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CIA-RDP83-00415R003200030003-9
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RIPPUB
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R
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149
Document Creation Date:
December 22, 2016
Document Release Date:
February 14, 2012
Sequence Number:
3
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Publication Date:
June 29, 1949
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REPORT
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FORM N0. 51.61
MAY 1949
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Germany
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SUPPLEMENT TO
REPORT N0.
29 Juen 19/+?
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OF 7NE UNITED'?STATES WIiNIN TNF MEANING OF THE ESPIONAGE ACT 50
U. 5. C.. 31 AND 32 AS AMENOE D. ITS TRANSMISSION OR THE REVELATION
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4': Jahrgang, Nr. 4 April 1949
Was bedeutet uns Kant?
Die griechische Holle
Recht und. Gesetzgebung
Nationalisnius - Nationalgefuhl
Diskussion um einen Antikriegs-Film / Grundgesetz oder Grundbefehl
Sklavenarbeit / Freiziigigkeit im Ost-Paradies I Wahrungsgewinaler
Ein neuer Weltgewerkschafts-Bund? / Auslese in der Demokratie
Kardinal als Streikbrecher / Freiheit ein kapitalistisches Vorurteil
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Willi Eichler: Nationalgefiihl and Nationalismus .............................. 145
Julie Pohlmann: Was bedeutet uns Kant? .................................... 150
Dr. Ulrich Teidlmann: Ziel and Methoden der Agrarplanwirtschaft ............ 153
Victor Larod:: Die griechische Holle ........................................ 156
Erich Me}per: Die gewerkschaftlidle Situation .............................. . .. 162
Dr. Curt Staff: Zur gegenwartigen Lage der Gesetzgebung ................... 164
Paul Stamford: Kreuzzug fur eine Weltregierung ............................ 168
E. El. Blencke: Der Kampf um Trumans Fair Deal ............................ 169
Rudolf Kiistermeier/Derrick Sington: Die Tore offnen sick ................... 172
Benter Dietrich: Man mutt dariiber sprechen. (Antwort an Dr. Morchen) ..... 175
P. S.: Diskussion um einen Anti-Kriegsfilm ................................... 176
Notizen zum Weltgeschehen
Grundgesetz oder Grundbefehl? .............................................. 178
Pyrrhus-Sieg der ?Dritten Kraft" ............................................ 178
'Treuhander fur Stahl and Eisen ............................................. 179
Sklavenarbeit ................................................................. 179
Der neuralgische Punkt ...................................................... 180
Atlantik-Pakt ................................................................ 180
Grenzanderungen statt Grenzbeseitigungen ................................... 181
Katholische Unternehmer ...................................................?. 181
Ein never Weltgewerkschaftsbund? ........................................... 182
Fortsdlritte in der Benelux-Organisation ...................................... 182
Rundschau
Sarojini Naidu - eine Kampferin um Indiens Freiheit ........................ 183
Die volkerverbindende Sprache ............................................... 183
Freiheit ein kapitalistisches Vorurteil ........................................ 184
Freiztigigkeit im Ost-Paradies .............................:.................. 184
Erziehung zu guten Volksdemokraten ........................................ 184
blennecke - nicht Hennecke .................................................. 184
Erzbischof un d Dekan ........................................................ 184
Totalitarer Exze11 in Holland ................................................. 185
Neves aus Argentinien ....................................................... 185
Wenn zwei dasselbe tun ...! ................................................ 186
Kardinal als Streikbredler ................................................... 186
Zeitziinder Mazedonien ........................................................ 187
Auslese in der Demokratie .................................................... 188
Edlte Volkerverstandigung ................................................... 188
Wahrungsgewinnler .......................................................... 190
Von alten and neuen Biichern
.,Tito contra Stalin" (P. S.) .................................................... 191
Paul Frolich: ?Rosa Luxemburg" (Peter Blachstein) ........................... 191
Pressefreiheit (Wg.) ........................................................... 192
?Geist and Tat" erscheint monatlich and kann durch die Post oder den Buch- and Zeitschriften-
handel bezogen werden. Vierteljahrliches Abonnement 1.50 DM zuziiglich Zustellgebiihren. Ein^.el-
heft 50 D-Pf. Fur unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewahr iibernommen; Rilck-
sendung erfolgt nur, falls Riickporto beiliegt. Der Abdruck einer Arbeit in ?Geist unrl Tat"
bedeutet nicht unbedingt, dab die Schriftleitung dem gesamten Inhalt dieser Ax?beit zustimcnt.
Zuschriften far die Redaktion bitten wir zu senden an: Willi Eichler, KSIn-Klettenberg, Peters-
bergstraIIe 73. Alle iibrigen Anfragen a;bitten wir an die Europaische Verlagsanstalt GmbH?
Hamburg, Pressehaus, Telefon: 32 69 23. Rotationsdruck: Carl Schtinemann, Bremen - 323S/4/49
Kiasse C - Printed in Germany. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Copyright 1947 l;y
Europaische Verlagsanstalt GmbH., Hamburg. Anzeigenverwaltung. Anzeigen-Union GmbH.,
Hamburg, Speersart 1. Pressehaus. Ruf 32 10 04.
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MONATSSCHRIFT
FUR RECHT, FREIHEIT UND KULTUR
SCHRIFTLEITER: WILLI EICHLER
YeroffeetFickt uMer Zulaswngsnummsr 9! der Militarrogiewng
4. Jahrgang April 1949 Nr. 4
milli Eichler:
Nationalgef uhl and Nationalismus
1.
Wir haben uns im Februarheft dieser Zeitschrift zu zeigen bemiiht, dafl die Reak-
tionen weiter deutscher Kreise auf die Veroffentlichang des Ruhrstatu4s nicht einem
neuen deutschen Nationalismus entspringen, sondern im wesentlichen .darauf zuriick-
zufdhren rind, dall das Ruhrstatut geundsatzlich nichts Neues schafft, - dall es zwar
versucht, die Welt gegen eine Wiederholung deutscher Angriffspolitik zu sichern,
was gut and reditens ist, dall es aber keinerlei Ansatze zu einer e u r o p a i s c h e n
Losung darstellt, ohne die eine Wiederherstellung Europas schledithin undenkbgr
ist. Mit dieser Uarlegung glauben wir gezeigt zu haben, welchen Weg ein demo-
kratisdh and friedlich gesonnenes Ueutscttland einschlagen sollfe, um der Welt zu
beweisen, Ball es an der Zeit sei, diesem Deutschland wieder zu vertrauen and eine
Reihe von Maflnahmen einzustetlen, die geeignet sind, auch die demokratischen
Deutsdten schlie111ich zur Verzweiflung zu treiben. Um uns ganz deutlich auszu-
driicken, brachten wir auch einen Brief zur Kenntnis unserer Leser, den Herr Mer-
ton aus Frankfurt an den Londoner ?Economist" gerichtet hatte, and aus dem dns
nationalistische Tone entgegenzuklingen scbienen, die man im Ausland als allge-
mein deutscb anzunehmen geneigt sein konnte.
2.
Einige miindliche and schriftliehe Bemerkungen unserer Leser haben uns gezeigt,
da(i die Verstandigung fiber das, was nationalistisch genannt zu werden verdient
and was nidtt, nosh sdtwieriger ist, als wir glaubten. Herr Merton and einer seiner
Verteidiger zahlen alle ~'ersager der alliierten Politik auf, die wir alle sP.it den
Tagen der Pariser Vorortvcrtrage von 1919 her kennen, and die zu nennen auch
diese Zeitschrift nicht unterlassen hat, da wir keineswegs glauben, dall nur die
Deutschen eine sdhleehte Politik machen konnen. Gerade der Artikel fiber and
gegen das Ruhrstatut diente ja diesem ausgesprochenen 7.weck.
Was scblugen wir zur Behebung des inte~rnationalen Dilemmas vor? Internatio-
nalisierung der westeuropaisdien Industrie and deren gemeinsame Ausbeutung zum
gemeinsamen Nutzen! Herr Merton aber sieht darin keinen L'nterschied zu der im
Ruhrstatut getroffenen Losung, da ja die Deutschen innerhalb einer solchen gemein-
samen Kontrolle dock nur wieder in der Minderheit sein wiirden! Soll das aber
beil{en, daft die Deutschen nur einer europaischen Losung zustimmei~ konnten, bei
der sie innerhalb der Kontrolleinrichtungen die Mehrheit h3tten? Wir hatten in
unserem Aufsati gerade darauf hingewiesen, da[1 der allgemeine, and ii b e r a I 1 zu
bekampfende Nationalismus sick darin zeige, daR man ii h e r a 1 1 am Aufbau der
Nationalwirtsdtaften interessiert sei, an einem Unternehmen also, das fiber kurz
oder tang nur wieder in die alte Linie des Kampfes nm die Markte and also zu
kriegerischen Verwicklungen fiihren mnllte,
Wenn dagegen der europaisctte Gedanke rich soweit durchsetzt; wie wir unter
Anrufung der Hilfe and des guten Willens aller Volker glauben erwarten zu kon-
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Hen, da[1 die nationalen Industrien zu einer gemeinsam zu handhabenden euro-
paischen Industrie umgestaltet werden, dann 1st klar, dalt in dieser g e m e i n .
sa m e n V e r w a 1 t u n g u n d K o n t r o 11 a nicht von nationalen Mehrheiten oder
Minderheiten gesproehen werden darf.
Wer aber eine solche Entwicklung fair u n m o g 11 c h halt, der darf nicht ubet
Beleidigung seines Nationalstolzes klagen, wenn er unter dem Mifltrauen der andern,
oder such unter ihrer Konkurrenzfurcht zu Leiden hat. Seine Unfahigkeit, im Den-
ken and Frihlen fiber die Grenzen nationalen Denkens hinauszustoilen, zeigt eben
gerade seinen Nationalismus, -der sicb ja nicht nut darin zu auflern braucht, daQ
seine Trager von C`Iilitarismus and Kriegsgedanken getragen sind. -
3.
Ein Wort fiber Krieg and Nationalismus. Herr Merton and viele Deutsche weisen
darauf kin, Ball der zweite Weltkrieg ?die Folge des ersten" gewesen lei, Weil die
Sieger ihr Verspredien, ?gut zu sein", nicht hielten (Verletzung der 14 Punkte
Wilsons).
Ich mochte heute nicht im einzelnen eingehen auf die Geschichte dieser vierzehn
Punkte, obwohl es Behr reizvoll ware, der. nationalistischen Verdrehung bei Erorte-
rungen diesel Gegenstandes der Weltpolitik Hach 1918 ein Ende zu machen. Nur Bo
viel: die 14, im Januar 1917 verkiindeten Punkte sind von der kaiserlichen Regie-
rung, all lie verkundet wurden, nut verhohnt worden. Als lie sclilieRlich Hach
der vollkommenen militsrischen Niederlage Deutschlands akzeptiert wurden, wurde
dabei zugestanden, data audl spatere Erklairungen Wilsons in sie aufgenommen wur-
den. Trotadem 1st es richtig, da[t sie insbesondere bei der Setzung Heuer Grenzen
nicht befolgt wurden, weil dal allgemeine Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der
Volker zu unmSglichen Konsequenzen gefuhrt hatte, die sick im iibrigen in einigen
Teilen der Welt auf nationaler Basis tlberhaupt nicht losen Lassen.
Im iibrigen 1st {tber die Pariser Vorortvertrgge hier bereits gesprochen worden,
and nichts in ihnen, was keine Beschonigung verdient, sollte beschtinigt werden.
Aber die Konse'quenzen, die die deutsche Politik daraus zoo, hait-
ten andere sein s o l l e n and k ti n n e n. Zunachst: man war in Deutschland f a s t
a l I g e m e i n der Ansicht, dal{ Deutschland ?im Felde unbesiegt" geblieben war:
Diese imposante Liige wurde such von hochsten Staatshmktiontiren in tiffentlichen
Kundgebungen zum Besten gegeben. Das zweite war die deutsche Dolchstolllegende,
mit der die deutschen Kriegsverbrecher (es gab such andere) Bich Behr rasch rein-
waschen konnten, da lie damit bei alien Deutsci~en mit einem schlechten Gewissen,
and die waren nicht selten, Anklaug fanden. Das d'ritte war der Schwindel, all ob
in der Hauptsache die Reparationszahlungen des deutsche Volk zugrunde gerichtet
hMtten, ein Schwindel, den Herr Merton in seiner Skala der ?Angriffsfriedens"-
Aktionen nicht erwlihnt, von dem ich aber nicht sicker bin, ob er ihn nicht heute
Hoch glaubt. In Wirklichkeit pumpte man sick einen Haufen Geld im Ausland zu-
sammen, von dem man einen Teil zu Reparationszahlungen verwandte and einen
Teil zu einer irrsinnigen Aufbldhung der deutschen Industrie, die zum Schlull
glaubte, nicht mehr enders wirtschaftlich arbeiten zu konnen all dutch eine formi-
dable AufrGstung, and die schlie[llich deshalb die Gegenrevolution finanzierte and
dutch Adolf Hitler dal deutsche Volk verriidct machen lien, wozu dies leider gro-
Benteils leicht bereft war.
Herr Merton wundert sirh in seinem Brief an den ?Economist", dell man heute
Deutschland hindert, ?seine wirtschaftliche Freiheit zu erlangen". Nun, man hat
Deutschland in der Weimarer Republik relativ leidit erm8glidit, seine wirtschaftliche
Freiheit zurtlckzuerlangen. Das begann 1924 mit dem Dawes-Gutachten, zu einer Zelt;
all die deutsche Industrie 121ngst rnit den deutschen Generillen and den Russen kon?:
spirierte and heimlich aufriistete. Und ein anderer Leser, der mit Ilerrn Merton.
einverstanden 1st, sehreibt uns: ?I)iese `Catsachen (Demontage, Ruhrstatut uswJ er
halten erst dann ihren allerdings furchtbaren Sinn, weiin man all bewegend2 Draft
nicht die Sorge um die Sicherheit -wet laeht da? -, sondern den Willen zur Nie-
derhaltung des deutschen Volkes and zur Unterbindung der deutschen Konkurrena
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annimmt: ` Wenn man sick vor der Abgabe solcher Urteile dock Byrum bemiihte,
praktisch zu erforschen, das heillt in Frankreich, was fiir eiu enischeidendes Motiv
dort die Sorge um die Sidterheit des Landes vor den Deutschen ist, Bann warden
einem solche Dinge nicht aber die Feder kommen! Aber darin liegt eben der
1\ationalismus soldier Aullerungen, die nicht das geringste Verstandnis aufbringen
fiir die wirklichen Sorgen anderer Leute and die uur jammern kiinnen fiber das
vermeintliche odor auch wirkliche Unredtt, das einem sclber angetan wind. Und
man kann schlielllich verstehen, Wenn bei solcher Behandlung der Dinge in der
Offentlichkeit Bich bleinungen bilden, wie sie vor kurzem ein Ostdeportierter in
einem Brief an die Schweizer ?Tat" ausdriickte:
?Sind Sie in der Lat,=e, einen Weg zu finden, der uns die geraubten Ostgebiete
auf friedliche Art and Weise wiedergibt? Glauben Sie etwa, daft wir sie wieder-
bekommen, Wenn wir ganz brave and folgsame Demokraten werden? Das glauben
Sie dock auch nicht!" Liegt in dieser Verzweiflungshaltung nidtt bereits die Bereit-
willigkeit, an schwarzer Reichswehr and dergleichen teilzunehmen?
4.
Keine verantwortlidte Gruppe von Menschen behauptet, daft alle Deutschen am
Kriege oder am Hitlersystem ?kollektiv schuldig" warm. Wohl aber mussen sick
a 11 a Deutschen entschliellen, fiir diu Taten des 1Iitlerregimes die V e r a n t w o r-
t u n g au ubernehmen, Und sdton Baran fehlt es in Deutschland weitgehend. Nie-
mand will heute in Deutschland fur Bas Aufkommen des Naziregimes verantwort-
lich sein, and wenn wir nods ehvas warten, Bann besteht Bas game deutsche Volk
nur nodt aus VViderstandskampfern, die von Anfang au gegen Hitler aktiv aufge-
treten-sind.
Herr Merton schreibt in einem Brief an uns: ?Die 4~ Prozent deutsdier Wahler
Ietwa li lfillionen Stimmen), die im Jahre t933 fur Hitler gestimmt haben, haben
sidier nicht fur Konzentrationslager, Judenpogrome, Krieg usw., sondern fiir Arbeit
and Brot gestimmt." Nehme^ wir an, das war so. Dann zeigt das einen Grad von
politischer Unreife, der die Deutschen fur die nachsten 50 )ahre aus der Reihe
zivilisierter Nationen aussdtlieRen mii(tte. Denn Hitler hat gewift viel gelogen,
aber das, was er an ScheuRlichkeiten vorhatte, sobald er einmal an diP Macht kom-
men wurde, hat er in seinem unsaglichen Buch ..A'Cein Kampf" beinahe in Einzel-
heiten niedergelegt. Und auch seine SpieRgesellen wie Rosenberg, Goebbels and
einige der anderen esozialen Elemente warm durchaus nicht zurud;haltend in der
Sehilderung lessen, was Deutschland zu erwarten hatte.
Wer soldt eine Unterwelt mit der Regierung in einem Lande betraut, muff dafiir
auch die Verantwortung ubernehmen, ouch fiir den Fall, daft er sich spater selber
Vorwurfe gemacht hat, fur sie gestimmt zu haben. Wir sind audt bereft, aus dieser
Ansicht die Konsequenzen zu ziehen and auch das englisdie, amerikanische and
russische Volk staatsrechtlich dafiir verantwortlich zu machen, da[1 Stalin, Roosevelt
and Churchill der Austreibung von f2 Millionen Deutschen aus Ostdeutschland, der
Tschechoslowakei and den Balkanlandern zugPStimmt batten. Und wir sind auch
bereft, diese Taten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen. Die Frage
ist aber, wie zeigt rich in dieser Situation 1\"ationalismus and wie Bas, was man als
Natiohalgefiihl bezeidtnen konnte, lessen Sinn and Berechtigung wir keineswegs
leugnen mbchten.
Der Nationalist wind immer nur alley zttsammentragen, was ihm von aulten an
Ublem geechiebt, and ztt verkleinern oder zu vergessen suchen, was an Bemuhun-
gen aufgebraoht wurde, den Deutsdten zu helfen. Er wird nicht mflde werden, unter
Beru[ung auf die Gleichberechtigung der Milker, diese Gleichberechtigung s o f o r t
zu fordern, and kein Verstandnis aufbringen fiir die Tatsache, daft Deutschland in
der Welt ein riesiges Ausmalt an bfilttrauen erst abtragen muff, das seit den Juden-
verfolgungen and der Ermordung gamer Viilker and der eigenen Volksgenossen
durdt die Nationalsozialisten leider angehauft wurde.
5tatt lessen erleben wir, daft aurh die riesigen Lebensmittellieferungen and Hilfs-
aktloaea als bloQer Auedruck Bee Selbsterhaltungswillens der
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H i l f s v o l k e r angesehen warden, wahrend bet der Tatitrkeit von Victor Gollanez
z. B. doch deutlich nidzt nor die uneigenniitzige Hilfsbereitschaft, sondern auch die
kritische Haltung der Politik seiner Regierung gegeniiber zum Ausdrudc kommt.
Und in der Tat kommt solehe Kritik am zweckmaltigsten von den e i g e n e nLands-
leuten. -
3.
Nationalgefuhi echtes, das Gefiihl, das Wert darauf legt, daft das eig~ne Vo11i
sick sauber and anstandig benimmt, wiirde cans haute and sett 1945 bet Protesteri
gegeniiber dam Ausland meist etwas ganz anderes geraten haben. Es hatte dafur
gesorgt, daft die Nazis wirklich aus deutschen Amtern ausgesc~hlossen warden, stafti
loll sie von alien moglichen Siellen geradezu bevorzugt and geschiitzt warden. Es
hatte dafur gesorgt, loll die deutschen Bauern ihre eigenen Volksgenossen s o g u t
w i e m o g l i c h beliefert hatten, bevor man rich an das Ausland mit dei? Bettelei
um Lebensmittel wandte, wahrend die in Deutschland prodazierten zum g-roftteri
Tail auf dam Schwarzen Markt verschoben cvurden. Es hatte dafur gesorgt,'da[t die
deutschen Industrieprodukte gerecht verteilt worden warm, statt sie fiir Pliantasie-
preise zu verschicben. Es hatte dafur gesorgt, dalf die Iloriung, loll die Wahrungs=
gewinne unmoglidi gewesen and die Steuerbetriiger als Volksverrater bestraft wor-
den warm. Es hatte dafur gesorgt, daft die Fliichtlinge als Menschen angenummeri
worden warm, daft man sie eingereiht hatte in eine Notgemeinschaft, statt s~ie'mit
billigen Versprechen, sie worden scfion in ihre Heimat zuriidckommen, entweder
iiberhaupt zu beliigen oiler sie zu nationalistischen Exzessen aufzuputschen. Kurz,
das echte Nationalgefiihl cvarde sick ermannt haben, aus dam moralischen Mist-
haufen, dam das deutsche Volk Wadi dam Zusammenbruch mehr and mehr iihnelte,
eine Lebens- and 5chidcsalsgemeinschaft zu machen. Aber nicht these Gemeinschaft
entstand -and zwar Burch deutsche Behold, oiler Burch Schuld einen groften Tails
der Deutschen -, sondern lediglich eine Flut von Redensarten fiber these notwen-
dige Gemeinschaft, -eine Flut, die nicht besser wird dadurch, Bali sie von betont
nationalen Leuten stammt!
Das Nationalgefiihl. um es mit einem Wort zu sagen, richtet rich darauf, aus der
ration canter alien Umstanden eine sanbere Gemeinschaft zu machen. Der Nationa-
lismus richtet sick mit seinen Beschwerden caber die moralischen Verfallsersdieinun-
gen an das Ausland.
Gewift gibt es auch bet andern Volkern Nationalisten, and es ist das fraurige Zu=
sammenspiel der L?mstande, daft sick die Nationalisten alley Lander gegenseit~g
die Balle zuwerfen. Es ist eine Bedingung echten Nationalgefiihls, mit dam Aus=
brush aus diesem Teufelskreis zu beginnen and rich nicht mehr darauf zu bernfen,
daft es die ?Anderen" ja auch nidit taten. .
6.
Diese Verzogerung der eigenen guten Tat canter Hinweis auf die Andern is"t nich#
neu. In der Weimarer Republik gab es einen Mann, einen Professor, der einen
Kommentar zu der Verfa~sung der Weimarer Republik schrieb. Es handelt sick um
den Professor Gerhard Ansdiutz, der in diesem Kommentar zur Reichsverfassung
canter anderem scfirieb:
?Wenn der Absatz 1 (des Artikels 148 der Reichsverfassung) dam Lehrer ge=
gebietet, die ihm anvertrauie Jugend ,im Geiste des deutschen Volkstums and
der Volkerversohnung` zu erziehen, so motet er ihm zwei Aufgaben zu, Bit' heut6
schwerlich miteinander vereinbar sein diirften. ... Vielmehr fordert der= Geist
unseres Volkstums, ahem anderen zuvor, Erziehung der Jugend zur Deutsch-
gesinnung, zum nationalen Selbsthewufttsein, zu nationalem Ehrgefiihl. Unser
nationales Ehrgefuhl aber wird Burch das Friedensdiktat-von Versailles, of#~?ge-
nog auch Burch die Gesinming, welche die Siegerstaaten ...Deutschland gegen-
iiber betatigen, aufs tiefste verletzt. Der ,Geist der Volkerversohnung kann
das ihm innewohnende Ethos erst entfalten, wenn nicht nor wir, sondern auch
die andern sick von ihm leiten Lassen, wenn er, in diesem Sinne, eiri internatio-
nales Gut wird. Bis dahin (!} bedeutet eine Vorschrift, die es als Aufgabe in
148
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unserer Schule bezeichnet, fiir Volkerversohnung zu wirken, einen Gewissens-
zwang gegen jeden, der eein Deutschtum bodthalt, sei er'Lehrer oder Schaler:'
Deutsditum vervagt rich also nicht mit dem ~Virken fiir Volkerversohnung!
Diener- Herr Professor, den in Deutschland viele fur einen litiken Demokraten ge-
halten haben, and er sidi selber wahrschcinlidt auch, ist nur einer der vielen, die
enter keinen Gmstanden zu bewegen Sind, mit vernunftigen Aktionen a n z u f a n -
g e n. lhre hfethode ist: ?solange die anderen ..: `, solang~e miissen wir ebenso
toricht bleiben. Wir hatten das gro[le Gluck, Hoch wahrend des Krieges mit einigen
fuhrenden Vertretern der jiidisdt-polnisd~en Arbeiterorganisation ?Der Bund" zu-
sammen-ruarbeiten. VYenn bei irgendwelchen Volksangehorigen die psychologische
Bereitschaft vorhanden sei^ mu[lte, die Deutschen insgesamt zu hassen, deren Re-
gierung Millionen von Juden auf die scheultlichste Art umbringen lieu, war es bei
den Vertretern diesel Volkes and dieser besonderen Organisation der Fall. Sie
dachten aber gar uicht Baran, sidt dem allgemeinen Dentschenhall zu verschreiben,
and zwar mit der simplen Argumentation, Ball die einzige Rettung aus soldtem
totalen Absturz der Mensdrheit nur erreidrt werden konnte, wenn man von Anfang
an damn redtnete. Ball jedPnfalls ein groRer Teil der Deutschen diese Dinge nicht
freiwillig mitgemacht hatie, and Ball man mtt diesen Deutschen a u f d e r B a s i s
europaischer 7usammenarbeit sick finden mii(;te, - freilidr mit alien
notwendigen Sicherungen gegen eine Wiederkehr deutsdrer Angriffslust.
7.
Damit kommen wir zum Schlufl. Herr Merton sagt am Ende seines Briefes gro11-
ziigig, die Losung des ProbleH~s, das zwischen den westlithen ldealisten and Deutsch-
land besteht, fiinde sick in dem Lutherwort: Wir-rind allzumal Sunder and mangeln
des Ruhms, den wir eigentlich vor Gott haben sollten. i'nd einer seiner Freunde
zitierte mit derselben Absichi Has Wort von Lloyd George, da11 wir alle in den
vorigen Welikrieg ?hineingeschliddert" seien.
l~iemand wird hestreiten, dal; wir allzumal Sunder sind: aber es kann such nicht
verkanut werden, Bait es dem. Grad der Siinde Hach Unterschiede gibs, and zwar
erheblidte. Cnd wenn es richtig ist, was wir fiir den ersten ~Veltkrieg zuzugeben
bereft:sind, Bat{ man in ihn. mrhr oder weniger hineingeschliddert ist, weil es zwi-
schen den Staaten nur eine Anarchie, aber keinen Rechlszustand ,gab, so bleibt,
nachdem man dies ausgesproctren hat, es eine 5iinde, wenn man nicht apes tut, die-
sen 'Lustand zu beheben. Wer es in nationalistischer Kurzsiclriigkeit unterlaRt,
$chritte _zur Entgiftung der Viilkerheziehungen zu unternehmen, ganz gleich aus
welchem Grund, der tragt unmittelbar daze bei, die Anarchie enter den Staaten
zu vere+vi~en, and das heiflt, sick heute schon verariiwortlich zu mathen fiir den
Ausbruch des niidrsten Krieges. Es ist eine Ausrede, hiuterlier zu sagen, man hatte
solche Folgen nidrt gewollt. Arch Wilhelm Il. war vielleichf iiherzeugt, den Krieg
nirht gewollt zu haben. Aber wenn er ihn wirklich n i c h t g e w o 1 1 t hat, Bann
hatte er sich auch iiberlegen miissen, was daze niitig war, daR er nidtt ausbrach.
~'Ver nodr heute ^icht fiber die nationalistische Brille wegsehen kann, kann nichts
fiir sick geltend machen, wenn wir wieder alle die Konsequenzen dieser nationali-
stischen Sttirheit zu tragen haben werden.
Die Deutschen haben, was Internationale Beziehungen angeht, sicherlich heute
am wenigsten Grund, sidr iiberheblich zu benehmen. Und wenn sie das Aasland
an Dinge erinnern wollen, die das Ausland besser unterlielle, Bann bekommt das
seine moralische Berechtigung nur, wenn lie selber zeigen, da(3 bei ihnen die Winne
b e s s e r liegen, Bali a}so ihre Einwande n i c h i auf nationalistisdtem Boden ge-
diehen sind.
$in . ilolk, Bas Anti-Semitismus p flegt, setzt sick selbst all Kalturvolk herab; and ein
Christ, des Antisemit ut, verrat sein Christentum. Leo Tolstoi.
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Julie Pohlmann:
Was bedeutet uns Kant?
Zum 225. Geburtstag Immanuel Karts
Am 2`?. April t'2~ wurde Kant in Konigsberg als Sohn eines Battlers geboren. Dort
verbrachte er sein lai._es Leben. );r wirkte als Universitatsprofessor. Maria Theresia,
Friedrich der Gro[?e, Voltaire. Rousseau, Lensing, Schiller, Goethe warm seine Zeit-
genossen. Seine 7.eit nannte Bich Stolz 'Leilalter der Aufklarung and der Ht~manitat,
and er war einer ihrer gro[?en [3ahnbrecher. Seine Schrift ?Was ist Aufklarung?"
(t?84) gibt die klassische Interpretation jener geistigen Resolution: ?A u f k l a r u n g
ist der Ausgang des blenschen aus seiner selbstverschuldete'n
U n m u n d i g k e it. U n m u n d i g k e i t ist das Unverm8gen, sick seines Verstandes
ohne Leitung eines anderen zu bedicn'en. S e l b s t v e r s c h u l d e t ist these Un=
mundigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am ?l4angel rles Verstandes, sondern
der Entsehlicllun~ and des ~Iutcs liegt, side seiner ohne Leitung eines anderen zu be-
dienen. Sapere aude! Habe 1lut, lilt defines e i g e n e n Verstandes zu bedienen! fist
also der V~ahlspruch der Aufklarung."
Zu blol?en historisdren Erinnerun~en hat der Politiker heute keine Zeit. Er fragt,
ob er bei Kant Hilfe findet fur die I_usung der Aufgaben. die die Hinterlassensdlaft
zweier Welrkriege ihm stellt. Seine vordringlidie Sorge fist, einen dritten Weltkrieg
zu sermeiden. Gerade von bier aus geht ein unmittelbarer Kontakt zu Kant, der
1293 seine heute besoizders aktuelle Sd~rift ?Zum ewigen Frieder" veroffentlichte.
In ihr heil3t es z. B.: ?f3ei dem Begriff eines Voikerrechts, als eines Rechts z u m
Kriege lal3t side eigentlich gar nichts dennnen (weil es recht sein sail, nicht nad~ all-
gemeingultigen, aul3ern, die Freiheit jedes einzelnen einsd~rankenden C,esetzen,
sondern nadr einseitigen Madmen lurch Gewalt, was Recht set, zu besfimmen), es
mu(Ite denn darunter serstanden werden: daft Menschen, die so gesinnet rind, ganz
reeht gesdiieht, wenn sie rich unicr einander aufreiben, and also den ewigen Frieden
in dem wetter Grabe fin den. das alle Grenel der Gewalttatigkeit samt ihren Ur-
hebern bedeckt:` Da .,die Vernunft eom Throne der hcichsten moralischen gesetz-
gebenden Gewalt herab, den Krieg als Rechtsgang schlechterdings verdammt, den
Friedensnistand dagegen zur unrniaelbaren Pflidrt mach t, welcher loch, ohne einen
Vertrag der Volker unter rich, nicht gestiftet oiler gesichert werden kann: - so mull
es einen Bund von besouderer Art geben, den man den F r i e d e n s b u n d nennen
kann, der vom F r i e d e n s s e r t r a g darin unterschieden sein wiirde, daft dieser
blo(3 einen Krieg, jener abet a I 1 e Kriege auf immer zu endigen suchte" Ab-
lehnung des Krieges als barbarisch and menschenunwurdig finder wit auch bei an-
deren Aufklarern wie~ St. Pierre, Voltaire, Rousseau, Hnme. Was Karts Forderung
eines friedlichen Verkehrs der Staate^ untereinander eine uberragende Stellung
gibt, fist die Tatsache. tla(3 er these Forderung als ein w i s s e n s ch a f t l i c h e r-
h a r t e t e s Re c h t der M~nschen anf ein friedliches frcies Dasein darlegt, das nut
dutch das Vernunftgebot der Gleichheit, nicht durdi Willkur reguliert werden darf.
