
dcr Trust durchschnittlich in diesen 20 Jahren mit
ungefahr 50 Prozent bis 60 Prozent seiner Produk-
tionskapazitat gearbeltet hat.')
Die Autoren schreiben: ?Folglich hat es den An-
schein, daB in den vergangenen 20 Jahren der Stahl
in einem groBen Teil der 'Leit bei einer so niedrigen
Ausnutzung der Kapazitat des Betriebes produziert
wurde, was die Ursache dafur ist, daB die Kosten fur
tine Tonne vial hoher waren, als sic bei einer mog-
lichst voltstandigeren Ausnutzung der vorhandencn
Kapazitat gewesen wdren." (Hervorhebungen von
mir. - R. J.).i)
Es ist ganz klar, welche groBen Verluste fur die
Volkswirtschaft diese niedrige Ausnutzung der Pro-
duktionskapazitat des genannten amerikanischen
Trusts gebracht hat. Die Ursache hierfur ist der aus-
beuter?ische and spontane Char?akter der kapitalisti-
schen Produktion and der Grundwiderspruch des
Kapitalismus, d. h, der Widerspruch zwischen der
privaten Aneignung and dem gesellschaftlichen
Charakter der Produktion.
Das Privateigentum an den Produktronsmitteln,
die Monopolpreise, das Streben nach Maximalprofit
and die ausbeutens'chen kapttalistischen Produk-
tionsverhaltnisse setzen der Entwicklung der Pro-
duktivkrafle enge Grenzen and behindern sic. Die
unvollstandige Ausnutzung der Produktionskapazi-
tat des Betriebes, die chronische Nichtauslastung der
Betriebe, die gewaltsame Vernichtung eines Teils
der Produktivkrafte and die Militarisierung der
Wirtschaft -- all dies sind ver?zweifcite MaBnahmen
der Bourgeoisie bei rhren Versuchen, die periodi-
_90 100 schen Krisen zu uberwinden.
Die Wechselbeziehungen zwischen den Selbstkosten
je Einheit des erzeugten Stahls and dem Prozentsatz
der Kapazitatsausnutzung unier den Bedingungen
des Jahres 1938
1) Dlese Prozentzahlen haben wir auf der Grundlage der in
dem Artikei der oben genannten Autoren gemachlen Angaben
festgestellt, indent wir das gewogene arithmetrsche Mittel aus
den von uns geblideten Gruppen (rhren Mittehverten) and den
betrefenden Prozentzahien aus den Monaten in der Beobach-
tungsperiode beslimmt haben, In denen der Betrleb Wilt darn
gegebenen mittleren. Prozentsatz der Kapazitilt gearbeltet hat.
1) M. EZEKIEL and K. WYLIE - zit. Arbett. S. 98.
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PROF. DR. ItUMEN JANAICIEFF
LENIN schreibt daB ?die moderne Gesellschaft
unvergleichlich mehr Produkte fur die Verbesse-
rung des Lebens des gesamten werktatigen Volkes
er?zeugen konnte, wean nicht em kleines Hauflein
Pr?ivateigentumer?, die am Elend des Volkes Millio-
nen verdienen, den Grund and Boden, die Fabriken,
Masehinen usw? an sick gerissen hatten."'-)
Die zitierten zwei Autoren haben festgestellt, daB
(entsprechend den Angaben uber den Umfang der
tatsachlichen Produktion bei den beobachteten ver-
schiedenen Prozentzahlen der Ausnutzung der Ka-
pazitiit) nirgends eine solche Steigerung der Grenz-
koslen zusammen mit der Produktionssteigerung
festzustellen ist, vie es in dem Schema von KNIGHT
gezeigt wird. Es wurde nirgends festgestellt, daB em
solcher Wendepunkt erreicht wurde. Das heiBt, daB
die Kurve der Grenzertrage (bzw. der Grenzkosten),
auf der die moderne vulgare okonomischc Theorie
von den Preisen and der Verteilung im Kapitalis-
mus berirht, hier uberhaupt nicht anwendbar ist and
den abstrakten Schemata nicht entspricht.
Diese fiktiven Schemata entspr?echen nicht den
typischen realen Produktionsbedingungen. Eigent;
lick konnen sich nur in seltenen Fallen, bei einer
technisch unzulassigen tberlastung einer gegebenen
Maschine (Drehbank, Frasmaschine, Ring u. a.).
solche Schiiden der Maschine, Verschlechterung der
Qualitat, Ausschul3 and Steigerung der Arbeits-
kosten u. a. ereignen, die zur Steigerung der mitt-
leren Kosten pro Produktionseinheit fuhren Aber
dies ist eine Ausnahme, and nicht die Regel in der
okonomischen Wirklichkeit. Es ist klar, daB sich die
biirgerlichen Okonomen auf erdachte oiler sehr sel-
tene File stiitzen, wo die Ar?beitskr?afte einseitig zu-
nehmen and wo der Produktronsapparat eines ge-
gebenen Betriebes unverandert bleibt, wahrend die
Zunahme der Arbeitskrafte einen solchen Grad er-
reicht, dal3 eine unrationelle Ausnutzung der Ar-
beitskrafte eintritt and sich unrationelle Proportio-
nen zwischen den Faktoren der Produktion ergeben.
Als Ergebnis davon werden wir auf erordentlich vrel
Arbeiter im Verhaltnis zu einer bestrmmten Produk-
tionsausrustung haben Aber gerade diese Organi-
sation der Produktion wird kein Kapitalist fur lange
Zeit zulassen. Wie wir gesehen haben, ist in der
kapitalistischen Wirklichkeit die umgekehrte Situa-
tion charakteristisch - die Heranzlehung von mehr
Arbeitern ist in Wirklichkeit notwendig, um die Ar-
beitsproduktivitat zu steigern and die Selbstkosten
zu senken. Deshalb auBern die oben genannten Au-
toren, nachdem sic die ungefahr? gleichen Verhalt-
nisse sowohl fir die Automobil- als auch fur die
Zementindustrie in den USA uriter realen Produk-
tionsbedingungen festgestellt haben, die Meinung,
daB der gr?of3ere Tell der modernen okonomischen
Theorie (die Theorie von der Grenzproduktivitat
(?marginal productivity) einer grandtegenden Re-
vision bedarf, damit ihre Annahmen Writ den Tat-
sachen der Produktiottswirkliclrkelt in 1ibereinstinr-
;rrung gebracht werden. Die Autoren auBern die
Meinung, daB diese Untersuchungen AnlaB geben zu
2) W I. LENIN. \Verke. Ed. 5, S. 85.
48
P
glauben, daB die Preispolitik diesel' Schwerindustrie-
betriebe (die den Trusts gehoren) geandert werden
muB indem mehr Arbeitei herangezogen werden
sowie den Arbeitern hohere Lohne gezahlt wer en
and indem der Verkauf an die Verbraucher zu nie-
drigeren Preisen erfolgt, was wegen der Ersparnisse
moglich ist, die bei einer grof3eren Ausnutzung der
Produktionska azitaten gemacht werden. Sic hof-
p
fen, daB (auch n ,enn keine militarischen Auftrage crteilt werden) auf diese Weise eine grofiere Aus-
nutzung der Kapazitat fur langere Zeitraume auf-
eechterhalten werden kann als es in der Vergangen
heit fur moglich gehalten wurde.
Offensichtlich sind die Autoren nicht der Meinung,
"lli
daB hiermit eine Krise vo g vermieden werden
-
kann. Aber sic konnen das Wichtigste nrcht vcr
stehen: daB die Ursache fur die unvollstandige and
unrationelle Ausnutzung der Produktionskapazitat
in den Mangeln and Widerspruchen der kapitalisti-
schen Produktionsweise liegt and daB die Kapita-
listen das Problem der Realisier?ung der von ihncn
erzeugten Produkte nicht Posen konnen. Das Stre-
ben der Kapitalissten nach Maximalpr?ofit stoBt auf
das Fehlen einer zahlungsfahigen Nachfrage seitens
der werktatigen Massen and fuhrt zur chronischen
Nichtausnutzung der Ploduktionsmoglichkelten.
AuBerdem muB unterstrichen werden, daB selbst
in Per?ioden der zeitweiligen Stabihsierung and des
Vorhandenseins eines groBeren Marktes, die eine
groBere Ausnutzung der Produktionskapazitaten er-
moglichen, die Einsparungen, weiche die Kapitali-
sten durch die Senkung der Selbstkosten realisieren,
von der kapitalistischen Klasse angeeignet werden,
and nicht den Arbeitern abgegeben werden. Unter
alien Bedingungen behalten hier? die Einsparungen
ihren klassenmaBigantagonistischen Charakter, da
der Widerspruch zwischen den Interessen der Ar-
beiter and den Interessen der Kapitalisten, die be-
strebt sind, emen immer grol3eren Teil des Mehr-
averts zu rauben, bestehen bleibt.
Es ist wohl kaum notwendig, daB wn? uns damn
befassen, diese in der burgerlichen politischen Oko-
nomie auBerordentlich verbreiteten modernen Theo-
r?ien von den Kombinatronen der Produktionsele-
mente and von der Ausnutzung der Produktions-
kapazitaten im Kapitalismus weiter? kritisch zu be-
trachten. Es ist nicht notwendig, daB wir zur Be-
trachtung der Versuche der burgerlichen Okonomen
ubergehen, zu erklaren.. vie die ,,Gleichgewichts-
lage" bei der Verteilung der Faktoren (Elemente)
der? Produktion unter 'Berucksichtigung des ,.glei-
chen Wertes" erreicht wird, den die Gesellschaft
dem ?Grenzprodukt der Arbeit bei jeder Wirt-
schaftstatigkeit" gibt, wie in Anbetracht dessen das
?Preissystem im Kapitalismus" geregeit wird and
arbeitet usw. '
Die burgerlichen Okonomen sind bestrebt, durch
diese Theorie das Bestehen der kapitalistischen Aus-
beutung der Arbeiter zu verschleiern. Die Vulgar-
okonomen behaupten, daB der Lohn gleich dem Wert
1st, den man als ?Gr?enzprodukt" ein and derselben
Arbeitsart erhalt (d. h. des Wertes des Zuschlags
KRITIK AN DER BORGERLICIIEN OKGNO11IISCIIEN LEIIRE VON DER WIRKUNG, ..
zur Gesamtmenge der Produktion, den man als Er-
gebnis der zusatzlichen Amvendung einer oder meh-
rerer Arbeitseinheiten erhalt). Das ?Gleichgewicht''
in del' Verteilung des Faktors konnte dann erreicht
werden, wemr ?der Wert des Grenzproduktes je
Faktor in jeder Richtung (-Wirtschaftstatigkeit) der
gleiche ist, in dem es gebraucht wird."r)
Auf diese Weise sind die oben genannten Oko-
nomen bemuht, das Bestehen des Mehrwerts im Ka-
pitalismus zu verschleiern, Die Behauptung der bur-
gerlichen (Skonomen, daB der Lohn ?eine gerechte
Belohnung ist, die Itir? die Dienstleistungen der Ar-
belt in der Produktion gezahlt wird", and durch den
Wert des ?Gr?enzproduktes" bestimmt wird, das Bich
auf die letzte zusatzliche Amvendung von lebendiger
Arbeit im Produktionsprozef3 bezieht, 1st vollig
falsch. Die marxistische politische tOkonomie lehrt,
daB der Lohn Burch den Wert der Arbeitskraft be-
stimmt wird, die im Kapitalismus eine Ware 1st and
ihren Marktpreis hat. Durch die VergroBerung der
Reservearmee an Arbeitslosen verstarken die Kapi-
talisten ihrenDruck auf die Verringerung desLohns?
So fallt der Preis der Arbeitskraft haufig unter ihren
Wert. Der Wert der Arbeitskraft 1st niedriger als der
vom Arbeiter im Produktionspr?ozeB geschaffene
Wert. Die Differenz iwischen dem Wert der Arbeits-
kraft (die der Kapitalist wie jede andere Ware
kauft) and dem Wert, der von den Arbeiern in der
Produktion geschaffen wird, ist der Mehrwert, den
sich die Kapitalisten als Eigentumer der Produk-
tionsinstrumente aneignen. Die Produktion von Ge-
brauchswerten durch den Lohnarbeiter 1st eim Ein-
kommen von Werten fur den Kapitalisten, der die-
sen Ertr?ag (diese Erzeugnisse) besitzt, aber nicht
fur den Arbeiter, der das, was er? produziert hat,
nicht besitzt.
Die oben angefuhrten Beispiele zeigen uns ge-
nugend deutlich, daB die Schemata der burgerlichen
Okonomen ohne Inhalt, fiktiv, von der realen Wirk-
lichkeit der Produktion losgelost sind, daB diese
Schemata eigentlich in dieser? ihrer Form weder? auf
die landwirtschaftliche nosh auf die mdustrielle Pro-
duktion angewendet werden konnen.'
Die burgerlichen okonomen rechnen wetter nicht
mit dem standigen Fortschritt in der Technik bei der
Entwicklung der okonomischen Wir?klichkeit, son-
dern betrachten die Dinge s t a t i s c h.
Es ist angebracht; hier den bekannten Gedanken
LENINS zu zitieren,-daB der Fortschritt der Technik
and die Entwrcklung der Produktivkrafte unter Be-
rucksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen
Entwicklung ?das Wesentliche" and das ?Univer-
sale" ist and es kein ewiges ?Gesetz der abneh-
menden Ertrage" gibt. Die burgerlichen Okonomen
bis zur klassischen Schule waren der Meinung, daB
dieses Gesetz nur?auf die Landwirtschaft anwend-
bar -1st, wahrend die heutigen vulgaren Okonomen
behaupten, daB es auch in der Industr?ie and in
?jeder menschlichen Wrrtschaftstatigkeit" univer-
selle Amvendung findet.
1) Vgl. FR. BENHAM: Economics, London 1939, p. 133.
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Konnen wit? behaupten, daB die ?Tendenz des
menschlicheri technischen Fortschritts zeitweilig ist,
wahrend das ?Gesetz der abnehmenden Ertrage"
universell and unveianderlich ist?
Wenn wir eine solche These annehmen, unter-
streicht LENIN, so konnten wir ebensogut sagen:
?Das IIalten der Zuge auf den Stationen stellt cin
universelles Gesetz des Eisenbahnverkehrs dar, die
Bewegung der Zuge zwischen den Stationen da-
gegen ist eine zeitweilige Tendenz, die die Wirkung
des universellen Haltegesetzes paralysier?t."i)
Die burgerlichen Okonomen ziehen nicht' in Be-
ti?acht, daB sowohl die Organisation der Arbeit and
die Produktionsweisen als'auch die Qualitat der
verschiedenen Produktionselemente (Qualifikation
der Arbeit, Verbesserungen in der Konstruktion and
im Betrieb der Maschinen usw.) sick im Laufe der
Zeit bzw. nur bei Veranderung des Grades der Aus-
nutzung der Produktionskapazitat andern,
AuBerdem nehmen diese Okonomen an, daB die
Kurven, welche die Bewegung der Verander?ung der
Kosten pro Produktionseinheit fiir jedes Produk-
tionselement zeigen, sowie die Bewegung der Kurve
der Gesamtkosten bei verschiedener Ausnutzung der
Kapazitat den Leitern der Produktionrgut bekannt
sind and daB es gerade sic Sind, die in den abstrak-
ten Schematagezeigtwerden. Eigentlich sind fur jede
Produktionsart verschiedene Kurven fur jeden der
verschiedenen Faktoren der Produktion charakter?i-
stisch, and ihre exakte Feststellung erfordert spe-
zielle statistische Beobachtungen, die in den Betrie-
ben selten angestellt werden, da diese Beobachtun-
gen schwierig and teuer sind and viel Zeit and Mit-
tel in Anspruch nehmen.
So lautet die Frage fur die moderne Theorie der
burgerlichen' Okonomen uber das Wirken des ?Ge-
setzes der abnehmenden Ertrage",? in der Industr?ie
in Zusammenhang mit der unterschiedlichen Aus-
nutzung der Produktionskapazitaten einesBetriebes.
Andererseits ist eine wirtschaftliche Analyse des
Einfiusses der VergroBerung des Umfangs der Pro-
duktion (bei besserer Ausnutzung der Kapazitat) auf
die Selbstkosten pro Produktionseinheit unter Be-
rucksichtigung der rationellen Organisation jeder
konkreten Produktionsart zweifellos notwendig and
nutzlich. Durch die Analyse der Veranderung der
durchschnittlichen Selbstkosten pro erzeugte Pro-
duktionseinheit bei uriterschiedlicher Ausnutzung
der Kapazitat eines Betriebes, einer Abteilung oder
einer einzelnen Maschine sowie durch die Analyse
der Veranderung des relativen Anteils jedes fur die
betreffende Produktion wichtigen Elemente an den
Selbstkosten pro Produktionseinheit kann die Be-
triebsleitung unter Berucksichtigung der konkr?eten
Organisation des Produktionsprozesses wertvolle
Angaben erhalten. Besonders unter den Bedingun-
?gen des Sozialrsmus konnen diese Untersuchungen
zur Verbesserung der Planung and Organisation der
Produktion~und der Arbeit im sozialistischen Betrieb
and uberhaupt in der ganzen Ihdustrie, zur ge-
1) \V. I. LENIN, Werke, Bd. 5, 5. lOG.
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PROF. DR. RUMEN JANAKIEFF
naucren Bestimmung des Lohnfonds, der Umlauf-
mittel-Richtsatze, Kosten fur Reparatur and Schmie-
rung der Maschinen usw. benutzt werden.
Unter den Bedingungen des modernen Kapitalis-
mus werden die hohen Preise von den Monopolen
aufrechterhalten, die oft absichtlich die Ausnutzung
der Produktionskapazitaten verringern and so einen
Maximalprofit realisieren konnen. Unter diesen Be-
dingungen kann sogar die genaue Erkenntnis der
Funktionen der Kosten der verschiedenen Grund-
faktoren der Produktion in vielen Fallen nicht fur
die Verbesserung der Organisation der Arbeit and
Produktion durch die Kapitalisten geschickt aus-
genutzt werden, da die'Spontaneitat des kapitalisti-
schen Marktes, das Fehlen weitgehender Moglich-
keiten zur Realisierung der Produkte bei der Ver-
ringerung der zahlungsfahigen Nachfrage der Be-
and der Furcht vor einer neuen Wirt-
schafts er zwingt, die Produk-
chaftkiri ise die Eigentum
tionskaPazitat ihrer Betriebe nicht genugend ?iuszu-
nutzen, keine EinsParung bei der Ausnutzung der
Arbeit and der Produktionsmittel,. eine Steigerung
der durchschnittlichen Selbstkosten pro Produk-
ionseinheit zu erreichen, vie es uns die oben zitier-
t
ten ntersuchun';en uber die Produktion des Stahl-
U
trusts deutlich zeigen.
Fassen wir also zusammen:
Die dargestellten statistischen Untersuchungen
and Analysen beweisen, dab das sogenannte Gesetz
des abnehmenden Ertrages kein reales okonomisdies
Gesetz ist, das die wirkliche historische Entwicklung
der Ausnutzung der Kapazitaten and der BeschSftl-
gung der Arbeiter in den verschiedenen Industrie-
zweigen im Kapitalismus bestimmt.
Finanzokonomische Fakultat -
Institut Finanzen and Buch f iihrung der Wirtschaf tszweige" Direktor Dr. Ernst I{up f ernaget
Als Manuskript gedruckt!
tandes der >.ndustriellen
Qss
Qen 1i >.c~klunb
Zu e>.nib .oblemen des Entw
unb a in der DDR
Kostem echn
?
Von ERNST KUPFERNAGEL
1. Die Eiitwicklung der Kostenrechnung in der DDR
Das industrielle Rechnungswesen stand in der
letzten Zeit des ofteren im Blickpunkt der Kritik.
Die Kostenrechnung, als fur die Durchsetzung der
wirtschaftlichen Rechnungsfuhrung wesentlichster
Bestandteil des industriellen Rechnungswesens, war
es insbesondere, welche hinsichtlich ihres Aufbaus
and ihrer Methoden ernste kritische Hinweise aus-
loste. Es zeigt Bich, dal trotz wiederholter Bemer-
kungen seitens des ZK der SED, insbesondere auf
dem 21. and 30. Plenum, and der Einschatzung der
derzeitigen Kostenrechnung auf der Berliner Ar-
beiterkonferenz am 7. and 8. Dezember vorigen Jah-
res, nur zaghaft an dieses Gesamtproblem heran-
gegangen wind. Sofern Untersuchungen durchge-
fuhrt werden, soweit dies aus Publikationen er-
sichtlich ist, befassen sic sich entweder mit Teil-
fragen der Methodik and des Aufbaus odor ver-
suchen uber neue Techniken dem tlbel der Auf-
blahung, Zersplitterung and mangelhaften Ziel-
setzung auf die Spur zu kommen.
Die Vielzahl der einzelnen Mangel der industriel-
len Kostenrechnung lalt sick zu drei verallgemei-
nerten Erscheinungen zusammenfassen:
1. Aufblahung des Aufbaus der Kostenrechnung
(Arbeitsplatz-, Brigade-, Abteilungs- and Be-
triebsabrechnung).
2. Kompliziertheit des Verfahrens der Kostenrech-
nung (Zu- and Verrechnung indirekter Kosten,
Plan-Istkostenrechnung).
3. Mangelhafte Abgrenzung von Zeit- rind Stiidc-
rechnung.
Diesen Erscheinungen ist eigen, daB man sic nicht
schlechthin als negativ fur die Entwidclung der
Kostenrechnung bezeichnen kann, sondern ein Ur-
teil immer nur unter dem Gesichtspunkt der Wirt-
schaftlichkeit der Kostenrechnung gefallt werden
kann, d. h. daB der fur die Abrechnung erforder-
liche Aufwand an Zeit, Material and Geld der groBe
ren E -
rkenntnismoglichkeit aus den Unterlagen der
Kostenrechnung zum Zwedce der Rentabilitats-
gestaltung and spezifischen Weiterentwidclung des
Betriebes entsprechen mull Der Aufbau der Kosten-
rechnung, der fur den einen Betrieb zwedcdienlich
and angebracht ist, kann in anderen Betrieben in
der gleichen Form zur Aufblahung fuhren.
Eine grundsatzliche Losung dieser Fragen dart
daher nicht an der vom Genossen ULBRICHT auf
der 21. Tagung des LK der SED gestellten Forde-
rung vorbeigehen, ?die Form des Rechnungswesens
entsprechend der Struktur and den konkreten Er-
fordernissen fur den einzelnen Wirtschaftszweig and
sogar fur den Betrieb festzulegen" 1).
Die Wurzel all'dieser Erscheinungen liegt jedoch
in der mangelhaften Abgrenzung der Zielsetzung
der Kostenrechnung. Die Bereinigung dieser Frage,
in welchem Umfang die Kostenrechnung
a) Aufgaben auf dem Sektor der betrieblichen and
insbesondere innerbetrieblichen Leitung,
b) Aufgaben auf dem Sektor der Kalkulation
zu losen hat, muB unmittelbar zu einer Klarung der
genannten Mangel der Aufblahung, Kompliziertheit
and des Verhaltnisses von Zeit- and Stuckrechnung
fuhren.
Eine Untersuchung, wie es uberhaupt zu diesen
Erscheinungen kommen konnte, erfordert zwangs-
laufig eine kurze Ruckschau uber die gesamte Ent-
wicklung in der Republik,
Die Anordnung uber die Einfuhrung des Einheits-
kontenrahmens der Industrie der ehemaligen Deut-
schen Wirtschaftskommission vom 26.11.1948, die
each Beendigung des SequesterverfahrenS als Keim-
zelle der Weiterentwicklung des Rechnungswesens
in der volkseigenen Industrie angesehen werden
kann, erklarte einen Kontenrahmen fur verbindlich,
welcher einer individuellen Entwidclung der Kosten-
rechnung alle Wege often lieB. Die Wahlfreiheit der
Anwendung der Klassen 5 and 6 erlaubte nicht nur
die Wahl zwischen einem Einkreis- oder Zweikreis-
System, sondern ermoghchte auch, die Kosten-
stellenrechnung im Kontensystem oder statistisdi
durchzufuhren.
Dieser Kontenrahmen and insbesondere die der
Kostenrechnung vorbehaltenen Kontenklassen
waren eng an die auf Grund des ?Erlasses des
Reichs- and Preulischen Wirtschaftsministers and
1) ?Zur dkonomischen Politik der SED and der Reglerung der
DDR", Dietz Verlag, Berlin 1955, S. 234.
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des Reichskommissars fur die Preisbildung" vom
11. 11. 1937 entwickelten Kontenrahmen der Ge-
werblichen Wirtschaft angelehnt. Die technisehe
Grundlage fur die Entwicklung der Kostenrechnung
wurde dann durch? die Schrift von einem Verfasser-
kollektiv unter MELLEROWICZ and FUNKE uber
?Grundfragen undTechnik der Betrlebsabrechnung"
gelegt.
Diese Entwicklung muflte naturlich, da sic ihrem
Inhalt nach alle Merkmale dGr burgerlichen Be-
triebswirtschaftslehre, vie be'ispielsweise die Tren-
nung von Kosten and Aufwand, von Geschaftsbuch-
haltung and Be triebsbuchhaltung (Kalkulation) and
die dar?aus rpsultierenden Bewertungsmanipulatio
nen, aufwies, zu Ergebnissen fuhren, die mit den
Gr?undsatzen sozialistischer? Wirtschaft unvereinbar
waren.
Bis zu diesem Zeitpunkt uberwog die kalkulato-
rische Zielsetzung der Kostenrechnung, and in den-
jenigen Betrieben, in denen die Organisation bereits
cure Kostentrager'zeitrechnung zullea, war jedoch
die Zielsetzung zwischen Kostentragerzeitrechnung
als einer Gruppenrechnung mit periodisch differen-
zierter Ergebnisermittlung and Stiickrechnung as
eigentlicher Na'chkalkulation ohne Zweifel klar.
Die Einfuhrung des Neuen Rechnungswesens mit
Beginn des Jahres 1953 unterbrach in gewissem
Sinne diese Entwicklung, and zwar mit Recht, je-
doch wurde hierbei nicht nur eine Neuentwicklung
begonnen, sondern auch positive Seiten einer? ver-
gangenen Entwicklung gestort, genauso vvie nicht
nur fur unsere Entwicklung unannehmbare Erschei-
nungen der Vergangenheit liqurdiert, sondern auch
Keime zu den heutigen Mangeln gelegt wurden.
Die Wetterentwicklung der Produktivkrafte ver-
langt zwar eine betriebliche Kontrolle mit Hilfe der
Kostenrechnung in einer wesentlrch verbesserten
Form, jedoch dart die grundsatzliche Zielsetzung der
Kostenrechnung as Leitungs- and als Kalkulatrons-
instrument keine Verlagerung zur operativen Seite
auf Kosten icnrer kalkulatorischen Aufgaben erfah-
ren. Eine derartige Verlagerung beraubt den Be-
irieb nicht nur seiner entscheidenden Unterlagen,
sondern nmB zwangslauflg zu einer Uberbetonung
der Stellenrechnung and ihrer Aufblahung fuhren.
In der mangeihaf ten Klarung der Abgrenzung
dieser beiden Hauptaufgaben bei Einfuhrung des
Neuen Rechnungswesens liegt die Wurzel der heuti-
gen Mangel sowohl im Aufbau als auch in den Me-
thoden der Kostenrechnung and muBte schlieBlich
auch zu' einer Verwischung von Zeit- and Stuck-
rechnung fuhren. Wenn man zuruckblickend die
Einfiihrungsperiode des Neuen Rechnungswesens
uberschaut, um die Erreger der heutigen Neuralgie
in der Kostenrechnung zu entdecken, so mull man
zweierlei feststellen:
1. Die an sick wichtige Betonung der operativen Be-
deutung der Kostenrechnung verdrangte jedoch
die kalkulatoriSehe Zielsetzung der Kostenrech-
nung uiid fuhr?te zu einem Qberbetonten Stellen-
aufbau mit'den Forderungen nach Abrechnung
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ZU EINIGEN PROILEMEN DES ENTWICKLUNGSSTANDES
en and moglicher'mveise auch der Ar-
den Brigid
beitsplatze, um mit diesen MaBnahmen die inner-
be zu
triebliche wirtschafthche Rechnungsfuhrung
fordern.
Heft 25 der Schriftenrethe Deutsche
. Das im
Finanzwir issh aft vorgeschlagene System einer Plan-Istabrechnung, welshes oft ohne Beruck-
stchtigung br?anche- odes betiiebsbedingterEigen-
heiten ubennommen wurde. zeigte den Betrieben
nicht, vie man, ohne zu stolpern, die ersten Sch J
ritte auf dem Gebiete der Plankostenrechnung
machen kann, sondern demonstrierte einen voll-
kommenen Stil einer Plankostenrechnung, deren
Nachahmung vrele Betriebe aus dem Tritt wan f
bzw.zumStraucheln brachte Dabei war es eigent-
lich dock gar nicht so schwer, auch Men an Tr a-
itionen and altes Gedankengut anzuknupfen,
d
nachdem man die alte Technik (.Anwendung von
Verrechnungspreisen and Normalzuschlagen fur
indirekt zu verrechnende Kosten) den Zielen so-
zialtstischer Produktionsweise drenstbar gemacht
hatte, um dann uber mehrere Entwicklungs-
hasen den demonstnierten Idealzustand zu ei-
p
reichen.
Es ware jedoch falsch, dem Neuen Rechnungs-
wesen schlechthin die Schuld an den heutigen Zu-
standen aufzuburden, sondern es mull festgestellt
wer?den, daB diejenigen Fachministerien and Haupt-
verwaltungen, die es verstanden haben, das Neue
Rechnungswesen ihren Besonderheiten unterzuoi'd-
nen and mit eigenen Gedanken rationell weiterzu-
entwickeln, einen grollen Teil der heute aufgetrete-
nen Schwachen vermeiden konnten.
Bei Zugrundelegung diesen? kurzen Gedanken-
gange uber die Entwicklung des Neuen Rechnungs-
wesens muBte eine Diskussion uber die industrielle
Kostenrechnung die zwei folgenden gr?undsatzlichen
Fragen zum Inhalt haben:
1 Welches 1st der zweckmaBigste and rationellste
Aufbau einer Kostenrechnung, der sowohl der
operativen als auch kalkulatorischen Aufgabe der
Kostenrechnung gerecht wird?
2 Welche Perspektive hat die Plankostenrechnung
im Rahmen der wirtschaftlichen Rechnungsfuh-
rung?
2. Hauptprobleme der Welterentwzcklung der
Kostenrechnung
Es kann nicht Aufgabe dieser Aehandlung sein.
diese Fragen auch nun annahernd abzuhandeln, son-
dern es sollen aus den beiden vor?genannten Haupt-
problemen nur je sin Gedanke herausgegriffen wer-
den; um uberhaupt die prinzipielle Diskussion zur?
derzeitigen Kostenrechnung zu beleben.
a) Zum Problem der statistisch oder
im Kontensystem gefuhrten Kosten-
rechnung
Wenn man davon ausgeht, daB innerhalb des
Rechnungswesens sowohl die buchhalterische als
ch die statistische Methode zur Anwendung kom- Das Prinzip der Trennung von Aufwand and
au
men kann, so trifft dies auch fur die Kostenrechnung Kosten ist also weder an die buchhalterische nosh
zu, and es bliebe zu untersuchen, welche Methode an die statistische Methode gebunden.
fur die Kostenrechnung am zweckmaBigsten ist. Es Es hieBe Wesen and Erseheinung verwechsehn,
ist in letzter Zeit, insbesondere bei der Behandlung wenn man die statistische Methode der Kostenrech-
den Journal-Order-Forni der Buchfuhrung, geltend nung fur das Prinzip der Trennung von Kosten.und
gemacht worden, daB die Anwendung der statisti- Aufwand verantwortlich machen wollte. Erst die
schen Methode in der Kostenrechnung nosh eine zum Zwecke der Erreichung des Maximalprofits not-
Jberlieferung der burgerlichen Betriebwirtschafts- wendig werdende Verfeinerung der Kostenrechnung
lehre sei and dann folgerichtig auch die der burger- zur? Aufdeckung neuer Ausbeutungsquellen muBte
lichen Betriebswir?tschaftslehre eigenen Zwecke yen- die engen Fesseln der Doppik durchbrechen and
. forgen mull. Hieraus tyird gefolgert, daB die sta- wandte Bich der elastischeren Methode der Statistik
tistisch durchgefuhnte Kostenrechnung beseitigt and zu. Damit wurde das Prinzip der Trennung von
mit all ihren Operationen-in das Kontensystem uber- Kosten and Aufwand auch in einer auBeren Er-
fuhrt werden mull. Eine derartig begrundete For- schpinung als buchhalterische and statistische Me-
derung basiert jedoch auf einer Verwechslung von thode sichtbar.
Wesen and Erscheinung der sich im Rechnungs- Die der grolleren Elastizitat der Statistik unter-
wesen der burgerlichen Betriebswirtsehaftslehre ab- schobene Begunstigung von Kostenmanipulationen
spielenden Vorgange, ist nicht eine Eigenart der Statistik, sondern liegt
Die Ver?selbstandigung der Kostenrechnung, ihr in der Klassenbindung des RechnungswesenS inVer-
Her?auslosen aus dem Zusammenhang den Buchfuh- bindung mit dem von der burgenlrchen Betriebswir?t-
rung ist eine Erscheinung der biirgerlichen Betriebs- schaftslehre entwickelten Prinzip der Trennung von
wirtschaftslehre and entspningt dem Prinzip der Kosten and Aufwand.
Trennung von Kosten and Aufwand. Es ist dabei Es eht bei der Kostenrechnung also nicht datum,
+ gTeichgultig, in welcher Methode diese Herauslosung g oder statistisch gefuhrt wnd,
ob sie buchhaltei?isch
erfolgt, ob in buchhalterischer durch Darstellung sondern ob sic nosh dem Prinzip der Trennung von
eines zweiten Kontenkreises odes in statistischei? 1{osten and Aufwand folgt. Dies ist in den sozla-
lung. unter Verzicht auf die zweiseitige Kontendarstel- listischen Betrieben nicht mehr der Fall and bedarf
Das Prinzip der Trennung von Kosten and
keiner weiter?en Ausfuhrungen, so daB demzufolge
Aufwand, was Bich auch im Unterschied von Er- ch kein An1aB besteht, auf die Vorteile der groBe-
folgs- and Selbstkostenrechnung zeigt, verfolgt das auten Beweglichkeit der statistischen Methode in der
Ziel die Kostenrechnung zum Zwecke unterschied-
Kostenrechnung zu verzichten.
dither Manipulationen auszunutzen, Dies kommt bei
SCHMALENBACH treffend zum Ausdruck, wenn en b) D a s V e r h a l t n i s von k o n v e n t i o n e 1-
reibt:
sch
?Da ihr (die Kostenrechnung, E. K.) die Kon- T e r I s t k o s t en r e c h nu n g z u r Pl a n -
k o s t e n r e c h n u n g
tinuieriichkeit fehlt, fehlt ihr die Bilanz and
Aktivierung, and sic braucht keine Bilanzruck- Das Problem des Verhaltnisses von Plan- and Ist-
sichten zu nehmen." i) kosten in der Kostenrechnung entspringt den Dis-
Diese Rucksichten werden jedoch dutch die mog- kussion um die Stellung der Plankostenrechnung
fiche auBereForm der buchhalterischen oder statisti- im Rechnungswesen der sozialistischen Betriebe
schen Methode in keinei? Weise einschrankend oder? schlechthin, wobei an dieserStelle eineAuseinander-
B lch vond ALMES ., In einem 1922 ei schienenen setzung mit der Auffassung erfolgt, welche die Plan-
die CLMES? ;,Die Fabrikbuchhaltung" wind kosten ,aus der Buchfuhrung and Kostenrechnung
die gesamte Kostenrechnung buchhalterisch dirge- entfernt and in das Gebiet des statischen Veigleichs
stellt, wobei man jedoch eindeutig die Geschafts- verwiesen sehen will,
buchhaltung von der Kostenrechnung trennt. Audi I will.
welche keinerlei
rschiener1en Schrift von WAGMANN Eine reine
in der 193 r e - Planelemente in Form von Verrechnungspreisen
?Moderne Fabrikbuchhaltung" wind die Kosten tennormen enthalt, wind oft mit
oder a nderen Kos
i echnung inm wesentlichen buchhalterrsch durchge-
sowohl eines getreuen Spiegelbildes des
demVorzu g
fihrt; w?bei das nachstehende Zitat ins fern Betriebsablaufs als Zeitrechnung, al's auch der Mog-
?teressant ist, als es die Frage nach der Trennung keit einer Stuckkalkulation mit effektiven
lit and auch treffend beantwortet. inch
selbst ste Kosten ausgezeichnet. Es erscheint jedoch Behr frag-
?Wanum abet diese Komplizierung der Fa- Wesensmerkmal der reinen Istkosten-
brikbuchhaltung, obwohl dadurch chic Reihe lrch, dieses enn berucksich-
t d' i?echnung als Vorzug zu erklaren, ~v
d
wendig wn?d. Wei ie
rt, wenn die eine Hand nicht weiB.. auf der Geldseite widerspiegelt. In der Kalkulation
funktronie
_._ ~_.... +,.+ ~~ n _..,,., AhwP;chunaen rnnerhalb der ver-
von Doppelbuchungen - and
es rs re derarti Rechnung auch alle
Schwache der vollkommenen Trennung - not- tigt wind, daB eine ga auch
? 1 d'wohl auf der Mengen-, als
e so
Kontroll e am besten Zufallseinfluss
1) SCHMALENBACH? ?Selbstkostenrechnung and PrelspoU-
tik", 6. Auflage, Leipzig 1934.
1) WAGMANN: ?Moderne Fabrikbuchhaltung", 2. Auflage,
Leipzig 1937.
schiedenen Kostenkomplexe and konnen hier, da
die Kalkulation das Zufallige, nicht Typische, ein
sch -
IieBt, zu falschen Schliissen AnlaB geben.
53
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
Fur die Kostenrechnung als Zeitrechnung wirken
sick die in den Istkosten moglichen Unr'egelmaBig-
keiten insofern storend aus, als es nur Zufalls-
erscheinungen sind and wirkliche Krankheitsherde
verdeckt werden konnen.
Der groBte Nachteil einer reinen Istkostenrech-
nung fur die Zeitrechnung liegt jedoch in ihrem
lediglich feststellenden Char'akter. Sic ist nicht in
der Lage, an Hand der ausgewiesenen Kostenuber-
oder -unterdeckungen unmittelbare Hinweise fur
die operative Leitung des Betriebes zu geben. Mir
erscheint tiber'haupt einc Trennung von Plankosten-
und Istkostenrechnung unangebracht, da es dem
alien Kostendenken nur Vorschub leistet, daB die
Plankostenrechnung eine zusatzliche Rechnung zur
bisherigen Istkostenrechnung sei and es fraglich er-
scheint, Planelementen Eingang in die Buchfuhrung
zu verschaffen. Die als Erfordernis der Durchsetzung
des Gesetzes der planmiifligen (pr'oportionalen) Ent-
wicklung dcr Volkswirtschaft existierenden volks-
wirtschaftlichen and betrieblichen Plane erlauben
nicht nur, sondern fordern sogar von jedem Betrieb,
den Aufwand an vergegenstandlichter and leben-
diger Arbeit mengen- and wertmaBig ffir eine be-
stimmte Periode zu planen. Die so entstandenen
Plankosten eines Erzeugnisses, einer Baugruppe
oder einer Serie stellen Normalkosten in dem Sinne
dar, daB abnormale Abweichungen and Zufalls-
erscheinrmgen aus der Planung ausgeschlossen wer-
den.
Die Existenz des Wer'tgesetaes auch bei sozialisti-
scher Produktionsweise and seine Ausnutzung durch
die Planung ermoglichen also die Festlegung von
Kosten-Normen, deren Aussagekraft in der Kosten-
rechnung auf Grund effektiver 114engen wesentlich
eindeutiger ist als die durch Zufallserscheimmgen
verwischten Istkosten. Da die Plankosten auf einem
mengenmaBigen Verbrauch oder einer effektiven
Leistung basieren and als Mittler in jedem Fall eine
Norm, ganz gleich welcher Art, fungiert, sind sic
im Sinne soziahstischer Entwicklung normale, auf
Grund effektiver Leistung basierende Kosten. Die
als Kosteniiber- odor -rmterdeckungen auftretenden
Abweichungen zeigen AuBerplanmaBigkeiten, deren
Beseitigung entweder gefordert werden muB oder
deren Auswertung fill' die Gesaltung fortschritt-
licher Kostennormen ausgenutzt werden sollte. Dar-
uber hit1aus erlauben die ausgewiesenen Abweichun-
gen eine unmittelbare Ursachenforschung durch die
Analyse.
Mir scheint, daB die Art and Weise der Einfuh-
rung des Neuen Rechnungswesens dem Plankosten-
Denken keinen guten Dienst erwiesen hat, da im
Heft 25 der Schriftenreihe DFW eine Plan-Istab-
rechnung demonstriert wurde. ?die nosh viel zu stark
auf dem DuYberlegungen
gilt es 'nun, die fur die Konsumtionsmittel-An-
teile der Erzeugnisgruppen 'berechneten Preis-
senkungen auf alle Produktionsmittel zu ver-
teilen.
Notwendigkeit und Umfang der Ruckverlage-
rung der KM-Preissenkung auf die PM-Stufen
ergeben sich daraus und dann, wenn das in der
KM-Stufe der Produktion (wozu auch der Kon-
sumguterhandel gehort) vorhandene (bz\v, sich
lau fend bilclende zusatzliche) Reineinkommen
niche mehr ausreicht, um
a) die Rentabilitat der KM-Produktion zu ge-
wahrleisten; d. h., es muf3 zur Durchfuhrung
der wirtschaftlichen Rechnungsfuhrung in
den 'KM-produzierenden Betrieben minde-
stens stets das betriebliche Reineinkommen
realisiert werden;
b) in den Jahren zwischen den PM-Preis-
senkungen die not~vendige Beweglichkeit in
der KM-Preispolitik zu haben (s. o. Ziffer 10).
Bei der Verteilung der Preissenkung, die auf
die Produktionsmittel verlagert werden mu3,
auf die versehiedenen Erzeugnisgruppen, mu3
man folgendes beachten:
Das Preiselement, auf das sich die Ruckver-
lagerung der Preissenkung auf die Produktions-
mittelstufen bezieht, ist die Produktionsabgabe.
Nur hies hat die Preispolitik voile Beweglich-
keit; denn die Selbstkosten (d, h. der Verbrauch)
sind von der Preisplanung her nicht beeinfiu3-
bar und das betriebliche Reineinkommen ist
hinsichtlich seiner Hohe durch verschiedene Er-
fordermsse (Wirtschaftliche Rechnungsfuhrung
in den volkseigenen Betrieben: Direktorfonds-
Dotrerung, Umlaufmittelfinanzierung usw.; Ak-
kumulations- und Einkommenspolitik gegen-
uber den nichtvolkseigenen Sektoren des Pro-
duktionsbereichs) bestimmt.
Somit kommt es darauf an, due Produktions-
abgabe in den verschiedenen Erzeugnisgruppen
zu kurzen, da3 msgesamt der Betrag der Preis-
senkung herauskomnit. Allerdings kann dies
nicht willkurlich erfolgen. Vielnehr mu3 man
dabei.jeweils im Auge haben, welche Auswir-
kungen sich aus den nut der Kurzung der Pro-
duktionsabgabe verbundenen Preisreduzierun-
gen ergeben, insbesondere hinsichtlich
a) der Verhaltnisse der Inlands- zu den.Welt-
marktpreisen, vor allem bei ienen Erzeug-
nisgruppen, die stark am Import uncl Export
beteiligt sind (man mu3 hid' auch in der-
selben 1Veise verfahren, vie oben bei .den
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Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81 -01 043R001 900010004-2
Konsumtionsmitteln dargestellt, um die
Auswirkungen auf die Au3enhande1spreis-
differenzen und den entsprechenden Saldo
im Staatshaushalt zu berechnen);
b) der Eigentumssektoren, von denen die Pro-
duktionsmittel gekauft werden; das ist von
besonderen Interesse fur die Investitions-
guter. Preissenkungen fur Investitionsguter
werden, soweit letztere im volkseigenen
Sektor investiert werden, kompensiert durch
eine gleichhohe Reduzierung der Ausgaben
(letztlich des Staatshaushaltes. Im genossen-
schaftlichen und privaten Sektor erhohen sic
die (Gesamt-)Kaufkraft dieser Sektoren.
Aber auch die Preisherabsetzungen fur
Energie, Hilfsstoffe, Transportleistungen
und Rohstoffe/Halbfabrikate haben, soweit
es den genossenschaftlichen und privaten
Sektor des Produktionsbereichs betrifft,
Auswirkungen auf denen Kaufkraft, wenn
nicht die 'Preise der daraus hergestellten
Produkte im gleichen Mafle gesenkt werden;
c) der EinfiuBnahme auf die Verwendung be-
stimmter Produktionsmittel (verbrauchs-
lenkende Ma3nahmen fur spezielle Rohstoffe
usw.) und
d) der Selbstkosten und des Reineinkommens
in der Folgestufe.
12. Fiihrt man die notwendigen 13eduzierungen der,
Produktionsabgabe (und damit der Preise) fur
Produktionsmittel unter der Berucksichtigung
der genannten Momente durch, so kann (und
wird) es eintreten, da3 der Anteil der Produk-
tionsabgabe am Preis (bzw. an der Preissumme)
des PM-Anteils jeder Erzeugnisgruppe unter-
schiedlich hock ist. Dazu mu3 man beachten,
da3 solche Unterschiede, vie sic aus den unter
Ziffer ha bis d angestellten tYberlegungen re-
sultieren, nicht sehr ins Gewicht fallen konnen,
da sie nur einzelne Produkte betreffen.
Es erhebt sich also hier die Frage, ob nicht in
den PM-Anteilen aller Erzeugnisgruppen ein,
auf den Preis bezogen, etwa gleicher Satz der
Produktionsabgabe existieren muBte?
