OHR DER WELT
Document Type:
Collection:
Document Number (FOIA) /ESDN (CREST):
CIA-RDP99-00498R000100190063-5
Release Decision:
RIPPUB
Original Classification:
K
Document Page Count:
2
Document Creation Date:
December 20, 2016
Document Release Date:
March 14, 2007
Sequence Number:
63
Case Number:
Publication Date:
February 11, 1980
Content Type:
OPEN SOURCE
File:
Attachment | Size |
---|---|
CIA-RDP99-00498R000100190063-5.pdf | 315.21 KB |
Body:
Approved For Re[daseF2 6O3 i : CIA-I JI 9T9-
GEHEIMDIENSTE
Ohr der Welt
Mit dem neuen Schlechtwetter zwi-
schen Washington and Moskau kom-
men auch die subversiven Aktionen
wieder zu Ehren. Amerikas CIA wird
wieder gebraucht - and rehabilitiert.
V erdeckte Aktionen", eine Guerilla
von Stammeskriegem in Laos ge-
gen die roten Invasoren aus Nordviet-
nam, organisierte einst der CIA-Agent
Hugh Tovar. Abgemustert resignierte
er: Solche Aktionen trugen die ?Kenn-
zeichen einer aussterbenden Spezies".
Sie lebt wieder auf, Manner wie To-
var werden reaktiviert: Der neue Kon-
flikt in der Zone zwischen Koexistenz
and offenem Waffengang entfacht die
subversiven Aktionen an der unsichtba-
ren Front.
Die ?Central Intelligence Agency",
Amerikas griindlich desavouierter Ge-
heimdienst CIA, feiert ihre triumphale
Wiedergeburt, Amerikas President
Carter hat umgelernt: Als Wahlkamp-
fer 1976 sprach er der CIA nur auBen-
politische Entscheidungshilfe zu, nicht
aber den schmutzigen Job, ,Regierun-
gen zu stiirzen".
Beim Niedergang des Schah-Regimes
zwei Jahre spit ter, den die erlahmte
CIA einfach iibersehen hatte, auBer-
te Carter erstmals Unzufriedenheit
,,mit der Qualitat der politischen Spio-
nage". Nach Afghanistan aber, im Ja-
nuar 1980, forderte Carter in seiner
Botschaft fiber die Lage der Nation frei
heraus, ,ungerechtfertigte Zurlickhal-
tung aufzugeben". Denn: ,Eine effekti-
ve Geheimdiensttatigkeit ist lebens-
wichtig f-dr die Sicherheit der Nation."
Das New Yorker Boulevard-Blatt
,,Daily News" ruft nun nach mehr
Macht fur die CIA: ,LaBt uns emst
machen." Und der erzkonservative Ko-
lumnist James Kilpatrick sieht keinen
Sinn darin, ?Feuer mit Wasserpistolen
zu bekampfen". .,Neue Sympathie fur
die CIA auf dem Capitol Hill" ent-
deckte das liberale Magazin ,The New
Republik".
In dem ?betrichtlich verenderten
Klima" (Senator Walter D. Huddleton)
plant das zustandige Senatskornitee die
Revision eines Gesetzes, das den Biir-
gem nahezu ungehemmten Zugang zu
den Akten der CIA eriiffnet hatte. Und
nicht nur ihnen. Unter Berufung auf
den ?Freedom of Information Act"
konnten sogar auslandische Diploma-
ten in den USA, auch soiche aus dem
Ostblock, offiziell Einsicht in CIA-Ak-
ten fordern.
Der AuBenpolitische AusschuB des
Reprasentantenhauses wiederum will
einen Gesetzeszusatz wieder aufheben,
wonach fiber bestimmte CIA-Aktionen
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CIA-Hauptquartier Langley: Was 1st denn unmoralisch ...
erst einmal bis zu acht Parlamentsaus-
schUsse informiert werden fni ssen.
Der Geheimdienst, laut ?U.S. News
& World Report" Washingtons,,Augen
and Ohren rund um die Welt", war
nach Vietnam and Watergate, in Ame-
rikas Zeit der Einkehr und Selbstzwei-
fel, an die Kette gelegt worden. Es lieB
sich nicht mehr verborgen halten, daB
die 1947 von President Truman ge-
griindete and mit einem Jahresbudget
von gegenwartig etwa fiinf Milliarden
Dollar ausgestattete Organisation auch
Verbrechen begangen hatte.