Sehr vigil Anregung zum Nachdenken kiinnen auch heute nosh Karts andere popu-.
tare Schriften bieten. Wer rich die Mulie gonnt, sick in Karts etwas schwer.en Stil
einzulesen, stellt mit trberraschung fest, Bali Kant 2u Fragen Stellung. rilmmt, mlt
deren Politiker nail Padagogen auch heute sick herumschlagen: Vereinbarkeit von .,
Freiheit and Gleichheit, - Auioritat and Freiheit im offentlichen Leben und.in der.
Erziehung, - Gesetzli~hkeit and Gerechtigkeit, - Christentpm, Religion and Ki~chen--
dogmen. Der Leser findet Anregung genug, ,,sick seines eigenen Verstandes zu be- .
dienen"; er beregnet einem iiberragenden, revolutionaren Geist, der in einer`etarken
lebendigen Liebe fur Wahrheit and Gerechtigkeit and im Vertrauen auf die Kraft
der Vernunft wurzelt.
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Aber von Kants i.ebensarheit hat er damn erst einen kleinen Tcil kennengelernt.
einige reife Frachte seiner eigeutlichen :~rbeit. die der Philosophic galt and far die
mit Kant eine acne Epoche beginnt, die der strengen lVissenschaft. Dale mit dieser
strengen philosophischen Arbeit auch far die Politik Entscheidendes geleistet worden
ist, geht hoffentlich aus meinen Ausfiihrungen hervora
Die Philosophen vor Kant batten rich far ihre philo,ophische Arbeit der Iogiseh-
dogmatischen Methode bedient, das hei(it. sic batten aus AXiomen and Definitionen
Burch logisches Schliellen ihre ~~~steme aufgebaut. Durch these :4lethode war Euklid
zu seinem folgerichtigen klaren System der Geometric gekommen, a^ dessen R'ahr-
heit nicht zu zweifeln ist. Aber auf philosophischem Gebiet hatte these Methode zu
einem Labyrinth von einander widerspr?ccheniletr. besicnfalls in side geschlossenen
Systemen gefahrt. jedoch keineswegs zu allgemeingdltiger Wahrheit. utn die e~s doch
den Philosophen Bing.
In jahrelanger angestrengter 9rbeit geGngt es Kant, die verborgene Fehlerquelle
hierfar aufzuweisen. Ihm wird klar, dalf die R'ahrheii jeder gedachten Erkenntnis
letzten Endes auf der Wahrheit ihrer Grundvoraussetznngen bernht. dal; Euklids
Lehrgebaude der Geometric ?~ahrheitsclrarakier hat, weil Seine Grundvoraussetznn-
gen von unabweisharer a n s e h a u l i c h e r Ge+vil;heit rind. Gerade dieser aber
fehlt den philosophisdten Grundvoraussetznngen, daher rind sic so schwer fa(lbar.
Die Schwierigkeit wird dadurdt verschleiert, da[3 wir in nnsereu besonderen lirteilen
~m alltaglichen Denken and Handeln kraft unsers Wahrheits- and Rechtsgefahls oft
mit Sicherheit die richtige Entsc'heidung fallen. Sollten wir aber angeben. welcher
Grundsatz uns dabei ]eitete, wiirden wir in Unsicherheit. garaten. - Bemerkenswert
erscheint ferner, datl das Gefiihl schwankt, sobald es sich um Fragen an(;erhalb
unseres iiblidten Lebenskreises handeJt. ~lueh nad~deukliche gutwillige Meuschen -
sogar Philosophen - urteilen Behr verschieden etwa aber ein and denselben FaII
von Landererwerb Burch Krieg, fiber die Berechtigong einer bestimmten Diktatur~
aber Vorrecltte von Rassen, Klassen Oder Religionen. -Was ist Wahrheit?
Die EntdedCUng dieser eigenat?tigen Dunkelheit der philosophischeu Grundvorans-
setzungen bringt Kant zu der Erkenntnis, daR der Philosoph nieht sofort an den
Aafbau eines Systems gehcu darf. Vor dieser Arbeit muR eine andere +vissenschaft-
liche Aaf?~ahe geliist werden_ namlich die, sich zunachst einmal in den Besitz der ur
spriiuglich dunkehr Grundvoraussetznngen zu bringen and au(3erdem die Quelle
ihrer Gewi(}heii aufzuspiiren, eine Aufgabe, nm die vor Kant nur Sokrates and Plato
gewu(It haben. Diese 9nfgabe nennt Kant Kritik der Vernunft.
Aus solcften Ervvagungen kam Kant zu einem weiteren Sclu?itt: die bl e t h o d e
mu[Ite gefunden werden, Burch die die planma(;ige Aufweisnng der gesuchten Grund-
wahrheiten gelingen konnte. In einer Vorlesung t7?0 sagt Kant; ..Allein in der
reinen Philosophic ..., +vo die nrspriinglichen Begriffe der Dinge and Verhaltnisse
and die Grundsatze selbst Burch den reinen Verstand selhst urspranglieh gegeben
werden. und, da sic keine AnSCltaunngen sind, der Irrturn nicht immer vermieden
werden kann,gehtdieMethudealler Wissenschaft vorans,nndalles,
was vor der genauen Priifnng and sicheren Feststellnng ihrer Vorschrifien versuc~t
wird, erscheint als ein voreiliges Denken and mul3 unter die leeren Tandeleien des
Verstandes ver?wiesen werden."
Kant arbeitet die dieser Voruntersnchnng angemessene Methode in wesentlichen
Grundziigen heraus. 5Z fahre ist er alt, als er in der ?Kritik der reinen Vernunft"
(t?Rti der Well seine grof~en Entdeckun~;en unterbreitet. Da es nicht nur im Gebiet
der Prkennenden (reinen) Vernunft urspriinglich dunkle Erkenntnisse gibt, sondern
audr im Bereic~ der handelnden Eder praktischen). so laftt er die ,.Grundlegang der
Metaphy-sik der Sitten" (1?s5) and andere epochemachende Werke folgen. die der
Herausarbeitung der k r i t i s c h e n 1~lethode and Bemiihungen um ihre Handhabung
gewidmet sind.
Kanta groffartige Entdeckungen auf dem Gebiet der theoretischen Philosophic auch
nur zu nennen, geht aber den Rahmen dieser Arbeit hinaus Von den F r u c h t e n
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der Kritik der praktischen Vernunft sollen die Aufweisung der Autonomie des sitt-
lichen Willens und des kategorischen Charakters des Pflichtgebots erwahnt werden.
Denn in diesen Entded:unge.n liegt die Ver?erfung Jeder geistigen Bevormundung,
gegen die - nicht gegen den Grundsatz der Nachstenliebe - Kants unablassige
Abwehr geht.
Mu[I das Selbstverstandliche erwahnt werden, dal3 Kant bei weitem nicht alle seine
Entdeckungen auch selber ausarbciten konnte, dal; ihm Liid:en, Schwerfalligkeiten
und Fehler unterliefen in der Durchbildung and IIandhabung der kritischen Me-
thode? Kants Aufforderung an uns wiirde sein: ?Wean eiucr Wissenschaft geholfen
werden soli, so miissen alle Schwierigkeiten a u f g e d e c k t trnd sogar diejenigen
a u f g e s u c h t werden, die ihr Hoch so gehcim im Wege liegen; denn jede derselben
ntft ein Hilfsmittel auf, cvelches, ohne der Wissenschaft einen Znwachs, es sei an LTm-
fang odor an Bestimmtheit, zu ver~dtaffen, nicht gefirnden werden kann, wodurch also
selbst die Hindernisse Befordernn,*srniitel rler Griindlichkeit der Wissenschaft wer-
den. Dagegen werden die Schwicrigkeifcn absid~tlirh verdeckt, oiler bloft lurch
Palliativmittel gehoben, so brechen sie, iiber kurz ode>r tang, in unheilbare~ trbel
aus, welche die Wissenschaft in einem gtinzlidien Skeptizismus zugrunde richten:"
(Kant: ?Kritik der praktischen Vernunft".
Das Eindringen in Kants Werke wird uns ersclnvert dadurch, daft der deutschen
Sprache seiner Zeit eine grope Sprodigkeit und Schwerfalligkeit anhaftete, daft er sich
eine fur die neue Wissenschaft geeignete Terminologie erst schaffen mul?te. Das
Leber,swerk eines Kant erschliellt sick nur dem, der ihm mit Geduld und Achtung
nachgeht. In seine Ethik (und die seiner Nachfolger Schiller und Fries) gibt es
eine klare tiefe Einfiihrung. Es ist Leonard Nelsons Arbeit ?Die kritische Ethik bei
Kant, Schiller und Fries". Sie legt Kants eigenen Maflstab an die Leistung jener
drei Philosophen.
Die Welt hat nicht das Gliick gehabt, dal; Kants Glaube an die Vernunft, an die
Heiligkeit der Menschenwurde, seine Forderung eines Friedensbnndes bei den Macht-
habern ein lebendiges Echo fand: Licht einmal die tonangebenden Philosophen be-
griffen, welche 9ufgaben er ihnen als Diener der Wahrheit und damit a1s Gewissen
des offentlichen Lebens stellte. Einzelne R e s u l t a t e Kants, richtige und falsche,
griffen sie auf, verwoben sie in ein neues System, nannten sich Kantianer -und
stief;en damit die Philosophie wieder zuriick auf das Niveau der ?leeren Tandeleien
des Verstandec'". Das Versagen rlieser Philosophen hatte verhangnisvolle Folgen
auch auf politischem Gebiet. Kants Forderung der Gcistesfreiheit wurde verzerrt
in den Ruf des alteren Liberalismus Hach schrankenloser wirtschaftlicher Freiheit.
Hegel, der einflullreichste Philosoph des 19. Jahrhunderts und gleichzeitig der Meister
in ?leeren Tandeleien des Verstandes", gab mit seiner Lehre ?apes Wirkliche ist ver-
nunftig, und apes Verniinftige ist wirklich" der Reaktion in Deutschland die theore-
tische Grundlage fur ihre Machtverherrlichung, die Militarismus und Imperialismus
?rechtfertigte" und zur Knebelung der freien Meinung, letzten Endes zu Ilitler fiihrte.
Das Kernstiick von Kants Wirken, das Bemiihen um die kritische Methode wurde
nur durdi einige von der Uffentlichkeit moglichst totgesdnviegene oiler liefehdete
Philosophen fortgesetzt, von Fries, Schiller, Nelson und ihrer Schule. Diese 14lift-
achtung ist erklarlidi; denn ihre Arbeit brachte Ergcbnisse, die den Vormiindet'n
und Ausbeutern alter Schattierungen unbequem waren.
Marx flol3ten die bekannten Philosophen seiner Zeit keine Achtun~ vor der Philo?
Sophie ein. Fries hat er offenbar nicht gekannt, obwohl dieser Hoch lebte, sls Marx
seine Dc;kiorarbeit schrieb. Daher versuchte er, geleitet von leidenschaftlidler Em-
pbrung iiber die Ausbeutung, dem Gang der Geschidite Naturgesetze abzufragen,
Hach denen der Sozialismus naturnotwendig kommen molt. Ihm Bing es wie Kant;
seine Anhanger verfingen sick in den Irrtiimern seiner Lehre; machtig~ Inte;-
nationalen zerbrachen uber dem Bruderzwist und heute Hach zwei furchtbaren Welt-
kriegen ist die Arbeiterklasse in zwei Lager gespalten: das eine will das: Prinzip
der Gleichheit durchsetzen auf Kosten der Freiheit und unerbittlich bis zum 'Y'erroris-
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mus, das andere ist iiberzeugt, da(i die Gleichheit nicht Preisgabe der Freiheit ein-
schlie(len konne.
Es geht um das alte Problem Kants, das Fundamentalproblem des 5ozialismus.
Fries sa6 es als solches, er erkannie, dall das Fabrikwesen zu wachsender Aus?
beutung der Arbeiter lurch die. Unternehmer fiihrte, Bing dem Problem tiefer Hach
and zeigte auf, dall die personliche Gleichheit nicht Gleichheit des Besitzes fordert,
sondern nur die gleiche Mogliclrkeit fur Jeden, durclr geeignete Arbeit seine Be-
durfnisse zu befriedigen. Nelson formuliert es eindeutig: ?A I l e i h r e r N a t u r
Hach bildungsfiihigen Wesen haben das gleiche Recht auf die
iiuliere bloglichkeit, zur Bildung zu gelangen"
So hat mit Kant uicht nur die Philosuphie als Wissenschaft begonnen, sondern die
Kant Fries'sche Schule hat dank der kritischen ~lethude einen entscheidenden Bei-
trag zur Begriiudung des Suzialismus geleisfet.
Dr. Ulrich Teichmann:
Ziel and Methoden der Agrarplanwirtschaft
Im Agrar- and Ernahrungssektor ist, wie die Entcvicklung in vielen Landern gezeigt
hat, schun Behr friihzeitig die Tendenz hervurgetreten, von der vollstandig ungebun-
denen freien Wirtschaft hinweg zu einer Planwirtschaft zu kommen. Bemerkens-
werterweise war umgekehrt der Argrarsektor auch erst spat Hach dem industriellen
Sektor von den manchester-liberalistischen Tendenzen ergriffen wurden.
Notwendigkeit der Planwirtschaft
Der Grunde fiir das Streben des Agrarsektors in die Planwirtschaft gibt es viele: die
landwirtschaftliche Produ ktion hat lurch den s t a r k e n E i n f i u I3 der u n-
sicheren Witterung von vornherein einen hohen Unsicher-
heits- and Wagnisfaktor in Bich, and der Landwirt ist daher
grundsatzlich bestrebt, nicht auch Hoch den erheblichen
Risiken der freien Wirtschaft ausgesetzt zu sein. Das um so
weniger, als der Landwirt wegen der side in Jahresrhythmen des Wachstums be-
wegenden Pruduktion in seinen wirtscftaftlichen Dispositiunen behindert ist: rasch
wechselnden Konjunkturen kann er sich ^iclrt anpassen.
Wahrend die lndustrie sick zum Schutze gegen M1farktschcvankungen h5ufig monopo-
lrstisdr organisiert hat and lurch Karielle u. a. ?privat-planwirtschaftlich" die
Marktsdrwankungen auszugleiclren versucht hat, ist es im Agrarsektur zu sulchen
monopolistischen Marktformen kaum gekommen. Die Vielzahl der an der Agrar-
produktiun beteiligten landwirtschaftiichen Betriebe macht sulche Zusammenschliisse
auf privater Basis fast unm8glich. Daher trat bier der Ruf Hach nrduung and
Planung durdr den Staat auf, der Ruf also Hach einer aktiven Agrar- and Wirt-
schaftspulitik im Gegensatz zu der passiven Agrar- and Wirtsdtaftspolitik Hach den
Grundsaizen des laisser-faire.
So wenig wie die Landwirtschaft selbst sick kartellisierte, so stark machten silt
allerdinKs munupulistische Einfliisse im Agrarhandel bemerkbar, wobei die Spekula-
tton mit Nahrungsmitteln mehr and mehr 6ervortrat, and die Reaktion von Erzeuget
and Verbraudrer hierauf wurde heufig der Anstolt fur das Entstehen einer agraren
Planwirtschaft.
Ein weiterer starker Antrieb zur Planung and Lenkung im Agrarsektor geht vom
Konsumenten aus. Die Ernehrungskosten machen einen Hauptantei] der Lebens-
haltunK.kusten ens. Agrarkonjunkturen wirkeu rich sumit stark auf den Kunsumenten
aus. Mehr ouch, die Agrarpreise beeinflussen indirek' das Lohnuiveau erheblich.
Stabile Agrer- and Lebensmittelpreise Sind daher Voraus-
setzung fureinestabile Wirtschaftslagetiberhaupt
5o kommt es, daft die Agrarplanung meist der Anfang and das Kernstiick der CVirt-
schaftaplanung iiberhaupt geworden ist.
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Ein starker An#rieb, die Agrarwirtschaft in eine-aktfv.e
Planungeinzubeziehen, ergibt sick auch ausweltwirtsc6aft-
l i c h e n Z tr s a m-m e_n h a n g e n. Kommt es namlidr in einem Lande zu -einer
aktiven Beeinflussung der Agrarwirtschaft, so gewinnt der Export an Agrarerzeug;.
nissen, namentlich in den eigentlichen Agrarlandern, sofort eine bestimmte Bedeufung
innerhalb der Agrarplanung: er wird namlich ein Mittel, um Agrariiberscltiisse, die
den Inlandsmarkt driidcen aril instabifisieren, in das Ausland alizuleiteri. So1drG
Agrariiberschiisse treten nun als ?Dumping"-Exporte auf dem Weltmar?kt auf aril
werden damit zu einem Storungsfaktor von auiterordentlicher Bedeutung fur andere
Landwirischaften. Hier entsteht Bann, wie z. B. in Deutschland 1931 die Notwendig-
keit, die inlandisdre Produktion eventuell sogar durdr gleitende Zolle zu sdriitzeti
aril durch bestimmte Mallnahuu~n den- Stoll dieser Dumping-Exporte abznfan~en.
Soweit ein kurzer fJberblidc fiber die Tendenzen zur Agrarplanung, die ohne'
Riicksicht auf liberalistische Bekenninisse u. a. m. in fast alien Staaten der Welt, so.
z: B. audr in Amerika aril der Schweiz zu verzeidtnen Sind.
Zwedc einer Agrarplanung ist es, die Produktion aril den Verbrauch you Nahrungst
mitteln aril von Rohstoffen, die aus der Landwirtschaft stammer, zu stabilisieren,
wodurch eine Siabilisierung aril 5icherung des Realeinkommens sowohl des Erzeugers
als auch des Verbrauciters erreicht werden coll.
Die Zwangswirtschaft als planwirtschaftliches Mittel
Eine Betrachtung der Wege, wie Agrarplanung realisiert werden kann, zeigt im
Extrem zwei einander gegeniiberstehende Moglidtkeiten.
Eine MSglichkeit zur Realisierung einer Agrarplanung be-
steht in der totaien Zwangsbewirtschaftung. Es hat sick aber
gezeigt, da11 bei dem Versuch einer Steuerung bis ins einzelne
die Wirtschaft ranch durch Biirokratismus aril von einem
Gestriipp von Hunderten von Anordnungen aril Verboten
e r s t i c k t wird ; woraus eine Produktionslahnutng entsteht, die letzten Endes
Produzenten aril Konsumenten benadrteiligt. Die Zwangswirtsdtaft fuhrt welter
offenbar immer zu einer ungesunden Aufblahnng des Verteilungssektors, die auf
Koster des Konsumenten geht, aril zu einer Behr starker aril fast unertraglichen
Bevormundung des Produzenten aril des Konsumenten. Da Voraussetzung flit das
Funktionieren einer totalen Zwangswirtschaft letzten Endes der totale Zwangsstaat
ist, wird dieser Weg der Realisierung einer Wirtsdraflsplanung, abgesehen von vielen
anderen Grunden, von vontherein undiskutabel. Unbestritten ist natiirlidr, dir(; die
totale Zwangswirtschaft ein vorziigliches Mittel zur militarischen Aktivierung einer
Wirtschaft im Kriege aril vor dem Kriege ist aril da(1 durch ale auch eine des-
organisierte Nachkriegswirtschaft zusammenhalten kann. Sie kann starke Einschnitte
in die Konsumgewohnheiten, die mit der Kriegfiihrung zusammenhangen (AnfhSren
der Importe. Produktionsumstellnngen usw.), psychologisctt leichter ertraglich machen,
innem die entstandenen ,.Mangelwaren" durch Rationierung zumindest scheinbar
?gleidrma[]ig" verteilt werden.
Der Preis als Steuerungsmittel
An der Zwangswirtschaft kommt man sct-einbar vorbei, wenn man den Preis als
Steuerungsmittel benutzt aril eine Preisfixierung, d. h. Festpreise henutzt, um den
Agrarsektor zu stabilisieren. Aus kurzer Uberlegung geht aber sdron hervor, Ball
Preisfixierung allein kein geeignetes Mittel zur Realisie-
r u n g einer Agrarplanung sein kann. Ein Festpreis, der dem Marktpreis
nicht entspricht, der also hSher oiler niedriger liegt. wird namlich auf die Darer mit
Sicherheit umgangen, es sei denn, man versucht durch gleichzeitige Einfiihruitg von
Bewirtschaftung aril Rationierung den Marktmechanismus dberhaupt auf tliesem
Sektor auszusc}talten. Festpreise kiinnen auf die Dauer nur im Rahmen einer
Zwangsbewirtschaftung gehalten werden. "
Weil der Preis nur der Ausdruck einer bestimmten Marktsituation ist, also nur
das Verhiiltnis von Angebot aril Nachfrage abbildet, kann er allein nicht als Mittel
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inr Steuertrng dos >\Iarktes benutzt werden. Ebensowenig wie = um einen Vergleich
zu bilden~ - durch Manipnlationen an einem Thermometeroder Tachometer die
Temperatur eines Raumes oder die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges beeinflullt
werden Bann.
Lenkung bei freier Preisbildung
Eine tatsachlich lenkende Beeinflussung des Agrarsektors ohne Zwangswirtschaft,
d?h. ohne. Produktionszwang durdi Auflagen, ohne Ablieferyrngszwang, ohne Ver-
wendungsiwang and ohne Konsumrationierung wird deshalb nur d u r c h ?f, n d e-
rung der Marktsituation, d. h. durch Anderung von Angebot
u n d fi a c h f r a g e erreid~t werden konnen.
Damit ist die zweite grundsatzliche bloglichkeit der Realisierung einer Agrar-
planung gegeben.
Diese Mtiglichkeit steht dabei, wie rich leieht erkennen ]all#, in einem Gegensatz
zu der zuerst angefiihrten, namlich der zwangswirtscliaftlichen. Hier ist zunachst
eine totaJe, alle Einzelheiten umfassende Planung notwendig and diese Planung-
>null durch totale Lenkung and Steuerung bis in alle Einzelheiten realisiert werden.
Die zentrale Planung multi als zentraler Beschlull dem Willen des Einzelnen gegen-
iiber.bis-ins einzelne durchgesetzt werden and dabei mull-der personliche Spielraum
des Einzelnen sowohl bei der Produkiion als auc~h beim Konsum notwendigerweise
aullerst eng gehalten werden.
Demgegeniiber bleibt bei der zweiten nicht-zwangswirtschaftlichen Realisierung
der Planung ein weiter Spielraum fiir den Einzelnen.
Zur Realisierung der Planung ergeben sick, was den Agrarsektor angeht, folgende
Moglidtkeiien einer Beeinflussung and Lenkung des Agrarmarktes:
I. Durch Nachfrageanderung and zwar
i. Steigerung der Nachfrage: durch
a) Propaganda (z. B. ?Eltt Vollkornbrot", ?Trinkt mehr Milch");
bl durdi Verbilligung von Nahnrngsmitteln (staatliche Aufschlagszahlung).
Z. Verringerung der Nachfrage: durch
a} Propaganda (?Spart Fett" osw.);
b) durch Verteuerung IF.rhebung von Ziillen, Besteuerung, Ausgleichsabgaben,
z. B die derzeitige Weizenmehlverteueruug zwecks Roggenpreisstutzung).
II. Durch Angebotsanderung and zwar
1: Steigerung des Angebotes: durch
a) Propaganda (fur Ausdehnung bestimmter Pmduktionen);
b) Pramienzahlung Iz. B. Anbavpramien fur Kartoffeln);
c) Importpolitik (Vergro(lerung der Importe);
d} Vorratsenfnahmen.
2. Verringerung des Angebotes: durch
a). Propaganda Iz. B. Ver2iffentlichung von hlarktprognosen);
b) Produktionsdrosselung (durch Pramien);
e) Export (Vergroiterung des Exportcs, Absto[3en von itberschussen);
d) Vorratsbildung;
e} Vernichtung von ~berproduktion (z. B. Kaffee in Brasilien, Kartoffeln in
USA).
Letzteres Mittel stellt natrirlich einen durchaus unschiinen Ausweg dar, der zudem
normalerweise auch nur in Frage kommen wird, um vorhergehende unzulangliche
oder falsche Planungsmallnahmen zu korrigieren.
Bei solcher Beeinflussung con Produktion and Konsum mu(3 naturlidi die Preis-
bildung grundsatzlich frei bleiben. Schon deshalb, Weil der freie Preis von der
planenden Stelle als Anzeiger fur die tatsachliche AngPbots- and Nachfragesituation
benotigt wird. Es muff daher eine von monopolistischen Einfliissen freie Preisbildung.
sichergestellt werden.
Wenn arch der Preis grundsatzlich frei `rein soli, so kann es
doch zweckmaffig sein, Hochst= and Mindestpreise aIs die
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Grenzen festzusetzen, bei rleren Unter- hzw. f~berschreitung
der S t a a t i n A k t i o n t r e t e n m u 1?. In dieser Weise ist z. B. in den USA durch
den Farm-Akt von 1941 ein. ?Paritatspreis" festgelegt> bei dessen Unterschreiten der
Staat Ankiiufe tatigen mull.
Zusammenfassend ergibt sick also: wenn eine Agrarplanung bei grundsgtzlich
freier Konsum~~ ahl and bei grundsatzlich freier Preisbildung realisiert werden
soil, so muR das im ~~~esentlichen durch Beeinflussung von Angebot and Nachfrage
geschehen. Dabei ~+~ird Bann get~issermalteu nur das Gebiet abgesteckt, in dem sick
die wirtschaftliche Entwicklung abspielen kann.
Die Entwicklung zu so]cher Planwirtschaft zeigt sick in der westlichen Welt schon
seit langem. Gewisse Lwaugsvorstellungen and erstarrte bleinungen haben aller-
dings wertgehend die Erkenntnis verhindert, daft solche Wirtschaftspo]ifik, nament-
lich soweit sie in den USA getriebeu wurde, typisch planwirtschaftlichen
Charakter hat.
Planung liegt zweifellos dann vor; wenn eine dem einzelnen Wirtschaftssubjekt
iibergeordneto Instanz, die in einer Demokraiie ein Parlament oiler ein von ihr
abhiingiges F.xekutivorgan ist, es uuternimmt, die Wirtschaft durch geeignete Ma>3-
nahmen in bestimmter Richtung zu lenken. Dabei besteht natiirlich zwischen der
totalen Planung and der freiheitlichen ein erheblicher gradueller and auch ein ge-
wisser grundsgtzlicher Unterschied.
V9iihrend hier ein selbstandigcr Plan entworfen wird and er auf Biegen oiler
Brechen realisiert wird, wird im anderen Falle nur ein b e s t i rtt m t e s E r g e b-
nis als Ziel aufgestellt and lenkende IV1a[lnahmen werden
nur so wait eingesetzt, wie es erforderlich ist, um an dieses
Ziel heranzukommen. Es ist klar, da[1 die Lenkung im zweiten
Falle wesentlich cveniger Starr zu sein braucht als im ersten.
Die Kompliziertheit der modernen Wirtschaft scheint auf die Dauer die Anwen-
dung der totalen Planung and Lenkung sugar zu verbieten, wail sie zu schwer-
fallig ist, ja vermutlich an das Konnen von M1lenschen iibermenschliche Anforderun-
gen stellt. Deshalb bringt hekanntermaflen die totale Planungs- and Lenkungs-
wirtschaft stets starkste and bis in Groteske gehende Reibungen and Storungen
mit rich. and stets machen sick Behr Schnell Zeichen der Erstarrung bemerkbar.
Die griechische Holle
Vor einigen Wochen besuchten Victor Laeock, der Herausgeber des Briisse-
ler ?Peuple", and Denis Healey, der Internationale Sekretar der Labour Party,
im Auftrage der Sozialistischen Internationale Griechenland. Victor Larock
gibt hier seine Feststellungen wieder, die sicherlich vial I~eues and wenig Er-
freuliches enthalten.
Seit Dezember 1944 war die Lage in Griechenland nie so kritisch, die Unzufrie-
denheit so tiefgehend, die Gnruhe so Lebhaft wie haute. Der Ausnahmezustand
herrscht; jade Versammlung von mehr als drei Personen wird mit Gefangnis be-
straft. Koalitionsrecht gibt es nicht. Die von der Regierung nosh geduldeten Oppo-
sitionsblatter werden mit Hilfe der Polizei boykottiert. Einschuchterungsmaflnahmen
and willkiirliche Verhaftungen stehen auf der Tagesordnung. Die Justiz stiitzt Bich
auf Denunziationen. Im ganzen [,and arbeiten Standgericltte. Auch die geringfifgigste
Handlung, die jemanden mit der Verwaltung in Beruhrung bringt, sei es ein Ar-
beitsverirag oiler die Anderung des Wuhnsitzes, mu[1 von einer Loyalitatserklarung
gegenuber der gegenw~rtigen Regierung begleitet sein. Wer die Unterdriickungs-
politik der Regierung zu kritisieren wagt, gilt als ?Synodiporos" (Sympathisierender
der Kommunisten). 'Lehntausende von Verdachtigen befinden sick in Gef~ngnissert
oiler warden deportiert. Seit 194? gab es zweitausend Hinrichtungen aus politischen
Griinden> das ist mehr als in drei Jahren deutscher Besetaung.
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~OSD- ...rt~~e~'-1 ~ tAr'
Gedanke and Tat
Ladenpreis kartoniert 9 DM, gebunden 12 DM
360 Seiten Oktav. Subskriptioaspreis kartoniert 6 DM, gebunden 9 DM
Paul Frolichs Biographie uber Rosa Luxemburg,
die bereits in Paris and London erschien, wird dem.
nachst in einer deutschen Ausgabe .vorliegen. Der in
Amerika lebende Historiker Frolich hat als Verwal:
ter des Nachlasses von Rosa Luxemburg and ihr ehe.
maliger Kampfgefa6rte die besten VoraussetzunRen,
das Leben and VG'erk der genialen Frau darzustellen.
Stark umstritten ist die Leistung der grof3ten Poli.
tikerin, die die sozialistische Arbeiterbewegung
bisher hervorgebracht hat. Ihre selbstandigen Auf=
fassungen uber Fragen der Nationalokonomie, uber
die 7 aktik der Gewerkschaften and Parteien and
uber die Probleme der Fiihrung der Arbeiterbewe=
gung beweisen ihre Starke, indem sie dreif3ig Jahre
nach ihrem Tode einer neuen Generation noch
immer Anregungen geben and Aufgaben stellen.
Fiir die Erneuerung der sozalistischen Bewegung
ware es fruchtbar, wenn Rosa Luxemburgs Auffas=
sungen starkere Beachtung fanden. In der russischen
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Frage hat sie wie wenige friihzeitig die Gefahren
einer Diktatur erkannt, die den Willen der Mehrheit
vergewaltigt. Sie war ebenso leidenschaftlich Anhan-
gerin der sozialistischen Revolution wie des Rechtes
der Minderheit, immer and iiberall ihre abweichende
Meinung in aller C~ffentlichkeit zum Ausdruck brin=
gen zu diirfen.
Rosa Luxemburg vereinigte in sich einer klaren
theoretischen Verstand and ein leidenschaftliches
Hecz fiir alle von der Gesellschaft Benachteiligten.
Sie war am Schreibtisch and in der Redaktions,
stube im Fluge ihrer Gedanken ebenso kiihn, wie
im Kampf um die Freiheit an der Seite der polni=
schen, russischen and deutschen Arbeiterbewegung
mutig. Geist and Tat waren bei ihr in CJbereinstim-
mung. Ein gamer Mensch, eine Frau, die das Leben
liebte and die Menschen and die erfiillt war von der
Aufgabe, das Leben fur alle lebenswert zu machen.
Das Buch fiillt eine Liicke in der sozialistischen
Literatur. Das Leben Rosa Luxemburgs kennen=
zulernen, wird jeden bereichern, die Darstellung ihrer
Ideen der Klarung der Probleme unserer Zeit dienen.
VERLAG FRIEDRICH OETINGER
EINLADUNG ZUR SUBSKRIPTION
Im Friihjahr 1949 erscheint:
PAUL FRCSLICH
~aSA ,rN~t'QN'1~N1'~
Gedanke and Tat
Der Verlag gibt interessierten Lesern die ~ioglichkeit,
bei Vorbestellung das Buch zu erma(;igtem Preis zu er:
werben. Die Vorbestellungen miissen bis zum 30.4.49
beim Verlag eingehen. Der ermal3igte Preis fur das kar:
tonierte Exemplar betragt 6 DM (Ladenpre,s 9 DM),
gebunden ermaf3igt 9 DM (Ladenpreis 12 DM).
In unserem Verlag ist soeben Rosa Luxemburg:
pDie russische Revolution?
hrsg. and eingeleitet von P. Blachstein, erschienen.