Ohne hierauf eine voll befriedigende Antwort
geben zu konnen, soil dock dazu folgendes g'^-
sagt werden: 1st - im Verhaltnis zu emer gleich-
ma3igen Verteilung der Produktionsabgabe auf
die PM-Anteile aller Erzeugnisgruppen - ene
Verlagerung nach den der extraktiven Produk-
tion nahen Produktionsstufen vorhanden, so -
wird das Gesamtprodukt -zu hoch ausgewiesen
(da , jeder Preis wieder den Ersatzfonds der
Folgestufe in seiner Hohe und damit wieder
den Preis der Folgestufe mitbestimmt), liegt die
Produktionsabgabe dagegen schwerpunktma3ig
in den der Konsumtionsmittelproduktion nahen
Stufen, so wird es zu niedrig ausgewiesen. Ent-
sprechend ist'der Geldumlauf (vas die Ziikula-
tion der Produktionsmittel im Inland betrifft)
im ersteren Falle relatrv hock, im zweiten rela-
liv niedrig. Da ferner das Gesamt-(PM- und
KM-)Preisniveau einer Volkswirtschaft im Ver-
haltnis zu anderen Volkswirtschaften von Ein-
flu3 auf den Wechselkurs und damit auf den
internationalen ?Wert" der inlandischen Wah-
rung ist, so ergeben sick bei Verlagerungen von
Produktionsabgabe nach den unteren oder obe-
ren Stufen der Produktion Ruckwirkungen auf
die internationalen Wahrungsbeziehungen.
WeichtdasReineinkommen (Produktionsabgabe)
in den verschiedenen Erzeugnisgruppen (PM-
Anteile) stark vom Durchschnitt ab, so ergeben
sich bei der Untersuchung, ob der Export oder
Import dieses oder jenes Produkts von Nutzen
fur die .Volkswirtschaft ist, Schwierigkeiten,
veil die in den einzelnen Erzeugnissen enthal-
tene gesellschaftliche Arbeit unterschiedlich be-
wertet wurde (infolge der tnterschiedlichen
Verteilung der Produktionsabgabe).
So la3t sich aus dem gesagten kein Argument
finden, das gegen eine gleichmaBige (bei der
konkreten Berechnung auf die Selbstkosten be-
zogene) Verteilung der Produktionsabgabe (als
des Hauptteils des vom Staat in seiner Hand
zentralisierten Reineinkommens) auf die PM-
Anteile aller Erzeugnisgruppen spricht, viel-
mehr sprechen alle dafur.
Es wurde jedoch des ofteren die Ansicht ver-
treten, da3 man das Reineinkommen nur in
der Konsumtionsmittelproduktion realisieren
solle, wahrend die Produktionsmittelpreise nur
die Selbstkosten und das betriebliche Reinein-
kommen decken durften. Die Hauptargumente,
dafur ins Feld gefuhrt, varen? Bei niedrigen
Produktionspreisen ist die umlaufende Geld-
menge kleiner, werden Umlaufmittel einge-
spart und vor allem: es verde der Industrieali-
sierungsproze3 gefbrdert, veil der Staat mit
semen Geldmitteln mehr Investitionsguter
kaufen konne. Als lheoretische Begrundung
wurde angefuhrt, da3 sich der in der Produk-
tion geschaffene Wert east beimUbergang in die.
individuelle Konsumtion, also beam Eigentums-
wechsel zwischen Produzenten und Konsumen-
ten realisiert. Was die erstgenannten drei Argu-
mente betrifft, so sind due ersten heiden ohne
praktische Bedeutung (es handelt sich vor allem
um Giralgeld, das als solches nicht in unkon-
trollierten Iianalen verschwinden kann) oder
nicht stichhaltig, (es verandert sich nur der
Geldausdruck der Umlauffonds, jedoch nicht
ihr materieller Umfang). Das dritte dagegen hat
insofern praktische Bedeutung, solange der
Staat nur uber beschrankte Einnahmen verfugt
und nosh ein sehr gro3er nichtstaatlicher Sektor
der Produktion existiert (z. B. Indien). Werden
in einem solchen Falle die Preise fur Investi-
tionsguter niedrig gehalten, und wird haupt-
sachlich im staatlichen Sektor investiert (aber
die Investitionsguter hier nicht produziert, weil
ja dann wieder die Einnahmen aus den Staats-
betrieben verkurzt werden), so ist das Argu-
ment tatsachlich zutreffend. Es ist aber offen-
sichtlich, da3 es fur die Verhaltnisse in der DDR
keine Giiltigkeit hat.
13. Jede Preisveranclerung fur cin Produktions-
mittel mu3 hinsichtlich seiner Auswirkungen
auf die Selbstkosten der Folgestufen der Pro-
duktion untersucht werden. Das ist insofern
kompliziert, als man praktisch nicht von eincr
Erzeugnisgruppe direkt auf eine andere schlie-
3en kann, sondern nur uber die Selbstkosten-
entwicklung des Verbrauchercweiges (Folge-
stufe); denn nur pro Zweig (bzw. Betrieb) la3t
sich eine eindeutige Zurechnung der Elemente
der Selbstkosten auf die Produktion vornehmen
und der Einfiu3 der Arbeitsproduktivitats- und
Lohnsteigerung, der Einsparung von Material
usw. auf die Selbstkostensenkung ubersehen.
Demgegenuber la3t sich der Preis, vom Produkt
her gesehen, nur auf die sogenannten Kalkuln-
tionselemente (Grundkosten, Gemeinkosten
usw.) aufteilen.
Komplizierend ist dabei ferner die Tatsache,
daf3 das Produktionssortiment eines Zweiges
moist Produkte verschiedener Erzeugnisgrup-
pen umfaBt.
Es kommt also, um die Auswirkungen von
Preissenkungen vorstufiger Produkte berechnen
zu konnen, darauf an, eine Analyse der Selbst-
kostenzusammensetzung des Ersatzfonds (des
Zweiges) nach Erzeugnisgruppen zu haben:
auBerdem mu3 man wissen, vie sich der Ver-
brauch an Energie, Hilfsstoffen, Rohstoffen usw.
(schwerpunktma3ig) auf die um Zweig produ-
' zierten Erzeugmsgruppemverteilt und vie sich
im Zweig durchzufuhrende produktivitatsstei-
gernde Ma3nahmen auf die Lohnkostenent-
wicklung der emzelnen Erzeugnisgruppen aus-
wirken wird. Von gro3er praktischer Bedeutung
ist diese Verfiechtung ledoch nur bei wenigen
Zweigen (z. B. Energie).')
AuBerdem ist es notwendig, diese Berechnung
getrennt vorzunehmen fur den PM-Anteil und
fur den KM-Anteil ceder Erzeugnisgruppe, um
auch fur letztere die Auswirkungen der Preis-
senkungen vorstufiger Produkte erkennen und
die Produktionsabgabe schlie3lich richtig fest-
legen zu konnen.
Fur diese Analyse, die sich eng an das betrieb-
liche Rechnurigswesen (Kostenrechnung) an-
lehnen und auf dessen Ergebmsse stutzen mu3,
mt Bte man fur den hier verfolgten Zweck fol-
gende Schemata zugrundelegen:
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Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
? I
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PROF. DR. JOHANNES RUDOLPH
t
Schema der Ermittlung der Auswirkungen von
Preissenkungen vorstufiger? Produkte auf die Selbst-
kosten eines Wirtschaftszweiges (nach Grund- and
Gemeinkosten)
Produktiooswen
insg.
Selbstk
osten
Preis?
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(3
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Ersatz fonds
I
Amortisationen
Reparaturkostenn -)
(
Energiekosten2)
i
Hilfsstoffkosten'-)
Rohstoff- and Halb-
fabrikatekosten2)
i
Transporlkosten2)
i
i
Lohnkosten
Sonstige Selbstlosten
Gesamtselbstkosten
'
Reineinkommen der
Betriebe
Produktionsabgabe
Preissumme
14. Eine auf die dargestellte Art and Weise durch-
gefuhrte Berechnung der kunftigen Preisent-
wicklung nach Erzeugnisgruppen, beginnend
bei den Konsumtionsmitteln, die eine zu den
Vorstufen gehende (ruckwartsschreitende) Ver-
lagerung der Preissenkung fur Konsumtions-
mittel zum Inhalt hat, muB zwangslaufig zu voi-
laufigen, relativ ungenauen Ergebnissen fiihren,
raktisch kaum moglich ist, jeweils alle
da es p
Auswirkungen auf alle Folgestu ten bis zur KM-
Produktion ubersehen zu konnen. Deshalb
durfte es zweckmal3ig sein, eine systematische
Durchrechnung alley Preisveranderungen vor-
zunehmen, nachdem man eine vorlaufige Auf-
teilung des Teiles des Reineinkommens, das die
Produktionsabgabe darstellt, durchgefuhrt hat.
Dabei muf3 man mit der extraktiven Produk-
tion beginnen, and zwar muf3 man schrittweise
so vorgehen, daB man jeweils ausgeht von der
Selbstkostenentwic lung im Zweig, auf die
Selbstkostenentwicklung der im Zweig produ-
zierten Erzeugnisgruppen schliel3t and dann
den EinfiuB der Preisveranderung der Eizeiig-
nisgruppe auf die Verbraucherzweige ermittelt,
In der gleichen Weise muB man in den folgen-
den Stufen der verarbeitenden Industrie ver-
2) unterteilt nach Erzeugnisgruppen.
2a) Jeweils vor" bzw. ?nach" Preissenkung and ? Auswir-
kung der Preissenkung.
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Declassified in Part- Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02: CIA-RDP81-01043R001900010004-2 !!!!
DIE AUSARBEITUNG DER GRUNDZUGE DER SELBSTKOS'rEN- UND PREISENTWICKLUNG ...
Schema der Ermittlung der Auswirkungen von
Preissenkungen vorstufiger Produkte im Wirt-
schaftszwein and den in diesem Wirtschaftszweig
5
produzierten Erzeugnisgruppen
i1'irtsdt:
zwg. msg.
" 1
>I< <
KaIkuItiOflse1emeflt
f. Grundkosten ins gesamt
1: Ersatzfondsanteil
insgesamt
Davon
Erzeugnisgruppe...
Erzeugnisgruppe...
2. Lohnanteil
II, Gemeinkosten insgesamt
1. Er?satzfondsanteil
insgesamt
Davon:
Erzeugnisgruppe. .
Erzeugnisgruppe..
2. Lohnantell
3. Sonstige Kosten
IV. Reineinkommeninsgesamt
1, Reineinkommen der
Betriebe
2. Produktionsabgabe
V. Preissunvine
dcr Peels-
senkung
sorstufiger
Produkte
davon
J
En crgie 0' i its c ha ft
Vorstuftge Produktct)
Ariseitemittel
(AM)
nit. (Trsptl.)
E
-
AM
Trsptl.
Gascrzcugung
Tecibsto((- '
erzcugung
(Zweige)
1-
Erzcugnisse dcr Energiewirtsthaa (Erzcugnisgruppe) 1
Elektrocnergic?
erzcugung
Alt
Trsptl,
Erzbcrgbau ('Lwcig)
Erze (Erz: Gr.)
Erzcugnisse
dcr
Encrgicwirtschaf
(En)
Lcichtindustric
Atbcttsmdtcl
Encrgic
Hillsstodc
Fascen (Lmdw.)
Platte
Holz
Hiute and Felic
fahren~ Das Verfahren soil an den Beispielen
der Energiewu?tschaft and der Metallerzeugung
erlautert werden.
Geht man bei dieser Arbeit in folgenderReihen-
folge der Berechnung der Preisveranderungen
fur Produktionsmittel and Konsumtionsmittel
vor:
hlctallhuucn. Stahlwcrkc
Walzwerke (Zweig)
I hlctallcrzcugnissc (Erz.?Gr.)
I
Lctduindustric (Zweig)
Erzcugnisse dcr Leichtindustric (Erz: Gr.)
a) Energiewirtschaft
b) Metallerzeugung
c) Baustofferzeugung
d) Holzerzeugung
e) Wasserwirtsehaft
f) Chemische Industrie
g) Landwirtschaft
h) Metallverarbeitung
i) Bauwirtschaft
j) Transportwesen
k) Leichtindustrie,
1) Nahrungs- and GenuBmittelindustrie,
so bedarf es einer erneuten Durchrechnung
lediglich der Transportleistungen verbrauchen-
den Zweige vor der Berechnungsstufe i), d. h.
Energiewirtschaft bis Bauwirtschaft, sowie der
Hilfsstoffe verbrauchenden Zweige vor der Be-
rechnungsstufe f (vor allem Landwirtschaft
a and Forstwirtschaft) Da die Transportkosten
1) Nicht unterstrlchene Vorstufen = Erzeugnisgruppen, deren
Pretse bereits gesenkt wurden; unterstrichene Vorstufen Er-
zeugnisgruppen, bei denen In deb ersten Durchrechnung nosh
die alien Preise zugrundegelegt werden mussen.
in der Regel einen sehr kleinen Anteil an den
Selbstkosten ausmachen, werden sich nur ge-
ringeAuswiikungen ergeben. Was schliel3lichdie
Arbeitsmittel betrifft, so resultiert aus dem oben
hinsichtlich der moghchen langeren Zwischen-
raume zwischen zwei Preissenkungen Gesagten
(Ziffer 10), daB sich hieraus haufig keine Aus-
wirkungen aus Preissenkungen ergeben, and
auBerdem wirken diese erst auf den Wert der
Grundfondsl) and nur uber die Amortisationen
direkt auf die Selbstkosten. Da aber?in der Re-
gel auch der Amortisations- and Reparatur-
kost.enanteil an den Selbstkosten relativ klein
1st, so sind auch bei Berucksichtigung von Preis-
anderungen fur Arbeitsmittel keine allzu gro-
Ben Auswirkungen? bei del' zweiten Durchrech-
nung aller Zweige and Erzeugnisgruppen, bei
denen vorerst in den alten Arbeitsmittelpreisen
gerechnet werden mul3te, zu erwarten. Das sind
,praktische Gesichtspunkte,'die fur die in obigem
Schema entwickelte Reihenfolge sprechen.
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11
PROF. DR. JOHANNES RUDOLPH
15. Hat man die vorstehend behandelten Berech-
nungen fur alle Erzeugnisgruppen and Wirt-
schaftszweige angestellt, dann mini man die
erhaltenen Ergebnisse koordinieren mit dens
Ausgangspunkt, d. h. dem ursprunglich ermit-
telten Gesamtpreissenkungsvolumen-was noch
einmal zu Korrekturen der Preisentwicklung in
den Erzeugnisgruppen fuhren kann.
Schlie[ilich mini man, um die Einnahmen des
Staatshaushaltes Bowie der Betriebe and der
Eigentumer von Produktionsmitteln berechnen
and endlich die Bilanzen der Einnahmen and
Ausgaben tenter Berucksichtigung der Auswir-
kungen der Preissenkungen ausarbeiten zu
konnen, die endgultige Aufteilung des Reinein-
kommens?jeder Erzeugnisgruppe in -
a) Produktionsabgabe and
b) Reineinkommen der Betriebe
vornehmen.
Nunmehr kann man auch ubersehen, ob and in
welcher Richtung die Finanzierungsbestimmun-
gen der volkseigenen Betriebe and die Besteue-
rungsbestimmungen fur den genossenschaft-
lichen and fur den privaten Sektor verandert
werden mussen, da man jetzt im groflen Rah-
men weif3, welche Neuverteilung des National-
einkommens die Prelsveranderungen fur Pro-
duktionsmittel zur Folge haben.
16, Nach Vornabme dieser Berechnungen kann man
die Auswirkungen der Preissenkungen in einer
Tabelle zusanimenfassen (nebenstehend).
17. Wird die Analyse der Preisentwicklung in dieser
Form uber eine langere Zeitspanne durchge-
fulut, so lassen Bich wichtige Erkenntnisse ge-
winnen fur die Entwicklung der Proportion
Pl (zu Preisen des Jahres 0) = PI (zu Preisen des
Jahres 1) ? pi)
bzw,
P1 (1)+p - EEjii)+c-i-e~+!1\11 +n)
Dabei entspricht ?p" der Summe der- Spalte 10
(obiger Tabelle)', ,.e'" jener der Spalte 13; ;,e?
and ?n" erhalt man aus den Spalten 12 and 14,
indent man die ??Sonstigen Selbstkosten", die
Verwendung von Nationaleinkommen darstel-
len, and den Lohnanteil ausgliedert and zum
Nationaleinkommen zurechnet.'-)
Damit lai3t sick auch feststellen, welcher Dyna-
mik die Proportion E : N, zu Effektivpreisen,
unterliegen wind.
1) P' = Wert des gesellschaftllchen Gesamlprodukts,
E = Ersatz(onds -
N = Nationaleinkommen
p, = Gesamtpreissenkutig
n = Reduzlerung _des Wertausdruckes des Nationalein-
kontmens infolge der Preissenkung
e = Selbstkostensenkung des Ersatzfonds auf Grund von
realen Einspar'ngen
e' = Reduzierung des Wertausdruckes des Ersatzfonds in-
folge von Preissenkungen vorsfufiger Produkte
2) Lelzteres kann man nur ubersehlagig, da die direkte zb-
rechnung auf Erzeugnisgruppen, tvie oben berells gesagt, nlcht
mbgiich 1st.
GS
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DIE AUSARBEITUNG DER GRUNDZUGE DER SELBSTKOSTEN- UND PREISENTWICKLUNG...
Schema einer.Tabelle der Preisentwicklung
nach Erzeugnisgruppen:
IrzeUgniSSrUpPe
ReinenkommCfl
Energgie
insgesamt
PM-Anteil
KM-An tell
Metallverarbeitende
Industrie
insgesamt
AM-Anteil
Rest PM-Anteil
(Halbfabrikate)
KM-Anteil
usf ............ .
Gesam.tprodukt
insgesamt
Arbeitsmittel-Anteil
Energie-Anteil
Rohstoff- and
Halbfabrikate-Anteil
a) fur AM
b) fur KM
Hilfsstolf-Anteil
Transport-Anteil
KM-Anteil
PM-Anteil
Prcis? Selbst-
i summe kosten
.I
s
~i
=i
Produkt.
betriebl. abgabe
-4--
4 s
Preisstruktur nach der Preissenkung
Reineinkommen
Preassumme
Sclbstkostcn
Produkt,ons?
bctncbl,d, abgabc
6
I 7
S
I 9
'5 4
jeden Jahres der Periode, fur die der Perspek-
tivplamausgearbeitet wind.
Schlu jibemer'kungy
Nach dem Abschlul3 dieser, mit der Wertent-
Wicklting zusammenhangenden Bilanzarbeiten
liegt' eine vollstandige Volkswirtschaftsbilanz
vor, die erkennen lallt, ob die fur den Zeitraum
des Perspektivplanes vorgesehene Entwicklung
der Volkswirtschaft mit den okonomischen Ge-
setzen in-Einklang steht, insbesondere mit den
Erfordernissen des okonomischen Grundgesetzes
des Sozialismus and des Gesetzes der planmal3i-
gen, proportionalen Entwicklung der Volkswirt-
schaft, welche Moglichkeiten gegeben sind fur
die Entwicklung der Produktion and Arbeits-
pioduktivitat, des Lebensstandards der?Bevolke-
rung and welche Mittel bereitstehen fur die
Sicherung des Staates.
Aus den in dieser Volkswirtschaftsbilanz zum
Ausdruck kommenden Grundzugen der Wirt-
schaftsentwicklung ergibt sick gleichzeitig die
Richtung fur jene wirtschaftspolitischen Mali-
nahmen, die notwendig sind zu ergreifen, um
die vorgesehenen Ziele der wirtschaftlichen Ent-
wicklung zu erreichen.
Schliel3lich ist mit dieser umfassenden Volks-
wirtschaftsbllanz der Rahmen gegeben, in dem
die Ausarbeitung der einzelnen Abschnitte des
Volkswirtschaftsplanes in einer von Anfang an
in den Hauptproportionen der volkswirtschaft-
lichen Entwicklung koordinierten Art and
Weise vor sick geht.
Somit erweist sick auch die Notw.endigkeit der
Aewendung der Vol kswirtschaftsbilanzim Rah-
men der Ausarbeitung des, Perspektivplanes
zur Entwicklung der gesamten Volkswirtschaft
and ihr? Nutzen bei der langfristigen Vorberei-
tung der Wirtschaftspolitik.
Preissenkung
Rcduz,crg.d.Pre,ss.
Rcduzierg.d.Selbstk. I
Reduzterg.d.Reincink.
durrh I durd, I
Preissenk
I
Produk-
absolut
in o
.
Selbstk.
?
betriebl.
tionsab
Prod.fE) iE)
senkung
Prod,
_
gabc
10
11
12 13
ld i
15
18. Den Abschluli der Ausarbeitung der Volkswirt-
schaftsbilanz fur den Perspektivplan in dieser
Britten Stufe bildet die endgultige Kodidinie-
rung aller Einnahmen and Ausgaben in den
Bilanzen der Einnahmen and damit verbunden
der Analyse der Umverteilung des Nationalein-
kommens zu den tatsachlichen Preisen einer
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r
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Volkswirtschaftliche Fakultat
Institut fiir Okonoanische Geographic und Regionalplanung Direktor Dr. habil. Gerhard Schmidt-Renner
Als Manuskript gedruckt! "
ge der Stadteplanung
~undzii
Terr>.torial okonom>.sche Gl!.
Von GERHARD SCHMIDT-RENNER
Der Stadtebau ist einer der grol3ten Investoren
unserer Volkswirtschaft. Voraussetzung unsexes
Stadtebaus ist die Stadteplanung; sic fuit direkt
auf der Volkswirtschaftsplanung. Voraussetzung fur
die richtige Planung der Stadte ist die Kenntnis
ihrer okonomischen Grundlagen. Stadteplanung ist
also keineswegs nur eine Angelegenheit der Archi-
tektur und verwandter Gebiete; sie ist zugleich eine
hervorragende Aufgabe fur ~konomen. Das wind
z. B. sinnfallig bewiesen durch Planung und Bau
ion Stalinstadt und Hoyerswerda. Die Stadte-
planung befal3t sich aber nicht nur mit neuen Stad-
ten, sondern unter unseren Bedingungen vor allem
mit der sozialistischen Rekonstruktion der vorhan-
denen, mehi? oder minder zerstorten Stadte. In
jedem Falle erhebt sick eine umfangreiche okono-
mische Problematik.
Der nachstehende Aufsatz brmgt das erste Ergeb-
nis einer Umfassenden theoretischen Untersuchung
uber die okonomischen Grundzuge der stadtischen
Existenz.') Der Aufsatz behandelt die Stadte as
lokale Komplexe von Produktions-, Dienstleistungs-
und Konsumtionsstandorten vielfaltigster Art im
territorialen Funktionssystem der Gesellschaft. Er
untersucht die sozialokonomischen Triebkrafte, die
to ihrer territorialen Wirkung und Bedmgtheit zur
Stadtebildung fuhren, und er untersucht die
Ursachen fur die Unterschiedlichkeit der Stadte.
Die Arbeit konzentriert sich msbesondere auf die
okonomische Begrundung einer Theorie der stadte-
bildenden, stadtebedienenden und stadtefullenden
Faktoren als den entscheidenden Elementen der
okonomischen Stadteplanung.
1. Die Stadte als Konzentrationsherde von unter-
schiedlicher Bedeutung inn territorialen Nieder-
schlag des gesellschaftlichen Lebens
Die territoriale Arbeitsteilung und -verbindung
innerhalb und zwischen bestimmten Gesellschaften
schuf (mehr Oder minder stark) wechselseitig wir-
kende Standorte gesellschaftlicher Verrichtungen.
Diese Standorte linden heute und seit langem ihre
hervorragende lokale Zusammenfassung in den
stadtischen Standortkomplexen.
I) Die gesamte Arbeit ,,Standort,, Stadt und Territorium" be-
ilndet sich in Druckvorbreitung beim Verlag ?Die Wirt-
schaft", Beriin.
Die Stadte sind historische Produkte der gesell-
schaftlichen, letztlich der sozialokonomischen Pra-
xis. Gemeint sind hier stets Stadte im sozialokono-
mischen, niche notwendigerweise zugleich juri-
dischen Sinne. Stadte im sozialokonomischen Sinne
sind lokale Standortkomplexe, die stadtische Funk-
tionen ausuben, ohne unbedingt als Stadte legiti-
miert zu sein. Sie sind ortliche Konzentrationen des
sachlich und territorial differenzierten Lebens der
Gesellschaft. Sie stehen allgemein unter? den Bedin-
gungen der jeweils herrschenden Produktions- und
daraus folgenden Lebensweise. Sie sind zugleich
immanenter Bestandteil derselben. Unter einem
stark verallgemeinernden Blickwinkel kann man
die Stadte als ortliche Konzentrationen von arbeits-
teiligen Produzenten, Dienstleistenden (und von
Konsumenten) mit dementsprechenden Funktionen
im Territorium ansehen.
Im Reproduktionsproze3 einer modernen Gesell-
schaft haben die Stadte eine mehr oder minder
lange Reihe territorial-arbeitsteiliger produktiver
und dienstleistender (sowie dementsprechend kon-
sumtiver) Funktionen zu erfullen: indllstrielle (ein-
schlieBlich handwerkliche), kommerzielle, transport-
ma(3ige, politisch-administrative, militarische, kultu-
relle, religiose, sanitare, juristische usw.
Die ortliche Hal Tung und Zusammenfassung sol-
cher Funktionen zu lokalen Funktionskomplexen.
sowie d`eren uberortliche (territoriale) Wirkung
(die Wechselwirkung der Funktionstrager mit ande- '
ren im Territorium) sind entscheidende Voraus-
setzungen fur die Stadtebildung und : planung. (Da-
neben gibt es innerortliche Funktionen der Stadte; -
s. unten, Absatz 7.)
Funktionstrager sind die in den Stadten lokali=
sierten materiellen und geistigen Krafte der Pro-
duktion und Dienstleistung nebst ihren Einrichtun-
gen (sowie die Konsumenten).
Die Stadte als lokale Konzentrationsherde gesell-
schaftlich-arbeitsteiliger 'Produzenten und Dienst-
leistender mit entsprechenden Einrichtungen (find
nebst entsprechenden Konsumenten) sind demnach
nicht vie isolierte ?Inseln", sondern (nebst allen an-
deren Siedlungskorpern) vie wechselwirkende Teil-
oiganismen der gesamten gesellschaftlichen Existenz
im Territorium zu behandeln. Sie sind in historisch
steigendem MaBe durch vielfaltige Beiiehungen mit-
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- i
cinander mehr oder minder fest and dauernd ver-
knupft and voneinander abhangig geworden.
Dies 1st fur die Stadteplanung von prinzipieller
Bedeutung; denn' daraus folgert das Erfordernis,
die Planmal3nahmen auf den Gesamtkomplex dieser
Beziehungen auszurichten. Dies muBte bei uns
svcgen mangelnder Einsicht and infolge fehlender
Kenntnis dieser Beziehungen bisher nosh weit-
gehend unerfullt bleiben.
2._ Uber die historisch wcchselnden
territorial-okonomischen Ursachen ftr
Entstchung, Eniwicklung uud Rolle der Stadte
Ds Phiinomen der Stadt and insbesondere die
Ursachen ihrer Entstehung, Entwicklung and Rolle
sind vielfaltigsten Deutungsversuchen unterworfen
gewesen. Eine umfassende gi ltige Erklarung ist je-
doch nur von der Plattform einer theoretischen I{on-
zeption aus and mittels einer lllethode moglich, die
den ganzen Mechanismus and seine zentralen An-
triebskri fte begreift, die die Gesehehnisse einer
gegebenen Epoche bewirken. Deshalb konnen Deu-
uutgsversuche, die mehr oder minder einseitig
(z. B.: von der Erscheinung der Stadt, von ihrer
Verfassung, von' der Verkehrs- oder Schutzfunk-
tion der Stadt, von der Stadtentstehung arts Feudal-
hofen. Burgen and dergl.. von der topographischen
Loge der Stadt, von staatsrechtlichen Akten. von
der Bevolkerung us'.) ausgehen, keine ausreichende
Erklirung bringen.
Die in letzter Instanz entscheidenden Uradten fur
die ailgemeine and besondere Problematik der
Stadt sind in der Okonontie der Gesellschaft einer
gegebenen Epoche zu suchen. Die gesellschafdiche
~konomie determiniert Leben and Entwicklung der
Gesellschaft. Die gesellschaftliche Okonomie be-
stimmt audt in letzter Instanz den territorialen
Niederschlag der Gesellsehaft, also ihre Territorial-
struktur. Deren Grundgerust wiederum ist die Ter-
ritorialstruktur der Wirtschaft, insbesondere der
Produktion: diese Territorialstruktur ist? zugieich
immanenter Bestandteil der gesellschaftlichen Oko-
nomie.
Die Stadt als Bestandteil der sozialokonomisch
determinierten Territorialstruktur der Gesellschaft
(als Standortkontplex rehr oder minder differen-
zierter petsoneller and instltutioneller Funktions-
trIlger der Gesellsdtaft) wild dantit zu einer in letz-
ter Instanz sozialokonomisrh bestintmten Kategorie.
Das st:'tlieBt nidtt aus. daft die stadtische Proble-
matic auch durth die vielfahigen Uberbatibedingun-
gen der Epoche beeinfiuBt wind. Diese Uberbau-
bedinguritten sind bekannUich nitht nur Ergebnis
der okonomishen Basis. sondern sie wirken aktiv
fiber die Okonomie der Geseilschaft auf die Teri
torialstruktur der Gesellst:ttaft and datnit wiederum
,auf deren stadtisehe Bestandteile ein.
ZelLgen silt sdton die Stadte ein einer Gesstsiichts-
epochen ais vieifalt unter hiediidte ortliche Kotn-
ple-U"ebilde (einsthileBlict historlscher? Relikte), so
wird das Bild fur die wissenschaftliche Unter-
suchung angesichts aller einander? ablosenden and
in Wesen wie in Ausdruck tief unterschtedhchen
Gesellschaftsepochen naturlich noch komplizierter.
Ergeben sick die Unterschiede dieser Epochen prin-
zipiell aus deco historisch untersehiedlichen Stande
der produktiven Krafte and deco jeweiligen cha-
rakter der Produktionsverhaltnisse, so schaffen diese
in ihrer wechselwirkenden Zweiseitigkeit (als unter-
schiedliche Produktionsweisen der jeweiligen Zeit-
genossen) auch historisch ganz unterschiedliche
sozialokonomische Bedingungen fur die Entstehung.
Entwicklung and Rolle stadtischer Stedlungen. Die
Stadt wird damit zu einer historisch bestintmten
Kategorie.
Hinzutreten stets wesentlich die im Schol3e der
Produktionsweise modifizierend wirkenden terri-
tonial unterschiedlichen Bedingungen des geographi-
schen and demographischen Milieus, in welchem
sich dieses historisch wechselnde sozialokonomische
Gesehehen notwendiger veise stets abspielt.
Eine Tvpologie oder Klassifikation der Stadte
laBt sich daher nur unter deco Gesichtspunkt einer
bestimmten Produktionsweise aufstellen Sic lie-
fert stets das entscheidende Kriteriunt.
Die materialistische Geschichtsforschung erkennt
bekanntlidt die ersten Ansatze zur stadtischen Art
and Weise der Niederlassung in der langen Uber-
gangsperiode von der Urgemeinschaft zur Skiaven-
haltergesellschaft. Die durch die sozialbkonomischen
Triebkrafte bewirkte Zersetzung. Aufiosung and
Umwv lzung der urgemeinschaftlichen Produktions-
weise fuhrte notwendigerweise auch zur i;mwal-
zung ihrer urtumlichen Territorialstruktur.
Die heranbrechende neue Produktionsweise der
Sklavenhaltergesellschaft fuhrte nitt flu'- zur
Trennung. sondern von vornherein aut zu Gegen-
satzen zwisdten Stadt and Land. Diese beherrschen
seither die ganze Gesdtiehte der antagonistischen
KIassengesellschaften (MARX). Die Stadt ent-
wickelte sich von Anfang an al's ein klassenbeding-
ter Siedlungstypus im Gegensatz zu den Anfangen
der Dorfentsvicklung to der klassenlosen I;igemein-
schaf t.
3. Zum Begrif der stadtebildenden Faktoren
Seit dem historisdten Beginn der Stadteentwie-
lung wirkt nitht nur die Lokalisietung materieller
Produktionen. sondern auch die Lokalisierung
nietttprodukiivef (immaterieller) Leistungen stadte-
bildend (z B. Politik. Administration. Kuhr usw.).
Diese nichtproduktiven Leistungen (Leistungen
auBerhal'o des materielien Bereitrs) gehoren zum
Wesert den zunehmenden geselLLchaftiicten Arbeits-
teilung. Sic mussen demzufolge audt ihren lokalen
Niedeisttlag im jeweligen System der territorialen
Arbensteinmg der C ischaft linden. Diese nieitt-
pt'oduktiven Leistungen entstehen haufig sogar erst
auf stadtisdtem Boden: site erdohen die stidtebil en-
den Funkdoren ihrer Locaiitat. Ste bilden manai-
mal sogar mehr oder minder weitgehend eigene
Stadte (Verwaltungsstadte, Kurstadte, Festungs-
stadte, Kulturstadte usw.). Diese Stadte haben also
bestimmte Sondeifunktionen des gesellschaftlichen
Lebens ihrer Epoche auf sick konzentriert. Auf
Grund deren nehmen sic ganz oder teitweise an der
Distribution von lebensnotwendigen materiellen
Produktion teil.
Eine allgemeingultige, fur alle Zeiten and Raume
zutreffende Definition ?DER STADT" kann es nitht
geben. Denn verschiedene Zeiten and Raume stellen
verschiedene Bedingungen fur die Entfaltung der
materiellen Produktionen and der nichtproduktiven
Leistungen and dementsprechend fur die Inhalte
and Formen ihrer lokalen Konzentrationen. Den-
noch laBt sick ein Allgemeinprinzip fur die Hetaus-
bildung and Entwicklung aller Stadte erkennen:
die Existenz von stadtebildenden Faktoren. -
Die stadtebildenden Faktoren sind einerseits
selbst objektivierte Ergebnisse der gesellschaft-
lichen, letztlich der sozialokonomischen Entwick-
lung. Andererseits gibt aber die mit dieser Entwick-
lung untrennbar einhergehende lokale Konzentra-
tion dieser Faktoren (die Bildung von Standurt-
komplexen) standig neue Impulse. Diese wirken
sowohl auf die aiigemein-gesellschaftliche Weiter-
entwicklung als auth auf die Herausbildung and Er-
weiterung von neuen, hoheren, immer komplizierte-
ren lokalen Konzentrationsformen des gesellschaft-
lichen Lebens (z. B.: Grostadte, Weltstadte).
Der Begriff der stadtebildenden Faktoren hat
naturlich unter historisdt verschiedenen Produk-
tionsweisen einen unterschiedlichen Inhalt. Sein
Anspruch auf Allgemeingultigkeit fur alle sozial-
okonomischen Formationen, in denen Stadte ent-
standen sind, stutzt sich lediglich darauf, daB stets
and ailerons die Bildung von Stadten an Ursachen
and Bedingungen geknupft ist, die silt in einer
Reihe von objektiven Faktoren auBern. durch deren
Lokalisierung Stadte entstehen. Jene Faktoren ver-
korpern sich letztlich in `Ienschen mit untersrhied-
licl en Produktionserfahrungen and Arbeitsiertig-
keiten. ausgerustet mit untersdtiedlichen Produk-
tionsinstrumenten and anderen,Einriclttungen. mit
deren Hue diese Menseten in gruppenweiser Zu-'
sammenarbeit and miter besttmmten wechseLeiti-
gen Beziehungen die materiellen Produkte ,und die
Dienstieistungen hervorbringen, die ihrem Entwiek-
lurgsstande en'tspretnen. Die Lokalisierung von
Gruppen aroeitsteiliger Produzenten and Dienst-
leistender nebst Werkzeugen kann als aiIgemeinster
stadtebildender Faktor angesehen werden.
Die Difierenzierung in versthiedene stadte'oil-
dende Faktoren 1st letztiit nitts anderes als die
Widerspiegelung der ? geseilsthaftiithen Ar efts--
teilung. Es 1st der Reflex der unterschiedlidten kor.-
kreten Tatigkeiten (Berufe) von arbeitstei?igen Pro-
duzenten sawie von Dienseleistenden des n chtpro-
-
duktiven Bereichs. die sich lokai zusamrneneefun-
den, in einem lestimmten3fisetungs ern Itnis grap-
piert, mit ihren Werkzeugen and sonstigen Ein-
richtungen niedergelassen haben.
Der Begriff der stadtebildenden Faktoren bedarf
U. E. keiner weiteren Aufspaltung in Unterbegriffe
vie etwa in: stadtcerweiternde, stadleerhaltende
Faktoren oder dgl. Er kennzeichnet u. E. stets aus-
reichend die entscheidende Substanz der Stadte so-
wohl in ihrer er weiterten, einfachen oder fallenden
Reproduktion innerhalb einer gegebenen Epoche als
auch in ihrer qualitativen Umbildung im Schnitt-
punkt der Epochen. Stets handelt es sick um Bil-
dungsprozesse (quantitativer and qualitativer Art)
der Substanz.
4. Stadtebildende Faktoren als Begrinder and
Erweiterer der stadtischen Lebensgrundla gem
Die Existenz and Entwicklung der Stadt begrun-
det sich also auf der lokalen 'Konzentration be-
stimmter objektiver geseIlsehaftlicher Faktoren;
abet' die Eigenart dieser Faktoren bestimmt Wesen
and Form ihrer Ansiedlung. ?So differemzierte sich
die Stadt einmal vom Done (als der lokalen Urfoi'm
der territorialen Konzentration gesellschaftlicher
Faktoren) durch die Eigenart der Betriebsweise von
Agrikultur einerseits and Handwerk - Industrie
andererseits. Diese unterschiedlichen Betriebs-
weisen verursachten ganz bestimmte, unterschied-
liche Organisationsformen der Standortkomplex.
dieser beiden grol3ten ai?beitsteiligen Produktions-
spharen.
Die Stadt differenzierte sich ferner dadurch vom
Done, daB sic den sich zunehmend abspaltenden
and relativ verselbstandigenden gesellschaftlichen
Teilarbeiten, insbesondere den vielfaltigen nicht-
materiellen, speziell den geistigen Tatigkeiten der
Gesellschaft die vergleidtsweise gunstigsten Ent-
wicklungsbedingungen bot. Die materiellen and
geistigen Teilarbeiten in der Stadt bewirkten in
ihrer wechselseitigen Steigerung wesentlich die
wadtsende Differenzierung sowie die wachsende
Uberlegenheit der Stadt gegenuber dem Dorfe.
Die wichtigsten Gattungen von stadtebildenden
Faktoren folgern aus Randwerk - Industrie, Han-
del mit Waren. Geld and Geldersa. Transport
wesen, Staatswesen, Interessenv'erbanden, Kultur-
wesen, Sanitatswesen, Sozialwesen, Justizwesen,
Beherbergungs- and Vergnugungswesen, Kur- and
Erholungswesen. Diese Faktoren wirken stadtc
biidend, sofern sic uberortlithe Funktionen aus-
uben. Diese uberortliten Funktionen konnen sich
auf das unmittelbare Stadtumland. auf nahe, eat-
ferntere mid fernste Territorien erstreeken. D. h.
jene Faktoren mussen mit ihren Produkteti lass'.
Diensten an der arbeitsteiligen Produktion and
Dienstleistung auBerhalb ihres Standortkoptplexes
(der Stadt) teilnehmen.
Sie?mus sen andere Territarialeinheiten der Gesell-
staft mit Produkten 'ozw. Diensten versorgen and
zugieich dem Orte ihrer eigenen tiiederlassung die
dot' nitht erzeugten_, a'oer verlangten Produkte and
Dien to .?ersthafTen.
vin W -~?x~,??- - --
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TERRITORIAL?0K0N0>thISCEiE GRUNDZUGE DER STMDTEPLANUNG
1
R. POL. H ABIL. GERHARD SCIIMIDT-RENNER
DR. RE
~
nden Faktoren mussen kapitalistische Gesellschaftsepoche die der ro o Stadtebdtebil-
-
Diese ubenones Wilke - dung. Sie fuhrte allgemein zu einer p p a
die Zentralitat des sie beherbergenden Ortes+ her
Funktionen im arbeits- len Verteilung alley Stadte im kia elh Territoririumm. Ent Sie
l seine ermittlun
g pp
.. Differenzie- fuhrte zu einer unregelmagen, em-
teilige gen Territorium begriinden, seine -
; _
yen Orten herbeifuhren, Einfluf3 auf wicklung deI? einzelnen Stadte diese nktionen nun konnen d unvoll-
rung von andeV
i enen Ortes neh- zufolge ihne territorialen u nhaltnis-
das ,seinehProdheuktions- Leben and des e g Dienstleistungen for- kommen erfullen. Sic fuhrte zu einem unve
menseine Prod
?n, semen Markt erweitern, seine auBeren Bezie- ma[3ig star en Waclrstum smo einzelnel? lichkeiten an Stadte auf
del
hungen verstarken, seine Akkumulationsfahigkeit Kosten der Entwi ung hinve ederer
(Agglomerationsfahigkeit) erhohen' zum Zuruckbleiben, Stagnieren, Da g
'lter Stadte saint ihrer Funktionen. Sic
. Damit begrundet and erweitei?t sick die Stellung vcrurtei zu einer Ansammlung elementarer Gegen-
des Ortes as Stadt im sozialokonomischen Sinne. fuhrte u einem von abertausend widerspruchsvol-
Diese Slellung als Stadt wird historisch im allge- satze, Z
luchtlin3en durdrsetzten Gemenge in den terri-
meinen dutch einen mehr oder ,. minderdterung") langen and aus tor ? len 'iaF1en Beziehungen der kapilalistischen Gesell-
spontanen g p Bildun s rozeB (?Versta schaft.
vorstadtischen Ansiedlungskernen vermittels ortlich
elbsten rkmal kapitahstischer Stadle ist den
der Stadtebildun er zu ewanderter Faktoren Ein Hauptme Stadte zwi-
eichen eb Zwisildung od erworben. g Daher ruhren die zahl_ tlntagonismus so~vohl innerhalb der ,
d
chen- and 17bergangsfoemen der Stadte- schen den Stadten als besonders zwischen Stadt and
b' ist schliet3hch die allgemeine Anarchic in den
-
ildung. Dies schliet3t ledoch die un~ntattelbare Bil- Land+
territorialen (okonomischen vie aut3erokonomi
dung bzw. Planung von Stiidten niche aus (unmittel n en alley Mitglieder der Gesell-
: ) Beziehu g I
rundun en wie ettiva in der Gegenwant schen
bare Stadtg g schaft. - Dies ist der territoria e Reflex des okono-
DeutscMa im Wester and Stalinstadt im Osten undwiderspruches and der Anarchic in
eutshlands). mischen GI den lcapitalistischen Pi?oduktion.
Die Faktoren, die dutch ihre Funktionen in die_ al sozialtsischer Stadte muf3 die
virken sind stadtebildende Faktoren. Ein Hauptmerkm ati-
ser Richtung rn die kameradschaftliche Zusanmienarbeit alien werkt
Ihre Funktionen begrtinden and ei~~erte sschichten den Stadt (als stadtisclres
the Existenz von lokalen Standontkomplexen, gen Bevolkerung
stadt:s
nende and stadteful- Kollektiv), alley Stadte untereinander un
Daneben virken stadtebedie zwischen
~ Stadt and Land sein.
lende Faktoren. Erst alle drei Faktorengruppen zu-
sammen aber in sehr unterschiedhcher Wirksam- Die sozialististhen Stadte sind von allem als ben lokale
( Kollektive von Menschen anzusehen, Sic ha
lceit) crgeben die Stadt. le
Zwar bringer histonisch and territorial unter- ihrem lokalen Zusammenschluf3 bestimmte Auf-
schredliche Bedingungen ouch histonisch and tern- gaben zu erfullen, welche ihnen die gesamte Gesell-
,
chiedliche Stadte hervor. Ihre gesell- schaft im Rahmen etrey planma(3igen territorialen
tonal unteis
schaftliche Grundaufgabe aber war stets and alien- Arbeitsteilung stellt, Zur Erfullung dieser gesamt-
orts: Vermittlungsfunktionen vetschiedenster Art gesellschaftlichen Aufgaben vie auch zur Kultivie-
fun die territorial zersplitterten, in lokalen Gemein- rung ihres eigenen ortlichen Zusammenlebens emp-
Weser zeistreut angesiedelten Mrtglieder der an- fangen and schaffen diese Kollektive spezfsch
beiisteiligen Gesellschaft zu 1eisten, ? lokale Zentren stadtische Produktions- and andene Einnichtungen
im Territorium zu sem, von densn aus and uber bzw. bilden die vorhandenen um, erweitern sic
t Hecht.
welche die sich zunehmend differenzierenden olio- zwecl ge
nomischen and orderer Beziehungen der Gesell- Diese lokalen Kollektive samt alien ihren viel-
schaftsmitglieder gelsitet werden konnen. Kurz: die faltigen Einrichtungen werden zu harmonisch in sich
gesellschaftliche Girt tndaufgabe des Stadtewesen gefugten lokalen Terlorganismen als planmal3ig
wan von Anfang an als ein zunehmend in sich diffe- wechselwirkenden Teilen des sozialistischen Ge-
renziertes Funktionssystem den notwendigen tern- samtorganismus.
tonialen Zusammenhang der territorial-anbeitstellig Dies bewirkt: erne nasche and vollkommene Ent
llschaft herzustellen,auf- faltung den Stadte and ihrer territorialen Funktio-
~erstreut lokalisienten Gese
iechtzuerhalten and fortzubilden, nen, die Beseitigung des InteressengegensatzeS and
Der standig wachsende Verstadterungsprozet3 des (knaft der pohtisch-moralischen Erziehungsfunktion
gesellschaftlichen Lebens verschob zunehmend die der Stadte) auch des wesentlichen Unterschiedes
Gnundaufgabe der Stadte in die Richtung, arbeits- zwischen Stadt and Land, die immer vollkommenene
m lexe eines territorialen Funk- Enfulhing den stadtischen Grundaufgabe fur die Ge-
teonssystems den Standortko p 'menschlrchen Gesellschaft zu wen- sellschaft and damit die Forderung den gesamt
tionss
as sich immer starker diffenenziert and zu- gesellschaftlichen Entvicklung,
den, d -
gTeich immer starker stadtisch bestimmt ist, Die Die Rolle jenen lokalen Teilorganismen im Ge-
Grundufgabe den Stadte erfullt sich demzufolge samtorganismus ist unterschiedhch. Sie hangt von
auf immer hohener Stufenleiter. der Aufgabe and den zu ihrer Erfullung notwendi-
Dre gesamtgesellschaftlich planlose. Lokalisierung gen Mitteln (= stadtebildende Faktoren) ab, die den
tebildenden Faktoren ist typisch fur die lokale Teilorganismus (Stadt) vom Gesamtorganis-
der stad
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mus (Staat) erhalt. Die planmaf3ige Zuweisung and
Erfullung dieser Aufgabe sichert and enweitert die
Existenzgrundlage des lokalen Teilorganismus auf
dem Wege uber die Sicherung and Erweiterung der
Existenzgrundlage des Gesamtonganismus.
