OFFICIAL PUBLICATION OF THE GERMAN ACADEMY OF SCIENCES, NOVEMBER-DECEMBER ISSUE
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CIA-RDP80T00246A041700050001-3
Release Decision:
RIPPUB
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C
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101
Document Creation Date:
December 22, 2016
Document Release Date:
April 27, 2010
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1
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Publication Date:
April 18, 1958
Content Type:
REPORT
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C-O-N-F-I-D-E-N-T-I-A-L
COUNTRY East Germany REPORT
SUBJECT Official Pialication of the German DATE DISTR. aR
Academyy:of Sciences, November-December
Issue NO. PAGES 1
DATE OF
INFO.
PLACE &
DATE ACQ.
REFERENCES RD
ARE DEFINITIVE. APPRAISAL OF CONTENT.IS TENTATIVE.
(November-December 1957
issue of the Mitteilungsblatt fuer die Mitarbeiter.der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Included in this issue are
artidles on the following topics: the work of the research society;
an open letter to Dr. H. J. Born who defected to the West in late
1957; the Academies'of Sciences of Bulgaria, Rumania, Czechoslovakia
and Hungary; the International Geophysical Year; the work of the
institutes; reports on trips anal special celebrations. (1 magazine
in German)
PROCESSING COPY
C-O-N-F=I-D-E-N-T-I-A-L
STATE X ARMY X NAVY g AIR x FBI AEC
I (Note: Washington distribution indicated by "X"; Field distribution by "# ".)
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1
FUR DIE MITARBEITER
DER DEUTSCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN
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Vizeprasident
Prof. Dr. H. Ertel
Akademiemitglied
Prof. Dr. P. A. Thiessen
Akademiemitglied
Prof. Dr. A. Baumgarten
Prof. Dr, H. Barwich
Dr. W. Girnus
President der Akademie der
Wissenschaften der UdSSR
A. N. Nesmejanow
Akademiemitglied
Prof. Dr. E. Correns
Prof. Dr. H. Klare
Vizeprasident
Prof. Dr. H. Friihauf
Zum Jahreswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
Ein historisches Ereignis von weltumgestaltender Bedeutung . 9 256
Sowjetische Gegenwart, erlebt in Laboratorien und Betrieben . . . 257
Die Rolle der Oktoberrevolution in der Geschichte . . . . . . . . . . 266
Ein Beitrag zur Unterstiltzung des Gedankens der friedlichen Koexistenz 270
Die Befreiungsstunde des prorrietheischen Geistes . . . . . . . . . . . 274
40 Jahre sowjetische Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
Der Krieg kann verhindert, der Frieden gefestigt werden . . . . . . 298
Die politische Entwicklung und der Fortschritt unseres Staates enden
nicht an der Pforte unseres Instituts . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
Die Forschungsgemeinschaft
Bericht fiber die bisherige Arbeit der Forschungsgemeinschaft 307
Geschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
Brief an Prof. Dr. H.-J. Born . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
Berichterstattung der Akademie-Delegation im Plenum fiber die
Reise in die Volksrepublik China
Ein Uberblick .. ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
Vereinbarungen fiber die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit
auslendischen Akademien
Bulgarische Akademie der Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . 322
Akademie der Rumanischen Volksrepublik . . . . . . . . . . . . . . 322
Tschechoslowakische und. Slowakische Akademie der Wissenschaften , 322
Ungarische Akademie der Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . 323
Das Internationale Geophysikalische Jahr 1957/1958
Prof. Dr. H. Philipps Wissenschaftler der Deutschen Demokratischen Republik beteiligen sich
an Expeditionen des'Internationalen Geophysikalischen Jahres . . . . 323
Prof. Dr. A. Kahrstedt Die k- nstlichen Erdsatelliten . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
Dr., R. Ippeu
Akademiemitglied
Prof. Dr. W. Unverzagt
M. Kolling
Dr. F. Ludwig
Akademiemitglied
Prof. Dr. P. Gorlich
Prof..Dr. O. Hachenberg
G. Scheidler / M. Hohne
D. Stockmann
Prof. Dr. O. Neuendorff
Aus der Arbeitder Institute )
.Die DDR - Mitgliedstaat des Vereinigten Instituts fiir Kernforschung
in Dubna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
Lin Richtfest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
Kollegeribesuch auf dem Burgwall von Behren-Lilbchin, Kr. Teterow 328
Zur Geschichte des Vorabends der Novemberrevolution / Ein Sammel-
band des Instituts ffir Geschichte ,zum 40. Jahrestag der Grol3en Sozia-
listischen Oktoberrevolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
Zur Statistik caber die wissenschaftlicheri Mitarbeiter an den?Forschungs-
instituten der Deitschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin . 330
Tagungs- und Reiseberichte
44. Sitzung der Indian Science Congress Association . . . . . . . . 331
Generalversammlung der URSI in Colorado . . . . . . . . . . 334
Festkorperphysik und Physik der Leuchtstoffe . . . . . . . . . . . 335
Fachkongref3 fur Tanzschrift und Volkstanzforschung . . . . .. . 335
Eindrucke von einer Reise nach Bukarest . . . . ..... . . . . . . . 337
Die Stimmedes Volksvertreters
Sozialistische Demokratie" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
Miszellen
Dr. H. Linde / Dr. H. Kaiser Zwei Diplome . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . 339
Prof. Dr. W. Radig Jahrbuch der DDR 1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
Der Aufbau des Kommunismus und die Wissenschaft (ein Hinweis) 342
Nachrufe, Ehrungen und Ernennungen . . . . . . . . . . . . . 342
Mitteilungen auslendischer Akademien . . i . . . . . . . . . . 3415
Nachrichten aus dem Presidium . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
Nachrichten aus den Klassen . . . . . . . . . . . . . . . 346
Aug der,Arbeit der Akademie-Bibliothek
Wie erwirbt die Akademie-Bibliothek ihre Bucher? . . . . . . . . . . 348
Verschiedenes
Ernteeinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Buchausstellung des Akademie -Verlages in Prag, . . . . . . . . . . . 349
Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
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MITTEILUNGSBLATT
FUR DIE MITARBEITER
DER DEUTSCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN
3. Jahrgang November/Dezember 1957 Heft 11/12
Zum Jahreswechsel
Ein an politischen and wissenschaftlichen Ereignissen inhaltsreiches Jahr liegt
hinter uns. Seine Ereignisse and ihre gropen Wirkungen erfililen uns mit Hoff-
nung and Zuversicht auch fur das Jahr 1958.
Zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit ist es Wissenschaftlern and
Forschern gelungen, materiell in den Weltenraum vorzudringen and Lebewesen
auf3erhalb der Erde den kosmischen Gesetzen zu unterwerfen.
Zum wiederholten Male erhoben die Volker ihre Stimme, den Frieden zu erhalten
and zu festigen, denn es bedarf weder der Kenntnis eines Gelehrten,,noch der
Pliantasie eines Dichters, um zu sagen, dap ein Krieg, wenn die Volker ihn zu-
liepen, alles ubertreffen wurde, was die Menschheit bisher an Leid erfahren hat.
Der Mensch aber, dessen Vernunft der Natur mehr and mehr ihre Geheimnisse
entreipt and sie immer umfassender seiner Macht unterwirft, ist imstande, Krieg
and Selbstvernichtung zu verhindern.
Wir, die wir der Wissenschaft dienen, wissen, dap der Mapstab echter Wissen-
schaftlichkeit allein darin zu suchen ist, ob Forschung and Lehre dem Frieden,
dem Leben nutzbar gemacht werden oder Krieg and Tod ihr Ergebnis sired. Des-
halb mup es immer unser vornehmstes Anliegen bleiben, echte Wissenschaft zu
betreiben. Hierzu bedarf es weder grof3artiger Proklamationen noch feierlicher
Erklarungen, sondern der verantwortungsbewupten Erfullung klar erkannter
ubernommener Pflichien.
Ein Riickblick auf die Entwicklung unserer Akademie beweist, dap mit der Bil-
dung der Forschungsgemeinschaft der naturwissenschaftlichen, technischen and
medizinischen Institute der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
ein groper entscheidender Schritt vorwarts gegangen wurde. Die Neuordnung
der wissenschaftlichen Produktion and die Konzentration wissenschaftlicher
Produktionsfahigkeit erfordern ungewohnliche Anstrengungen, die gropere
Leistungen and groperen Nutzeffekt fur die Festigung unseres Staates hervor-
bringen werden.
Es ist nicht abwegig, an der Schwelle eines neuen Jahres Gedanken i1ber die Art
zu arbeiten auszusprechen. Die Fulle der zu meisternden Aufgaben verlangt eine
neue Art von Gemeinschaftsarbeit, die sozialistische Gemeinschaftsarbeit, in der
jeder, auch im Rahmen seiner Teilaufgabe, fur das Ganze voll mitverantwortlich
ist. Diese Gemeinschaftsarbeit bedeutet keineswegs eine Beschrankung der in-
dividuellen schopferischen Tatigkeit; sie erst macht eigentlich die voile Entfaltung
individueller schopferischer Arbeit moglich.
Unser Staat der Arbeiter and Bauern bietet uns weitreichende, vielseitige and
sichere Schafensmoglichkeiten materieller and ideeller Art.
Sie verantwortungsbewupt zu nutzen . heipt, uns allen bessere Ernahrung, ge-
steigerte Lebenserwartung and reichere Lebenshaltung zu erschliepen.
Ein neues hoffnungsvolles Jahr liegt vor uns.
Mit dem Bewuptsein, ein sinnvolles Leben zu gestalten, werden sich auch unsere
Krafte fur ein friedliches and gliickliches 1958 vervielfachen.