64 Seiten 8?. Kartoniert 1 DM
BESTELLSCHEIN
Paul Frolich: Rosa Luxemburg
........_.. Exemplar(e) kartoniert, zum Vorzugspreis von 6 DM
___... Exemplar(e) gebunden, zum Vorzu;spreis von 9 DM
Rosa Luxemburg: Die russische Revolution
.. Exemplar"e) kartoniert, 1 DM
[ch iiberweise gleichzeitig den Betra, auf Bankkonto Norddeutsche
Bank in }Iambus? Fil. Altona f Postscheckkonto Hamburg 79 57
Ich bitte um Zusendung per Nachnahme.
Versand erfol'zt nur Hach Vorauszahlung odes per Nachnahme.
Das Angebot gilt nur bis zum 30. 4. 1949.
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DRUCKSACHE
VERLAG FRIEDRICH OETINGER
HAMBURG 1
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Uber die Kriifte der Rehellen schwanken offizielle Angttben, Es ist die Itede von
40000 Menechen, dann von (0000. Als Zaldaris 1946 seine erste Regierung bildete,
spraeh er von ?hochstens 2weitausend Rehellen".
5iebenhnnderttausend 1'liichtlin~e - ein 7chntel der ganzen Bevolkerung
leben zusammen~;ei~fercht in den Stiidten des Peloponnes and des griediisc}ren ~'est-
landes. Die meisten leben in orol;tem Elend.
Die kommunisten sired in hezur auf Brutalit5t uniihertrefflich. Man schatzt die
Zahl der Kinder, die sie aus ihren I'amilien gerissen and in slawische Lknder ge-
schickt haben. damit sie dort in den richtigen Schulen erzogen werden, ~ auf 2'~ OUO.
Der kampf hat unerbittliche fiormen angenommen. Die Rehellen kSnnen keine
Gnade erwarten, Hoch geben sie sic. Dic get;enwartige Reg~ierung sttitzt rich auf das
Argument der Waffen. Sie lehnt jcde Losung ab, die nicht einen vollstt[ndigen Sieg
bedeutet.
Die ~rmee zeigt jedoch eine hewisse Schlat~pheit, and dic Re~;ierttng kann in der
Verwaltung, der Justin and der Pu]izei kaum auf das Vcrtraucn des Volker rechnen.
Die Soldaten schlagen sirh tapfcr, wen^ sie daze ilie Gelegenheit haben. Aber
riele fragen rich, wozu sie rich eigentlich schlagen. Die Einmischung der Slawen,
die eine augenscheinliche and nnbestreithare 1'atsache ist, erkliirt nicht apes. Diener
Krieg ist nicht nur ein nationaler, sondern auch ein sozialer. Die Rehellen rind nicht
alle Banditen oiler Rommnnisten. Manchcr Bauer, der in die :lrmee eingezogen
wurde. weiff, daft er gegen seincu Vnter oiler Brudcr kiimi~ft. ?Wir Sind es leid, zu
barren". sagte mir ein griechischer I'rcund. Athen weil? nirht, wo rich die militari-
schen Operationen abspielen, aber die ArmCe weift sehr wohl, was in Athen vor sick
geht: Ri~-a}itiiten enter den Poliiikcrn, Scitwarzer Markt, Korruption, Finanzskan-
dale. Offiziere auf Urlaub reden i;ern dariibcr, dal; sie ?mit D4arkos aufraumen
wollen, um dann in Athcn ctwas Ordnung zu schaffen".
L'nter den Rehellen befinden sick wahrschcinlich aicht mehr als 20 Pro~ent echte
Kommunisten. Die iibrir;en rind in der ivlr,hrzahl politische Analphabeten, meist
Bauern, die die soziale Ungerechtigl:eit and ihr cigencs Elend zu Aufriihrern ge-
macht hat. Zweifellvs hat rich auch eine Rohe vnn Ahenteurern and wirklichen
Rauhern darunter gemischt. besonders in den Gegenden. in denen das Banditentum
immer rebore ~~ebltiht hat. Aber wie kann man es rich erklaren, dale die Polizei and
die Armee unlzihi~ rind. mit den ihnen 2ur Verfii~~ung stelienden Mitteln dem $tir-
gerkrieg ein Endo zu bereiten and seine Ausbreitung zu -verhindern, ~cenn sie, wie
das die Regierungspro~ag~anda behauptet, nur eine vom Ausland bezahlte R~uber-
bande vor rich hiitteni' In 1Virklichkcit hat der Ikommunismus in Griechenland seine
besten ~'erbiindeten an dem von der Reehten eingesetztr_n Reg~imc and an den Man-
nern, dic es verkorpern. IInd seine Kraft erhalt er weniger lurch clie Internationale
Sache, der er client, als lurch dic Ge1~~alttaten and F'ehler einer reaktionaren Unter-
drttckungspolitik. die con IIall and I'archt dikticrt wird.
Es sprechen alle rlnzeichen dafiir, daft silt rlie Kommunistisc}te Partci entschlos-
sen hatte, am 3. Dezember 1944 einen Staatsstrcich zu ~+agcn. Drei Jahre Hach die-
sem Ereignis briistete sick der darnalige A~linisterpritsident G. A. 1'apandreu, daft
er ihre pro~-oziert babe. auf die ilufterung einer Athener 7.eitnng ,.Kathemerini"
aus dem Jahre 1944. daft die Rcgicrung In allcn Konzessionen bereft gewesen sei,
um einen offenen I~ampf zu vermciden, antwortete 1'ai>andreu am 2. M?irz 1948:
?L'm die Lage zu klhren, muflte ict~ die sofortige Demobilisierung der EI,AS !Re-
bellentruppe) fordern and die Kommunistische Partei in das Dilemma bringen, sich
entweder ohne Gegenwehr entwaffnen zu Lassen oiler den Aufstand 2u wagen,
aber enter Bedingungcn, die ihre Niederlage unvermeidlich machten. bas ist die
historische Wahrheit."
Eire Bargerkricg bcsteht aus einer Serie von RePressalien. Es gab einen Zeit-
punkt, fn dem eine Befriedung muglich unl wirksam gewesen ware: Half dem
Ubereinkommen von Varkiza. Die Rechte hat ihre nic}rt wahrgenommen. In Vorbe-
reitung der Volksabstimmung organisierte sie den Terror. 1946 wurden mehr als
SO 000 griechische Staatsan~;ehoriee verfolgt. Nach offizie}ten Ani:?aben wurden 20000
verhaftet. 4000 wurden hingerichtet.
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Diese erste Verfolgung trieb 300 000 Menschen aus ihrer landliohen Heimat.- Viele
gingen in die Berge. Daraufhin wurde ihr Eigentum beschlagnahmt. Was blieb
ihnen ander'es ibrg, all sic~r den Guerilla-Kempfern anzuschliellen?-:Abgesehen
von den Grenzgebieten ++ar der Aufsta-nil in den Gebieten am heftigsten, wo cYie
Unterdruckung am g3?ollten war.
Die Zusammenarbeit mit den Italienern and Deutschen wehrend des .Kriegel
wurde Hach dem Ikrieg nicht geahndet. Der griedtische Quisling. der ivehrend der
Besetzung Vorsitzender des Rates war, wurde eingehullt in die Fahne der Nation
begraben.
Andererseits dauerte es nicht lange, and die Widerstandsleute aller Richtungen
wurden all Verdeehrge behandelt. ?Am 21. Dezember wurden in den Gefangnissen
18000 Mensdren festgehalten, gegen die nichts vorlag", erklerte Mavros, der Justiz-
minister. Es lag gegen lie +vohl nur vor. dell lie ~litglied der Vl'iderstandsbewegung
gewesen warm,
Heute gibt es fiber ?0000 politische Gefangene, Deportierte and Exilierte. Eine
charakteristisdre Einzelheit: der junge Glesos, der 1941 das Hakenkreuz von der
Akrupolis herunter~eholt hatte, wurde wegen kommuntstischer Tetigkeit zum Tode
Ferurteilt. Die Justin wurde Wegbereiterin des Aufstandes. Die Regierung hat im
ti'orjahr, unter Berufung darauf, dalf es sick um einen nationalen Notstand ~ha?n-
dele. den Ausnahmezusiand verhangt and Starid~erichte eingefuhrt. Die'offent-
lichen and privaten Dienste wurden von ehemaligen Angehorigen der Widerstands-
bewegung ,geseubert". ~'uranssetzung fur eine Anstellung in staatlichen oderoffent-
lichen ?;mtern, in einer Bank oiler einem Handels- oiler Industrieunternehmen ist
eine schriftliche Erk1aruug. daft der Betreffende nichts mit den Fiihrern des friihe-
ren EAbt tVViderstandsbewegung) zu tun hat. Kein Beamter and kein Angestellter
erheh seine Pension ohne ein Zeu~nis der Siaatspolizei. Kiirzlich haben die A~meri-
kaner Bich an die Handwerker gewandt wegen einen Unternehmens, das lie im
Piraus e~rrichten wollen. Etwa tausend Arbeiter meldeten rich; weniger als_die
Halfte wurde nur Probe zut;elassen. Aber die Polizei ist waclrsam: Hach einer
sdrnellen Durchkemmung erhaltemm~ur 15 Prozent den blauen Ausweis, .der .lie
zum Arbeiten berechtirt. Den andern w-ird ein weifles oiler gelbes Papier ausge-
hendigt, das lie zu Kommunistenverdechtigen stempelt and damit gleichbede~utend
ist mit einem Reiseaus+veis zu den Gnerillakempfern.
Jeder Staatsbiirger in Griedtenland hat die Freiheit, sick auf Seite der Regierung
gegen die Rebellen zir stollen. Jede reclrtsgerichtete Organisation hat die Freiheit,
?Kommunistenfreunde" aufzuspiiren. Freiheiten anderer Art zu garantieren, ist
sehr viol schwieriger.
Die Rechtsprechung in politischen Dingen erfolgt vor Standgerichten, die sid'r a~uf
unkontrollierte and unkontrollierbare Polizeiberic'hte stutzen. Es abzulehnen, .die
Aufstandischen uneingeschrenkt zu verurteilen. stellt eine schwere Anmallung der.
'V1an wird also schuldig hefunden, nicht, +veil man umstiirzlerische Anschten ge-
aulfert hat. sondern ~weil man sigh nicht der offiziellen Meinung anschlieflt. Die
Standgerichie ++erden in der M11ehrzahl Iwie in Athen) oiler aussclrliefllich durch
aktive Offiziere besetzt: Die henfii*sie Strafe ist die Todesstrafe. Die. Polizei zogert
nicht, die Angeklagten zu mi(dhandelu, um lie zu einem Gestendnis zp_ notigen.
Jeder, den man belangen will. ++?ird all Kommunist oiler Kommunistenfreund be-
zeichnet. Ein Bischof, der seine Messe in den Bergen (bei den Aufsfandischen)
]felt, ist ein Agent D~lgskaus..~1s im Dezember 1948 Evatt, der President der UNO-
Generah?ersammlung, zu einem Vermittlungsversudr die Initiative ergriff, haben
noun griechische Ant*ehiirige der linker Mitte ein Gliickwunschtelegramm an ihn
gerichtet. Sie wnrc}en all .,Krypto-Kommunisten" denunziert and zum Tode ver-
urteilt.
Die Anhanger einer ..ch~namischen" Politik - d. b. der Unterdruckung bin zum
xultersien - enigegnen. daft das Vaterland in Gefahr lei, and da der Aufstand mit
der Rominform and deu slawischen Staaten verknupft ist, gebe es keine 'andere
Entscheidung all durdr das Schwert. Und lie fiigen hinzu, was richtig ist, dell auch
die Rebellen vor keinem Mittel haltmadaen. -
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I7ie Richtigkeit einer Politik ward en ihren Ergebnissen gemessen. Nun bericbten
die offiziellen Veroffentlidrungen, datl die Aufstandisdten heute zwanzigrnal so
zahlreich sind wie im Jahre 1946. Trotz amerikanischer Hilfe _st, die Zerrattung der
Wirtschaft .und der Finanzen Hoch weitergegangen, und auch die Unsicherheit. Un-
zufriedenheit und die Ivliflachtung der offentlichen Autoritat ist nosh gewachsen.
Ein griechischer Patriot, der wahrend der Besetzung Griechenlands standig Fiih-
Iung mit der R'iderstandsbewegung hatte, hat uns vorausgesagt, dalt Markos.in
L''ngnade fallen werde. Er fiigte jedoch hinzu, sollte die slawisd'ne Intervention auch
offiziell aufhoren, konnee es dock Behr wohl gesdrehen, daf# rich ein Teil der Armee
gegen die Regieruug in Athen wenden wiirde. --
Die Aufstandisdren - deren Sieg ausgeschlossen ist -haben zweifellos ein Inter-
esse damn, dall die Regierung in ihrer gewalttatigen Willkur verharrt, denn damit
bew~irkt sie einen Kraftezuwarbs und eine konsolidierung der Rebellen.
Zwei Fragen drangen sic#t Kier auf: Wenn diese Politik schliefllich siegt, wenn die
Rechte das leizte Wort behalf. w?er kann sicft Bann vorstellen, dali dies der soiialen
Gerecfttigkeit und der Freshest dienen wird? Und mit welchem Recht konnen wir
westlidren Demokraten die Methoden und Praktiken der .,Volksdemokratien" ver-
urteilen, wenn wir es unterlassen. die heute in Griedrenland geiibten zu brand-
marken?
Unsere sozialistischen Genossen in der ELD hasten offenbai nidrt viol dawn, dal;
durdt wirtsdtaftlidre 'Mittel die gegenwartige Lag?e ihres ungliidclichen Landes ge-
? bessert werden kann. Der Losung lurch Waffengewalt, die das Rezept der Redrten
ist. setzen sie im wesentliciten politisdte Losungen entgegen: einen Regierungs-
w?echsel. Wiedereinfiihrung burgerlicher Freiheiten, den Appell an das Volk. Sie
teilen diese Meinungen mit einer grolten Zahl ehrlicher Demokraten. von denen
manche sugar Parlamenismitglieder sind.
Dennoch steht am 9usgang diesel Dramas dal Wirfschaftselend. Die gro[te Masse
der Bevolkerung ist des 1'otens und der Roden miide. Mohr"all irgendweldre ideo-
Iogischen Siege braucbt sie Brot und Sicherheit. Die Menschen. denen es gelingt,
ihr dal zu geben, werden ihr ~~ertrauen gewinnen.
Leber '0 Prozent der Bevolkerung sind Bauern, nur etwa 8 Oder 9 Prozent ge-
?Koren zum Indusirieproletariat. Dos iibrige sind Beamten -der Beamtenkorper
ist Behr aufgeblaht -, Angestellte, Handel- uud Gewerbetreibende. Die ganze Wirt-
scfiaft steht praktisch unter der Kontrolle der Banken.
Die Industrie flextil, chemisdte Produkte. Tabak) konzentriert sick auf einige
Punkte: Athen, Saloniki, Patras, ~TOlos. Die Budenschatze -Eisen, Bauxit, Braun-
- kohle und auch die Wasserkraft -sind wenig ausgeniitzt. Das Transportwesen ist
wenig ausgebaut.
Jest der 9mtszeit von Venizelos ist der Grollgrundbesitz bis auf vier Guter liqui-
diert wurden. Der Bolen gehort den Bauern. Aber aus Mangel an Werkzeug, an
~~Unterweisung und an Krediten konnen die moisten Bauern kaum ihren eigenen
Lebensunterhalt herauswirtschaften. Sie wohnen Blend, konnen keine Elektrizitat,
und falls eine Durre Oder eine Krankheit fiber sie hereinbricht, sind sie hilflos.
Der Export bringt nidrts ein. Da Griedrenland vom Balkan abgeschnltten ist,
kann es semen Tabak, seine Rosinen, loin Ul und semen Wein nur semen Nadr-
barn im Mittelmeer anbieten, die diese Genu[lmittel selber erzeugen.
Der Kapitalismus wird von einigen Handelsg?esellschaften und von den Bank-
spekulanten vertreten. Die offentlicben Ersparnisse sind auEierst goring, private
Einlagen gibt es nicht. Die besitzende 5chidtt fflhrt den Gro(lteil ihrer Kapitalien
aus,_ mit Vorliebe each Argentinen, da lie zum Peron-Regime mehr Vertrauen hat
all zu dem des ?Sozialistenfreundes" `Truman.
Die Arbeiier letwa 300000) haben wenig von dem, was wir ?Klassenbewufltsein`?
nennen. Bei unseren Gnterhaltungen haben rich mehrere Sozialisten geauliert, Ball
ihr Kampf in erster Linie nic#tt der der Arbeiter, sondern des ganzen Volkes lei.
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Sie wollten damit ausdriicken, dal; die sozialen Forderungen die der Masse der
armen Bevolkerung seien, besonders der der Bauern, die an ihrem Boden hangen,
selbst wenn der Hunger and die 5chikanen der Polizei sie in die Stadte treiben,
wo es heute tatsiichlich 700000 Bauern gibt.
1~a gibt keine Kontrolle der Preise and der Verteilung. Die Regierung konnte
odor wollte nie eine Rationierung einfiihren. Grof#e Mengen a^ Verbrauchsgutern
wurden von der UNRRA and der AMAG (Amerikanische Hilfsmission in Grieehen-
land) auf den Markt geworfen. Mit Unterstiitzung offentlicher Stollen haben Han-
delsgesellschaften sie mit grottem Aufschlag wiederverkauft, wahrend ein anderer
Toil auf den Schwarzen ~larkt abwanderte. Und die Preise stiegen weiter.
Die Zuteilung aus der 14arshall-Hilfe wurde fur 1948-49 auf 244 Millionen Dollar
fest,esetzt. Sie war bcstimmt zum Ankauf von Verbrtuchsgutern and von Roh-
materialien zum ~i'iederaul'bau. In Wirklichkeit wurde aber der groltte Teil zur
lleckung des flaushaltsdefizits verwandt and der Rest mit Hinblick auf das zu
erwartende kommende Uefizit beiseitegelegt. So ist der Wiederaufbau nosh nicht
richtig in Angriff genommen crorden. Das Programm jedoch, das dem OEEC unter-
breitet wurde, sieht eine lndustrialisierung vor.
Die UnfShigkeit, and in vielen Fallen auch die Kauflichkeit der Regierungsburo-
kratie hat die Amerikaner veranlallt, mehr and mehr in die iiffentliche Verwal-
tung einzugreifen.
Das reaktionare Parlament, das aus den R~ahlen vom 31. 1'Iarz 1946 hervorge-
gangen ist, hat fur eine Reihc arbeiterfeindlicher Maitnahmen gestimmt, wie z. B.
die Aufhebung des Gesetzes, das die Arbeitnehmer vor willk6rlichen Entlassungen
schutzt; ein Gesetz fiber die ?Sauberang der offentlichen Dienste and der
Organe des offentlichen Rechts"; ein Gesetz ?zur Kontrolle der Loyalitat" der Ar-
beiter and Angestellten; die Aufhebung des Streikrecbts.
Polizeiaktionen stehen aulterhalb der Gesetze. Es dauerte nicht Lange, bis sie
innerhalb der Gewerkschaften auf der Tagesordnung Standen and dazu fahrten,
dal? die Gewerkschaften collkommen in die Hand der Vertrauensleute der Regie-
rung gerieten. Die Polizei wohnte den Versammhtngen bei, ubte auf die aktiven Mit-
glieder einen Urnck aus. schaltefe bei Wahlen unerwunschte Kandidaten aus, ver-
haftete Widerspenstige. Der gegenwartige Gewerkschaftsbund steht der herrschen-
den Sc~richt vollkommen zur Verfugung. 1:7ber seine Mitgliederzahl schwanken die
smtlichen Angaben um die 50 000 herum.
Aufter der Kommunistischen Partei, die illegal ist, and der sozialistischen Gruppe
ELD, die geduldet, aber strong uberwacht wird, gibt es in Griech~enland keine
nach westeurop5ischem Muster or~anisierte Parteien mit beitragzahlender Mitglied-
schaft. Es gibt aber, besonders auf der Linken, zahlreiche Leute, die hoffen, Partei-
fuhrer zu werden.
Die rechte ?Volkspartei", unter der gerissenen Fuhrung von Zaldaris, bewahrt
einen gewissen Zusammenhalt; mangels eines Programms halten sie die Vorteile,
an der Macht zu sein, zusammen. Ihre liberalen Partner Sind gespaltener, sie tei-
len sick aber moist in die Amter. Angefangen mit Papandreu gibt es wenige Poli-
tiker, die sick nicht Sozialisten nennen. Das 6edeutet einfach, daft Sie in der Oppo-
sition Sind and hoffen, rich an einer nicht-reaktionaren Re~ierung beteiligen zu
kiinnen. die das Volk wunscht.
Es ist das Verdieust unserer Genossen in der ELD and ihres Vorsitzenden Svolos,
daft sie dem Druck and den Drohungen der Reaktion nicht nachgegeben haben,
and auch nicht der Ungeduld, die rich manchmal in ihren eigen Reihen zeigt. Sie
Sind jetzt in der Lage, an einer Regruppierung der Krafte auf breitester Grund-
lage teilzunehmen, ~~on der nur die Kommunisten and die redhten Faschisten-
freunde eusgeschlossen sein werden.
Der eigentliche Konflikt tobt zwischen dem Sowjet-Block und- den westlichen
Demokratien. V~7enn Uriechenland unter den Schlagen der Slawen and ihrer Ver-
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bundeten im Inneren zusammenbricht, droht der Ausbruch eines neuen Kr{eggs.
Der territoriale Besrrnd 'I~hraziens and Dlazedoniens mul3 g~arantiert werden. Die
liunununistische Partei Griechenlands muI{ reranlailt werden. ihre Waffen nieder-
zrlegen, c.enn sie ?ieder in die Leg~alitat zuriickkehren will. hies rind die Vorbe-
dingun;;en fur einer Frieder im Inneren.
Die Rechte and ihre Regierung geben vor, sie mit Gewalt durchzusetzen, Hach
ihren Ansichten and Interessen. Es sprechen alle Anzeichen dafiir, Ball die Angel-
sachsen these Politik als das kleinere >Jbel ansehen. Sie warden Lieber eine andere
when. die sowohl realistischer ist als auch den Wunschen der Bevolkerung mehr
entspricht. Sie stollen dabei aber auf zwei Hindernisse. Das Parlament wurde 1946
in einer Atmosphare der Einschuchterung, wenn nicht gar des Terrors gewahlt,
and hat eine grol$e reaktionarc 1lehrheit. Die Linke ist uneinig and es spricht
gegen sie, dafl sie Hoch Hie unabh3erer Fixierung wir nur im
Gesetz begegnen, dem Menschen unabhangig von der Erfahrung immanent Sind.
(Abgesehen von den Ordnungsnormen des Polizei- and Verwaltungsrechtes.)
Gesetze im ~~-eitesten Sinne rind die naturnotwendigen Beziehungen, die aus dem
R'esen der Dingo abg~eleitet werc!en, and in diesem Sinne hat alles Seiende sein
Gesetz, Gott, die Welt, der Mcnsdr.
?Das Gesetz im allgemeinen", sagt Montesquieu im ?Geist der Gesetze", ?ist die
mensctrliche Vernunft, insoweit sie alle Volker der Erde regiert, and die staatlichen
and biirgeriichen Gesetze jedes Volkes diirfen nur die Sonderfalle sein, in denen
diese menschliche Vernunft zur Anwendung kommt." In dieser Vernunft, die die
Volker der Erde regiert, manifestiert sieh der Wille des Schopfers, der selbst als
Gesetzgeber diesen 1Villen erkcnnbar maclrt, z. B. in den 10 Geboten. Alle Bereiche
der menschiichen Kultur wed des Handelns (Politik, Kunst, Wissenschaft, Religion,
Kirche usw.) vcrfugen hiernach uber ein gewisses Mall von Eig~engeseizlichkeit, sind
also fur den Gesetzgeber nidrt sdilechthin bestimmtes Material, sondern werden
can ihm in eben dieser Eigengesetzlichkeit bereits vorgefunden. Vi'iil der Gesetz-
geber auf diesen Gebieten eingr?eifen, so findet er bereits 1'ormen in Gestalt lei-
tender Grunclsatze vor, die zwar der Erganzung oiler Beschrankung zug5nglich
sind, die aber nie willkiirlich geschaffen odor in ihrem Wesenskern geandert wer-
den konnen, ohne datl sidr dcr Gesetzgeber in V6'iderspruch setzen wurde mit der
Vernunft and dem Killen des Schopfers. Die sogenannten Gesetze des Dritten
Retches entbehren deshalb ipso+~eit der Schaffung? von Recht, als sie im VUider-
spruch stehen zu diesen ubergesetzlichcn Normen (Recht des Individuums auf freie
Meinungsauf?erung, Gleichheit allcr Staatsbiirger vor dem Gesetz, Achtung der
~cohler~rorbeuen Rerhte. dcr Kultnsfrcihcit der Rcligionsgemeinschaften, Rechtes
Verh5ltnis zwischen Scholl and Strafe, ?'ahrung der Vertragstreue, auch wo auf
der einen Seite dcr Staat selbst Vcrtragspartrrer ist usw.) and ^icht ein besonderer
Rechtfertigungsgrund, der aber wiederum nur dem Vernunftbereich der uberge-
setzlichen Norm entnommen werden kann, eine Ausnahme zula(lt.
Eine relativ sichere Erkenntnisquclle fiir die >/bereinstimmung des zu setzenden
Rechtes mit diesen Normen ergibt die c-ergleichende Analyse des ?Gesetzgebungs-
werkes" des Dritten Retches -exempla docent!
So sicker es auf der einen Seite ist> im Interesse der Rechtssicherheit, daft nicht
der Richter des ordentlichen Rechtszuges diese (lbereinstimmung zu prtifen hat,
ebenso sicker ist es im Interesse der Gerechtigkeit, dalf der rechtsstaatliche Gesetz-
geber diese Prufung vor Schaffung solcher Gesetze vorzunehmen hat, die mog-
licherweise mit jenen Grundsatzen kollidieren konnten.
Dies gilt arch fur die gerade zur Zeit so ]ebhaft erorterte Frage der zukiinftigen
Gerichtsverfa=sung, des 9ufbaues des Instanzenzuges and der Gestaltung des letz-
~en Rechtsmittels, bisher Revision genannt. Die in dieser Ridttung auszuspredten-
den Bemerkungen sollen sieh nur auf die strafrechtliche bzw. strafprozessuale Seite
der Frage beschr5nken. Strafprozef} and Gerichtsverfassung gehoren zu den vom
Gesetzgeber geschaffenen Mittel n, um die bereits in die Erscheinung getretenen
Spannungsverhaltnisse im gesellschaftlichen Leben, sowie entstandene Konflikte
zwischen Tragern verschiedener InteressenssphHren im befriedigenden Allgemein-
interesse zu losen, and zwar vornehmlich im Wege richterHchen Urteils. Da im
Prozessverhaltnis einer der Beteiligten, niimlich der Staat, gegeniiber dem anderen
Beteiligten. dem Angeklagten, schon kraft seiner Stcllung eine naturliche Uber-
legenheit besitzt, entspringt es allein der Vernunft, die Stelhtng des Angeklagten
zu kraftigen lurch alle Rechtsgarantien, Rechtsbehelfe and Rechtsmittel, die ge-
eignet sind, seine an sic~r schon schwachere Position zu starken and dami# dem
Ziele jeder Rechtspflege niiherzukommen: der Gerechtigkeit.
In der Pflicht der Gerechtigkeit erhebt die Wiirde Jedes oinzelnen Mitmenschen
den ~lnspruch an uns, das Leben als eine refine Erscheinung des Ewigen zu begrei-
fen. Durch die Pflicht zur Gerechtigkeit wird der Mensch aus seiner Vereinzelung
geltist and in den Individualbereich seiner Mitmenschen eingeordnet. Das Prinzip
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der Gerechtigkeit laflt die Interessen der anderen als Teil des eigenen Lebens-
z?eckes erscheinen and verbindet so die Interessen aller zu einem Reich der
Z~cecke, dem auch die Rechtsordnung einge~~liedert ist.
~'1'enn also der Gesetzgeber vor der bedeutsamen Frage steht, wie das letzte
Rechtsmittel zu gestalten ist, so kann die Antwort hierauf ?nur erteilen seine ge-
sunde Lrteilskraft, die das Ergebnis der historischen tiberlegung and der Vernunft
ist. Die historisdre Betradttnng wird item in Erinnerung rufen, Ball die Entwicklung
diesel Rechtsmittels rich vollzogen hat enter dem Gesichtspunkt der Gerichtseinheit
and Gerechtigkeit. Diesel letzte and in den meisien fallen einzige Rechtsmittel
(gegen die Urteile der Sirafkammer and des Schwur~;eridrfes nibt es keine Be-
nrfung, sondern ausschliefllich Revision) muff also so besc?haf&'n sein. dull es diesen
beiden Aufgaben zugleich client. Wenn in der heu~tigen llisl:ussion die Porderung
erhoben wird. das letzte Redhtsmittel einer Instanz zu iibertragen, die uhne Akten,
d. h. Kenntnis des Sachverhaltes nur fiber die ihrer Kognition unterbreitete Rechts-
frage zu entscheiden hat, odor etwa diesel letzte Rechtsmittel der Caseation des
Franzosischen Rechies anzupassen (schon Feuerbach hat seine warnende Stimme
hierneren erhoben). so ?-ird hicrbei ~-ollig der organische Zusammenhang mit der
geselrichtlichen l~:nt~, ieklung iiberschen. ~'on der \ichtigkeit der Beschwerde des
gemeinen Dentschen Proze~flrechts, die der liormktur materiellen and prozec_sualen
>inrechts dieute. g~eht dcr Weg fiber tnanc?he Cnebcnhcitcn des Preultisdren Rechts-
mittels~~stems, das coriibcrgchend den Gedanken der Reehtseinheit in den Vorder-
grund stellte, zur reichsredrtlichen Revision, die, Reehtseinheit and Gerechtigkeit
~erbindend. lurch die Rechisprechung des friiher+en huchsten Dcutsdren Gerichtes
immer meter zu einem bedeutsamen Instrument der Gerechtigkeit wurde. Hier fin-
det der Gesctzgebcr die Grundlage; auf dcr es gilt, .ceiterzubauen. f~'eben dem
Gedanken der Reehtseinheit steht gleichwertig als Aufgabe des letzten Rec}rtsmit-
tels die ~'erwirklichung' der Gerechtigkeit. Gerade diese Aufgabe hat in der letzten
Zeit der Oberste Gerichtshof fiir die britische 7.one immer wieder betont. Diese
Aufgabe aber kann der mit der Handhabung des letzten Rechtsmittels betraute
Gerichtshof nur erfiillen, wenn er imstande ist, auf Grund der Kenntnis des gan-
zen Falles den Begriff der Rechtsnormverletzung in einem Male auszudehnen, dus
aicht nur dem notwendigen formellen Interesse der Einheitlichkeit client. sondern
-auch in gleicher Weise ein gerechtes Ergebnis in der Sache selbst ermoglicht. Er-
fahrungssiitze, Denk- and Auslegungsregeln, Verwendung formelhafter Begriffe
an Stelle nachpriifbarer Tatsachenwiirdigung, unvollstandige and widerspruchsvolle
Entscheidungsrrunde miissen der Nachpriifung im letzten Reclrtsmittel um so meter
zuganglic}r sein, all crfahrungsg~emull auf diesen Gebieten die Hauptfehler in den
Urteilen der Vorinsianz liegen. Alle Fehler auf diesem Gebiete, die rechtsgrund-
sitzlicher 1\atur sind - insoweit natiirlich auch auf dem beinahe fur den Ange-
klagten Hoch wichtigeren Gebiete der Strafzumcssung -miissen die Moglichkeit
zur Bescitigung des Grteils geben. A'ur im Rahmen dieser Miiglichkeit hat der An-
geklagte die Garaniie. dafl das ProzeRverfahren demLiele der Gerechtigkeit zu-
strebt. Ich erinnere bier an das Wort eines unserer grol{ten deutschen Prozell-
lehrer, ?'ach, uber die Aufgaben der Revision:
,Dal Rechtsmittel (die Revision) bezweckt nicht Aufstellung von Rechtsan-
schauungen, abstrakten Rechtssatzen, sondern die Nachpriafung and evtl. Ande-
rung in der Sache selbst. Daher client es nicht nur der Reehtseinheit, sondern zu-
gleich der konkreten; gerechten Rechtssprechung."