5. Die stadtebildenden Faktoren
als Ursachen spezieller Funktioner der Stadte
Das Stadtewesen zeigt eine (historisch zu-
nehmende) Fulle von Unterschieden zwischen den
einzelnen Stadten..Die wesentlichen Unterschiede lie-
g'en in der Verschiedenheit der territorialen Funk-
tionen der einzelnen Stadte, also in ihren verschie-
denen gesellschaftlichen Wirkungen im Territorium
begrundet. -
Die territorials Gesamtfunktion einer Stadt lost
sick in Einzelfunktionen auf. Diese werden von den
einzelnen Funktionstragern, d. h. den stadtebilden-
den Faktoren, verursacht. Qualitat and Quantitat
der Einzelfunktionen werden demnach von Qualitat
and Quantitat der stadtebildenden Faktoren be-
stimmt. Die territoriale Gesamtfunktion der Stadt
ist also in sich nach Qualitat and Quantitat so diffe-
renziert, wie es ihre Bildungsfaktoren sind:
Danach begrundet 'sich? der Unterschied zwischen
den Stadten and ihren territorialen Funktionen
theoretisch einmal auf der Qualitat ihrer Bildungs-
faktoren (auf der Spezialitat ihrer Produktions- and
Dienstleistungen), d. Ii. auf der Art ihrer dadurch
bewirkten Funktionen im Territorium.
Er begrundet sich zum anderen auf der Quantitat
ihrer Bildungsfaktoren (auf dem Umfange ihrer
Produktions- and Dienstleistungen), d. h. auf dem
Mae (Volumen) ihrer dadurch bewirkten Funktio-
zwischen den Stadten bestimmt. Dies ware die
andere Reihe von Ursachen fur die Unterschfedlich-
eide Reihen wirken wechselseitig.
keit der Stadte. B
Die vielerlei Moglichkeiten, die in bestimmten
Gesellschaftsformationen fur die lokalen Kombina-
tionen von stadtebildenden Faktoren (nach Quail-
tat and Quantitat) vonhanden sind, crgeben die
vielerlei moglichen Unterschiede zwischen den ein-
zelnen Stadten and ihren territorialen Funktionen.
Jene Kombinationsmoglichketten von stadtebilden-
den Faktoren and damit die Unterschiede zwischen
den Stadten and ihren territorialen Funktionen
wachsen allgemein in dem MaBe, vie die nationale
and internationale Entwicklung der Gesellschaft
zunimmt tend Bich als stadtebildende Faktoren
v engegenstandlicht.
Die (gesellschaftsbezogen) spontane Bildung von
sozialistischer Stadte bewirkt die Spontaneitat ihrer
territorialen Funktionen. Die spontan entstehen-
den Unterschiede , in Qualitat and Quantitat and
in der territorialen Reichweite der stadtebil-
damrt
denden Faktoren sowie ihne spontanen Lokalisatio-
nen bewirken ferner eine spontane Differenzierrmg
der stadtischen Produktionen and Dienste fur das
Ternitorium nach Art, Maf3 sowie territorialer
Reichweite.
Diese spontane Diffenenzierung den stadtischen
Territonialfunktionen kommt zum Ausdruck in
einer spontanen Arbeitsteilung zwischen den ver-
schiedenen Stadten, in einer? spontanen Spezialisie-
rung ihrer Funktionen fur das Territorium (wie
anderenseits die Spontaneitat den gesellschaftlichen
Arbeitsteilung and ihres territorialen Nieder-
schlages wieder die allgemeine Ursache fur die
ntanen Bildungsprozesse vorsozialistischer Stadte
spo
selbst ist).
GWJ
nen mm Territorium.
Von Quaht t Jens spontane Spezialisierung del stadtischen
a and Quantitat der stadtebildenden I?I?itorialfunktionen kann sich out ernzelne Spha-
~~- Faktoren h ang t wiederum die territoriale Reidy- TeHen des gesellschaftlichen Lebens (auf Produktion,
1~ ? Territorialbereirh) ihrer Funltionen ab
~
- Wei to (del
-i-
Weser usw ) Verkehr, beziehen Sic wind Administration - sich Plcolitik, onkret Kultur-
?-r',~? ( (Umland_, Nah- and Fernfunktionen), - Dies Handel,
Unte man rschied als die eine Reihe von Ursachen fur die auf Terlbereiche dieser Spharen, rnsbesondere auf
kann
lichkeit del Stadte ansehen. einzelne Zweige and nosh weitere Unterabtellungen
nte ?
Da Gegenseitigkeit den Beziehungen zwischen der materiellen Produktion erstrecken. Stadt and Territorium (Korrelation der stadtischen
nkt Doch trifft eine absolute te Speziahsieniing auf ganz
to r mit Funktionstragel n im Terri- m Behr erg u Speze Produktions- and
o
esteht ~werden Art and Ma(3 der stadte- bestimDienstleistungen nun fur eine Minderzahl von
de rium) b
) bes Funlttionen ( bzw. ihrer Funktionstrager) age
b stelIt selbagst hies
c ??ten zu (?Spezialstadte"). Sic
annd somi omit ouch deren territoriale Reichweite ande- Stad mcht enmmal stets die einzige Existsnzgrundlage day.
e
renseits drench d ieRuckwirkung des Territoriums auf
die Stt
alts en wenn ouch veischieden wichtigen and
dutch die ' mt. Dies Aufnahmefahigkeit des eschieht Territoli insbesonder Die weaus st Stadte sind eMischst m
die die Stadt bestrm g ums fur vielf g , Territorialfunktionen.
stadtischen Funktionen, dutch die Kommunika- versclrieden kombimerten mus ist die planvolle, gleichmaf3ige
zwischen Stadt and Territorium, Im Sozialis
onsbede KonkUenI'nenZ der Stadte untereinander um (d. h. alle Territorien umfassende) Standortvertet-
dutch de
1 KOn
d
ihrer territorialen Funk- lung von Produktionen and ma(3iDienstleistungen dos
tionen Existenz and and nl ch zuleet d zt dutch die herrschenden po- allgememverbindliche Ma13 fur die plan ga Be-
t t zul ? en. Der So-
die Isse. Insofern werden also dutch stimmung Ihrer territorialen n Funktionen. D lr and
Ruc Verhaltn
Ruckwirkung des Terlitoiiums auf Art, Maf3 and zialismus schafft eine (der ents wachsende
rechende) Vielf alt and
bzw. ihrer unhw site derktionstrager) ouch die stadtischen UnteFunktionen Fulls der Bedunfmsse p nktionen.
territoriale Re rschiede Fulle stadtischer Inhalte and Territorialfu
E
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F
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Doch 1st die Industrie der weitaus fuhrende Fak-
tor der sozialistischen Stadteplanung. Die plan-
maBige Lokalisierung industrieller Produktivkrafte
in Verbindung mit dem Gesamtplan der sozialisti-.
schen Industrialisierung - unter Berucksichtigung
zweekmaf3iger Spezialisierungen und Kooperatio-
nen der industriellen Produktivkrafte, ihrer zweck-
malligen Erganzung durch Folgeeinrichtungen ver-
schiedenster Art sowie der zweckmal3igen Regionie-
rung des Landes - ergibt die entscheidenden
Richtlmien fur die Entwicklung der Stadte nach
Art, Mae und Reidlweite ihrer territorialen Funk-
tionen. Die stadtische Entwicklung, ful3end auf der
velkswirtschaftlichen Entwicklung, steht unter dem
Gesctz der planmaf3igen Proportionalitab in der sick
shindig erweiternden sozialistischen Reproduktion.
6. Stadttypen und -grofien als Folge verschiedener
Kombinationen stadtebildender Faktoren
Die zahlreichen Kombinationsmoglichkeiten der
stadtebildenden Faktoren haben in der historischen
Wirklichkeit ein zunehmend vielfaltiges Erschei-
nungsbild der Stadte gepragt. Es zeigt sick in der
gegemvartigen Vielfalt von Stadttypen und -grolien.
Die Spontaneitat, mit der die stadtischen Bildungs-
faktoren (vor allem bei ihrer massenhaften Ent-
wicklung Imd schnellen Differenzierung in der kapi-
talistischen Epoche) entstanden und sich lokalisier-
ten, 1st maBgebend dafur, dal3 diese Vielfalt von
Stadttypen und -grof3en einen Landes sich nicht zu
einem in sich wohl proportionierten Gesamtsystem
der stadtischen Territorialfunktionen zusammen-
f ugte.
Das folgt ganz allgemein aus der Tatsache, daB sich
die fundamentalen Gesetze des gesamten Systems
einer Gesellschaft notwendigerweise auch im terri-
torialen Systeme einer Gesellschaft aut3ern; denn
theses ist integrierender Bestandteil ihres Gesaml-
systems. Es gilt aber diese Unterwerfung tinter
jene fundamentalen Gesetze auch fur das territoriale
Funktionssystem, der Stadte. Denn dies ist integrid-
i ender und zugleich immer wichtiger werdender Be-
standteil des territorialen und somit des gesamten
Systems cler Gesellschaft.
Die Untersuchung des uns uberkommenen terri-
torialen Funktionssystems der Stadte mit dem Ziele
seiner Veranderung mull demzufolge an den Funk-
tionstragern, an den stadtebildenden Faktoren, an-
setzen. Denn sie Sind es, die in ihren unterschied-
lichen Kombinationen die jeweiligen Unterschiede
in Typ und Grof3e der Stadte bewirken.
Typen und GroBen der Stadte sind demnach nun
Erscheinungsformen verschiedener gesellschaft-
lichen Inhalte der Stadte (verkorpert in verschie-
denen stadtebildenden Faktoren). Eine Unter-
suchung der Stadte und ihres territorialen Funk-
tionssystems mull also von diesen ihren verschiede-
nen gesellschaftlichen Inhalten ausgehen, wenn sie
der Veranderung der gesellschaftlichen Wirklich-
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keit dienen will. Diese Veranderung ist aber wesent-
liche Aufgabe der Stadteplanung.
Erst wenn jene Grundtatsache erkannt ist, kann
man sick ihren vielerlei Erscheinungsformen im
Stadtewesen (also den jeweiligen Typen und Gro-
Ben der Stadte) zuwenden, Dann kann man diese
Erscheinungsformen systematisch+ gliedern und
klassifizieren, um aus der bunten Vielfalt der Er-
scheinungen vergleichbare Kategorien zu ermitteln,
ein systematisches Inventar des Bestandes zu er-
halten. Die wissenschaftliche Forderung nach einem
Klassifizierungssystem folgert heute allgemein aus
der praktischen Notwendigkeit der staatlichen Pla-
nung, namlich einen Qberblick und Mal3stab fur
die aul3erordentlich unterschicdliche Struktur und
Dynamik der verscliiedenen Siedlungskorper zu be-
kommen.
Die Typendifferenzierung ruhrt generell aus
der ?stadtisch konzentrierten Exploitation" unter-
schiedlicher Spharen des gesellschaftlichen Lebens
(nach MARX und ENGELS); bei der also bestimmte
Produzenten und Dienstleistende im Rahmen der
territorialen Arbeitsteilung mehr oder minder spe-
zielle Verrichtungen auf ihren Standortkomplex,
die Stadt, konzentrieren Die Moglichkeiten dieser
Exploitationen weiten sick allgemein aus im Wech-
selverhaltnis zwischen dem Wachstum der gesell-
schaftlichen Bedurfnisse und den zu ihrer Befrie-
digung erforderlichen Kraften und Mitteln der
Produktion und Dienstleistung
Dabei erfolgt jene ?stadtische Exploitation" in
letzter~ Instanz naturlich vermittels der (historisch
formverschiedenen) Ausbeutung von Arbeitskraf-
ten, also der Ausbeutung von (eigentlichen) Produ-
zenten und Dienstleistenden. Diese werden von den
Produktionsmittelbesitzern (bzw. auch von den In-
teressenverbanden, z. B. auch vom Staat) zur Ex-
ploitation bestimmterBereiche des gesellschaftlichen
Lebens ortlich angesetzt (unbeschadet dessen, daB
auch die sog, kleine Warenwirtschaft an dieser
Wahrnehmung von Exploitationsmoglichkeiten be-
teiligt ist).
Je nach Art und MaB der ortlich kombinierten
Produzenten und Dienstleistenden (stets personell
und institutionell), die die Exploitationsmoglich-
keiten ortlich wahrnehmen, werden ihre Standort-
komplexe (die Stadte) zu territorialen Zentren um-
fassend vielfaltiger bzw. eng spezialisierter Funk-
tionen innerhalb der gesellschaftlichen Arbeits-
teilung.
Die Ursache aber fur die Unterschiede in Art und
MaB der ortlichen Kombinationen von Produzenten
und Dienstleistenden wird wiederum allgemein in
den ortlich gegebenen und heranziehbaren Exploi-
tationsmoglichkeiten des gesellschaftlichen Lebens
der Epoche zu suchen sein. Sind diese ortlich gering,
so entsteht ein stadtisches Funktionszentrum von
geringer-territonialer Bedeutung (z. B ein Land-
stadtchen). Wachsen die Exploitationsmoglichkei ten,
so kann auch die territoriale Bedeutung des stad-
TERRITORIAL-t5KONOMISCHE GRUNDZUGE DER STADTE!LANUNC5OX1 -HUM
tischen Funktionszentrums wachsen (evtl, bis zur
Weltstadt).
Die qualitativ und quantitativ unterschiedliche
ortliche Kombination von Produzen n und Dienst-
leistenden kann einerseits von einer Vielfalt von
Exploitationsmoglichkeiten bestimmt werden. Da-
durch konnen vielerlei Produzenten und Dienst-
leistende lokalisiert und somit vielfdltige territoriale
Funktionen ausgeubt werden.
Jene Kombination kann aber auch von Besonder-
heiten der Exploitationsmoglichkeiten abhiingen.
Dadurch werden speziellere Produzenten und
Dienstleistende lokalisiert und somit spezialisiert are
territoriale Funktionen bewirkt.
Unterschiede in Art und MaB der ortlichen Kom-
binationen von Produzenten und Dienstleistenden
und die damit bewirkten Unterschiede iii Typen,
GroBen und dementsprechenden territorialen. Funk-
tionen der vorsozialistischen Stadte sind demnach
nun eine Folge von qualitativ und quantitativ unter-
schiedlichen Exploitationsmoglichkeiten, die der
jeweilige Entwicklungsstand der Gesellschaft bie-
tet und die ortlich verschieden wahrgenommen
wend en.
Es erscheint schlussig, daB zwischen der Typen-
und GroBendifferenzierung der Stadte ein innerer
Zusammenhang besteht. Er ergibt sich u. E. daraus,
daB besonders qualifizierte Typen von Stadten eine
besonders starke Wachstumstendenz haben. M. a.
W.: besonders gunstige (vielfaltige oder spezielle)
Exploitationsmoglichkeiten agglomerieren ortlich
besonders viele Produzenten und Dienstleistende.
Umgekehrt - umgekehrt.
Eine Ruckwirkung des Territoriums auf die stad-
tische Typen- bzw. GroBendifferenzierung ergibt
sich (seitens der Stadte selbst) u. a. daraus, daB alle
Stadte um die von der gesamten Gesellschaft im
Territorium gebotenen Exploitationsmoglichkeiten
miteinander konkurrieren. Sie (d. h. stets: die ent-
sprechenden, hier lokalisierten Faktoren) versuchen,
ihren Funktionsbereich auf Kosten anderer Stadte
auszudehnen, ihren Markt zu vergroBern, ihr Ex-
ploitationsterritorium zu erweitern bzw. intensiver
auszunutzen.
Eine Ruckwirkung des Ternitoniluns in Gestalt der
Dorfer auf die Differenzierung der Stadte folgert
einmal daraus, daB die Dorfer das allgemeine und
von vornherein unterlegene Ausbeutungsobjekt der
Stadte sind. Man kann folgern: je hoher die Aus-
beutungsrate der von einer Stadt ?erfaBbaren" Dor-
fer ist (stadtische/? Einzugsbeneich), d. h. je mehr
agranisrhes Mehrprodukt durch okonomische und
auBerbkonomische Ausbeutungsverfahren in die
Stadt gezogen' werden, um so fordernder ist
dies fur das "Wachstum der vorsozialistischen
Stadte. - Eine Ruckwirkung des Territoriums iii
Gestalt den Dorfer auf die Typenbildung der Stadte
folgert zum andern aus der Produktionsspezialisie-
rung der Dorfer'(z. B. auf Obst, Faserpflanzen oder
Vieh) in Verbindung mit der stadtischen Weiter-
behandlung dieser Produkte (Obstkonservenfabrik,
Textilfabrik, Fleischfabnik).
Nicht zuletzt sind die DOrfer die Quelle fur
(lie Regeneration 'und Vergrollerung der werktati-
gen Stadtbevolkerung. Sobald nun die allgemeine
Kommunikationsbedingungen hinieichend ausge
bildet sind (und dies ganz besonders unter den Be
dingungen der allgemeinen Mobilitat der landliche
Massen im Kapitalismus)?wind die AbwanderunL
der Dorfbevlkerung'in die verschiedenen Stadl
allgemein durch die zeitlich und ortlich wechselnde
Bedingungen fur die stadtische Anziehung und Ab
weisung von Arbeitskraften gesteuert (d. h. hies
genauer: durch die zeitlich und ortlich ~vechselnde
Verwertungsmoglichkeiten der stadtisch konzen
trierten Kapitale).
Die unterschiedlichen okonomischen (und sonsti
gen) Notwendigkeiten einer territorial-arbeitsteili-
gen Gesellschaft werden iii erster Linie von ?uber-
ortlichs` wirkenden Produzenten und Dienstleisten-
den erfullt. Ihre spontane Kombination an den
Orten mit unterschiedlichen Exploitationsmoglich-
keiten jener unterschiedlichen Notwendigkeiten 1st
in antagonistischen Gesellschaftsformationen das
entscheidende Kriterium fur die Unterschiede der
Stadte nach Typen bzw. GroBen.
Fur die ausbeutungsfreie, sozialistische Gesell-
schaft gilt dementsprechend: die planmaf3ige Kom-
bination von iiberortlich wirkenden Produzenten
und Dienstleistenden an den Orten den'planmaBigen
Entwicklung des Landes und- seiner Potenzen als
der allgemeinen und in sich wiederum vielfaltigst
differenzierten Notwendigkeit im Sozialismus zur
Erfullung der standig wachsenden Bedurfnisse.
7. Stddtebedienende und stddtefiillende Faktoren
als integrierende Bestandteile der Stadte
Die Stadt begrundet sich in erster und entschei-
dender Linie auf den territorialen Funktionen, die
Burch die Produktionen und Dienste ihrer stadte-
bildenden Bevolkerungsgr'uppe (einschl. der dazu-
gehorigen Institutionen), also von den stadtebilden-
den Faktoren, ausgeubt werden. Diese Faktoren
schaffen die Existenzgrundlage der ganzen Stadt.
Aber der stadtische Komplex umfaBt nosh weitere
Bevolkerungsgruppen. Erst die Gesamtheit alley
Gruppen nebst den 'dazugehorigen Einrichtungen
fur Produktion, Dienstleistung und Siedlung ergibt
eine Stadt nach Mal3gabe der jeweiligen ortsbezoge-
nen Entwicklungsbedingungen.
Ein MaBstab fur die Bestimmung der weiteren
Bevolkerungsgruppen ist, ob und vie sie sich an
den Schaffung, Sicherung und Erweiterung der ter-
nitonialen Funktionen der Stadt beteiligen. Danach
unterscheidet sich eine zweite groBe Gruppe, 'die
nun mittelbar daran teilnimmt (stadtebedienende
Gruppe bzw. Faktor), und eine dritte groBe Gruppe,
die berufspassiv 1st (stadtefullende Gruppe bzw.
Faktor). Ausschlaggebend ist stets die stadtebildende
Bevolkerungsgruppe (Faktor).
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8. Art and MaJ1 der Giiter-, Personen- uncl Nach-
richtenstrome zwischen Stadt land Territori111n
als Kennzeichen ilirer W.echselbeziehungen
Das FUnktionSterritOriUm einer Stadt kann mit
zunehmend hoheren Funktionen der Stadt inner?-
halb der territorialen Ar'beitsteilung bis zum ge-
samtnationalen and ubernationalen Territorium an-
wachsen. Dabei werden gewohnlich nicht alle uber-
ortlichen Funktionen der fraglichen Stadt ein so
umfassendes Wn?kungsterritorium gewinnen. Mog-
licheiweise gelingt dies nun bestimmten okonomi-
schen oder politisch-administrativen oder kulturel-
len Funktionen oder Funktionsgruppen. Es werden
aber auch umgekehrt die ternitorialen Funktionen
von Grog- and Weltstadten wieder durch die Funk-
tionen nachgeordneter Zentren mehr oder minder
gebrochen", vermittelt.
stark
TERRITORIAL-tlKONOMISCHE GRUNDZUGE DER STADTEPLANUNG
DR RER, FOL. HAI3IL. GERIIARD SCHMIDT-RENNER T
sgruPpa arbeitet (ebenso wie die Moglichkeiten fur die aufierstadti
Die stadtebedienende Bevolkerung -
fur den 1 emein
innerstadtischen Bedarf? Sic findet einmal schen Funktionen) von den zbedin ungen heirschenden al ung g
ihren
age nach ihren PI?oduk- gesellschaftlichen Existen
eine innerstadtis'che Nachfr -
oi?tsbezo enen Wirkungen ab?
en and Diensten in der stadtebildenden Gruppe, g en von
bot von PI?odukten and Dein innerstadtisches Ange-? In der Praxis treten haufig Vereinigung
Diese t ~viedei?um findet
iensten fur ihre pei?sonelle inner- and auBerstadtischen Funktionen in den per-
aber z. T. auch institutionelle Repioduktion in der sonellen and institutionellen Fun ktionsti?agern auf.
Stadt seitens der stadtebedienenden Gruppe. Beide Diese Vereinigungen von Funkttoner verursachen
sind voneiiianer abha "ngig. fur die Praktische Zuordnung der Stadtbevolkerung
rst die arbeitsteilige Funktionen beider Grup- and der Sladteinrichtungen zu den stadtebildenden
pen ermaglidien uberhaupt methodo-
tionen der die territorialen Funk- bzw. logische Schwstadtebedienenden Faktoren gewisse -
Stadt(?BedienungundVersorgung a
rei hmheiten des a nde- ierigkeiten. Doch bleibt das theore
rbeitsteiligen TerritoriumS; Her- tische Prinzip der stadtischen Faktoren- and Funk-
stelhmg and Fortbildung des notwendigen tern- tionsteilung unabhangig von den Gegebenheiten
torialen Zusammenhang _ and
teiligen, , zersti eut es lokalisierten der Geseterritorial arbeits- der Aersonellen and institutionellen Faktoren
llschaft). Funktionsvereinigung gultig. Jenes theoretische
Diese Funktionen ~~erden also von direkt daran Prinzip ist die Widerspiegelung zweier territorial
beteihten i-
liidirelct (durch die lebensnotwendige d von verschieden orientierter objektivei Prozesse (,,e
g (stadtebildenden) Faktoren i unnnerstad- sotgung and Bedienung des auBer- bzw. des inner-
and Bedienung" der ersteren) stadtischen Territoriums).
tische ?Versorgung ? ~
daran beteingten (stadtebedienenden) Faktoren Die theoretische Grenze fur die jeweilige Zuord-
-
damit ausg zu eubt. Die unabdistadtebedienenden Faktoren welden nung der Stadtbevolkerung zu der einen oder ande
ngbarer integrierenden Bestand- Ien Faktorengrupee liegt dort (wenn auch nicht als
rfe Grenze, sondern mehr als ?Grenzsaum ), N
teilen der Stadt. scha
Die stadtebildenden Faktoien uben aktive unll ~~o die aus der innerstadtischen Arbeitsteilung fol-
passive Funktionen im Teiritorium aus; aktive genden Produktions- bzw,
durch den ?Versand (bz?. d Dienstleistungsbeziehun-
ie '.Abgabe) ihrer gen fur den Fernbedarf (uberortlichen Bedarf) in
, -
durch Produkte den ?andBezugDienste von ins PI odTer itorium, passive solche umschlagen, die na~ Art and MaB uber
ukten and Diensten wiegend dem gesellschaftlichen and individuellen
aus dem Tei:ritorium zur standigen Reproduktion Ortsbedarf von Personen and Institutionen dienen.
ihrer aktiven (?Versand"-)Funktionen im Terri-
:
torium.
Die stadtebedienenden Faktoren hingegen uben Der stadtefullende Faktor rekrutiert sich in vor-
nui? passive Funktionen im Territorium aus. Denn sozialistischen Stadten generell aus alien eenen nicht
sic ?beziehen" nur Produkte and Dienste aus dem berufstatig sowie arbeitslos-parasitar existierenden
f elritorium zur standigen Reproduktion ihren Personen der Stadtbevolkerung, die also weder an
innerstadtiichen Funktionen. Dies kann entweder der Ausubung von inner- nosh von auf3erstadti-
dul'Cll die Vermittlung stadtebildender Faktoren schen Funktionen beteiligt sind, vielmehr diesbe-
(beim Warenbezug z B. durch den ?uberortlichen" zuglich nur Konsumenten darstellen (und insofern
kt
D
(
en
ire fungieren).
GroBHandel) oder unvermittelt gescneh -
Bezug).- Auch der stadtefullende Faktor fst ein Ergebnis
Man kann demzufolge nicht meter nun von uber-
der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in ihrem loka-
ortlichen Funktionen der stadtebildenden Faktoren,
sondern muf3 auch von bestimmten .(passiven) uber-
ortlichen Funktionen der stadtebedienenden Fakto-
ren sprechen. M. a. W.: die uberortliche Wirkung der
Stadt folgert also aus der. Arbeit ihren? stadtebilden-
den and (in bestimmtem Umfange and grade) auch
ihrer stadtebedienenden Bevolkerungsgruppe. Dem-
nach erfahrt der bisherige BegrifI der ?tlberort-
lichkeit" ? eine nicht unwesentliche Ausdehnung
seines Inhaltes.
Der innerstadtische Funktionsbereich der stadte-
bedienenden Faktoren un4aBt aber auch die gegen
s -
eitig, e ,Versorgung and `'Bedienung" der eigenen
Faktoren sowie schlief3lich die der stadtefullenden
Fak"toren. Art and Maf3 der innerstadtischen ?Vei-
sorgung and Bedienung" hangen, ab von Art and
MaB der stadtebedienenden Funktionen, d. h. zu-
gleich der entsprechehden Funktionstrager and von
b
deren Furiktionsmoghchkeiten. Diese hangen a ei
78
len Niederschlage. Die stadtefullende Bevolkerungs
g -
ruppe?erscheint einmal als Ergebnis der sick ge-
sellsch'aftlich dauernd modifiziert - fortsetzenden
biologischen Arbeitsteilung. Sie erscheint zum ande-
ren als Eigebnis jener sozial-okonomischen Aus-
Wirkungen der gesellschaftlichen Arbeitsteilungen,
die in vorsozialistischen Formationen den einen
zum arbeitslos-parasitaren Nutznief3er von ange-
eigneten Arbeitsprodukten der werktatigen Bevol-
kerung entarten lief3en Wahrend sic andere para-
sitare Schichten als Lumpenproletariat zum Boden-
satz der Gesellsehaft deklassierten and schlieBlich
nosh andere Schichten, die Arbeitslosen, von der
Teilnahme am gesellschaftlichen Arbeitsprozef3 aus-
schlossen, sic praktisch ?berufspassiv" ,und damit
also stadteftillend machten.
Unter sotialistischen Produktionsverhaltnissen ist
,
jede parasitare Existent ausgeschlossen, and die
11
79
Arbeitslosigkeit ist beseitigt. Doch bleibt dennoch ?Versand" (oder die ?Abgabe") von stadteigenen,
eine nichtberufstatige Gruppe der Stadtbevolkerung aber auch stadtfremden (namlich durch die fragliche
bestehen. Theorie and Praxis der sozialistischen Stadt vermittelten) Leistungen anderer Orte ins
Stadteplanung zeigen deutlich, daB diese stadte- Ternitorium. Die zweite Hauptrichtung auBert
fullende Gruppe prinzipiell aus bestimmten natur- sick als ?Bezug" von Leistungen des Teri?itoriums
ilirer
ntweder nosh nicht seitens der Stadt zui 'standigen Reproduktion
lichen (biologischen) GI?unden e
ktionen tell- Versandleistungen. Eine dnitte Hauptrichtung 1st
oder nicht mehi? an stadtischen Fun
nehmen kann (Kritei?ium ist genetell die Alters- durch die stidtische Selbstversorgung fur, den ge-
sellschaftlichen and individuellen Bedarf der Stadt-
Dei struktui? der Bevolkerung). " kei?unekennzeichnet,
objektiv gegebener stadtefullende - zwar Fakto jre ist nach also den ein bevol g g
n historischen Versand and Bezug" erfolgen gewohnlich nicht
? .-
Bedingungen semen Charakter wechselnder - aber unmittelbar. Sic welden 'e nacli dem Zenti?alitatsi
r nder Bestandteil der rad der fraglichen Stadt im arbeitsteiligen Ter
stets unabdingbarer, integrie e g r uber Stadte mit von- bzw. nachgeord-
Stadt. torium wiede -
? 'tt It Praktisch l6sen sick
?
Bei sehr starker Abstraktion kann man vertikal Transportstrome zwischen Stadt and Territorium,
ein auf- and ein absteigendeS System von Terri- also zwischen allen stadtischen and nichtstadtischen
torialfunktionen der Stadte verfolgen. Aufsteigend Standortkomplexen, lassen sich ihre Wechselbezie-
wird es durch iimer breiter, aber zugleich auch hun en ermitteln, 1'al3t sick das stadtische Funk-
erdende ?Funktionskreise (Stadte tionssystem darstellen, laBt sick die Bedeutung des
fmmer venigei w
mit immer hoherer Zentralitat, immer breiterer einzelnen Standortkomplexes im Gesamtsystem er-
Stieuung ilirer Funktionen) gekennzeichnet. Ab- fassen, lassen sick Art, MaB and Reichweite der steigend umgekehrt. In den Wirklichkeit uberschnei- stadtischen Funktionen im Territonum ei?messen, den and verschlingen sick natuncch diese Funk- laf3t sick der territoriale Funktionsbereich derStadte
tionskreise?' der Shdte der territoriale Wirkungs- abstecken, - lassen sick schlieBlich Unterlagen fur
bereich ihiei Funktionen) aufs vielfaltigste. die Rationalisierung des stadtischen Funktions
Die territorialenFunktionen der -
Stadte lassen Bich systems im Territorium ableiten. Das methodische auf diei Hauptrichtungen" zuruckfuhren. Eine ist Mittel hierzu 1iefert in erstei? Lime eine diesbezug-
Bedienung" des Terri- lithe ausgebaute and auf die Gemeinden a s
durch die ;,Versorgung and Stand-
itens der Stadt gegeben, d? h. durch den ortkomplexe bezogere Transportstatistik.
forums se ,
a,?? . - ~,..._ _
neter Zentralltat veimi e .
jene drei ?Hauptrichtungen" in vielfaltigste Kreuz-
und Quernichtungen der stadtischen Beziehungen
auf.
Auf den Trassen des Guter-, Personen- and Nach-
richtentransports laufen die Verbindungen zwischen
Stadt and Territorium, vollziehen sick ?Bezug and
Versand" ihrer jeweiligen materiellen and immate-
riellen Leistungen, wind das territoriale Funktions-
sYstem der Stadte wirksam. Es ist zugleich an uncl
mit diesen Transporttnassen gewachsen, and einen
der wesentlichen Faktoren dieses territorialen
Funktionssystems der Stadte ist gerade das Trans-
portwesen selbst.
Auf den Transporttrassen bewegen Bich die
Guter?-, Personen- and Nachr'ichtenstrome, vollzieht
sick die Ortsveranderung der arbeitsteiligen Lei-
stung en, spielen sick die Wechselbeziehungen zwi-
i
eser
schen ihren ab? Aus Art, Maf3 and Reichweite d
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Finanzokortornisc)ie Fakultdt
histitut fur Staatshaushalt Direktor Prof. Dr. Herbert We
_ igo
Als Manuslcript cjedruckt!
Pr obleme
des de
molcratische '
. n Zent>.alismu
s
in der Hau
shaltswl
rtschaft del
Deutschen De
molclatl.sch
en Republik
Von HERBERT WERGO
Die Starkung der Staatsmacht durch eine breite v
etlauft ebensowenig wte itgendein andercr gesell-
Teilnahme der Massen des Volkes an der Ausi bun sehaftli
der staatlichen Ftuiktionen k g cher Entwicklungsproze(3 widerspruchslos,
emizeichnet den Inhalt Auf okonomtschem Gebiet fuhrt die E
der Politik, die von der Partei der Arbeiterklasse ntfaltung der
and von der Regierun der Deutsch soztalistischen Demokratie in den ortlichen Orga-
g en Demokrati- nen nicht selten zunachst zu
schen Republik seit je zielbewu(3t verfolgt wind. Ge- , th gewissen Widerspru-
rade in der lungslen Vergangenheit hat die w en bei der Vertvirklichung der stch aus dem Ge-
eitere Betz der planmal3i en ro orti
Enhvicklung der sozialistischen Demokratie nicht g p P onalen 1Jnhvicklung
zulelzt auch tm Interesse der bestmoglichen Losun der Volkswirlschaft ableitenden Planungsauf aben
g sei es bet der unmittelbar g
okonomischer Aufgaben bedeutende Fortschritte en volkswirtschaCUichen
gemacht. Ein besonders hervorragendes Beispiel da- Planung sei es bei der Planung des Slaatshaushalis
fur sind die von der Volkskammer am 18. Januar als Hauptfinanzierungsinstrument des Staats 1
1957 verabschiedeten Gesetze uber die or ' geben sich aus der T panes.
tltchen Sie et? atsache, da[3 eine plan-
Organe der Staatsmacht and uber die Rechte mal3ige Gestaltun der
and g Wirtschaft in bestimmlem
Pflichten der Volkskammer gegenuber den ort- Umfang stets zentraler Eins i
chten and Ma3nahmen
lichen Volksvertretungen die neben der Verfassung bedarf, die jedoch mit den ortlich gebildeten Vor-
die wichtigsten Gesetze staatsrechtlichen Inhalts in stellungen and den "
unserer Republik darstellen, Sic stnd Ausdruck der jedem Fall von vornherein ubereinzustimmen
standig wachsenden Bereitschaft der Volksmassen, brauchen. Dies e Wtderspruche so zu losen, da(3 bei
an der Leitung ihres Staates mit immer grol3erer der Wahrun
Verantworlung teilzunehmen. Sic zeu en ferner v g gesamtstaatlicher Belange die orl-
g on lichen Erkenntnisse and Notwendigkeiten die ihnen
dem Willen der Werktatigen, den Staat der Arbei- z
ter and Bauet?n als das entsch i ukommende Beruclcsichtigung linden, isl die Auf-
e dende Instrument gabe, die in der praktischen Arbei
zum Aufbau des Sozialismus welter zu festigen and t der Slaatsorgene
zu diese Zweck von allem auch den w'n? standig zu bewaltigen ist and die such der wtssn-
lichen Fm en ro(3 tschaft- schaftlichen Forschun laufend ne steilt.
g en to Beachtung zu schenken. Auf
Sie g ue Fraden plan-
der 32. Tagung des ZK der SD konnten dahet? ent- beinhallet eine Gtundproblematik des seeidende Schlu[3folgerungen aus der bisheri en mal3igen Wirtschattsvollzuges im allgemeinen and ?
E heidenlung geza en werden g etner, den okonomischen un
g , die in den Thesert
nissen Rechnung tragenden d Haushallswi ushalts vi Et?-
zum Bericht des Genossen ULBRICHT fiber die rtscIihaut aft im
Vereinfachung des, Staatsapparates and die Ande- besonderen.
rung der Arbettsweise der Mitarbeiter des Staats- Im Rahmen dieser Pr
apparates hren Ntedetschla fanden oblematik steht das Prinzip
Aes i g ? Die hierrn des demokratischen Zentralismus als oberstes Or-
zum ck kommende Zielsetzung besagt, dai3 ganisattonsprinzi unsexes
nunmehr solche Formen and Methoden der Leitung dergrund p Slaagl beruberu im Vor-
der Volkswirtschaft and d . Auf semen Amvendunhen grund-
er anderen Zweige, des satzlich auch die Methoden der staatljchen
Staatsapparates ausgearbeitet werden mussen, die schaflslenlcung and d n, die Hilfe der Entfaltun der br der Haushaltsfuht?ug die tlar-
g eitesten Initiative auf ausgerichtet sand, eine lanmal3i e r
des Volkes eine=nosh bessere Erfullung des Volks- n
ale Entwicklung der p Volkswi g p sichero-
tvirtschaftsplanes-und die stren rlschaft zu ichern.
ge Einhaltung des Bekanntlich verbindet der demokr
Sparsamlceitsregimes getvahrleisten? attsche Zentralis-
mus die zentrale staatliche Leitung des wirtschaft-
Der Prozel3 der -zunehmenden Demokratisierung lichen, kulturellen
des staatlichen Lebens, der sich beson and sozialen Aufbaus in den
dets augen- Grundfragen mtt der umfassenden Entfaltun der
fallig sowohl? in den wachsenden Befugnissen wie Initiative der Werk g
aben auch in den wachsenden Verpfli tattgen and der eveitestgehenden
der ortl'ch chtungen Selbstandigkeit der ortlichen Organe des Staates bei
i en Organe der Staatsmacht ausdruckt, der Losung der staatlichen Auf
gaben.
81-
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PROF. DR. HERBERT WECRO
LENIN hat dazu. gelehrt:
?Mit dem demokratischen and sozialistischen
Zentralismus hat weder das Schablonisieren
nosh das Festlegen der Einformigkeit von oben
irgend etwas gemein. Die Einheit im Grund-
legenden, im Wichtigsten, im Wesentlichen
wird nicht gestort, sondern gesichert durch die
Mannigfaltigkeit der Einzelheiten, der lokalen
Besonderheiten, der Methoden des Herangehens
an die Dinge, der Methoden der Durchfuhrung
der Kontrolle,"i)
Die Anwendung des Prinzips des demokratischen
Zentralismus bei der Durchfuhrung der Staatsauf-
gaben kann nicht nach ein fur allemal festgelegten
Formen erfolgen, sondern muB den jeweiligen
historischen Notwendigkeiten entsprechen. Das be-
cieutet, daB das Ausma3 der erforderlichen Zentrali-
sation 'und das AusmaB der moglichen ortlichen
Selbstbestimmung je nach den gegebenen Umstan-
den durchaus verschieden sein konnen. Es bedad
standig neuer Uberlegungen, um die der Situation
angepaBte richtige Verbindung von Zentralisation
and Dezentralisation zu linden. Das zeigt die Ent-
wicklung nicht nur bei uns, sondern aueh in den
anderen Staaten des sozialistischen Lagers, vor allem
auch in der Sowjetunion, deutlich. Am Anfang der
Ubergangsperiode vom Kapital:smus zum Sozialis-
mus, da, wo das BewuBtsein der Massen noch ver-
haltnismatlig schwach ausgebildet ist, wo die Posi-
tionen des Klassengegners noch stark sind and wo
die Arbeiterklasse noch uber relativ wenig er-
fahrene, politisch erprobte rind mit Fachkenntnis-
sen ausgerustete Kader verfugt, muB der Umfang
zentraler, straff gehandhabter MaBnahmen begreif-
licherweise wesentlich grolier sem als spater unter
Verhaltnissen dort, wo bereits gunstigere Voraus:
setzungen vorliegen.
Die tatsachliche Entwicklung in unserer Repu-
blik bestatigt diesen Verlauf. Sie ist auf dem Ge-
samtgebiet der volkswirtschaftlichen Planung, das
uns hier in ersten Lime interessiert, so zu charak-
terisieren, daB die Planung von einem recht starr
gehandhabten, System zahlreicher zentral festgeleg-
ter Kontroll- and Kennziffern fur die Aufstellung
sowohl des VolksWiirtschafts- vie des Staatshaus-
haltsplanes zunehmend zu einer Methode uberging,
bei der bei einer starken Begrenzung zentraler Auf-
lagen die selbstverantwortlich ausgearbeiteten Vor-
schlage der einzelnen Betriebe and Organisationen
Berucksichtigung finden and bei der insbesondere
PROD EME DES DEMOKRATISCHEN ZENTRALISMUS IN DER i-IAUSHALTSWIRTSCHAET...
hinunter zu den Einrichtungen der Gemeinden an-
gewandt wurden. Die Mitarbeit der Werktatigen an
der Aufstellung and Durchfuhrung der Haushalts-
plane konnte sick unter diesen Umstanden nur tin-
genugend entfalten, Um dieser Entwicklung ent-
gegenzutreten, wurden fur das Jahr 1956 Kontroll-
ziffern des Haushalts nur noch bis zu den Kreisen
gegeben. Die Planvorstellungen der Burger in den
Gemeinden konnten Bich also theoretisch Frei ent-
wickeln and ihren Ausdruck in den Entwurfen zum
Haushaltsplan linden. Diese Moglichkeit wurde
allerdings in der Praxis vielfach dadurch eingeengt,
daB die Mitarbeiter der ubergeordneten Staats-
organe weiter im Sinne der alten Kontrollziffer-
methoden verfuhren and administrativ in die Haus-
haltsplanung eingriffen. Aus diesem Grunde ver-
starkten sick die Hinweise aus der Bevolkerung, daB
die Kontrollziffern des Haushalts die Entwicklung
der sozialistischen Demokratie lahmen. Diesen Hin-
weisen folgend, empfahlen die Mitarbeiter der Or-
gane der Staatsmacht auf einer im Mai 1956 abge-
haltenen Finanzkonferenz den Wegfall dei? Kon-
trollziffern des Haushalts. Derhzufolge wurden die
Haushaltsplane der ortlichen Organe der Staats-
macht fur das Jahr 1957 im wesentlichen nur auf
der Grundlage des Volkswirtschaftsplanes aufge-
stellt; die Rate der Bezirke erhielten lediglich vom
Ministerium der Finanzen nach erfolgter Abstim-
mung uber die Entwurfe der Bezirkshaushaltsplane
die Differenz zwischen Einnahmen and Ausgaben
als verbindliche Kontrollziffer and damit als Grund-
lage fur die Ermittlung des Haushaltsausgleichs.
Diese Methode der Planaufstellung ohne Kontroll-
ziffern hat ohne Zweifel zu einem betrachtlichen
Aufschwung der gesellschaftlichen Mitarbeit bei der
Planung gefiihrt, sic hat jedoch auch - was nicht
ubersehen werden darf - bewirkt, daB Planvor-
schlage eingereicht wurden, die haufig nicht mit den
materiellen and finanziellen Moglichkeiten in Uber-
einstimmung standen and daher nachtraglich korri-
giert werden muBten. Damit ergibt Bich die Frage,
vie die ortliche Initiative bei dei? Planaufstellung
weiterhin aktiviert, zugleich aber in die jeweils
gegebenen volkswirtschaftlichen Grenzen richtig
eingeordnet werden kann. Fur die Haushaltsplanung
1958 hat man diese Frage auf die Weise zu losen
versucht, daB durch eine Direktive des Ministeriums
der Finanzen an die Rate der Bezirke bestimmte,
zum Teil ziffernmaBig fixierte Empfehlungen ge-
geben wurden, die sich auf die wichtigsten Punkte
Steigerung der Akku-
B
ivie z
lane
er p , . .
Haushalts
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worden. So wurde in der Vergangenheit nicht selten
die Praxis geubt, nicht verwendete Haushaltsmittel
z. B. einer Gemeinde durch die ubergeordneten Organe
mit der Begrundung abzuziehen, sic wurd"n an ande-
rcr Stelle benotigt, DaB damit die finanzielle Selbsl-
verantwortung stark bceintrachtigt wurde, liegt auf
der Hand. Bereits mit einer Anordnung des Mini-
steriums der Finanzen vom 18. 10. 1956 wurde dem-
gegenuber den ortlichen Organen der Staatsmacht
das Recht gegeben, Haushaltsmittel, die im laufen-
den Planjahr nicht verbraucht werden, auf das
nachste Jahn zu uberteagen. Den ortlichen Organen
steht ferner heute in groBerem Umfange als fruher
das Recht zu, auch uber die Verwendung von ee-
zielten Mehreinnahmen and Einsparungen zu ent-
scheiden. Sic konnen auch uber die Haushalts,
reserve verfugen, die, nachdem sic ursprunglich nun
fur Bezirke and Kreise vorgesehen war, jetzt auch
bei den Gemeinden gebildet wind and deren finan-
zielle Bewegungsfreiheit vergroBert. Die Entschei-
dungsbefugnis fur alle MaBnahmen auf den er-
wahnten Gebieten haben die zustandigen Volks-
vertretungen, die damit in ihren Autoritat auBer-
ordentlich gestarkt worden sind and wesentlich
mehr, als es noch von einigen Jahren moglich war,
das finanzielle Geschehen in ihi?em Bereich bestim-
men konnen.