H.FRUHAUF G. RIENACKER
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256 MITTEILUNGSBLATT
3. Jahrgang, Heft 11/12
Ein historisches Ereignis von weltumgestaltender Bedeutung
Das Plenum der Deutschen Akademie der Wis-
senscha f ten zu Berlin trat am Donnerstag, dem
7. 11. 1957, anlaf3lich des 40. Jahrestages der
Grof3en Sozialistischen Oktoberrevolution zu
einer Festsitzung zusammen. Die Begruf3ungs-
worte sprach Vizeprasident Prof. Dr. HANS ERTEL.
,,Hiermit eroffne ich die aus AnlaB des 40. Jah-
restages der GroBen Sozialistischen Oktober-
revolution veranstaltete Sondersitzung des Ple-
nums der Deutschen Akademie der Wissenschaf-
ten zu'Berlin.
Vielfach sind die Griinde, die unsere Akademie
zur Veranstaltung dieser Sondersitzung veran-
laf3t haben. Gestatten Sie mir bitte, nur die wich-
tigsten hier kurz zu tangieren, bevor ich dem
Festredner, Hrn. Thiessen, das Wort ubertrage.
In der Gesamtheit ihrer Mitglieder vereinigt
unsere Akademie Manner, die hochste wissen-
schaftliche teistungen auf ihren Spezialgebieten
init einem umfassenden Verstandnis der realen
Welt harmonisch zu verbinden verstehen. Zum
erfolgreichen Verstandnis der Welt ist aber die
Berilcksichtigung historischer Tatsachen uner-
laf3lich, zumal wenn es sich, wie im vorliegenden
Falle, um ein historisches Ereignis von weltum-
gestaltender Bedeutung handelt.
Aber auch als Spezial-Wissenschaftler haben wir
allen Grund, ? die GroBe Sozialistische Oktober-
revolution nach nunmehr vier Dezennien in
ihren Auswirkungen sowohl fur die wissen-
schaftliche Forschung' als auch fir die Forscher
zu wirdigen. Als deutsche Wissenschaftler diirfen
Nachstehend veroffentlichen wir vier Vor-
trage, die von den Herren Akademiemitgliedern
Prof. Dr. P. A. THIESSEN and Prof. Dr._A BAUM-
GARTEN Sowie von Prof. Dr. H. BARWICH, Mitglied
der Sektion fur Physik der Deutschen Akademie
der Wissenscha f ten zu Berlin, and Herrn Staats-
sekretar Dr. W. GIRNUS, Mitglied des Kura of
riums der Forschungsgemeinschaft der natur"-
wissenschaftlich.en, technischen and med.izini-
schen Institute der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin, anlaf3lich des 40. Jah-
restages der Grof3en Sozialistischen Oktober-
wir uns bei diesem Anlaf3 daran erinnern, daB
die GroBe Sozialistische Oktoberrevolution and
die damit eingeleitete GrUndung des ersten
sozialistischen Staates auf Ideen zweier deutscher
Wissenschaftler berUht, Karl Marx and Friedrich
Engels. Ich darf ferner daran erinnern, daB in
den ersten Lebensjahren theses sozialistischen
Staates eines unserer prominentesten korrespon-
dierenden Mitglieder, Fridtjof Nansen, fur diesen
von fast aller Welt verleumdeten neuen Staat in
den schweren Zeiten der groBen Hungersnote
die tatkraftigste internationale Hilfe organisierte
and erwirkte.
Wir wollen uns ferner stets gegenwartig halten,
daB in den Lehren des Sozialismus die Wissen-
schaft einen integrierenden Bestandteil bildet.
Dementsprechend hat der Sozialismus fur die
Position des Wissenschaftlers in der Gesellschaft
einen Rang erkampft, der alien anderen poli-
tischen Systemen fehlt.
Die Auswirkungen der auf dieser gesellschaft-
lichen Hochschatzung basierenden Arbeit der
Wissenschaftler in einer sozialistischen Gesell-
schaft werden gerade in diesen Wochen and
Tagen durch die Erfolge der sowjetischen For-
schung and ihrer technischen Anwendungen
i berzeugend dokumentiert. Es kann uns daher
mit Stolz und- Freude erfi lien, daB unsere Aka-
demie durch zahlreiche and freundschaftliche
Beziehungen mit der Sowjetischen Akademie der
Wissenschaften verbunden ist, and als einen
Ausdruck dieser Beziehungen lassen Sie uns
auch die heutige Sondersitzung betrachten."
revolution auf Festsitzungen and Festveranstal-
tungen gehalten wurden.
Akademiemitglied Prof. Dr. P. A. Thiessen
sprach auf der Festsitzung. des Plenums der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
am 7. 11. 1957, Akademiemitglied Prof. Dr.
A. Baumgarten den Akademieinstituten
Potsdam-Babelsberg, Prof. Dr. H. Barwich vor
deutschen Naturwissenschaftlern and Tech-
nikern am 16. 10. 1957 and Staatssekretar Dr.
W. Girnus am 28. 10. 1957 an der Friedrich-
Schiller-Universitat Jena.
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3. Jahrgang, Heft 11/12
Sowjetische Gegenwart, erlebt in Laboratorien and Betrieben
Zur vollen Wurdigung der geschichtlichen Be-
deutung der Revolution vom Oktober des Jahres
1917 ware es notig, in Tiefe and Breite die ideo-
logischen Grundlagen and die politische Vor-
geschichte dieses weltbewegenden and weltver-
andernden Ereignisses zu erortern.
Ich bin dazu nicht in der Lage. Von berufener
Seite wurde in diesen Tagen die GroBe Soziali-
stische Oktoberrevolution in ihrem Ablauf, in
ihrer geschichtlichen Bedeutung and in ihren
politischen Folgerungen umfassend dargestellt.
Die Oktoberrevolution von 1917 wird in vielem
als Folge and Vollendung der Franzosischen
Revolution vom Juli 1789 angesehen. Diese Auf-
fassung ist unrichtig. In den Julitagen des Jah-
res 1789 trug die Aufklarung zweifelsohne reiche
Friichte, obwohl sie Bich nicht genugend von
Mythos and Mystik befreien konnte. Um die
Welt wirklich umzugestalten, bedurfte es gro-
Berer Anstrengungen. Die Franzosische Revolu-
tion hatte den ,vierten Stand" ignoriert and den
schwerarbeitenden Menschen im Elend belassen.
Vom GenuB der proklamierten Menschenrechte
blieb er ausgeschlossen. Sie konnte auch einen
beruhmten Naturforscher wie Lavoisier nicht
vor dem Blutgerust bewahren.
Die GroBe Sozialistische Oktoberrevolution ist
das Produkt der reinen ?ratio", der ? wissen-
schaftlichen Logik in ihrer strengsten Form. Die
Anschauung der Kausalitat, die Uberzeugung,
daB es keine Wirkung ohne wissenschaftlich er-
kennbare, sagen wir, nati rliche Ursache gebe,
gilt unbestritten als eine der ideellen Wurzeln
der GroBen Sozialistischen Oktoberrevolution.
Wenn ich heute als Naturwissenschaftler zu
Ihnen spreche, so bedeutet das nicht, daB die
Naturforschung etwa der einzige Faktor ist, der
das Leben im sowjetischen Staatswesen gestaltet
and seine Lage in der heutigen Welt bestimmt.
Aber die Naturwissenschaft bildet eine wesent-
liche Grundlage des sowjetischen Staatswesens,
die jeder anderen LebensauBerung reale Wir-
kungsmoglichkeiten gibt and sie gewissermaBen
auf die Erde stellt.
Von der Naturwissenschaft hangt die Technik
ab. Diese ist in alien ihren Teilen vom Anfang
der Menschheitsgeschichte an ein Erzeugnis der
Wissenschaft, wenn wir als wesentliche Merk-
male der ,Wissenschaft" verstehen: Beobachten,
Erkennen, folgerichtiges Verbinden, Voraus-
sagen and Anwenden der gewonnenen Erkennt-
nisse.
Wir haben in den jiingsten Tagen erlebt, daB die
Sowjetunion - schon kurze Zeit nach dem Be-
ginn des Unternehmens, sich riesenhafte Gebiete
des irdischen Raumes nach and H5ach zu er-
schlieBen - mit materiellen Mitteln in den
Weltenraum vorgedrungen ist and Lebewesen
auBerhalb der Erde den kosmischen Gesetzen
unterworfen hat.
Gerade dieses Ereignis hat nicht nur Erstaunen
and Bewunderung, sondern auch Furcht hervor-
gerufen. Das beruht nicht zuletzt auf einer Fiille
von MiBverstandnissen fiber Werden and Wesen
des sowjetischen Staatsgebildes. Eine objektive
wissenschaftliche Beobachtung hatte in Wirk-
lichkeit eine gerechte Wurdigung des Entstehens
and Wachsens der Sowjetunion moglich machen
mussen.
Voreingenommenheit, Vorurteile and die prin-
zipielle Ablehnung der volligen Verwirklichung
sozialistischer Ideen haben zu einer Blindheit
gefuhrt, die im Zeitalter naturwissenschaftlicher
Erkenntnisse eigentlich nur schwer verstandlich
ist. Eine einfache Befragung zahlreicher viel-
seitig'gebildeter, intelligenter, geistig geschulter
Menschen zeigt das ilberraschende Ergebnis, dab
die Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus be-
kampft werden, ohne daB Bich die jeweils Be-
fragten auch nur bekannt gemacht haben mit
den Gedankengangen von Marx, Engels and
Lenin.: Sicherlich nur wenige grundsatzliche
Gegner sozialistischer Ideen wissen, daB in
Schriften, Reden and Briefen Lenins viele emi-
nent lebensnahe and praktische Anweisungen
stehen, mit deren Befolgung die Sowjetunion
gut gefahren ist!
Noch erstaunlicher ist die Beobachtung, wie
wenig die nachgewiesenen schopferischen Krafte,
besonders die naturwissenschaftlichen and tech-
nischen Leistungen der Sowjetunion beachtet
oder gar bewertet wurden and werden.