Da(1 die deutsche Reehtseinheit nidtt von 17 oder meter Oberlandesgerichten ge-
tvahrt werden kann, sondern es daze einer Zeutralinstanz bedarf, liegt auf der
Hand and braucht nicht Huber ausgefiihrt zu ~~-erden.
Da(; in der Hand von ebensoviel Oberlandesgerichten, die schon in der Frage
der Aufgaben des letzten Rechtsmittels verschiedener Ansicht sind, nicht die Garan-
tie ,;der konkreten gerechten Rechtsprechung" im Sinne Wachs gegeben ist, wird
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Jedem sofort .klar, wenn er die oft vorfrefflichen aber vollig untereinander ab-
weichenden Entscheidungen dieser Gerichte in den letzten drei Jah,ren vergleidtt.
and zwar in Rechtsfragen, die tagtagtictt aber Freiheit, Ehre and Leben zahlreidxer
Staatsbiirger entscheiden. Dail dieser Aufgabe ebenfalls nur eine Zentralinstan2
dienen kann, auf Grand aktenmaltiger Kenntnis des Falles (man denke nur an die
anzahligen immer wiederkehrenden Verstolle gegen Sd-utzgarantien des Angeklag-
ten in der Prozeliordnung) erhellt schon allein aus der [7berlegung, dais nur eine
Instanz bier die ridttige Entscheidung im Sinne materieller Gerechtigkeit mit eini-
ger Wahrscheinlidtkeit treffen kann, die aus dem gesamten Gebiete des gleichen
Rechtes die gleichen strittigen Rechtsfragen vorgelegt erhalt and so imstande ist,
aus dieser Fiille des gleidten Rechtsstoffes zu immer klareren rechtsgrundsatzlichen
Entscheidungen zu gelangen. Je griifler der 7:7berblidc der letzten Rechtsmittelinstanz
aber die wirtschaftlidten, sozialen and anderen tatsachlichen Verhaltnisse ihres
Zustandigkeitsg?ebietes ist, je reidrer ihr das Material fehlerhafter Rechtsanwen-
dung zustromt aus moglidtst ausgedehntem regionalem Sektor, um so griiller ist die
Wahrsdreinlichkeit fiir sacttlidr richtige Fortentwicklung des Rechtes im Sinne sei-
nes letzten Zieles: Uer Gerechtigkeit. Jede andere Gestaltung dieses Red-tsmittels,
die diese Gruudsatze aufter acht liefle, wiirde die deutsdte Rechtsentwidclung um
zwei Jahrhunderte zurud:werfen.
Paul Stamford:
Kreuzzug fur eine Weltregierung
In einer Kundgebung in Hamburg, zu der von alien an einer Weltfriedens-
bewegung interessierten Organisationen eingeladen worden war, spradt L o r d
Beveridge , der. wie er so sctron sagte, ?die voile Weltsidterung zu seinem per-
sonlichen Ziel" gemacht hat and nun die ganze Kraft seiner Personlichkeit Baran
setzt, alle anderen Menschen auch zur Hingabe an diese grope Aufgabe zu bewegen.
VVenn man nach den uberfiillten Salen and Bern starken Applaus urteilen darf, mit
dem die Rede Beveridges unterstrichen wurde, Bann hat der ?Kreuzzug" bereits
einen vielversprecfienden Anfang g~enommen. Bei dem hohen Ziel and den Schwie-
rigkeiten, die auf dem Wege zu diesem Ziel liegen, wollen wir uns jedoch nicht
Illusionen hingelSen.~:~ber wir pflichten auch bier dem greisen Vorkampfer fur Welt-
frieden bei, dal{ es sidt um ein anmittelbares, ein naheliegendes Ziel handelt and
Ball wir vor den Sdtwierigkeiten Bas grope linternehmen nicht aufgeben drirfen.
Beveridge entw'idcelte Bas Programm einfach and klar, and wir wollen bier die
wesentlichen Punkte wiedergeben. Vier Grundsatze stellte er auf: 1. Uei? KriAg
mulf ganzlidr abgesd~afft werden, damit audt die Furcht davor verschwindet;- 2. als
positive Alternative mull an Stelle des Krieges Gericht and Polizei geschaffen wer-
den; die friedliche ~''ermittlung zwischen sick streitenden Landern mull freiwillig
oder auch zwangsweise gesdtehen; 3. als Autoritat ist eine Weltregierung zu errieh-
ten, die starker als _irgendwelche Staatsregierungen ist; 4. es mull eine foderali-
stische Organisation rein zur Aufteilung der Aufgaben zvvisdten Weltregierung and
Staatsregierungen.
Gegenwartig besteht noc#t keine Grundlage einer Weltregierung. Wie kommen
wir zu einer solcben?_Es gibt drei Wege: aber die UNO, mit Hilfe der Yereinigten
Europa-Bewegung oder durdt einen Kreuzzug fiir die Weltregierung.
Uie U\O ist zur 'Leit wirkungslos; denn das Vetorecht der Mitgliedstaaten nimmt
ihr alle wirkliche Madrt.. Sie konnte zwar als Basis der Weltregierung dienen, doch
ware dazu eine Anderung ihrer L`erl'assung and ein Gesinnungswandel? ihrer Mit-
glieder notig. - Uie Eurupiiische Bewegung (in der Churdtill eine Hauptfigur ist)
madtt prakrische Fui?tsdrritte uud, so sagte Beveridge, ihre Arbeit ist. ans. will-
kummen. Aber sie ist keine Gesamtlosung and kann den Weltkrieg nicht verhin-
dern. Lnser Ziel bter'bt die Weltregierung, die allein eine voile Weltsicherung er?
moglicht. Der ,,Kreuzzug" dafiir ist ein unmittelbarer Angriff auf die Gleidrgiiltig-
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keit and Hoffnungslosigkeit der einzelnen Staatsbiirger. Die niichsten Phasea der
Ent~vidclung Sind: Unmittelbare Wahl von Vertretern fur eine Volkerversammlung,
die 1950 zusammentreten Boll. Diese hat die Aufgabe, eine Verfassung der Welt-
regierung zu beraten.
Die schwierigste Frage, vor der wir alle stehen, ist: Was ist mit der SowjetunioII
zu maciren? Audr die Russen kiinnen nidrt den Krieg wiinsdren; leider aber sdsei-
nen sie etwas zu begehren, das ohne Krieg nicht zu haben ist. Je groffer der Erfolg
unseres ?Kreuzzuges" sein wird, desto besser werden wir aud'n die russisdren Vol-
ker iiberzeugen konnen. Wir verhehlen uns nicht die Schwierigkeit der Aufgabe,
aber die Weltregierung gibt eine bessere Mdg~lichkeit einer Losung als alles andere.
Wir hatten auch fur die Sowjetunion den Platz frei. Wir bilden, keine Allianz
gegen irgendein Land, wir sctrlielfen uns zu einem ?Band der Menschheit gegen
den Krieg" zusammen. -
Unter dc?n anderen Rednern, die auf dieser Kundgebung sprachen, sei vor allem
Prof. Domagk erw5hnt, der eirulriug~lidi klarlegie, dalf der Vernichtung~skampf
nidrt nur mit den Waffen aufhiiren muff, sondern ebenso auch mit den wirtschaft?
lichen Mitteln, and es war besunders angebradrt, aus dem Mande des Nobelpreis?
tragers fur Medizin zu hiiren, daff der Wirkung der Wissenschaft fiir das Wohl?
ergehen der Mensd-en enge Grenzen gezog8n rind, eTenn nicht Wirtschaft and
Politik den Weg freiiegen.
Diese Erkenntnis hat viele Wissenschaftler von hohem Rang dahin gefGhrt, sick
fur these politische Bewegung eiuzusetzen, and sie haben, mit Albert Einstein an
der Spitze, den Aufruf zum Handeln fur die friedliche Sdraffung einer Weltregie-
rung unterzeidrnet.
E. E. Blencke, New York:
Der Kampf um Trumans Fair Deal
Die Hoffnungswelle, die nadr Trumans Wahlsieg am 2. November 1948 mehr Mil.
lionen als die einundzwanzig seiner Wiihler belebte, ist in der Nacht vom 17. zum
f8. Marz einer Welle der Verzweiflung and Emporung gewichen, bei alien, die fur
Gleichheit alter vor dem Gesetze kiimpfen.
In dieser Nacht kamen die Obstruktiorisreden zu Ende, die 16 Tage tang die Tatig-
keit des Senats lahmgelegt hatten, als Revolte der Demokraten des Siidens gegen _
Trumans Programm der Burgerredrte. Die Gegner Trumans hatten in dieser Nacht
nidrt etwa ihre Redekraft von selber erschopft, sondern bei den Versuchen, Sdrlutf
der Debatte zu erreidren,'wurde ein sogenannter Kompromilf aber die Auslegung
der Regel 22 des Senats-Sitzungsstatuts angenommen. Diese Regel 22 war im Jahre
1917 dem Sitzungsstatut eingefugt worden. Sie sollte eine Waffe gegen die Methode
der Obstruktionsreden (Filibuster) sein. Soldre hatten damals die Tatigkeit des
Senats geliihmt, als ein Gesetz zur Bewaffnung der Handelssdriffe gegen deutsche
U-Boote vorgeschlagen war. Nun zeigten die diesjahrigen Debatten, da(f die Reformer
von damals eine Kautschukbestimmung gesdraffen hatten. Sie hatten erstens offen-
gelassen, ob die geforderte Zweidrittelmehrheit von der Gesamtzahl der Senatoren
- 64 von 96 -Oder von der Zahl der a n w e s e n d e n Senatoren zu berecltnen sei.
Aufterdem war nich4 klar, ob sie bedeutete, Bali Schluil der Debatte gegen einen
Antrag zur B e r a t u n g eines Gesetzes oder gegen einen Antrag zur A n n a h m e
eines Gesetzes beschlossen werden konnte.
Mit den Stimmen von 29 Demokraten and 34 Republikanern gegen 15 Demokraten
and 8 Republikaner einigie man Bich darauf, loll der Filibuster beendet werden
mu[f, wenn 64 von 96 Senatoren fiir Sdtiluif der Debatte stimmen, autfer wenn die
Anderung dieser. Regel selber zur Debatte steht. Praktisch bedeutet these Regelung
einen Vorteil fur die Gegner des Biirgerrechts-Programms Trumans; denn bei dem
heutigen Charakter des Senats ist es ziemlich hoffnungslos, eine solche Mehrheit
zustande zu bringen, wenn es sidr um these so heilf umstrittenen Gesetze handelt. die
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von den Demokraten der Stidstaaten von jeher Burch den Filibuster bekampft w~r-
den. Dieser Kompromiti offnet sogar denjenigen eine Hintertiir, die sick zwar nic}tt
offen als Gagner der fortschrittlichen BUrgerrechts-Gesetze kennzeichnen wo-len,
aber dock gern bereft sind, ihre Annahme zu hintertreiben. Unter Berufung auf die
Regal 22 konnen die Republikaner, die sick mehrheitlich fiir Trumans Forderung
auf Beseitigung der Vorrechte der Weilien im Siiden ausgesprochen hatten, Bas Zu-
standekommen der dazu ntitigen Gesetze verhindern helfen. Es war ein dramatischer
Augenblidc, als nadz seiner Rede Walter White, der Vorsitzende der Nationalen
Vereinigung fiir den Fortschritt der Farbigen, sag#e, dafi nun sicker ftinf bis Sieben
Republikaner mehr sick den siidlichen Demokraten anschlielten warden and damit
die Hoffnung, f11r eine bessere Gesetzgebung fiir die Neger im Siiden erst einmal
wieder zunidite gemacht worden ist.
W. H. Lawrence berichtet in den >,New York Times" vom 6. 3. unter der >Jber-
schrift: Die Republikaner im Kongrefi ergreifen ihre Taktik fiir die 1950er-Wahlen,
Bas folgende private Eingestandnis eines Republikaners:
Als Minderheitspartei miissen wir eine opportunistische Rolle spielen. Wir
haben nicht die geniigenden Stimmen, um unser eigenes Programm durchzu-
driicken. Wir konnen jedoch eine positive Rolle spielen, wenn die Ma[lnahmen,
die wir auch begiinstigen, von genug Demokraten gestutzt warden, so daQ sie durch-
gebracht warden konnen ... Wenn wir jedoch haute ein eigenes Programm auf-
stellen wiirden, so wurde es als ein republikanisches Programm gekennzeichnet
rein and als solches menthe unserer demokratischen Freunde vor den Kopf stofien: `
Im Lichte theses Eingestandnisses sehen wir die Vorgange der vergangenen Tage
im Senat nosh unter einem besonderen Gesichtswinkel. Es fragt sick, ob die oppor-
tunistische Haltung des Zusammengehens der Republikaner -der Partei, die im
Siiden als Trager der Tradition Lincolns gewertet wurde - mit den 19 Dixiekraten
in dam Augenblick, wo these gegen die Ausbreitung der Burgerrechte auf Neger
filibustern, eine Weise Haltung ist. Zwar ist im Augenblick ein Erfolg errungen.
Wird er aber von Dauer rein? Bis zu Franklin D. Roosevelt sind in den gesamten
USA die Negerstimmen zu den Republikanern gegangen. Dann begannen sie im
Norden, sick den Demokraten zuzuwenden. Daft Truman sick entschloll, den Bruck
iu der demokratischen Partei wegen des Biirgerrechts-Programms zu wegen, brachte
ihm viele Negerstimmen. Die Zukunft Wird den Demokraten mehr bringen.
Nach der Niederlage des republikanischen Prasidentschaftskandidaten Dewey
wurden viele Spekulationen dariiber angestellt, warum sie erfolgt sei. Die richtige
Erklarung ist wohl, da(i die Republikaner es nicht verstanden hatten, fortschritt-
liche Ideen in ihr Programm aufzunehmeri. Nun sehen Wir sie nicht nur sick einigen
and sick beleben im Kempf gegen blietenkontrolle and gegen eine verniinftige
Arbeitergesetzgebung. Wir sehen sie such node ein Bundnis eingehen mit den riick-
schrittlichsten Gruppen der Demokraten. Das Wird sick bei den Wahlen 195 aus-
wirken, bei denen Bas Reprasentantenhaus and ein Drittel des Senats neu gewahlt
warden..
Oder stehen wir am Beginn einer Umschichtung der Parteien? Senator Wayne
Morse, Republikaner von Uregon, schrie Hach der Abstimmung den Senatoren zu:
?In Wirklichkeit hat rich haute Hecht hier eine neue Partei gebildet. Es wir4i
interessant sein zu beobachten, ob these Koalition waiter bestehen bleibt fiber
die Auslegung der Regal 22 hinaus, .., ob sie nur ein Vorspiel darstellt, zu der
Behandlung, die Kernstticke der sozialen Gesetzgebung im KongreQ erfahren
warden.
President Truman sagte in einer Pressekonferenz, die Ereignisse hatten gezeigt,
Ball es drei Parteien im Senat gabe> die Republikaner, die Demokraten and die
Dixiekraten, womit er die Demokratische Partei praktisch nicht mehr als einheit-
liche Partei bezeichnet. (Dixiekraten ist,der Name fair die unter Gouverneur J. Strom
Thurmond von South Carolina als Prasidentschaftskandidatert gegen Truman wegen
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desaen Btirgerrechte-Reform opponferenden Demokraten. Es spielt an auf die Mason-
Dixie-Zinie, die, zwischen den Staaten Pennsylvania and Maryland beginnend, nach
Westen laufend, die USA teilt, so dal] siidlich von ihr gerade alle die Staaten liegen>
die in der Negerfrage riickschrittlich Sind. Klan nennt den Suden darum oft Dixie
als Symbol der weillen Vorherrschaft.)
Ohne daft wir die Bedeutung der Niederlage, die Trumans Politik erlitten hat,
herabsetzen wollen, lessen una dock die Hinweiae auf die Motive der Dixiekraten
and der Republikaner erkennen, dais sictt hier nur des wiederholt, was Roosevelt
in den vier Praaidentschaftsperioden immer wieder erfahren hat; seine Politik
wurde behinderi Burch einen ihr in der Mehrheit feindlichen Kongreft. Es fist durch-
aus m3glich, daft bei den Wahlen 1910 in diese Situation eine Bresche geschlagen
ward. Das prtingen der Demokraten auf 5cttlult der Debatte im Senat, des Bich nach
der Nacht vom 17. zum 18. Marz als kurzsichtig ansah, Weil ein sick Totlaufen des
Filibusters nicht die Zukunft mit einem so verhangnisvollen Erbe wie dem geschlos-
aenen Kompromift belastet hatte, wurde sick Bann als eine erfolgreiche Methode
erweisen, Den V6'ahlern, deren gesundes Urteil die Truman-Wahl bewiesen hat, fist
so ein neues Anschauungsmaterial dariiber erteilt, wer fur Fortschritt and wer
dagegen fist.
Ea ware falsch, diese Ausfiihrungen uber die vergangenen Kampfe im Senat ab-
Zuschliefien, ohne inhaltlich auf die Teile der Gesetzgebung einzugehen, die die
Dixiekraten zum Filibuster veranlaltten.
Die Kernstiicke sind: Abschaffung der Wahlsteuer. (Nock heute fist in Alabama,
Arkansas, Mississippi, Siid-Karolina, Tennessee, Texas and Virginia die Zulassung
zur Wahl abhangig von der Entrichtung einer Kopfsteuer. Das betrifft sowohl arme
Weilte wie arme Farbige.) Ein Bundesgesetz gegen des Lynchen. Ein Bundesgesetz
gegen die Benachteiligung eines Menschen bei der Arbeitssuche wegen seiner Haut-
farbe (Fair Employment Practice Law).
Die Debatte im Senat begann damit, daft die Dixiekraten zur Verteidigung ihres
Standpunktes Senator Walter F. George von Georgia vorschickten: Seine Ausfiih-
rungen kennzeichnen treffend die Mentalitat dieser Vertreter der Vorherrschaft der
Weiften im Suden; u. a. sagte er:
?Wir beginners eine denkwtlydige Debatte. Das Prinzip der Mehrheit fist kei-
nes, des im Senat herrscht, wo der kleinste Staat die gleiche Vertretung hat wie
der gro[tte. (Jeder Staat sendet 2 Senatoren in den Senat. So haben der Staat
Nevada and New York dieselbe Anzahl von Senatoren, obgleich New York 125-
mal so viele Bewohner hat als Nevada, E. E. BIJ Wenn Sie davon Abstriche
machen, so beschneiden Sie die Rechte der Einzelstaaten. Unsere ganze Verfas-
sung fist eine direkte and beabsichtigte Beschrankung der Macht der Mehrheit.
Sprechen Sie nicht den Einzelstaaten des Recht ab, hier gehort zu werden."
Dann argumentiert er gegen die drei erwahnten Gesetze, fiber die die Sudstaaten
ihre besonderen Auffassungen besitzen. Seine Argumentation gegen die Wahlsteuer
fist nicht bedeutsam, wohl Weil er aus Georgia kommt, wo sie bereits abgeschafft fist
and er auch an seine Wahler denken mull. Nun aber die anderen Gesetze:
?Refine politische Partei kann elnen ehrlichen Mann finders, der fur Maftnah-
men stimmt, die er fur verfassungswidrig halt.... Das Antilynchgesetz wurde
bedeuten, daft die Bundespo[izei totale and absolute Gewalt in den Einzelstaa-
ten erhielte. Das Gesetz, daft jemand nicht, weil er Neger fist, von einer Arbeits-
stelle fortgeschickt werden kann oder ihm eine solche vorenthalten werden kann,
wurde eine vollige Beschneidung eines fundamentalen Rechtes jedes Ameri-
kaners sein, namlich, daft Jeder sick seine Gefahrten nach seinem Wunsche wahlen
kann.... Jeder Senatot hat daher ein Recht, gegen die vorgeschlagenen Gesetze
zu stimmen, von denen er mit all seiner Seele and seinen tiefsten Grundsgtzen
iiberzeugt fist, da@ sie eine Beleidigung fur die Amerikanische Verfassung and
gegenilber den t{ltesten and besten Traditionen in unserem Lande darstellen"
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Wir sefien> daft es Kier um einen erbitterten and geschiddt verbramten Kampf nm
Vorrechte geht, verbramt mit dem Kampf um die Souveranitat der Einzelstaaten
gegeniiber der Bundesregierung. _ ,
Die Annahme der genannten Gesetze durdz die $undesregierung hatte _fur did
Gleidsstellung aller vor dem Gesetz, unbesdiadeY ihrer Hautfarbe, einen grolten
Forfsdlritt bedeutet. Diese Entscheidungen rind ei?sf einmal wieder versc'tttaben and
das kann nicht stark genug bedauert werden. Es mini aber fur Beobachter aullel-
lfalb der Vereinigten Staaten von Nordamerika hinzugefugt werden, deli, das Ver-
sagen im Senat nicht bedeutet, daft damit in den Einzelstaaten der Kempf selber
verschoben int. Bei dem so schwierigen Problem der Rassenfragen, wo nur ein Hand-
in-Hand-gehen von politiso'.1en Erfolgen and erzieherischen Einwirkungen von
Mensch zu Mensch Fortsthritte bringen konnen, isf der Kampf innerhalb der Einzel-
staaten selber sehr wichtig.
Wahrend der Tage, als die Presse fiber des Blodcieren von Trumann Vorschliigen
im Bundesmaitstab berichtete, wurden Fortsdlfitte im Kampf fur die Neger in Ein-
zelstaaten erzielt.
Im Staate Alabama, einem der schlechtesten, Bali Anfang Marz zum ersten Male
ein Neger als Geschworener im hochsten Gericht des Staates Alabama in einem
Prozeft gegen einen Weillen.
Im Staate New Jersey hat das Staatsparlament am 16. 3. ein Gesetz angenommen
and dem Gouverneur zur Unterschrift iiberreicht, des die unterschiedliche Behand-
lung von Negern in Hotels, Restaurants and an Vergniigungsstatten verbietet: Eine
Geldstrafe bis zu 500 Dollar and eine Gefangnisstrafe -bis zu einem Jahr werden
fur Ubertreter des Gesetzes festgesetzt. Es ist zu erwarten, daft Gouverneur Dyiscoll
unterzeichnet.
Rxdolf Kiistermeier /Derrick Sington:
Die Tore of f Hen rich
Am 15. April 1945 wurde des KZ Bergen-Helsen durdl englisdre Truppen befreit. Der Leiter der englisdren
Einheit, die als erste des Lager betrat and sick ein ungeheures Verdienst um die dort vorgefundenen
Menschen erworben hat, hat aber seine and seiner Kameraden Tatigkeit einen Beridtt "] gesduieben, dem
Rudolf Kiistermeier ein Kapitel eingeftlgi hat: ?Wie wir in Belsen lebten". Hier bringen wir einige AusaGge;
denn wir durfen diese Dinge nidrt [otschweigen.
In der ganzen Welt gibt es Menschen, die furchten, des Opfer einen Propaganda-
apparates zu werden, wean sie aber deutsche Konzentrationslager horen. Und sie
haben recht, sick gegen >;7bertreibungen zu wappnen, wenn sie die Wahrheit suchen.
Offenbar gibt es eine tief verwurzelte Uberzeugung, daft menschlidle Wesen, gleidl-
gultig welchen Landes oder welcher Rasse, nicht soldher Greuel and Grausamkeiten
schuldig sein konnen, wie sie jeizt der Welt enthiilit wurden Sind.
Millionen von Mannern, Frauen and Kindern haben unter diesem System gelit-
ten. Sie haben nicht nur dawn gehort oder zugesehen, sie haben es erlebt, and die
iJberlebenden spiiren es an ihren Leibern Hoch jetzt, wo apes vorbei int. Ich selbst
habe dieses System zwolf Jahre Lang ertragen - seit 1933. Darf ich Ihnen dawn
berichten, audl den Zweiflern unter Ihnen? Ich denke, Sie werden es mfr erlauben,
nachdem ich Ihnen ein kleines Gestandnis gemadlt habe: Viele von uns, die Opfer
des SS- and Gestapo-Systems gewesen rind, konnen jetzt selbst kaum glauben, daft
wir die Dinge, die wir erinnern, wirklich erlebt haben. Nicht Sie allein, Leser and
Zuhorer, mochten Bich weigern, die Moglichkeit solcher Unmenschlichkeit and Ver-
ruchtheit einzuraumen, sondern selbst wir, die wir dies apes erlebt and viele Jahre
ertragen haben, sind versucht, jetzt zu denken: ,.Nein! Diese Dinge konnen. nic3lt
wirklich gesdhehen sein." Aber. ach -sie sind geschehen ...
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In den Guterwagen, mit denen wir gereist waren, hatten-wir zn 80 oder 100-zn-
rammengepfercht 30 Stunden lang gestanden. Dann waren wir 6 Kilometer mar-
sehiert. Und nun standen wir wieder. Schlieltlich durften wir die Baradcen betreten.
Sie waren innen nicht anders als aullen. Es gab keine Batten, keine Stiihle, keine
Bunke und kein Licht. Die Fenster waren zerbrochen, und es gab. weder Strohsacke
nosh Stroh zum Liegen. Da war nut"der schmierige Fufiboden, und der Regan kam
dutch das Dach. Man sagte uns, dail wir die nachsten zwei bis drei Tage nichts zu
essen bekommen warden, wail die $iiche fur die Neuankommlinge nicht ausreich-
ten. Wir schliefen, wie Heringe aneinandergepreilt, auf dem Fuftboden. Es gab kei-
Hen Platz, sich umzudrehen oder auszustreeken. Mitten in der Nacht erwachte idti
von einem sdsarfen Schmerz in der Magengegend. Jemand hatte mir auf den Baurh
getreten... .
Und der Tod war eifrig am Werk. Eines Tages kam ein Transport aus Grofl-
Rosen in Sdalesien. Fast 3000 Manner waren zwolf Tage lang in Guterwagen ein-
geschlossen gewesen, ohne Speise oder Trank, bis zu hundert in einem Waggon: Als
die Taren der Waggons geoffnet wurden, wurden mehr als S00 Leichen gefunden.
Die meisten der anderen konnten weder gehen Hoch stehen. Die Uberiebenden
wurden in eine Stallbaracke geschafft, die zwar far sie frei gemacht, abet nicht
gereinigt worden war. Dort wurden sie in Schmutz und Mist sick selbst aberlassen.
wail?sie als typhusverdachtig betrachtet wurden.
Ein pear Tage spster wurde die Stallbaradce gesaubert. Es lebten nosh etwa
zweihundert Manner: Sie wurden in die Lazarettblodcs gebracht. Die anderen gin-
gen den gleichen Weg wie ihre achthundert Kameraden vor ihnen -ins- Krema-
torium... .
Es sah so aus, als ob wir alle sterben miiltten. Wit salien iiberlegend. und, dis-
kutierend zusammen, abet wir fanden keinen Ausweg. Ptotzlich Norte ich, als wir
beieinandersaften, das leicht erkennbare Gebrull eines SS-Mannes. Er hatte einige
Gefangene dabei aberrascht, wie sie Bretter von ihnen Batten im Ofen verbrannten.
Die Manner antworteten ihm, daft sie vor Kalte umkommen ~siirden. ?Aber ihr-said
hier zum Verrecken!" rief der SS-Mann, ?zum Verredcen, und sonst nichts!" .. .
Ein pear Tage Hach unserer Befreiung kam ich in eine verlassene Baradce des
Lagers. Auf dem Boden lagen einige alte Zeitschriften. Als ich in einer von ihnen
bJatterte, fand ich einem Satz dei? wunderbar die Idea zum Ausdrudc brachte did,
hinter allem stand, was in jenen Tagen von englischer Seite zur Linderung un-
menschlichen Leidens getan wurde:
?Unser hochstes Gesetz ist die Liebe"
Und wo fand ich diesen Ausspruch? Ich fand ihn in schSnen Lettern gesetzt, fiber
eine ganze Seite gedruckt, in einer alten Ausgabe von - Himmlers Monatsschrift
fur die SS. Rudolf- Kastermeier.
Gegen Ende unseres zweiten Tages in Belsen hatten wir die Nationalitatengrup-
pen im Lager ermittelt. Etwa 25 000 von den 40 000 Insassen waren Frauen, und von
diesen waren einige 18000 ungarische, polnische, rumanische, tschechische und deut-
sche Jadinnen. Sie stellten einen Teil der ttberlebenden des europaisehen Judea-
turns dar und waren in suer Eile- in Belsen hineingepfercht worden, als die Deut-
sc~en dutch das Yorriicken der alliierten Armeen aus Ost und West gezwungen
wurden, das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Polen und die Dutzende voa
Arbeitssklavenlagern in Schlesien und Nordostdeutschland zu evakuieren. Der
groRte Teil dieser jfldischen Frauen stellte die einzigen flberlebenden von Familien
dar, die in den Gaskammern von Birkenau und Treblinka umgekommen waren.
Auller den Judinnen waren Hoch 2000 Russinnen in Belsen. Diese Russinnen waren
fast alle .,,Meuterer'". Sie waren Zwangsarbeiterinnen, die aus ihrer Heimat ver-
sohleppt worden waren und gegen ihre deutschen Herren aufgemuclct hatten... .
Die 15 000 Manner des Lagers fielen im grotlen und ganzen unter die gleichen
Gruppen: Judea, Meuterer und politische Gefangene; unter den letzteren befanden
sick einige Deutsche, die es fertiggebracbt hatten, zuriidczubleiben, als die 600 Deut-
schen in Belsen von der SS davongetrieben wurden.
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Das waren die Lebenden in Belsen, von dentin mehr als ein Viertel im Laufe der
nachsten vier VVochen sterben sollte. .
An diesem zweite^ Tage entdeckten wir auch die zahlreichen Toten.
Die SS hatte die griifiten Anstrengungen gemacht, rich der vielen Tausende von
Leichen vor Ankunft der Englander zu entledigen. Mehrere Tage fang wurden die-
jenlgen Gefangenen, die dazu korperlich nosh imstande waren, zu Beerdigungskom-
mandos zusammengestellt, die die Leichen aus dem ganzen Lager auf einer sandi-
gen Lichtung in der Sudwestedze des Lagers zusammentrugen. Vier Gefangene
muiiten jeweils Kleidungsfetzen an Hande and Fufle eines jeden Leichnams binden
and ihn, zwei am Kopf- and zwei am Fuilende, Hunderte von Metern fortschlep-
pen. Im allgegieinen gab die SS der Verbrennungsmethode den Vorzug, weil sie
keine Spuren hinterliell, and die erste gro(le Leiehenansammlung wui?de zu einem
gewaltigen Scheiterhaufen. Eisenbahnschwellen and Leichen wurden schichtweise
aufeinandergelegt and vor der Entzundung mit Benzin durchtrankt. Aber trotz die-
ser Bemuhungen hatte das Problem der zunehmenden Leichenhugel die SS uber-
waltigt, so dal{ Hach unserer Ankunft im Lager 10000 unbeerdigte Leichen auf dem
Boden lagen... .
Am zweiten Tage unseres Aufenthalts in Belsen wu~de jedoch der Anblidc der
Sterbenden womoglich nosh herzzerreifiender als der der Toten.
Gegen Mittag sah icb einen Mann in sehabigem blauen Anzug, dessen Rodckra-
gen aufgeschlagen war, langsam dorthin gehen and niedersinken. Sein Gesicht war
halb vom Hut verdeckt, and er lag mit ausgestredctem Arm auf der Seite. Jeden-
falls war er an jenem Punkt des steten Abgleitens angelangt, das, falls er nicht
Gluck hatte, in einen ruhigen Tod vor Hungsr and Schwache fuhren wurde.
Wenn man durch das Lager ging, bemerkte man Dutzende dieser ausgesreckten
'Manner. Sie lagen meist am Rande der Hauptstrafie, Weil sie von dort nicht so weft
zum Wasser batten, das nun an verschiedenen Punkten einem Schlaudi entnom-
.men weiden konnte, der die Stralle entlanggelegt worden war. Vielleicht wahlten
sie diese Stelle auch, weil sie nahe bei den Kuchen lag and sie hoffen konnten,
sick uber die kurze Entfernung bis zur Nahrungscfuelle hinzuschleppen. V'ielleicht
aueh nur deswegen, weil diese Boschung den Mittelpunkt des Lagers bildete, so dali
sie ein Freund dort leichter finden and ihnen Hilfe bringen konnte.
Diese Manner zu retten versuchen, ihnen einem Hach dem andern Nahrung ein-
zuflt3ilen, ja sie nur Hach ihrem Namen zu fragen, dazu hatte es mindestens der
zehnfad~en Anzahl von Hilfskraften bedurft, die. in jenen ersten Tagen tatsachlich
in Belsen anwesend waren. Und viele von ihnen waren selbstverstandlich schon an
einem Punkte angelangt, wo ihnen niemand mehr helfen konnte... .