Das Ohr der Welt sammelte and
analysierte nicht nur Nachrichten, son-
dern nahm auch aktiv auf das politi-
sche Geschehen in anderen Landern
EinfluB - durch die .verdeckten Ak-
tionen". Sie begannen zumeist mit
Spenden fur amerikafreundliche Par-
teien and Bingen oft bis zu Einsatzen
der ?Abteilung fur schmutzige Tricks".
Diese dubiose CIA-Abteilung heckte
Plane aus, den Kongo-Politiker Lu-
mumba mit Hilfe vergifteter Zahnpasta
and Kubas Castro mit vergifteten Zi-
garren umzubringen. Sie arbeitete mit
Mafia-Prominenten zusammen, unter-
stiitzte die Murder des chilenischen Re-
gierungschefs Allende and veranstalte-
te ti dliche Drogen-Experimente mit
ahnungslosen US-Mitburgern.
In der ?Operation Chaos" legte die
CIA 10 000 Dossiers von Amerikanern
an, die fiir Bi rgerrechte and gegen den
Vietnamkrieg agitierten. Im CIA-Com-
puter wurden private Details fiber
Robert Kennedy and Hubert Humph-
rey gespeichert, fiber Martin Luther
King and die Sangerin Eartha Kitt.
All das wurde in den 70er Jahren in
einem grandiosen Selbstreinigungspro-
zeB Amerika,. von KongreBabgeordne-
ten aufgedeckt - ein,,Hexenjagd-Syn-
CIA-Chef Turner
... an verdeckten Aktionen?"
drom", wie jetzt das ?Wall Street Jour-
nal" klagt, das hoffentlich ,nun end-
lich vorbei" sei. Im Zuge der Enthiil-
lungen der 70er Jahre hatten Agenten
auBer Dienst wie der jetzt in Hamburg
lebende Philip Agee - dem das State
Department erst vor ein paar Wochen
vergebens den PaB zu entziehen suchte
- sogar begonnen, die Namen von
CIA-Agenten in aller Welt zu verof-
fentlichen.
Die aufgescheuchten Regierungen
beriefen zwischen 1973 and 1977 vier
CIA-Direktoren - James Schlesinger,
William Colby, George Bush and
Stansfield Turner, der den Posten his
heute halt. Der Kongre6 untersuchte
die CIA-Praktiken and brachte Geset-
zesenderungen ein - Genehmigung
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c.
der verdeckten Aktionen durch den
Prasidenten, Unterrichtung der zustan-
digen KongreBausschusse (mit etwa 60
Senatoren and 130 Abgeordneten) and
die Akteneinsicht fiir jedermann.
Das waren ,strafende Restriktio-
nen", so befand Ray Cline, einst CIA-
Vizedirektor and selbst erfolgreicher
Agent (er lotste 1968 den Polit-General
?;ejna aus der Tschechoslowakei). Cli-
ne-Kollege Kirkpatrick uber die Stim-
mung des Landes and des Prasidenten
vor zwei Jahren: Es ,herrschte das Ge-
fiihl vor, Geheimdienste seien etwas,
dem man nicht trauen konne".
Jimmy Carter sah seine Skepsis bald
bestatigt. Die CIA meldete ihm, Saudi-
Arabien werde den Separatfrieden zwi-
schen Agypten and Israel stillschwei-
gend billigen. Doch die Saudis riickten
solle ,Waffen nach Afghanistan and in
andere Problemgebiete der UdSSR"
schicken.
Sogar der Vorschlag, in Afrika
,,westliche Stellvertreter and ver-
deckte Aktionen zu benutzen", stand
wieder in einer vom Verteidigungsmini-
sterium finanzierten Studie des vom
friiheren CIA-Vize Ray Cline geleite-
ten ,Zentrums fur Strategische and In-
ternationale Studien" (CSIS) an Wa-
shingtons Georgetown-Universiti t.
Dimitri K. Simes, CSIS-Direktor fiir
Sowjet-Studien, pladierte gleich auch
noch dafiir, die marxistische Regierung
im Sudjemen ,in Schwierigkeiten zu
sturzen". Fragte Simes, der einst an
einem Moskauer Regierungsinstitut ge-
arbeitet hatte: ,Was ist denn unmora-
statt dessen naher an die Seite der Geg-
ner dieses Friedensschlusses.
Im unruhigen Iran konnte die CIA
auch fiinf Monate vor dem Sturz des
Schah noch ,keine revolutionare, nicht
einmal eine vorrevolutionare Lage"
ausmachen.
Offensichtlich brauchte Amerika
wieder einen funktionierenden Ge-
beimdienst: Die eingeschuchterten
CIA-Leute berichteten oft nur noch,
was die Regierung h6ren wollte. Hatten
sich 1974 nur 43 Prozent aller US-BUr-
ger dafiir ausgesprochen, data die CIA
freundliche Regierungen starke and
feindliche schwache, so waren Ende
1978 schon wieder 59 Prozent fur sol-
che Aktionen.