Die zunehmende Verlagerung entscheidender
haushaltswirtschaftlicher Kompetenzen in die Zu-
standigkeit der ortlichen Organe der Staatsmacht
ist in den letzten Jahren durch eine Reihe von Be-
stimmungen unterstutzt worden, die eine allge-
mein verstarkte Heranziehung der Werktatigen zur
Mitarbeit in der Haushaltswirtschaft zum Ziel
haben. So wurde bereits in der Staatshaushaltsord-
nung vom 17. 2. 1954 (GB] S. 207) festgelegt, dali
bei der Aufstellung der Haushaltsplanentwurfe and
der Finanzplane weitgehend die Arbeiter and An-
gestellten der Betriebe, Verwaltungen ilnd Einrich-
tungen Bowie die interessierten Bevolkerungskreise
zu beteiligen Sind. Diese Bestimmung ist in der
5 Durchfuhrungsbestimmung zum Gesetz fiber die
Staatshaushaltsordnung voin 1 2. 1956 (GBI. I, S
170) u. a nach der Richtung hin konkretisiert won-
den. daB die Leiter der Fachabteilungen der Rate
der Bezirke, Kreise, Stadee and Gemeinden ver-
pflichtet werden, die Beratung uber Haushaltsfragen
mit der Bevolkerung zu bestimmten Zeitpunkten
lend mit bestimmten Aufgaben durchzufuhren Mit
diesen MaBnahmen wurden der Entfaltung der so-
nach dem den derzeitigen Verhaltnissen entspre-
chenden richtigen MaB an Zentralisation and De-
zentralisation, das es ermoglicht, die gesamtstaat-
lichen Notwendigkeiten sinnvoll mit ortlicher Ini-
tiative zu verbinden. Eine, standige, bewullt rind
konsequent vorgenommene Verbesserung der auf
dem Prinzip des demokratischen Zentralismus be-
ruhenden Methoden der staatlichen Wirtschaftslei-
tung muB vor allem dazu beitragen, den heute
hier in mancher Beziehung nod' bestehenden
Widerspruch zu uberwlnden.
Die spezielle Entwicklung auf dem Gebiet der
Haushaltswirtschaft der Deutschen Demokratischen
Republik hat sick im Rahmen der daigelegten all-
gemeinen Gestaltungstendenzen vollzogen, vobei
immer deutlicher das Bestreben in Erscheinung trat,
die unteren and ortlichen Organe der Staatsmacht
in finanziellen Angelegenheiten mit grol3eren Ver
antwortlichkeiten and Befugnissen auszustatten
and damit zugleich die Anteilnahme der Werktati-
gen auch am finanzwirtschaftlichen Plangeschehen
verstarkt zu wecken.
In den ersten Jahren nach der Grundung der
Deutschen Demokratischen Republik kam es zu-
nachst darauf an, in den Gemeinden and Kreisen
die noch vorhandenen Vorstellungen aus der Zeit
des burgerlichen Staates uber die kommunale
Selbstverwaltung and ihr Verhaltnis zum Staat zu
iiberwinden, die, auf einem Gegensatz zwischen Ge-
meinde and Staat beruhend, dem Gedanken der
Einordnung der kommunalen Interessen in eine ge-
plante Wirtschaft mehr oder weniger feindhch ge-
genuberstanden. Es liegt auf der Hand, daB bei die-
ser Sachlage die zentrale Staatsgewalt zunachst be-
strebt sein muBte, die allgememen and uberort-
lichen Belange von Staat and Wirtschaft entschieden
durchzusetzen. Zum Zeitpunkt der ml Jahre 1952
durchgefuhrten MaBnahmen zur weiteren Demo-
kratisierung der Verwaltung, die u. a. die Bildung
von Bezirken and eine neue Emteilung in Kreise
zum Inhalt hatten, konnte zwar die alte Ideologie
der Selbstverwaltung im wesentlichen bereits als
uberwunden gelten, jedoch schien es erfordencch,
den oft Iungen and wenig erfahrenen Mitarbeitern
in den neugeschaffenen Organen des Staates eine
besondere Hilfe von seiten der zentralen Verwal-
tungssteilen bei der Haushaltsplanung zu gevahren,
ine einheitliche and den allgemeinen wirt-
um e
auch den ortlichen Organen der Staatsmacht, den
schaflichen Er
fordernissen entsprechen
de Auf
stel-
mulation aus der volkseigenen ortlichen Wirtschaft
zialistischen Demokratie im S
inne des Prinzips des
Bezirken, Kreisen and .Gemeinden erweiterte Be-
lung der Haush
altsplane zu sichern. Das
Minister
ium
der gesellschaftlichen Konsumtibn
and Entwicklung
demokratischen Zentralismus
auf dem Gebiet der
fugnisse bei der Plangestaltung eingeraumt werden.
der Finanzen
gab daher erstmalig im
Jahre
1953.
..
'beziehen. Im Rahmen dieser Empfehlungen arbeiten
Haushaltswirtschaft bereits
bedeutsame Impulse
Eine entsprechende Entwicklling ist auch bei der
i der
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Kontrollziffern
des Haushalts heraus,
die im
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die Bezirke eigene Direktiven fur ihren Bereich aus.
gegeben. Die breite and wirk
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ungsvolle Teilnahme
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Durchfuhrung der Plane zu verze
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finanziellen SchluBfolgerungen aus
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Den Erfolg dieser neuen Planungsmethode wird man
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ebenfalis das System zentra
lich aufgelockert worden ist. Zweifellos ist dieser
ProzeB noch keineswegs abgeschlossen. Wir stehen
vielmehr bei vielen,Punkten noch mitten im Suchen
1) LENIN: ?tvie soil man den wettbewerb organlsieren??' Aus-
gew. WerAe in zwei Banden, Bd. IT, Dietz-verlag, Berlin
1952, s. 296.
82
den durchzufuhrenden volkswirtschaftlichen Auf-
gaben?darstellten. Diese hauptsachlich als Orientie-
rung der ortlichen Organe gedachten Kontrolizifern
wirkten sick bei der praktischen Handhabung je-
doch mehr and mehr als eine Fessel der ortlichen
Initiative aus, weil sic schematisch and stars bis
sehr sorgfaltig beobachten and zii gegebener Zeit
analysieren mussen.
Auch die Haushaltsdurchfuhrung ist im Verlauf
der letzten Jahre immer mehr in die eigene Verant-
wortlichkeit der ortlichen Organe ubergegangen and
von manchen Fesseln der Bevormundung befreit
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gewahrleisten, ist schliellich eine der mit dem Ge-
setz uber die ortlichen Organe der Staatsmacht vom
18. 1. 1957 verfolgten Zielsetzungen. Sic wird um
so schneller in die Tat izmgesetzt werden, je ent-
schiedener der Kampf kunftig gegen das Admini-
I 83
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
PROF. DR. HERBERT WEGRO
strieren, das der Sache nach nicht erforderliche An-
ordnen von oben her, gefuhrt wird. Auf der 32.
Tagung des Zentralkomitees der Sozialistischen
Emheitspartei Deutschlands sagte. dazu WALTER
ULBRICHT:
?Es mul3 ein entschiedener hartnackiger and
langer Kampf gegen das Administrieren ge-
fuhrt werden. Selbstverstandlich sind Anwei-
sungen and Anordnungen notwendig, aber wir
sind gegen die formal burokratischen Anord-
nungen, die sich nicht auf die Erfahrungen der
WerktStigen stutzen, die ausgearbeitet werden,
ohne daB cUe Menschen uberzeugt werden, and
die durchgefuhrt werden sollen, ohne daB die
betreffenden Mitarbeiter in den staatlichen
Organen selber die Durchfuhrung mit anleiten
and kontrollieren, Diese Methode des Admini-
strierens muB man standig, systematisch and
hartnackig bekampfen."')
Welche SchluJifolgervngen ergeben Bich aus den
bislierigen TOberlegungen and Feststellungen fur
eine auf dem Prmzip des demokratischen Zentra-
lismus aufgebaute Haushaltswirtschaft? Welche
Probleme bedirfen dabei vor al1em weiterer wis-
senschaftlicher Untersuchungen? Wenn wir diese
Fragen stellen, so sind wir uns bewuBt, das die Be-
antwortung im Rahmen dieser Darstellung keines-
wegs erschopfend sem, sondern sick nur auf wenige
Hauptpunkte erstrecken kann. Sic soil insbesondere
einige Anegungen fur die Forschungstatigkeit auf
clem Gebiet des Haushaltswesens geben
Offenbar ist das Kardinalproblem, das einer mog-
lichst baldigen Losung bedarf, das Problem der Ein-
ordnung der ortlichen Planvorstellungen in die ge-
samtstaatlichen Zielsetzungen and Realisierungs-
moglichkeiten. Um hier zu Ergebnissen zu kommen,
~schemt es erforderlich zu sein, zunachst Uberlegun-
gen nach zwei Ricl)tungen hin anzustellen: einmal
nach der Richtung hm, dB festgestellt wird, welche
Planvorstellungen bei den ortlichen Organen fair
einen langeren Zeitraum, etwa fur den Abschnitt
eines Funflahrplanes, bestehen, zurn anderen nach
der Richtung hin, daB Klarheit uber die Ermittlung
I des fur die orthchen Haushalte leweils zur Ver-
fiagung stehenden Finanzvolumens geschaffen wiry
Die erste JYberlegung ?fi hrt zu der Forderung,
Perspektivplane fair jedes einzelne ortliche Organ
aufzustellen, aus denen die in einem bestimmten
Zeitraum beabsichtigten. Vorhaben uncl die dafur
benotigten materiellen and finanziellen Mittel er-
sichtlich sind. Es bedarf weiterer Untersuchungen,
um die fair die Aufstellung der Perspektivplane
zweckmaBigste Methode zu Minden. Jedoch soil an
dieser Stelle schon der Hinweis gemacht werden,
dassgerade hier die zentralen Organe wie nsbeson-
dere die Fachministerien den Beweis fur eine 'neue
I Qualitat ihrer Arbeit dadurch erbrngen konnen,
I daB sic Bich in die Planing der orthchen Organe
I) ,,NeuCs Deutschland" 1957, Nr. 168, 5. 3.
84
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02: CIA-RDP81-01043R001900010004-2
PROBLEME DES DEMOKRATISCHEN ZENTRALISMUS IN DER IIAUSHALTS\VIRTSCHAFT...
von vornherein beratend emschalten and bei dieser !
Gelegenheit ihre aus zusammenfassender Schau
gewonnenen Erkenntnisse vertreten. Falsche and
unserer Entwicklung nicht gerecht werdende VoI'-
stell'ungen in den ortlichen Gremien konnten so vor-
her durch Oberzeugungsarbeit anstatt durch nach-
tragliches Administrieren beseitigt werden. Solche
sachverstandig aufgestellten and die allgemeinen
B'elange berucksichtigenden Perspektivplane, die in
den Kreisen and Bezirken gebielsweise abzustim-
men waren, durften geeignet sein, erne systemati- ;
sche Aufbauarbeit zu sichern; sic wurden zugleich
in besonderem MaBe dazu beitragen, die gesell-
schaftliche Aktivitat der Bevolkerung, die bei ihrer
Feststellung weitestgehend zu Wort kommen soil,
fur die Losung der Aufgaben zu wecken.
Die zweite tYberlegung, die in diesem Zusammen-
hang anzustellen ist, betrifft die Finanzierungs-
inoglichkeiten der Planvorstellungen der ortlichen
Organe. Diese tYberlegung schheBt im Kern die
Frage nach der Aufteilung des Volkseinkommens
ein and fuhrt somit ihrer Art each uber den ort-
lichen Rahmen hinaus in zentrale Bereiche. Die
jeweilige Verteilung des Volkseinkommens durch
den Staatshaushalt auf die einzelnen zentral and
ortlich durchzufuhrenden Staatsaufgaben ist von
okonomischen and politischen Faktoren abhangig,
die einer grundlichen Einschatzung durch die ober-
sten Leitungsstellen des Staates bedurfen Das
Haushaltsvolumen, das fur die ortlichen Haushalte
jahrlich zur Veefugung gestellt werden kann, ist
von dieser Einschatzung wesentlich abhangig. Fair
die Planaufstellung in den ortlichen Organen ist es
aber von groBer Bedeutung, daB moglichst fruh-
zeitig die Mittel bekannt sind, mit denen im nach-
sten Haushaltsjahr zu rechnen ist 1st das nicht der
Fall and rn issen die Planentwurfe haufig geandert
werden, so erlischt erfahrungsgemaB das angestrebte
and notwendige Interesse der Bevolkerung fur die
Haushaltswirtschaft. Die hier noch zu losende Auf-1,
gabe besteht also darin. Methoden zu linden, die
eine rechtzeitige Imd weitgehend verbindliche
Volumensermittlung fur die Haushalte der ort-
lichen Organe ermoglichen Das Vorhandensem von'
Perspektivplanen, aus denen auch die Drmglichkeit
bestimmter durchzufuhrender MaBnahmen ersicht-
lich ist, vvird sick hierbei zweifellos als sehr nutzhch
erweisen Es ermoghcht den zentralen Staatsorga-
nen, sich schon in einem sehr fruhen Stadium einen
Uberblick uber den in den nachsten Jahren -zu er-
wartenden Finanzbedarf zu machen, eventuelle Be-
denken gegen seine Hohe rechtzeitig zu erheben
and auch Anregungen fur zusatzliche Finanzie-
rungsmoglichkeiten, vie sic z. B. durch das Natio-
nale Aufbauwerk vorhanden surd, zu geben Zen-
trale and ortliche Erfahrungen konnen Bich dabei
wertvoll erganzen. Im Zusammenhang mit' den
Uberlegungen uber die Volumensermittlung der ort-
lichen Haushalte wird auch das vielumstrittene Pro-
blem des Haushaltsausgleichs ebenfalls einei' grund-
satzlichen Losung nahergefuhrt werden konnen and
mussed. Innerhalb der aufgezeigten Grundproble-
matik von Bedarf and Deckung fallt dem Haus-
haltsausgleich, dabei nicht nur die Aufgabe zu, die
Finanzierung der volkswirtschaftlich gerechtfertig-
ten Ausgaben zu sichern, sondern daruber hinaus
such das Interesse der Bevolkerung an einer Uber-
erfulhing der Plane durch eine entsprechende Ge-
staltung der Formen seiner Durchfuhrung zu
wecken.
Bei der Errechnung des Haushaltsvoluinens der
ortlichen Organe tritt als weiteres problem, das
einer Losung zugefuhrt werden muf3, die Frage der
Haushaltsnormen auf. Es geht dabei in erster Lini'e
darum, zu klaren; inwieweit zentrale Normen fur
die Haushaltsaufstellung erforderlich sind Ind in-
wieweit ortlich festgelegte Finanzmel3ziffern gebo-
ten erscheinen. Diese Klarung ist notwendig, ein-
mal um den Verantwortungsbereich der ortlichen
Organe klar abzugrenzen and um zum anderen auch
auf diesem Gebiet dem selbstverantwortlichen Han-
deln mehr Spielraum zu geben. Sicherlich - gibt es
eine ganze Anzahl von fur die Haushaltswirtschaft
wichtigen Normen, bei denen das Bedurfnis nach
einer zentralen Festlegung unbestritten ist; hinge-
wiesen sei nur auf Tarifnormen, Norm fur Pramien-
fonds, zahlreiche Einnahmenormen usw. Bei vie-
len anderen Normen aber, die vor allem durch die
Fachministerien basher zentral festgelegt worden
sind, vvird zu untersuchen sein, ob sie unter dem
Gesichtspunkt der groBer gewordenen Verantwor-
tung der ortlichen Organe noch in dieser Form
Daseinsberechtigung haben. Bei einer Reihe von
Haushaltspositionen, fur die bisher Normen nicht
entwickelt warden sind, wird sick die erhohte Ver-
antwortlichkeit der ortlichen Organe darin zeigen
konnen, daB sic nunmehr von rich aus die Initiative
zur Schaffung ortlicher Normen ergreifen.
Auch bei der Haushaltsdui'chfuhrung gibt es Pro-
bleme, die - im Zusammenhang mit den MaBnah-
men zur Starkung -der Eigenverantwortung der
ortlichen Organe entstanden - AnlaB zu wissen-
schafthcher Durchleuchtung geben So erschemt es,
notwendig. die okonomischen Auswirkungen zu
untersuchen, die sick aus der Berechtigung der ort-
lichen Organe der Staatsmacht ergeben, die im lau-
fenden Planjahr nicht verbrauchten Haushaltsmittel
auf das nach~te Jahr zu ubertragen. Hier durften
solche Fragen wie die haushaltsmaBige Weiterbe-
handlung dieser Mittel, ihre Bedeutung fur die
Kreditpolitik u. a vor allem interessieren Auich die
Verwendung von Mehreinnahmen and Einsparun-
gen wirft Probleme auf, die Beachtung verdienen.
Eine Analyse der Entstehungsursachen dieser Posi-
tionen durfte wertvolle Aufschlusse namentlich dar-
uber erbringen, inwieweit diese Mehreinnahmen
and Einsparungen wirkhch echt sind, d. h, eigenen
Leistungen and nicht etwa Planungsfehlern, der
Nichtdurchfuhrung von Aufgaben oder anderen
85
Ursachen entspringen. Diese Kenntnis ist im In-
teresse der Verbesserung der Planungsarbeit drin-
gend erforderlich; sic wind gerade auch den Volks-
vertretern wertvolle Fingcrzeige geben konnen.
Auf dem Gebiet der Kontrolle and Revision der
Haushaltswirtschaft der ortlichen Organe ergeben
sick Fragen u. a, aus der Tatsache, daB die ortlichen
Organe bisher {aber keinen eigenen Revisionsappa-
rat verfugen, um die nachgeordneten Einrichtungen
and Betriebe zu uberprufen. Diese Tatsache gewinnt
dadurch an Bedeutung, daft die Volksvertretungen
dem Rat 'fur die Haushaltsfuhrung Entlastung zu
erteilen haben and hierfur bestimmte Prufungs-
unterlagen benotigen. Hier vvird zu untersuchen
sein, ob das bisherige System der Revision durch i
zentrale Organe (HA Kontrolle and Revision des
Ministeriums der Finanzen) in der jetzigen Form
beibehalten oder durch andere Organisationsformen
ersetzt werden soil, die, ahnlich wie bei den Fach-
ministerien, den Gedanken der Eigenveeantwort- i
lichkeit klaren zum Ausdruck bringen. Dabei wind
auf jeden Fall darauf zu achten sein, daB durch
eventuelle Neugestaltungen die Wirksamkeit der
Finanzkontrolle keineswegs geschwacht werden
darf, sondern vielmehr gestarkt werden muB. Der
VergroBerung der Rechte der ortlichen Organe ent-
spricht eine Vermehrung ihrer Pftichten, die sich
auch in einer gegenuber dem bisherigen Zustand
nosh leistungsfahigeren Kontrollorganisation aus-
drucken mull. Formen and Methoden der Kontroll-
und Revisionsarbeit bedurfen in diesem Zusammen-
hang eben falls einer Uberprufung hinsichtlich ihres
Wirkungsgrades.
Die erhohten Rechte and Pflichten der ortlichen
Organe der Staatsmacht haben in Verbindung mit
den quantitativ and qualitativ gestiegenen Auf-
gaben auch Auswirkungen auf das Tatigkeitsgebiet
des Staatsfunktionars, der als Haushaltssachver-
standiger besondere Verantwortung fur, die Haus-
haltswirtschaft zu tagen hat, des Haushaltsbear-
beiters. Die Frage seiner Qualifikation, die in der
Vergangenheit manche Sorge bereitet hat, wird
nunmehr nach dringlicher. Jedoch bleibt auch das
Problem zu untersuchen, inwieweit die bisherigen
Vorschriften mit ihrer nicht immer ganz klaren
Aufgabenstellung den neuen VerhSltnissen noch
gerecht werden.
Bereits diese knappen Hinweise, die in keiner
Weise Anspruch auf Vollstandigkeit erheben, son-
derv nur einige Anregungen vermitteln sollen, durf-
ten deutlich machen, welche Fulle von Problemen
okonomischer vie aber auch rechtlich'er Art das
Prinzip des demokratischen Zentralismus bei seiner
Anwendung in der Haushaltswirtschaft aufwirft.
Sic zu analysieren and an ihrer Losung zu arbeiten,
ist eine Aufgabe, die im Interesse unsexes sozia-
listischen Aufbaus and der Starkung unserer
Staatsmacht gemeinsam von Wissenschaft and
Praxis gemeistert werden mull.
l
li
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
50X1-HUM
4 1'
der b Qenossenschaf flicksozialistischen and der Privaten
Landwirtschaft der DDR
Von GERALD SCHMIDT
Die Auf "tze der PreisPolitik fur die Erzeugnisse
baben and Grundsa
Volkswirtscha f tliche Fakultlit
Institut f iir Preise Direktor Dr. Herbert Baum
Als Manuskript gedruckt!
Vor bem erkung:
Obgleich die Problematik der Erzeugerpreise fur
]andwirtschaftliche_ Produkte zu einem der inter-
essantesten, aben auch schwierigsten Fragenkom-
plex gehort, ist daruber in der okonomischen Lite-
ratur der DDR bisher fast nosh nichts erschienen.
Insbesondere ermangelt es an ewer Herausarbei-
tung von Leitsatzen fur die Bildung von Erzeuger-
preisen lands+irtschaftlicher Produkte. Eine Diskus-
sion uber diese Probleme erscheint vor allem des-
halb fruchtbar, als damit wichtige Fragen uber die
Ausnutzung okonomischer Gesetze in der Landwirt-
schaft erortert werden and die Anwendungsmog-
lichkeit and auch die Grenze der Preispohtik
gegenuber der Landwirtschaft umrissen ~yerden
mul3.
I. Die Aufgaben der Preispolitilc fiir die Erzeugnisse
der genossenschaftlich-sozialistischen and priva-
ten Landwirtschaft and the Stellung der Preis-
politik im System der wirtscha f tspolitischen iMaJ!-
nahmen des Staates gegeniber der Landwirt-
scha f t n
Die Landwirtschaft der DDR hat erne groBe Be-
deutung in zweierlei Hinsicht. Sie ist Lieferant,von
Nahrungsmitteln fur die Bevolkerung and von
wichtigen Rohstoffen fur die Industrie, gleichzeitig
wird in dem Ma13e, vie das Bundnis der Arbeiter-
klasse mit den werktatigen Bauern gefestigt and
die Grol3produktion in der Landwirtschaft gefor-
dert wird, der Aufbau des Sozialismus in der DDR
unterstutzt.
Die Aufgaben, die der Staat gegenuber der ge-
nossenschaftlich-sozialistischen and privaten Land-
wirtschaft der DDR zu verfolgen hat, sind dement-'
sprechend von allem folgende:
1. Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produk-
tion ist zu fordern. Bis 1960 ist die pflanzliche
Produktion auf 118,6 Prozent, die tierische auf
125,9 Prozent zu erhohen, pro Hektar ist die
Schweinefleischproduktion auf 118 Prozent, die
Rindfleischproduktion auf 122,5 Prozent zu
stelgern.i)
2. Das Bundnis der Arbeiterklasse mit den werk-
tiitigen Bauern ist weiter zu festigen,
3. Der Dbergang von der biiuerlichen Klein- zur
sozialistischen GroBpi?oduktion ist zu fordern and
4, die Feldarbeiten, insbesondere die mit uberwie-
gender Handarbeit, sind weiter zu mechanisieren,
die Innenmechanisierung sowie das liindliche
Bauwesen ist zu verbessern.
Die Erfullung dieser Aufgaben erfordert vom
Staat vielseitige Methoden der Wirtschaftslenkung.
Diese Methoden der Wirtschaftslenkung mussen
darauf ausgerichtet sein, unter Berucksichtigung
der ~kondmik der Landwirtschaft, die msbesondere
durch die nosh vorheerschende zersplitterte Waren-
produktion sehr kompliziert ist, die Erfullung der
obengenannten Aufgaben zu garantieren.
Auf Grund der komplizierten CSkonomik and der
volkswirtschaftlichen Wichtigkeit der landwirt-
schaftlichen Produkte wendet der Staat folgende
wirtschaftspolitische Instrumente an;
1. die Pfhchtablieferung in'Verbindung mit der be-
gunstigten Soll-Anrechnung fur bestimmte Pro-
dukte,
2, den Vertragsabschlul3,
3. die Gegenlieferungen von Futtermitteln and
Dunger sowie den beschrankten Verkauf land-
wirtschaftlicher Gerate and Maschinen,
4. die Maschinen- and Traktorenstationen,
5. die Preispolitik and
6, die Steuer- and Kreditpolitik.
Durch die Pfhchtablieferung and Gegenlieferun-
gen sowie mit Hllfe der MTS wirkt der Staat un-
mittelbar auf die einzelnen LPG and einzelbiiuer-
lichen Betriebe ein. Der Staat verfugt durch gesetz-
liche Bestimmungen, wieviel Produkte abzuhefern
send and fur welche. Produkte Vergunstigungen in
I) WALTER ULBRICHT Der n zweite 1Demokralischen
Au[bau des Sozlallsmus
Republik. ND v. 25. 3. 1956 - B? /age Scite 32133.
87
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
50X1-HUM
DR. GERALD SCHMIDT
Form von begunstigter Anrechnung auf das Soil
and in Form von Gegenlieferungen von Futler-
mitteln and Ddnger gewahrt werden. Mit Hilfe der
MTS lenkt der Staat die Einfuhrung and den Ein-
satz der modernen Technik and foi'dert den Aufbau
des Sozialismus auf dem Lande. Der Staat er'fal3t
somit bereits einen grof3en Teil der landwirtschaft-
lichen Produkte, fordert durch den Einsatz der im
staatlichen Eigentum befindlichen Produktionsmit-
tel die sozialistische Grol3produktion and verhin-
dert d,amit gleichzeitig eine Ausdehnung kapitalisti-
scher Elemehte in der Landwirtschaft.
Auf diese Weise verschafft der Staat dem Gesctz
der planmal3igen proportionalen Entwicklung dcr
Volkswirtschaft gegenuber der genossenschaftlich-
sozialistischen and privaten Landwirtschaft unmit-
telbar Geltung and schrankt die regulierende Wir-
kung des Wertgesetzes em. Die Einwirkung des
Gesetzes der planmal3igen proportionalen Entwick-
lung ist bei den LPGen grof3er als bei den bauer-
lichen Betrieben, da die Produktion der LPGen ge-
plant and mit den Erfordernissen des Staates ab-
gestimmt wird. Dieses Abstimmen der Produktions-
planung der LPGen mit den staatlichen Erforder-
nissen muf aber mit den materiellen Interessen der
LPGen ubereinstimmen. Darin kommt zum Aus-
druck, daB auch hiee das Wertgesetz wirkt. Das
Wertgesetz erfordeet vor allem die Beachtung der
Seibstkosten bei der Preisbildung and damit in Ver-
bindung soiche Preisrelationen, die die Erfullung
der Ptlichtablieferung unterstutzen.
Die regulierende Wirkung des Wertgesetzes, d. h.
die Bestimmung der Hohe and der Richtung der
Produktion durch das Wertgesetz, 1st somit fur einen
bedeutenden Teil der Warenproduktion weitestge-
hend ausgeschaltet. Trotzdem wirkt aber, wenn
auch in beschranktem Ausmal3e, das Wertgesetz
noch regulierend auf die landwirtschaftliche Produk-
tion ein. Diese Tatsache ist dadurch zu erklaren,
daB aber einen Teil der Warenproduktion Frei ver-
fugt werden kann and data infolge des privaten and
genos'senschaftlicl-sozialistischen Eigentums eine
unmittelbare Beziehung zwischen den Einkunften
der Genossenschafts- and Einzelbauern and den
Ergebnissen . itus der Produktionstatigkeit besteht.
Bei den LPGen 1st, abgesehen von denen, denen Ar-
beitseinheiten in vollem Umfange kreditiert wer-
den, ebenfalls eine soiche Beziehung vorhanden. Da
aber die Produktion der LPGen unter Beri cksichti-
gung der Erfordernisse der Volkswirtschaft and der
materiellen .Interessiertheit der LPGen sowohl glo-
bal ais auch bei jeder einzelnen LPG geplant wird.
so 1st die regulierende Wirkung des, Wertgesetzes
auf die Produktion der Landwirtschaftlichen Pr'o-
duktionsgenossenschaflen in einem groBeren MaBe
eingeschrankt als gegenuber den bauerlichen Ein-
zehvirtschaften,
Als regulierende Wirkung des Wertgesetzes in der
genossenschaftlich-sozialistischen and orivaten
Landwirtschaft ist miter den Bedingungen der DDR
zu verstehen, daB der Umfang and die Ridhtung
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eines Teiles der landwirtschaftlichen Produktion
durch die Hohe des zu erzielenden Einkonunens be-
stimmt wird, wobei zwei Bedingungen vorliegen
mussen:
1. Das genossenschaftlich-sozialistische Eigentum
and das private Eigentum kapitalistischci' h~ncl
einfacher Warenproduzenten, wodurch eine
unmittelbare Verbindung des Einkommens mit
den Ergebnissen der Produktion gegeben 1st,
2, die freie Verfugung fiber einen Teil der Waren-
peoduktion.
Den Erfordernissen der Volkswirtschaft and so-
mit den Erfordernissen des Gesetzes der plannhiiBi-
gen proportionalen Entwicklung kane daher nur
dann entsprochen werden, wenn diese in, bestimm-
ten Grenzen eegulierende Wirkung des Wertgesetzes
so ausgenutzt wind, daB diese Wirkung in Uber-
einstimmung mit den volkswirtschaftlichen Erfor-
dernissen gebracht wind.
'Das ist die vordringhche Aufgabe der Peeispoli-
tik. Mit Hilfe der Preispolitik wird durch entspre-
chende Preise die Produktion volkswirtschaftlich
wichtiger Erzeugnisse angeregt. Eine derartige
Funktion der Preispolitik ist uberhaupt nur mog-
lich and zugleich notwendig, weil eine regulierende
Wirkung des Wertgesetzes mnerhalb bestimnter
Grenzen noch vorhanden ist. Neben diesem Anreiz
zur Produktionssteigerung wirkt die Preispolitik in
Verbindung mit der differenzierten Pflichtabliefe-
rung auf die Bildung der Einkunftc and damit auf
die Verteilung des Volkseinkommens zwischen In-
dustrie and Landwirtschaft and innerhalb der
Landwirtschaft, auf die Verteilung zwischen den
einzelnen BetriebsgroBengeuppen em. Dadurch
spielt die Preispolitik gleichzeitig eine wesenthche
Rolle bei der Festigung des Bundnisses der Arbei-
terklasse mit den werktatigen Bauern and auch
beim Ubergang von der bauerlichen Klein- zur so-
zialistischen GroBproduktion. Die Aufgaben der
Preispolitik gegenuber der genossenschaftlich-
sozialistischen and privaten Landwirtschaft sind
demnach folgende:
1. Die Erfullung der Erfassungs- and Aufkauf-
plane zu unterstutzen, wobei namentlich ubee
die Aufkaufpreise eine Erhohung der Markt-
produktion zu bewn'ken ist.
2. Die groBtmogliche Menge an landwirtschaft-
lichen Produkten in die Hande des Staates zu
leiten and spontane Marktbewegungen emzu-
schranken.
3. Den. Ubeigang von der bauerlichen Klein- zur
sozialistischen Gi?oBproduktion zu fordern,
4. Eine das Biindms der Arbeiterklasse nut den
werktatigen Bauern fordernde Emkommens-
entwicklung zu gewahrleisten.
Die Steuerpolitik erganzt die Preispolitik, wobei
die besondere Aufgabe der Steuerpolitik darin be-
steht, einen Teil der Einkunfte fur die Finanzierung
staatlichen? Aufgaben zu mobilisieren, die Produk-
tionssteigerung zu unterstutzen and eine, dem Ge-
setz der planmal3igen propoi'tionalen Entwic lung
der Volkswirtschaft widersprechende Geldakkumu-
lation vor allem bei den GroBbauern zu verhindern.
Die Steuerpolitik kann auf eine Steigerung der
landwirtschaftlichen Produktion aber nur global,
d. h. auf die gesamte Produktion einwirken, nicht
aber auf die Produktion einzelner Erzeugnisse. Das
muB der Preispolitik vorbehalten bleiben, da sic
in erster Linie auf die Hohe and Struktur der Ein-
nahmen and somit auf die Produktion der emzel-
nen Erzeugnisse einen entscheidenden EinfluB aus-
tibt. Eine Differenzierung der Steuersi tze nach
Produktionsgruppen ware auch in Anbetracht des
derzeitigen niedrigen Niveaus der steuerlichen Be-
lastung unvii'ksam.
Die Kreditpolitik dient in erster Linie dazu, die
Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften
zu starken sowie weniger finanzkraftigen einzel-
bauerlichen Wirtschaften den Kauf von Dungemit-
teln, Saatgut, Nutzvieh and deigl, zu erleichtern.
Durch die Kreditpolitik werden somit die Produk-
tionsmoglichkeiten besser ausgenutzt bzw. erwei-
tert and Voraussetzungen geschaffen, daB auch die
Preispolitik noch wirksamer fungieeen kann.
Die Anwendung diesee wirtschaftspolitischen In-
strumente kann letztlich nur dann zu den gewunsch-
ten Effekten fuhren, wenn all diesen MaBnahmen
vor allem die Planung der landwirtschaftlichen
Brutto- and Marktproduktion and damit in Ver-
bindung die Planung des Nutzflachenverhi ltnisses
im volkswirtschaftlichen MaBstab zugrunde liegt.
Durch die Planung der Brutto- and Marktproduk-
lion and der Planung des Nutzflachenverhaltnisses
wird erst ein sinnvolles Abstimmen der einzelnen
wirtschaftspolitischen Mafnahmen ermoglicht and
verhindert, daB die einzelnen MaBnahmen isoliert
voneinander getroffen werden and die Steigerung
der Produktion bestimmter Erzeugnisse eine Sen-
kung der Produktion anderer Erzeugnisse hervor-
ruf t.
H. Die Grundsatze der Preispolitik fiir die Erzeiig-
nisse der genossenschaftlich - sozialistisclten. find
der privaten Landwirtschaft
Die Erfullung der genannten Aufgaben dcr
Preispolitik gegeni.ibei' der genossenschaftlich-sozia-
listischen and privaten Landwirtschaft verlangt.
ganz bestimmle,..fest umrissene Grundsatze zu be-
achten. Derartige Grundsatze zeigen auf, tvie die
Preispolitik gehandhabt werden muB, um den ge-
nannten Aufgaben zu entspi?echen Nach dem 'Zu-
sainmenbruch des faschistischen Staates and mit
Beginn der Wiederherstellung and des weiteren
Aufbaues unserer Volkswirtschaft wurde die Preis-
politik gegenuber der Landwirtschaft erfolgreich
daze ausgenutzt, die Produktion zu steiger'n and
das Bundnis der Arbeiterklasse mit den werktatigen
Bauern zu festigen. Dabei dart nicht verkannt wer-
den, daB Bich neben diesen positives Seiten der
Preispolitik auch eine Reihe negativer Erscheinun-
gen bemerkbar machten. Diese negativen Erschei-
nungen bestehen vor allem in der Tatsache, daB
1, die Eifassungspreise nicht die Selbstkosten der
Produkte decken,
2. die Preisrelationen sick in ubermaBigem Maf3e
zugunsten tierischer Produkte auswirken and
3. die Erfassungs- and Aufkaufpreise weit aus-
einanderklaffen.
Diese Unzulanglichkeiten haben bestimnhte un-
gunstige Auswirkungen hervorgerufen, die spaler
nosh untersucht werden sollen. Verursacht wurden
diese Unzulanglichkeiten weniger durch subjektive
Momente, als vielmehr durch die Tatsache, daB im
Rahmen des Preisstops and im Interesse niedriger
Lebenshaltungskosten fast keine Erhohung der
Erfassungspreise bis 1955 vorgenommen wurde,
wahrend die Einzelhandelspreise fur nicht ratio-
nierte Nahrungsmittel (HO), z. B. fur Butter,
Fleisch and Fleischwaren sowie fur Eier and Milch,
verhaltnismaBig hock sind and auch entspi'echend
hohe Aufkaufpreise verlangen. Die Preispolitik
gegenuber der Landwirtschaft hangt nicht nur von
den Faktoren?ab, die in der Landwirtschaft selbst
gegeben sind, sondern auch zu einem beteachtlichen
AusmaBe von den Einzelhandelspreisen.
In dem MaBe, vie die Einzelhandelspreise (1i0)
gesenkt werden k&nnen, bietet Bich die Moglichkeit,
die genannten Unzulanglichkeiten mit ihren ungun-
stigen Auswirkungen schrittweise zu beseitigen
and das Preissystem noch wirksamer anzuwenden,
Bei dieser schrittweisen Verbesserung des Preis-
systems in der Landwirtschaft sollten nach Meinung
des Verfassers folgende Grundsatze beachtet wer-
den:
1. Das System dei' Erfassungs- and Aufkaufpreise
1st die Voraussetzung fur die Erfullung der
Aufgaben der Preispolitik.
2. Die Erfassungspreise (gesamte Maiktproduk-
tion bewertet zu Erfassungspreisen) sollen in
der Zukunft die Kosten (einschlieBlich Lohnan-
teil des Betr'iebsinhaber's and mitai'beitenden
Familienangehorigen) bei guter Wirtschafts-
fuhiung decken, wobei von dem Boden ausge-
gangen werden muB, der fur den Anbau noch
erforderlich 1st.
3 Bei der Festlegung von Erzeugerpreisen 1st
weiterhin vom Bedarf der Volkswirtschaft aus-
zugehen and die Produktion wichtiger Pro-
dukte durch gunstige Preisrelationen anzu-
regen, ohne aber dabei auf die Dauer die Pro-
duktion anderer, ebenso wichtiger Produkte er-
heblich zuruckzudrangen.
4. Die Erzeugerpreise mussen so festgelegt wer-
den, daB zwischen der Zunahme der Waren-
pioduktion and der Zunahme der Verkaufs-
eilose engste Beziehungen bestehen and ein
'cites Auseinanderklaffen vermieden wird.
5 Zwischen den Aufkaufpreisen and den Ver-
bi'aucherpreisen mussen soiche Relationen ge-
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DR. GERALD SCHMIDT
wahrt werden, daB moglichst viele Produkte
in die Hand des Staates gelangen and dadurch
eine Ausweitung spontaner Marktbewegungen
sowie die Verfutterung von Nahrungsgutern
verhindert wird.
6. Die Preise mussen nach den Qualitatsmerk-
malen scharf differenziert werden, sic mussen
eine zeitliche Differenzierung aufweisen and
je nach der vertraglichen oder nichtvertrag-
lichen Bindung der Produktion unterschiedlich
sein.
1. Grundsatz: Das System der Erfassungs- and
Aufkaufpreise ist die Voraus-
setzung fur die Erfullung der
Aufgaben der Preispolitik.
Das System der Pflichtablieferung and des
freien Aufkaufs ist eine wichtige Voraussetzung fur
die Warenbeziehungen zwischen der Industrie and
Landwirtschaft. Dieses System hat Bich bisher be-
wahrt, es garantiert dem Staat die Erfassung eines
betrachtlichen Teiles der landwirtschaftlichen Pro-
dukte and wirkt gleichzeitig als Anreiz, die Produk-
tion zu erhohen. Soil dieses System aber uiberhaupt
funktionsfahig sein, so ist auch ein diesem Erfas-
sungssystem entsprechendes Preissystem erforder-
lich, d. h. die Amvendung der Erfassungs- and Auf-
kaufpreise.
Durch die als Pramie wirkenden Aufkaufpreise
wircl gerade dieser Impuls auf die Steigerung der
Produktion ausgeubt. Dabei ist zu beachten, daB in
Verbindung mit der differenzierten Pflichtabliefe-
rung die Preispolitik die Einkommensbildung bei
den klein- and mittelbauerlichen Betrieben begun-
stigt. Somit dient dieses Preissystem nicht nur der
Produktionssteigerung, sondern auch in Verbindung
mit der differenzierten Pflichtablieferung der diffe-
renzierten Einkommensbildung in den einzelnen
Betriebsgrol3enklassen zugunsten der Klein- and
Mittelbauern.
Daruber hinaus ermoglicht aber auch gerade das
System der Erfassungs- and Aufkaufpreise ange-
sichts der hohen Einzelhandelspreise (HO) die Ein-
schrankung spontaner Marktbewegungen. Wurde
fur landwirtschaftliche Produkte ein emheitlicher
Erzeugerpreis bestehen, so ergabe sick eine sehr
grof3e Differenz zwischen diesem Erzeugerpreis and
dem Verbraucherprei's (HO). Bei einen derartigen
Situation wurden die Bauern versuchen, durch den
Verkauf an den Verbraucher diese Differenz selbst
zu realisieren. Die EmfluBnahme des Staates auf
die landwirtschaftliche Produktion wurde vermin-.
dert, Spekulation and unkontrollierte Warenver-
kaufe sick dagegen ausdehnen. Eine derartige Ent-
wicklung ware gleichzeitig damit verbunden, daB
die kapitalistischen Elemente in der Landwirtschaft
gestarkt werden wurden.
Mit der Belebung spontaner Marktbewegungen
lurch einen einheitlichen Erzeugerpreis ware aber
auch das ganze System der Pflichtablieferung 'ge-
fahrdet. Die hohen Aufkaufpreise regen den Bauer
90
an. seine Produkte dem Staat zu verkaufen, wobei
er aber seine Pflchtabliefcrung als Vorbedingung
des freien Vii kaufs eifullt haben muB. Bei einheit-
lichen Preisen wurde der Bauer bestrebt sein, einen
rof3eren Teil seiner Produkte an den Verbraucher
g
unmittelbar zu verkaufen, unabhangig davpn, ob
er die Pfhchtablieferung erfiillt hat odes niche. In
der Nahe der Stiidte wurde diese Gefahr sehr groB
sein.
All diese hier dargelegten Grunde veranlassen die
Gegner unserer Republik immer wieder, den Ver-
such zu unternehmen. die Bauern in der DDR ge-
gen das System der Pflichtablieferung and des
freien Aufkaufs and gegen das entsprechende Preis-
system aufzubringen. Nicht zuletzt vertrat gerade
VIEWEG mit siinem revisionistischen Programm
der Starkung des Kapitalismus in der Landwirt-I
schaft der DDR diese Auffassung von der Beseiti-
gung dieses Systems der Erfassungs- and Aufkauf-
preise.
2. Grundsatz; Die Erfassungspreise (gesamte
Marktproduktion bewertet zu
Erfassungspreisen) sollen in der
Zukunft die Kosten (einschlieB-
hch Lohnanteil des Betriebs-
mhabers and mitarbeitenden'
Famihenangehorigen) bei guter
Wu?tschaftsfuhrung decken, wo-
bei von dem Boden ausgegangen
werden muB, der fur den An-
bau noch erforderlich ist.
Die Beachtung dieses Grundsatzes ergibt sick
daraus, daB der Boden nicht beliebig vermehrbar
ist and somit em Monopol an der Bewirtschaftung
des Bodens auch unter sozialistischen Bedingungen
besteht.
Im Unterschied zur Preisbildung in der Industrie
darf deshalb bei der Preisbildung in der Landwirt-
schaft nicht von den durchschnittlich notwendigen
Kosten ausgegangen werden. Von den durehschvitt-
lich notwendigen Kosten darf in der Preisbildung
nur dann ausgegangen werden, wenn z: B. Burch
technische Verbesserungen das Niveau der durch-
schnittlichen Kosten erreichbar ist odes volkswirt-
schaftlich eine Produktion bei hoheren als den
durchschnitthchen Kosten nicht erfordencch ist. In
der Landwn?tschaft konnen aber derartige Unter-
schiede in den Produktionsbedingungen nicht oder
nur wenig ausgeglichen werden, die Bodengute ist
eine jeweils gegebene, and denen urtterschiedliche
Ertragsfahigkeit kann niemals restlos iiberbruckt
werden. Wenn auch durch bessere Bodenbearbei-
tung and Mechanisierung die Ertrage gesteigert
werden, so wird das in der Regel bei allen Boden-
arten erfolgen,
Deshalb ist es notwendig, bei der Preisbildung
landwirtsdlaftlicher Produkte von solchen Betrie-
ben auszugehen, die unter ungiinstigen naturlichen
Ertragsbedingungen noch fur den Anbau erforder-
lich sind.
Hierbei ist. zu beachten, daB im Hinblick auf die
Selbstkosten der pflanzliclien Produktion solche
Hektarertrage angenommen werden miissen, die,
uber einen langeren Zeitraum betrachtet, uber dem
a)lgemeinen Durchschnitt liegen. Damit wird ein-
mal den naturlichen Ertragsbedingungen anniihernd
entsprochen, zum anderen aber eine Rentabilitat des
Betrriebes nur erreidit, wemi der Betrieb ordnungs-
gemaB gefuhrt wind.
Weiterhin.ist zu berucksichtigen, daB die Kosten
auf der Basis von Ermittlungen mehrerer Jahre
(5-10 Jahre) festgelegt werden mussen, um uber-
oder 'unterdurchschnittliche Jahresertrage auszu-
schalten, die durch besonders gunstige odor ungun-
stige naturliche Bedingungen hervorgerufen wm'-
den Sind.