Am 29. April fuhren wir Hach Luneburg. Die steilen, rotziegeligen Dasher gliih-
ten im Friihlingssonnenschein, and Massen von Flieder wogten uber den Hecken.
Auf den Feldern grasten die Schwarz-wei(ten Kiihe and die Kirchen von Lune-
burg zeigten die griinen Kupferturme des wunderschonen Deutschland, das ich vor
achtzehn Jahren hatte kennengelernt.
Wie war das friedliche Landgebiet geschandet worden. Det Geruch verbrannten
LederS and brennender Kiefern war nod- in meinem Gedachtnis.
Eine Frau sturzte aus einem Bauernhaus and hielt meinen Wagen an.
?Kanner Sie uns nicht helfen?" fragte sie. ?Die Russen schlachten unsere Hiih-
ner and Schweine and verlangen Kleider and Mobel: ` Ich gab Gas and fuhr weiter.
Ieh dachte an die Tausende von Mannern and Frauen, die tot Oder verkriippelt
in den Blocks des Konzentrationslagers and in den Baradcen der Panzerausbil-
dungsschule lagep... .
Aus den Geschehnissen in Belsen aber sallten recht viele Deutsche die tiefere
Einsicht geivinnen, weshalb sie ihre Heime and ihnen Besitz verloren and weshalb
es ihnen an Kleidern and Nahrung mangelt. Es sollte sie auch verstehen lehren,
weshalb die Welt diejenigen Deutschen nicht bedauern kann, die sick allzu Taut
beklagen, daft sie Opfer einer ?schrecklichen Ungerechtigkeit" seien. Viele Tau-
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sende von Mannern and Frauen in alien Landern der Welt wollen bei der Wieder-
erstehung Deutsdrlands all friedliches and g?edeihendes Land mithelfen. Aber es
gibt Behr wenige unter ihnen, die durch jene Deutsche, die einen Groll gegen die
Welt hegen, nicht gelahmt werden. Wenn schon Groll, so scheint uns die abrige
Welt, besonders die Volker Europas and Rulilands mehr Berechtigung zu haben,
ihn zu empfinden.
Aber solch ein Groll ist in jedem Fall unkonstruktiv. Es gibt viele Deutsche -
nicht nur unter den alten Anti-Nazis, auch unter den Jungen -, die sick danadi
sehnen, ein neues Kapitel deutsdrer Geschichte zu beginnen. Die Kenntnis dessen,
was in Belsen gesdrah, sollte ihnen helfen, ihre Landsleute zu aberzeugen, die
jetzige Zeit der Not and Sorgen ohne Verbitterung durchzuhalten. Diese Kenntnis
sollte aucb ihre Entschlossenheit starken, nie mehr Mannern, deren politische Ziele
auf Gewalt, Schredcen and Grausamkeit aufgebaut rind, zu erlauben, sich die Macht
fiber das deutsdre Volk anzueignen.
Man muf3 daruber sprechen
Eine Stellungnahme zu ,.Der Kampf der Friedensbewegung" von Dr. med. F.
Morctxen, Wiesbaden. (Vergl. Heft 2 diesel Jahrganges.)
Ein Arzt and Friedensfreund hat der Menschheit den Puls gefahlt, seine Diagnose
gestellt and den deutsdren Friedensfreunden ein Rezept gesdrrieben.
Das geht uns alle an. Wer ware nidrt begierig, die Ursachen and Heilungsaus-
sichten keunenzulernen, wean er bemerkt, wie sein Organismus in inner starke-
rem Ma11e von F'ieber geschattelt wird and einer sdrredclidten Krisis zutreibt?
Wie niederdrad:end isi' aber diese sachliche and nachterne Diagnose! Die Mensda-
heit, die eben erst in einen Kampf auf Leben and Tod dal ihr Schadliche nieder,
gerungen and seine i~berbleibsel nit scharfem Operatiousmesser entfernt hat, steht
sdxon wieder vor einen 9ugriff des Bosen and sammelt deshalb ihre Abwehrkrafte.
Das ist zweckma(lig and gut gehandelt; dean Vorbeugen ist allemal besser als
Heilen and Operiereu. Darum - so meint Herr Dr. Morchen - sollten audt die
Friedensfreunde im gegeuwartigen Augenblick nicht zur Kriegsdienstverweigerung
aufrufen.
1st dal Ganze nidrt furdrtbar? Trotz zweier Weltkriege and einer Serie von Pro-
zessen gegen die Kriegstreiber droht schon wieder Kriegsg?efahr. Sie wird geschiirt
von so abgrundtief sdrlechteu Mensdten, datl ein Friedensfreund seinen Gesinnungs-
genossen keinen anderen Rat geben kann all den, sick selbst nach eigenem Ermes-
sen all Kampfer der guten Seite zur Verfagung zu stellen. Daneben will der Ver-
fasser allerdings seinen Freunden -and hier meint er offensichtlich in erster Linie
oder ausschlie111ich seine deutschen Freunde -das Privileg zugebilligt wissen, dafl
niemand lie nit Gewalt zum Kriegsdienst zwingen diirfe.
Was hier offen ausgesprochen ist and was dahinter steht, ist so todernst and so
verantworhrngsvoll, dalf kein deutscher Mensch versaumen sollte, es nachzudenken.
1st hiermit die Situation unserer Tage treffend gekennzeichnet? Ist das Rezept far
uns deutsche Menschen gut and braudibar? Das sind die Fragen, die uns alle, die
wir zwisdten Rhein and Oder Leben, bewegen sollten.
1lber die ,.Lag?e" zu diskutieren durfte fur uns, die wir taglich nit Nachrichten
diesel oder jenes Lagers nit alien blitteln unserer "Leit reichlidr gefattert werden,
eigentlich iiberflassig sein. Es ware dolt gelacht, wenn wir nicht denken warden,
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wie wir denken sollen! Oder sollte da wirklich nosh jemand sein, der nosh seine
eigenen Gedanken denkt? Fur diesen ware es dann aus verschiedenen Grtinden Zeit,
seine Ansichten zu aullern. Vielleicht findet sick sugar eine der modernen Publi-
kationseinrichtungen bereft, seine ~Ieinung zu publizieren.
Nash Marx ist der Staat ein Machtinstrument in der Hand einer Minderheit zur.
Beherrschung einer Klasse; Wadi Saint Simon Sind Nationen nichts anderes als
Industriegesellschaften. Beide -das geben wir dock wohl heute zu - hatten von.
ihrem Blickpunkt aus recht. Der eine stand unter dem Eindrudc des imperialen
Machtstrebens der Nationalstaaten, der andere sah mit klaren Augen, was der
Merkantilismus bezwedcte. Ihre Definitionen trafen darum zu ihrer Zeit genau ins
Schwarze. Wer aber entschleiert uns das groQe Geschehen unserer Tage mit gleicher
Genialitat? 'Tat das etwa Burnham? Befinden wir uns schon mitten im Wettkampf
der Wirtschaftsmanager um die Herrschaft der Welt? Spielen Nationen and Klas-
aen schon nicht mehr die Rollen wie ehedem?
Wenn wir uns aber these Fragen Gewi(]heit verschafft haben, dann werden wir
auch wissen, was wir zu tun haben im Verlaufe der Bich ankiindigenden tatlichen
Streitereien der Machthungrigen. Fest scheint mfr zu stehen, dall es in absehbarer
Zeit keine deutsche Machtfrage mehr geben wird. Folglidt, so konnten wir sagen,
interessiert uns auch das Gezank nicht. So leicht aber entschlupfen wir denen nicht,
die gewohnt sind, Ihre ?gewohnliche" Arbeit durch andere machen zu lassen. Sie
werden nid-t ztigern, alien denen, die sick in ihrem Machtbereich befinden, die
Alternative zu stellen: Mitmachen, wie wir cvollen, oder verhungern and verkom-
men. Was das fur Deutschland bedeutet, das sich bei Beginn der Feindseligkeiten
slier Voraussicht nach zur einen Halfte auf der guten, zur anderen aber auf der
bosen Seite befindet and dann im Verlauf der Kampfhandlungen unter Umstanden
mehrmals den Besitzer wechseln wird, ist leicht auszumalen. Was aber eTSt werden
soil, Wenn sick ein Teil seiner Sohne filr these, ein anderer fur jene Partei als
Kampfer zur Verfugung gestellt hat, das mag ich mfr nicht ausmalen.
Id- kann darum auch nicht das Rezept des Herrn Dr. Mbrcheri fur gut halten.
Richtiger scheint mfr schon zu sein, wenn wir uns einig werden in dem Gedanken,
daft kein deutscher Mensch sick an den kommenden Machtkampfen aktiv beteiligen
darf, dal{ wir uns dafiir aber riisten and bereithalten, die Wunden, Scherben and
Schaden des neuen Wahnsinns zu heilen, wegzuraumen and zu reparieren. Es
werden bei der Furchtbarkeit der modernen Zerstorungsmittel fur these Aufgaben
and fur die Sicherstelluug der Lebensnotwendigkeiten aller derjenigen, die der
blolodi Krieg nicht sofort als Werkzeuge oder Opfer verschlingt, nicht leicht zuviel
helfende Hande vorhanden sein konnen.
Wenn eine Nation sick nicht fur die Zwedce anderer einspannen lassen will, dann
ti~ird das auch heute nosh zu verwirklichen sein. Stellt man es aber in das Belieben
der Einzelwesen nur einer einzigen Nation, Bich fur eine der streitenden Parteien
zu entscheiden, dann - - -:
Wehe d'en Besiegten and ihren Familien! Benter .Dietrich.
Diskussion um einen Anti ? Kriegsfilm
Der Film ?Die letzte Nacht" ist im Titel and der Ankiindigung von der tragisdten
Liebe zweier Menschen leicht irrefiihrend. In Wirklichkeit handelt es silt um einen
deutschen Anti-Kriegsfilm, der neben seiner k{instlerischen Qualitat auch seiner
T e n d e n z wegen Beachtung verdient. -Die Leitung eines Hamburger Kinds war
der Ansicht, dieser Film sollte nicht nur angesehen, sondern auch diskutiert werden,
and lad zu einer Diskussion ein. Der Saal war iiberfiillt, and man diskutierte drei
Standen lang Probleme, die der Film aufgeworfen hatte.
Was hat these Wirkung and Mitwirkung Beim sonst so tragen Kinopublikum her-
vorgerufen?
Der Film zeigt die letzte Etappe des geschlagenen, aus Frankreich abziehenden
deutschen Heeres; er beginnt mit Szenen des Abwehi?kampfes der franzosischen
Widerstandsbewegung. Die Heldin (Hauptdarstellerin Sybille Schmitz)'hat einen
Staudamm gesprengt and wird vom deutschen Feldgericht zum Tode verui?teilt. Wah-
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rend der Divisionsstab, der in ibrem Schlosse wohnt, Wein trinkt and sick von einer
albernen KdF.-Truppe unterhalten alit, stolft der junge Offizier, dem fur den nach-
sten Morgen ein ?Himmel#ahrtskommando" gegeben ist, auf diese Frau. Die beiden
- gegderisdlen - Todgeweihten kommen sick in dieser letzten Nacht menschlich
nabe; in den wenigeu Stunden, die ihnen $leiben; iiberzeugt die Frau den Soldaten
vori der Scheu(tlichkeit and Sinnlosigkeit des Kriegel. Er verhilft ihr zur Flucht
and wird wegen Verrats selber erschossen.
Es Sind im wesentlichen drei Probleme, an denen sick die Diskussion entziindet.
Ist es notig oder auch nur ertraglich, so fragt sofort einer, dem die ganze Tendenz
des Films nicht paltt, daft Szenen auf die Leinwand gebraclrt werden, in denen
Front-Offiziere sick mehr liederlidr all heldisch benehmen? Das ist dock Selbstbe-
schmutzen, peinlich Hach einem soeben verlorenen Krieg and geschmacklos dazu!
lhm wird, and zwar von vielen, erwidert, daft die Darstellung des Films nosh riick-
sichtsvoll and gelinde ist, verglichen mit der Wirklichkeit. Es ist an der Zeit, so wird
unter Beifall erklar#, dem Soldatentum endlich den triigerischen Glanz abzustreifen.
Es handelt sick um eine sehr notwendige S e l b s t k r i t i k ;nur so kann der Anfang
gemacht werden mit der f7berwindung des tiefsitzenden Militarismus. Das gerade
tut der Film.
Schwieriger Hoch ist dal zweite Problem: Darf ein Offizier ?im Einsatz" seine
Soldatenpflicht verletzen, wenn sick seiri Gewissen regt and er den Krieg als ein
Verbrechen erkennt? Es gelingt einigen Rednern, von einer hoheren Warte aus zu
when, daft man etwas fur seine ?Soldatenpflicht" erst halt, nachdem man vorher
griindlidh vergessen oder Gberhaupt ubersehen hat, was M e n s c h e n p f l i c h t
ist. Wie zu erwarten, fehlt es auch in diesem Saal nicht an dem ehemals ?aktiven"
Offizier, der aufsteht and von der ?Ethik des Krieges mit Mann gegen Mann" redet,
die bei der modernen Kriegfahrung allerdings etwas gelitten habe. Hingegen wird
mit lledrt kritisiert, daft die #nnere Wandlung des Offiziers im Film zu rasch vor
vor sick geht.
Klar jedoch kommt der Sinn des Films and die Botschaft, die er gegen soil, heraus.
Die Heldin des Widerstandskampfes tuft alien zu: ?Den Krieg hassen and ver-
dammen die meisten. Das abet ist nicht genug! Man molt ihn aktiv bekampfen. In
jedem Lande finden sick Menschen, die so denken and gegen den Krieg handeln: `
Aber, so fragt man audz hier, kann man der Gewalt des Krieges etwas anderes all
G e w a 1 t entgegensetzen? Diese Frau hat ja auch erst Dynamit gebraucht. Was
ist die Alternative? Es kommt auf V S l k e r v e r s t a n d i g u n g an and darauf,
Gegdersdraft in Freundschaft zu verwandeln. Diesem humanistischen Gedanken
gibt der Film starken Ausdrudc. - Es wird wiederholt aus der Versammlung ge-
fordert, daft gerade ein solrher deutscher Film auch im Ausland gezeigt werden
masse. P. S.
Balance der Machte in Europa
?Die menschliche Natur erscheint nirgend weniger liebenswtirdig, all im Ver-
haltnisse ganzer Volker gegeneinander. Kein Staat ist gegen den andern wegen
seiner Selbstandigkeit oder seines Eigentums einen Augenblick gesichert. Der Wille>
einander zu unterjochen oder an dem Seinen zu schmalern, ist jederzeit da; and
die $iistung zur Verteidigung, die. den Frieden oft nosh driickender and fur die
innere Wohlfahrt zerstorender macht, all selbst den Krieg, darf Hie nachlassen.
Nun ist hierwider kein anderes Mittel, all ein auf offentliche mit Macht begleitete
Gesetze, denen sick jeder Staat unterwerfen miiltte, gegrundetes Volkerrecht (Hach
der Analogie einer biirgerlichen oder Staatsrechts einzelner Menschen) moglich; -
denn ein dauernder allgemeiner Friede dutch die sogenannte Balance d e r
M a c h t e i n Europa ist, wie Swifts Haus, welshes von einem Baumeister so
vollkommen Hach alien Gesetzen des Gleichgewichts erbauet war, daft, all sick ein
Sperling drauf setzte, es sofort einfiel, ein bloftes Hirngespinst. -" (Aus Im. Kant:
?Uber den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig rein, taugt abet nicht
fur die Praxis: `)
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Grundgesetz Oder. Grundbefehl?
Bei der Beratung des Bonner Grundgesetzes 1st anlaltlich der t7bergabe von Ein-
wanden der Militargouverneure gegen den fertigg?estellten Entwurf eines solchen
Grundgesetzes wieder die Frage entstanden, wet eigentlidr fur das Grundgesetz
verantwortlidr sein soli. Wenn es die Deutschen rein sollen, was anzunehmen 1st,
da sie es ja unterschreiben sollen, dann scheint es ens noti~ zu ein, daft d.i:'e
Deutschen ihrerseits darauf bestehen, den Entwurf zu verabschie-
den. Da das ihnen versprochene Besatzungsstatut bisher ebenfalls nicht bekannt
gegeben worden 1st, arbeiten sie ohnehin halb im illusionaren Raum einer niche
vorhandenen Zustandigkeit.
Aber auch inhaltlich wird man die Einwande der Militargouverneure nicht ver-
?tehen konnen, wean das Grundgesetz gedacht war als ein Statut zur besseren
Verwaltung and Regierung der Trizone. Wenn'die Sorge ausgedrnckt wird, daB die
Lander dutch den maRigen "Finanzausgleich, der im Entwurf etrthalten 1st, am die
~R'and gedrackt werden konnen, so kann man darauf nur antworten, daft, wenn
dies in einigen wesentlichen Punkten deutscher Politik niche wirklich erreicht wird,
die Lander den Bund an die Wand driidcen werden, da sie bis heute gezeigt haben,
daft ihre eigenen Interessen ihnen meist fiber die des Ganzeri gehen.
Die Entdemokratisierung hat wieder einen bedeutenden Fortschritt gemacht!
Pyrrhus-Sieg der ?Dritten Kraft"
AnlaRlich der Kantonalwahlen in Frankreidt hat man, je Hach Temperament,
die verschiedensten Behauptungen aufgesteilt: Da[t die Kommunisten eine Nieder-
lage erlitten hatten, die Gaullisten stagnierten, die Rechte gestarkt sei, usw. R'ich-
"tig scheint zu sein, daft die Sozialisten sick halbwegs gut gehalten haben, besser
jedenfalls als sie selber vorher dachten. Der Anteil der kommunistischen Stimmen
von 23,3+4 Prozent and der der gaullistisdten von 25,34 Prozent scheint ens immer
Hoch reichlich hock zu sein, besonders wenn man bedenkt, daft der der Sozialisten
16.81 Prozent and der der Volksrepublikaner (MRP) 8,7 Prozent betragt. Der sozia-
listische lnnenminister hat zwar errechnet, d~R .die Dritte Kraft einen Sieg errun-
gen hatte, da die ,.Regierungsparteien" mehr als 50 Prozent der Slimmen.erobert
.batten. Aber these Rechnung geht nur auf, wenn man gleichzeitig annimmt, dah
ein erheblicher Teil der Gruppen, die man gemeinhin als rechtsstehende bezeich-
net, zu der Dritten Kraft hinzugerechnet werden, wodurdt die Dritte Kraft aller-
:dings erheblich den Sinn verliert, den man bgi der Schopfung theses Wortes darrtit
verband. Denn sie 1st inzwischen aus dem Lager des Sozialismus and des Libera-
lismus so weit Hach rechts gescttoben worden, daft man nur enter hodtster Aus-
dehnung des Begriffs der Dritten Kraft dawn sprechen darf, daft sie sick du~ch-
gesetzt babe.
Wie so oft schon, gibt auch hier das Verhalten der Borse eine Bute Antwort
darauf, wet eigentlich gesiegt hat. Aus Paris wurde am 22. Matz telegraphiert:
?Die Pariser Borse hat auf die Wahlergebnisse gut reagiert. Der Preis des Goldes
end der auslandisc)hen Devisen 1st um einige Punkte gesunken.`?
Die Stidtwahlen am 2. Wahlsonntag fiihrten zu dem Gesamtergebnis, da@, de
.Gaulle and seine Freunde 389 Sitze erhielten; die Kommunisten 37 (trotz der 23
Prozent Stimmen, die sie im ersten Wahlgang erhalten hatten); die Sozialisten 279;
die Radikalen 235; die MPR 111 Sitze. Die Gaullisten werden die starkste Partei,
stehen allerdings weit zuriick hinter dem Regierungsblock.
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Treuhander fii~r Stahl uncl# r t
hat. Die Sorge um Berlin ist damn natiirlich nicht behoben. Wie groll sie ist,
and da@ sie vom Westen begriffen wird, 2eigf die Einsetzung von 480 Millionen DM
in den llaushalt der Bizone als Untersttitzung des Nntopfers Berlin, -was mehr
als die Hglfte des ganzen Haushalts ausmacht.
Bei einigen Leuten, die der kommunistischen Propaganda leichter aufsitzen, als
sie selber glauben, ist inzwischen die famose Ides aufgetaucht, die Deutschen batten
eigentlieh fdr die Versorgung Berlins gar nichts beizutragen, da es rich dort um
einen Streit zwischen den Russen and ihren frUheren Verbiindeten handele. Diese
gemeingefahrliche Ansicht iibersieht sine einzige fundamentals Tatsache, namlich
die, da[l nirY-t nur die lleutschen, sondern schlechthin ails einigermaRen freiheitlich
denkenden Nlenschen loran interessiert sein soliten, die Berliner Millionenbevdl-
kerung sus dem Maclrtbereicrh der Russen herauszuhalten, so weft das irgend in
ihren Rraften steht. Und man kann sagen, wenn es sich dabei nur um die Bereit-
btellung von Geld 6andelt, kann eigentlich kein Preis zu both sein, um Menschen
ihre Freiheit zu erhalten, die sie rich auilerdem durch besondere Opfer teuer genug
erkauft haben, -- was nicht wenig dazu beigetragen hat, nicht nur ihren eigenen
guten Ruf zu erhvhen, sondern such den Gesamtdeutschlands, woran wir als
Deutsche ganz gewill nicht uninteressiert sein konnen.
Atlantik-Pakt
Obwohl der Atlantik-Pakt die Deutschen nicht unmittelbar angeht, da sie weder
Mitglieder des neuen Paktsystems sind Hoch in absehbarer Zeit werden konnen, hat
er doch einen groilen )Jinflult such auf die deutsche 1'olitik. Europa kann nicht be-
ginnen mit einem gesunden Wiederaufbau, wenn das politische Leben dauernd
tibersdaattet ist von der MiSglichkeit sines Britten Weltkrieges.
Von diesem Gesichtspunkt sue betrachtet ist der Abschlull das Atlantik-Paktea zu
begrit@en. Dte kollektive Sicherheit, die in ihren vollen Bedeutung erat wirksam
werden kann, wenn die g a n z e Welt rich einem System gemeinsamen Schu#zes
bei alien internationalen Schwierigkeiten unterwirft, wird wenigstens teilweise ver-
wirklicht. find es mag deshalb wirklich gerchehen, was President Truman in
seiner Antrittabotachaft erkli#rte, daft die Sicherheit, dell jede bewaffnete Attacks
auf einen der beteiligten 5taaten mit uberweltigenden Kri{ften gegen siclr zu rech-
nen hat, Jeden solchen bewaffneten Angriff verhindern wird.
Und dies let die einzige Hoffnung, die der Pakt erwedct, wahrend aicir sine Reihe
von Bedenken nicht leicht von der f-land weisen lessen. Btindnisse, die zum Zweck
der Yerteidigung geschlossen werden, konnen leicht, wenn die Verbtindeten sine
gewisae Sterke erreirht haben, dazu verftihren, wenn sdron nicht aggreariv, so Both
provokant zu werden. Und es mag viele Europeer geben, die meinen, dell Europa
nun automatiach in einen Streit zwiadhen Amerika and Ruflland hineingezogen
werden konnte, der Europa eigentlich nichts angeht. Aber so ernst man solrhe
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Bedenken erortern sollte, es kann nichts riber die Tatsache hinwegsehen lessen,
daft sick Europa heute ohne Amerika nicht selbst verteidigen kann, and daB
Europa von einem solchen Angriff bedroht ist. Die osteuropaisciie Entwicklung seit
1965 hat das deutlich gezeigt.
Grenzanderungen statt Grenzbeseitigungen
Die inzwischen veroffentlichten eogenannten Grenzberichtigungen an Deutsch-
lands Nordwest-Grenze zeigen wieder einmal, wie wenig es bisher gelungen ist,
von dem alters Standpunkt handwerksmaltiger Diplomatie zu dem einer staate-
reehtlichen Vernunft zu kommen. Es kann keine Frage rein, dafi die Gebiete, die
jetzt an Holland, Belgien, Luxemburg and Frankreich abgetreten werden sollen,
auch nach der 6leinung der Annexionslander materiell unbedeutend Sind and j?-
dentalls in keinem Verhaltnis stehen zu dem Schaden, der in psychologisdier Hin-
sicht angerichtet wind. Die einseitige Verfiigung niciit nut fiber Landesteile, son-
dern auch fiber Einwohner, ist ein derartiger Riidcfall in die Barbarei, deli man
nicht begreifen kann, wie sick zivilisierte Lander zu solcben Schritten entschlielien
konnen, von denen kein einziger notig gewesen ware, weil sie ells dutch V e r .
t r H g e hatters geregelt werden konnen, so weit es sick bei diesen Grenzkorrekturen
tatsadtlich um wirtschafts- and verkehrspolitische Erleichterungen handelt.
Es beriihrt beruhigend, deli offenbar grope Teile der BevSlkerung der annexions-
1usternen Lander mit diesen Aktionen ihren Regierungen n i c h t einverstanden
Sind.
Katholische Unternehmer
Vor kurzem wurde in Ktinigssvinter der Bund katholischer Unternehmer ge-
griindet. Er ist gedacht als ein Versuch, die in den beiden sozialpolitischen Enzyk-
fiken Rerum Novarum and Quadragesimo Anno niedergelegten Grundsatze-einer
xatholischen Wirtsdtafts- and Sozialpolitik zu verwfrklichea. Wie Kardiaal Fringe,
der Protektor des neuen Bundes, erklarte:
?Gegenuber der immer starker werdenden Drohung dea Kommunismus mussen
die katholischen Unternehmer den Ruf der Kirche in die Unternehmerverbande
tragen and durda soziale Initiative dem Arbeiter einen festers Standort in der
menschlichen Gesellschaft geben: `
Die papstliehen Enzyklikea sind in der Tat in der Verurteilung der Habgier
vieler, auch katholischer Unternehmer ziemlid7 weir gegangen and haben deutlich
gefordert, den Arbeitern ihren ?Berechten Lohn" zu geben. Allerdings haben sie
ebeneo unmiRveretandlich klar gemacht, deli nacfi ihren Auffassung der Sozialismus
abzulehnen sei, von ahem wegen der in ihm enthaltenen Lehre vom Klassenkampf,
Aber unabhangig davon, wie man dic Absichten der Papste bei der Herauagabe
ihren beiden Enzykliken such bewerten mag, es scheint arse bezeichnender zu
rein, was sich die katholischen Unternehmer als Ziel einer gerechten Lohn-
and Sozialpolitik vorstellen. Danach fuhrt die Demokratisierung der Wirtschaft
aum Kollektivismus, Betrieberatswahlen seien abzulehnen, da sie van au[ierbetrieb-
licben Kraften kammandiert wiirden, and jeder Sozialismus, ob national ader
international, sei achadlich.
le beeteht offenbar die Absieht, eine bestimmte ,>arbeiterfreundliche" Sozial-
politik einzuleiten mit gewiasen Anreizen fiir den Arbeiter, wie Gewinnbeteiligung
and derglefchen, and ihn auf diese Weise den ?aulierbetrieblichen" Krgften, wie
seiner Gewerkschaft, zu entfremden, dfe etch fiir eine Demokratigierung der Wirt-
sd~aft oinsstzen, w@il sis das W o h l e r g s h e n der Arbeiter, die ja fiir die Wirt-
schaft nicht weniger wicbtig sind als die Unternehmer, unabhangig mac]ien wollen
vom W o h l w o l l e n des einen odor anderen Unternehmers. Die Anreize, wie
Gewinnbeteiligung, Werkwohnung and ithnlidie Untcrnehmerfreundlichkeiten sie
bieten, dienen la der Tat dazu, die Arbeiterechaft in einen kleinlidien Konkurrenz?,
kampf za fiihren, der sie selber is vela Intereeaenteagruppen spaltet and dszn
18!
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beitragf, dall man sie Hach der Devise divide et impera weiter unter Kuratel der
Unternehmer halten kann. -.
Wem die Frage der Demokratisierung der Wirtschaft Kopfschmerzen macht? der
hat .offenbar begriffen; dall die p o 1`i t is ch a Demokratie keinen Schaden fiit
die Alleinherrschaft der Unternehmer bedeutet, solange ihr nicht eine w i r t
s.c h a f t~l fi c h e Demokratie zur Seite tritt, die erst wirklich fur eine G l e i c h-
b e r e c h t i g u n g aller Staaisbarger sorgen _kann. Und der Protest gegen - die
Wirtschaftsdemokratie heifft deshalb audi nichts weniger als auch gegen eine echte
politisdne Demokratie zu protestieren, eine Haltung, in der sick katholische und
protestantische Unternehmer aber immer schon sing gewesen rind.
Ein newer ~leltgewerkschaftsbund?
In Bournemouth trafen sick am 8. Marz etwa 40 Vertreter von t5 Berufssekre-,
tariaten (der Internationalen der verschiedezlen Berufe), um den Aufbau sines
Koordinationskomitees zu besprechen, das die Bemiihungen der werschiedenen Tn-
ternationalen Berufssekreiariate moglichst wirkungsvoll auf einen gemeinsamen
Kenner bringen konnte. Die Bergarbeiter waren nicht vertreten, weil sie fiirch-
feten, dal{ die Berufssekretariate vielleicht eine Gegenorganisation zum Weltge-,
werkschaftsbund aufhauen konnten (der Hach dem Austritt einiger seiner widitig-
step Mitgliedsverbande heute eine kommunistische Organisation geworden fist). Der
Vorsitzende der Versammlung, J. H. Oldenbi?oek,, der Generalsekretar der Inter-_
nationalen Transportarbeiter-Foderation, erklarte zu diesen Sorgen und Zweifeln:
>Wir haben nicht vor, eine news internationals Foderation zu grunden, die ent-
weder den Platz des Weltgewerkschaftsbundes einnehmen sollte oder den der neuen,:
Internationale, die, wie ich gleube, in naher 'Lukunft geschaffen werden wird.?
- Oldenbroek hatte vorher betont, es sei die Pflicht der Gewerkschaft, die Leute
in den Landern, in denen es keine . Presse- ugd Redefreiheit gibt, fiber die,
Haltung des Weltgewerksdiaftsbundes zu informieren. ?Tausende von alten Kol.
legen", sagte Oldenbroek, ?die friiher zu unserer Internationale gehorten, warten
sehnsiiditig auf Nachrichten von uns. Wir mussen uns Wege und-Mittel schaffen, sie
zn erreichen, und wir mussen wieder den Rnndfnnk benutzen, um ihnen die. Wahr-
heft zu sagen, wie wir es wahrend des Krieges getan haben."
Fortschritte in der Benelux-Organisation
Die Konferenz der Benelux-Staaten im Haag hat zwar nicht zu einer Wirtschafts-
union der drei Lander gefiihrt, fist aber auf diesem Wege wenigstens so weft vor-
gedrungen, da11, wie Ministerprasident Spaak rich ausdriidcte, die Benelux-Lander
sick von einer Ides zu einer lebendigen Realifat weiterentwidceln konnen. Zugleich
mit der Beseitigung einer Reihe von Kontingenten loll auch der Reiseverkehr
innerhalb der Benelux-Staaten erleichtert werden. Ab 1. Jnli 1949 sollen die
Handels- und Steuerabkommen der Benelux-Staaten mit anderen Landern koordi-
niert und sin System ausgearbeitet werden, das den Absdtilufi gemeinsamer Ver-
trage vorsieht. `
Diese sogenannte Pre-Union soil sin Jahr dauern und am 1. Juli 1950 von einer
volistandigen Wirtschaftsunion abgelost werden. Die Schwierigkeiten auf diesem
Wege waren bisher sehr grolt und werden in Zukunft nicht kleiner sein. Es wird
rich zu erweisen haben, und zwar fur ells Europaer und insbesondere die Benelux-
Lander selber, wie weft es moglich fist, daft sin so relativ kleines Wirtschaftsgebiet
wie die Benelux-Staaten durch verbesserte Abkommen unter Bich die allgemeinen
Sd~wierigkeiten Europas fur sick losen kann.
Kant fiber Religion
>Christus hat das Reich Gottes herbeigeriic)!ct; aber man hat ihn nicht verstanden
und das Reich der Priester errichtet, nicht das Gottes i n uns." (Reflexionen.)