Nach der Mini-Krise um die Sowjet-
Brigade auf Kuba fragten Leserbrief-
schreiber: ,Wo bleibt die CIA?" Das
Wall Street Journal" schlug in einem
Leitartikel am 3. Oktober vor, die CIA
Tisch daran, im Sudjemen verdeckte
Aktionen durchzufiihren?" Der Sudje-
men sei in Wahrheit ein Marine-Stiitz-
punkt der Russen and stifle nur ,rund
um Saudi-Arabien Unruhe".
Kontakt zum CIA-Milieu gilt kaum
noch als anruchig, eher wieder als pa-
triotisches Verdienst. George Bush zum
Beispiel, aussichtsreicher republikani-
scher Bewerber um die Prasident-
schaftskandidatur, verschwieg vor gut
einem Jahr noch in seinen Werbebro-
schiiren, dab er einmal CIA-Direktor
war. Neuerdings stellt er die Geheim-
dienstzeit grof heraus - als einen
Dienst am Vaterland, der ihn fur den
Prasidentenposten geradezu pradesti-
niere. Denn neuerdings wollen 72 Pro-
zent der Amerikaner die CIA wieder
starken, ,damit wir", so der ?Christian
Science Monitor", ,erfahren kSnnen,
was die Russen vorhaben".
Den auch heute noch seinem einsti-
gen Arbeitgeber CIA eng verbundenen
Ray Cline fragte der SPIEGEL, ob zur
Unterstutzung US-freundlicher Regime
auch die ,schmutzigen Tricks" wieder
angewandt werden sollten.
Cline: ?Ganz gewiB mussen sie das."
Manner wie Cline werden wieder ge-
braucht.
JUDISCHES THEATER
Hoff uns Gott
Erstmals seit Stalin Zeiten ist in
Moskau judisches Theater erlaubt
and gefragt.
I n Moskauer Theatem geht es neuer-
dings zu wie auf einem Parteitag der
sowjetischen Kommunisten: Kaum ist
der Vorhang gefallen, steht das Publi-
kum wie ein monolithischer Block auf
and klatscht minutenlang Beifall, als
hatte Breschnew gesprochen.
Doch die Ovationen gelten weder
dem Staats- and Parteichef noch dem
Sozialismus, sondern ji ddschen Kiinst-
lern: dem Moskauer ?Jiidischen Dra-
matischen Ensemble" and dem ?Musi-
kalischen Jiddischen Kammertheater"
aus Birobidschan.
Beinahe dreiBig Jahre lang durfte in
der Sowjet-Hauptstadt kein jiidisches
Theater gespielt werden. Nun rind
gleich zwei erlaubt: Wann immer die
beiden Truppen in Moskau auftreten,
setzt ein Run auf die Theaterkassen
ein.
Obschon die Vorstellungen jedesmal
ausverkauft sired, stehen die Moskauer
auch bei Frost Schlange, urn doch noch
eine Karte zu ergattern. Auf dem
Schwarzmarkt kostet sie bis zu 50 Ru-
bel (138 Mark), mehr als der Wochen-
lohn eines Arbeiters. So begehrt war jii-
disches Theater zuletzt in der fruhen
Stalin-Zeit gewesen.
Damals brachten es jildische Schau-
spieler, Regisseure and Biihnen zu
Weltruhm: Nach dem Sieg der Ok-
toberrevolution, als die Juden glaubten,
endlich frei zu sein von Pogromen, Dis-
kriminierung and Verbannung, gri.inde-
te der georgische Regisseur Jewgenij
Wachtangow in Petrograd die ,Habi-
ma" (Biihne), ein hebraisches Studio,
bald darauf der Reinhardt-Schuler
Alexander Granowski in Moskau das
jildische Kammertheater, das 1925 so-
gar Staatstheater wurde.
Doch der Antisemitismus lebte wie-
der auf, die ,Habima" emigrierte 1926
nach Palastina - sie bildete den Kern
des israelischen Nationaltheaters.
Das Moskauer Jiidische Theater
spielte unterdessen weiter. Marc Cha-
gall entwarf Biihnenbilder, Joseph
Roth notierte begeistert: ,Dieses Thea-
ter ist nicht mehr gesteigerte Welt, es ist
eine andere Welt. Diese Schauspieler
sind nicht mehr Trager von Rollen,
sondern verwunschene Trager eines
Fluches. Sie sprechen mit Stimmen, wie
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