Diesen Grundsatz zu verwirklichen, wird immer
nur annahernd moglidi sein, da die Unterschiede in
der Ertragsfahigkeit der einzelnen Betriebe selbst
bei gleichen naturlichen Ertragsbedingungen sehr
mannigfaltig sind. Fur die Tatsache, daB es noch
niche gelungen 1st, diesem Grundsatz Geltung zu
verschaffen, gibt es verschiedene Ursachen. Die Er-
fassungspreise in der DDR sind auf der Basis des
Preisstopps von 1944 gebildet and bis 31. 12. 1955,
von einigen Ausnahmen abgesehen, kaum verandert
werden. Dieses Preise waren fur die damaligen
Verhaltnisse ohnehin schon niedrig and muBten
dazu fuhren, daB die Erfassungspreise nicht die ein-
fache Reproduktion der Betriebe and damit keine
Rentabilitat gewahr?leisteten. Infolge der Kostenun-
terdeckung wird den Betrieben, die keine Aufkauf-
preise realisieren, nicht die Moglichkeit gegeben,
rich aus eigener Kraft zu entwickeln.
Diese Betriebe haben oft Schwierigkeiten beim
Dungemitlellcauf, beim Zukauf von Futtermitteln
and hochwertigem Nutzvieh. Das beweisen u. a.
auch die Forderungen der BHG an diese Bauern
and schlief3lich auch die Steuerruckstande. Somit
konnen die Peoduktionsmoglichkeiten dieser Be-
triebe nicht voll ausgeschopft werden
Diese Unterbewertung der Produkte lurch den
Erfassungspreis hat noch eine weitere nicht gun-
stige Auswirkung. Die Grundung von Landwirt-
schaftlichen Produktionsgenossenschaften des Typs
I and II 1st sehr? ger?ingfiigig, es besteht oft die T?n-
denz, sofort zum Typ III uberzugehen bzw vor-
zeitig diesen Schrift zu tun. Das hangt z. T. mit den
niedrigen Erfassungspreisen rand den niedrigen
Preisen fur die pflanzliche Produktion iiberhaunt
zusammen. Da die Einnahmen von Landwirtschaft-
lichen Produktionsgenossenschaften des Typs I
hauptsachlich aus der Pflichtablieferung pflanz-
lichen Produkte resultieren, haben diese Landwirt-
schaftlichen Produktionsgenossenschaften geringe
Einnahmen and werden von den Bauern oft gemie-
den. Die Preispolitik hemmt hier bis zu einem ge-
wissen Gracie die Bildung von Landivirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften des Typs I.
Aus den gleichen Grunden wird die wn?tschaft-
liche Festigung w'irtschaftlich schwacher Landwirt-
schaftlicher Produktionsgenossenschaften vei?zogert.
Gerade derartige Landwirtschaftliche Produktions-
genossenschaften verfugen aber grope F15chen and
konnen nicht von heute auf morgen ihre Viehbe-
stande auf solch ein MaB erhohen, um einen groBen
Teil der tierischen Produktion in den freien Auf-
kauf zu liefern. Das liegt z. T. an subjektiven Gr?iin-
den, hat aber seine Ursachen vor allem in der Ar-
beitskraftelage and in der ungenugenden Anzahl
von Stallungen.
Mit den Preisveranderungen ab 1. 1. 1956 and 1, 1.
1957 wurden die Erfassungspreise erhoht and die
genannten ungiinstigen Auswirkungen abge-
schwacht, wenn au?h nicht vollig aufgehoben. Fiir
die Zukunft ist es deshalb erforderlich, die Erfas-
sungspreise weiter zu erhohen, vor allem die fur
die pflanzlichen Erzeugnisse, insbesondere fur Kar-
toffeln and Getreide. Die Moglichkeit dazu ergibt
sick in dem Maf3e, wie die Einzelhandelspreise (AO)
gesenkt werden konnen.
Durch die Senkung der Einzelhandelspreise (1-I0)
wud em bestimmter Fonds gebildet, urn den die
Aufkaufpreise zu senken sind and die Ei?fassungs-
nr?eise erhoht werden miissen. Diesen entstehenden
Fonds gilt es umzuverteilen, d. h. die Erhohung der
Erfassungspreise dart bei einzelnen Produkten
nicht etwa der Senkung der Aufkaufpreise fur
dasselbe Produkt entsprechen, sondern es sind die
Erfassungspreise fur die Produkte in einem groBe-
ren MaBe zu erhohen, bei denen die Kostendeckung
eine sehr ungunstige ist
Keinesfalls darf bei solchen Preisveranderuneen
auuer acht gelassen werden, daB bei einem Teil
der Grof3bauern dann hohere Einnahmen zu vier-
zeichnen sind. Solche Erscheinungen sind zwangs-
Iaufig mit derartigen Preisveranderungen verbun-
den. Um diese Erscheinunaen zu beseitigen. ist es
deshalb erforderlich, die Moglichkeiten dei? Steuer-
politik starker zu nutzen als bisher.
Dieser Grundsatz, die Selbstkosten durch die Er-
fassungspreise zu decken. kann nicht mit einem
Schlag verwirklicht werden. dieser Grundsatz soil
vielmehr ein Ziel darstellen, dessen Verwirk-
' lichung nur? allmahlich and annahernd anzustreben
1st. Wurde man den Grundsatz vertreten, lediglich
bei den sogenannten Durchschnittsnreisen aus Ei?-
fassung and Aufkauf die Kostendeckung erreichen
zu wollen. so konnten die eingangs dargelegten Un-
zulanglichkeiten and ihre Auswirkungen nur zum
Teil beseitigt werden. Wenn auch im geringeren
AusmaBe, es wurde standig eine betrachtliche An-
zahl von Landwirtschaftlichen 'Produktionsgenos-
senschaften and bauerlichen Betrieben niemals die
einfache Reproduktion gewahrleisten konnen. Die-
ser Nachteil darf niche ubersehen werden, obgleich
dcr Vorteil besteht, daB bei der Kostendeckung
lediglich durch die Durchschnittspreise die 'Preis-
veranderungen in engeren Grenzen gehalten wer-
den konnten. Das gilt aber nur fur die tierischen
Produkte. denn bei pflanzlichen' Produkten ist der
Erfassungs- and Durchschnittspreis fast identisch.
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DR. GERALD SCHMIDT -
Die Selbstkostendeckung muB dhher beu pflanz-
lichen Produkten in jedem Falle,durch den Erfas-
sungspreis allmahlich hergestellt werden. Bei tieri-
schen Produkten 1st das ebenfalls in der Zukunft
anzustreben, die Verivirklichung dieses Grund-
satzes hangt aber dock wieder davon ab, vie hock
die Einzelpreise sind and vie Koch demzufolge die
Aufkaufpreise sewn mussen. Daran 1st bereits zu
erkennen, daB die einzelnen Grundsatze niemals
fur sick allein durchgesetzt werden konnen, son-
dern nut' in dem MaBe, vie dadurch den anderen
Grundsatzen nicht widersprochen wird.
3. Grundsatz: Bei der' Festlegung von Erzeu-
gerpreisen ist weiterhin vom
Bedarf der Volkswirtschaft aus-
zugehen and die Produktion
wichtiger Produkte durch gun-
stige Preisrelationen anzuregen,
ohne aber dabei auf die Dauer
die Produktion anderer, ebenso
wichtiger Produkte erheblich zu-
riuckzudrangen.
Dieser Grundsatz gilt im besonderen MaBe fur
die Aufkaufpreise, da die Hohe der Aufkaufpreise
and die Relationen der Aufkaufpreise zuemander
den entscheidenden Impuls auf den Umfang and
die Richtung der Produktionssteigerung ausuben.
So haben die Aufkaufpreise wesentlich daze bei
getragen, due -
` Warenproduktion bei tierischen Pro-
~
dukten and z. B. auch bei Olfri chten zu steigern,
wahrend die Warenproduktion u. a. 'bei Getreide
and Kartoffeln zuruckging. Das wurde u. a. durch
die hohen Aufkaufpreise fiur tierische Produkte her-
vorgerufen. Diese Begunstigung der tierischen Pro-
duktion durch den Preis ist nach vie vor erforder-
lich, um den Lebensstandard der Bevolkeeung zu
heben.
Betrachtet man allein das Aufkommen aus freiem
Aufkauf bei tierischen Produkten, so fallt sofort
auf, daB das Aufkommen an Lebendvieh ohne
Schwein zuruckgegangen 1st. Das ruhrt daher, veil
die Aufkaufpreise fur Rind auf Grund der um Ver-
f 'haltnis dazu sehr hohen Aufkaufpreise fur Schwein
and Mulch vor allem bis 1955 die Aufzucht von
Kilbern bzw. die Mast abgemolkener Kuhe nicht
anregten, sondern im Gegenteil behinderten. Das
wukte Bich z. T. audr auf den Vuehbestand aus,
indem von 1950 ab die Schweinebestande sick sehr
rasch entwickelten, die Gesamtzahl des Rindviehs
demgegenuber nut' wenig anstieg, bei Kalbern eun
Absinken zu vei'zerchnen ist, bei Milchki hen bin-
gegen eine Zunahme.
Due einseitig hohen Aufkaufpreise fur Schwein
and Mulch bewirkten sonir~ daB~hauptsaclluell die
I1 asI o Schweinen begiinstigt and der Bauer an-
geregt wurde, moglichst viel Mulch zu verkaufen
and zwar z. T. auf Kosten der 'Rinderaufzucht.
Selbstverstandlich war es, um den Fleuschbedarf
moghchst schnell zu decken, erforderlich, die
Schweinemast zu forcieren. Dutch die ungi nstigen
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Preisrelationen fur Rind bis 1955 wurde aber ein
in der Folgezeit ebenso wichtiges Produkt zuri ck-
gesetzt. Selbst die Betriebe, die auf Rinderhaltung
eingerichtet waren, sind dadurch auf die Schweine-
mast gedrangt worden. Diese vor allem zugunsten
des Schweines hohen Aufkaufpreise bewirkten, daB
Rindfleisch Mangelware wurde. Durch die Preis-
veranderungen ab 1. 1. 1956 and 1. 1. 1957 1st this
Preisgefuge fur landwirtschaftliche Produkte ver-
bessert and u. a. die Preisrelationen zwischen
Schwein and Mulch einerseits and Rind anderer-
seits zugunsten des Rindes verandert worden.
Damit wurden wichtige Voraussetzungen fur eine
gleichmaBigere Entwicklung der tierischen Produk.
tion and fur die Erhohung des Rindfleischaufkom-
mens geschaffen. Die Senkung des Aufkommens aus
freiem Aufkauf an Schwein and Erhohung des Auf-
kommens aus freiem Aufkauf an Rind im Jahre 1956
darf man allerdings nicht in erster Linie den Auf-
kaufpreisen ab 1956 zuschreiben. Durch die Auf-
hebung des Viehhalteplanes stieflen die Bauern
einen Tell des Rindviehs ab, ebenso verringerten
sic z. T. die Schweinebestande, wobei die ungunstige
Futterlage des Jahres 1956 nosh das ubrige dazu
beitrug, eine derartige Tendenz zu fordern. Die
Auswirkungen dieser Preisanderungen werden da-
her in Verbindung mit den Jungrindermastvertra-
gen erst ab 1958 spurbar wei den.
Somit zeigt sick, daB bei preispolitischen MaB-
nahmen z. B. fur eun Produkt nicht nur auf dieses
elne Produkt eungewirkt wird, sondern auch auf
andere, die damit im Preis ungunstiger gestellt surd.
Daher 1st rm besonderen MaBe bei preispolitischen
MaBnahmen gegenuber der Landwirtschaft immer
darauf zu achten, ob durch Preisanderungen fiur eun
Produkt eine indirekte Auswirkung auf andere Pro-
dukte erzielt wird and in welchem AusmaBe diese
Auswirkung eintritt oder ob durch Preisverande-
rungen nur das entspi'echende Produkt begi nstigt
odor benachteiligt wird, auf andere Produkte hin-
gegen keine Auswirkungen hervorgerufen werden.
SchlieBhch muB welter hervorgehoben werden.
daB das Verhaltnis zwischen Kosten and Preis sehr
unterschiedlich ist. Die Selbstkostendeckung and die
produktionslenkende Funktion des Preises mussen
so in >)bereinstimmung gebracht werden, daB ummer I i
die aktive E-nwn?kung des Preises_auf die Pro a
Lion erhalten bleibfi Eine schematische Projizierung
der Kostenrelati& en auf die Preisrelationen hiitte
in vielen Fallen die ungunstigsten Auswirkungen.
Die aktuve Wirkung der Preispolitik auf die Pro-
duktion ist sehr bedeutungsvoll fur die Steigerung
der Produktion, diese Eumvirkung hat aber be-
stimmte Grenzen. Die Preise konnen nut' dort einen
posituven EinfluB ausuben, wo die materiellen
Grundlagen fur eine Produktionssteigerung vor-
handen sind. Diese Moglichkeit der Pt'oduktuons-
steugerung wird entweder durch den bestehenden
Preis oder durch eine Ver5nderung der Preise aus-
genutzt. Sind die materiellen Moglichkeiten fiur dine
Steigerung der Produktion nicht vorhanden, so wird
durch eine Preiserhohung keine Steigerung der
Produktion bewirkt, r sondern ledigl-ch eine Er-
hohung der Einnahmen and somit eine andere Ver-
teilung des Volkseinkommehs. Die Einnahmen der
Landwirtschaft steigen, ohne zu einer Erhohung der
Warenproduktion zu fuhren.
Die Grenzen fur die Wirksamkeit der Preispolitik
werden vor allem durch folgende Faktoren be-
stimmt:
1, durch die Futteemittelgrundlage,
2, den Arbeitskraftebesatz,
3. den Stand des landwirtschaftlichen Bauwesens,
4, durch die Mechanisierung der Feldarbeit and
Innen mechanisierung,
5. durch die Versorgung mit Dungemitteln, Saatgut
and Zucht- and Nutzvieh.
Sind derartige Grenzen gegeben, so kann eine
Erhohung der Produktion nur dann erreicht wer-
den, wenn in erster Linie diese genannten Faktoren
verandert werden, die Preispolitik kann derartige
MaBnahmen unterstutzen, abet' niemals von selbst
auslosen.
Eine Steigerung des Aufkaufs an Vieh (z. B. Jung-
rmder) wird deshalb nicht nur durch preispolitische
MaBnahmen unterstutzt, sondern insbesondere auch
durch die Gegenlieferung von Futtermitteln. Ande-
renfalls wurde der Preis niemals eine solche gun-
stige Wirkung auf den AbschluB von Jungrinder-
mastvertragen ausuben.
Ebenso werden Preise wirkungslos bleiben, wenn
der Arbeitskraftebesatz z. B. bei den Landwirt-
schaftlichen Produktionsgenossenschaften sehr nied-
rig and deren Stallungen unzureichend sind. Hier
bedarf es einer nosh groBeren Mechanisierung der
Feldarbeiten and der Verbesserung der Innen-
mechanisierung, um die Arbeitsproduktivitat in der'
pfIanzlichen und-tierischen Produktion zu erhohen.
es bedarf der Verbesserung des landlichen Bau-
~vesens
4: Grundsatz: Die Erzeugerpreise mussen so
festgelegt werden, daB zwischen
der Zunahme der Warenpro-
duktion and der Zunahme der
Verkaufserlose engste Bezue-
hungen bestehen and eun wertes
Auseinanderklaffen vermieden
wurd,
Dieser Grundsatz beruhrt hauptsachlich die
Frage, in welchem Verhaltnis die Erfassungs- and
Aufkaufpreise zueinander stehen durfen. Seit 1953
1st die Pflichtablieferung unverandert geblueben
Jede Mehrproduktion wird somit von den Landwirt-
schaftlichen Produktionsgenossenschaften and
bauerlichen Betrieben aber den freien Aufkauf
realisiert. Bestehen groBe Abweichungen zwuschen
den Erfassungs- and Aufkaufpreisen, so wird die
Erhohung der Einnahmen bedeutend rascher voran-
schreiten als die Erhohung der Marktproduktion.
Auf die Dauer kann solch eine Erscheinung zu einer
fehlerhaf ten Verteilung des Volkseinkommens
zwischen Industrie and Landwirtschaft fuhren and
die Produktionssteigerung hemmen. 1st hingegen
die Differenz zwisdren Erfassungs- and Aufkauf-
preisen weniger groB, so wind die Erhohung der
Einnahmen nur sehr wenig der Erhohung der
Marktproduktion vorauseilen.
Bis 1955 war in einem besonders starkers MaBe
der Zustand zu verzeichnen, daB infolge der weit
auseinanderkiaffenden Erfassungs- and Aufkauf-
preise die Einnahmen aus der Marktleistung bedeu-
tend schneller wuchsen als die Produktion.
Entwicklung der Produktion and Einnahmen aus
Marktl'eislung') der Landwirtschaft (genossensch.
and privat) der DDR
1950
1953
1955
Bruttoproduktion
100
112
124
Einnahmen
100
153
185
Diese Entwicklung erklart Bich aus der Tatsache,
daB der Anteil der Einnahmen aus freiem Verkauf
an den gesamten Einnahmen der Landwirtschaft
sprunghaft gestiegen ist. Die folgende Tabelle laBt
das eindeutig erkennen.
Anteil von Erfassung, Aufkauf and Bauernmarkt
an Gesamteinnahmen')
1950
1953
1955
Erfassung
66
51
37
Aufkauf
17
43
58
Bauernmarkt
17
6
5
100
100
100
Da seit 1953 die Pfluchtablieferung konstant blieb,
erhohten sick nicht nut' die Einnahmen der Mittel-
und Kleinbauern, sondern in einem betrachtlichen
AusmaBe auch die'Einnahmen der GroBbauern. So-
mit bahnte such eine Einnahmedifferenzierung an, die
die Duff erenzierung der Einnahmen zwischen den ver-
schiedenen BetriebsgroBen je Hektar in den Hinter-
grund drangte and die such vor allem auswirkte in
einer ziemlich scharfen Differenzierung zwischen
wirtschaftlich starken and 'schwachen Betrieben in
alien BetriebsgroBengruppen.
Die wirtschaftliche ?Lage einer Landwirtschaft-
lichen Produktionsgenossenschaft and eines bauer-
lichen Betriebes 1st wesentlich davon abhangig, vie
Koch der Anteil des frelen Verkaufs an der Markt-
leistung 1st. Der' Verkauf zu Aufkaufpreisen ist
Haupteinnahmequelle, and davon ist es abhangig,
vie sick die finanzielle Lage des Betriebes gestaltet.
Die betrachtliche Diffet'enzierung in der 'Ertrags-
lage bauerlicher Betriebe ruhrt nun daher, daB eine
Reihe von Betrieben keine Einnahmen aus freiem
93
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
DR. GERALD SCHMIDT
' Verkauf erzielen and nur uber geringe Einnahmen
verfugen, wahrend der Tell der Betriebe, der sehr
1 viel Produkte in den freien Verkauf bringt, uber
' Gebuhr hohe Einnahmen zu verbuchen hat.
Welche erheblichen Unterschiede sich in der Er-
tragslage bauerlicher Betriebe auf Grund des unter-
cchicdlichen Anteils der Einnahmen aus freiem Ver-
kauf herausbilden, zeigt folgendes Beispiel:
Verkaufserlose (aus Pflichtablieferung and freiem
Verkauf) and Marktleistung (bewertet mit Er-
fassungspreis) bauerlicher Betriebe einer Gemeinde
des Kreises Erfurt 1955
'0 ~
tic
0
~E
~E'
k ~ n
.w
9I. ?-
00
> C
:tT?n .
V > Q 0 C'~ tl
>,:a 4?a C`u>Ya
85,5 36,1 2023 128 1575 35,0
63,9 29.3 1229 106 1175 17,5
72,4 29,5 1201 119 1008 26,6
70,2 19,8 1230 133 922 38,9
63,2 15,2 978 148 659 55,6
71,8 14,9 689 103 671 6,3
71,5 11,9 659 109 607 13,0
64,2 7,0 947 147 645 44,7
66,0 7,8 1426 165 863 53,4
62,8 7,7 714 115 623 17,2
59,7 6,3 482 100 482 -
50,8 4,6 1001 159 629 51,4
62,5 3,5 1444 211 683 70,7
Die Unterschiede in der Marktleistung ruhren
neben der Flihigkeit der einzelnen Bauern vor allem
aus der Oberalterung der Betriebe and aus einem
sehr unterschiedlichen Arbeitskraftebesatz her,
Durch die welt auseinanderklalfenclen Erfassungs-
und Aufkaufpreise nehmen due Verkaufserlose
gegenuber der Marktproduktion um so schneller zu,
.ie hoher der Anteil des freuen Verkaufs an den Eun-
nahmen ist. Der durch die Marktleistung gegebene
Unterschied wird durch die Preispolitik somit be-
trachtlich erweitert. Allerdings darf eine derartige
Einschatzung nicht so weit gehen, die Einwirkung
der Preispolitik auf eine dufferenzierte Einkommens-
bildung zwischen den einzelnen Betriebsgrol3en-
klassen zugunsten der Klein- and Mittelbauern zu
leugnen. Vergleicht man die durchschnitthchen Ver-
kaufserJ se mit ?der durch'schnittlichen Markt-
leistung in den einzelnen BetriebsgroBenklassen, so
ergibt sich folgende Entwicklung
(siehe nachstehende Tabelle)
Es zeigt sich somit klar die Tendenz, daB bei fak-
tisch gleichbleibender Marktleistung die Verkaufs-
erlose mit sinkender Betriebsgrol3e pro Hektar? zu-
nehmen. Es muB aber immer wieder betont werden,
daB diese Erscheinung nur der Tendenz nach ge-
geben ist and die Differenzierung der Ertragslage
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Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
DIE AUFGAI3EN UND GRUNDSATZE DER PREISPOLITIK FOR DIE ERZEUGNISSE...
Verkaufserlose and Marktleistung 19551) DM/ha
i?5ha u.5?IOha uh.2nha uh.2Oha
LNF LNF LNF LNF
Zahl der unter-
suchten Betriebe 469 654 , 565 272
Verkaufserlose
irk DM 1486,6 1157,3 1037,3 901.6
Index 100 78 70 61
Verkaufserlos
aus tierischer
Produktion in DM 1354,8 932,3 786,2 602,7
in v. H. der
Verkaufserlose 91,1 80,6 75.8 66,8
Marktleistung
in DM 641,9 633.3 627.0 622,0
Index 100 99 98 97
zwischen wirtschaftlich starken and schwachen
Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften
and bauerlichen Betrieben auBerordentlich stark
war and auch heute noch betrachtlich ist.
Auf die Dauer muf3te daher solch eine unter-
schiedliche Entwicklung der Einnahmen zu nega-
tives Erscheinungen fuhren. Diese Erwagung war
schlieBlich auch eines der Hauptmotive, warum ab
1, 1. 1956 die' Erfassungs- and Aufkaufpreise auf
Vorschlag der 25 Tagung des ZK der SED geandert
and naher zueinander gebracht wurden. Die nega-
tiven Folgen bei auf die Dauer \veit auseinander-
klaffenden Erfassungs- and Aufkaufpreisen be-
stehen darin, daB die wirtschaftlich schwachen Be-
triebe keine Moglichkeit haben, ihre Lage aus eige-
nen Mitteln zu verbessern, da ihnen die finanziellen
Mittel fehlen. Somit konnen diese Wirtschaften
ihre voile Produktivkraft nicht ausnutzen, 'ci. h.
die Reserven zur Produktionserhohung konnen
nicht vo11 genutzt werden. Andererseits erhalten
aber Betriebe mit einem sehr hohen Anteil der Eun-
nahmen aus freiem Verkauf so hohe Einnahmen,
daB der Anreiz mittels des Aufkaufpreises auf die
Produktion geringer werden muB.
Danilt 1st aber gleichzeitig noch eine andere Seite
verbunden. Eine derartige Begunstigung landwirt-
schaftlicher Betriebe hemmt den Ubergang von der
bauerlichen' Klein- zur sozialistischen GroBprdduk-
tion. Durch die hohen Aufkaufpreise fur tierische
Produkte 1verden in den Betriebsgrol3en 5-15 ha
besonders hohe Einnahmen et'zielt. Es ist aber
wichtig, gerade diese Bauern fur den Eintritt in die
Landwirtschaftlichen ' Produktionsgenossenschaften
zu interessieren, da durch ihren Eintritt die Ar-
beitskraftelage in den Landwirtschaftlichen Pro-
,
duktionsgenossenschaften erheblich verbessert and
somit die Landwirtschaftlichen Produktionsgenos-
senschaften in ihrer Rentabilitat gehoben werden
konnen. Man muf3 bedenken, daB in den Betrieben
1) Entnommen and berecllnet nach der reprasentaticen A,'-
triebsunlersuciiung (RPUD) 1955 der Zentralverwaltung fir
Stalistik.
I
Li
von 5-15 ha der grol3te Arbeitskraftebesatz pro
100 ha zu verzeichnen ist, bei den Landwirtschaft-
lichen Produktionsgenossenschaften hingegen der
Arbeitskraftebesatz sehr niedrig ist. Da die Preise
fur pflanzliche Produkte im Verhaltnis zu den Prei-
sen fur tierische Produkte sehr niedrig sind and die
Aufkauf- and Erfassungspreise welt auseinander-
klaffen, besteht eine grol3e Differenz in der Er-
tragslage zwischen Landwirtschaftlichen Produk-
tionsgenossenschaften, die nosh mit wirtschaft-
lichen Schwnerigkeiten zu kampfen haben and sol-
chen bauerlichen Betrieben, die uber einen hohen
Anteil von Einnahmen aus deco freien Verkauf ver-
fugen. Diese Ertragsunterschiede send in erster
/ Linie durch die unterschiedliche Marktleistung be-
dingt, dieses Problem kann nur mittels der Steige-
rung der Marktprodult tion der Landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften pro Flacheneinheit
gelost and nicht etwa durch Preisanderungen
aus der Welt geschafft 'werden. Durch die Preise
wind aber dieser Unterschied vergroBert and daze
beigetragen, daB wirtschaftlich staeke Klein- and
Mittelbauern nicht am Eintritt in die Landwirt-
schaftliche Produktionsgenossenschaft interessiert
werden.
Aus diesen Darlegungen darf nicht geschlossen
werden, daB weit auseinanderklaffende Erfassungs-
und Aufkaufpreise uber einen langeren Zeitraum
generell falsch Waren and immer zu negativen Aus-
wirkungen fuhren muBten. Das hangt vielmehr da-
von ab, tvie hoch der Anteil des freien Verkaufs an
der Marktleistung ist. Halt sich dieser Anteil in
engen Grenzen, so sind stark von den Erfassungs-
preisen abweichende Aufkaufpreise das einzige
Mittel, die Produktion von der preispolitischen Seite
her anzuregen 1st dieser Anteil betrachtlich, so
mul3 auf eine schrittweise Annaherung der Erfas-
sungs- Lind Aufkaufpreise aus den bereits datge-
legten Grunden geachtet werden. Der Anfang dazu
ist mit den Preisanderungen ab 1956 and 1957 ge-
tan worden. Diese and die noch notwendigen preis-
politischen MaBnahmen erhohen die Wirksamkeit
der Preispolitik auf die Produktion and auf eine
richtige Verteilung des Volkseinkommens vor allem
zwischen der Industrie and der Landwirtsehaft.
5. Grundsatz Zwischen den Aufkaufpreisen
and den Verbraucherpreisen
mussen solche Relationen ge-
wahrt werden, daB moglichst
viele Produkte in die Hand des
Staates gelangen and dadurch
eine Ausweltung spontaner
Marktbewegungen Bowie die
Verfutterung von Nahrungs-
gutern verhindert wird.
Die Beachtung dieses Grundsatzes garantiert, daB
der sozialistische Staat den. groBten Tell der produ-
zierten Guter in seiner Hand konzentrieren kann
and damit auch die Stabilitiit, der Einzelhandels-
preise fur Nahrungsmittel geslchert wird. Dieser
Grundsatz verlangt, daft der Aufkaufpreis von deco
Einzelhandelspreis (HO) nur geringfugig nach un-
ten abweichen dart, d. h. bei Produkten, die unver-
arbeitet zum Verbraucher gelangen, muB die I-Ian-
delsspanne gedeckt werden, bei den ubrigen Pro-
dukten die Verarbeitungskosten and die Handels-
spanne.
Wird diese Differenz nach unten groBer, das
heiBt, liegt der Aufkaufpreis wesentlich unter deco
Einzelhandelspreis (1-I0), so wird der Bauer ver-
suchen, diese Spanne selbst zu realisieren. Das triffl
vor allem fur solche Produkte zu, die umnittelbar
vom Verbraucher konsumiert werden konnen, vie
z. B. bei Eiern and Mulch.
Bei Mulch 1st deshalb pin went verbreiteter Ab-
Hof-Verkauf in der Nahe der Stadte festzustellen,
da der Bauer die Milch billiger oder mit demselben
Preis vie in der HO absetzt, der Fettgehalt der
Mulch abei bet Ab-Hof-Verkauf hoher? ist and die
Konsumenten deshalb gern diese Milch kaufen.
Die Einhaltung dieses Prinzips 1st auch fur die
Beeinflussung der Preise auf dem Bauernmarkt
von Bedeutung. Durch die Tatsache, daB der Staati
die Masse der Waren in seiner Hand konzentriert
and die Einzelhandelspreise sowie die AufkauG
preise planmaf3ig festlegt, ubt er auch einen Eun-
fluB auf die Frei sich bildenden Preise auf dem
Bauernmarkt aus. Diese Frei sich bildenden Preise
bewegen sich zwischen den Einzelhandelspreisen
and Aufkaufpreisen. In der Regel liegen die Preise
des Bauernmarktes knapp unter den Verbraucher-
preisen, bei Produkten, die entweder Mangelware
darstellen odor vom Bauernmarkt in einem frische-
ren Zustand angeboten werden, in der gleichen Hohe
wie die Einzelhandelspreise kind gelegentlich auch
daruber. 1st nun die Differenz zwischen den Auf-
kaufpreisen and Verbraucherpreisen verhaltnis-
maBig groB, so nimmt in der Regel der Warenumsatz
auf dem Bauernmarkt zu oder die Schwankungen
der Preise auf dem Bauernmarkt werden groBer.
Im Hinblick auf das Verhaltnis der Einzelhandels-
preise zu den Aufkaufpreisen spielt aber noch eun
anderes Problem eine Rolle. In der Hauptsache von
nichtablieferungspflichtigen Erzeugern in der Land-
wirtschaft, aber auch von Kleintierzuchtern wer-
den oft Brot, Nahrmittel, vie z. B. Graupen and
Haferflocken, yerfuttert, Wir haben hier die un-
gunstige Situation zu verzeichnen, daB bereits ver-
arbeitete and veredelte landwirtschaftliche Pro-
dukte nicht der menschlichen Ernahrung dienen,'
sondern in den Viehmagen wandern. Das wird her-
vorgerufen durch die niedrigen Lebensmittelpreise
and hohen Aufkaufpreise fur tierische )rzeugnisse.
Hieran ist zu erkennen, daB sich die niedrige Be-
wertung pflanzlicher Produkte im Preis mi Ver-
haltnis zur hohen Bewertung tierischer Produkte
dutch den Preis auf das Gebiet der Einzelhandels-
peeise ubertragt.
Diese sehr ungunstige Tatsache allein der Wir-
kung der Preise zuschreiben zu wollen, ist abet'
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verfehlt. Abgesehen von der Futterlieferung in Ver-
bindung mit deco freien Aufkauf bei Eiern haben
z. B. die Kleintierzuchter kaum eine Moglichkeit,
Futter fur ihre Huhner zu kaufen, da diese Klein-
tierzuchter fast ausschliefilich fur den Eigenver-
bcauch ihre Huhner halten. Die genannten Auswir-
kungen sind daher durch die ungunstigen Preis-
relationen in Verbindung mit einem Mangel an
Huhnerfutler zu erklaren. Ein freier Verkauf von
Huhnerfutter in grof3erem Umfang wurde bereits
dazu beitragen, der Verfutterung von Lebensmit-
teln Einhalt zu gebieten.
6. Grundsatz: Die Preise mussen nach den
Qualitatsmerkmalen scharf dif-
ferenziert werden, sic mussen
eine zeitliche Differenzierung
aufw&sen und je nach der ver-
traglichen oder nichtvertrag-
lichen Bindung der Produktion
unterschiedlich sein.
Eine wirksame Staffelung des Preises zwischen
den einzelnen Qualitatsstufen ist erforderlich, um
die hoheren Aufwendungen z. B. beim Anbau hoch-
wertigen Getreides oder bei der Mast hochwertigen
Schlachtviehs zu ersetzen und einen fuhlbaren An-
reiz zur Steigerung der Produktion hochwertiger
landwirtschaftlicher Produkte zu geben. Dabei muf3
bgachtet widen,. daft- nach Moglichkeit die Preis-
differenzierung von der durchschnitthchen Qualitat
zur Spitzenqualitat zunimmt und nicht etwa germ-
ger wind. Durch geringer werdende Preisabstufun-
gen wind der Anreiz zur Ablieferung qualitativ
hochwertiger Produkte nicht angeregt, vie das bei
Schlachtvieh bis 1955 augenscheinlich der Fall war.
Bei dieser Preisdifferenzierung muB aber darauf
geachtet werden, daB bestimmte Grenzen eingehal-
ten werden, die niche uberschritten werden du"rfen.
Anderenfalls werden die Grundrelationen der
Preise zwischen den einzelnen Produkten gestort
und die produktionslenkende Funktion des Preises
eingeschiankt. Wenn z. B. die Masse der abgelie-
ferten Schweine und Rinder standig bei der
Schlachtwertklasse C liegt, so muB darauf geachtet
werden, daB die Preisrelationen zwischen den Pro-
dukten sich in der Hauptsache in den Schlachtwert-
klassen C auswirken. Wird im Interesse einer Qua-
litatssteigerung der Preis fur Rind der Schlacht-
wertklasse A ubermaBig 'erhoht, hingegen fur 'die
Schlachtwertklasse C zu sehi? gesenkt, wie es 1956
geschah, so werden die Relationen der Preise zwi-
schen den einzelnen Produkten gestort. Das war
auch einer der Grunde, warum ab 1. 1. 1957 die
Preise fair Schlachtvieh erhaht'und die Differenzen
zwischen den Schlachtwertklassen vermindert wur=
den.
Weiterhin ist eine Differenzierung der Preise
nach Ablieferungstermin notwendig. Dem kontinu-
ierlichen Bedarf steht eine mehr odes wemger dis-
kontinuierliche Produktion gegenuber. Durch eine
\
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zeitliche Differenzierung der Preise muff daher ver-
sucht werden, diese beiden Grofien in annahernde
Uberemnstimmung zu bringen. Das spielt vor allem
auch bei Schwein eine bedeutende Rolle, wobei zu
beachten ist, daB mit einer derartigen Differenzie-
rung auch dazu beigetragen werden kann, Kuhl-
hauser und Schlachthofkapazitaten besser 'auszu-
lasten. Bei der pflanzlichen Produktion muf3 der
Anreiz gegeben werden, die Produkte moglichst
fruhzeitig abzuliefern, damit eine reibungslose
Versorgung gewahrleistet werden kann. Bei Ge-
treide wird das durch die Fruhdruschpramien er-
eeicht.
Weiterhin muB z. B. ein Anreiz gegeben werden,
durch einen verstarkten Anbau von Fruhkartoffeln
den Bedarf zu decken. Ein erhohter Preis dient des-
halb einmal als Anreiz, zum anderen muf3 abet' da-
durch auch der hohere Arbeitsaufwand und die
niedrigen Hektarertrage ersetzt werden.
Diese Beweglichkeit in der Preispolitik 1st not-
wendig, um die landwirtschaftliche Produktion mit
den Beduefnissen der Volkswirtschaft in tYberein-
stimmung zu bringen, ja es ist sogar erfordet'lich,
diese Beweglichkeit zu vergrof3ern. Diese zeitliche
Differenzierung 1st ein wichtiger Bestandteil der
Preispolitik gegenuber der Landwirtschaft, sic er-
gibt sich aus den Besonderheiten der landwirt-
schaftlichen Produktion und dem Bedarf der Volks-
wirtschaft. Durch solch eine terminliche Differen-
zierung der Preise werden die eigenen Produktions-
moglichkeiten der Landwirtschaft bessei' genutzt
und unnotige Importe vermieden.
Diese Differenzierung wind, abgesehen von den
besonderen Zuschlagen bei Schlachtvieh, in der
Weise durcigefuhrt, daB ehh HochstyRicht- und
Mindestpreis angewandt wird. Zweifelsohne ist der
EmfluB auf ein kontinuierliches Aufkommen an
Schlachtvieh groBer, wenn die Differenz zwischen
den Preisen betrachtlich ist. Aber auch hier mus-
sen bestimmte Grenzen beachtet werden. Em sehr
niedriger Mindestpreis fiihrt namlich auch dazu,
daB durch den groBer werdenden Abstand zwischen
Einzelhandelsprefs und Aufkaufpreis der Bauer
angeregt wird, sein Schwein selbst zu schlachten
und durch diese Art des Verkaufs auf dem Bauern-
markt ca. 100 bis 300 DM mehr erhalt als beim Ver-
kauf an den VERB. Solche Erscheinungen sind in
den Monaten November und Dezember 1950 vieler-
orts aufgetreten. Damit zeigt sich, daB der Mmdest-
preis bei Schwein auf der unteren noch zulassigen
Grenze steht,
Neben den zeitlichen Differenzen muB bei den
Aufkaufpreisen fur tierische Produkte, auch eine
Differenzierung in der Hihsicht vorgenommen wer-
den, ob die Ablieferung der 'There vertraglich ge-
bunden wird odes nicht. Solch eine MaBnahme for-
dert das materielle Inter'esse z. B. am AbschluB von
Jurigrindermastvertragen und unterstutzt eine
schnelle und planmal3ige Steigerung der tierischen
Produktion.
Institut Politische Okonomie Direktor Prof. Dr. Eva Altmann
Als Manuskript gedruckt!
Eini e aktuelle
Probleme des
g Geldumlaufs
und der Kre
ditPolltl.k
in Westdeutschland
Von ALFRED LEMMNITZ
Durch die GroBe Sozialistische Oktoberrevolution
wurde das einheitliche kapitalistjsche Weltsystem
gesprengt, in dem die imperialistischen Staaten sich
die Millionen der ?eigenen" Arbeiter und Bauern
materiell und geistig unterordneten und die Aber-
millionen der ?fremden" Arbeiter und Bauern in
den Kolonien und abhangigen Landein beherrsch-
ten und aussogen. Unter aul3erordentlich schwieri-
gen Bedingungen, von Kriegen uberzogen, boykot-
tiert und verleumdet, entstand das eiste von freien
Arbeitern und Bauern beherrschte sozialistische
Land mit einer sozialistischen Wirtschaft, die Union
der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Im Gefolge
des zweiten, vor allem von den deutschen Imperia-
listen angezettelten Weltkrieges folgten diesem Bei-
spiel in Europa und Asien zehn andere Lander auf
seinem Wege, und mit der Sowjetunion zus~mmen
bilden sic heute den bedeutenden Anfang einer
sozialistischen Systems der Weltwirtschaft.
Es gibt keinen Zweifel mehr daruber, daB sich
die sozialistische Wirtschaft der Sowjetunion be-
wahrt, wie sich auch die sozialistische Wirtschaft in
den volksdemokratischen Landern, die erst im Auf-
bau begrifen 1st, schon jetzt bewahrt hat. Man muB
sich immer wieder vor Augen fuhren, unter wel-
chen Schwierigkeiten und Opfern die Arbeiter und
Bauern der Sowjetunion die neue sozialistische
Wirtschaft errichten mul3ten 1917 standen sic vor
der durch den 1. Weltkrieg schwer geschadigten un-
entwickelten Wirtschaft des alten RuBland. 1921
war auch dieses karghche Erbe durch den Burger-
und Interventionskrieg nahezu vollig vernichtet.
Was das Sowjetvolk in der Periode des Wiederauf-
baues, der sozialistischen Industrialisierung und
Kollektivisierung vollbrachte, war wirklich em
Wunder an Schopferkraft. Der verbrecherische
Ueberfall des deutschen Faschismus brachte es zu
nachst um die Fruchte dieser hervorragenden Ar-
beit. Aber heute beginnt die Sowjetunion, trotz der
riesigen Verluste, die sic durch den Krieg erlitt das
entwickeltste kapitalfstishe Land, die USA, zu
uberholen. Unaufhaltsam 1st der Siegeszug des
Sozialismus.
Aber, wie LENIN vorausgesagt hat, wird neben
dem siegreich voranschreitenden Sozialismus nosh
auf langere Zeit der Kapitalismus bestehen, werden
sick die sozialistischen und die kapitalistischen Lan-
der nebeneinander entwickeln.
Die Erfahrungen der Periode zwischen dem ersten
und zweiten Weltkrieg und die Erfahrungen der
bisherigen Periode nach dem zweiten Weltkeiege
lehren uns, daB der Kapitalismus noch imstande it,
sick in einem bestimmten MaBe von den Folgen der
Kriege zu erholen, seine Wirtschaft zu entwickeln,
sogar cinen verhaltnismaf3ig hohen konjunkturellen
Aufschwung zu erzielen. Das gilt auch fur das
kapitalistische Deutschland, das heute, durch die
Errichtung der Arbeiter-und-Bauern-Macht in der
Deutschen Demokratjschen Republik, auf West-
deutschland beschrankt ist. Gleichzeitig, heute wie
in der Periode zwischen den beiden Weltkriegen,
vollzieht sich mit der Ei'holung der kapitalistischen
Wirtschaft die Wiederherstelhmg der Macht der
Monopole und damit des aggressiven deutschen
Imperialismus.
Dieser ProzeB wird uberdeckt durch die Hoch-
konjunktur, und es 1st daher eine wichtige Aufgabe
fur die marxistischen deutschen Wissenschaftler,
diese Verflechtung von Konjunktur und Kriegsvor-
bereitung zu durchleuchten. In den folgenden Dar-
legungen geschieht das auf einem begrenzten, abet'
sehr wichtigen Gebiete, dem Gebiete des Geldum-
laufs und der Kreditpolitik Westdeutschlands.
Im Verlaufe des konjunkturellen Aufschwungs
hat die Ent~vicklung der westdeutschen kapitalisti-
schen Wirtschaft durch ihre Ergebnisse sowohl hin-
sichtlich des erreichten Niveaus der industriellen
Produktion als auch des Exports die Aufinerksam-
keit auf sich gezogen. Besonders feel dabei die Ent-
wic lung der westdeutschen Wahrung ins Auge, die
mit ihrem verhaltnismaf3ig hohen Gold- und De-
visenstand den Eindruck einer auBerordentlichen
-Stabilitat erweckt.
In meinen Darlegungen sollen einige Probleme
der Wahrung der Bundesrepublik (West-)Deutsch-
land beleuchtet werden, die zeigen, daB auch bei der
Entwicklung der westdeutschen Wirtschaft die Ge-
setzmaBigkeiten der allgemeinen Krise des Kapita-
lismus wirksam sind.
97
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
PBOF DR. -ALFRED LEMMNITZ
Zuni Verstandnis der Entwidclung der westdeut-
schen Wahrung werde ich vorab einen kurzen Ab-
riB der Entwic lung der Wahrung des kapitalisti-
schen Deutschland in der. Zeit von 1900 bis 1945
g'eben. Idi behandle also folgende Probleme:
1. Die Grundlagen der Geldemission and des ge-
samten Geldumlaufs in Deutschland von 1900
bis 1945.
2. Die Grundlagen der Geldemission and des
Geldumlaufs der Bundesrepublik (West-)
Deutschland.
3. Der Geldumlauf and die ?Kassenuberschusse`
des westdeutschen Staatshaushalts.
4. Die Diskontpolitik der Bank deutscher Lander.
1. Die Grundlagen der Geldemission and des Geld-
umlaufs in Deutschland von 1900 bis 1945
Bis zuln ersten Weltkriege helen in Deutschland
neben dem Goldgeld die Scheidemunzen, zu denen
auch das Silbergeld gehorte, das Papiergeld and
die Staatsbanknoten um.
Da das kaiserliche Deutschland ein Bundesstaat
war and es neben der Reidisbank in den Landern
(Preul3en, Saduen; Bayern, Wurttemberg usw.)
Staatsbanken gab, liefen neben den Reichsbank-
noten audr Staatsbanknoten der Lander um.
Zu Beginn des ersten Weltkrieges wurde die Ein-
losungspflicht sowohl fur das Papiergeld als auch
fur die Banknoten aufgehoben and das umlaufende
Gold- and Silbergeld zum groBen Tell eingezogen.
Papiergeld and Banknoten konnten nicht mehr
gegen Goldgeld eingelost werden. Die Banknoten
zirkulierten nunmehr genau so tie das Papiergeld
and verwandelten sich dadurch in eine Form des
Staatspapiergeldes mit Zwangskurs. Allerdings ihre
Emissionsgrtmdlage blieb zunadlst dieselbe wie vor
Aufhebung der Einlosungspflicht, namlich die Re-
diskontierung der Wedlsel. Das wahrte aber nur
kurze Zeit. dann traten neben die Privatwechsel
staatlidre Wechsel als Grundlage der Banknoten-
emission.
Der kapitalistische deutsche Staat erteilte in
wadhsendem Mahe Rustungs- and Kriegsmaterial-
lieferungsauftrage and bezahlte in Ermangelung
entsprechender Staatseinnahmen mit Schuldschei-
nen in Form von Schatzwedrseln and Reidisschatz-
anweisungen. Das waren keine Anweisungen auf
einen vorhandenen Staatsschatz, dean dieser betrug
ca. 200 Millionen Goldmark and lag im Juliusturm
zu Spandau; die Rustungsauftrage erforderten aber
viele l'lilliarden Mark. Die Schatzwechsel and
Reichsschatzamveisungen waren Anweisungen auf
zukunftige Staatseinnahmen.
Sie wurden von den Rustungsindustriellen vie'
Wechsel bei den Privatbanken lombardiert and dis-
kontiert and von diesen bei der Reichsbank redis-
kontiert and auf Grund dessen Banknoten emittiert.
Allerdings verfolgte die kaiserliche Regierung zu-
gleidr. das Ver?ahren, diese kurzfristige Staatsver-
schuldung - denn die Sdhatzwechsel. and Reichs-
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schatzanweisungen hatten nur chic LauIzeit von
3 bis 9 Monaten - in eine langfristlge Staatsver-
schuldung in Form von Kriegsanleihen umzuwan-
deln. Das gelang etwa bis zum Jahr'e 1916, dann
wuchs die kurzfristlge Staatsverschuldung schneller
als ihre Umwandlung in Kriegsanleihen, and der
Geldumlauf verfiel der Inflation.