?Kann wohl etwas verkehrter sein, als den`~Kindern> die kaum in diese Welt tre-
ten, gleich von der anderen etwas vorzureden?" fHartenstein, VIII, 61T.i
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Sarojini Naidn -eine Kampferin am
Indiens Freiheit
Kaum ein Jahr Hach dem Tode Gandhis,
ihren Freundes and politischen Fiihrers,
starb vor einigen Woci-en Frau Sarojini
Naidu. Sie war eine der begabtesten Per-
sonlichkeiten der. lyrischen Dichtung In-
diens, hatte abet schon friih ihre litera-
rischeLaufbahn aufgegeben, um sick ganz
dem Werk der sozialen and po[itischen
Rtsfnrm Indiens and seinem Befreiungs-
kampf zu widmen. Als sie in England
studierte, schloll sie sick der Frauenbe-
wegung an and nahm einen aktiven An-
teil am Kampf der englischen Snffraget-
ten. Nach ihrer Riickkehr in die Heimat
nbernahm sie eine ftihren~~e Rolle in der
indischen Frauenbewegung and trug vial
dazu bei, daB eine Reihe schwerer sozia-
ler Benachteilbngen der Frauen aufge-
holie^ ,warden, z. B. die Tradition der
Witwenverbrennung. Den groflten An-
Sporn erhielten die indischen Frauen
abet dutch die Tatigkeit des indisct7en
National-Kongresses and den passiven
Widerstand, den Gandhi fuhrte. Damals
warden Tausende von Frauen aktive
Kampferinnen fiir Indiens Freiheit, and
and bier war- Fran Naidu wieder eine
der fiihrenden Personlichkeiten. Als
Gandhi im Jahre t930 gegen die das Volk
schwer bedruckende Salzsteuer eine pas_
sive Widerstandsbewegung organisiPrte,
stand Frau Naidu sofort an seiner Seite
and frihrte Hach Gandhis Verhaftung den
geplanten Marsch auf die Salzwerke an.
Mit 2500 Freiwilligen wollte sie das
Dharasana-Salzlager besetzen and sagte
ihren Gesinnnngsfreunden in einer An-
sprache: ?Gandhis Kiirper 1st im Gefang-
nis, abet seine Seale 1st mit each: Das
Ansehen Indiens liegt in eater Hand. ihr
diirft unter keinen CTmstiinden G_ewalt
anwenden. [hr warder gesclilagen war-
den, ihr durft each abet nicht wider-
setzen: ihr diirft nicht einmal die Hand
erheben, um die Schlage abzuwehren:'
Ihre Worte worden ausnahmslos befolgt,
obwohl die indischen Freiheitskampfer
Schreckliches dutch die Polizei erduldea
mu(lten. Frau Naidu selber wurde vet-
haftet.'
So wie ihre Gesinnungsfreunde brachte
auch Frau Naidu einen Tei) ihren Lebens
im Gefiingnis zu. Sobald sie entlassen
wurde, stand sie wieder im Mittelpunkt
des iiffentlichen Lebens. 1931 begleitete
sie Gandhi Hach England, wo er der Ver_
treter des indischen National-Kongresses
bei der sogenannten Round-Table-Konfe-
renz war. Sie war Lange Zeit Gemeinde-
vertreterin von Bombay and wurde
Ehrenb6rgerin der griiRten indischen
Stiidte Kalkutta, Madras and Karachi.
1925 wurde sie als erste indische Frau
Prasident des National-Kongresses.
Wahrend des zweiten Weltkrieges lei,
Mete sie, wie alle Mitglieder des Natio-
nal-Kongresses, passiven Widerstand.
gegen die englische Regierung and kam
wieder ins Gefangnis.
Als Hach 1945 die englische Labour-
Regierung mit den politischen FGhrern
Indiens fiber die Unahhangigkeit ver-
handelte, spielte Frau Naidu dabei wie-
der eine wichtige Rolle. N`achdem these
Verhandlnogen zu einem Erfolg gefiihrt
and die beiden anabhangigen Dominions
Indian and Pakistan gegriindet worden
waren, erreichte Frau Naidus politische
Laufbahn ihren Hohepunkt: sie wurde
Gouverneur der Vereinigten Provinzen,
einen Landes in Tndien von 50 000 000
Finwohnern. Diese Wahl ehrte nicht nuz
eine groRe Frau, sondern auch das Land,
das Bich. Hach Jahrhunderten politischer
Rechtlocigkeit der Frauerf, entschloR,
einer Frau im offentlichen Leben solch
einen entscheidenden Auftrag zu gegen.
Die volkerverbindende Sprache
Die Esperanto-Abteilung der Lvoner
lfesse 1948 zei.gt, in welch groftem Aus-
maQe Esperanto als internationales Ver_
standigungsmiftel hereits praktisch any
gewandt wird. 32;0 Schreiben in Espe-
ranto worden ans 52 Landern an das
3fessebiiro gerichtet. S. E. T.
7000 Biicher der Ribljpthek in Genf
(Schweiz) Sind Werke in Esperanto.
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~?n-co~k~i?
Freiheit ein kapitalistisches Vorurteil
Ministerialdirigent Dr. Eichlepp, der
bisherige Kurator der Universitiit Halle,
erklarte in mehreren Lehrerversamm-
lungen im Lande Sachsen fiber die
?kiinftige Schulpolitik in der Ostzone":
?Von Freiheit zu reden, ist Unsinn.
Kein Mensch ist frei, denn jeder ist ab-
hangig vo^ seinen Bediirfnissen." Mit
dieser Halbwahrheit mochte Herr Dr.
Eichlepp offenbar den Mangel an Frei-
heit and seine eigene Gleichschaltung
rechtfertigen.
Philosophie 114enschen and wird es im-
mer geben, die ihre Bediirfnisse nicht
soweit zur Richtschnur ihres Lebens
machen, daft sie sick den Wert der Frei-
heit and der Menschenwurde von ihnen
ersticken Lassen wiirden. Ja, es gibt so-
gar Menschen, denen die Freiheit mehr
Wert ist als das Leben.
Freiziigigkeit im Ost-Paradies
Der Berliner ?Telegraf" meldet: ?Um
der standig zunehmenden Flucht nam-
hafter Wirtschafts- and Verwaltungs-
funktionare Einhalt zu gebieten, ist an
die Betriebsgewerkschaftsleihrngen die
Anweisung ergangen> jeden Fluchtver-
dachtigen sofort au melden. Auf diese
Weise konnten in letzter Zeit verschie-
dene Personen kurz vor ihrer Fludit
verhaftet werden. Au(lerdem werden
jetzt auf Anordnung der Landesregie-
rung Sachsen die Wohnungen samt Ein-
richtungen alter Personen beschlag-
nahmt, die ohne Pact Hach dem Westen
reisen. ?jetzt", meini die ?Sachsische
Zeitung', ?wird rich mancher oberlegen,
ob er Hach dem Westen geht Oder nicht."
In der ?westlichen Holle" brauchte
man keine Zwangsmaltnahmen zu tref-
fen, um die Flucht Hach dem Osten auf-
zuhalten.
Erziehung zu guten Volksdemnkraten
Als ei^ 5chiiler der Fridtjof-Nan~en
Schule in Ubers~houeweide fragte, ub es
Pflicht sei, der Vorfiihrung des Films
?Affare Blum" beizuwohnen, antwor-
tete der Direktor der Anstalt Kohler:
?Diese Frage . ist reaktionar" Die
Schuler verstanden die Warnung, and
keiner wagte, fernzubleibea. Es wird
ihnen reehtzeitig beigebracht, dall ?Volks-
demokratie" bedeutet: ?Befehl ist Be-
fehl!"
Mennecke - nicht Hennedte
Beim Friseur Mennecke in Halle ver-
langte ein Kunde, Hach Feierabend be-
dient zu werden. Als der mehrfache Hin-
weis auf den Geschaftsschlutt erfolglos
war, sagte der Friseur: ?Ictr heiite Men-
nedce, nieht Hennedcel"
Hierauf verschwand der Kunde, um
Hach zehn Minuten in Begleitung zweier
Kriminalbeamten wiederzukommen and
den Friseur zn verhaften. Bis heute ist
fiber dessen Schidisal nid~ts bekannt.
(Telegraf)
Erzbischof and Dekan
Der Erzbischof von Canterbury ver-
offentlicht eine Erklarung, in der er sich
erneut von 'der politischen Tatigkeit and
Auffassung des Dekans von Canterbury
absetzt, der praktisch ein Kummunist ist.
Der Erzbischof erklart zunechst, daft der
Dekan nur seine person~iche Meinung
vertritt and nicht die der Kirdte, and
geht dann auf die Frage ein, wieso der
Dekan nicllt seines Amtes enthuben wird.
Das Binge einmal deshalb nicht, weil das
Gesetz vorschreibt, daft solcbe Entlas-
sung nur nad~ einem Verfahren vor
einem zivilen oiler kirchlichen Gerichts-
hof erfolgen kiinne, daft aber der De-
kan dazu bisher keinen AnIaR gegeben
babe. Zweitens aber, so sagt der Etz-
bischof wortlich:
?ln England legen wir der Freiheit
der Rede grulten Wert bei, and unsete
Gesetze Sind Behr zdgernd, diese Frei-
heit zu beschranken, selbst wens sie sick
manchmal als unbequem, attirend and
schmerzlich bemerkbar madtt. [bre Unter?
drtickang ist gerade einer der Anklage-
punkte, die wir ge$en die totalittiren
PIlIIZel.4taatell erhrben, die sick des Ver-
tranens des I)ekans erfreuen."
Man stelle sick vor, dab Stalls sine
ahnlid~e Haltung gegenifber seinen
Opponenten in Rultland einnk6me! Aber
aueh die gatholisttte Kitche wtirde sidier?
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lick nicht die Grolizrigigkeit gegeniiber
einem fuhrenden Katholiken aufbringen,
die sick in der englischen Kirche bei der
Behandlung des Dekans von Canterbury
gezeigt hat.
Totalit~rer ExzeR in Holland
Wie die ?Neue Zrircher Zeitung"
schreibt, hat die hollendische Regierung
einen Gesetzentwurf eingebracht, der die
Leihbibliotheken einer zweifachen Kon-
trolle unterwerfen soll. Erstens, indem
die Person, die die Leihbibliothek be-
treiben will, dazu einer obrigkeitlichen
Erlaubnis bedarf, and zweitens, indem
die in der Bibliothek enthaltenen Bridier
von den Behorden gebilligt werden
mrissen.
Diener Gesetzentwurf wird von den
Sozialdemokraten, den Kalvinisten and
anderen Protestanten bekiimpft, weil sie
ihn mit Recht als eine Verletzung der
Gewissensfreiheit and der Pressefreiheit
betrachten. In dem Gesetzentwurf wird
ngmlich such nicht festgelegt, nadi wel-
chen Maftstaben die Befehigung einen
Menschen, Bibliothekar zu sein, bemes-
sen wird, and audi nicht, welche Bricker
zulassig sein sollen. Wie die ?Neue Zrir-
d5er Zeitung" bemerkt, mutt danach der
Besitzer einer Leihbibliothek ...eine Art
von Sittenausweis erbringen ..., wah-
rend die Bricker nicht gegen die Ehrbar-
keit verstoften and der sittlichen Ge-
sundheit der Minderjahrigen nicht ab-
trriglicb sein diirfen". Dadurch wrirden
die lokalen Behorden, die durc3~ nicbts
besonders qualifiziert sind, fiber die
?Sittlichkeit" einen Menschen zu Gericht
zu sitzen, die Marht erhalten, die Ge-
dankenfreiheit holletndischer Brirger Hach
ihrem Gutdtinken zu dirigieren. Das er?
sdtieinf uns besonders unanRebracht; da
es in Holland ohnehin schon ein Gesetz
gegen Pornographie gibt. Wir wissen
aus Erfahrung, wie notig es 1st, mit Zen-
survollmacbten voraidytig nmzugehen and
sie klar abzugrenzen, da sie sonst leicht
miRbrauchf werden kiinnen zur Unter-
drUdcung von Ansichten, die den herr-
sd'ienden Gewalten nicbt passen.
Die Verfasaer des holliindischen Ge-
setzentwurfs fiber Leihbibliotheken sind
der Innenminister, der Justizminister and
der Erziehungsminister, ells drei Mit-
glieder der katholischen Volkspartei.
Wiirde diese Partei im hollandischen
Parlament die absolute Mehrheit be-
sitzen, ware Burch die Annahme dieses
Gesetzentwurfs ein schwerer Schlag
gegen die Demokratie gefiihrt worden.
Da er aber auf heftigen Widerstand der
anderen Parteien gestolten 1st, besteht
keine Wahrscheinlichkeit, daf3 er ange-
nommen werden wird. Die Tatsache sei-
ner Einbringung soli aber denen eine
Warnung sein, die glauben, daR ein Sieg
christlich-demokratischer Parteien das
beste Bollwerk gegen den Totalitarismus
and eine sichere Garantie fur den Schutz
der Menschenwiirde sei.
~xac-~.Zern.c,~
Neues aas Argentinien
Die Opposition in Argentinien kann
immer weniger ihre Stimme erheben.
Darum erwachst fur uns im freien uru-
guayischen Bruderland die Aufgabe, die
Welt fiber das, was jenseits des La Plata
vor rich geht, aufzuklaren.
Ein Behr gutes Bild von den Zustan-
den im Lande Perdns gab die angesehene
Zeitung ?El Pafs", Montevideo, vom
11. Merz. Dort hie11 es: ?Die Verfassungs-
andernde Versammlung in Buenos Aires
beschlolt einstimmig - die Radikalen
hattQn sick vorher zufrickgezogen -die
Reform der argentinischen Verfassung.
Es 1st notorisch, daft die wichtigste kon-
krete Reform in der unbegrenzten Miig-
lichkeit der Wiederwahl des Prasiden-
ten besteht. Gemiitt der bisherigen Ver-
fassung bleibt der President necks Jahre
im Amt. Jetzt kann diese an sick schon
Lange Amtsperiode verl~ngert werden
bin zu zwolf, sohtzehn, vierundzwanzig
Jahren, fair die ganze Zeit, die das ?sou-
vertine" Volk beschlieltt.
Von diesem Standpunkt aus 1st der
Fall erledigt. lnnerhalb von drei Jahren
- 1952 -, wenn .sein Mandat erlischt,
kann der General Perlin wiedergew~hlt
werden als President. Und es sf~leint,
daft diese drei Jahre nicht die geruh-
samsten fair ihn sein werden. Finanz-
leute aus New Orleans, die soeben Ar-
gentinien besucht haben, krindigen fiir
die nachsten Monate einen unvermeid-
liehen wirtschaftlichen Zusammenbruch
an. Die Rationierungen sind dort an der
Tagesordnung, wie wenn man im Kriege
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ware: das Zeitungspapier, das Gas, das
Benzin, die Taxis, die Medikamente. Die
Flugzeuge des staatlichen Unternehmens
?FAMA" konnen nidit fliegen wegen
Mangel an Ersatzteilen. Der Import ist
gesperrt wegen Dollarmangel. Es wird
behauptet, daft die Ernennung des Ge-
nerals Sosa Molina zum Nationalen Ver-
teidigungsminister, dessen neues Mini-
sterium sick aus den drei Waffengattun-
gen zusammensetzt, nicht gerade vom
Regenten vorgenommen wurde, dessen
K .ndidatea keinen Erfolg batten.
Angesichts dieser Tatsachen kommt
der Gedanke, daft das Problem nicht
darin besteht, die Wiederwahl im Jahre
1912, sondern die Beibehaltung des Am-
tes wahrend der kritischen Jahre 1949,
1930 and 1951 zu sichern."
Zu diesen Ausfuhrungen ware nur
hinzuzufugen, daft der kiirzlich beendete
Buchdrudcerstreik in Buenos Aires ge-
zc?igt bat, daft Perbn die Arbeiter nicht
so in seiner Hand hat, wie er es wunschte.
Ist er nicht mehr bereft, den Arbeiter-
forderungen so wetter nadhzugeben, wie
jene es von ihm gewohnt warm - and
mit der zunehmenden Krisis wird er es
nicht mehr konnen -, Bann werden sie
i}~~ offensichtliclt immer mehr entglei-
ten. Die Frage ist nur, in welchem
Tempo these Entwicklung Platz greifen
wird, and ob Perbri sie mit steigendem
Terror meistern will: Zweifellos bieten
si~~ bier grofte Chancen fur die Oppo-
sition. Raul Franco
~OQ%tv~Ck~ ~ir~Cl~tQ
Wenn zwei dasselbe tun ...!
Angesichts des berechtigten Protester
der katholischen Kirche gegen die Ver-
urteilung des Kardinals Mindszenty sollte
man nicht vergessen, daft es such andere
totalitareStaaten gibt, die von derKirche
ebenso entschieden abgelehnt werden
multten - wenigstens wenn es ihr wirk-
lich um demokratische Freiheiten zu
tun ist.
Dies war such die Ansicht des katho-
lischen Priesters Pater Jose Maria Dun-
phy in Argentinien, der rich in seiner
PrPdigten wiederholt Scharf gegen den
prasidenten Peron ausgespmchen hatte.
Aber die katholische Hierarchic Argen-
tinians ist anderer b1einung: sie weigert
rich, gegen das totalitare Regime Perbns
Stellung zu nehmen. Daher wurde Pater
Dunphy, der vierzehn Jahre Lang seiner
Kirche treu gedient 6atte, im Auftrag
des Kardinals Copello von seinem Poster
als Vikar and Verwalter einer Pfarrge-
meinde entlassen.
Pater Dunphy hatte schon fruher eine
personliche Mitteilung des Kardinals er-
halten, der ihm nahelegte, freiwillig zu-
rudczutreten and einen neuen Posten in
einem Miinchsorden in Buenos Aires an-
zunehmen, was Dunphy jedodr ablehnte.
Er betonte, daft seine Opposition gegen
Perbn sick ausschlie[tlich auf ?religiose
and moralisdre Erwagungen" griinde. Er
sagte: ?Heute fuhren Priester in der
ganzen Welt den Kampf gegen den Kom-
munismus aus denselben Griinden, and
ich schlielte mich ihnen selbstverstandlich
an. Es gibt jedoch einen Totalitarismus
von rechts and von links, and vom mora-
lischen and religiosen Standpunkt aus
Sind beide Former gleich falsch: `
Kardinal Copello ist jedoch offenbar
ebensowenig darauf aus wi~~ die spani-
sche unit portugiesische katholische Hier-
archie, ein ?Martyrer der Demokratie"
zu werden, sondern zieht es vor, mit
einem totalitaren Regime zusammen zu
arbeiten.
Kardinal als Streikhrecher
Die Totengraber, Gartner and Chauf-
feure zweier grofter katholischer Fried-
hofe im Staat New York rind set mehre-
ren Wochen im Streik. Die Friedhofe
werden verwaltet von der St. Patrick's
Cathedrale des Erzbistums New York.
Mit anderen Worten: .Kardinal Spe11-
man ist der Arbeitgeber.
Die Friedhofsarbeiter sind organisiert
in der ?United Cemetery Workers Union
CIO" (Congress of Industrial Organi-
sation). 'Ste streiken nm eine Lohner-
hohung. Da sie sechs Tage in der Woche
arbeiten. verlangen sie ihren bisherigen
Lohn fur funf Tage Arbeit, and fur den
sechsten Tag der Woche den fi~berstun-
denlohn, eine Regelung, die fur die In-
dustriearbeiter Gesetz ist. Die Fried-
hofsverwaltung bot eine Stundenlohn-
erhrihung von 3 Cents- an, worauf rich
die Streikenden nicht einlassen wollten.
Infolge des Streiks warm auf beiden
Friedhofen bis zu'm 1. Marz 1949 mehr
als 1000 Tote nicht beerdigt worden. Bis
zu ihrer Beerdigung sind sie jedoch so
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untergebracht, daft gesundheitlich keine
Gefahr besteht.
Am 28. 2. 1949 verhandelte Kardinal
Spellman personlich mit den Vertretern
der Streikenden. Er beschuldigte die Ge-
werksehaft als kommunistisch durchsetzt.
Die Arbeiter kiinnten die Arbeit nur
dann wieder aufnehmen, wenn sie -aus
der Gewerksehaft austraten. In dem
Falle wurde er eine Stundenlohnerhbhung
von 8 Cents bewilligen. Die Arbeiter
lehnten diese Vorschlage ab. Am 2. 3.
1949 verkiindete der Kardinal, er be-
urteile die Ablehnung als Verzicht -auf
Arbeitswiederaufnahme. Er wurde Frei-
willige rekrutieren, um die Toten zu
beerdigen.
Am 3. 3. 1949 erschien Kardinal Spell-
man personlich mit 100 katholischen Se-
minaristen vor den Toren sines der bei-
den Friedhofe and fiihrte die Studenten
durch die Streikposten. Diese (fast ells
katholisch) sahen mit Groll, dock mit
Respekt fur den Kardinal, auf die Streik-
brecher. Manche zogen den Hut.
Am 4. 3. 1949 batten die Streikenden
eine Gewerkschaftsversammlung. IWah-
rend Kardinal Spellman seine Helfer
taglich selbst ?schutzf' and bei ihrer Ar-
beit beaufsichtigt.) In ihrer Versamm-
lung haben sich die Streikenden ein-
stimmig von der CIO losgesagt and
haben Bich der AF of L (American Fe-
deration of Labour) angeschlossen. Doch
halten sie an ihrer Lohnforderung fest
and streiken welter. Die AF of L hat
den Streikenden fur ihre Lohnforderung
voile Unterstiitzung zugesagt.
Das Argument Spellmans, daR die
C1O kommunistisdh durdisetzt sei, wurde
widerlegt von P. Beamish, dem Prasi-
denten des Westchester Indusfrial Coun-
cil. CiO. Er beschuldigt den Kardinal,
daR er den bered~tigten Lohnforderungs.
streik zu verdunkeln versuche mit der
Beschuldigung, die Gewerksehaft sei
kommunistisch durchsetzt. Alle in Frage
kommenden Gewerkschaftsbeamten ha-
ben den Eid abgelegt, nicht-kommuni-
stis~- zu sein. Beamish stetlte feat, daR
die Forderung des Kardinals an die
Streiker, aus der C1O auszutreten, dem
RPCht and den Grundsiitzen des C,ewerk-
schaftslebens widerspri~che. In Beamiahs
Telegramm an .den Kardinal heiltt es
welter: ?Man sollte annehmen, daR ein
Mann in Ihrer Position ein Beispiel von
Anstandigkeit and Ehrenhaftigkeit geben
wiirde."
Kardinal Spellman hat sick mit fol=
genden Worten an seine Arbeitnehmer
gewandt:
?Es ist erfreulid~ zu hiiren, daft die ..
B00 Mitglieder der United Cemetery
Workers (Vereinigte Friedhofsarbeiter)
geschlossen dafiir gestimmt haben, sus _
der kommunistischen Mutterorganisation
auszutreten. lcfi vertraue and bete, daR <
die iibrigen. Streikdifferenzen bald ge-
regelt werden. Und es ist nicht weniger
anerkennenswert, daft id- mir selbst
sagen kann, daft unsere Seminaristen
taiglich 90 Graber ausgeworfen haben ...
...All dies wind manches Herzfeld stil-. ,.,
fen and Gott wohlgefallen ... and ells
anderen Fragen dieses ungerechtfertig- ;
ten, unmoralischen Streiks werden bald
gerecht gelost werden."
In den Zeitungen von Trenton (Haupt-
stadt des Staates New Jersey) ist diese
Streikbrecheraffare nicht einmal erwahnt
worden. Die Blamage fur den Arbeit-
geber ?Katholische Kirche", als Streik-
brecher in Aktion zu treten, ist wohl zu
groft -and zu unpopular. L. Op.
Zeitziinder Mazedonien
Als vor einigen Wochen von dem bol-
schewistischen Statthalter in. Bulgarien,
Dimitroff, die sogenannte Slawisch-Ma-
zedonische Befreiungsfront ins Lebea
gerufen wurde, die sick aus den Staatgn
Bulgarien, Albanien and Griechenland
(d. h. soweit dieses unter kommunisti-
schem Einfluft steht) zusammensetzt, war
klar, daft damit nichts anderes als eine".
neue Fuflangel der Kominform ausge-
legt werden sollte, uber die der ehe-
malige Moskauer Befehlsempfanger and
jetzige ?Renegat" Tito stolpern sollte.
Das fruchtbare Mazedonien war von
jeher des hei[te Eisen auf dem Balkan;
ells Anliegerstaaten erheben Hach wit?
vor Anspriiche auf seinen Besitz. Da es
gegenwiirtig unter ptgoslawisd~er Ver-
waltung stPht, sieht Moskau bier PinPtt
der neuralgischen Punkte, an dem es
ansetzen kann, um Titus Hoch immer ,
ungebrochene Macht zu untergraben. Ein
kiinftig von den Belgrader ?falschen"
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Kommunisten ?befreites" Mazedonien
Boll zu einem neuen D'uodez-Balkan-
stdat werden, natiirlich unter kominfor-
mis#ischer Kontrolle.
..Man sieht, da$ Moskau jedes Mittel
recbt ist, wenn es gilt, einen Abtriin-
nigen auf die Knie zu zwingen; denn
ein selbstandiges Mazedonien mit seinean
serbischen, albanisd-en, nordgriechischen
und bulgarischen Bevolkerungsgruppen
ware weder politisch node wirtschaftlich
lebensfahig und wurde - wie bisher
scbon -nur der Begehrlichkeit der An-
liegerstaaten neuen Auftrieb geben. Die
in Moskau konzipierte ?Befreiungs-
front" ist apes andere als eine frucht-
bare pofitische Konstruktion. Aber dar=
auf scheint es den Herren der Komin-
form niche anzukommen: Um zu ver-
hindern, da[1 Titos unverfrorene Selb-
standigkeit Schule machen konnte, set=
Zen sie den muhsam gewahrten Frieden
auf dem Balkan, dem alten ?europiii-
schen Pulverfa$", aufs Spiel. A. W.
Anslese in der Demokratie
Der Indische National-Kongre$ war ur-
spriinglich eine Zusammenfassung der
~erschiedenen politiseben Richtungen zum
Kampf um Indiens Freiheit. Nachdem In-
dien seine Unabhangigkeit erlangt hatte,
mu[tte side der National-Kongrell den
verand~rten politischen Umstanden an-
passen und ha+ daher vor kurzem neue
Statuten angenommen, die ihm den Cha-
rakter einer politischen Partei geben.
Ihr 'Liel ist: ?Dar Wohlergehen und der
Portschriit des indischen Volker und die
Errichtung einer ,Genossenschaftlichen
t~emeinwesens` (Co-operative Common-
wealth) Burch friedliche und gesetz-
ma[lige Mittel, Bas sick auf die Gleichheit
der Moglidxkeiten und der politisdien,
wirtschaftlichen and sozialen Rechte griin-
det .and den Weltfricden und die Inter-
nationale Solidaritat anstrebt"
Die Bedingungen der Mitgliedschaft in
dieser neuen Partei rind besonders inter-
essant, da sie eine starke Abweichnng
von den in den westlichen Massenpar-
teien iiblirhen darstellen. Es gibt ver-
schiedene Kategorien der Mitgliedschaft:
Mitglieder der ersten Stufe, erprobte Mit.
glieder und Aktivisten. Als Mitglied erster
Stufe wird jemand bezeidine#, der fiber
21 Jahre alt ist, die oben erwahnten Zielb
des Kongresses -fur- richtig halt und dais
schrf#lch erklart.
Nash zwei Jahren ununterbrochener
Mit~liedschaft als Mitglied der ersten
Stufe kann das Mitglied ein ?erprobtes"
werden, wenn es regelma[lig Khadi tragt
(handgewebtes, indisches Tuch), Absti-
nerizler ist, die Einrichtung der Kaste
dei ?Unberuhrbaren" in jeder Form ver-
wirft, fur. religiose Toleranz zwischen
den Hindus und Mohammedanern ein-
tritt und einen Jahresbeitrag von einer
Rupie (etwa 1,50 DM) bezahlt. Auch darf
es nict~t einer polifischen Partei mit eige-
nei+ Mitgliedschaft, Verfassung und Pro-
gramm angehoren.
?Aktivisten" Sind Mitglieder, die min-
destens ein Jahr lang ?erprobte..Mit-
glieder" waren und regelma$ig einen
Teil ihrer Zeit einer bffentlichen, kon-
struktiven Tatigkeit widmen..
In den Vorstand selbst der untersteA
Einheit des Kongresses kann nur ein er-
prob#es Mitglied gewahlt werdenc in die
Vorstiinde der. hoheren Einheiten kom-
men nur Aktivisten.
Die Methode, die Auswahl .der Mit-
glieder dadurch etwas zu sichern, da$
die Partei einen gewissen Standard fest=
legt, dem alle Mitglieder, die in der Par-
tei Verantwortung ubernehmen, geniigen
mussen, scheint uns auch fur unsece de-
mokratischen Parteien im Westen be=
adltenswert.
N ?
Echte Volkerverstendigung
.Die Geschichtsklitterung in den Ge-
sehichtsbiichern der Nazi- und der So-
wjetschulen ist bekannt und wird allge?
mein. verurteilt. Aber auch in nicht-tota-
litaren Liindern hat der Gesdiiehtsunter-
rich# immer sdion dazu beigetragen, ra-
tionale t76erheblichkeit, Vorurteile, Ha$-
gefiihle zu schGren: die schliefilidi in
Kriegsbegeisterung und -hysterie gipfel-
ten.
=Die Schwierigkeit objektiver Darstel-
lung wird bei der Behandlung gro$er
I ersonlichkeiten besonders klar. So er-
sc$eint Napoleon in den franzosisehen
Geschidi.tsbiichern als der gro$e revoln-
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fionere Fahrer and Reformafor, der
Ft~enkreidi gegen die Angriffe der bri-
tischen, russischen and deutschen Reak-
tionare verteidigte, wahrend er z. B. in
deu.tsdien and englischen Geschiehts-
biidhern als der ,>korsische Pirat" and
niadithungrige, - brutale Eroberer and
Unterdracker tapferer Nationen darge-
stellt wind. Diese national bedingte Ge-
schirhtsbetrachtung in den Schulen, mit
ihren Verzerrungen and Schlimmerem,
hat. wirkliche Friedensfreunde immer
srhon veranla[it, eine Internationale Ver-
einbarung fiber den Gesdiichtsunterricht
zu fordern. Ein schones Vorbild geben in
dieser Beziehung die skandinavischen
Staaten: Dort haben sick alle grollen
Schulbuchverlage freiwillig dazu ver-
pflichtet, Hie ein Geschichtsbuch Bracken
zu lassen, ehe das Manuskript von den
dafiir zustandigen Ausschussen in den
Nadhbarlandern gelesen and gebilligt
wird. tlber Erfahrungen and Bemuhvn-
gen im Geschichtsunterricht in diesen
Liindern schreibt eine norwegische Leh-
rerin, Helga Stene, die sick -Hach schwe-
ren Leiden enter der devtschen Be-
satzung -die Herstellung freundscbaft_
licher Beziehungen zwischen Norwegen
and Deutschland zu ihrer besonderen
Aufgabe gemacht hat:
?Auch im Norden hat der Nationalstolz
and die dementsprechende Verachtung
der Nachbarvolker eine alte Tradition.
So soli zum Beispiel der Sage. Hach im
Jahre 1000 folgender Zwischenfall statt-
gefunden haben: Der Kiinig Olav Tryg-
vason fuhr mit seinen Sd~iffen Hach
Wepoland, um die Mitgift seiner Koni-
gin ~zu Nolen.. Auf dem Riickweg wurde
er von den vereinigten Heeren des
Schwedenkiinigs, des Danenkonigs and
seiner norwegischen Konkurrenten ge-
sehlagen. Vor der Schlacht musterte er
die feindliche Flotte and sagte: ,Die wei-
dlien Denen werden wir leicht aberwin-
den, die altmodischen Schweden taten
besser Baran, ihre Opferschalen zu Haase
zn lerken, aber da sind Erik and Svein,
n}it denen .werden wir den hartesten
Kampf kampfen massen, denn sie' sind
Norweger. wie wir.` Wie schwollen da
ansere Herzen, wie fanden wir das so
richtig and wundervoll! So finden - es
auch nosh heute ansere Schuler, bis wir
herzlosen Lehrer nosh weiter mit ihnen
dariiber sprechen and sie- entdedcen Las-
sen, da@ unser Nationalfehler, die Grofi-
sprecherei, ebenso alf ist wie ansere Ge-
schichte. Far junge Menschen ist dies-tin
harter Absturz -von der Hohe des Na-
tionalstolzes zur Selbstbesinnung and
5elbstkritik." Selbst enter der Nazi-Be-
setzung versuchten die norwegischen
Lehrer den volkervers8linenden Geist
im Geschichtsunterricht beizubehalten.