Die Folgerungen aus der jungsten Erfahrung
sind vielfaltig and einander oft diametral wider-
sprechend. Zwischen der Anerkennung oder Be-
wunderung wird auch ausgesprochen, daB man
sich durch den sowjetischen VorstoB in den
Weltenraum provoziert fiihle. Im gleichen Atem-
zug behauptet man freilich, die Sowjetunion
habe mit dieser Entwicklung ihre Krafte ge-
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3. Jahrgang, Heft 11/12
wisserma3en uberzogen and naturwissenschaft-
liche Erkenntnisse zu Demonstrationen mif3-
braucht, die zu Lasten einer Bevolkerung gehen,
die in Hunger, Elend and Unwissenheit vege-
tiere. In diesem Zusammenhang wird auch be-
hauptet, daf3 es nicht moglich? sei, das bisher
streng zentral gelenkte sowjetische Staatswesen
in all seinen Bereichen, der Volkswirtschaft, der
Wissenschaft and der Technik, raumlich auf-
zugliedern, zu dezentralisieren, ohne daB fur
Ordnung and Zusamfnenhalt der Sowjetunion
die schlimmsten Folgen eintreten muf3ten.
Diese Auffassung widerspricht der tatsachlichen
Lage! Derartige SchluBfolgerungen brauchten
uns nicht weiter zu beriihren, wenn sie nicht so
unendlich gefahrlich waren. Ahhliche Spekula-
tionen haben in den Jahren nach 1917 zu den
bertichtigten Interventionskriegen gefiihrt, in
denen die junge Sowjetmacht auf ihrer jiingsten
Entwicklungsstufe sehr harten Proben aus-
gesetzt war. Sie hat diese Prifungen be-
standen!
In unseren Tageri sind solche spekulativen Ge-
dankengange and Mif3verstandnisse unvorstell-
bar gefahrlicher. Im Vergleich zu den ersten
Jahren nach 1917 sind heute gewaltige Krafte
im Spiele. Ihre Entfesselung wurde mit hoher
Wahrscheinlichkeit dazu fi hren, da3 es nach
einer weltweiten kriegerischen Auseinander-
setzung keine Uberlebenden mehr gabe.
Gegen diese unendlich groBe Gefahr gibt es nur
ein Mittel, namlich die Wahrheit zu lehren!
Jeder, der sie mit Fug and Recht sagen darf, dem
man glauben kann, muf3 reden! Hier ist nicht
Reden Silber and Schweigen Gold - hier ist
Reden unbedingte Notwendigkeit!
Im Gegensatz zu einer Maxime, die im vorigen
Jahrhundert unter anderen Bedingungen, aus
anderen Anlassen in Frankreich gepragt wurde:
Niemals davon reden, immer daran denken -
sage ich heute - immer daran denken and
immer davon reden!
Dem einzelnen wird es nur dann and dort mog-
lich sein, glaubwurdig aufzutreten, wo er seine
Aussagen and Folgerungen aus eigener Erfah-
rung begriinden kann. Er muB Horern and
Lesern die Motivierung seiner Beobachtungen
soweit vermitteln, dab sie selbst urteilen kon-
nen. Sie sollen fahig werden, sich den Umrech-
nungsfaktor zu bilden, nach welchem sie die
Meinungen des Sprechenden ihrem Wissen assi-
milieren konnen.
Lassen Sie mich beerwnden, weshalb ich mich
der schweren Aufgabe nicht versagt habe, vor
einem Kreis von Menschen geschliffenen Geistes
uber eine so weltbewegende Frage zu reden. Ich
lebte and arbeitete elf Jahre in der Sowjetunion.
Das ist mehr als ein Viertel der Zeit, die seit der
Grof3en Sozialistischen Oktoberrevolution von
1917 verflossen ist. Diese elf Jahre brachte ich
tatig mitten im Volke zu, in Laboratorien and
Betrieben. Ich babe mit den sowjetischen Men-
schen gearbeitet, mit ihnen gelitten, mich ?mit
ihnen gefreut. Auch habe ich menschliche
Schwachen uberwinden miissen wie sie.
Lassen Sie mich zunachst erklaren, warum ich
im Jahre 1945 der Einladung in die Sowjetunion
gefolgt bin.
Schon in meinem Elternhause wurde ich mit den
preuBisch-bismarckschen Auffassungen uber das
Verhaltnis Deutschlands zu seinen ostlichen
Nachbarn and insbesondere zu RuBland ver-
traut. Unzahlige Male horte ich meinen Vater
sagen, dab die einzigen Staatswesen, von denen
uns keine nattirlichen Spannungen trennen, mit
denen uns vielmehr nattirliche Interessen ver-
binden, diejenigen sind, die im Osten liegen, vor
alien Dingen RuBland. Ich lernte geradezu als
Axiom kennen, daB gute Beziehungen zwischen
Deutschland and. RuBland die Grundlage fur
Frieden and Wohlstand sind. Daher war mir der
Gedanke an friedliche Beziehungen zur Sowjet-
union nach dem zweiten unseligen Weltkrieg
nicht fremd. Dennoch war ich mit hundert Vor-
behalten aus Erziehung and Vergangenheit, mit
recht groBer Skepsis belastet. Ich bin mit der
Uberzeugung zurtickgekommen,, dab sich die
Sowjetunion and Deutschland, and zwar nicht
nur die Deutsche Demokratische Republik, son-
dern auch die. Deutsche Bundesrepublik - das
ganze Deutschland also - auf zwanglose natiir-
liche Weise ausgezeichnet erganzen. Wir wollen
mit den sowjetischen Menschen in der Kenntnis
der beiderseitigen potentialen Verteilung der
Krafte and der Bedirfnisse beider Nationen
friedlich zusammenleben and zusammen ar-
beiten.
Diese Auffassung ist viel mehr als etwa nur
meine subjektive Meinung, sie entstand als Pro-
dukt eines langen Prozesses. Sie formte sich in
zahlreichen Diskussionen mit deutschen Ge-
lehrten and Technikern aller Bereiche, die gleich
mir in dieser Zeit in der Sowjetunion mit den
sowjetischen Menschen lebten. Die Uberwindung
eigener Vorbehalte and Vorurteile festigte meine
Uberzeugung. In diesen Jahren gab es fur uns
nicht nur belle Stunden. Auch Zeiten tiefer
Depressionen waren zu uberwinden. Schwierig-
keiten mannigfaltiger Art, Unzulanglichkeiten,
Argernisse and MiBverstandnisse waren weder
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3. Jahrgang, Heft 11/12 MITTEILUNGSBLATT
gewollt noch beabsichtigt. Aber Sie wissen:
Herzenstakt ist keine Pflanze der Amtsstuben.
In diesen pflegen sich die Dinge harter zu stoBen,
als es das Leben verlangt. Hier zugefiigte Ver-
letzungen heilen schwer and schmerzen lange.
Ich habe mich bemuht, sie zu uberwinden and
es ist mir gelungen. Dabei half entscheidend das
Verhaltnis zur sowjetischen Bevolkerung, die
selbstverstandliche and menschlich aufgeschlos-
sene Art, mit der mich Kollegen aufnahmen.
Nicht zuletzt half mir dabei das Verhaltnis zu
meinen sowjetischen Mitarbeitern, mit denen ich
viele Jahre in Laboratorien and Betrieben zu-
sammengearbeitet habe. Sie wuchsen zu einer
uberaus klugen and fleiBigen Arbeitsgemein-
schaft zusammen. Es ware mir eine Freude and
ein Gewinn gewesen, wenn ich sie so, wie sie
sie waren, nach Deutschland hatte einladen kon-
nen. Sie waren bei uns, wie in jedem beliebigen
anderen Land als eine Gemeinschaft erstklas-
siger wissenschaftlicher Arbeiter alter Kate-
gorien anerkannt worden. Ich denke heute noch
gern an sie, ich vergesse sie nicht and werde sie
auch nicht vergessen. Ich werde mich freuen, sie
in der Sowjetunion oder vielleicht in meinem
kiinftigen Labor wiederzusehen.
Aus dem Bereich meiner eigenen Erfahrung
mochte ich vor alien Dingen uber die Entwick-
lung des wissenschaftlichen Nachwuchses, uber
Sinn and Methoden der Planting in Wissenschaft
and Technik sowie uber die Gemeinschaftsarbeit
in der Sowjetunion berichten. Erlauben Sie mir
hierzu eine Vorbemerkung. Ich werde mir Super-
lative schenken. Tatsachen bedi rfen ihrer nicht`
Ich werde aber auch nichts beschonigen. Denn
in der Sowjetunion verlangt man ohnedies nicht,
durch Ubereifer fur Dinge beweispflichtig zu wer-
den, die man selbst nicht zu beweisen wunscht.
Die Burger der Sowjetunion sind keine voll-
kommenen Wesen, sind nicht aus Versehen auf
Erden vergessene Heilige. Sie sind wie wir Men-
schen von Fleisch and Blut, mit Impulsen, Kraf-
ten and Gefiihlen, mit Fehlern and Schwachen.
Ein Unterschied besteht jedoch: Sie lassen sich
von einer universalen Idee leiten, an der zu
zweifeln ihnen absurd erscheint. Wenn immer
sie ihre Unzufriedenheit fiber Unzulanglichkeiten
des Lebens 5ul3ern, werden sie niemals eine an-
dere Ideologie als die der sozialistischen Gesell-
schaftsordnung, als die des Sozialismus, der sich
iin Ubergang zum Kommunismus befindet, fur
denkbar halten.
Las werden mir alle bestatigen mussen, die
wie ich in der Sowjetunion unter dem Volke
lebten.
Wenn wir von der Hypothek jener Unvollkom-
menheit, die auf jedem Menschenwerk ein-
getragen ist, absehen, so bleibt in der Sowjet-
.union ein gewaltiger positiver tlberschuB ubrig,
der sich in der unerhort reichen, vielseitigen,
tiefen and breiten Entwicklung des Potentials
dieses Landes auBert.
Vielfach wird heute in der Welt gefragt, wo der.