Die Einbeziehung von Staatsschuldpapieren wur-
de besonders in der Zeit nach 1918 bis 1923 be-
sonders ausgedehnt. Dazu trat veiter der Aufkauf
von Wertpapieren privater Unternehmen (Obliga-
tionen and Aktien) durch die Staatsbank, wodurch
ebenfalls Staatsbanknoten ohne Einlosungspflidht
herausgegeben wurden
Dadurdh trat ein neues Moment in die Geldemis-
sion em, flktives Kapital wurde ein Element der
Grundlagen der Geldemission. Staatliche and pri-
vate Wertpapiere wurden an der Wertpapierborse
gehandelt. Durch den Aufkauf der Wertpapiere gab
die Staatsbank Geld in die Zirkulation. Anderer-
seits entzog sic ihr durch den Verkauf der Wert-
papiere das Geld wieder. Es schien, als ob auf
diese Weise die Staatsbank einen bewuBten EinfluB
auf den Geldumlauf and zugleich auf den Wert-
papiermarkt nehmen konnte. Diese Geschaftstatig-
keit erhielt die Bezeichnung ,,Offene-Markt-Politik"
and wurde als Konjunktur'lenkungsinstrument an-
gesehen. In Wirklichkeit kann der Ankauf von
Wertpapieren nur dann positiv auf die Geldemis-
sion wirken, wenn die Produktion auf vollen Tou-
ren lauft and die Aktien auf Grund guter Divi-
denden hock im Kurs stehen and stets wieder ab-
gesetzt werden konnen. 1st das nicht der Fall, wirkt
sich der Aufkauf der Wertpapiere inflationistisch
aus.
In der Zeit des konlunkturellen Aufschwungs
1924 bzw. 1926 bis 1931 trat die Emission von Bank-
noten auf der Grundlage von Staatsschuldscheinen
zuruck. Es wuchs durch die amerikanischen An-
leihen (Dawes- and Younganleihe) and den Kon-
junkturaufschwung die Geldemission auf der
Grundlage von Gold and Devisen and der Redis-
kontierung von Privatwechseln.
In der groBen Weltwirtschaftskeise Brach die
Gold- and Devisengrundlage der deutschen Geld-
emission zusammen Dui'ch Lohnsenkungen and
Preissturze ti-at vorubergehend eine Deflation, d. h.
eine Verminder'ung des Geldumlaufs, em.
In der Zeit des Hitlerfaschismus wurde die Geld-
emission auf der Grundlage von Gold and Devisen
nahezu bedeutungslos Dafur stieg ungeheuer die
Geldemission auf der Grundlage dei- Rediskontie-
rrmg von Wedrseln and Staatsschuldpapieren. Aller-
dings erhielt die letztere durch das raffinierte
SCHACHTsdhe ,,Geldabschopfungs"-System eine
geschickte Tarnung. Die in Staatsei entum oder
unter staatlidrer Ii g
ontrolle stehende Deutsche
Golddiskontbank and die Metallforschungsgesell-
schaft gaben auf sich selbst gezogene Wechsel, also
Solawechsel, heraus, die sogenannten ?Degowech-
sel ` and Mefowechsel". Diese galten als' Privat-
Wechsel and wurden von den Privatbanken lom-
bardiert and diskontiert and von der Reichsbank
rediskontiert; daher ein starkes Anwachsen der
Wedrseldiskontierung der Reichsbanlc. Das war
in Wirklichkeit eine Geldemission auf der Grund-
lage von Staatssrhuldpapferen.
Die Grundlagen der Geldemission von der Jahr-
hundertwende bis zum Jahre 1945 waren demnach
der Eingang von Gold and Devisen, wobei die letz-
teren Burch ihre Einlosungsfahigkeit gegen Gold
vie Gold behandelt wurden, Privatwedhsel, Staats-
papiere and private Wertpapiere. Die Bedeutung
der einzelnen Elemente der Grundlagen der Geld-
emission wechselten aber in den verschiedenen
Perioden. 'Tor 1914 stand das Gold im Vorder-
grund, an zweiter Stelle standen die Privatwechsel,
an dritter Stelle die Devisen. Waheend des ersten
Weltkrieges verschob sich das Schwergewidtt auf
die Wechsel, die aber nahezu ausschlieBlich auf den
RustungsauftTagen beruhten and demzufolge
Staatssdtulden wai-en. An zweiter Stelle stand das
Gold Die Devisen ver'schwanden. In der Periode
der offenen Inflation 1918 bis 1923 standen die
Staatspapiere an erster Stelle, an zweiter folgten
die Wechsel, an dritter die privaten Wertpapiere
and an vierter die Lombardforderungen. Dabei
mul3te allerdings die Entwertung dieser Papiere
durch die Geldentwertung berucksichtigt werden.
Dei' Goldbestand als Emissionsgi'undlage war auf
ein Sechstel im Verhaltnis zum Jahre 1918 zusam-
mengeschrumpft.
In der Periode der Depression and des konjunk-
turellen Aufschwunges 1924 bis 1931 standee die
Privatwechsel als Grundlage der Geldemission an
erster Stelle, ihnen folgte der Goldbestand, dann
die privaten Wertpapiere, schliefllich die Devisee
and zum Schluf3 die Lombardforderungen.
Wahr'end dei? Zeit des Hitlei'faschismus waren die
offenen and getarnten Staatsschuldpapiere die
Hauptgrundlage der Geldemission, denen gegenuber
die ubrigen Elemente besonders mit Ausbruch des
zweiten Weltkrieges bedeutungslos waren.
Inn folgenden eine Tabelle i bei':
Die Grundlagen der Geldemission 1914-1945
(in Mill. RM bzw. DM)
November
Juni 1914 1918
6 Oktober 1923
31.Dezem1 er
1924
7 jute 1932
Januar 1936
3
h
n
tt 19
~' 1944mb.
h
i
3
8
sc
Goldbestand
1325.4 2550,3
413,0
8167
848,4
78,1
70,8
-
Devisen
124,0 -
- -- _-
---_-
-
256,0
138,2
---
5,2
-
5.6
-
Lombudlordc
rungen
I
59,6
292328;900,0
16,9
129,2
53,0
45,6
-_'_
62,0
\Vcdrscl
803.9 19443,6
66019172 00,0
2064,1
3031,4
6039,3
Schatzwcd,sal and unverztnsl,dre
3778,8
-
56939,0
?ana?cisungen
261
9 151
3
70231475100,0
63
11,3
,
,
78.0
ll'ertpapiem
(vornehmlidr Reichs-
schatzanweisungcn)
814
582000,0
45.1
663,0
689,5
90,0
Geldumlauf
6070,0
227533
2`04956aillionen
4273,9
5642,0
5882,4
6228,4
46870,0
Quellen: Bankarchfv: 1914 S. 346; Die Bank 1914 S. 719, 1918 S. 934, 1923 S. 766, 1925 S. 128, 1932 S. 840
Bankwri'tschaft: 1944 S.450; Wirtschaft and Statistik: 1936 S. 118, 1936 S. 212
Die Reidrsbank' 1901-1925 I. Teil S. 38
Die, Ubersicht uber die Entwicklun der Gr
]a en g und-
g der Geldemission von 1914 his 1945 and da-
mit die Entwicklung des Geldumlaufs selbst zeigt
daB dei? Abgang von dei? Einlosungspflicht des
Papiergeldes and der Banknoten gegen Gold den
herrschenden Kraften des Monopolkapitals die
Moglichkeit zu den verschiedensten Methoden der
Einfluf3nahme auf die Gelde"mission and damit auf
den Geldumlauf gab Aber alle diese scheinbar un-
abhangig von den okonomischen Gesetzen der Geld-
emission and des Geldumlaufs angewandten ?Len-
kungsmethoden" erfolgten zwangslauflg aus der ge-
gebenen Situation'und fihrten im Ergebnis zu einer
Zerstorung der deutschen Wahrung.
Das Wesen dieser sogenannten ,,Lenkungsmethoden"
besteht darin, dab sich die machtigsten Gruppen des
Finanzkapitals den Staat unterordneten and alle
seine Organe, einsclilieBlieh des Geld-, Kredit- and
Finanzsystems, in den Dienst. der Sicherung des
Monopolprofits stellten. Der monopolistische Kapi-
talismus verwandelte sich in den staatsmonopoli-
stischen Kapitalismus.
Durch die Geld- and Kredit-?Lenkungsmethodenr`
wurde im wesentlichen durch eine inflationistische
Ausweitung des Geldumlaufs der Konzentrations-
und ZentralisationsprozeB des Kapitals, verstarkt
and das Nationaleinkommen zugunsten der stark-.
sten Gruppen des Finanzkapitals umverteilt.
Die Zerstorung des nationalen and des internatio-
nalen kapitalistischen Geldsystems ist einerseits das
Ergebnis der GesetzmaBigkeit der Entwicklung des
99
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i
,t
PROF. DR. ALFRED LEMMNITZ
Kapitalismus zum monopolistischen-Kapitalismus
and andererseits das Ergebnis der Ausnutzung des
Geld-, Kredit- and Finanzsystems durch das
Finanzkapital.
1914-1918 stand die Geldemission and der Geld-
umlaut unter dem Druck der Kriegsausgaben.
Diese wurden dutch die Aufnahme von ungefahr
100 Milliarden Staatsschulden and durch die Ent-
wertung des Geldes, d? h. durch die Umverteilung
des Nationaleinkommens zugunsten der Rustungs-
monopole and zuungunsten der werktatigen Be-
volkerung gedeckt. Das Gold als die Geldware be-
stimmte in dieser Periode genauso vie vor dem
Kriege den Wert des Geldes. Da das Geld aber nur
als Staatspapiergeld mit Zwangskurs umlief and
die Einlosungspflicht aufgehoben war, wurde der
Welt dieses Geldes aber? das Reprasentationsver-
haltnis bestimmt? In dem Maf3e, vie der Staats-
papiergeldumlauf wuchs and die Masse der in die
Zirkulation gehenden Waren sank, da die Kriegs-
produktion and die Krtegsfuhrung den groBten Teil
des gesellschaftlichen Produkts parasitat verbrauch-
te, verfiel der Wert des Geldes?
1919-1923 stand die Geldemission and der Geld-
umlaut unter dem Druck der Reparationen and der
konterrevolutionaren Zerruttung der Wirtschaft
durch die Monopole, die mit Hilfe der rechten so-
zialdemokratischen Fuhrer den von ihnen be-
herrschten Staatsapparat gegen die revolutionare
Arbeiterklasse einsetzten.
In der Periode nach der Niederschlagung der revo-
lutionaren Arbeiter and der Stabilisierung der
Wahrung, der Depression and des konjunkturel-
len Aufschwungs waxen die Grundlagen der Geld-
emission and des Geldumlaufs die amerikanischen
Anleihen, die Gold and Devisen brachten, sowie die
ansteigende Produktion and der sich ausdehnende
AuBenhandel. Die Gold- and Devisengrundlage
brach aber sofort mit Ausbruch der Krise durch das
Zuri ckziehen der amerikanischen Kredite and das
Einschrumpfen des Aul3enhandels zusammen. Den
Folgen des Zusammenbruchs suchten die Monopol-
herren durch dieEinfuhrung einen scharfenDevisen-
zwangswirtschaft zu begegnen
In den ubrigen kapitalistischen Lander?n, vor allem
in England, Frankreich and den USA, wurde eine
Geldentwertung in Form der Devalvation durchge-
fuhrt. Diese wurde als Mittel des Konkurrenz-
kamptes zur gegenseitigen Unterbietung auf dem
Weltmarkt angewandt. Da diese Devalvation von
alien kapitalistischen Landern - aul3er Deutschland
- angewendet wurde, entstand. ein vollstandiges
Wahrungschaos, das seitdem nicht wieder beseitigt
werden konnte. Alle kapitalistischen Lander fuhr-
ten entweder ein System` der Devisenzwangswirt-
schaft odes' der Ein- and Ausfuhrbeschrankung em.
Die Periode der faschistischen Herrschaft gait als
Zeit der klassischen Anwendung der ?Lenkungs-
methoden", d. h. der Ausnutzung der Geldemission
100
Declassified in Part - Sanitized Copy Approved for Release 2013/04/02 : CIA-RDP81-01043R001900010004-2
EINIGE AKTUELLE PROBLE111E DES GELDUMLAUFS UND DER KREDITPOLITIK...
and des Geldumlaufs zur Regulierung des Konjunk-
turablaufs der Wirtschaft? Sie erwies sick aber Behr
rasch als eine Periode der Finanzierung der Ru-
stungswirtschaft, der Vorbereitung and Durchfuh-
rung des imperialistischen Krieges mrt Hilfe zuerst
der getarnten, dann der offenen Inflation.
Nahezu 50 Jahre monopolkapitalistischer Wirt-
schaft zeigen also unwiderlegbar, daB die herrschen-
den Gruppen des Monopolkapitals zwar imstande
rind, das Geld-, Kredit- and Finanzsystem zurSiche-
rung des Monopolprofits auszunutzen. Sic zeigen
aber zugleich, daB ihre Methoden der Ausnutzung
des Geld-, Kredit- and Finanzsystems gegen die
objektiven okonomischen Gesetze der kapitalisti-
schen Geldzirkulation verstoBen and dadurch nicht
nur zur Verscharfung der Widerspruche im kapita-
listischen Geldsystem, sondern alley Widerspruche
des Kapitalismus fuhren.
Heute treten aber die bi rgerlichen lSkonomen?
die Monopolkapitalisten Westdeutschlands and ihre
bur?gerlichen and r?echtssozialdemokratischen Ver?-
treter erneut mit der Behauptung auf, die kapita-
listische Wirtschaft konne durch die Anwendung
von ?Lenkungsmethoden" vor? allem auf dem Ge-
biete des Geld- and Kreditwesens vor konjunktu-
rellen Schwankungen, d. h vor Krisen, bewahren.
2. Die Grundlagen der Geldemission and des Geld-
unrlaufs der Bundesrepublik (West-) Deutschland
In Westdeutschland ist seit der separaten Wah-
rungsreform vom Jahre 1948 eine bedeutende Aus-
weitung des Geldumlaufs zu beobachten. Betrach-
ten wir allein den Bargeldumlauf, das ist das
Staatspapiergeld mit Zwangskurs and dazu die
Scheidemunzen, so wuchs dieser von 6,3 Milliarden
DM im Dezember 1948 auf 15,1 Milliarden DM im
Dezember 1956. Dieses Wachstum des Geldumlaufs
ubertraf bei weitem das Anwachsen der Produk-
tion.
Es ?wuchs aber ntcht nur der Geldumlauf, son-
dern es veranderten rich auch die Grundlagen der
Geldemission. Die Grundlagen der Geldemission
Westdeutschlands unterscheiden sick in ihrer Wirk-
samkeit von den Perioden von 1900 bis 1945 In der
gegenwartigen Periode der Hochkonjunktur, die irn
Jahre 1950 ihren Anfang nahm, stehen die Devisen
an erster? Stelle der Geldemission; ihnen folgen die
sogenannten Ausgleichsforderungen, auf deren
Gruhdlage 1948 das neue Geld emittiert wurde; an
dritter Stelle steht der Goldbestand, an vierter die
Wechsel and an funfter erst die Staatspapiere.
Die GrundIagen der Geldemission entwickelten
Bich in Westdeutschland IolgendeimaBe&):
I) Dr. H. JOSWIG Die ?,Lenkungsmethoden" des Zentralbank-
systems in \Vestdeutschland? in .Bankpolitik, Staatshaus
halt and wiihrung in \Vesldeutschlnnd"? Autorenkollektiv
Prof. Dr. A. LEM6INITZ? Akademie-Verlag Berlin, S?100-10?_.
1949 in 1955 in des amerikanischen Finanzkapitals in Europa einen
Mill. DM Proz. Mill. DM Proz. okonomisch-militarischen 'imperialistischen Block
zu schaffen? Die amerikanischen Imperialisten Vel-
Geldemission auf der
folgten dabei die besondere Absicht, den geschla-
Grundlage von Aus-
glerchsforderungen 8 982 81,0 7 037 28,0 genen deutschen Imperialismus vor der endgultigen
Vernichtung zu retten and in ihren Dienst zu
Munzgutschriften an stollen.
den Bund 40 0,4 1038 4,1
Guthaben bei auslan- In dieselbe Richtung lief die bewul3t her?beige-
dischen Banken, Sor?- fuhrte Spaltung Deutschlands, die Durchfuhrung
ten, aus/. Wechsel u der separaten Wahrungsrefornt, die Forderung der
.
_12,52) = 35 0Adenauer-Regierung, der Versuch, die sogenannte
Scheclcs, Forderungen -1375) 9 011) )
ldankauf - - 3 862 16,0 Europ ????atsthe Verteidigungs-Gemeinschaft zu bilden,
Go die Grundung der ?Europaischen Gemeinschaft fur
Staatse, Weee Von- Kohl'e and Stahl" (Montanunion) and die Oigani-
Lomb e, Wechsl and sierung der Nordatlantik-Organisation (NATO),
olnbardierungen 3 965 35,5 4 997 20,0 dieses gefahrlichen, mit Atomwaffen ausgerusteten
Kriegsblocks.
Das Entscheidende, das aus der statistischen Dar-
-
stell rde von 'den Grun
ung ersichtlich ist besteht darin, daB die Geld- Als wirtschaftliches Ziel wu
Ein- dern der Europaischen Zahlungsunion vorgegeben.
emission seit 1953 in erster Lrnte durch den
gang von Gold and Devisen erfolgt. Diese Ent- zu errpichen, daB die'Wahrung der angeschlossenen wicklun stendenz hat sick auch im Jahre 1956 fort- Lander gegensetttg austauschbar odei?, vie es in
g
gesetzt and besteht ouch jetzt nosh bis Marz 1957. der Fachsp].ache heiBt, konvertibel wird. Die Euro-,
Der Devisenbestand (Guthaben in auslandischer paische Zahlungsunion ist ein multilaterales Zah-
o usw.) stieg bis zum Dezember 1956 auf lungsabkommen, also rm Untersclued zu den bis
Wahruno
zum Zettpunkt ihren Grundung herrschenden bila
11,7 Milliarden DM and der Goldbestand auf -
6 2 Milliarden DM, zusammen 17,9 Milliarden DM teralen zv \ eiseitigen Abkommen, ein mehrseitiges,
bei einem Baigeldumlauf, vie schon gesagt, von vie gesagt, sechzehn Staaten umfassendes Zah
lungsabkommen. In diesem Abkommen wurde fest-
15,1 Milliarden DM. -
- gelegt, daB die angeschlossenen Lander die gegen-
Die Ursache des enoimen Wachstums des Bat? seitigen Warenlieferungen in einem festgelegteestgelegten geldumlaufs n
vie auch der bargeldlosen Bestande Umfang in einer ubernattonalen Verrechnungsein-
beruht demnach vor allem auf den hohen Gold- heit der EZU-Vei?rechnungseinheit, die -ein merk-
ergab - wurdeger ?Zufall" - gleich einem Dollar 1st, bezah-.
r chussen und Deviseneingangen er aben,. die Der Bich aus hohen AuBenhandel Export
ube s g len and verrechnen konnten. Durch diese EZU-
trotz der hohen Auslandsveischuldung West- Ver?rechnungsefnheit, die ein Weltgeldei?satz seen
deutschlands einen hohen ZahlungsuberschuB. Gold sollte wer?den die Wahrungen der angeschlossenen
and Devisen flossen vor? allem aus dem Au13en an- Lander gegenseitig austauschbar?. Es sollte also,
del met den sogenannten EZU-Landern. vie ouch durch den Internationalen Wahrungs-
D1e EZU, die Europiiische Zahlungsunion, ist eine fonds, wieder ein bestimmtes Gleichgewicht in den
Vereinigung von sechzehn europaischen kapitalisti- internationalen Handels- and Wahrungsbeziehun-
schen Landern, die 1950 zum Zwecke der Forde- gem erreicht werden, uril dadurch die Wahrungen
t ung des AuBenhandels auf der Basis der gegen- zu stabilisier?en and allmahlich eine aligemeine
seitigen Kreditierung and Verrechnung geschaffen Konvertibilitat, Austauschbarkeit, der Wahrungen
wurde. Die Zerstorung des internationalen kapi- and die Beseitigung der Devisenzwangswirtschaft
talistischen Wahrungssystems durch Devalvation zu erreichen.
and Inflation, die Verstarkung der materiellen and Be unsti t durch den konlunkturellen Auf-
zi llen Abhan i keit der kapttalistisehen Lan- g g
flnan e g g schwung, der seit 1950 alle kapitalistischen' Lander
? deer r von den Veteinigten Staaten hatte, wie win schon
feststeliten, zu emer allgememen Einfuhrung der etfaBte ent\vickelten sick die Aufienhandelsbezie-
hun en der kapitalistischen Lander insbesondere
Devisenz\vangs\vu?tschaft gefuhrt, durch die der g ` hlun Bunion. Aber
Internationale Handel der kapitalistischen Lander innerhalb der Europaischen Za g
statt zu einen Herstellung eines ge\vissen Gleichge-
union stalk wurde, gestort ebenso wurde. wie Die der Europalsche Internationale Zahlungs Wah- - wichts der AuBenhandels- and Zahlungsbeziehun-
gen zu fuhren wurde die UngleichmaBigkeit der
i?ung'sfonds (IWF) and die Weltbank, met Hilfe Entwicklung der kapitalistischen Lander gerade in-
ameren zu zu then P Ka ]tats geschaffen, um diese Sta- nerhalb der Europaischen Zahlungsunion Behr stark
rungen beseittgen. vertieft. Die Europaische Zahlungsunion wurde zu
Der \virlc]iche Z\veck derBildung derEuropaischen einem Instrument der Forderung des westdeulschen
Zahlungsunion bestand darin, inter der Fuhrung Monopolkapitals. Westdeutschland entwlckelte sick
vigil- innerhalb der Europaischen Zahlungsunion aus
2) Die verbindiiChkeefl an ac es grol3er ais die dos Ausland waxen um cln
faehes toner als die Gu thaben. einem Schuldnerland zum starksten Glaubigerland,
g
a) Dayon mtissen 1075 Millionen Oder rund 3 he an Passiva ab- demgegeniiber solche Lander vie Grol3britannien'
gezogen werden - .
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101,
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t
PROF. DR. ALFRED LEMMNITZ
und Frankreich verschuldet sind. (Hier 1st nur von
der Auf3enhandelsverschuldung, nicht von der Ver-
schuldung durch internationale Vorkriegs- ,und
Nachkriegskredite die Rede, bei der also West-
deutschland Schuldner ist und Grof3britannien und
Frankreich Glaubiger sind.)
Die Ursachen der fur das westdeutsche Mono-
polkapital gunstigen Entwicklung des Auf3enhan-
dels und der darauf beruhenden Zahlungsbeziehun-
gen, die zu hohen Gold- und Devisenzugangen
fuhrtc, liegen dai?in, daB die ubrigen curopaischcn
kapitalistischen Lander vor allem seit deco Uber--
fall auf Korea in starkem Mafie ihre Rustungs- und
Kriegswirtschaft entwickeln muf3ten, wahrend die
westdcutschen Monopolherren und Militaristen
trotz aller Forderung durch die internationale
Reaktion bis zum Jahre 1956 an einer Wiederauf-
rustung und Remilitarisierung gehindert worden
waren. Dadurch konnte und muflte das westdeut-
sche Monopolkapital sick darauf konzentrieren, die
konjunkturelle Entwicklung auf dem Weltmarkt
auszunutzen. Insbesonder?e wurde der Produktions=
mittelexport, der Export von Investitionsgutern, in
grol3em Ausmaf3e entwickelt, da der konjunkturelle
Aufschwung in alien Landern sich auf der Grund-
lage einer grof3en Neuausriistung der Produktion
und zugleich der Rustungsproduktion vollzog.
Die Tatsache, daB die anderen kapitalistischen
Lander, dar?unter? auch die USA, in Kr?iege mit den
um ihre Freiheit kampfenden kolonialen und ab-
hangigen Landern vntwickelt waren (China, Korea,
Vietnam, Malaya, Agypten usw.), erhohte deren
Ausgaben fur Rustung und Kriegfuhr?ung, fuhrtc
zu Preissteigerungen und zur Entwertung des Gel-
des. Westdeutschland, das bis zum Jahre 1956 an
dieser Entwicklung gehindert worden war, konnte
seine Pr?eise ielativ stabil halten und dadurch auf
dem Weltmarkt gunstig absclmeiden.
Der erfolgreiche Kampf der Friedensbewegung
wirkte sich also gunstig auf die Entwicklung der
kapitalistischen Wirtschaft Westdeutschlands aus.
Es bestand die Moglichkeit, durch eine gleichzei-
tige enge wirtschaftliche Verbindung mit den Lan-,
dern des sozialistischen Lagers ganz Deutschland
auf den Weg der friedlichen Entwicklung' zu fi h-
ren. Aber die reaktionaren Krafte des Monopol-
kapitals waren in Westdeutschland wieder zur
'Macht gekommen. Diese wollten sich niche; mit den
wirtschaftlichen Vorteilen der friedlichen Entwick-
lung begnugen, sie wollten vor allem nicht den
siegreichen Vormarsch der sozillistischen Wirtschaft
in der Sowjetunion, in den volksdemokratischen
Landern und in. der Deutschen Deniokratischen
Republik anerkennen. Sic, wollten niche nur? auf
dem Weltmarkt im, friedlichen Wettbewerb eine
gtde Position erringen,sondern strebten nach wie
vor dem verbrecherischen Traum der Errichtung
ihrer Weltmarkt nach. Daruber spater.
Die entscheidende Grundlage fur die Entwicklung
der Geldemission und .des Geldumlaufs in West-
deutschland wurden demnach die sich aus den auf
102
der Grundlage des konjunkturellen Aufschwungs
und der Aufienhandelsuberschusse ergebenden
Gold- und' Devisenzugange.
Wir stellten schon Pest, data die Ausdehnung des
Bargeldumlaufs in einem grof3eren AusmaB vor
sick ging als die Entwicklung der westdeutschen
Produktion. Einer der wichtigsten Grunde dafur
1st, daB das eingehende Gold und die Devisee an
die Bank deutscher Lander verkauft, d. h, gegen
DM der Bank Deutscher Lander eingetauscht wer-
den mussen. Es besteht also ein Automatismus zwi-
schen den Gold- und Devisenzugangen und der
Geldemission. Es flief3t Geld in die Zir?kulation, ob-
wohl Bich durch den Exportuberschuf3 der innere
Warenumlauf vermindert.
Gold und Devisen konnen als Weltgeld fungie-
r?en, das Gold unbeschrankt, die Devisen be-
schrankt, da selbst das englische Pfund nicht
in jedes Land in Zahlung gegeben werden
kann, veil es, niche ohne weiteres von der Bank
von England eingelost wird. Das 1st ja auch mit der
Westmark der Fall. Jedenfalls kann man mit Gold
und Devisen auf dem Weltmarkt Waren kaufen.
Als Gold- und Devisen b e s t a n d gehen sic aber
nicht in die Zirkulation, treten auf dem Weltmarkt
nicht als Kaufkraft auf. Ihr Gegenwert in West-
mark wirkt dagegen als Kaufkraft, als Nachfrage
auf dem Binnenmarkt. Das ruft naturlich gewisse
Schwierigkeiten hervor.
Naturlich verwandelt sich nicht alles Gold und
Devisen in Bargeld. Aber das Bargeld ist ja nicht
die einzige Geldform. Der Bargeldumlauf findet
seine Erganzung durch den Wechselumlauf und
vor allem durch den bargeldlosen Verkehr. Ein Teil
des Goldes und der Devisen verwandelt sich in bar-
geldlose Guthaben, die im Kapitalismus jederzeit
in Bargeld umgewandelt werden mussen.
Der Umfang dieser bargeldlosen Guthaben odor
Einlagen, die sich aus Sichteinlagen, also taglich
abhebbaren Einlagen, Termineinlagen, die nur zu
bestimmten Terminen abgehoben werden konnen,
Spareinlagen und Einlagen von Kreditinstituten
zusammensetzen, entwickelte sich von 1956 auf 1957
f olgendermafen') :
-in Millionen DM 15.2, 1956 '15.2.1957
Sicht- und'Termineinlagen 17 746,6 20159,2
Spareinlagen 11687,4 13 252,3
Einlagen von Kreditinstituten 6 680,2 8 873,8
Einlagen insgesamt 36114,2 42485,3
Bargeldumlauf 12 255,9 13 222,5
Gesamtes Geldvolumen 48 370,1 55 707,8
Bei den Spareinlagen ist zu beachten, daB ein
grofer Teil davon,nicht private Einlagen surd, son-
dern aus kapitalistischen Unternehmen und selbst
aus Staatsinstitutionen stammen, da diese steuer-
begunstigt sand. -
EINIGE AKTUELLE PROBLEME DES GELDUMLAUFS UND DER KREDITPOLITIK...
Die Emissionsgr?undlage Gold und Devisen wirkte
offensichtlich nicht nur auf den Bargeldumlauf, son-
dern auch auf die Entwicklung der bargeldlosen
Guthaben. -
Der westdeutsche Geldumlauf bietet das Bfld
einer scheinbar. auBerordentlich fundierten Wah-
rung. Solche hohen Gold- und Devisenbestande hat
es nosh nie in der Geschichte des kapitalistischen
Deutschlands gegeben, aller?dings in den Zeiten der
Hochkonjunktur? auch noch nie einen solchen hohen
Geldumlauf. 1913 liefen 'an Goldgeld, Scheide-
nnunzen und Papiergeld im gesamten Reichsgebiet
etwa 6 Milliarden Mark Geld um, 1918, am Ende des
Weltkrieges, waren es rund 30 Milliarden. 1932 be-
trug der Bargeldumlauf im gesamten Reichsgebiet
ebenfalls etwa 4 Milliarden Reichsmark. Am Ende
des zweiten Weltkrieges waren es etwa 60 Milliar-
den 'Reichsmark. Gegenwartig schwankt der Bar-
geldumlauf allein in Westdeutschland zwischen 15
und 16 Milliarden DM. Die Bank Deutscher Lander
hat nach dem letzten Beschluf3 des Bankr ttes vom
Oktober das Recht, den Notenumlauf auf 16 Milliar-
den zu er?hohen, obwohl inn Jahre 1948 bei der Wah-
rungsreform die Hochstgrenze auf 10 Milliarden DM
fcstgesetzt word en war.
Durch die im Verhaltnis zu den anderen kapitali-
stischen Landern geringere Preissteigerung in West-
deutschland hat die Westmark im Verhaltnis zum
enghschen Pfund, dem fr?anzosischen Franc und
selbst dem amerikanischen Dollar und der Wahrung
anderen kapitalistischen Lander auf dem kapitalisti-
schen Weltmarkt eine Steigerung ihrer Kaufkraft
erhalten. Das heif3t, die Kaufkraft der Wahrung der
anderen Lander rst durch die Preissteigerung ihrer
Waren gesunken. Das Wahrungsverhaltnis oder der
Valutakurs der kapitalistischen Lander wurde vor
einigen Jahren festgelegt und darf nicht willkurlich
verandert werden. Daraus ergab sich, daB die West-
mark auf dem Weltmarkt eine geringere Kaufkraft
besitzt, als ihr entsprechend der Entwertung der
Wahrung der anderen Lander zukommt. Die West-
mark ist demzufolge unterbewertet.
Das hat, vie wir schon festgestellt haben, zur Folge,
daB die westdeutschen Waren auf dem Weltmarkt
billiger verkauft werden konnen, also die Preise der
Waren der anderen kapitalistischen Lander unter-
bieten konnen. Das hat zum anderen zur Folge, daB
die Einfuhr nach Westdeutschland verteuert und,
damit gehemmt wird.
Es gibt aber noch eine weitere Folge. Seit einiger
Zeit wird die Forderung nach der Aufwertung der
Westmark erhoben. Das heiBt, daB im Verhaltnis zu
den Wahrungen der anderen kapitalistischen Lander
der Wert der DM der Bank Deutscher Lander, also
der Westmark, erhoht wird. Deese Geruchte haben
dazu gefuhrt, daB auslandische Spekulanten ihr
Geld in Form von Gold und Devisen nach West-
deutschland gebracht haben, um aus einer? even-
tuellen Aufwertung Profit zu machen. Des weiteren
haben auslandische I{aufer die erwarteten Waren
schon vorfristig bezahlt, um eben falls aus einer Auf-
w,ertung Gewinn zu ziehen. $chlief3lich haben
deutsche Kapitalisten auslandische Kredite aufge-
nommen und die entsprechenden Devisen zur Bank
Deutscher Lander gebracht, um auch einen Spekula-
tionsgewinn zu machen.
Es ergibt sick demnach, daB der Gold- und De-
visenzufluf3 der Bank Deutscher Lander nicht nur
aus deco Export- und Zahlungsbilanzuberschull ent-
springt, sondern auch aus der Valutaspekulation mit
der Westmark. Man rechnet mit etwa 2,5 bis 3 Mil-
liarden dieses sogenannten ?heit3en Geldes". ?Heiles
Geld" werden diese Gold- und Devisenfli sse des-
halb genannt, veil sic jederzeit kurzfristig abgezo-
gen werden konnen, und deshalb, wenn sic als Kre-
dit von der Bank Deutscher Lander ausgegeben wor-
den Sind, bei ihrem plotzlichen Abzug eine Geld-
und Kreditkrise hervorrufen konnen.
Betrachten wir die dargesteliten Grundlagen der
Geldemission und des Geldumlaufs der Bundes-
republik, dann ergibt Bich das folgende Bild. Die
konjunkturelle Entwicklung der kapitalistischen
Wirtschaft hat in Westdeutschland durch die starke
Ausdehnung des AuBenhandeis und die daraus sich
ergebenden Zahlungsbilanzuberschusse die Gold-
und Devisenzugange zur Hauptgrundlage der
Geldemission entwickelt. Durch den Ablieferungs-
zwang von Gold und Devisen an die Bank Deutscher
Lander ergibt sich ein Automatismus der Geld-
emission auf der Grundlage des Gold- und Devisen-
ankaufs. Dadurch wurde der Geldumlauf, sowohl
der Bargeldumlauf al's auch der bargeldlose Ver-
kehr, uber das Ma13 der Entwicklung der Produktion
vergroBert. Dazu kam nosh verscharfend, daB be-
ti?achtliche Gold- und Devisenzugange aus spekula-
tiven Grunden erfolgten.
Die westdeutsche Wahrung ist aus diesen Gr?un-
den trotz der hohen Gold- und Devisenbestande
durchaus nicht stabil, sondern auBerst labil. Zu den
bisher behandelten Ursachen der Labilitat der west-
deutschen Wahrung treten nosh einige andere Fak-
toren, die wir? anschlieBend behandeln wollen.
3. Der Geldumlauf und die ?Kasseniberschusse"
des westdeutschen Staatshaushalts
Die durch den Gold- und Devisenaufkauf be-
wirkte Geldemission wirkte sich bisher nosh nicht
voll auf den westdeutschen Geldumlauf aus, veil
ihr? die Kasseniberschusse des Bundeshaushalts als
retardierendes, also bremsendes Element entgegen-
\virkte. Wir behandelten schon im Zusammenhang
mit dem westdeutschen AuBenhandel und den Ex-
portuberschussen, daB der Widerstand der deut-
schen und der internationalen Friedenskr?afte gegen
die Remilitarisierung Westdeutschlands sich gunstig
auf die Entwicklung der westdeutschen Produktion
und den Export auswirkte. Die weeder zu okonomi-
scher und politischer Macht gelangten deutschen
Monopolherren haben aber? von Anfang an, unter-
stitzt durch die amerikanischen Imperialisten, das
Ziel verfolgt, auch die .militarische Macht weeder-
herzustellen.
103
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t
I
PROF. DR. ALFRED LEM11NITZ
Dementsprechend waren die auf3enpolitischen
Vorstol3e nach der Bildung der reaktionaren
ADENAUER-Regierung, die 1953 mit dem soge-
nannten EVG-Vertrag, dem Vertrag der Europai-
schen Verteidigungsgemeinschaft, der imperiahsti-
schen Macht Westdeutschlands die Neubildung von
Streitkraften gewahren sollte. Del- Vertrag wurde
damals durch die fortschrittlichen Krafte des fian-
zosischen Parlaments, die sick auf die internatio-
nalen Friedenskrafte stutzten, zu Fall gebracht.
Zugleich mit den auf3enpolitischen Aktionen wur-
den such finanzielle MaBnahmen iur Sicherung der
Wiederaufrustung eingeleitet. Diese MaBnahmen
wurden nicht aufgehoben, als der EVG-Vertrag zu
Fall gebracht wurde. Zugleich brachte der an-
haltende konjunkturelle Aufschwung dem Bonner
Staat wachsende Haushaltseinnahmen. Das hatte
zur Folge, daB der Bundeshaushalt seit 1951 einen
wachsenden Haushaltsuberschuf3 aufweist. Die
ADENAUER-Regierung verhinderte jede wirksame
Steuersenkung fur die Werktatigen and den Mittel-
stand and vies auch die Forderung bedeutender
Unternehmerschichten nach Steuersenkungen zu-
ruck. Der Zweck diesen Steuer- and Finanzpolitik
uvurde von den Ministern der ADENAUER-Regie-
rung, insbesondere von Bundesfinanzminister
SCHAFFER and Bundeswn?tschaftsminister
ERHARD, offen ausgesprochen. Es sollte ein Fonds
fur die Finanzierung der Wiederaufrustung gebildet
wenden.
Ursprunglich wurde von Minister ERHARD die
Version verbreitet, daB es durch die Bildung des
Rustungsfonds aus den Haushaltsuberschussen,
?Kassenuberschtisse" genannt, and das durch den
konjunkturellen Aufschwung anwachsende ?Sozlal-
produkt", also das gesellschaftliche Gesamtprodukt,
moglich ware, ohne Steuererhohung and Verminde-
rung des Einkommens der Werktatigen die Auf-
rustung zu finanzieren. Das hat sich inzwischen als
eine bewuBte Irrefuhrung erwiesen, denn nach der
Schatzung der burgerlichen Fachleute smd allem
fur die sogenannte Erstausstattung eines 500 000-
Mann-Heeres mindestens 80 Milliarden Westmark
notigt). Inzwischen haben ADENAUER and seine
faschistischen Generale die Forderung nach der Aus-
rustung der neuen aggtessiven Wehrmacht mit
Atombomben, Atombombenilugzeugen, Atom-
geschutzen, Atomraketen usw. erhoben, deren Her-
stellung riesige Mittel erfordern
Durch die Kassenuberschusse wurde ein Fonds
von ca. 7 Milliarden DM der Bank Deutscher Lander
gebildet; Dieser steht naturlich in keinem Verhalt-
nis zu den eben erwahnten Rustungskosten Dieser
Fonds hatte aber auf den westdeutschen Geld-
umlauf die schon erw5hnte retardlerende Wirkung.
Die Kassenuberschusse wurden von der ADE-
NAUER-Regierung bei der Bank Deutscher Lander
depohiert, indem sic zum Tell gegen die sogenann-
1) Das Problem der Ruslungsfnanzierung - cln Diskussions-
beitrag In Heft 38 der Schriftenreihe dcs rnstituts ?Finanzen
and Steuern? Bonn 1956, Seite 18 f.
104
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EINIGE AKTUELLE PROBLEME DES GELDUMLAUFS bND DER KREDITPOLITIK.. .
ten Ausgleichsforderungen eingelost wurden, die
bei der seParaten Wahrungsreform als Grundlage
fur die Erstemission hinterlegt wurden. Die Aus-
]eichsforderungen sind Forderungen an den Staat.
g
Durch Deponierung der Haushaltskassenuber?-
schusse bei der Bank Deutscher Lander wurden
7 Milliarden DM aus der Zirkulation gezogen and
um diesen Betrag der Bargeldumlauf and die bar?-
geldlosen Guthaben vermindern. Auf diese Weise
wurde die Uberfullung der Zirkulation mit Geld
and die Mogllchkeit einer Gelclentwertung noeh
niche wirksam.
Die westdeutsche Wahrung bietet also~ein eigen-
artiges Bild. Einerseits besteht ein hoher Gold- and
Devisenbestand, der gegenwartig (Jule 1957) etwa
20 Milliarden DM groB 1st, Dieser Fonds liege fur
die westdeutsche Wirtschaft brach. Er ward nicht
zur Verstarkung der Einfuhr and damit zur Ent-
wicklung der Produktion and Konsumtion benutzt.
Fast der game Bestand an Devisen hegt entweder
als Guthaben bei den ausl'andischen Banken oder
wird in Geldmarktpapieren des Auslands angelegt.
Andererseits besitzt die ADENAUER-Regierung
einen Geldfonds von 7 Milliarden, der stillgelegt ist.
Er ist ein Gegengewicht zum Gold- and Devisen-
fonds, da letzterer niche fur die innere Wirtschaft
eingesetzt wind. Es gibt also zwei nicht produktiv
ausgenutzte Geldfonds.
Um den Rustungsfonds and die Haushaltskassen-
ubeischiisse entspann sick im Jahre 1956 ein hefti-
ger Streit. Der Rustungsfonds ei?hielt die Bezeich-
nung Juliusturm, analog dem Kriegsschatz des
ersten Weltkrieges im Juliusturm zu Spandau. Es
wurde sowohl von den Werktatigen als auch von
Unternehmerkrelsen die Forderung nach der Auf-
losung des Rustungsfonds durch Steuersenkung and
soziale MaBnahmen erhoben. Der Rustungsfonds
wurde nicht aufgelost, die Diskussion wurde durch
die Annahme des Wehrpflichtgesetzes and die Auf-
nahme Westdeutschlands in die NATO fur die
Kapitalisten gegenstandslos Die Rustung lauft an
and der AbfluB der Geldmittel aus dem Rustungs-
fonds begann.
Damit entstehen fur den westdeutschen Geld-
umlauf and fur die westdeutsche Wahrung iiber-
haupt aullerst ernsthafte Probleme. Die Auflosung
des Rustungsfonds zur Fnanzierung der Aufrustung
bedeutet, daB das bisher stillgelegte Geld weeder in
die Zirkulation flieft.
Ursprunglich wurde nun die Auffassung verbrei-
tet, daB die Aufrustung durch Einfuhren von Waffen
and Ausrustungen aus dem Ausland erfolgen solle
Daraus ergab sich, daB nicht nur die Kasseniiber-
schusse, sondern auch der Gold and Devisenfonds
zur Vorbereitung des Krieges benutzt werden sollte.
Das hatte allerdings bedeutet, daB der Geldumlauf
sich nicht vergrollert hatte, wenn die Rustungsauis-
gaben nicht mehr als 20-30 Milliarden betragen
wurden, Die Mittel aus dem Rustungsfonds waxen
zum Ankauf des Goldes'und der Devisen benutzt
worden, and diese waren in das Ausland geflossen,
Allerdings war angesichts der riesigen Ausgaben,
die der Aufbau einer modernen imperialistischen
Streitmacht verlangt, klar, daB weder der Rustungs-
fonds nosh die Gold- and Devisenbestande zum An-
kauf der Waffen and Ausrustungen ausreichen
wurden. Steuererhohungen and Auf3enhandelsdefizit
muBten sick unweigerlich einstellen.
Inzwischen haben sick aber die westdeutschen
Rustungsmagnaten erhoben and gefordert, daB sic,
am Rustungsgeschaft beteiligt werden and daB der
groBte Teil der Waffen and Ausriistungen in West-
deutschland hergestellt werden soll. Eingefuhrt
werden sollen demzufolge vor allem Rohstoffe and
Materialien fur die Rustungsproduktion. Die Ausdeh-
nung der Rustungsproduktion geht aber auf Kosten
der Produktion fur den Export, der sick vermindern
wurde, so daB auch hierbei das Ergebnis die Ve1?-
wandlung des Esportuberschusses in einen Import-
uberschuB and dadurch die Verwandlung des Zah-
lungsuberschusses in ein Zahlungsdefizit ist.
Die Entwicklung des westdeutschen Geldumlaufs
tritt damit aus dem Stadium der Labilit5t in das
Stadium der inflationistischen Zersetzung. Wir
stehen jetzt am Beginn dieses Entwicklungs-
stadiums. Darum wendet die ADENAUER-Regie-
rung immer scharfere MaBnahmen gegen die Feinde
des Rustungs- and Kriegskurses and gegen die For-
derungen der Arbeiter and der ubrigen Werktatigen
an, die sick gegen die Verschlechterung ihrer Lebens-
lage durch die Preissteigerungen wenden.
Der verhaltnismaBig gute Stand, den die west-
deutsche Wahrung infolge gunstiger? Umstande, vor
allem durch den Kampf der Friedensfreunde, er-
reicht hatte, wird durch die beutegierigen Monopol-
herren and die- kriegsliisternen Militaristen selbst
zerstort, tvie das schon im ersten and zweiten Krieg
der Fall war. Eine Beherrschung der Gesetze der
kapitalistischen Wirtschaft im allgemeinen and der
G,eldemission and des Geldumlaufs im besonderen
erweist sick, vie schon fruher, als unmoglich. Die
Kapitalisten werden in ihrem Handeln von diesen
Gesetzen beherrscht.
Daran andert nichts, daB der kapitalistische Staat
wahrend der Konjunktur bestimmte MaBnahmen
zur Eindammung, von 1.lberspitzungen oder zur
Stimulierung bestimmter Wirtschaftszweige ein-
leiten'kann. An dem zyklischen Verlauf der kapita-
listischen Wirtschaft and dem Streben der von den
okonomischen Grundgesetzen des modernen Kapita-
lismus angetriebenen Kapitalisten nach einer ge'
waltsamen Aufteilung and Beherrschung der Welt
andert sich nichts,
4. Die Diskont~iolitik der Banlc Deutscher Lander
Der Lombard- and Diskontsatz; also die Zinsen
fur beliehene and verkaufte Wechsel, rich Let sich
nach dem Angebot and der Nachfrage fur Bank-
kredit. Wie bei den Zinsen fur Leihkapital uber-
baupt, so wird auch beim Lombardieren and Diskon-
tieren die Hohe des Zinssatzes durch den Konkur-
renzkampf? zwischen den Leihkapitalisten, den Ban-
kieis and den Industrie- and Handelskapitalisten
bestimmt.