So erzahlt Helga Stene folgenden Zwi-
schenfall:
?1941 bekamen wir in den norwegi-
schen Schulen von der Nazischulbehiirde
ein Rundschreiben mit dem Befehl, in
unseren englisdien Lesebachern alle anti-
deutsche Propaganda auszuschneiden.
Meistens sabotierten wir solche Rund-
schreiben der Nazis, aber in diesem Fall
konnte man ihm peinlich genau Hach-
kommen. Ich riistete mich also mit einer
enormen Schere aus, nahm das Rund-
schreiben in die Klasse and las es den
Schiilern vor, wobei ich sie aufforderte,
mfr zu helfen, alle anti-dentsdien Stel-
len zu finden. Wir suchten sorgfaltig.
fanden aber nur eine Stelle, in der das
Wort ,deutsch` vorkam, namlich die: ,Im
Osten trennt die Nordsee, auch Deutsdies
Meer genannt, die britischen Inseln von
Deutschland ..: Nachdem wir ernsthaft
eriirtert hatten, ob es wohl eine Beleidi-
gung sein konnte, die Nordsee auch ,Beet.
sches Meer' zu nennen, entschlossen wir
ens, die Bezeichnung stehen zu Lassen.
Bewu[it hatte ich diese kleine Szene-in
meiner Klasse hervorgerufen, um den
Schiilern unseren Versuch klar zu machen,
den Unterricht so zn gestalten, daft .wir
keinen Hafl oder Verachtung anderer
Volker erwedcen:
Ein fiihrender norwegischer Geschichts.
padagoge, Haakon Vigander, sprach kiirz.
Lich in einem Vortrag aber ?Geschichts-
unterricht and Volkerverstandigung",wo.
bei er sich mit dem Einwand ausein-
andersetzte, daft man beim heutigen Ge?
schichtsunterricht Ja die ttbergriffe der
Deutschen auf Norwegen nicht beschiini-
gen oder entschuldigen kann. ?Gewifl
nicht", sagte Vigander. ?Wir miissen
aber versuchen, so viel Selb?tbeherr-
schung zu zeigen, daft wir es vermeiden,
die Deutschen mit allgemeinen Schimpf-
wortern zu belegen. Lassen wir die Tat-
sadien and die t?beltat far sick selber
sprechen, benutzen wir sie aber nicht
-dazu, um allgemeine Urteile Baran zn
kniipfen, mit denen wir alle Deutschen
aller Zeiten treffen wollen"
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7~n~np~oQLtt~s
Wahrungsgewinnler
Am 20. Marz 1949 wurde auf Befehl
der Militargouverneure der Westmachte
die Westmark als einziges gesetzlidies
Zahlungsmittel in den Berliner Westsek-
toren eingefiihrt. Einige besonders krasse
and verhangnisvolle Auswirkungen die-
ser Matlnahme zeigen die folgenden Bei-
spiele:
t.Absperrung der westlichen
Nachrichten- and Bildungs-
einrichtungen.
Was keinem Befehl der SVIA and kei-
ner Blodcademailnahme bisher gelungen
ist -die Ost-Berliner von den Nachrich-
ten-' and $ildungsmitteln des Westens
abzusperren -, des hat jetzt mit einem
Schlage die Wahrungsverordnung der
Westkommandanten erreicht: Fiir die
Bewohner des Ostsektors, die nur Ost-
geld verdienen, bedeutet diese Mafl-
nahme bei dem gegenwartigen Wechsel-
kurs von i :5 eine f ii n f f a c h e E r-
hohung der Preise fur alle in
Westmark zn bezahlenden westlichen
Zeitungen, Theaterbillets,
Luftbriicken - Postsendungen
usw. Praktisch sind damit alle diese Dinge
den Ost-Berlinern nicht mehr zugsnglich,
wi?hrend umgekehrt die gleichen Einrieh-
tungen des Ostens den Westbewohnern
fiir ein Ftinftel der entsprechenden
Westpreise unbeschrtinkt zur Verfifgung
stehen. Die Folgen Sind nosh nicht abzu-
sehen. Zeitungsverkt;ufer and T'heater-
kassen in West-Berlin haben sie jeden-
falls bereits am 22. Marz sehr massiv zu
spiiren bekommen, and die Ost-Berliner
sind damit rettungslos den ostlichen
Quellen ausgeliefert. Jedenfalls ist der
?Eiserne Vorhang" in diesemFalle
einwandfrei von Westen her zuge-
z o g e n wordenl
2.Vier-Klas~en-Besoldung in
West-Berlin(
Wie wenig der an sick echon mlirchen-
hafte Grundsatz: ?G l e i c h e r Loh n
fair gleiche Arbeit" von aeinen
demokratischen Verfechtern in der Pra-
xis durchgefiihrt wird, zeigtdiefurWeat-
Berlin angeordnete K l a s a i f i z i e-
rungder Arbeitnehmer nach Ar-
beits-, Wohn- and Verpflegungsbezirken.
Ubwohl die Westmark dae ?einzige ge-
setzliche Zahlungsmittel" ist, wird durch
dasselbe ?Gesetz" beatimmt, in wieldier
Rohe den versdiiedenen Arbeitnehmer-
gruppen ihre Besoldung in (?ungesetz-
licher"!) Ostmark ausgezahlt werden
mull! Allerdings legen die ?a 1l i i e r-
t e n Finanzsachverstandigen" -wie die
englisch lizenzierte ?W e 1 t" vom 21. 3.49
ausdriicklich schreibt --, Wert auf die
Feststellung, dell d i e s e r T e i l der Ver-
ordnung ?auf einem Vorschlag der
d e u t s c h e n Sachverstandigen beruhe `1
Die Anordnung der Milit~rregierungen
trifft die folgende Einteilung fur die an-
teilmaflige Zahlung der Lohne and Ge-
halter:
Wohn-
Lebens-
Arbeita-
Prozentsatz fair
Wert in Ostmark Eii[
Kiasse
ort
mittel
bezug
platz
West and
Oeid
Oat-
ie 300 M NettO-Cohn
bei WeChselkura i:b
I
West
West
West
l00 %
- %
1500 Ostmark
II
West
West
Ost
60 %
40 %
1020 Ostmark
III
West
Ost
Ost
30 %
ZO %
660 Ostmark
1V
V
West
Ost
Ost
Ost
West
Ost
10 %
- % 1
90 %
00 %
420 Ostmark
300 Ostmark
Die letztgenannte Gruppe hat nichts
mit den Westsektoren zu tun and iat nur
zum Vergleich mit angefilhrt. Die grobe
Ungereditigkeit vom sozialen and vor
allem vom politischen Standpunkt aus
zeigt rich bei K l a s s e 1 V; denn zu ihr
gehtiren all die zahlreidien kleinen An-
gestellten, die zwar am i. 12. 48 zum
Westmagistrat fibergegangen sind, aber
ihre Wohnung im Osten behalten mufl-
ten, da eie im Westen keine bekamen,
wghrend die wenigen leitendan Mgnner
auch im Westen Wohnungen bekamen
and jetzt zur K I a s s e I gehtiren. Die
im Westen bereits wohnenden S)JD-Leute
aber, die nac11 dem i. t2.:~eim Ostmegi?
stmt weiterarbeiten, genieQen die Vor.
teile der K I a s s e I I, ebenso wie die
entsprechenden AngehBrigen der Ost2o-
nalen Wirtarhaftskemmisrion.
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Tito contra Stalin
Es ist etwa ein Jahr her, daft der
Streit zwischen Tito and Stalin offen
zum Ausbrud~ kam; seitdem hat aich
Jugoslawien gegen Allen Druck von sei-
ten seines einstigen Oberherrn behaup-
tet and such nicht durds die Angriffe,
die in der letzten Zeit mil besonderer
Heftigkeit erneuert warden, auf die Knie
zwingen Lassen. Der Konflikt schwelt
waiter, and es ist nicht abzusehen, zu
Welchen Konsequenzen er sowohl Tito
all such die Beherrscher des Kominform
nosh nbtigen wird.
Da ist es Behr interessant, einmal den
Hergang der Fehde in dam (ins Deutsche
iibersetzten) Urtext au lesen: in den
Briefen and Erklarungen, die von bei-
den Seiten geschrieben warden. Sie geben
einen direkten Einblick in die canter
kommunistischen $riidern iiblichen Me-
thoden and Ma[tnahmen. ?Tito contra
Stalin". Der Streit der Diktatoren in
ihrem Briefwechsel. (Europgische Ver-
lagsanatalt, Hamburg, 88 Seiten, 2,20 DM.)
In dam Siindenregister, das in Mos-
kau fiber den ?Vasallen" Tito gefiihrt
wurde, fat apes enthalten, was ihn reif
furs kommunistisdie Schafott machte.
Hat er doch gewagt zu sagen, daft er,
so sehr er such die Sowjetunion Liebe,
sein eigenes Land nicht weniger Liebe.
Gegen die Einmischungen der russisrhen
?Spezialieten" halts er sein Mi(ttrauen
gesetzt, and gegen die Bespitzelung seine
Gegenspionage. Ihm wird erne ?unrich-
tige Linie in bezug auf Klassenkampf,
Partei and Volksfront" nachgewiesen,
and sin hartes Kapitel folgt fiber din
?Eitelkeit der jugoslawischen Fiihrer"
and vor ahem fiber ?ihre falsche Ein-
stellung xtt ihren Fehlern'".
Wahrerheinlich ist Tito gennu solrh ein
guter oiler sdilechter Kommunist wie
Stalin, and es kommt cans such gar nicht
so sehr darauf an herauszufinden, war
aon den beiden nun den echten Ripg
ilea marxistisch-leninistischen" Glau-
bene besitzt. Der Totalitttsanepruch je-
denfalle, mil dam hier die Sowjetunion
einem Freunde gegentiber auftritt, ist
zugleich audi ein Nachweis dafiir, daft
die anderen ?Volksdemokratien'", die in
der sowjetisd'-en Zwangsjacke slacken,
mil demselben Terror, derselben Mill-
achtung jeglicher Freiheiten flit Volk
and Regierung behandelt warden.
Die Rebellion Titos hat die anderen
Satelliten bisher nicht zu einem shn-
lichen Wagnis verleitet; abet das ab-
triinnige Jugoslawien hat die Stabilitat
des Ostblodcs von innen erschiittert.
Die Dokumente caber diesen bedeut-
samen Vorfall in der europaischen ]?o-
litik sollten eifrigst gelesen warden. Sie
k8nnen ebenso instruktiv sein, wie lie
interessant Sind. p, S.
Rase Luxemburg
Zu den grtS[lten Gestalten der .Arbei-
terbewegung gehort Rosa Luxemburg.
Aus der marxistischen Schule am Anfang
diesel Jahrhunderts hervorgegangen, ist
lie zu einer bedeutenden Theoretikerin
geworden, den Marxismus all lebendige
Wissenschaft waiter entwickelnd and
selbstlindig neue Ltisungen fitr den Be-
freiungskampf derArbeiterklasse suchend.
Jeder Dogmatismus and jade autoritare
Giitzendienerei waren ihr fremd and ver-
ha(tt. Sie kannte in ihrer Forschung nut
ein Ziel: die Wahrheit. Antrieb ihres un-
ermudlichen Schaffens war der Wunsch:
den Sozialismus Schnell and grllndlich
zum Ziele zu fuhren. Die geistige and
politische Anpassunasfahigkeit an die
bestehenden Zustande erfullte lie mil
tiefer Unruhe. Sie fiirchtete, daft die Ar-
beiterbewegung ihrem Ziel, die Welt zu
verandern, untreu wurde and sick im
Rahmen der bestehenden Zustande auf
Refarmen abdrkngen oiler gar damit zu-
friedenstellen lieAe. Sie vereinigte in
sick dal Baste der Kultur Ost- and West-
europas, sine grtlndlIche wissenschaft-
lithe Vorbildung, sin heifles Herz and
einen scharfen Verstand. Sie besaft d[e
Geiateskraft, den Kampf mil den beaten
KBppfen der damaligen Arbeiterbewegung
aufzunehmen, mil Jaurbs and Babel; mil
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Kautsky and Lenin. Doch jede Ausein-
andersetzung gait der Sadne, der Mensdn-
heitsbefreiung, deren Erfolg oder Nie-
derlage das Glack von Generationen be-
deutete. Erst heute kSnnen wir ganz ver-
stehen, nachdem wir Burch die Kata-
strophe zweier Weltkriege gegangen
sind, wie Rosa Luxemburg unter einer
falsctten Politik Litt, von der sie Krieg
and Untergang der Arbeiterbewegung
befiirohtete. Sie sdionte sick selbst nidlt.
Es hielt sie, zur Kunst and Wissensdtaft
neigend, nicht in der Studierstube. Sie
muBte hinaus mitten in das heftigste
Kampfgetummel. Bei den Kampfen der
polnischen, russisdhen and deutschen Ar-
beiter war sie zuhause and stand an
ihrer Seite, bis gedungene Morder sie
ersdhlagen.
Paul Frolids schildert in seiner Bio-
graphie Rosa Luxemburgs Leben and
Denken. (Paul Friilich: ?Rosa Luxe m-
b u r g. Gedanke and Tat", Verlag Fried-
rich Oetinger, Hamburg. ?) Frolich, ein
langjahriger Kampfgefahrte and Ver-
walter ihres Nachlasses, gibt ein lebendi-
ges Bild des Menschen and Denkers Rosa
Luxemburg. Es ist ein Verdienst, einer
neuen Generation deutscher Sozialisten
diese wichtigen Auseinandersetzungen
vor Augen zu fiihren. Es ist nicht das
Heldenleben oder Pietat, warum wir
eine Riidcschau auf Rosa Luxemburg
empfehlen. Sie hat den Sozialisten unse-
rer Zeit viel zu sagen, vor alien denen,
die spiiren, daft der Sozialismns neue
Grundlagen and neue Kampfformen fin-
den mull. Peter Blachstein.
?) Ein Subskriptionsangebot des Verlages fur dieses
Bach liel;t dieser Zeitschnft bei.
Pressefreiheit! .. .
Soil man nun auch Hoch Biicher fiber
diese dock nur theoretisch bestehende
Funktion einer Gro(lmacht lesen? -Den
allgemeinen Sinn einer Bushes macht
sein Wert als Lebenshilfe im Aufweisen
and Klarstellen von Kraften aus, die
das Gemeinschaftsleben beeinflussen.
In diesem Sinn wertvoll sind die Unter-
sudiungen aber Werden and Wirkun-
gen des Massen-Nadirichtenwesens, an-
gestellt von einer Kommission der Uni-
versitat in Chicago. Ihre Ergebnisse wer-
den in mehreren Sonderstudien (darun-
ter ?Volker zwischen Viilkern") nieder-
gelegt and in einem SchluBbericht ?Eine
freie, verantwortliche Presse" zusam-
mengefallt. (Nest-Verlag, Nurnberg.)
Aus dem weiten Ausgangsgebiet
Amerika wird die bestechend pragnante,
streng abtrennende and beweisschlus-
sige Darstellung hingefiihrt auf eindeu-
tig formulierte Forderungen. Sie auf-
zugreifen ist nicht allein Sache der
?Obrigkeit", sondern sie zu uberdenken
and cvirksam zu machen, sollte gemein-
hin u n s e r e Angelegenheit sein.
Unbestritten wird die Feststellung
bleiben, ?daft die Einwirkung auf die
Presse das schwierigste, gefiihrlichste
and wichtigste Problem darstellt", das
Gesetzgeber and Politiker zu losen ha-
ben. (J. Adams.) - Die sondierenden
Darlegungen haben nicht die Form von
Empfehlungen. Sie dienen vie)mehr kla-
render Diskussion and zeigen, von wel-
dier Bedeutung die oben zitierten drei
Eigenschaftsworter sind. Und welter
machen sie die enge Verzahnung der
verschiedenen Triebriider erkennbar, auf
denen das Geschehen um den Sammel-
begriff Presse abrollt.
Der schon erreidtte technische Ent?
wicklungsgrad im Nachrichtenwesen, der
gleichfalls eine spezifizierte Darstellung
erfahrt, vertragt keine Bremse, erfor-
dert aber eine Steuerung, wenn Presse,
Frank and Film eine der Gesellschaft
forderliche Fnnktion ansiiben sollen.
Wohin aber and wie soli diese Len-
kung gehen, von wem loll sie gehand-
habt werden, welche Mittel sind mog-
lick and anwendbar? ... fur diese -
nnsere! - Fragen halten selbstverstand-
lich die beiden kleinen Schriften selbst
in ihrer universellen Sicht keine ge-
brauchsfahige Sofortliisung bereft.
Sie zeichnen die gegenwartigen ge-
fahrlichen Verzerrungen der Pressefrei-
heit and d~~cken die iiblen Praktiken auf,
Hach denen nosh verfahren wird. Aus
ihnen and den anerkannten Notwendig-
keiten werden Forderungen als Richt?
punkte aufgestellt, die den Weg mar-
kieren zu einerLebensform, in derdurch
die Anwendung aller modernen Nach-
richtenmittel die Gesamtheit der Men-
schen miteinander verbunden wird.
Wer diese Entwicklung will and an
einen solchen Fortschritt glaubt, wird
dttrch die kritisdhe Kennzeichnung klare
Vorstellungen vom Tatsiichlichen gewin-
nen and auch die Giiltigkeit der grund-
satzlichen Vorsdtlage anerkennen. Wg.
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TITO contra STALIN
Der Streit der?Diktatoren in ihrem Briefweehsel
88 Seiten, kartoniert, mit zweifarbigem Umschlag, 2,20 DM
Hier wird zum erstenmal in deutscher Ubersetzung der Originalbriefwechsel
veroffentlicht, der fiber Anklage and Gegenanklage zum Bruch der beiden
kommunistischen Diktatoren gefiihrt hat. Besser als irgendwelche Kommentare
zeigen diese Dokumente die Zustande and Methoden innerhalb des kommu-
nistischen Lagers. Dieser politische Streit kann in seiner Bedeutung fur die
europaische Politik kaum iiberschatzt werden.
Dem Buch ist ein Anhang mit Erklarungen der im Text vorkommenden Aus-
driicke der marxistisch-leninistischen Terminologie beigefiigt.
Bestellen Sie diese hochinteressante and wichtige Schrift durch Ihre Buch-
handlung oder direkt beim Verlag.
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Declassified in Part -Sanitized Copy Approved for Release 2012/02/14 .CIA-RDP83-004158003200030003-9
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INHALT
Jenseits des Atlantikpakts /Das zureichende Minimum / Demokratisch
maskierte Burokratie / Warum idi Bing / Beobadztungen and Bemerkun-
gen / Theaterruinen / Der Skandal unserer Kioske / Geist and Geister vor
Gericht
28 r-296
Hauptaufsatze
Denis de Rougemont : Zuerst Europa .
297
Hendryk Brugmans :Die revolutionare Stabilitat der Sowjetunion . .
304
Hans Urs von Balthasar S. J. : Theologie and Heiligkeit / Zur Revision
der Sd,olastik .
3 t s
Walter Dirks : Wir wollen keinen Kulturkampf! . .
324
Hildegard Brucker and Clemens Munster :Deutsche Forschung in Gefak]r? 333
Maria Hufnagl : Fliid~tlinge . 34.4
Das Portrat
Rudiger Proske Dr. Chaim Ben Ozer Weizmann - Vater des Staates
Israel 34 S
~erichte
Alfred Joachim Fischer :Die Presse der Sowjetunion . 348
Die Glosse
O~inmacht and Macht des Einzelnen / Der Name Gotten in der Verfas-
sung / Deutsche Efficiency? / Reaktionen /Per definitionem / Wissens-
wertes aus einem Schmoker 354-359
Kritik
Das Publikum im Film ?Nurnberg and seine Lehren" / Wilhelm Geyer
and das Problem der chrisdichen Kunst der Gegenwart / Georgesche Nach-
klange / In Nacht ertrunkener Tag / Geschichte and Damonie / Sozia-
listische Wirtschaftsordnung / Hinweise .360-366
1vlitteilungen . .367
April ]949. Die FH sind durdi jede Buchhandlung, durc6 die Post and unmittelbar
vum ~'erla~ zu beziehen. Einzelheft: llM L80; ~'ierteliahresabonnement DM 5.10;
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Eugen
FRANKFt~RTER HEFTS
Zeitschriff fur Kultur and Politik
Herausgegeben von
Kogon unter Mitwirkung von Walter Dirks and Clemens Munster
4.Jahrgang
April 1949 Heft 4
Jenseits des Atlantikpakts
Frankfurt am Main, z7. M&rz zg?9
WG zc)43, Kairo, groBe Diskussion in
einem Soldatenclub. Ein emigrierter Ungar
wirbt um Verstandnis fur die psychologi-
sche Situation seiner Landsleute zuhause:
man klatscht Beifall seinem Mut, ver-
schlieBt sich seinen Argumenten. Da meint
ein junger Captain, die Maschine der
Staatsraison and der Propaganda sei mach?
tiger, als man ahne; wenn eine Tory-Re-
gierung ihre Karten nur gut mische, darn
k~>nne das englische Volk drei Jahre Hach
die;em schon zu einem neuen Krieg, gegen
RuBland diesmal, bereitstehen. Tosendes
Gelachter war die Antwort.
E-Ieute wird in Debatten fiber Heeres-
und Flottenbudget im Unterhaus nicht der
geringste Versuch gemacht, zu verheimli-
chen, daB die Sowjetunion der einzige po-
tentielle Gegner sei. Heute sitzt in Fon-
tainebleau als Generalstabschef eines West-
bundes, der offiziell noch gegen Deutsch-
land gerichtet, tatsachlich ein antisowjeti-
sches Defensivbiindnis ist, derselbe General,
dem damals der iunge Captain unterstand.
Ileute holt sich der norwegische AuBen-
minister bei der britischen Regierung (bei
einer Labour-Regierung Gbrigens) den
~4ut, einen moskauer Nichtangriffspakt ab-
zulehnen.
LJnd doch gab es sofort Hach dem Krieg
gar keinen ~~'esten. Den hat erst der Ham-
mer Molotov zusammengeschmiedet. Jetzt
sullen ihn wohl Wyschinskijs polnische Ka-
valterie-Attacken brillant, kiihn and ver
fiihrerisch ein wenig auflockern Schon
warnt der Londoner ?Economist" davor,
sich Burch die moskauer Geheimniskrame-
ref ablenken zu lassen. Erst das Dach ilbers
westliche Haus, ehe man sich den ostlichen
Zirkus besieht.
Ich entsinne mich einer Behr eindrucks-
vollen Schilderung von Gromyiko, dem
neuen stellvertretenden AuBenminister der
Sowjetunion, wie er, jung noch and scheu,
geradezu erdriickt von Gewicht and Be-
deutung seines groBen Landes, stumm ab-
seitsstand. Es bedriickte ihn noch etwas
anderes: die relative Ohnmacht dieses rie-
senhaften )Vlachtkomplexes ; die Passivitat
dieses aktivistischen Kraftezentrums; die
Isolierung dieses Propaganda-Apparates;
die unabweisbare Unterlegenheit dieser ge-
waltglaubigen Oberlegenheitsrnaschine.
Die Lage der Welt ist nicht dadurch ge-
kennzeichnet, daB nur zwei Riesen einander
gegeniiberstunden. (Das giht sich wieder;
in Sudamerika, Asien, Afrika Sind junge
Riesen im Wachsen.) Das Entscheidende ist
das Machtgefalle unter den zweien, die Ner-
vositat, das MiBtrauen des vergleichsweise
Zweitrangigen, seine stoBweise Aggressivitat
gegen den lastend gleichmaBigen, automa-
tischen Druck des Erstrangigen, die Angst
vor VergrbBerung des Riistungsabstandes.
Moskau ist nur Nummer Zwei; jenseits
des Atlantik arbeitet, erfindet, organisiert
sich, amusiert sich, redet and riistet Num-
mer Eins. Und diesel Westen wachst,
integriert, akkumultert, schiebt sich vor,
ebenso langsam and systematisch, wie er
tygs iiberstiirzt and kopflos zuruckgewichen
war. Das war ja wohl der Beginn apes
(7bels and alter MiBverstandnisse: inner-
lich hatte man Hach dem Kriege offenbar
den halben oder ganzen Kontinent bereits
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an dle Bolschewiken abgeschrieben. ?Vows
serez ~crasEs !" - ?Sie werden zermalmt
werden !", sagte mir der Vertraute zweier
westlicher AuBenminister, als ich damala
meine Riickkehr Hach Deutschland betrieb.
Diesen Glauben hatten in gar nicht zufal
ligem Verein die Propaganden von Moskau
and Berlin einer ungenau denkenden Welt-
offentlichkeit eingedrillt: die Alternative
zum Faschismus, and sein Nachfolger, sei
der Kommunismus. )~s bedurfte der muhe-
los antikommunistischen Wahlen im Nor-
den, in Ungarn, (7sterreich and Westdeutsch-
land, and es bedurfte der miihevollen kom-
munistischen Gewaltpolitik in Budapest and
Prag, um die Lage zu beleuchten. Nun
muBte geraumtes Gebiet wieder besetzt wer-
den, and was als natiirliche Selbstbehaup-
tung hatte a~irken konnen, erschien nuttmehr
als gewagtes Vordringen.
Fiir gewagt hielt es sogar vor einiger
Zeit der Mann, der dazu ausersehen gewesen
war, der AuBenpolitik der Vereinigten 5taat-
ten einen festeren and klareren Kurs zu geben.
Als Norwegen in die Verhandlungen um den
Atlantikpakt miteinbezogen wurde, warnte
der republikanische AuBenpolitiker John
Foster Dulles davor, die Nervea der sowje-
tischen Fiihrer zu uberschatzen, and er
fragte, wie man in Washington wohl tea
gieren wurde, wenn die Sowjetunion, um
ihrer eigenen Sicherheit willen, die Auf-
rustung einer Nachbarlandes der iTSA be-
triebe. l;s handelt sich ja datum, Nummer
Zwei zu einer Anerkennung der realen Si-
tuation and nicht zu einer verzweifelten
kriegerischen Auflehnung gegen sie zu ver-
anlassen.
Einea Augenblick dachte man wohl wirk-
lich an eine Art neutralen Gurtels zwischen
Nummer Eins and Nummer Zwei. (Dar
war freilich eine Behr altmodische Vorstel-
lung. Sie stammte aus einer Zeit, die Hoch
nicht in Exportkrediten einerseits and mar-
xistischen Lehrbiichera anderseits imperia-
listische Angriftsvorbereitungen rah, and
sehen konnte.) Fur solche Aggressionen stel-
len Neutralitatsgurtel ein geradezu ideales
Feld dar. Trott ahem entspricht die Neu-
tralitatssehnsucht in europaischen Landern
einer Behr echten and realen Zielsetzung,
die sogar Hoch in der phantasievolien Vor-
stellung einer Neutralisierung Deutschlands
zum Ausdruck kommt. Es ist die tiefe Sehn-
sucht Hach Autonomie fair Nummer Drei.
In der Tat beruht die amerikanische Po-
litik der Wiederaufrichung $uropas auf
einer Dialektik, die niemals aus dem Be-
wuBtsein sch~vinden darf, soil sie nicht bei
halben Ergebnissen and ganzen Katastrophen
enden.
Die wirtschaftliche Hilfe fur die Mar-
shallplan-Lander ist dazu bestimmt, sick
i%berjliissig zu machen. Mr. Cripps vergi6t
das nicht; auf 1"suropa-Konferenzen geht er
daher den Kollegen gelegentlich auf die
Nerven, and auch Amerikaner denken
manchmal, da$ er das Jahr r95~ ein wenig
garzu tragisch and wortlich nehme.
Die Aufriistung der westeuropaiscl~en
Staaten mit Hilfe der U5A hat den Sinn, sich
uberflussig zu machen. Es gibt in Frank-
reich and Italiett Behr wenig Leute, die ernst-
lich eiaen Einmarsch der Roten Armee
wr]nschen, aber: ?Paris est plein de Muni-
chois", voll von Lenten also, die wie da-
mals, 1938 in Munchen, ohne weiteres dem
Angreifer zufallen, wenn sie damit hoffen
konnen, ihren lieben Frieden zu retten Sit
werden auch dem Verteidiger zufallen, wenn
er glaubhaft machen kann, den Frieden zu
sichern.
Aber auch die Z.usammenfassung der frei
gebliebenen europaischen Volker zu einem
westlichen Block weist aber sich selbst hin-
aus, mu6 den Mut finden, auf ihre eigene
Uberflussigkeit zu zielen. Nicht nut ist na-
tiirlich ein wirtschaftlicher Ausgleich fur die
Industriestaaten des ~Vestens auf Dauer
ohne enge Zusammenarbeit mit ihren ost-
europaischen Abnehmern and Lieferanten
undenkbar; niemals auch wird Europa an
seine Fulle and seine Erfiillung glauben,
solange Prag, Krakau, Budapest, Dresden
drauBen bleiben. Wir miissen uns Behr genau
dariiber im klaren sein, was es heiBt, auf
den europaischen Osten nicht zu verzichten
and doch den Gedanken an Krieg and Gewalt
zu seiner Wiedergewinnung auszuschlieBen.
Es ist Europas Schicksal, sich nut mtt
Hilfe Amerikas wiederaufrichten zu konnen,
mit fremden Waffen seinen Frieden zu*si-
chern, dutch Beschrankung auf den Westen
die Hoffnung des Ostens in der 5chwebe zu
halter, niemals eine Etappe des vielfach ge-
wundenen Weges fur das Ziel zu verkennea.
Nur am l;nde loser sich die Widerspruche.
Wer bei ihren stehenbleibt, kommt darin um,
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Das zureichende Minimum
Frankfurt am Main, ~8. Matz Ig99
EK Die M inisterprasidenten der elf
westdeutschen Lander haben im vergange-
nen Jahr, einer Notwendigkeit, eigener Ein-
sicht and den londoner Empfehlungen fol-
gend, die Aufgabe ubernommen, dafiir zu
sorgen, daB eine deutsche Regierung zu-
standekommt. Europa braucht einen Part-
ner hierzulande and die Entwicklung int
Laude selbst ein giiltigeres Zentralorgan
als es der Wirtschaftsrat der Doppelzone
sein konnte.
Sine Regierung, das war das Ziel. Sie
ist nicht ohne Verfassung moglich. Die
Verfassung sollte einer kiinftigen Regelung
der deutschen ):rage nicht vorgreifen.
Aus dem doppelten (',runde also konnte e5
sich nur um eine provisorische Verfassung
handeln: weil mehr derzeit nicht zustande-
kommen sollte als eine Regierung fur die
unmittelbaren (drangenden) Aufgaben von
allerdings groBer Tragweite and weil man
der Sinheit Detttschlands nicht schaden,
sondern nutzen wollte.
Wenn Deutsche zusammenkommen, um
etwas w'ichtiges zu beraten, vielleicht zu
beschlieBPn, moglicherweise sogar zu tun,
dann wird in der Regel nicht Politik ge-
macht, sondern zuerst ein wohlfundiertes,
bis zu den Urnamenten vollendetes Grund-
satz-Gebaude errichtet, and ware es in der
Kaseglocke. Pmvisorisch -, wet hatte das
im Gedachtnis hehalten, als sich die Mdg-
lichkeit bot, um Prinzipien zu kampfen,
noch daze mit lusterzeugender Systematik.
Nur keine unv011endeten Symphonien.
In nicht mehr als acht Wochen wollten sie's
urspriinglich geschafft haben, so leicht kam
ihnen damals, ehe sie wieder einmal sich
selber zum Opfer fielen, and angetrieben
von einer rn dieser Sache inzwischen eben
falls verflogenen tJngeduld der angel~achsi-
schen Rlilrtargouverneure, apes vor. Am 2t.
Juni rygR, von ahem Anfang an, schrieben
wit an dieser Stelle (P H III(7, 589, 590)'
?Aleint die GmbH der Staatengriinder, ste
konne etwa zwischen dem t. September and
dem tg. Dezember t9gR, nut well's ein Ju-
bilaumsjahr ist, es so weft bringen, das fer-
tige Ergebnis dem deutschen Volk auf den
Weihnachtstisch zu legen? Ustern tggy wird
bis dahin mindestens ins band ziehen . .
Mit der Verewigung des Schreies, man
babe keine Zeit, verldre man noch den Rest,
der uns retten kann, and schiife irberhaupt
nichts als Pfuschwerk ... Gibt es deut-
sche Politiker, die der nun vor uns liegen-
den Aufgabe gerecht werden konnen...?