Antrieb dieser wissenschaftlichen and techni-
schen Entwicklung in der Sowjetunion zu suchen
sei and wo die Wurzeln ihrer Kraft ruhen. Es ist
dies im Grunde eine im Sozialismus begrundete
Dreiheit: Es ist die E r z i e h u n g der Menschen
von der Schule her uber die Hochschule, ihre
Einstellung zum wissenschaftlichen Denken and
ihr Einsatz fur wissenschaftliche Arbeit in For-
schung and Technik, es ist der P 1 a n, der das Ar-
beiten bestimmt, and es ist schlieBlich die Art der
Gein einschaftsarbeit.
Nach einer amerikanischen Schatzung verfiigt
die Sowjetunion heute uber 1,5 Millionen wis-
senschaftlich arbeitender Menschen in For-
schungsstatten and in Betrieben. Das Sind etwa
200 000 mehr als in den Vereinigten Staaten.
Aber dieser Stand ist nicht einmal das Ent-
scheidende, viel wichtiger ist die Z u w a c h s-
rate. Nach vorsichtigen Schatzungen mochte ich
sagen, daB in diesem Augenblick der jahrliche Zu-
wachs an wissenschaftlich arbeitenden and zum
wissenschaftlichen Denken erzogenen Menschen
in der Sowjetunion dreimal so groB ist wie in
den Vereinigten Staaten, and daB in der Sowjet-
union in jedem Jahr etwa soviel junge Wissen-
schaftler and qualifizierte Techniker aller Kate-
gorien herangebildet werden, wie in der ganzen
i brigen Welt zusammen.. Gestehen Sie dieser
Schatzung eine gewisse Fehlerbreite zu - im
ganzen stimmt sie!
Die Schule hat bereits einen wesentlich anderen
Stil, als wir ihn kennen. Ich habe einen Sohn,
der die sowjetische Mittelschule besuchte, nach
der zehnten Masse die Hochschulreife erwarb
and anschlieBend das Studium der Chemie be-
gann. Fur meine Frau and fur mich war es er-
staunlich, daB er gern zur Schule ging. Von ?mir
kann ich das durchaus nicht behaupten. Wenn
wir ehrlich sind, werden auch die wenigsten von
uns alien dies von sich sagen dilrfen. In den
sowjetischen Schulen kann der Lehrer seine
Autoritat nur aus seiner Personlichkeit herleiten.
Er ist ' der altere, der erfahrenere Kamerad. Es
wird ihm vielleicht nicht alles, aber sehr vieles
gesagt, was seine Schuler bewegt. Er wird nach
allem Erdenklichen gefragt and muB jede Frage
ernsthaft, mit seinen Schiilern erortern,
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260 MITTEILUNGSBLATT
Wenn er Fragen nicht beantworten kann and
sich etwa nur auf seine Autoritat beruft, ist er
verloren; die Schuler lassen ihn nicht los.. Er hat
aber das Recht zu sagen:
,,Ich kann Eure Frage in diesem Augenblick
nicht befriedigend beantworten; erlaubt mir
nachzudenken oder mich mit anderen zu be-
raten." Es it fur ihn auch moglich, zu erklaren,
daB weder er noch seine Gewahrsleute eine be-
friedigende Antwort gefunden haben. In diesem
Falle wird er sich um eine Klarung bemiihen.
Ein Ausweichen in schablonenhafte Forrnulie-
rungen, allgemei.nere Wendungen oder billige
Losungen ist ihm ebensowenig moglich, wie etwa
versteckte moralische Drohungen.
Es ist vielleicht nicht unwesentlich, darauf hin-
zuweisen, daB die Schule, die als zehnklassige
Schule jetzt in sehr vielen Orten schon voll-
kommen durchgebildet zur Verfugung steht,
innerhalb der nachsten zwei Jahre die Normal-
schule aller jungen Sowjetburger sein wird. Die
Lehrer dieser Schulen sind samtlich an Univer-
sitaten oder hochschulartigen Instituten aus-
gebildet. Seit 1956 ist an den Oberschulen der
Werkunterricht eingefiihrt, and diese Neuerung
steht nicht nur auf dem Papier. Ich babe mit
eigenen Augen gesehen, wie eine Oberschule
eines grof3en - Industrieortes in der Nahe von
Moskau mit Frasmaschinen, Drehbanken and
anderen Werkzeugmaschinen ausgeriistet wurde.
Die. Lehrer befiirchteten zunachst, sie konnten
den Schiilern den Zweck dieser Maschinen nicht
erklaren, weil sie ihnen wahrend ihrer eigenen
Ausbildung fremd geblieben waren. Im Hand-
umdrehen fanden sich indes aus den Betrieben
der Stadt mehr freiwillige fachkundige Helfer
fur den Werkunterricht, als gebraucht wurden.
Bei. diesen lernten Schuler and Lehrer gemein-
sam.
Es ist moglich oder sogar wahrscheinlich, daB
nicht alle Schuler durch den Werkunterricht un-
mittelbare Handfertigkeit erwerben. Die Be-
schaftigung mit den Maschinen aber gewahrt
alien, unabhangig von ihrer technischen Be-
gabung, Einblick in das Wesen neuzeitlicher,
technischer Arbeitsverfahren. Der 'Werkunter-
richt soil ihrem Wissen Anschaulichkeit ver-
mitteln and Substanz verleihen. Neben den er-
worbenen Kenntnissen im Werkunterricht kom-
men die Schuler mit Behr soliden naturwissen-
schaftlichen and ausgezeichneten mathemati-
schen Kenntnissen auf die Hochschule. Ihr
Wissen in diesen Bereichen geht in der Regel
i:iber das hinaus, was vor 'dem Kriege etwa ein
3. Jahrgang, Heft 11/12
Chemiker am Ende eines Studiums bei uns auf-
weisen konnte.
Auf der Hochschule steht die Ausbildung in
Mathematik and in den theoretischen Grund-
lagen der Studienfacher, ganz gleich ob etwa in
Physik, Chemie, Biologie oder Geologie, fur
unsere Begriffe auf sehr grol3er Hohe. Bei der
verhaltnismaf3ig kurzen Studiendauer, auch in
naturwissenschaftlichen Fachern (namlich fiinf
Jahre bis zum Diplom), kommt dabei das grol3e.
Praktikum nach meiner Meinung etwas zu kurz.
Ich hatte vielfach Gelegenheit, mit sowjetischen
Fachgenossen diese Frage eingehend zu erortern.
Dabei erfuhr ich, daB man die gegenwartige
Methode keineswegs als die endgultige ansehe
and sie zu gegebener Zeit veranderten Bediirf-
nissen anpassen werde. Man entsprach bei der
Aufstellung der geltenden Studienplane der Not-
wendigkeit, die Laboratorien and Betriebe
schnell mit wissenschaftlich ausgebildeten Men-
schen zu versorgen, die ein griindliches theore-
tisches Fachwissen vorweisen mul3ten. Man
iiberliel3 es dann den Arbeitsstatten, in die die
jungen Menschen nach Abschluf3 des Hochschul-
studiums eintraten, die praktischen Kenntnisse
der neuen Mitarbeiter zu erweitern and zu ver-
tiefen. Das hat sich auch in jenen Betrieben be?-
wahrt, in denen bereits eine Gruppe erfahrener,
wissenschaftlich ausgebildeter Krafte hoher
Qualifikation arbeitete, die den jungen Men-
schen weiterhelfen konnte. In Werken, die im
A ufbau standen, wo also eine eingearbeitete
Schicht wissenschaftlicher-Mitarbeiter fehlte, hat
sich nach meinen Beobachtungen diese Methode
nicht besonders bewahrt. Aber auch dort ist
durch eine harte Auslese schliel3lich eine Schicht
hochqualifizierter, wissenschaftlich ausgebil-
deter Mitarbeiter entstanden. Es kam dabei vor,
daB Mitarbeiter, die mit dem Anspruch auf wis-
senschaftliche Tatigkeit in ein Werk eingetreten
waren, sich zunachst ihren Aufgaben nicht ge-
wachsen zeigten and lange Zeit als Facharbeiter,
freilich als hochqualifizierte, beschaftigt wur-
den. In der Regel konnten sie an solchen Arbeits-
platzen ihr Wissen erweitern and spater die an-
deren einholen, gelegentlich sogar iiberholen.
In der Sowjetunion entspricht dem Prinzip der
Auslese eine auf3erordentlich strenge wechsel-
seitige Kontrolle der Leistung jedes einzelnen
zu jeder Zeit. Jeder in einem Betrieb oder einer
Hochschule Beschaftigte muf3 sich ungeachtet
seiner niederen oder hoheren Stellung in be-
stimmten Abstanden einer Beurteilung durch
seine Fachgenossen unterziehen and sein Konnen
beweisen. Ich bin nicht der Meinung, daB man
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 261
dieses Verfahren bereits jetzt schematisch auf
unsere Verhaltnisse ubertragen kann. Sinnge-
maB sollte man indes ein solches Verfahren
wenigstens anstreben.
'Die zeitliche Verteilung von theoretischer Aus-
bildung und praktischer Arbeitin einigen natur-
wissenschaftlichen Fachern, wie zum Beispiel in
Physik und Chemie, wie sie an sowjetischen
Hochschulen gepflegt wurde, erscheint mir fur
unsere Verhaltnisse unzweckm9l3ig. An unseren
Hochschulen wird dem Praktikum in der Aus-
bildungszeit ein proportional groBerer Anteil ein-
geraumt; ich selbst halte, ebenso wie viele mei-
ner deutschen und manche sowjetischen Fach-
kollegen, mindestens fur Chemiker die deutsche
Methode fur vorteilhafter. Freilich muB bei uns
der Ausbildung in praktischer Mathematik und
auch in den theoretischen Grundlagen mehr Sorg-
falt gewidmet werden. Etwa ein mittlerer Weg
zwischen der gei bten sowjetischen und unserer
Methode wurde wahrscheinlich den Bediirfnissen
am besten entsprechen. In den letzten. Monaten,
in denen ich in der Sowjetunion als Gast in einem
der grol3en naturwissenschaftlichen Institute der
Akademie der Wissenschaften in Moskau arbei-
tete, wurden diese Probleme ausgiebig diskutiert..