Einen wesentlichen EinfluB auf Angebot and von
Nachfrage nach Bankkredit ubt der zyklische Ver-
lauf des kapitalistischen Reproduktionsprozesses,
aus. In der Depression, beim tlbergang zum kon-
junkturellen Aufschwung and in der Hochkonjunk-
tur 1st verhaltnismaBig viel Leihkapital, also Kredit-
mittel, vorhanden bzw. ist durch den Aufschwung
der kapitalistischen Wirtschaft der Kredit im all-
gemeinen and der Bankkredit im besonderen flussig
and der Lombard- and Diskontsatz niedrig. Kurz
vor Ausbruch der fberproduktionskrise and wah-
rend der Krise selbst, wenn das Kreditsystem funk-
tionsunfahig wind and zusammenbricht,1st die Nach-
f rage nach Bankkredit hock, die Wechsel sind aber
sehr unsicher, daher ist der Lombard- and Diskont-
satz sehr hock.
Es gibt aber auch innerhalb des zyklischen Ab-
laufs zwischen Krise, Depression, Belebung, Auf-
schwung and Krise normale and anomale Schwan-
kungen des Angebots and der Nachfrage nach I{re-
dit auf dem sogenannten Geldmarkt, das 1st das
Aufnehmen and Begeben von kurz- und mittel-
fristigen Krediten. Langfristige Kredite gibt es auf
dem Kapitalmarkt. Solche normalen Schwankungen
sind das Zusammenf alien bestimmter? Zahlungs-
termine fur Lohn- and Gehaltszahlungen, Steuern
and Abgaben, Dividendeausschuttungen usw. Ano-
male, aber sick aus dem Wesen der kapitalistischen
Wirtschaft ergebende Schwankungen auf dem Geld-
markt and damit bei den Lombard- and Diskont-
satzen, entstehen auf Grund von Spekulationen
bzw. Fehispekulationen mit Waren and Wertpapie-
ren oder auf Grund von Naturkatastrophen and ge-
sellschaftlichen Katastrophen.
Im vergangenen Jahre (1956) konnte man eine
bedeutende Bewegung des Lombard- and Diskont-
satzes der Bank Deutscher Lander beobachten. Der
Lombard- and Diskontsatz der Bank Deutscher
Lander entwickelte sich folgendermaBen:
(Tabelle siehe 'nachste Seite)
War nun die nicht unbetrachtliche Erhohung des
Lombard- and Diskontsatzes der Bank Deutscher
Lander im Jahre 1956 ein Zeichen dafur, daB sich
die westdeutsche Wirtschaft am Beginn einer tlber-
produktionskrise befand? Konnte man dann ande-
rerseits die Senkung des Lombard- and Diskont-
satzes als ein Anzeichen dafur werten, daB die
drohende Krise uberwunden wurde? Oder handelte
es sich um eine der erwahnten normalen oder anor-
malen Anspannungen?
Von den herrschenden monopolkapitalistischen
Kreisen and den burgerlichen ~konomen wurde
die Veranderung des Lombard- and Diskontsatzes
als bewuBte von der Leitung der Bank Deutscher
Lander betriebene Konlunkturlenkungspolitik an-
gesehen.
105
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EINIGE AKTUELLE PROBLE1t1E DES GELDUAILAUFS UND DER KREDITPOLITIK...
PROF. DR. ALFRED LEM %1N1TZ
Entcklung der Lombard- and Diskontsatze
der r Bank Deutsdler Lander (B_undesbank)
nul)erhslb des
Zentrdbmksymems
rm Vetkehr
mit Kredunchmern
Diskont Lombud
1948 5 6
1949 27.5. 4t/` 51
14.7. 4 5
27 10 G 7
Ito Verkehr mit den
l.+ndcszentritbmken
and der Berliner
Zemrslbmk
Diskont Lombard
19)0 3 4
1951. 1:1, 2 3
1952 29.5, 5 G
21.8. 41/2 51 11 21/2 1953 , 8.1. 4 5 1 2
11.6. 31/) 41 1/., 11/a
,
1954 20.5. 3 4 1/2 1
1?
31/. 41/= 1/2 1/-
1955 4.8?
1, 2/?-
1956 8. 3, 4/~ 1 41? 1./ 1
19.5. ~ 51/ 61/2 21 31/2
6.9, 5 6 2 3
1957 11.1. 41/~ 51/ 11 21/2
Queue: Monatsberichte
Februar 1957
darin, daB der Lombardsatz in drei tapeen von
4 i
and der Dlskontsatz von 3
t/: auf G1? a Prozent ,de sondern daB die
auf 51 Prozent erhoht wu1 '
Bank den Krems der
iskontfahigen Deutscher Lander zugleich ie
Wechsel emschrankte, indem s
red
ein bestimmtes ontmgent festsetzte and die soge-
K
hohte
?
.
atze ei
nannten NImdestreserves
Bnahmen der Kreditrestriktion
Gegen diese Ma dem Voisitzendeq-
erhob die Schwerindustrie mlt
bandes der deutschen lndusti
des Bundesver ie BERG
an der Spitze and der Bundeskanzler ADENAUER
Verd'actitlgerweise
selbst einen energischen Protest. chian
kung die Interessen der G sic nicht, daB durch die Kreditems
rklarten s roBindustrie gefahrdet mmoiden s ? kleinen
lndustiiellen, eien, Handwerker die Interessen der -
and Bauern. Sic fonder
ten ?billiges Geld'`.
Die ?11 ?tschaftlichen Interessen der Kleinindu-
r
werker and Bauern wurden in der
striellen, Hand
Tat dutch die Kritrestrik ?tlonspolitik stark be-
ed
sie sind in erster Lime auf den kurz-
unhrt, Bend it angewiesen. Die GroB-
nd mittelfristigen Kied
industriellen wurden uberhaupt nicht von der Kre-
iteinschr?anlung betroffen. Warum dann das Ge-
rseits uber die ,, berhitzung der Kon-
schrei d erne.
junktui" and die ,;Lohn-Preis-Spirale" and ande-
rerseits gegen die Kreditrestriktion?
Nun die westdeutsche Wirtschaft zeigte wirklich
starke, durch die Hochkonjunktm bedingte Anspan-
en vor allem in der Schwermdustrie, aber von
dung
dem Ausbru"h einer Krise konnte nosh nicht die Rede sein. Es handelte sick bei den 1VIa6nahmen der
Bank Deutsche" Lander, die sowohl von Bundes-
w1rtschaftminister ERHARD als auch von Bundes-
finanzminister SCHAFFER gebilligt worden waxen,
emmal darum, die Ausdehnung des Geldumlaufs,
die die Gefahr ewer inflationlstischen Entwertudg
des Geldes enthalt, zu begegnen and zum anderen
17berleitung der westdeutschen Wirtschaft auf
die 5
die Ruistungsproduktion vorzubereiten. Um die
letztere erreichen zu konnen, muB die zivile Pro-
duktion and demzufolge auch Investition zugunsten
R" tun sproduktion and -investition einge-
us
d
der Bank Deutsche" Lander
Einige Zeit vor der Erhohung des Lombard- and
Diskontsatzes der Bank Deutscher Lander gab es
sowohl im Bundestag als auch in den Zeitungen
und Zeitschriften Westdeutschlands eine heftige
Diskussion uber die Entwicklung der Konjunktu".
-
Dabei wurde besonders vom Bundeswirtschafts
minister ERHARD vor einer ?liberhitzung der Kon-
n
lnktur" gewarnt. Die Ursache fur diese Diskussion
1t
war, daB dutch den konjunkturellen Aufschw,ung
die Produktionskapazitat der Grundindustlien,
{ohie, Metallurgic, Elektroenergte, angespannt
I
waxen and die Preise stark zu steigen begannen.
Andererseits stieg auch die Zahl der Beschaftigten,
and die Arbeiter and Angestellten erkampf ten sick
Lohnerhohungen. SchlieBlich mufite drittens die
Ploduktionskapazitat fur die Rustungswirtschaft
estellt werden. Aus diesen Grunden bestand
eitg
l
t
.
a
eine groBe Nadmfrage audi nach Geld-Kapi
in
g
el kt
schrei uber die ?yberhitzuiig" der Kon-
nd das Ansteigen der Lohne gebremst
G
D
e
a
as
junktui uclmtet siclt beso ,nders s gegen die Lohn- schran Mini- werden.
forderungen der Arbeiter and Angestellten. iffe"enzen znlschen der von ERHARD and
r
hor ERHARD u nd die der ? ADENAU'ERifien-Regierung ereiferten Die DSCHAFFER unterstutzten Kreditpolitk der Bank
ster '
? n Presseorgane and Zeitscln n von ADENAUER unter-
sich u -Pi ? is-S irale", and ERHARD Deutsche" Lander and e
sick ber die rLohn e p eide- stutzten Auffassungen der Schwerindustrie bestan-
rderte die Abeiter auf, ma6iger and beach tere moglichst eine inflationisti-
der zu leben, den darin, dab ens
Glei ache Entwertung der n?estdeutschen \tiahrung vor
eine 'clmzeitis ~ wurde die These erortert, daB dutch 'llem in bezug auf die Stellung 14estdeutsrhlands
Einsdmrankung des Kredits; durdm'eme Kredit- ? ?auf, dem kaprtalistrschen Weltmarkt vermeide
triktion die Na"hfrage Hach Kredit vermindert mochten, wahrend letztere gerade mit Hue des ?bil-
and ri
ees
auf diesem Wege die \Tachf"age Wadi Produk- hen Geldes, d. h. Burch eine Geldentw=ertung; die
tionsmitteln udd Arbeitskraften vermmdert wen; stifle Finanzierung der Aufrustung betreiben and
?de sollte. Dadurch wurde die ;,flberhitzung der dadu"ch die Lohnerhohungen der Arbeiter illuso-
K nonl ?unl.tur , also der Ausbruch einer Krise, ver-
hindert werden. Die Leitung der Bank Deutscimer "mach machen n ollen.
Krediteinschrankung. er-
I~reditrestriktio te iese These and betrieb eine Der Wiederaufbau der
Lander Ver kti0 m d 1estand nlcht nur weckte den Eindruck, als ob es durch die MaBnah-
nspolitit .. Diese a
106
It '
men der Bank Deutscher Lander tatsachlich gelun-
gen sei, die ?Uberhitzung der Konjunktur" zu
dampfen. Aber nichts dergleichen ist 'geschehen.
Die Entwicklung des westdeutschen Geldumlaufs,
die wir schon aufgezeigt haben,1a13t erkennen, daB
in der Zeit vom Februar 1956 bis zum Februar 1957
das Geldvolumen nicht nur nicht abgenommen,
sondern um uber 7 Milliarden zugenommen hat,
darunter der Bargeldumlauf um 1 Milliarde DM.
Im einzelnen vollzog sick die Entwicklung des
Geldvolumens folgenderma6en:
Entwicklung der Einlagen and des Bargeldumlaufs von Januar 1956 his Februar 1957
C C
s~
C C 1 , ?~ C
y u ?V V ?' '~ ! NE
o c a fi ti o a C `9_ a o-
E c A x.. CUT..-. u c E n'E a` m o~P.
1e -E' - a ?9 -
u'c ? 'u ro o a 0^, s. C o? '0C
c E;Eq=, c E?5':
c u v . u - " u
C c' a-?c ?Ecn oEo u c: o-? yuun ~~?m
~. u?u u v^ uao~=E ii n ? "? ?i E.= q. p_
132
Und Wenn eine Kennziffeenrefhe entwickelt werden
soil, um uber eine Reihe von Zeitraumen die schi?itt-
weise durchschnittliche V~randerung der Einzel-
handelspreise darzustellen, mull die Warengesamt-
heit des (letzten) Berichtszeitraumes zugrunde e-
legt werden, in dem Sinned g
W aB ruckwirkend die
arengesamtheit des Berichtszeitraumes mit den
Preisen aller einzelnen Zeitlaume bewertet wird
and die so gebildeten Kaufsummen auf die nach
dem gleichen Verfahren gebildete Kaufsumme des
Basiszeitraumes bezogen werden, so daft z. B. fol-
gende Kennziffernreihe vorliegt:
.~ q,P, .: gspa gips
,
qo Po ~' q. Po .~ qs Pa .~ qr' pu
Jede einzelne_dieser K
ennziffern charakterisieri
dann die durchschnfttliche Preisentwicklung eines
Zeitraumes gegenuber dem Basiszeitraum auf
Grund der Warengesamtheit des letzten Zeitrau-
mes. Es handelt sich also in jedem Falle um einen
konkret deutbaren Ausdruck der durchschnitt-
lichen Preisentwicklung. Da aber die fur jeden del'
Vergleichszeitr:aume zugrunde gelegte ?Warenge-
samtheit nur im letzten Zeitraum aufgetreten ist
and damit nur der Vergleich der Preissummen des
letzten Zeitraumes mit dem Basiszeitraum bzw. des
letzten Zeitraumes mit alien anderen Zeitraumen
sinnvoll ist, kann zwar auf die durchschnittliche
Preisveranderung zwischen dem letzten Zeitraum
and jedem beliebigen anderen Zeitraum, aber nicht
zwischen zwei beliebigen Zeitraumen geschlossen
werden, das heif3t auch, es ist auf Grund dieser?
Kennziffern nicht moglich, die durchschnittliche
Preisentwicklung zwischen dem Basiszeitraum unci
den einzelnen Zeitraumen mit Ausnahme des letz-
ten Zeitraumes darzustellen.
DaB auf Grund einer Kennziffernreihe der durch-
schnittlichen Preisveranderung, der einheitli
ch die
Umsatzstruktur? des letzten Zeitraumes zugrunde
liegt, auf die durchschnittlfche Preisveranderun
zwischen jedem einzelnen Zeitraum?
and den letz
ten Zeitraum geschlossen werden kann, ergibt sich
aus der Betrachtung der Kennziffern in ihrer all-
gemeinen Forim So reduziert sich z. B. das Ver-
haltnis der Kennziffern
qh P?r qa ps
., qs Pa ~' qs Pu
auf den deutbaren and
shnnvollen Preissummeri-
vergleich
Durch diese Indexreihe kann also die durchschnitt-
liche Preisveranderung auf Grund der Struktur
des letzten Zeitraumes uber erne ganze Reihe von
Zeitraumen dargestellt werden, and damit wird
aufgezeigt, vie die durchschnittliche Preisentwidc
lung seit dem Basiszeitraum verlief. Aus dieser
Indexreihe kann aber nicht auf die to "
tsachhche
durchschnittliche Preisentwicklung iwischen den'
einzelnen Zeitraumen geschlossen werden,? da die
Umsatzstruktur nur von letzten Jahr? zugru
nde
gelegt wurde and bei dem Vergleidh der Preis-
summe von zwei beliebigen Zeitraumen nicht die
Umsatzstruktur eines dieser Zeitraume berucksidr-
tigt wird,
Die Ermittlung dieser Kennziffernreihe erfordert
einen betrachtlfchen hoheren Arbeitsaufwand als
die entsprechende Kennziffernreihe auf Grund der
Umsatzstruktur der Basisperiode, da fur jeden ein-
zelnen Zeitraum, der zwischen dem Basis- and dem
letzten Berichtszejtraum liegt, mit jedem neuen
Zeitraum eine Neuberechnung der Kennziffer
der
durchschnfttlichen Preisveranderung erfol en mull
veil die durchschnittlfch g
e Preisentwicklung jeweils
auf Grund der Warengesamtheit des letzten Be-
richtszeitraumes and des jeweiligen Preisniveaus
bestimmt wird.
Wenn darum auch grundsatzlich zur umfassende-
ren Kennzeichnung der durchschnittlichen Preis-
entwicklung uber eine Reihe von Zeitraumen beide
Kennziffernreihen, also sowohl die Reihen der-
Kennziffern mit der Warengesamtheit des ersten
als auch des letzten Zeitraumes der betrachteten
Periode erforderlich sind, wird aus Grunden der
Arbeitsersparnis eine Beschrankung auf die
Kennziffernreihe mit der Warengesamtheit des
Basiszeitraumes in vielen Fallen erforderlich sein.
Diese Beschrankung kann akzeptiert werden, Wenn
bei der Analyse beachtet wird, daB es sich hierbei
zwar um eine richtige, aber dock einseitige Dar-
stellung der durchschmttlichen Preisentwicklung
handelt. Diese einseitige Darstellung der durch-
schnittlichen Preisentwicklung wird um so ungenu-
gender and fuhrt um so eher zu falschen Sch1uB-
folgerungen, je grofler der Unterschied zwischen
der Struktur des Umsatzes im ersten and letzten
Zeitraum 1st. Da grundsatzlich dieser Unterschied
mit der Lange der Zeit zunimmt, ist es nicht zu
empfehlen, fur einen l ingeren Zeitraum (mehr als
funf Jahre) oder auch bei kleineren Zeitraumen.
wenn grof3ere Strukturveranderungen eingetreten
sind, die Preisveranderungen nur auf Grund einer
Indexreihe auszudrucken.
Die Unmoglichkeft, durch eine Indexreihe sowohl
die durchschmttliche Preisentwicklung von Zeit-
raum zu Zeitraum als auch uber eine Reihe von
Jahren hinweg darzustellen, liegt - vie bereits aus-
gefuhrt -am Wesen der durchschnittlichen Preis-
entwicklung begrundet. Darum konnen auch alle
Verfahren, die verschiedentlich entwickelt,wurden,
um diese Aufgabe doch zu lasen, nicht zum Erfolg
fuhren.
Der sogenannte Kettenindex wurde z. B. vpn
einer Vielzahl von Statistfkern als das beste Mittel
angesehen, um theses Problem zu losen. Der Ketten-
index mit variabler Basis, gleichgultig, ob die ein-
zelnen Gliederindizes auf Grund der Umsatzstruk-
tur des Basis- oder Berichtszeitraumes (der jeweils
benachbarten Zeitraume) gebrldet sind, null aber
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von vornherein aufier Betracht bleiben, da er
Mengen- and Preisveranderungen gleichermatien
zum Ausdruck bringt and im Hinblick der Messung
einer durchschnittlichen Preisentwicklung nicht
konkret deutbar ist.
Der Kettenindex mit variables Preisbasis, aber
konstanter Struktur der Gliederindizes') ist konkret
deutbar and fuhrt auch zu einem sinnvollen Aus-
druck der durchschnittlichen Preisentwicklung, aber
die einzelnen Gliedkennziffern charakterisieren
nicht die tatsachliche durchschnittliche Preisent-
wicklung zwischen den benachbarten Zeitraumen,
~) z. B. qu pi qu p: qo Pa ~ qo P~ ~, qn _
..~~ qo pu qu pi ? qo P: . qo P8 qo po
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da sic die Preisveranderung jeweils auf die Waren-
gesamtheit des (1.) Basiszeitraumes beziehen.
Damit kann zusammenfassend festgestellt wer-
den: Es kann durch e i n e Kennziffernreihe die
durchschnittliche Preisentwicklung uber eine ganze
Reihe von Zeitraumen dargestellt werden, and zwar
zur eingehenden Analyse auf Grund der Kennziffern
mit der Umsatzstruktur des ersten and letzten Zeit-
raumes. Auf Grund der g 1 e i c h e n Kennzifferr
reihe kann aber n i c h t die durchschnittliche Preis
entwicklung zwischen beliebigen Zeitraumen der
betrachteten Periode aufgezeigt werden. Dieses 1st
kein Mangel der statistischen Kennziffer oder der
statistischen Methodologie, sondern ist im Wesen
der ?durchschnittlichen Preisveranderung" be-
grundet.
Volkswirtschaf tliche Fakultat
Arstitut f itr Preise Direktor Dr. Herbert Baum
Ajs Manuskript gedruckt!
in Form der Produ a
ktionsabbabe in der Volkswirtschaff
der Deu
tschen Demokratlschen Republik
Zur
Realisieru
n des zentralisierten eine'
R lnkommens des Staa
g tes
Von HERBERT BAUM
Die Einfuhrurrg and Anwendung der Produktions-
abgabe in der volkseigenen Industrie der DDR stellte
der Wirtschaftspraxis and der Wirtschaftswissen-
schaf t eine Reihe neuer Probleme. Eines der wesent-
lichsten - man kann vielleicht sogar sagen, das
grundlegende iiberhaupt - ist bis heute nosh nicht
oder zumindest ungeniigend geklart. Es handelt sick,
ganz allgemein ausgedruckt, um die Frage, wo, d, h.
in welcher Stufe der Produktion oder auch Zirku-
lation der wesentliche Teil des Mehrproduktes in
Form der Produktionsabgabe im Preis der Erzeug-
nisse der volkseigenen Industrie realisier?t and dem
Staatshaushalt als zentralisiertes Reineinkommen
des Staates zur Finanzierung der Volkswirtschaft
and anderer staatlicher Aufgaben zur Verfugung
gestellt werden soil.
Bekanntlich spielte in der Theorie and in der
Praxis der Preisbildung in der Sowjetunion die
These von der Realisierung des groBten Teils des
zentralisierten Reineinkommens des Staates in den
Preisen der Erzeugnisse der Abteilung II bzw. in der
Endstufe der Produktion eine wesentliche Rolle.
Auch in der DDR wurde in der Preisbildung der
letzten Jahre angestrebt, einen wesentlichen Teil
des zentralisierten Reineinkommens des Staates in
Form der Produktionsabgabe moglichst in der End-
stufe der Produktion zu realisieren. Mit der Neu-
regelung von Preisen fur Produktionsmittel war
deshalb oft eine Verlagerung von zentralisiertem
Reineinkommen in Form der Produktionsabgabe in
die folgenden Stufen verbunden. Die Konsequenz
waren Produktionsmittelpreise, die wesentlich unter
dem Wert lagen. -
Sowohl auf Grund bestimmter Erfahrungen in der
Praxis. als auch bei dem Versuch einer theoretischen
Begrundung dieser These tauchten Zweifel an'ihrer
Richt}gkeit bzw.zumindest an ihrer?Allgemeingultig-
keit auf.
In der Praxis gibt es z. B. Hinweise dafur, daB das
Volumen der aus einer bestimmten Stufe verlager-
ten Produktionsabgabe in den Folgestufen nicht im
gleichen Umfang realisiert werden konrite, d. h., daB
dem Staatshaushalt durch die Zersplitterung des
verlagerten zentralisierten Reineinkommens and
durch die damit verbundene erschwerte bzw. un-
mogliche Kontrolle uber den Verbleib des verlager-
ten zentralisierten Reineinkommens Mittel zur
Finanzierung der Volkswirtschaft verlorengehen.
Vor allem die Existenz der privaten Wirtschaft
machte die Preisbildungarbeit in dem MaBe kompli-
zierter and in ihrer Auswirkung unubersichtlicher,
\vie versucht wurde, die These von der Verlagerung
der Produktionsabgabe zu verwirklichen.
In bezug auf die Rolle des Preises bei der Beurtei-
lung der wirtschaftlichen Tatigkeit and des okono-
mischen Nutzens des AuBenhandels gab and gibt es
in der Praxis versehiedene bzw. ausgesprochen ent-
gegengesetzte Auffassungen.
Die Verlagerung des groBten Teils des zentrali-
sierten Reineinkommens in die Endstufe der Pro-
duktion hat auch politisch-ideologische Auswirkun-
gen auf die Werktatigen. Die Menschen in den be-
treffenden Betrieben wissen, daB in den Preisen der
Erzeugnisse, die sic herstellen, ein hohes zentrali-
siertes Reineinkommen enthalten ist. Damit ent-
steht oft die Frage bzw. die Forderung nach Sen-
kung der Preise fur diese Erzeugnisse, obwohl oko-
nomisch keine Begrundung dafur? gegeben ist. Der
Gegner nutzt diese Unklarheiten auf jeden Fall aus.
Wenn diesen Auswirkungen der Verlagerung durch
entsprechende Aufklarung auch entgegengewirkt
werden kann, und.wenn diese Auswirkungen auch
kein entscheidendes Kriterium dafur sind, ob die
Verlagerung richtig oder falsch ist, gehoren sic dock
zu den negativen Erscheinungen der Realisierung
des groBten Teils des zentralisierten Reineinkom-
mens in der Endstufe der Produktion.
Auch bei den theoretisch~n lJberlegungen des Fur
and Wider der Verlagerung schob sich.immer deut-
licher neben der Forderung nach Verlagerung des
zentralisierten Reineinkommens in die Preise, der
Erzeugnisse der Abteilung II ein 'anderer Grundsatz
in den Vordergrund: namlich Preise zu bilden and
anzuwenden, die dem -gesellschaftlich notwendigen
Arbeitsaufwand and damit dem Wert entsprechen.
Anders ausgedriickt heiBt das, den Wert and damit
das zentralisrerte Reineinkommen des Staates dort
zu realisieren, wo er bzw. es entsteht. Obwohl es
135
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F
also Hinweise gab, die zumindest darauf aufinerk-
sam machten, daB in bezug attf die These von der
Verlagerung des zentralisierten Reineinkommens
des Staates in die Endstufe der Produktion nicht
alles so klar war, wie es schien,i) wird der AnstoB
zur grundlichen Diskussion dieser Problematik erst
jetzt durch die in der Sowjetunion in ,Gang befind-
lichen Diskussion gegeben. Die Diskussion in der
Sowjetunion zeigt unter? anderem, daB jetzt die Rich-
tigkeit der bisher vertre
tinen These von der Reali-
sierung des grol3ten Teils des zentralisierten Rein-
einkominens des Staates in der Endstufe der Pro-
duktion angezweifelt wird.2) Das ist einGrund mehr,
wenn er auch nicht' zum ausschlaggebenden hatte
werden brauchen, diesen ganzen Fragenkomplex
unter Beachtung der konkreten Bedingungen der
Ubergangsperiode in der DDR grundlich zu unter-
suchen and zu klaren.
Dazu gehort die Erarbeitung einer richtigen theo-
retischen Konzeption, fernce ausgehend von dieser
Konzeption eine grundliche Auswertung der bis-
herigen Erfahrungen der Verlagerung and der Aus-
wirkungen der dadurch entstandenen Preise, weiter-
bin eine Untersuchung dce Auswirkungen, die silt
ergeben wurden, wenn das Reineinkommen im Prin-
zip dart realisiert wurde, wo es entstanden ist. Dar-
uber hinaus mussen auch die Methoden vervollstan-
digt bzw. gefunden werden, mit deren Hilfe die e3n-
zelnen Preiselemente so ermittelt werden konnen
daB die zu bildenden Preise dem als richtig erkann
ten Grundsatz entsprechen. Es handelt sick also um
einen Komplex von Problemen, die nicht von heute
auf morgen gelost werden konnen. Deshalb durfen
wir uns auch nicht dazu verleiten lassen, Schritte zu
tun, deren Auswirkungen nicht mit Sicherheit zu
ciner wirk]ichen Verbesserung in der Preisbi]dung
and damit in der Ausnutzung der Preise in der ge-
samten sozialistischen Wirtschaftsfuhrung fuhren.
Inn foigenden wird versucht, emige Gedanken dar-
zulegen, die bei der Klarung der zu losenden Fragen
Bedeutung haben werden.
Von entscheidender? Bedeutung fur die richtige
Beantwortung der Frage, in welcher Stufe der Pro-
duktion bzw. Zirkulation der grof3te Teil des Mehr=
produkts als zentralisiertes aeineinkommen des
Staates realisiert werden soil, ist der Ausgangs unkt
der dafur notwendi en Uberiegun ? p
g gen.
Dei? Produktionsabgabe als einer Form des zen-
tralis?erten Reineinkommens des Staates wurden
bisher bekanntlich, and zwar begrundet oder un-
begrundet, mehrere Funktionen, Eigenschaften, Be-
stimmungen oder tvie man die Rolle der Produk-'
tionsabgabe in dei? sozialististhen Planwirtschaft
auch nennen mag, zugeschrieben. Es sei hier er-
innert an die Thesen von der Produktionsabgabe als
1) Siehe z. B. auch: wissenscimfulche Zeltschrift der Hoch-
schule fur Okonomie, Berlin, Heft 1f1957, S 70 bls 77.
2) Zur Zeit der Ausarbeltung des Mnnuskrlpt rag das Heft
8/1957 der ?Sowietwissenschaft? (Gesellschaitswissenschaftuche
Beltrlige), In denn eine Reihe von Diskussionsbeltrligen zu die-
ser Problematik enthallen sind, 'nosh nicht var.
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okonomischer Hebel, als Kontrollinstrument, als
Faktor der Finanzierung des Staatshaushaltes, als
Element der Preispolitik usw. Die Beantwortung deI'
oben aufgeworfenen Fragen erfordert aber vbr
allem erst einmal eine eindeutige okonomische Be-
stimmung, Charakterisierung der Produktionsab-
gabe. Dadurch wird auch die weitere Untersuchung
erleichtert, in welcher Stufe der Produktion die Pro-
duktionsabgabe realisiert and demzufolge deco
Staatshaushalt zur Verfugung geslellt werden soil.
Aul3erdem wird es dann auch leichter moglich scin,
zu bestimmen, welche okonomische Funktion , die
Produktionsabgabe tatsachlich ausuben kann.
'C? *
*
Die in der Volkswirtschaft der DDR hergestellten
Erzeugnisse werden als Waren produziert (von den
Unterschieden des Charakters der Waren in der
volkseigenen, in der genossenschaftlichen and in der
privaten Wirtschaft wird bier abgesehen). Die Er-
zeugnisse der volkseigenen Industrie sind also
Waren and haben demzufolge'emen Wert. Der Preis
ist der vom Staat planmaBig festgelegte Geldaus-
druck des Wertes.
Der Geldausdruck der verbrauchten vergegen-
standlichten Arbeit and des Teiles der lebendigen
Arbeit, fur den die Produzenten unmittelbar inFor'm
des Lohnes bzw. Gehalts einen Teil des durch die
ilebendige Arbeit geschaffenen Neuwerts erhalten, ;
sand die Selbstkosten. Der Geldausdrud; des and61 `,
ren Teiles des Neuwertes, des MehrProdukte is~I r ,
in ~
;in der volkseigenen Industrie in dei? DDR der !!
win GE
n and clie Produktionsabgabe. Selbstkosten, Ge-~
ausdruck der einzelnen Bestandteile des Wertes un
als soiche Bestandteile odei? Elemente des Preises.
Die Festsetzung der Hohe der Produktionsabgabe
fur ein Erzeugnis oder eine Erzeugnisgruppe oder
aueh die Entscheidung, in welcher Stufe der Piro-
duktion die Produktionsabgabe realisiert werden
soli, hangt also unmittelbai? von der Gestaltung dei?
Preise ab. Es gibt, was die okonomische Rolle der
Pioduktionsabgabe betrifft, keine Frage, an die nicht
in erster Linie unter denn Gesichtspunkt der oko-
nomischen and politischen Funktion des Preises in
der sozialistischen Planwirtschaft herangegangen
werden mul3te. Das ergibt sick mit Notwendi keit
daraus, daB durch'die vo g
m Staat festgelegte Hohe
der Produktionsabgabe die Hohe des Preises and
die Preisre]ationen and damit natiirlicll die okoRo-
mische Wirkung des Preises bzw. des Preissl/stems
in der sozialistisehen Planwirtsch aft schlechthin be-
einfluJtt. werden. Der Preis fur die Erzeugnisse der
volkseigenen Industrie hat in der sozialistisclien
Planwirtschaft; and zwar sowohl unter dem Ge-
sichtspunkt seiner einzelnen Elemente als auch unter
dem Gesichtspunkt der Wirkung des Preises als
Ganzes, als Geldausdruck des Wertes mehre're and
umfassendere (weitergehende) okonomische Funk-
tionen als die Produktionsabgabe. Da die Realisie-
rung des zentralisierten Reineinkommens des Staa=
tes in Form der Produktionsabgabe seibst ein sehr
ZUB REALISIERUNG DES ZENTRALISIERTEN REINEINI(OM111EN5 DES STAATES ...
wichtiges, aber eben nur eines der bei der Gestal- unterstutzen and fordern sollen All e e diese bisher
tung derPreise and desPreissystems fur industrielle entwickelten and bekannten and bei der Preisbil-
Eizeugnisse zu beachtenden prenspolitischen Erfor- dung mehr oder weniger berucksichti ten G)und-
dernisse darsteilt, ist zu prufen, welshes Gewicht die satze der Pr ' g
elspolitik lassen sick letzlen Enfles auf
verschiedenen preispolitischen Erfordernisse oder einige wenige grundlegende Erfordernisse dcr P1'ei3-
auch Grundsatze, in bezug auf die Gestaltung der. politik zuriickfiihren:
Preise and damit des gesamten Preissystems fur in-
dustrielle Erzeugnisse haben, vie diese Erforder- 1. Der Preis als Geldausdruck des Wertes and da-
nisse niiteinander in Einklang zu bringen sind mit mit als Geldausdruck and gleichzeitig als Me13
deco Ziel, die bestmogliche okonomische Wirkung instrument des gesellschafthch notwendigen At'-
-
der Preise in der sozialistischen Planwirtschaft zu
erreichen.
Es handelt sick dabei letztlich um die Unter-
suchung eines Teils der Wirkungsmoglichkeiten der
Preise in der s6zialistischenPlamvirtschaft derUber-
gangsperiode in der DDR and der sich daraus er-
gebenden preispolitischen Grundsatze oder Erfor-
dernisse.
Bisher unbestritten 1st die Erkenntnis, daB bei der
Preisbildung in der sozialistischen Planwirtschaft
die Existenz and Wirkung des Wertgesetzes zu be-
achten ist, daB das Wertgesetz mit Hilfe einer plan-
mal3igen Preisbildung, and Gestaltung des gesam-
ten Preissystems zur Planung der Volkswirtschaft,
zur Erfullung and Ubererfullung and zur Abrech-
beitsaufwandes muB bewu13t so festgelegt wer-
den, daB er diese objektive okonomische Grolie
so genau vie moglich widerspiegelt; denn reale.
der Wirklichkeit moglichst entsprechende okono-
mische Grol3en in Form der Preise sind fur die
Planung der Volkswirtschaft, fur die gesamte
tvirtschaftliche Tatigkeit zur Erfullung and Uber-
erfullung der Wirtschaftsplane, fur die Abrech-
nung der' Wirtschaftsplane, d. h, fur die gesamte
sozialistische Wirtschaftsfuhrung unabdingbare
and zugleich bestmogliche Voraussetzungen.
Reale, den okonomischen Verhaltnissen"bestmog-
lich' entsprechende okonomische GroBen sind eine
Voraussetzung fur eine erfolgreiche wirischaft-
liche Tatigkeit im Sozialismus, fur die objektive
Feststellung des okonomischen Nutzens and des
okonomisch
E
b
i
d
?
en
rge
n
sses
ei
wirtschaftlichen
der planmaBigen proportionalen Entwicklung der Tati g
keit im Sozialismus.
Volkswirtschaft auszunutzen ist. Das gilt auh fur die Preisbildung fur industrielle Erzeugnisse 2. Die Preise bzw. das gesamte PreissYstem mussen
Die Moglichkeit and die Notwendigkeit der Aus- so gestaltet werden, daB mit ihrer Hilfe der pro-
nutzung des Wertgesetzes in der Preisbildung er-
fordeit Klarheit daruber, tvie die Preise and das
gesamte Preissystem fur industrielle Erzeugnisse
gestaltet werden mussen, damit die Preise auch in
der gewollten Richtung wirken konnen. Oder anders
ausgedruckt: Welche weiteren and konkreteren
Grundsatze odei? Erfordernisse mussen bei der Preis-
bildung and der Gestaltung des gesamten Preis-
systems fur industrielle Erzeugnisse beachtet wer-
den, damit die Preise fur industrielle Eezeugnisse
in alien Bereichen der Volkswirtschaft die sozialisti-
sche Wirtschaftsfuhrung unterstutzen, fordern,
positiv beeinflussen?
Es ist bekannt, daB in den vom Ministerrat der
DDR beschlossenen Grundsatzen der Preispolitikl)
eine ganze Reihe von Forderungen festgelegt wor-
den sind, durch deren Beachtung bei der Preisbil-
dung die Durchfuhrung der versehiedensten okono-
mischen Aufgaben durch die Preise mehr oder
weniger wirksam unterstutzt werden kann. Die Be-
achtung der vom Ministerrat der Regierung der DDR.
beschlossenen Grundsatze der Preispolitik gewahr-
leistet also eine Wirkung der Preise in der eben ge-
forderten Richtung. Es sei hier nur an Hand einiger
I3eispiele daran erinnert, daB die Preise die Festi-
gung der wirtschaftlichen Rechnungsfuhrung, die
Senkung der Selbstkosten, die Erhohung der Ai?-
beitsproduktivitat, den technischen Fortschritt, die
Abstimmung zwisehen Kauf- and Warenfonds usw.
1) Bekanntmachung des Beschlusses des M)nisterrats der Re-
gierung der DDR Aber die Grundsatze der Preispollt)k in der
DDR vom )7.2.1953, BGl der DDR, Nr. 22/1953.
duzierte Wert planmaBig realisiert wird. Das ist
ein Erfordernis der einfachen and erweiterten
Reproduktion unter den Bedingungen der Waren-
produktion, and zwar im betrieblichen and ge-
samtwirtschaftlichen MaBstab, ein Erfordernis
der Realisierung and planmaBigen Verteilung
des realisierten Volkseinkommers, ein Erforder-
nis der Finanzierung der Volkswirtschaft and
anderer staatlicher Aufgaben.
3. Die Preise konnen and mussen als okonomischer
Rebel zur Leitung and Lenkung der Volkswirt-
schaft and zur standigen Verbesserung der wirt-
schaftlichen Tatigkeit der Betriebe (Wirkung der
Preise auf den produzierenden and auf den ab-
nehmenden Betrieb) ausgenutzt werden. Die
Moglichkeit der Ausnutzung des Preises als oko-
nomiseher Hebel ergibt sich, einmal'aus der dem
Wert als gesellschaftliche Durchschnittsgroile
eigenen okonomischen Wirkung bzw, zusatzlich ,
auch aus der Moglichkeit, den Preis bewuBt ab-
weichend vom Wert festzulegen. Zum anderen?
ergibt sich die Notwendigkeit der Ausnutzung
des Preises als okonomischei? Hebel daraus, da,3
der Staat aul3er den administrativen, organisa-
torischen and ideologischen Mitteln auch aile oko-
nomischen Mittel zui? Verbesserung der Leitung
and Lenkung 'der~Volkswirtschaft? and der ge-
samten wirtschaftlichen Tatigkeit der Betriebe
ausnutzen muB.
Da die Verlagerung eines groi3en Teiles des zen-
tralisierten Reineinkommens des Staates aus den
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flung der Wirtschaftsplane and damit zur Sicherung
Preisen der Erzeugnisse der Abteilung I in die Preise
der Erzeugnisse der Abteilung II und dessen Reali-
sierung in den Preisen der Erzeugnisse der Abtei-
lung II ganz bewul3l und in grof3em Mat3stab fur
omen bedeutenden Teil der industriellen Pioduk-
tion (im Prinzip fur alle Produktionsmittel) zu Prei-
sen l uhrt, die unter dem Wert liegen, bei denen also
bewul3t darauf vcrzichtet wird, einen grol3en Teil
des fur die Finanzierung der Volkswirtschaft und
anderer staatlicher Aufgaben erforderlichen. Rein-
einkomnrens der Gesellschaft dort zu realisieren und
zu er?fassen, wo es entstanden ist, mull folgende
Frage beantwortet werden: Wird man den dar-
pestellten grundlcgenden Erfordernissen der Preis-
politik besser gerecht, wenn die Preise der Erzeug-
nisse der Abteilung 1 im Prinzip enter deli Wert
festgelegt werden und dernnach ein groffer Teil des
zentralisierten Reineinkommens des Staates nicht
dort realisiert, erfafit rind dem Staatshaushalt zu-
gefuhrt wird, wo es entstanden it, odes wenn die
Preise der Erzeugnisse der Abteilung 1 den objektiv
gegebenen Wertverhaltnissen mdglichst nahe konr-
men? Die Frage kann auch anders formriliert wer-
den: 1st es fur die gesamte sozialistisdhe Wir?tschafts-
fuhrung okoriomisch zweckmaBiger, nutzl Cher,
wenn fur einen grol3en Teil der industriellen Pro-
duktlon bewuilt Preise festgelegt werden, die unter
dem Wert liegen, odor wenn die Preise der Erzeug-
nisse in alien Stufen der Industrie mit dem Ziel ge-
bildet werden, die objektiv gegebene Grofie des
Wertes moglichst genau zu erfassen und nur in
solchen Fallen bci der Preisbildung bewul3t vom
Wert nach oben oder unten abzuweichen, in denen
es aus Grunden der okonomischen Hebelwirkung
des Preises bzw. der durch das bewuilte Abweichen
l vom Wert zu erreichenden Preisrelationen erforder-
,I lick ist? Die Beantwortung dieser Fragen ist not-
wendig, um Klarheit daruber zu sdhaffen, wo das
zentralisierte Reineinkommen des Staates realisiert,
nfaBt und dem Staatshaushalt zugefuhrt werden
oil.
Um jedem Mil3verstandnis uber dieMbglichkeiten,
lie Wertgrofle im Preis sichtbar zu machen, von
ornherein vorzubeugen, sei darin erinnert, daf3 es
nmoglich ist, en 1, rl ernes Erzeugnisses in seiner
lbsoluten Hohe festzustellen. Das kann also auch
idht'Sinn und Zweck einer Untersuchung sein. Derr
erfassrr scheint es aber von wesentlicher Bedeu-
tung fur die gesamte sozialistiscie Wirtschaftsfuh-
ung zu sein, ob fur einen grol3en Teil der industriel-
en Produktion bewuBt Kurs darauf genommen
wind, Preise festzulegen, die unter dem Wert liegen
odor ob die Bestrebungen dahin gehen, den objektiv
gegebenen Wert in den Preisen, soweit das mit den
zur Verfugung stehenden Mitteln nioglich ist, zum
Ausdrudc zu bringen und nun in den Fallen bewu(It
vom Wert abzuweicien, in denen die sich durch die
lWertverhaltnisse selb`st eigebenden Preisrelationen
nicht ausreichen, um eine bestimmte okonomische
Wirkung des Preises auf die Produktion und Kon-
sunition zu erreichen.
13s.
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ZUR REALISIERUNG DES ZENTRALISIERTEN REINEINKOMMENS DES STAATES ...
Gebt man bei der Beantwortung der Frage von
den drei grundlegenden Er?forder?nissen der Preis-
olitik aus so zeigt sick, daft es weder die Aus-
p
nutzung des Preises als Mel3instrument des gesell-
schaftlich notwendigen Arbeitsaufwandes, noch ais
Mittel den Realisier'ung des Wer?les und der damit
verbundenen Realisierung des zentralisierten Rein-.
einkommens des Staates zurFinanzierung derVolks-
wirtschaft und anderer staatlicher Aufgaben not-
wendig machen, fir die Erzeugnisse der Abteilung I
die Preise prinzipiell so festzulegen, dal3 sic unter
dem Wert liegen. Im Gegenteil, die Ausnutzung des
Preises als Meginstrument des gesellschaftlich not-
wendigen Arbeitsaufwandes und als Mittel zur
Realisierung des Wertes sprechen vielmehr dafur,
Preise festzulegen, die dem Wert moglichst ent-
spr?echen. Selbst die Ausnutzung des Preises als oko-
nomischer Hebel eefordert nicht mit Notwetidigkeit,
die Preise abweichend vom Wert festzulegen, well
der Wert als gesellschaftliche Durchschnittsgroflc
und dementsprechend der Preis bereits auf alle die
Betriebe als okonomischerHebel wirkt, die mit hohe-
ren als den gesellschaftlich notwendigen Selbst-
kosten arbeiten. Auch was die Wirkung des Preises
als okonomischer? Hebel durch entsprechende Reln-
tionen zu anderen Preisen betnifft, mull es nicht un-
bedingt erfonderlich semi, Preise abweichend vom
Went. festzulegen, well mit den Bich aus den Went-
verhaltnissen selbst ergebenden Preisrelationen
unter Umstanden bereits die gewollte okonomische
Wirkung erreicht werden kann. Es wind allerdings
in vielen Fallen notwendig werden, die gewunschte
Preisr?elation und damit eine bestimmte okonomi-
sche Hebehvirkung eines Preises durch zusatzliches
Abweichen des Preises vom Wert zu ermoglichen
1. Zum Preis als Melinstrument des gesell-
schaftlich notwendigen Arbeitsaufwandes
In dieser? Eigenschaft (Funktion) dient der Preis
alsPlanungs- und Abrechnungsgr?ofle, als einegrund-
legende okonomische GroIIe fur die Ermittlung des
okonomischen Nutzens bzw. des okonomischen Er-
gebnisses der wirtschaftlichen Tatigkeit und damit
letztlich der aufgewandten Arbeit. Was liegt naher,
als zu diesem Zweck mit Preisen zu ar beiten, die dire
realen Wertverhaltnisse, d. h. die tatsachlichen Ver-
hiitnisse der fur die Herstellung der Erzeugnisse
aufgewandten gesellschaftlich notwendigen Arbeit
moglichst genau widerspiegeln?
Eine der unbedingt notwendigen Voraussetzun-
gen fur die erfolgreiche Anwendung und weitere~
Festigung der Wirtschaftlichen Rechnungsfuhrungl
besteht darin, mit realen okonomiscien Gro[3en zu?
rechnen. Das erleichtert oder besser, macht es uber-
haupt erst moglich, die Ergebnisse der wntscha?t-i
lichen Tatigkeit der Betriebe festzustellen und rich-'
tig einzuschatzen. Ungenaue, d. h. den gesellschaft-'
lich notwendigen Arbeitsaufwand nicht oder vollig
unzureichend widerspiegelnde Preise - das ist wie-
derholt festgestellt worden - gehen kein nichtiges
Bild von der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit den
Betriebe.