Jetzt ist fiir sie die Gelegettheit gekommen,
staatsmannisch zu setn." Sie stud nicht ein-
mal politisch gewesen, denn sie haben das
zureichende Minimum verfehlt, das unser
Optimum gewesen ware.
Immer wieder bot sich ein An1aB, zur
eigentlichen Aufgabe zuriickzukehren: eine
Regierung auf provisorischer Verfassungs-
grundlage zustandezubringen Der Streit
um das Elternrecht - vonseiten der Bd-
schofe mit vollem Recht gefiihrt (politisch
gesehen: wenn schon, denn schon) -konnte
zum Beispiel zeigen, wohin man geraten
war. Die Losung ware eln Parteienkom-
promiB nicht in der Sache, sondern im ge-
meinsamen Riickzug auf das jetzt Notwen-
dige gewesen: die Grundlage fur eine
Regierung, and noch einmal die Regie-
rung. Der neueste, ubrigens hachst loyale,
auch im Ton wohltuend von einigett
friiheren Dokumenten sich abhebende ?Ein-
spruch" der Militargouverneure gegen einen
CibermaBigen Zentralismus war ebenfalls so
ein AnlaB. Ja sehen denn unsere Politiker
nicht, dab die staatsmannische Etnsicht, die
sie in diesem Punkt an den Tag legten, zu
Beginn namlich, dazumal in Rudesheim,
als sie sehr zuruckhaltend waren, diesmal
auf Seiten der Gouverneure ttnd noch immer
auf Seiten der Ministerprasidenten liegt,
diesen voran Dr. Shards? Erkennen sie
garnicht, dab jeder, der den Zentralin-
stanzen des Deutschen Bundes im ~~llesten
auch nur ein Gran mehr Macht gibt, als
dem zureichenden D'1 inimum entsprichi, der
kiinftigen deutschen Einheit schwerste Hin-
dernisse auftiirmt, jeder abet, der das Ge-
fitge vorerst locket laBt - zureichend fest,
zureichend locker -, den gewunschten
deutschen Iv9oglichkeiten von morgen die
Titre offenhalt? Dab der Poderalismus,
vom Ziel einer gesamtdeutschen Regelung
aus gesehen, auch in dieser Hinsicltt weit-
aus nutzlicher ist als ein zentralistischer
Unitarismus in unserna Teil Deutschlandaf
Nicht ?grundsatzlich", sondern politisch?
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Oder wollen sie, ihren eigenen tauten and
bestandigen Beteuerungen entgegen, schon
Blockpolitik and endgiiltige Trennung, -
den Militarvertretern der Machte sugar urn
einige Kilometer im ~Vinde voran? Sie wol
ten's nicht: sie sind halt Grundsatzpolitiker,
obgleich provisorische.
trine rirhtige 5ache muB uns also wieder
einmal ?aufgezwungen" werden. ~~'elch ein
Exempel, um daran zu lernen.
Es ist mit den vorstehenden Hinweisen
keineswegs erschopft. Man kiinnte es zum
Gegenstand einer prachtvotlen politischen
Abhandlung machen. Das Verhalten der
Westmachte and ihrer Gouverneure er-
scheint zur Zeit hochst widerspruchsvoll:
In 5achen des Bonner Verfassungsentwur-
fes sind sie, im VViderspruch zu ihrem frti-
heren Vorgehen, ehvas zogernd geworden ,
die Gesamtlage hat sich namlich vielfach
verandert, wenn auch das Haupterforder-
nis: einen Partner zu bekommen, geblieben
ist. In ahem andern drangen sie unge-
duldig: die praktischen Aafgaben unserer
eben fehlenden Regierung Leiden namlich
keinen Aufschub mehr: das Beamtengesetz,
die Verwaltungsreform, die Bodenreform,
das Pressegesetz and noch zehn weitere
elementare Dinge. Das Meiste davon konn-
ten die Lander selbst leisten, die seit drei-
vierte] Jahren hubsch bray auf eine Bun-
desregierung warten, and diese Bundes-
regierung hatte lediglich fur diesen verniinf-
tigen Ausgleich and das notwendige Min-
destmaB an Einheit zu sorgen. fVeil man
in Bonn ein Maximum in Arbeit nahm,
das nicht b1oB zu langwierig, sondern jetzt
auch in mehrfacher Hinsicht bedenklich
wird, eben deshalb haben die Militarregie-
rurrgen hier zu bremsen, dort abet an alien
Ecken and Enden wieder mit eigener Ini-
tiative and mit teil~veise scharfsten Mo-
nierungen einzugreifen begonnen. Weitere
Beweggriinde, die sich aus weniger erfreu-
lichen Interessen herlerten, sind dem bei-
gemengt, sie sind abet nicht vorwiegend
oder gar bestimmend: vorwiegend and be-
stimrnend ist das Interesse an einer provi-
sorischen westdeurschen Regierung and an
der Erledigueg der praktischen Arbeiten,
die seit langem auf sie warten, damit die
Arbeit der Landerregierungen dutch das
zureichende N[inimum an Einheit wirksamer
wird -auch fiir Europa.
HeiBt es nicht, Politik sei die Kunst des
Moglichen? Das Miigliche ist nicht mehr and
nicht weniger, als was man kann and was
man soil.
Demokratisch maskierte Demokratie
Ende Februar ist das Bundes Wahlgesetz
von den bonnet Abgeordneten mit einer
Beim Parlamentarischen Rat sonst nicht ge-
wohnten Schnelligkeit verabschiedet werden
an einem Tag Lesung im Hauptausschu6. am
nachsten Tag alle drei Lesupgen im Plenum.
:fan 6atte den deutlichen Eindruck, daB die
Parteien, die sich auf ein Kompromi6 ge-
einigt hatten, es verabschieden wollten, ehe
die offentliche :~4einung zu ihm Stellung neh-
men konnte. Man fiirchtete die offentliche
Meinung, die sich mit keiner Frage, die in
Bonn zur Beratung steht, so viel befaEt hat
wie mit dem Wahlrecht. Immer tauter sind
die Stimmen geworden, die eine entschie-
dene Abkehr von der weimarer Praxis and
ihren Grundsatzen fordern.
Die Militarregierung hat dann Wasser in
den bonnet Wein gegossen. Sie hat die Zu-
standigkeit des Parlamentarischen Rates
fiir das Wahlgesetz verneiat, and verlangt,
dab in den einzelnen Landerparlamenten
Wahlgesetze fiir dte erste Bundeswahl ver-
abschiedet werden. Damit hat day deutsche
Volk, damit haben die Wahler eine letzte
1-[oglichkeit gewonnen, ihrer Meinung zur
Art des Wahlgesetzes Ausdruck zu geben
and sie dumhzusetzen.
Worum geht es bei der Entscheidung um
das ~Vahlverfahren? Es geht um nicht mehr
and nicht weniger als um die Entscheidung
fiber das Prinzip, nach dem unsere Demo-
kratie aufgebaut werden soli In der heu-
tigen Welt when wit drei Regierungsformen.
die sich a]le -and das ist is das Verwir-
rende -den Volkern als Demokratie an-
preisen: die 1~in Parteien-Demokratie, die
Koalitions-Demokratie, die Mehrheits De-
mokratie. Welche von diesen Regierungs-
formen man haben will, dariiber entscheidet
man mrt der Art des Wahlverfahrens.
Die Ein-Parteien-Demokratie ist die mo-
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derne Form der Diktatur. D'se Minderheit, Die ~bfehrheits-Demokratie kommt zu-
die die blacht im Staate hat, behangt rich stande, wenn Hach dem relativen Mehrheits-
mit einem scheindemokratischen Mantelchen, wahlrecht in Ein-Mann-Wahlkreisen gewahlt
um sick den r'lnschem der RechtsmaBigkeit wird. Bei diesent Wahlverfahren gilt in
zu verschaffen; sie legt dem Volk zur Akkla- jedem Wahlkreis derjenige als gewahlt, der
mation {Zustimmung) die Liste der Regie- die meisten Stimmen hat. Da 5plitter-Kau-
rungspartei vor. So war es bei den Natio didaten von vornherein nicht die geringste
nalsozialisten, so ist es bei den Russen, So Aussicht haben, treten sie garnicht erst auf,
ist es in den Landern, die sich ?Volksdemu and so fuhrt dieses Wahlverfahren zum
kratien" nennert. Zwei-, atlenfalls Drei-Parteien-System. Das
Zur Koalitions-Z)enzokratie kommt es, relative Mehrheitswahlrecht ist das tradi-
wenn Hach dem Verhaltniswahlrecht Oder tionelle Wahlrecht der angelsachsischen
Hach dem sogenannten absoluten \lehrheits- Lander. Die F,rfahrungen mit ihm zeigen
Wahlrecht mit 5tichwahl gewahlt wird. Das klar, daB in den meisten Fallen eine Partei
Verhaltniswahlrecht gibt jede: Weltanschau- die absolute Mehrheit im Parlament and da-
ungs- and Interessengruppe, mag sie Hoch dutch die Verantwortung, abet auch die
so klein sein, die \loglichkeit, Sitze im Par- Starke erlangt, wirklich zu regieren; wirk-
lament zu erringen. Da es in jedem V c~i!< lich handeln zu konnen Ihre Macht wird ge-
imrner viele Stcomungen and Richtungen bandigt dutch die ebenfalls immer vorhan-
geben wird, muB ein derartiges Wahlver- dene Starke Oppositionspartei, die die Mehr-
fahren zwangslaufig zur 7,ersplitterung in belt von morgen sein kann, and die dutch
zahlreiche Parteien fiihren. Diese Zersplitte- diese Moglichkeit zuVerantwortungsbewuBt-
rung macht es Bann norivendig, schwierig sein and zu konstruktiver Opposition ge-
und, wie wit wissen, haufig unmoglich, zwungen wird. Wahrend in der Koalitions-
Koalitionsregierungen zustandezubringen. Demokratie immer dieselben Parteien in der
In jedem Fall rind die Koalitionsregierungen Regierung Sind, dort abet Hie die alleinige
schwach and dutch viele Riicksichtnahmen Verantwortung tragen, wechseln in der
handlungsunfahig. Mehrheitsdemokratie die Parteien +aach-
In der Wirkung dem Verhaitnis~wahlrecht einander in der Regierungs-Verantwortung
sei:r ahnlich ist das absolute Mehrheits- ab.
~ wahlrecht mit Stichwahl, wie es Deutsch- Haufig wird behauptet, es liege an poli-
land unter der bismarckschen Verfassung tischer [Jnbegabtheit oder Unreife des deut-
hatte. Auch dieses Wahlrecht begiinstigt die schen Volkes, wenn seine Demokratie
parlamentarische Vertretung kleiner Par- schlecht and handlungsunfahig sei. Das deut-
teien, wenn es auch die 7.ersplitterung niche sche Volk ist politisch genau so begabt and
bis zu dem Grad der Atomisierung treibt unbegabt wie viele andere Volker. Aber es
wie das Verhaltniswahlrecht. liegt an den Einriehtungen, die ihm seine
Verhaltniswahlrecht and absolutes blehr- Verfassungsvater geben, ob es sich in der
heitswahlrerht waren and Sind die Urund- Demokratie bewahren kann oder nicht. An
lagen der Demokratie to den meisten kon- schlechten Institutionen, wie die Koalitions-
tinental-europaischen Landern. sie haben in Demokratie eine ist, wird das Vo]k nut dann
einiken Fallen, zum Beispiel in Deutsch- mitschuldig, wenn es seine Stimme zur
land, Italien and Ungarn, bereits einmal den Schaffung besserer 1~inrichtungen nicht er-
?legaten" tJbergang zur I:in-Parteien-De- hoben hat. Das deutsche Votk fnhlt zur Zeit
mokratie, das heidt zur Diktatur herbeige- ;anz richtig, dab das Wahlverfahren die Art
fuhrt. Sie Sind 'Haufig, wie heute wieder in seiner Regierungsform bestimmt, and dab
Frankreich, die Ursache flit chronische diese fur das Wesen der Demokratie ent-
Schwachen der Demokratie. Im Zusammen- scheidend ist. Deshalb meldet es sich so un-
wirken mit der in Deutschland bisher lib- ermiidlich zu diesem Punkt.
lichen Wahlbarkeit der Beamten fuhrt die Die bonnet Parlamentarier haben sich er-
Koalitions-Demokratie zu einer Verfilzung neat zur Koalitions-Demokr ie bekannt.
- von Legislative and Exekutive and zur Allein die CDU-CSU-Fraktioist geschlos-
Herrschaft einer dentokratisch maskierten sen fur die gesunde, in den angelsachsischen
Burokratie. Landern erprobte Mehrheits-Demokratie
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eingetreten. Sie ist uberstimmt worden von
der SPD, der LDP, dem Zentrum and der
Deutschen Partei. Dab die kleinen Parteien
nicht fur die Mehrheits-Demokratie ge-
stimmt haben, geh&rt vielleicht in das Ge-
biet des Selbsterhaltungstriebes. In der LDP,
deren Anhanger vielfach fur das Mehrheits-
wahlrecht eintreten, hat wohl eine besondere
Rolle gespielt, daB die Abgeordneten Heuss,
Hopker-Aschoff and Becker zur alten Garde
von Weimar gehoren. Die Leitung der SPD,
die die Hauptverantwortung fur die jetzige
Fehlentscheidung trifft, hat anscheinend aus
den Fehlern der Vergangenheit noch nicht
geniigend gelernt. Bei der augenblicklichen
Parteien-Konstellation in Deutschland hatte
sie beim Mehrheitswahlrecht die Moglich-
keit, entcveder wirklich zu regieren oder
eine verantwortungsbewuBte Opposition zu
entwickeln ; sie hat den weimarer Grund-
satz vorgezogen, ?dabei zu sein"!
Man hat in Bonn anstelle des folgerich-
tigen Verhaltnis- and Listenwahlrechts, wie
es die Weimarer Verfassung kannte, ein
Gemisch aus Personen- and Verhaltniswahl-
recht gesetzt. Unter den Grunden, die von
den Befurwortern der Personen- and D4ehr-
heitswahl immer wieder vorgebracht wer-
den, ist das am leichtesten verstandliche:
die bessere Verbindung zwischen VVahler
and Gewahltem, wenn der Wahler weiB, wem
er seine Stimme gegeben hat. Das Kompro-
miB sah vor, daB die Halfte der Abgeord-
neten in 1~inzel- Wahlkreisen nach dem
Mehrheitswahlrecht gewahlt werden sollte.
Indem man so scheinbar der Stimmung and
Forderung der Bevolkerrrng Rechnung trug,
glaubte man wohl darGber hinwegtauschen
zu konnen, daB man durch die Wahl der
iibrigen Abgeordneten nach dem Grundsatz
der Verhaltniswahl in den alten Gleisen der
Koalitionsdemokratie zu verh,rrren wunschte.
Gerade die scheinbare Konzession zeigt, wie
die demokratisch maskierte Biirokratie
agiert.
Nurr gibt es unter denen, die nicht davon
Lassen wollen, dab die einzelnen Abgeord-
neten in einem wirksamen Verhaltnis der
Abhangigkeit von der Parteibiirokratie
bleiben, solche, die es sozusagen ?hinten-
herum" versuchen: von ihnen stammt der
Vorschlag, nach der Ablehnung der bonner
Zustandigkeit durch die Militargouverneure
sollten sich die Parteien, einschlieBlich der
in Bonn iiberstimmten CDU CSU, darin
einigen, daB in alien Landtagen das bonner
Kompromi6 ohne Widerspruch verabschie-
det wiirde. Wir wollen hoffen, dab die Wach-
samkeit and der Protest der Deutschen, die
wissen, worum es geht, diesen Versuch noch
rechtzeitig vereiteln werden
Konrad 1Ylomrnsen.
Warum ich gang
Am '7. Dezember r948 verlieB ich den rus-
sischen Sektor von Berlin and warf zwei
Briefe in den Postkasten, in denen ich Wil-
helm Pieck and dem Chefredakteur der
?Taglichen Rundschau" Oberst Kirsanow
mitteilte, daB ich aus der 5ED austrate and
meine Stellrrng als politischer D4itarbeiter
des Organs der SMA aufgabe. In diese Stel-
lung batten mich meine antifaschistische
Tatigkeit in den Reihen des Nationalkomi-
tees ?Freies Deutschland" in Moskau and an
der Ostfront, meine dort ge~vonnene marxi-
stische >;7berzengung and meine Sympathien
fur RuBland and den russischen blenschen
gebracht. Als ich sie aufgab, war das selbst
fur meine en~ten Freunde in be~den Lagern
- ?Ost" and ?West" -eine Uberraschung.
Gerade hatte ich mit einer viereinhalbmo-
natigen, durch nichts gerechtfertigten Haft
in der amerikanischen Zone etwas erlebt,
was keineswegs daze angetan war, mein
Vertrauen in westliche Freiheit and Rechts-
sicherheit zu starken. Dariiber hinaus hatte
ich bis zum Tage meines Wegganges aus
der russischen Zone meinen kommunisti-
schen 5tandpunkt selbst in kleinstem Kreis
verteidigt and verfochten. first in den letz-
ten vier bis fiinf Tagen, bevor ich den rus-
sischen Sektor verlieB, tat ich das bewuBt
zur Tarnung -aus begreiflichen Grunden.
Vorher aber war es die Weigerung, mir eine
innere Entwicklung einzugestehen, die schon
seit langem in mir begonren hatte.
Was waren die Grunde fur diese Wei-
gerung? Frirchtete ich, Anwurfen and Ver-
leumdungen ausgesetzt zu sein, wie sie bei
einem solchen 5tellungswechsel unvermeid-
lich sind? Nein, ich babe einfach Angst ge-
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habt, einen seelischen Schutz aufzugeben,
den mir dre Zugehorigkeit zu einer starker,
Kollektivitat and ein beinahe schon religi&s
zu nenrender Glaube an die Lehre des
?Marxismus-Leninismus" gewahrten. Denn
diese Lehre tragt tatsachlich ein tiefes
menschliches Anliegen in sich, and sie ver-
sucht einen Ausweg aus der tiefen Krise zu
zeigen, in die Europa rgr4 gestarzt ist.
Ja, ich hatte such einfach Angst, mit die-
sem Eingestandnis eine Entscheidung zu
treffen, die sich spater als ein schwerer Irr-
tum erweisen konnte. Ich hatte den Ver-
dacht, dab es sich um nichts anderes als per-
sonliche Schwache odor Weichheit handle,
wenn meine Bedenken and Gew~issenskon-
flikte vor der bedingungslosen Bejahung der
Gewalt and des Terrors durch die Sowjets
and ihre Anhanger immer starker warden.
AuBerdem war and ist mein Vertrauen, daB
die sogenannte westliche Welt einen Ausweg
aus ihrer Dauerkrise findet, der dem Men-
schen weniger Leiden auferlegt, nicht uber-
aus gro6.
Wenn ich dennoch in diese Welt gegangen
bin, so deshalb, Weil ich Lieber mit dem letz-
Yen Fiinkchen Hoffnung an der Seite der-
jemgen stehe, die an die 3lacht des Geistes,
der Vernuntt and der Einsicht appellieren,
als in einem System zu Leber, das nur die
Gewalt anerkennt. Ich kann nicht meter glau-
ben, daB es eine Losung des Problems der
Beziehungen zwischen der Gesellschaft and
dem Einzelnen bedeutet, ohne Riicksicht auf
Verluste and bei groBter 5krupellosigkeit
in der Wahl der :~9 ittel den Menschen einer
Staatsgewalt oder einer Partei oder meinet-
wegen auch der ?Diktatur des Proletariats"
zu untenverfen, and item lediglich die wage
Hoffnung auf eine unbestimmte Zukunft zu
Lassen, in der die freie menschliche Gesell-
schaft freier Individuen wie durch ein Wun-
der aus der harten Schale dieser totalitaren
Diktatur hervorschliipfen soil.
Das ?Neue Deutschland" hat hinter mir
hergeschrieben, ich sei zwar ein bewahrter
Gegner des Faschismus gewesen, aber ich
sei eben kein Angehoriger der Arbeiter-
klasse, kein Sozialist, sondern als ?verarm-
ter Adliger ein typischer Vertreter des
Kleinbtrrgertums, der in Zeiten gespitzten
Klassenkampfes zu flennen beginnt and ins
andere Lager iiberlauft".
Gut, wenn das ?Neue Deutschland" recht
haben sollte, wenn ich tatsachlich nur ein
weichlicher 5pieBer ware, so hielte ich es
jedenfalls fur ehrlicher and vor allem fur
die Umwelt ungefahrlicher, das einfach ein-
zugestehen. Ich will mir nicht durch krampf-
artiges Festhalten an einer Parteilinie eine
innere Kraft and Starke vortauschen, die
rnich berauscht, weil ich ihr nicht gewach-
sen bin. Gerade das aber ist bei nicht weni-
gen der Ostzonen-Funktionare der Fall,
deren aggressiver and gemeingefahrlicher
Fanatismus nichts anderem als dem unbe-
wuBten Bediirfnis nach einer dauernd wirk-
samen 5elbstagitation entspringt.
Ich babe Kommunisten kennengelernt,
deren Angehorige in irgend einer der vielen
Sauberungsaktionen in der Sowjetunion
fiber die Iilinge springer mu6ten, wobei
sich tnanchmal nachher herausstellte, daB
diese Sauberungsaktion gerade von ?Ver-
ratern" gegen die ?Linientreuen" insze-
niert ~wrde, die auf diese Weise aus dem
Wege geraumt werden sollten. Sie selber
haben als Sippenhaftlinge oder auf Grund
einer ?administrativen" Urteils auf bloBen
Verdacht hin bis zu zehn Jahre Zwangsar-
beit hinter sich. Dennoch siud diese Men-
schen weiter iiberzeugte Anhanger des
Sowjet-Systems geblieben. Sie nehmen
diese Dirge hin, wie etwa ein Soldat im
Felde es hinnehmen muB, daB er einmal
irrtiimlichenveise von der eigenen Artille-
rie beschossen wird, - als eine bedauer-
liche, aber eben nicht immer vermeidbare
Begleiterscheinung einer harten Kampfes.
Es mag sein, daB eine solche iJnterord-
nung des personlichen Schicksals enter den
politischen Glauber im Einzelfalle wirklich
etwas GroBes and Bewunderns~vertes ist.
Wenn aber die Wahrscheinlichkeit solcher
?Pannen" in ernem System zu groB wird,
Weil die absolute Befehlsgewalt einer Partei-
hierarchie jede demokratische Diskussion,
selbst innerhalb der Partei, nnmoglich macht,
Weil die Allgegenwart der Spitzel jede
menschliche Beziehung mit :~1i8trauen ver-
giftet, and weil die Skrupellosigkeit in der
Vernichtung selbst des nur moglichen Geg-
ners jedes R-laB iiberschreitet, darn kann
auch der rresigste technische and wirt-
schaftliche Apparat niclrt die allmahliche
13arbarisierung des Systems verhindern.
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Von 1'.,enin stammt das Wort, daB die
Diktatur des Proletariats keine Gesetze
anerkennt auger denen, die sie sich selbst
setzt, - wobei e~ natiirlich voraussetze.
daB diese Gesetze auf der Basis freier de-
mokratischer Rechte mindestens fur die Ar~
beiterklasse oder besser fur die ?Werktati-
gen" erlassen wiirden. In der Sowjetpraxi~
aber ist dieses Wort langst so abgewandeh
~vorden, daB sich der Partei-, Staats- and
Geheimpolizeiapparat nicht einmal mehr an
die Gesetze halt, die er selber voller Will-
kiir erlaBt. ?Becht ist, was der Fuhrer
spricht", - diese ,~techtsgrundlage" des
Dritten Reiches war beinahe Hoch sicherer
als die des Sowjetsystems, in dem man in
keiner Minute voraussehen kann, Hach wes-
sen bVillkiir sich das ?Becht" gerade rich
ten wird.
Ich mochte gewiB nicht in das )~xtrem
einer vereinfachenden Gleichsetzttng von
Faschismus and Bolschewismus fallen, ob-
wohl - ich brauche das wohl nicht weiter
auszufiihren - die nackte beziehungslose
Wirklichkeit oft eine geradezu erschiitternde
Ahnlichkeit der beiden Systeme aufzeigt.
Sowohl Ausgangspunkt wieLiele sind jedoch
grundverschieden. Die itiiachterschleichung
der deklassierten and pathologischen Aben-
teurer von ty33 hat nichts zir tun tnit dem
vulkanischen Ausbruch der Lange zuriick~
gestauten Krafte des russischen Volker im
Jahre ryr7. Ich glaube, daB Sehnsucht Hach
Freiheit and Hach der Verwirklichung deg
Nlenschen, Antriebe der in der bolschewisti-
schen kevolution zum Ausdruck gekomme-
nen geistigen Bewegung, auch heute Hoch
wirksam sind, and daB sie gegen den uner-
horten MachtmiBbrauch im heutigen Su-
wjetsystem ein moralisches Gegengewicht
bilden, auf das man vielleicht Hoffnungen
griinden kann.
In den von den Sowjets besetzten Ge-
bieten jedoch fehlt selbst dieses Gegenge-
wicht. >;s fehlt das Gewissen einer echten
Volksrevolution Sowohl bei denen, welche
die Besetzung durchfiihren and sich bereits
allzusehr an die Rolle von Okkupanten ge-
wohnt haben, wie bei denen, die mit ihnen
zusammenarbeiten. Es ist eben ein groBer
Unterschied, ob die Volker ihre Revolutio-
nen selber machen oder ob sie ihnen von
au Ben aufgenotigt werden. Sogar wean man
dem Sowjetregime groBe Verdienste um den
kulturellen and wirtschaftlichen Fortschritt
der Sowjetvolker nicht bestreiten will, ist
es unertragiich, mitanzusehen, wie sehr die
Sowjets vergessen, dab sie Hach einem Worte
Stalins erst einmal hundert Jahre europa-
ischer Entwicklung nachzuholen hatten; wie
;ehr sie vergessen, daB diese plotzliche Kraft-
anstrengung Opfer gekostet hat, die selbst im
Vergleich mit den Opfern eines halben Jahr-
hunderts ?kapitalistischer Ausbeutung and
imperialistischer Kriege" kein Grund sind,
sich so furchtbar stolz and iiberlegen gegen-
iiber der ubrigen Welt zu zeigen. Es ist
unertraglich, Weil sich aus diesem Vergessen
oder besser Verschweigen die widerwartige
Mischung von schulmeisterlicher Gewalt and
herablassender Arruganz crgibt, mit der die
Sowjets den Deutschen in der Ostzone ihr
System aufzwingen
Die Sowjets wollen nicht begreifen, daB
das, was in RuBland mit seiner damals iiber-
wiegend analphabetischen Bevolkerung vor
dreiBig Jahren vielleicht richtig war, Hoch
Lange nicht im Mitteleuropa con i,g4y zu
rechtfertigen ist. Sie wollen sich auch nicht
cingestehen, daB sie imrner Hoch sehr groBe
Anstreugungen machen mussen, um West-
europa auf alien L,ebensgebieten wirklich
einzuholen. Solange sie aber den Aqut zu sol-
chen Einsichten richt aufbringen and auf
diese Weise endlich ihren Minderwertig-
keitskomplex auflosen, der nicht nur das
System als Ganzes, sondern auch vicle sei-
ner einzelnen Anhanger so miBtrauisch, un-
berechenbar and aggressiv macht, solange
wird es in den von den Sowjets besetzten
Gebieten kerne Freiheit and damit auch
keinen Sozialismus geben. Dean durch die-
ses MiBtrauen and diese Aggressivitat schaf-
fen sie sich erst die Feinde, an denen sic dann
ihre Gefiihle abreagieren konnen. - Nach
Marx ist aber ein Volk, das andere Volker
niederdriickt, selbst nicht frei.
Ich weiB, daB es im kommunistischen La-
ger, insbesondere auch gerade unter den
Russen, viele intelligente and auch fein emp-
findende Menschen gibt, die der tiefen t7ber-
zeugung sind, ihr Bestes fiir eine gliickliche
Lukunft der Menschlreit zu tun. Aber sie
leben in der Tauschung, daB der Zweck jedes
Mittel, ja jedes Verbrechen heilige. Sie haben
nicht dea Mut, vor sich selbst and de.* Welt
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einzugestehen, dab dieser Satz eine teuf-
]ische Gefahr in Bich birgt: die moralische
Atmosphare so zu vergiften, dab alley das
stirbt, was dem \lenschen rein mensch-
Iiches Antlitz gibt.
Wem aber diese Gefahr bewuBt wird -
und um diesel Bewufitwerden handelt es rich
bei jenem inneren Entwicklungsproze6, von,
dem ich eingangs sprach -, ist verpflichtet,
von ihr zu sprechen. Da das im :14achtbe-
reich der sow jetischen Geheimpolizei nicht
miiglich ist, hahe ich inn verlassen.
Beobachtungen and Bemerkungen
Die hamburger Sektion der Weltorgani-
sation der [\liitter hat in einer eigenen gro
Ben Kundgehung unter dem Motto: ?Sie
gaben - wir danken" denen in alley Wen
gedankt, die all private and oft anonyme
Spender den Deutschen in den letzten drei
Jahren zu Hilie gekotnmen sind.
Ja. Endlich !
bVenn Foderalismus diese ihre Grundein-
sicht in Sachen der Schule zum Bundesgeae?z
machen mochten, so vertreten lie nur form;+1
die Sachc des Bundes gegen dal Land, in
LVahrheit aber die Sache der Familie gegen-
iiber Land acrd Bund. Dal ist genauso in-
konsequent> wie es inkonsequent von der
hranzosischen Revolution war, dic indivi-
duclle Freiheit durch ein a!l,~emein gelten-
des Gesetz einzufiihren.
Im Parlarnentarischen Rat zu Bonn ist
einige 1Tonate, nachdem man darauf ver-
zichtet hatte, die Gleichberechtigung der
Fran im Grundgesetz festzulegen, folgender
Antrag von der SPD gestellt and von der
Il~Iehrheit der anderen Parteien abgelehnt
worden. r. Das uneheliche T{ind steht dem
ehelichen gleich. z. Es gilt mit seinem nattir
lichen Vater all ve'nvandt. 3. Duren die
Gesetzgebung sind ihm die gleicher. Bedin-
gnngcn fiir seine leihliche, seelischc and ge-
sellschaftliche 'I'iichtigkeit ztt schaffen wir
dem ehelichen Kind.
Abgelehnt also. .4n keiner Stelle fordert
die christliche Lehre eine rechtliche Beein-
trachtigung des unehelichen Kindel oder
iiberhaupt die Diskriminiernng trgendeincc
17enschen, der schuldln~ ist. Ungcrechtig-
keit ist keinesfalls ein geeignetes '.1littel, he-
denklichen gesellschaftlichen F,ntwicklungen
entse~enzurvirken.
Iiu sozialdemokratischer )\linister find
es, in einer taktischen ~'Vendung, ?inkonse-
quent" von der foderalistischen CDl', data
ste das 1~lternrecht in der l,undewerfassun~;
verankern wolle: lie drone damit ja ?die
].tinder unter das Joch des l;undes zu briu
gcn".
~`2r Foderalismus ist nicht die Lehre von
der Allmacht der deutschen Lander. J~r ist
die Lehre von der gestuften Veranrisortung.
In Hessen rvurden in der %eit von Sep-
tember t9g8 bis I'ebruar r949 nicht weniger
all it zf6 Haasdurchsuchungen vorgenom-
nteu. In 6; Prozent der F:ille lag keiu rich-
terlicher Befehl vor. Tn VVtirttemberg-Baden
fehlte er in gi, in Bayern in 8q Prozent der
Falle. Das hessische Inrenministerium er-
klarte, die Polizeibeamter. seien bisher Hach
der StrafprozeY+ordnung vor, rc~g6 and nicht
Hach der hes~ischen ~-erfassung geschult
worden ; in 7_ukunft werde die I'olizei dar-
auf hingewiesen werden, daB die Bestim-
nrungen der Verfassung einzuhalten seien.
Beruhigend, nicht water? Die hessische
Verfassung wurde immerhin am r. Dezem-
ber rc146 angcnommen and in Kraft gesetzt.
!hr Artilcel R lautet schlicht: ,;Die \Z'oh-
nung ist uneerletzlich." Jetzt zahlen wir
Frtihling rggq. Ein H~rchwasser pliitzlicher
Cingriffe der Besatzungsmacht hat die ad-
ministrative Briicke zum Einsturz gebracht,
auf der die totalitare Verachtung der A1en-
schen~echte oE-ensichtlich in eine scheindeme-
kratische 7.u1