Meine eigenen Argumente bei diesen Erorterun-
gen konnten sich dabei nicht nur auf langjahrige
wissenschaftliche Tatigkeit stiitzen, sondern auch.
auf etwa zehn Jahre wissenschaftliche Mitarbeit
bei Einrichtung und Durchfihrung neuzeitlicher
technologischer Prozesse. Wir kamen durch un-
seren Meinungsaustausch zu dem Ergebnis, man
sollte die praktische Ausbildung auf den Hoch-
schulen erweitern, auBerdem aber in Betrieben
zusatzliche Kurse einrichten zur Verbindung des
mitgebrachten theoretischen Wissens mit den
notwendigen Bediirfnissen der taglichen tech-
nischen Arbeit. Entwicklungen in dieser Rich-
tung sind bereits erkennbar.
Auf grol3er Hohe steht in der Sowjetunion die
Ausristung der Hochschullaboratorien. Minde-
stens seit 1956 ist es unumstoBlicher Grundsatz,
daB die Hochschulinstitute einen grollen Teil
staatlicher Planaufgaben als Zweckforschung und
als Grundlagenforschung ubernehmen. Mir sind
Falle bekannt, wo Aufgaben aus dem Gebiete
der Grundlagenforschung, sogar die Bearbeitung
technisch wichtiger Tagesfragen, von For-
schungsinstituten der Akademie auf Hochschul-
institute iibergingen. Die Einheit von Forschung.
und Lehre ist ein anerkanntes Grundgesetz der
sowjetischen Hochschule.
Grundsatzlich bekennen auch wir uns in unse-
ren Hochschulen zu dieser Einheit. Nicht immer
entspricht die praktische Verwirklichung den
Zielen. Sie wissen, meine verehrten Herren Kol-
legen, daB an unseren Hochschulen da und dort
MaBnahmen ergriffen wurden, die man in ihrer
Wirksamkeit nicht als forschungsfreundlich be-
zeichnen kann. Es bestand fur den Forschungs-
rat der Deutschen Demokratischen Republik Ver-
anlassung, sich um Abhilfe entstandener oder
sich 'anbahnender Schaden zu bemuhen. Die Ge-
rechtigkeit veranlaBt mich zu der Erklarung, daB
die Erweiterung und Vertiefung der Verbindung
von Lehre und Forschung an den Hochschulen
auch bei der obersten Hochschulverwaltung Ver-
standnis gefunden hat. Wissenschaft, Praxis und
Verwaltung haben sich bereit gefunden, zusam-
menzuwirken, um die bestmoglichen Bedingun-
gen zu schaffen.
Die Anerkennung des Grundsatzes der Einheit
von Lehre und Forschung hat sich tiberall als
tragfahige Grundlage einer wissenschaftlich fun-
dierten Technik erwiesen. Das Tempo des Fort-
schrittes in der Sowjetunion ware ohne diese
Einheit unmoglich. Der Ausbildungsstand in der
Sowjetunion laBt eine standig aufsteigende Linie
erkennen.
Fur die Beurteilung von Erfolgen oder MiBer-
folgen als Wirkung bestimmter Grundsatze der
Hochschulausbildung sind in der Regel lange
Zeitraume notwendig. In der Sowjetunion, die
als sozialistisches Staatswesen die Wissenschaft
als wesentliche Grundlage ihres staatlichen Le-
bens arierkennt, ist ein geistiges Klima entstan-
den, das solche Erfolge in kurzen Zeiten reifen
laBt. In den elf Jahren; die ich in der Sowjet-
union verbrachte, war es mir und vielen meiner
Fachgenossen moglich, zu beobachten, wie jeder
Jahrgang junger Wissenschaftler, der aus der
Hochschule in die Praxis trat, besser ausgebildet,
in Wissen, Konnen und Wollen starker gefestigt
in die Praxis trat, als der jeweils vorange-
gangene.
Ich komme zum P 1 a n. fiber die Art der sowje-
tischen Planarbeit in der Wissenschaft bestehen
bei uns sehr groBe MiBverstandnisse. Man denkt,
oft, daB die Initiative zugrunde gehe, wenn man
die Wissenschaft einer Planung unterwirft. Man.
fi rchtet, es gebe unter dem Plan keine Grund-
lagenforschung mehr, kein Wissenschaftler durfe .
mehr Gedanken nachgehen, die ihn bewegen..
Vor allem durfe er auch nicht mehr ,spielen",
d. h. gewissermaBen versuchsweise Schatten von
Ideen nachspiiren. Diese Auffassungen sind falsch..
Der Plan besteht im Grunde aus drei Zugen: der
Thematik, dem Zeitprogramm und der Ausfiih
rung. In der Sowjetunion ergibt sich die Plan
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 11/12
thematik aus den volkswirtschaftlichen Bedtirf- Zeit durchzufiihren habe. Es ist zwar vorgekom-
nissen, verbunden mit den wissenschaftlichen men, daB der Vertreter einer Behorde eine solche
and technischen Moglichkeiten. Bei der thema- Forderung gestellt hat; seinem SelbstbewuBtsein
tischen Aufstellung des Planes begnugt man sich ist die anschliei3ende Diskussion in der Regel
nicht mit dem im Augenblick vorliegenden nicht besonders gut bekommen! Es wird selbst-
Stand, sondern berucksichtigt die bereits voraus- verstandlich voll anerkannt, daB man Ergebnisse
sehbare methodische Entwicklung. Die Thematik von Forschungsarbeiten nicht theoretisch vor-
wird also nicht statisch, sondern von vornherein aussehen kann, daB man den Folgerungen aus
dynamisch gefaBt. Deshalb gibt sie sich nicht dem Verlauf experimenteller Arbeiten Raum
mit einer passiven Beteiligung des Ausfi hrenden geben muB. Ohne eine solche anerkannte Voraus-
zufrieden, sondern stellt von Anfang an An- setzung ware experimentelle Arbeit uberflussig
sprilche an Mitdenken and tatige Mitarbeit. and sinnlos.
Das Zeitprogramm ist unerbittlich streng. Dis- Bei der Ausfuhrung jedes Planes, auch bei eng-
kussionen fiber die zeitlichen Plane sind nicht begrenzten technologischen Fragestellungen, er-
moglich. Uberschreitungen von Zeitplanen sind gibt sich fast immer, daB die Grenzen des Wis-
fur alle Beteiligten sehr unangenehm. Sie fi h- lens bald erreicht werden. Hier beginnt im we-
ren nicht etwa zu MaBregelungen der betreffen- sentlichen der VorstoB. in neues Land der Er-
den Personlichkeiten, aber zu sehr scharfen Nach- kenntnis, in die ?Grundlagenforschung". In die-
pri fungen ihrer Eignung. Ich muB hier auf einen sem Zusammenhang liegt indes nicht die einzige
Zusammenhang hinweisen, der bei uns nicht Begri ndung der Grundlagenforschung. Jeder Ar-
hinreichend bekannt ist, der aber in der Sowjet- beitsplan eines Wissenschaftlers schliel3t die
union die Durchfiihrung des Planes bestimmt. Moglichkeit ein,-einen wesentlichen Teil seiner
Ein angenommener Plan, meine sehr verehrten Arbeitskapazitat von vornherein fir die Grund-
Herren Kollegen, ist ein G e s e t z ! Das bedeutet: lagenforschung einzusetzen; diese ist dann ein
Nicht nur die Wissenschaftler oder die Arbeitsge- anerkannter Teil seines Arbeitsplanes. Die
meinschaften, die unter dem Plan arbeiten, son- Grundlagenforschung unterliegt nati rlich einer
dern auch die staatliche Einrichtung, welche den anderen Art der Erfolgskontrolle als etwa eine
Plan gutgeheiBen, angenommen and unterschrie- rein technologische Aufgabe. Es wird als selbst-
ben hat, sind Teilnehmer der Planarbeit. Auch staat- verstandlich vorausgesetzt, daB fiber die Ergeb-
liche Dienststellen sind daher verpflichtet, alles nisse der Grundlagenforschung zuverlassig and
zu tun, um die Erfullung des Planes zu sichern; genau berichtet wird. Dies ist notwendig, um die
sie mussen dafiir sorgen, daB zur richtigen Zeit gewonnenen Erkenntnisse zu verbreiten. Sie Sind
geeignete Mitarbeiter zur Verfugung stehen, daB der Nachpriifung and Nutzung unter anderem
die notwendigen finanziellen and materiellen auch deshalb zu unterwerfen, um die Bildung
Mittel vorhanden rind, daB zur richtigen Zeit die vermeintlicher individueller Wissensmonopole zu
notwendigen Gerate bereitstehen. Wenn diese unterbinden. Es ist ein Irrtum, daB durch den
Voraussetzungen nicht erfi llt sind, verstehen Plan die Grundlagenforschung leidet. Ohne sie
unsere sowjetischen Kollegen es grUndlich and waren weitere Erfolge nicht moglich. Die Sowjet-
unmiBverstandlich, die Instanzen der Verwaltung union verdankt ihre sichtbaren Erfolge der An-
dazu anzuhalten, auch ihrerseits die Plane zu er- erkennung der Notwendigkeit einer breiten and
fiillen. Da diese Seite des Planes bei uns bisher tiefen Grundlagenforschung and deren Verbin-
oft vernachlassigt wurde, ist es nicht uber- dung mit der Praxis.
flUssig, darauf hinzuweisen, daB die Planarbeit Die Plane selbst werden nicht von einzelnen,
der Wissenschaft, wie jede andere Planarbeit, sondern als Gemeinschaftsarbeiten angenommen
eine solche Zweiseitigkeit voraussetzt; Wer sie and ausgefuhrt. G e m e i n s c h a f t s a r b e i t
nicht ernst nimmt, schadigt nicht nur sich selbst, ist die Methode der Ausfuhrung der Plane! Was
sondern das groBe Ganze. man im Westen als ?teamwork" bezeichnet and
Die Ausfuhrung des Planes ist vollkommen ela- anstrebt, aber meist nicht erreicht, ist eben die
stisch. Wie eine Arbeitsgemeinschaft den Plan Gemeinschaftsarbeit. Die Arbeitsgemeinschaften
durchfiihrt, ist im groBen and ganzen ihre eigene formen sich nach den Bediirfnissen der Frage-
Sache. Es ist selbstverstandlich, daB man dabei stellung. Ihre Zusammensetzung wird von der
aus den Erfahrungen der laufenden Arbeit lernt. Notwendigkeit der thematischen Erfullung des
Es ist nicht etwa so, daB einer Arbeitsgemein- Planes zur richtigen Zeit bestimmt. Wir begegnen
schaft genau vorgeschrieben wird, welche and dabei oft eigenartigen Kombinationen. Es ist
wieviele Versuche sie etwa in einer bestimmten durchaus nicht selten, daB etwa Zahlentheore
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 263
tiker, Physiker, Experimentalchemiker, Geolo-
gen, Volkswirte and Betriebswirtschaftler sich
in einer Arbeitsgemeinschaft zusammenfinden.