Einer grundlichen Untersuchung bedarf auch die
folio der Preise bei der Berechnung des okonomi-
schen Nutzeffekts'von Investitionen. Der polnische
Ukonom LIPINSKI') vertritt.z. B. die Ansidit, dalI
die riditige Einschatzung des okonomischen Nutz-
effekts von Investitionen nur dann gewahrleistet ist,
wenn die Preise der Produktionsmittel keine Akku-
mulation enthalten. Selbst wenn das nichtig ist,
bleibt nosh zu unter?suchen, ob das uberhaupt ein
Grund ist, danach das gesamte Preissystem fur Pro-
duktionsmiltel auszunichten oder ob der Berechnung
des okonomischen Nutzeffekts von Investitionen
nicht die Selbslkosten zugrunde gelegt werden kon-
nen, ohne dal3 davon das Preissystem beruhrt wird?
Diese und andere_ damit verbundenen Fragen be-
durfen einer Klarung.
Auch was die sparsame und volkswirtschaftlich
zweckmallige Verwendung von Rohstoffen und Ma-
terial und deren.Unterstutzung durch den Preis be-
tnifft, ist zu klar?en, ob das nicht mit solchen Preisen
am besten zu ?forder n ist, die den zur ~Ienstellung
dieses Erzeugnisses gesellschaftlichnoEwendigen Ar-
beitsaufwand nioglichst genau widerspiegeln. Es
kdmmt dodh darauf an, dem Bearbeiter bzw. Ver-
-braucher dieser Erzeugnisse den volkswirtschaft-
lichen ?Wert" der Rohstoffe und der Materialien zu-
mindest dadurch bewult zu machen, dali man sic
mit Preisen ?bewertet", die den gesellschaftlich not-
wendigen Arbeitsaufwand ausdrucken. Naturlich
wir?d es oft nohvendig sein, bei bestimmten aus-
tauschbar?en Materialien und Rohstoffen die beson-
dere volkswirtschaftliche Bedeutung dadurch zu-
satzlich zu betonen, indem die Preise wesentlich
uber dem Wert festgelegt werden.
Ein zusatzlicher und aul3erordentlich wichtiger
Grund, bei den Erzeugnissen der Abteilung I der
volkseigenen Industrie niche mit Preisen zu arbei-
ten, die unter dem Welt liegen, ist die Existenz des
privaten kapitalistischen Sektors und des Sektors
der einfachen War?enpr?oduzenten. Liegen die Preise
der Maschinen, Rohstoffe, Materialien, die in die
kapitalistische Industrie odor in die einfache Waren-
produktion gehen, unter dem Wert, so besteht die
Moglichkeit, dalI sich der Kapitalist odor der Hand-
werker einen Teil des in der volkseigenen Industrie
produzierten Mehrproduktes aneignet. Naturlich 1st
es durch die Anwendung von. Verbrauchsabgaben
und anderer Formen der Abschopfung dieses Teiles
des in der volkseigenen Industrie nicht nealisierten
Mehrproduktes moglich, deli entgegenzuwirken
Aber erstens wind dadurch die Preisbildung und
die okonomische Zusammenarbeit mit der privaten
Wirtschaft kompliziert, zweitens besteht trotzdem
noch die Moglichkeit, dal3 trotz der Verbrauchsab-
Babe Teile des in der volkseigenen Industrie nicht
realisierten Reineinkommens von privaten Produ-
zenten angeeigneL werden. Also audh die Existenz
des privaten Sektors und die okonomische Verf1ech-
tung zwischen volkseigenen Industrie und der pri-
vaten Wrrtschaft sprechen dafur, fur die Erzeugnisse
v,,
1) LIFINSKI Elnige Fragen aus der Problematik der Preise
fur Produklionsmiltel, ?Ekonomista?' rV/1954.
der volkseigenen Industrie prinzipiell keine Preise
zu bilden, die unten deco Wert liegen.
Auch in bezug auf die wirtschaftliche Tatigkeit
der Aul3enhandelsunternehmen scheint es doch oko-
nomisch zwedcmalliger zu semi, den Auflenhandels-
unternehmen die Erzeugnisse zu Preisen zu ver-
kaufen, die dem gesellschaftlich notwendigen Ar-
beitsaufwand moglichst entsprechen, die also such
zentralisiertes Reineinkommen in Form der Pro-
duktionsabgabe enthalten.
Gegenwartig erhalten die Aul3enhandelsunterneh-
mungen die zu exportierenden Erzeugnisse zu Be-
triebspreisen, d, h. zu Preisen ohne Produktionsab-
gabe. Diese Preise liegen im Prinzip unter dem
Wert. Dabei geht es nidht nun darum, daf3 die Pro-
duktionsabgabe nicht nun in dem Preis des Erzeug-
nisses nicht enthalten ist, welches exportiert wrr?d,
sondern daft in diesem Preise wiederum nur Preise
von Erzeugnissen der Vorstufen eingegangen sind,
in denen ebenfalls kein zentralisiertes Reineinkom-
men enthalten war. Der Preis des Erzeugnisses, zu
dem der Auflenhandel von der Industrie kauft (Be-,
triebspreis), entspricht in seiner Hohe in keiner
Weise dem Wert, d. h, letztlich dem zur Herstellung
dieses Erzeugnisses gesellschaftlich notw_endig_e_n
Arbeitsaufwand. ?
Dal3 der Auflenhandel im Prinzip zu Weltmarkt-
hreisen verkaufen mull, d. h. oft zu Preisen, die
niedriger liegen als die Preise in der DDR, zu Prei-
sen, die oft unter dem Wert liegen, kann nicht als
Begrundung dafur akzeptiert werden, den Aufien-
handelsunternehmen die zu exportierenden Waren
unter dem Wert zu verkaufen. Im Gegenteil, im,
Intenesse einer winklichkertsnahen, die okonomi-
schen Realitaten beriicksichtigenden Wintschafts-
fuhrung ist vielmehr anzustreben, der wirtschaft-
lichen Tatigkeit des Aullenhandels, den Abrechnung
des Auflenhandels die realen, Bich aus den okono-
mischen Bedingungen der Volkswirtschaft der DDR
ergebenden okonomischen Gro[lcn zugrunde zu
legen. Dazu gehoren in erster Linie Preise, die den
gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwand aus-
drudcen.
Es wind oft entgegen gehalten, data es gleichgultig
sei,ob dreProduktionsabgabe beimExpor?t oder beim
Import realisiert wind as stimmt in bezug auf das
eigentlich beim Export zu realisierende Gesamt-
volumen der Produktionsabgabe insofern, als? das
50X1-HUM
50X1 -HUM
Volumen der in den Preisen der expor tierten En-
zeugnisse enthaltenen Produktionsabgabe festge-
stellt werden kann-was bekantlich gemacht wind-, 50X1-HUM
und als dieses Volumen beim Import von-den Diffe-
renz zwischen Devisengegenwert in DM und den
Inlandspreisen abgezogen und dem Staatshaushalt
zur Verfugung gestellt werden kann. Dann ist
wenigstens gewahrleistet, dalI in den Preisaus??
gleichsfonds des Auflenhandeis keine Bestandterle
der eigentlich beim Export zu realisierenden Pro-
duktionsabgabe eingehen.
Es wird auch oft angefuhrt, dal3 die Preise der zu
exportierenden Erzeugnisse durch die Produktions-
abgabe vom Wert abweichen Svon der Vor?stellung,
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DR. HERBERT BAUM
daB die Produktionsabgabe ein Aufschlag auf den
Wert darstelit, soil hier gar nicht gesprochen wer-
den) and deshalb auch keinen wesentlichen okono-
mischen Anhaltspunkt, kein Kriterlum fur die Be-
urteilung der wirtschaftlichen Tatigkeit des AuBen-
handels, des okonomischen Nutzens des Exports, der
Preisdispositionen im AuBenhandel. usw. darstellen.
Abgesehen davon, daB die Auffassung, die Preise
weichen durch die Produktionsabgabe sowieso vom
Wert ab, eine unzulassige Verallgemeinerung dar-
stellt, da Preise, in denen die Produktionsabgabe
nthalten ist, im Prinzip durchaus dem Wert, dem
e
gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwand ent-
sprechen, ja viel eher entsprechen konnen als die
Preise ohne Produktionsabgabe, bedeutet diese Auf-
fassung eine vollige Negierung des Inlandspreis-
systems als eine Grundlage der wirtschaftlichen
Tatigkeit and der Abrechnung der AuBenhandels-
unternehmen. Naturlich gibt es noch andere Kri-
terien, an?denen der?okonomischeNutzen desAuBen-
handcls fur die Volkswirtschaft gemessen werden
kann and muB. Aber der Wert, das muB immer wie-
der betont werden and damit der gesellschaftlich
notvendige Arbeitsaufwand der im Inland produ-
zierten Elzeugnisse and ein dieser wichtigen okono-
mischen GroBe entsprechendes Preissystem ist and
bleibt unter den Bedingungen der Warenproduktion
eines der wesentlichen Kriterien fur die Beurteilung
der wirtschaftlichen Tatigkeit des AuBenhandels
and des volkswirtschaftlichen Nutzens des AuBen-
handels. Selbst wenn die zu exportierenden Erzeug-
nisse Inlandspreise haben, die bewuBt uber oder auch
unter dem Wert festgelegt sind, gibt es keinen
Grund, solche Preise nicht ebenfalls als okonomisch
begrundete GroBen der wirtschaftlichen Tatigkeit
and Abrechnung des AuBenhandels zugrunde zu
legen; denn auch vom Wert bewuBt abweichend fest-
gelegte Preise Sind okonomisch begrundet bzw, mus-
sen es sein. Insofern machen sic die wirklichen
okonomischen Verhaltnisse in der DDR sichtbar and
sind somit geeignet, mit den Preisen auf dem Welt-
niarkt verglichen zu werden and SchluBfolgerungen
aus diesem Vergleich zu ziehen. Deshalb erweist
man auch der wirtschafthchen Tatigkeit der AUBen-
handelsunternehmen and daruber hinaus der ge-
samten sozialistischen Wirtschaftsfuhrung einen
schlechten Dienst, wenn man das Inlandspreissystem
auf Grund noch beslehender Unzulanglichkeiten
schlechthin als eine okonomische Grundlage fur die
Beurteilung des okonomischen Nutzens des AuBen-
handels in seiner Bedeutung herabsetzt oder viel-
leicht uberhaupt fur unbrauchbar erklart. Aus-
gehend 'vom Wesen des Preises, der reale okono-
mische GroBen ausdruckt, ist es vielmehr notvendig,
dem InlandsPreissYstem auch in bezug auf den
AuBenhandel die ihm objektiv zukommende Be-
deutung einzuraumen and von dieser Erkenntnis
ausgehend das Inlandspreissystem entsprechend,
d, h. okonomisch begrundet zu gestalten. Unter-
schatzung oder gar Negierungen der Rolle der Preise
als McBinstrument fur die zur Herstellung der Er-
zeugnisse aufgewandten'Arbeit bedeutet auch in
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ZUR REALISIERUNG DES ZENTRALISIERTEN REINEINKOMMENS DES STAATES...
bezug auf den AuBenhandel Unterschatzung oder
Negierung der Notwendigkeit, in der gesamten wirt-
schaftlichen Tatigkeit mit realen GroBen zu rechnen.
Es muB vielmehr angestrebt werden, die durch die
falsche, d. h. die okonomischen Gegebenheiten nicht
berucksichtigende Preisbildung bestehenden Ver-
zerrungen der wirklichen Wertverhaltmsse, zu be-
seitigen. Das ist eine wesentliche Voraussetzung fur
die .Schaf?ung ubersichtlicher okonomischen Be-
ziehungen in der ganzen Volkswirtschaft.
In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf
hinzuweisen, daB mit diesen Ausfuhrungen nicht
einer einseitigen Orientierung auf die Inlandspreise
bei Entscheidungen fiber die Notwendigkeit des Ex-
ports eines Erzeugnisses das Wort geredet werden
soil. Ob ein Erzeugnis exportiert werden soil oder
nicht, hangt von verschiedenen Faktoren ab. Der
Preis ist einen dieser Faktoren. In bestimmten Fallen
wird bel der Entscheidung uber den Export eines
Erzeugnisses der Preis u. U. uberhaupt kein Gc-
wicht haben..Deshalb muB aber trotzdem bzw. erst
recht die Forderung erhoben werden, Preise anzu-
wenden, die einen okonomischen Vergleich zwischen
den zu erzielenden Exportpreisen and den Inlands-
preisen zulassen.
Ini Zusammenhang mit dem Verzicht der Reali-
sierung der Produktionsabgabe beim Export wird
auch oft gesagt, dadurch werden unnotige Geld-
bewegungen von den Betrieben an den Staatshaus-
halt and vom Staatshaushalt in den Preisausgleichs-
fonds des AuBenhandels vermieden. Es scheint zu-
mindest angebracht zu sein, einmal zu prufen, wie
groB der Nutzen des Wegfalls dieser Geldbewegun-
gen and des damp verbundenen Arbeitsaufwandes
ist and ob diese ?Einsparung? die Amvendung and
den Nutzen eines die tatsachlichen okonomischen
Verhaltnisse ausdruckenden Preissystems w?ett-
macht. Geldbewegungen, in deren Umfang sick die
objektiven Wertbewegungen widerspiegeln, sind fur
clie sozialistische Wirtschaftsfihrung nicht scliad-
?lich, konnen die sozialistische Wirtschaftsfuhrung
nicht behindern, sondern nur erleichtern and sind
deshalb notvendig and nicht uberflussig.
Auch die Moglichkeit, den Exportbetrieben and
den AuBenhandelsunternehmen durch den Preis den
Wert der Erzeugnisse wenigstens annahernd be-
wuBt machen zu konnen, von der dadurch zu er-
reichenden Klarheit in den volkswirtschafthchen
Beziehungen gar nicht zu reden, durfte fur das oko-
nomische Denken and Handeln der in diesen Be-
reichen tatigen Menschen von groBerem Nutzen sein
ells fragliche Einsparungen durch den Wegfal] der
erwahnten Geldbewegungen.
Die 1:fberlegungen zur Rolle des Preises als MeB-
instrument des gesellschaftlich notwendigen Auf-
~vaiides an Hand verschiedener Beispiele zeigen, daB
Behr viel dafur spricht, alle Bemuhungen darauf zu
konzentrieren, den gesellschaftlich notwendigen Ar-
beitsaufwand im Preis auszudrucken oder enders
ausgedruckt, Preise festzulegen, die dem Wert nahe-
konimen. Gleichzeitig soil nods einmal betont wer-
den, . daB, such ein vom Wert bewuBt abweichend
1
festgelegter Preis, .wenn er okonomisch begrundet
ist (z. B. wean das Angebot niedriger ist als die-
Naehfrage der produktiven and individuellen ICon-
sumtion, oder wenn es die okonomische Unterstut-
zung einer Produzenten- oder Konsumentengruppe
erfordert, niedrigere als dem Wert entsprechende
Preise festzulegen) reale okonomische Verhaltnisse
ausdruckt and damit die okonomische Aussagekraft
and die Wirkung des Preissystems nicht einschrankt,
sondern vielmehr erhoht.
2. Zum Preis als Mittel der planmaBigen Realisie-
rung des Wertes
Nachdem versucht wurde, darzustellen, warum
im Interesse der Ausnutzung des Preises als MeB-
instrument des gesellschaftlich notwendigen Ar-
beitsaufwandes anzustreben ist, dem Wert ent-
sprechencie, dem Wert moglichst nahekommende
Preise zu bilden and in alien Bereichen der Volks-
wirtschaft anzuwenden, mull untersucht werden,
ob das weitere preispolitische Erfordernis der Reali-
sierung des Wertes damit zu vereinbaren ist;Anders
ausgedruckt: Ergeben sick aus dem Erfordernis der
Realisierung des Wertes, insbesondere?des Teils des
Wertes, der dem Staatshaushalt in Form des zentra-
lisierten Reineinkommens zur Finanzierung der
Volkswirtschaft zugefuhrt werden muB, fir die
Preisbildung andere, mit den sick aus der Anwen-
dung des Preises als McBinstrument des gesell-
schaft]ich notwendigen Arbeitsaufwandes ergeben-
den Erkenntnissen unvereinbare Forderungen?
Verfolgt man die Linie, die Preise dem Wert ent-
sprechend festzulegen, so heiBt das nichts anderes
als den Wert and damit auch das zentralisierte Rein-
einkommen des Staates in Form der Produktions-
abgabe dort zu realisieren, wo es produziert wird,
wo es sick bildet. Es ist deshalb die Frage zu beant-
worten, ob die Realisierung des .Wertes damit ge-
wahileistet ist, ob die planmaBige Verteilung dieses
Teiles des Volkseinkommens durch den Staatshaus-
halt and somit die Finanzierung der Volkswirtschaft
and anderes staatlicher Aufgaben gesichert ist, oder
ob dieser ganze ProzeB dadurch gefahrdet wird?
In der Vergangenheit wurde oft behauptet, daB
dann, wenn die Produktionsabgabe bereits aus der
Abteilung I dem Staatshaushalt zugefuhrt wird, fur
den Staatshaushalt fiktive, d, h. unreale and damit
zur Finanzierung der Volkswirtschaft nicht ver-
wendbare Einnahmen entstehen. Ein weiteres Ar-
gument war, daB durch den schnelleren Umschlag
der Mittel in der Abteilung II das zentralisierte Rein-
einkommen des Staates dem Staatshaushalt schnel-
ler zufiieBen kann als wenn es in der Abteilung I
realisiert wird.
Befassen wir-uns zuerst mit der sogenannten Fik-
tivitat der Einnahmen. Diese Auffassung wurde in
der Vergangenheit oft im Zusammenhang mit der
These gebracht, daB die Elzeugnisse der volkseige-
nen Industrie, die im volkseigenen Sektor bleiben,
keine Waren sind, daB die Realisierung des Wertes
erst dann stattfindet, wenn ein Erzeugnis den staat-
lich sozialistischen Sektor verlaBt, wenn es an den
individuellen Konsumenten oder auch an den pri-
vaten Produzenten verkauft wird.
Nehmen wir an, die Theorie, daB die Erzeugnisse
der volkseigenen Industrie, die im staatlichen sozia-
listischen Sektor verbraucht werden, keine Waren
sind, sei richtig. Setzen wir ferner einmal voraus,
die Produktion and der Absatz aller Erzeugnisse
vollzieht sick in jeder Stufe der Produktion and des
Handels planmaBig. Es ist offensichtlich, daB in die-
sem Fall, unabhangig davon, ob das zentralisierte
Reineinkommen des Staates in den Preisen von Wa-
rcn odes Nicht-Waren enthalten ist, keine fiktiven,
keine unrealen, d, h. keine Einnahmen fur den
Staatshaushalt entstehen konnen, denen keine ma-
teriellen Werte gegenuberstehen.
Die Theorie von der Entstehung fiktiver Einnah-
men muB also auf der Voraussetzung aufbauen, daB
Produktion and Absatz der Erzeugnisse der volks-
eigenen Industrie nicht planmaBig von sich geht, daB
Gebrauchswerte in der volkseigenen Industrie pro-
duziert worden sind, die unabsetzbar, fur die pro-
duktive and individuelle Konsumtion unbrauchbar
sind. Falls nun, so wird behauptet, das zentralisierte
Reineinkommen in Form der Produktionsabgabe
bereits in den Preisen solcher Erzeugnisse enthalten
ist, die von den Betrieben zwar abgesetzt werden,
aber z. B. im staatlichen GroBhandel als absolut un-
verkauflich liegen bleiben and fur die weitere volks-
wirtschaftliche Verwendung ausfallen, so erhalt der
Staatshaushalt fur diese unabsetzbaren Elzeugnisse
die Produktionsabgabe, also finanzielle Mittel, denen
keine materiellen Werte gegenuberstehen. Abge-
sehen davon, dali es moglich ware, in bestimmten
Abstanden durch Ermittlung dieser unabsetzbaren
Bestande das entsprechende Volumen an Produk-
tionsabgabe festzustellen and fur die Verwendung
zur Finanzierung der Volkswirtschaft zu sperren,
mull man sich dock fragen, ob man diese okono-
mische Erscheinung, ob man die nicht planmaBig ab-
laufenden Prozesse, ob man sozusagen die Fehler
zum Ausgangspunkt von prinzipiellen Uberlegungen
fur die Gestaltung des gesamten Preissystems fur
industrielle Erzeugnisse machen kann. Soil man also
die gesamte Gestaltung des Preissystems abhangig
machen vom Wesen, vom Typischen der sozialisti-
schen Planwirtschaft, d. h, von der Planmaligkeit in
der Entwicklung der Volkswirtschaft, oder soil man
das Preissystem auf die Unzulanglichkeiten im plan-
maBigen Ablauf des gesellschaftlichen Reproduk-
tionsprozesses orientieren? Obwohl unser ganzes
Besrreben dahin gehen mull, solche Unzulanglich-
keiten zu vermeiden, gegen diese Mangel zu kamp-
fen, sic weitestgehend unmoglich zu machen, wird
man sich doch damit abfinden and wird man damit
rechnen mussen, daB solche Falle auch in absehbarer
Zukunft eintreten konnen. Man kann and dart sic
aber nicht zum Anlal nehmen, davon die Gestaltung
des Preissystems abhangig zu machen.
Im ubrigen zeigt die Erfahrung, dal3 es bisher so-
genannte Uberplanbestande im wesentlichen nicht
bei Produktionsmitteln, sondern bei Konsumtions-
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ZUR REALISIERUNG DES ZENTRAL]SIERTEN REiNEINKGMMENS DES STAATES...
mitteln gab. Da abet im 'Falle einer Verlagerung der and damit vom Umschlagszyklus der Mittel oder
Produktionsabgabe. in die Endstufe der Produktion nidht vielmehr? von der Kontinuitat des Pr?oduklions-
ht, dan Konsum- and Absatzprozesses selbst ab? Selbst bei Be
inner nods die 11'Ioglichkeit beste ruck-
bereits in sichtigung der Tatsache, daB der Umschlagszyklus
tionsmittel unabsetzbar worden, fur die ,
be der Mittel in den verschiedenen Produktionsstufen
b
ga
del abgefuhrt Endstufe der worden isl, Weil Produktion die chose KonsuProduktionsa
mtionsmittel unterschredlich ist, daB der Produktions- and A -
' you
liegeimn bleiben, GroBhandel rst als sogenannte Llberplanbestande satzprozen vielet Erzeugnisse der Abtt andeilung I Absvt
auch fur diesen Teil der Pr?oduk- langerer? Dauer ist als der Produktions
nahmen, denen zyklus der Erzeugnisse der Abteilung II, muB man
lion eine Verhinderung von Em n
?
letzten Endes keine materiellen Werte gegenuber- do'ch in bezug auf die kontinuiencche Realisierung
slehen' ?nicht lichen Flusses
muBte die rnoglick. Um g Produktionsabgabe anz sicher zu gehen, des Wertes and damit des kontinuier
i cyst im Einzelhandel der Mittel an den Staatshaushalt von der fur lesen
Pr?ozen viel wichtigeren Tatsache ausgehen, daB
erhoben worden. ?,1 N cl,einander Selbst re-
l
Ganz abgesehen von allen bisher aufgefuhrten
Grunden, die gegen eine solche Verzerrung der oko-
nomischen Verhaltnisse and des Preissyslems in der
Volkswirtschaft der DDR sprechen, ist eine Er-
hebung der Produktionsabgabe im Einzelhandel,
d. h. nachdem die Erzeugnisse endgultig an den Ver-
braucher gegangen sind, wegen der bestehenden
Eigentumsverhaltnisse im Einzelhandel and der
Komplizierlheit der Erhebung vollig undiskutabel.
Selbst wenn es also richtig ware, daB die in der
volkseigenen Industrie produzierten and dort ver-
bleibenden Erzeugnisse keinen Warencharakter
haben, muB man zu der SchluBfolgerung kommen,
daB mit den sogenannten fiktiven Einnahmen keine
Begrundung dafur gegeben werden kann, die Preise
fur Produktionsmittel prlnzrprell unter dem Wert
festzulegen, d. h, die Produktionsabgabe aus der Ab-
teilung I in die Abteilung II zu verlagern.
Geht man schlieBlich davon aus, daB die Erzeug-
nisse der volkseigenen Industrie, die innerhalb der
volkseigenen Industrie verbraucht werden, Waren-
charakter haben, d. h., daB echter Wert produziert
and daB beim Verkauf innerhalb der volkseigenen
Industrie mit dem Gebrauchswert dessen objektiv
gegebener Wert bewegt wird, so ist ebenfalls nicht
einzusehen, warum man durch die Verlagerung der
Produktionsabgabe den Produktions- and Reali-
sierungsprozen des Wertes in groBem MaBstab ge-
wattsam auseinanderreiBen soli.
. Manchmal wird behauptet, daB durch den schnel-
leren Umschlag" der Mittel in der Abteilung II das
zentralisier?te Reineinkommen des Staates dem
Slaatshaushalt schneller?, kontinuierlicher zuflkBl,
als wenn es in der Abteilung I realisiert wurde.
Hinter diesem Argument verbirgt sick doch letzten
Endes folgende Frage: Kann der Wert der gesamten
industrielien Produktion einer bestimmten Zeitein-
heit and damit der Teil des Mehrproduktes, der als
zentralisier?tes Reineinkommen in Form der Pro-
duktionsabgabe dem Staatshaushalt zuflieBen soll,
schneller, kontinuierlicher realisiert werden, wenn
die Preise der Erzeugnisse der Abteilung I unter dem
Wert festgelegt werden, wenn also ein Teil des dart
produzierten Wertes in die Preise der Erzeugnisse
der Abteilung II verlagert and dort realisiert wird?
Hangt der kontinuierliche Flun des zentralisierten
Reineinkommens uberhaupt von einem relatiy ki r-
zeren oder langeren Produktions- and Absatzzyklus
0
l he a
durch das kontlnulel
lativ langer Produktions- and Absatzprozesse and
durch das gleichzeitige Nebeneinander vreler zeitlich
unterschiedlicher Produktions- and Absatzprozesse
im Mafistab der gesamten Industrie gesehen auch
die Kontinuitat des Flusses der Mittel an den Staats-
haushalt gewahrleistet ist. Durch eine Verlagerung
der Produktionsabgabe aus der Abteilung I in die
Abteilung II andert sick in bezug auf einen kon-
tinuierlicheren Flun der Mittel an den Staatshaus-
halt nichts.r)
Es besteht bei einer? Verlagerung des zentralisier-
ten Reineinkommens aus den Preisen fur Rohstoffe,
Materialien and vor a11em.Pr?oduktionsinstr?umenten
durch die Existenz des privaten Sektor?s vielmehr
die Gefahr, daB dem Staatshaushalt Mittel verloren
gehen. Das angestrebte Ziel, einen kontinuierliche-
ren Flun der Mittel zu erhalten, wird durch eine
Verlagerung nicht erreicht, aber die wirklichen
Wertverhaltnisse and damit viele okonomische Be-
ziehungen werden verzerrt and komplizierter ge-
staltet als es notwendig ist,
Es wird auch darauf hingewiesen, daB durch die
Verlagerung der? Produktionsabgabe aus der? Abtei-
lung I in die Abteilung II Umlaufmittel eingespart
werden, daB dadurch das Gesamtvolumen finanziel-
ler Mittel in dem MaBe sinkt, tvie die Einstandspr?eise
fir Materialien and Rohstoffe niedriger werden. Das
laBt side nicht bestreiten. Aber rst damit ein oko-
nomischer Nutzen verbunden? Es tritt lediglich fol-
gendes em: Alle anderen Faktoren, auch die Einzel-
handelspreise als gleichbleibend vorausgesetzt, sinkt
die Preissumme aller Erzeugnisse der Abteilung I
'and II. Das gleiche industr?ielle Gesamtpr?odukt wird
mit einer niedrigeren Preissumme realisiert. Was
die materielle Seite der Umlaufmittel betrrfft, hat
sick nichts geandert.
Es wird auch.behauptet, daB mit der Verlagerung
eine Festigung der Wahr?ung verbunden sei. Das
wird u. a. damit begr?undet, daB die Preissumme fur
Produktionsmittel durch die Verlagerung niedriger
sei and damit die Kaufkraft einer Wahrungseinheit
' gestiegen sei. Das stimmt in bezug auf das Geld, mit
dem Produktionsmittel gekauft werden. Man kann
tatsachlich' mit dei gleichen Menge Geld mehr Pro-
duktionsmittel kaufen als vorher. Aber die Arbeits-
prodliktivitat hat sick nicht erhoht, es sind nicht
I) Ver;;lelehe auch: wissenschaftliche Zaitschrift der Hoch-
schule fur tikonomie, Heft 111057, 5.73!79.
mehr Gebrauchswerte vorhanden, der gesellschaft-
lich notwendige Arbeitsaufwand zur Herstellung
der Erzeugnisse ist nicht gesunken, die Werte der
Erzeugnisse sind nicht gesunken. Geandert hat side
nut' ems: Die Werte der Produktionsmittel worden
lediglich bewul3t in niedrigerenPreisen ausgedruckt.
Mit einer DM wird jetzt mehr Wert realisiert als
vor der Verlagerung des zentralisierten Reinein-
kommens, eine DM reprasentiert jetzt mehr Wert
als vorher. Dadurch ist aber eine Verbesserung der
Wahrung nicht moglrch; denn in Wirklichkeit hat
sick, was die entscheidenden okonomischen Fak-
toren betrifft, denen Veranderung eine Verbesse-
rung der Wahrung mrt Bich bringt, nichts geandert.
Bet den Uberlegungen, ob die Realisierung des
Wertes gefahrdet. ist and ob die planmaBige Ver-
tcilung des Teiles des Volkseinkommens, der dem
Staatshaushalt zur Finanzierung der Volkswirt-
schaft zuflieBen soil, beeintrachtigt wird, wenn der
Wert dort realisiert wird, wo er "entstanden ist,
zeigt es sick, daB es keine Anhaltspunkte dafur gibt,
daB durch Preise, die dem Wert moglichst enlspre-
chen, der Realisierungsprozen gefahrdet ist. Die
Gefahr?, daB dem Staatshaushalt zentralisier?tes
Reineinkommen verloren geht,erhoht sichallerdings
in dem MaBe, vie das zentralisierte Reineinkom-
men aus den Preisen von Rohstoffen, Materialien,
Produktionsinstrumente in die Endstufe der Pro-
duktion verlagert wird. Die Hauptursache dafur ist
die Existenz des privaten Sektors and dessen enge
Verflechtung mit der volkseigenen Industrie. Aber
auch in der volkseigenen Industrie besteht auf
Grund der Zersplitterung des verlagerten zentrali-
sierten Reineinkommens die Moglichkeit von Ver-
lusten fur den Staatshaushalt.
3. Zur? Rolle des Preises als okonomischer Hebel zur?
Lenkung and Leitung der Volkswirtschaft and
der wirtschaftlichen Tatigkeit der Betriebe
'Es bleibt nosh die Frage often, ob es die Aus-
rrutzung des Preises als okonomischer Hebel erfor-
derlich macht, die Preise der Erzeugnisse der Ab-
teilung I prinzipiell enter dem Wert festzulegen.
Zweifel konnen keinesfalls daruber bestehen, daB
die Ausnutzung des Pr?erses als okonomischer Hebel
sowohl mit Hilfe von Preisen, die dem Wert ent-
sprechen als auch mit Preisen, die bewuf3t uber oder
enter dem Wert festgelegt warden sind, moglich
bzw. notwendig ist.
Im Zusammenhang mit der Rolle des Preises als
okonomischer Hebel wurde in der? Vergangenheit
vor ahem darauf hingewiesen, daB durch niedrigere
Produktionsmittelprejse die Einfuhr?ung der moder-
nen Technik gefordert werden konnte.
Zunachst ist darauf hinzuweisen? daB der tech-
nische Fortschritt bzw. die Produktion der dazu
notwendigen Produktionsinstrumente planmaBig
festgelegt werden. Die neueste Technik kann nur in
dem MaBe eingefuhrt werden, vie die materiellen
Voraussetzungen durch die planmafige Produktion
der dazu notwendigen Produktionsinstrumente ge-
schaften worden sind. Durch die Verlagerung der
Produktionsabgabe andert sick z. B. an den mate-.
riellen Proportionen zwischen Produktionsmittel
and Konsumtionsmittel nichts. Aber was tritt em?
Ebenso wie bei der Verlagerung der Produktions-
abgabe aus den Preisen von Materialien and Roh-
sloffen sinkt die Preissumme der Produktions-
instrumente durch die Verlagerung der Produk-
tionsabgabe aus den Preisen der Produktionsinstru-
mente. Wenn aber die Preissumme der in einer be-
stimmten Zeiteinheit zu realisier?enden Erzeugnisse
sinkt, so sind, alle ander?en auf die notwendige
Menge an zirkulierenden Mitteln cinwirkenden
Faktoren als gleichbleibend vorausgesetzt, zur
Realisierung dieser Preissumme weniger Iinanzielle
Mittel notwendig. Mit einer Wahr?ungscinheit kann,
vie bereits gesagt, mehr Wert realisiert worden als
vor der Verlagerung, demzufolge mit weniger
flnanziellen Mitteln des Staatshaushaltes and- der privaten and genossenschaftlichen Wir?tschaft die
gleiche Wertsumme and die dieser Wertsumme
zugrundeliegenden Produktionsinstrumente, Der
Staatshaushalt braucht fur die Finanzierung der
Investitionen weniger Mittel zur Verfugung 50X1-HUM
stollen.
Dem Staatshaushalt slehen aber? dadurch keine
zusatzlichen lnanziellen Mittel zur Verfugung. Im
Gegenteil: der Staatshaushalt nrmmt durch die in
den Preisen fur Produktionsinstrumente nicht mehr
enthaltene Produktionsabgabe nicht nur entspre-
chend weniger? flnanzielle Mittel em, sondern es be-
steht sogar die Gefahr, daB der Staatshaushalt
einen Teil des verlagerten zentralisierten Reinein-
kommens uberhaupt nicht oder nur unter Behr
schwierigen Umstanden erhalt. Das resultier?t e3n-
mal daraus, daB es schwierig ist, das veclagerte zen-
trahsierte Reineinkommen bei den kapitalistischen
and handwerklichen Betrieben, die Produktions-
instrumente zu Preisen gekauft haben, aus denen
das zentralisierte Reineinkommen verlagert wurde,
wieder zu erfassen. In der volkseigenen Wirtschaft
wird die Realisierung des aus den Preisen der Pro-
duktionsinstrumente verlagerten Reineinkommens
dadurch kompliziert, daB die Realisierung nur? in
dem MaBe vor sick geht, wie die auf der Grundlage
der unter dem Wert liegenden Preise fur Produk-
tionsinstrumente, niedrigeren Amortisationen and
ern entsprechend hoherer Gewrnn in den Preisen
der mrt diesen Produktionsinstrumenten hergestell-
ten Erzeugnisse realisiert werden. Die Arbeit der
Organe des Staatshaushalts, die fur die Realtsierun,
des zentralisierten Reineinkommens verantwortlic
wird dadurch erschwert and es besteht di
sind
,
Gefahr, daB dem Staatshaushalt Mittel ver?lor?en
gehen and die planmaBige Finanzierung der Volks
wn?tschaft gestort wird.
In bezug auf die niedrigen Produktionsmittel
pr?eise als okonomische Hebel zur? Einfuhr?ung de
modernen Teehnik besteht fur die volkseigene InL
dustrie. durch die Verlagerung der Produktions-
abgabe; soweit die Investitionen durch den Staats-
haushalt bzw. aus dem erwirtschafteten planmaf3i-
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ZUR REALISIERUNG DES ZENTRALISIERTEN REINEINKOMMENS DES STAATES?...
gen Gewinn fihanziert werden, kein besonderer? An-
reiz, veil diese Mittel entsprechend dem tatsach-
lichen Umfang der vorgesehenen Investitionen
unter Ber?ucksichtigung der gultigen, d. h. eben der
niedrigeren Produktionsmittelpreise planmaliig
festgelegt werden. Fur die volkseigene Industrie
konnten sick die niedrigeren Produktionsmittel-
preise auf die- Forderung des technischen Fort-
schrittes nur in dem Ma(3e auswirken, vie die volks-
eigenen Betriebe im Rahmen selbstandiger? Finan-
zierungsmoglichkeiten technisehe Neuerungen zur
Rationalisie"rung desProduktions-und Zirkulations-
prozesses einfuhren konnen. Was die Finanzierung
durch Investitionskredite betrifft, so konnte das an
Stelle der unter- dem Wert liegenden Produktions-
mittelpreise auch durch die Festlegung entspre-
chender Ruckzahlungsfrasten der Investitionskre-
dite erreicht werden.
Okonomische Vorteile und damit ein Anreiz be-
steht bei den niedrigeren Produktionsmittelpr?eisen
fur die private und genossenschaftliche Wirtschafl,
veil weniger Kapital bzw. finanzielle Mittel fiir? die
Anschaffung moderner Produktionsmittel benotigt
werden. Aber auch hier muB man sick die Frage
stellen, wenn die Einfuhrung der modernen Technik
in der privaten Wirtschaft uberhaupt einer Forde-
rung bediirfte, ob es nicht genugend andere und
bessere Moglichkeiten gibt, das zu erreichen.
Auf die Forderung des technisehen Fortschritts
durch den Preis in der volkseigenen Wirtschaft --
und 'or allem darum geht es hies - uben also die
unter dem Wert festgelegten Preise fur Produk-
tionsmittel in dem MaBe einen okonomischen An-
reiz aus, vie die Betriebe im Rahmen selbstandiger
Finanzierungsmoglichkeiten in der Lage sind, solche
Investitionen zu finanzieren. Unter Berucksichti-
gung aller bisherigen tYberlegungen scheint der
okonomische Nutzen tinter dem Wert liegender Pro-
duktionsmittelpreise aber in bezug auf die Forde-
rung des technischen Fortschritts keine solche Be-
deutung zu haben, daB damit prinzipiell die Ver-
lagerung eines groBen Teiles des zentralisierten
Reineinkommens und alle damit verbundenen Fol-
gen begrundet werden konnten. Vor allem die Exi-
stenz der priv~ten WirtschaftQvurde dazu zwingen,
die betreffenden Erzeugnisse zu hoheren Preisen zu
)verkaufen, wenn. der Staat nicht die Gefahr ein-
gehen will, Teile des -n dcr volkseigenen Industrie
produzierten Wertes einzubtif3i. Die Entscheidung,
auch bei den Produktionsinstrumenten das produ-
zierte Mehrprodukt prinzipiell dort zu realisieren,
wo es produziert worden ist, schlieBt auBerdem
niemals aus, auch Preise fur bestimmte Produk-.
tionsinstrumente bewuBt unter oder such uber dem
Wert festzulegen.
Als letztes soil auf die These eingegangen werden,
daB durch die Verlagerung eines groBen Teiles des
zentralisierten Reineinkommens des Staates ails der
Abteilung I in die Abteilung 11 gunstige Voraus-
setzungen fur die planmaBige Preissenkungspolitik
und fu-? die'Durchfuhrung von Preissenkungen ge-
schaffen werden. Eine gunstige Voraussetzung wird
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in der Verlagerung insofern gesehen, als dadurch
eine bessere und schnellere Ubersicht uber die fur
Preissenkungen und zur Gestaltung bestimmter
Preisrelationen uberhaupt zur Verfugung stehender
Mittel gegeben ist. Ferner sei die Durchfuhrung
einer? Preissenkung einfacher, wenn das Preis-
senkungsvolumen moglichst in einer Stufe und
nicht in mehreren Stufen enthalten -st, veil, je
nachdem, welchen Umfang die Preissenkung hat,
dann die Preise in mehreren Stufen geandert wer-
den muBten
Es leuchtet em, daB die Durchfuhrung von Preis-
senkungen tatsachlich erleichtert wird, wenn das fur
die Preissenkung in Anspruch zu nehmende Rein-
einkommen in den Preisen der Erzeugnisse der?End-
stufen der Produktion enthalten ist. Reicht das im
Preis des Endprodukts enthaltene Reineinkommen
nicht aus, die angestrebte Preissenkung zu decken,
muBte das in den Preisen der Erzeugnisse der Vor-
stufen enthaltene Reineinkommen in Anspruch ge-
nommen werden, und es muBten somit nicht nur in
einer, sondern in mehreren Stufen die Preise ge-
andert werden. In diesem Falle werden zwar die
durch die Preissenkung angestrebten neuen Preise
und Preisrelationen bei den Endverbraucherpreisen
erreicht, aber es andern sick auch die Preise und
Preisrelationen der Erzeugnisse der Vorstufen in
dem Malie, vie Reineinkommen aus den Preisen
dieser Erzeugnisse fur eine Preissenkung verwendet
wird. Die. dabei entstehenden Schwierigkeiten wer-
den um so groBer?, je mehr Erzeugnisse aus dem
Vorprodukt hergestellt werden. Angenommen, es
soil der Preis eines bestimmten Erzeugnisses gesenkt
werden, das im wesentlichen aus Etsenbiech besteht.
Wenn in diesem Falle das Reineinkommen aus dem
Preis des Vorprodukts Eisenblech in Anspruch ge-
nommen werden muBte, d. h, wenn aus diesem Grunde
der Preis einer bestimmten Sorte Eisenblech, das
nosh in viele andere Produkte eingeht, gesenkt wer-
den muBte, wurden sick Auswirkungen in den Prei-
sen alley anderen aus diesem Eisenblech bestehen-
den Erzeugnisse eegeben bzw. die Preisrelationen
zwischen Eisenblech und anderen Vorprodukten die-
ser Art wurden sick, verandern, ohne daB das gewollt
ist. Hier entsteht also ein nicht zu unterschatzendes
Problem.
Um uber? die Moglichkeiten der Senkungen der
Endverbraucherpreise ein klares Bild zu erhalten,
muBte, ausgehend vom Stand und der Entwicklung
der in Betracht kommenden Faktoren gepruft wer-
den, welchen Umfang Preissenkungen fur in-
dustrielle Erzeugnisse in den nachsten Jahren haben
und ob bei der Realisier?ung dieser Preissenkungen
erne durchschnittliche Akkumulation in den Preisen
der betreffenden Erzeugnisse zur Deckung aus-
Es ist auBerdem darauf hinzuweisen, daB die An-
wendung des Prinzips, den Wert dort zu realisieren,
wo er produziert worden 1st und dementsprechende
Preise zu bilden, nicht ausschlieBt, in Sonderfallen
von diesem Prinzip abzuweichen und in die Preise
bestimmter Erzeugnisse soviel zentralisiertes Rein-
einkommen hineinzulegen, daB fur die Behandlung
soldier Sonderfalle das notwendige Reineinkommen
im Preis des Endproduktes enthalten ist.
Es ist aber ein Unterschied, ob man mechanisch,
ohne daB ein AnlaB dazu vorliegt, in groBem Ma13-
stab durchweg die Akkumulation aus der Abtei-
lung I in die Abteilung II verlagert oder ob man es
nur in den Fallen macht, bei denen tatsachlich eine
Begrundung gegeben ist; denn bereits ein grober
tYberblick uber die in den Preisen der Erzeugnisse
der Abteilung II vorhandenen Akkumulation zeigt,
daB in der Mehrzahl der Falle die in diesen Preisen
enthaltene Akkumulation ausreicht, die planmaBig
durchzufuhrenden moglichen Preissenkungen zu?
finanzieren.
Es 1st vor allem auc13 hier zu prufen, ob die mecha-
nische Verlagerung eines grollen Teiles des zentrali-
sierten Reineinkommens aus der Abteilung I in die
Abteilung II aus den erwahnten Griinden notwendig
ist, ob es nicht vielmehr darauf ankommt, in jedem
einzelnen Falle die Notwendigkeit einer solchen Ver-
lagerung besonders zu begrunden. Auf, diesem Wege
wird man dem Ziel, ein okonomisch begrundetes
Preissystem zu schaffen, wesentlich naherkommen
als mit der mechanischen, undifferenzierten Anwen-
dung einer u. U. nur fur bestimmte Falle zutreffen-
den Erkenntnis. Darin besteht vor allem die Haupt-
reichen wurde. Ohne eine solche Untersuchung is
es nicht moglich, ein endgultiges Urteil daruber ab
zugeben, welche Bedeutung die These von der Ver?
lagerung des zentralisierten.Reineinkommens de
Staates in die Endstufe der Produktion fur die plan
maBige Senkung der Preise hat.
schwache in der These von der Verlagerung des zen-
tralisierten Reineinkommens des Staates aus der
Abteilung I in die Abteilung II,
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Die Forderung, Preise zu bilden, die dem Wert
moglichst nahekommen und dementspr?echend in
jeder Stufe der industriellen Produktion das zen-
tralisierte Reineinkommen dort zu realisieren, wo
es entsteht, bleibt Theorie, solange die Wege, die
Methoden zur~Verwirklichung dieses Grundsatzes
un_vollstandig, falsch bzw. unbekannt sind. Die Ver-
wirklichung dieser Forderung verlangt eine Kon-
kretisierung, eine genaue Charakterisierung des
Werts, der die Grundlage der Preise bilden soil. Es
ist die Frage zu beantworten, ob der Wert in der
sozia`listischei Waienpio~ l lion in einer modifizier-
ten Form wirksam 1st und in welcher. Ohne Kla-
iung dieser theoretischen Grundlagen wird es
schwierig sein, die richtigen Methoden zu finden, mit
n Preiselementen
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er
eser
deren Hil
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Selbstkosten, Gewinn, Produktionsabgabe?und da
mit im Preis selbst zum Ausdruck gebracht werde
kann. Es ist also notwendig, ausgehend von eine/
klaren theoretischen Grundlage, alle Faktoren zu
bestimmen, zu analysieren und einzuschatzen, die
einen EinfluB auf die Hohe der Selbstkosten, des
Gewinns und der Produktionsabgabe bei der Preis-
bildung haben konnen. Die Klarung dieser sowie
dcr in diesen Ausfuhrungen bereits erwahnten Fra-
gen muf in der nachsten Zeit Hauptaufgabe auf dem
Gebiete der Preise sein.
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