Oft genug bilden sich solche Arbeitsgemein-
schaften wahrend der Arbeitsperiode elastisch
um, sie nehmen neue Mitglieder auf and stol3en
andere ab. Diese Gliederung der Arbeitsgemein-
schaft, gewissermalen ihre Breitengliederung, er-
laubt jede beliebige Kombination. Es ist iiblich,
die jeweilige Zusammensetzung einer Arbeitsge-
meinschaft mit der entsprechenden staatlichen
Einrichtung abzustimmen.
Wenig bekannt ist bei uns auch die Einteilung
eines Planes in operative Einheiten. Diese sind
derart zusammengesetzt, daf3 sie fur sich bestehen
konnen, aber sachlich and durch ihre Leistungen
miteinander eng verbunden bleiben. Eine solche
Einheit bildet einen organisch geschlossenen
Block im Gesamtproblem. Innerhalb der opera-
tiven Einheit ist jeder einzelne jederzeit in voller
Kenntnis des Standes and Ganges der Arbeiten,
and jeder einzelne ist fur die gesamte Arbeit mit
verantwortlich. Aus diesen Blocken baut sich
der Gesamtplan auf, der ein sachlich and logisch
wohlgebildeter Organismus ist.
Solche Fehler, wie sie kiirzlich aus den Ver-
einigten Staaten bekannt warden, dab einzelne
Gruppen autonom verschiedene Stufen beispiels-
weise einer Rakete ausarbeiteten, die sie nachher
nicht zu einem arbeitstuchtigen Gerat zusam-
menzufugen vermochten, sind durch die Art
der sowjetischen Gemeinschaftsarbeit ausge-
schlossen.
In der Sowjetunion gehort zur horizontalen Glie-
derung ein vertikaler Aufbau der Arbeit'sgemein-
schaften. Er beruht auf der Forderung an die
Urheber tragfahiger Ideen, deren Weg zur Ver-
wirkiichung bis zur technischen Reife, sogar bis
zur letzten Vollendung in alien Verzweigungen
zu verfolgen and gegebenenfalls durchzusetzen.
Dazu mussen sie selbst in die Betriebe gehen.
Sie lernen dabei die Sorge and Note der Ausfiih-
renden kennen; sie werden sich nicht selten ver-
anlaBt sehen, ihre Gedanken dem technischen
Bediirfnis anzupassen and auch vielerlei Anre-
gungen zu empfangen. Nehmen sie ihre Aufgabe
ernst, so gewinnen sie dabei die Achtung and
Anerkennung derer, die ihre Gedanken praktisch
verwirklichen mussen. Der Sinn dieser Forde-
rung ist klar. Ich mochte hier nicht verschwei-
gen, daB ihre Verwirklichung nicht immer ein-
fach ist. Auch Forscher hohen Ranges haben
mancherlei innere Widerstande zu uberwinden,
wenn sie sehen, von wieviel Schmutz and
SchweiB die praktische Verwirklichung ihrer
?reinen Wissenschaft" begleitet ist. In den letzten
Jahren wurde auch auf diesem Gebiet in der So-
wjetunion eine strenge Erziehungsarbeit ge-
leistet.
Die Verantwortlichkeit leitender Forscher fur
die gewissenhafte Wurdigung aller Einzelheiten
in der technischen Anwendung wissenschaft-
licher Ergebnisse griindet sich unmittelbar auf
Anweisungen, die Lenin gegeben and mit gro-
Bem Nachdruck vertreten hat.
Mir and anderen deutschen Fachgenossen mei-
ner Generation, - als Mitglieder sowjetischer
Arbeitsgemeinschaften - fiel die Erfullung " ge-
rade dieser Forderung nicht schwer, da in un-
serer Erziehung die Anweisung Friedrich II. an
seine Generale ?messieurs, soignez les details" !
eine wichtige - wenn auch nicht immer freund-
liche - Rolle gespielt hatte. Man konnte ver-
sucht sein, aus der Wirksamkeit einer solchen
Regel, auch fur die Erfullung sowjetischer For-
derungen, die Folgerung zu ziehen, daf3 objek-
tiv richtige Anweisungen unabhangig vom Ur-
heber gelten. Vor derartigen Verallgemeine-
rungen mull gewarnt werden. Eine vollkommen
sinnvolle Anwendung solcher Ausspriiche ist nur
dann mogl'ch, wenn sie sich..in das Gesamtpro-
blem fiigen. Erlauben Sie mir, zur Begriindung
dieser Behauptung die Erorterung *eines Bei-
spiels aus unserer jiingsten Gegenwart. Nach dem
erfolgreichen Start der beiden Sputnike wurde
von hochsten Stellen der Regierung der USA
ein neues Programm fur Forschung and Technik
aufgestellt. ?Dieses sollte Planung' mit Gemein-
schaftsarbeit verbinden; auBerdem sollten ,kleine
personliche Freiheiten geopfert werden, um die
grole Freiheit zu sichern". Erinnern diese The-
sen nicht an Folgerungen des dialektischen Ma-
terialismus? Klingen sie nicht gar - horribile,
dictu! - marxistisch-leninistisch? Neben vielem
anderen fehit ihnen dazu indes' die Grundlage
sozialistischer Ordnung and Disziplin. Ohne diese
werden sich die Dinge im Raum hart stollen =
oder die ihnen gemale sozialistische Grundlage
erzwingen.
Die Methoden and Erfahrungen der Sowjet-
union mussen auch bei uns in der Deutschen
Demokratischen Republik fur die Verbindung
von Forschung and Praxis starker herangezogen
werden, als es bisher geschah. Wir mussen vor
allem die wissenschaftliche Grundlage unserer
Technologie wesentlich verbreitern and ver-
tiefen. Uns tritt dabei als besonders schwieriges
Problem die Eingliederung des wissenschaftlichen
Nachwuchses in die Betriebe . entgegen. Span-
nungen zwischen empirisch erworbenen wissen=
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264 MITTEILUNGSBLATT
schaftlichen Methoden and der Denkart, die aus
der Hochschulausbildung hervorgegangen ist,
sind zu uberwinden. Es ist notwendig, daB der
Forschungsrat der Deutschen Demokratischen
Republik mit alien seinen Organen sich in per-
sonlichem Einsatz um die Eingliederung junger
Wissenschaftler in die Betriebe bemuht. Wir er-
warten, daB dabei sehr bald der Grundsatz an-
erkannt wird, daB nicht erfahrene Praktiker
o d e.r methodisch gut ausgebildete Wissenschaft-
ler in der Produktion bestimmen, sondern daB
eine Gemeinschaft von Wissenschaftlern u n d
Praktikern zusammenwirkt.
Ein Wort ist noch zu sagen fiber die sogenannte
Doppelarbeit. Den Planstellen in unserer Repu-
blik ist das Wort ?Doppelarbeit" zu Unrecht et-
was anruchig. Gewohnlich ist Doppelarbeit and
sogar mehr als Doppelarbeit durchaus zweck-
maBig. Wir dtirfen uns auch hier auf die sowje-
tischen Erfahrungen berufen. Es ist unbedingt
notwendig, daB Bich Entwicklungen, die an ver-
schiedenen Stellen aufgenommen wurden, ge-
genseitig kontrollieren. Es ist dabei notwendig
and sinnvoll, daB sie verschiedene Wege gehen
and sich auch wechselseitig beeinflussen. Der
Vergleich der Ergebnisse muB freilich' ebenfalls
nach dem Grundsatz einer strengen Erfolgskon-
trolle vor sich gehen.
Es scheint mir unerlaBlich, nach unseren Erfah-
rungen in der Sowjetunion auf eine Gefahr hin-
zuweisen, der Planungen unterliegen konnen.
Die Planarbeit erzieht Bi rokraten zum Re-
gistrieren and zum Dirigieren. Bi rokratische
Spitzfindigkeiten konnen manchmal zu einem
Fluch werden, der. auf der Planarbeit lastet. Die
Wirklichkeit hat in der Sowjetunion Auswege
gefunden. Jeder von uns, der wirklich in stUr-
mischen Entwicklungen neuartiger technolo-
gischer Betriebsformen gestanden hat, weili, daB
dabei die Biirokratie unterwandert wurde. Sie
arbeitete haufig als System fur sich, ohne Boden
unter den FiiBen. Sie gab.die Akten von Stelle
zu Stelle weiter and bearbeitete sie nach den
Regeln einer uberkommenen und- langst tiber-
holten Routine. Im Leben pflegten sich die Labo-
ratorien and Betriebe miteinander zu verstan-.
di gen.
In wirklicher and elastischer Gemeinschaftsar-
beit tauschten sie ihre Erfahrungen aus, sie ar-
beiteten unmittelbar Hand in Hand, selbstver-
standlich ohne die Gesetzlichkeit zu verletzen.
Dadurch war es sogar moglich, daB im Aufbau
begriffene Betriebe ihr Produktionsprogramm
erweiterten, gleichzeitig die Qualitat ihrer Pro-
dukte verbesserten and die Mechanisierung and
3. Jahrgang, Heft 11/12
Automatisierung vorbereiteten. Es gab gelegent-
lich Anachronismen der Art, daB irgend eine
Behorde den Begins der Mechanisierung eines
Betriebsteiles erst genehmigte, wenn bereits erst-
klassige Produkte in groBem Umfange nach sol-
chen Verfahren hergestellt wurden.
Niemals wird es den Verantwortlichen ubelge-
nommen, mit ihrer Initiative dem bUrokratischen
Tempo vorausgeeilt zu sein. Es ist notwendig,
auf solche Zusammenhange hinzuweisen als Ent-
gegnung auf Einwande, die von auBen oft gegen
sowjetische Methoden erhoben werden. Auch von
im ganzen wohlmeinenden Beobachtern wird ge-
legentlich behauptet, daB die Dezentralisierung
groBe Kombinate gewissermafen ,heimatlos"
machen wurde. Die Wirklichkeit vollstreckt in
der Sowjetunion mit "der angeordneten Ein-
schrankung der Bi rokratie nur ein Urteil, das
das Leben bereits gesprochen hat.Sie bestatigt
lediglich einen nach lebendiger Erfahrung and
unter Kontrolle des Volkes gewordenen and ge-
wachsenen Zustand.
Erlauben Sie mir, these Gelegenheit wahrzuneh-
men, um auf die groBe Elastizitat hinzuweisen,
die als Merkmal aller sowjetischen Entwicklun-
gen hervorsticht. Wenn das Leben es erfordert
and die Erfahrung gezeigt hat, daB ein beschrit-
tener Weg nicht richtig ist and ungangbar wird,
wird er in ki rzester Zeit radikal geandert. Dabei
werden wahrend des Vberganges mitunter viele
Improvisationen in Kauf genommen. Aber das
verlangte Ergebnis kommt zustande. Wenn Sie
mich heute, nach elf Jahren, fragen, wie es uns
manchmal moglich gewesen ist, daB ein Betrieb;
der beispielsweise in braunem Grundwasser stand,
dann auf Torf and Sand wuchs, wo einerseits
gerade gedeckte Rohbauten standen, in denen
schon die ersten Maschinen liefen, wo anderer-
se.its schon Massenprodukte allererster Qualitat
hergestellt wurden, so muB . ich gestehen, daB
ich es nicht mehr in allen Einzelheiten zu er-
klaren vermag. Aber ich mochte hier einmal un-
nmittelbar aussprechen: einer geubten soziali-
stischen Disziplin ist in Wirklichkeit vieles mog-
lich, was man theoretisch nicht immer analy-
sieren kann. Die Menschen dort verstehen von
Jahr zu Jahr besser, worauf es bei ihrer Arbeit
ankommt. Sie begreifen, wie sie sich auf neue
Probleme einzustellen haben. Das geistige Klima
and das technische Potential haben sich so ent-
wickelt, daB die Mehrheit der Verantwortlichen
and Ausfiihrenden auch ohne groBe auBere Richt-
krafte gut and schnell reagierte.
Diejenigen, die die sowjetische Gegenwart in
Laboratories and Betrieben tatig miterlebt
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MITTEILUNGSBLATT 265
haben, kennen keinerlei ernsthafte Befiirchtun-
gen, daB die Dezentralisierung, wie sie jetzt im
Gange ist, unuberwindliche Schwierigkeiten be-
reiten wird. Wenn irgendwelche Erwartungen
gehegt werden, daB in der nachsten Zeit das Ge-
triebe der Sowjetunion, besonders im Zuge der
administrativen Entflechtung, knarren k.onnte,
so beruhen diese auf einem volligen, unter Um-
stdnden verhangnisvollen Irrtum. Denn es gibt
bereits eine groBe Anzahl duBerst erfahrener,
wissenschaftlich gebildeter and hochbefahigter
Techniker, die die Aufgaben im Rahmen der gro-
Ben staatlichen Planung selbstandig, mit Initia-
tive and Verantwortlichkeit zu losen vermogen.
Es fdllt mir nicht leicht, einen richtigen Aus-
druck fur die' wesentliche Eigenschaft zu finden,
die diese Personlichkeiten auszeichnet. Ich mochte
sie einen unerschiitterlichen realen Optimismus
nennen, begrundet in der tlberzeugung, daB die
Naturgesetze stimmen, logisch beherrscht and
sinnvoll ausgenutzt werden konnen.
Vielfach wird behauptet, daB die Naturforschung
unter den Bedingungen des dialektischen Ma-
terialismus zu einer geistigen' Asymmetrie fiihre.
Daraus folgert man weiterhin, daB dabei mog-
licherweise oder sogar wahrscheinlich ein MiB-
brauch naturwissenschaftlicher Erkenntnis ein-
treten werde. Vor allem vernehmen wir Stimmen,
die erklaren, daB die Mehrung wissenschaftlicher
Erkenntnis, zum Beispiel auf dem Gebiete der
Atomkernforschung oder der Strahlantriebe fur
Weltraumfahrten, ihre, Urheber schuldig mache
am moglichen Untergang der Welt. Solche Be-
hauptungen werden nicht nur von Mystikern,
sondern auch da and dort von Wissenschaftlern
erhoben. Im Grunde wird damit nur die alte
Frage erneuert: ?Ist Prometheus schuldig gewor-
den, als er den Menschen das Feuer brachte?"
Er ist natiirlich nicht schuldig geworden. Schul-
dig geworden sind vielmehr diejenigen, die Pro-
metheus fesselten and sein Geschenk im Kampf
um das Jota miBbrauchten. Der Versuch, geistige
Fragen mit Brand and Schwert zu losen, ist in
der Geschichte der Menschheit oft gemacht wor-
den. Er hat niemals zu iiberzeugenden Losungen
gefuhrt. Die wirklichen Ursachen fur solche
MiBerfolge liegen in der mangelnden Beachtung
des Gesetzes der Zusammenhange von Ursache
and Wirkung. Der dialektische Materialismus
aber erkennt das Kausalitatsprinzip. als wesent-
liche Grundlage an. Er bemuht sich, die Aner-
kennung dieses Prinzips unerbittlich durchzu-
setzen. Stellt man daher die Frage, ob hochste
wesentliche Erkenntnis bei Materialisten hei-
misch werden darf, so mochte ich sagen: Gerade
bei diesen! Je mehr sich eine Weltanschauung
von Mythos'und Mystik befreit, je mehr sie den
Zusammenhang von Ursache and Wirkung an-
erkennt, desto sicherer steht sie auch in der Er-
kenntnis, welche furchtbaren and tragischen
Folgen jeder MiBbrauch der Erkenntnis bringen
muB. Der ehrliche and gebildete Materialist wird
and kann das Ergebnis seiner Forschung nicht
dazu benutzen, seine Uberzeugung mit Brand
and Schwert durchzusetzen. Er wird das Ge-
Schenk des Prometheus vielmehr nutzen fur
Pflug and Herd; er will Leben nicht vernichten,
sondern es erhalten. Er wird aus der Erkenntnis
der Krdite, die im Spiel sind, mit alien Mitteln
dafur wirken and unermudlich dafur einstehen,
daB die Menschen sich verstandigen.
Es wird der Sowjetunion oft vorgeworfen, sie
wolle die Welt erobern. Wer mit offenen Sinnen
die Sowjetunion in ihrer Entwicklung hat be-
obachten konnen, wird bestatigen, daB diese Be-
hauptung objektiv unrichtig ist. Die Sowjetmen-
schen wollen erobern, aber ihr eigenes Land!
Wer die Moglichkeit gehabt hat, etwa in den
Raumen des Ostens der Sowjetunion zu reisen,
wer die unendlichen Weiten stunden- and tage-
lang durchfahren and uberflogen hat, weiB, wie-
viel Neuland noch der ErschlieBung harrt. Ein
Volk, das fiber ein solches Potential verfiigt, des-
sen Reserven um das Vielfache groBer sind als
die gegenwartig genutzten Mittel, wunscht and
braucht den Frieden. Diese SchluBfolgerung ist
nicht eine subjektive Meinung, sondern das Er-
gebnis objektiver Logik, gegrundet auf die Er-
fahrungen and Beobachtungen von Wissen-
schaftlern, die sowjetische Raume, Potentiale
and Bestrebungen selbst griindlich kennen-
lernten.
In der Welt bestehen,zwei verschiedene Lager.
Die Wissenschaftler sind berufene Vermittler
zwischen diesen. Ihnen obliegt die verantwor-
tungsvolle, schwere aber auch schone Aufgabe,
der Verstandigung zu dienen. Kiirzlich sind in,
beiden deutschen Staaten die Wissenschaftler als
,,Wanderer zwischen beiden Welten" gescholten
worden.
Ich glaube, hier liegt ein grobes MiBverstehen
des Wesens der Wissenschaft and ihrer Trager
vor. Wie soil die Koexistenz begrundet werden,.
wenn es keine Verbindung gibt? Objektive and
ehrliche Wissenschaftler in aller Welt bemuhen
sich um die unbedingt notigen Kontakte. Ich
darf bei dieser Gelegenheit an die Rede erinnern,
die N. S. Chrustschow anlaBlich der Moskauer
Revolutionsfeier gehalten hat. Er lud die Wis-
senschaftler der ganzen Welt ein, gemeinsam an
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266 MITTEILUNGSBLATT
der Losung wissenschaftlicher Fragen, etwa an
der friedlichen Nutzung and Entwicklung der
Kernenergie, am Ausbau der Verkehrsverbin-
dungen, an der Forderung der .Weltraumfahrt,
zu arbeiten, also an Fragen, welche das Geschick
der ganzen Menschheit bestimmen: Und gerade
das wunschen wir uns!
Als d e u t s c he Wissenschaftler obliegt uns eine
besondere Aufgabe. Wir Sind durch unsere geo-
graphische Lage, durch unsere wissenschaftlichen
Leistungen and den Stand unserer Technik,
durch Grundlagen and Art unserer Produktion
die berufenen Vermittler zwischen Ost and West.
Weder natiirliche noch unnatUrliche Grenzen,
3. Jahrgang, Heft 11/12
noch kiinstliche ideologische Schranken sollten
trennen, wo Verbindungen notwendig Sind.
Besinnen wir uns endlich auf unsere wirklich
geschichtliche Aufgabe. Lernen wir, zum Wissen
endlich die Weisheit zu fiigen, dann werden wir
es erleben, daB das fiinfte Jahrzehnt nach der
GroBen Sozialistischen Oktoberrevolution, das
mit dem zweiten Jahrzehnt nach dem unseligen
Kriege zusammenfallt, unter einem hellen Zei-
chen stehen wird, unter dem Zeichen des
- Friedens !
Prof. Dr. P. A. THIESSEN
Akademiemitglied
Die Rolle der Oktoberrevolution in der Geschichte
Nicht von dem, was die Oktoberrevolution fur
viele Millionen an begliickender Befreiung von
Not and Unterdriickung im Laufe der Ereignisse
bisher schon gebracht hat, will ich vortragen,
sondern von ihrer Bedeutung fur die Geschichte
der Menschheit, fur unsere Generation wie auch
fur die kommenden Geschlechter. Die Oktober-
revolution eroffnet eine neue Ara in der Ent-
wicklung der menschlichen Gesellschaft.Schon
vor der Oktoberrevolution war der Sozialismus
in der ihm von Marx and Engels gegebenen and
von Lenin fortgebildeten Form eine ruhmreiche
Wissenschaft, die erste Gesellschaftswissen-
schaft im strengen Sinne des Wortes; aber die
Feuerprobe, die nur in einer siegreichen soziali-
stischen Revolution bestehen konnte, hatte er
noch nicht bestanden. Nicht wenige Sozialisten
begannen zu zweifeln - so war am Ende des 19.
and im Beginn des 20. Jahrhunderts die Welt-
lage -, ob eine soiche Revolution iiberhaupt
moglich sei. Die Oktoberrevolution widerlegte
ihre Kleinglaubigkeit, sie widerlegte auch die
hauptsachlichsten Bedenken, die, solange die
sozialistische Gesellschaftsordnung nur in den
Kopfen vieler Menschen beheimatet war, mit
einem Schein von Berechtigung gegen sie er-
hoben werden konnten.
Vor allem machten die Kritiker des 'Sozialismus
gegen ihn geltend, daft die Freiheit der Individuen
in ihm nicht moglich sei, wahrend nicht selten
zugegeben wurde, dali die Gleichheit der mate-
riellen and wohl auch der kulturellen Lebens-
bedingungen unter dem Sozialismus eher. ver-
wirklicht werden mochte als unter dem Kapitalis-
mus. Ware die Einwendung begrundet, dann
wurde sie gerade in den Augen echter Sozialisten
vernichtend sein. Der alteste der groien Friih-
sozialisten, Henri de St. Simon, sagte auf seinem
Sterbebett zu seinem Lieblingsschuler: ,DaB
jedes Mitglied der Gesellschaft alle seine Fahig-
keiten voll entfalten kann, das ist die Quint-
essenz meiner Lehre." Ist das nun nicht das
Wichtigste an der Freiheit der Einzelpersonlich-
keit and ist nicht die Forderung St. Simons in
der Sowjetunion in. einem MaBe erfiillt worden,
wie es in der kapitalistischen Gesellschaft ein-
fach undenkbar ist? Ich glaube, jedermann wird
das zugeben, der die dortigen Verhaltnisse
einigermaBen unvoreingenommen studiert hat.
Trotzdem wird bis auf den heutigen Tag immer
and immer wieder von Kritikern des Sozialis-
mus die Behauptung aufgestellt, daB in ihm fur
die Freiheit kein Raum sei, wobei ich ganz da-
von absehen will, dali die burgerliche Presse ge-
wohnheitsmal3ig die westliche Welt mit dem
Epitheton der freien' in Gegensatz zur sozia-
listischen bringt, was nur fur ein ganzlich naives
Publikum bestimmt sein kann. Der Vorwurf
mangelnder Freiheit findet zuweilen in einer
Maschinentheorie Ausdruck, der zufolge der
einzelne im Sozialismus nichts anderes als ein
Radchen in einem groien Mechanismus ist, das
nach streng geregeltem Plan zu funktionieren
hat. Wenn solche Phantasievorstellungen, mit
denen sich einst Dostojewski abqualte, aus den
Kopfen von Gegnern des Sozialismus and sogar
von Leuten, die sich Sozialisten nennen, selbst
angesichts der sozialistischen Wirklichkeit nicht
ganz verschwunden Sind, so reduziert sich das
bei naherer Priifung darauf, daB die sozialistische
Gesellschaft eine straffe zentrale Leitung auf den
verschiedensten Lebensgebieten nicht entbehren
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUN,GSBLATT 267
kann, solange die kapitalistische Umwelt be-
stehen bleibt und t7berreste aus der alten Welt
in der Psyche eines Teils der Bevolkerung noch
vorhanden sind. Sie lockert sich allmahlich und
bedeutet nie ein schroffes Dekretieren von oben,
sie erfolgt nach wissenschaftlichen Prinzipien,
was ein volliges Novum in der Geschichte der
Gesellschaft, wenn auch nicht in der der Gesell-
schaftswissenschaft ist, und_ bedeutet statt eines
Dekretierens von oben' ein enges Zusammen-
wirken zwischen den leitenden Stellen und den
geleiteten breiten Volksmassen, denen die. Ele-
mente der das ganze Gesellschaftsleben infor-
mierenden Wissenschaft zuganglich gemacht
werden. Dabei wird ein ebenso starker EinfluB
von unten nach oben wie von oben nach unten
ausgeubt. Ein solches Leiten und Geleitetwerden,
Lehren und Belehrtwerden im gesamten Gesell-
schaftspro2eB ist fur den, der den Horizont
burgerlich-kapitalistischer Anschauungen nicht
zu iiberschreiten vermag, unverstandlich. Fur
ein vernunftiges und wahrhaft demokratisches
Zusammenleben, wie es den Menschen ansteht,
ist es unentbehrlich.
Vor allem beklagt man sich darUber, daB im So-
zialismus die Freiheit der Wissenschaft und Kunst
sich nicht entfalten konnte. Die Einmischung
der Regierung, der Partei, der Politik, verhindere
es. Aber diese Einmischung ist nichts, was es
nicht zu alien Zeiten gegeben hatte; der einzige
Unterschied ist nur, daB sie frilher grol3enteils
eine unbewuBte war und daB die herrschenden
Klassen, von denen sie ausgeht, im Kapitalismus
eine kleine Minoritat von Ausbeutern war und
ist, wahrend sie jetzt im Sozialismus unserer Zeit
mit der gesamten werktatigen Bevolkerung iden-
tisch ist und von einer Partei gefuhrt wird, die
den genialen Lenin, einen ebensogroBen Wissen-
schaftler wie Staatsmann, zu ihrem unsterblichen
Lehrer hat. DaB die Wissenschaft dempraktischen
Nutzen zu dienen bestimmt ist, sagten schongroBe
Philosophen im Beginn der Neuzeit. Wie sollte es
der Freiheit der Wissenschaft nachteilig sein,
wenn ihre Vertreter und die Gesellschaftsleitung
diesen Gedanken bewuBt aufnehmen? Im Hin-
blick auf die Naturwissenschaften diirfte die
Zweckgebundenheit der Wissenschaften auch bei
den meisten burgerlichen Wissenschaftlern kaum
Bedenken erregen, um so eher im Hinblick auf
die Geisteswissenschaf ten. Aber gerade bei der
hochsten Geisteswissenschaft, bei der Philo-
sophie, hat man es oft als einen Mangel emp-
funden, daB sie sich nicht wirksam genug darauf
verstand, den Menschen zu einem glucklicheren
Leben zu verhelfen. Von einem der bedeutend-
sten burgerlichen Philosophen der neuesten Zeit
sagte ein anderer Denker: ?Er wollte der
Menschheit eine Philosophie geben, die sie zum
Leben fuhre, anstatt aller derer, die sie dem
Tode weihen." Im Sozialismus ist die ihm eigene
Philosophie, die marxistisch-leninistische, unter
der Leitung der Partei? der Erhohung des Lebens
gewidmet und hat dabei Erfolge aufzuweisen
wie keine fri here. Dafi r, wird der bi rgerliche.
Philosoph wahrscheinlich einwenden, werden
alle anderen Philosophien aus ihm verbannt. In-
dessen laBt man sie nur insoweit nicht zu, als sie
das Werk der Erziehung im Geiste des Sozialis-
mus in Verwirrung bringen konnen. Die t7ber-
legenheit der zielgerichteten, auf das verniinftige
sozialistische Ziel gerichteten Wissenschaft fiber
eine angeblich objektive laBt sich noch deut-
licher am Beispiel der Rechtswissenschaft zeigen.
Im kapitalistischen Staat wird durch das Recht
die Herrschaft einer Minoritat, der Besitzenden,
fiber die Majoritat der Bevolkerung aufrecht-
erhalten. Das muB mit Rucksicht auf die nicht-
besitzende Majoritat verschleiert werden. Daher
bemuht sich die biirgerliche Rechtswissenschaft,
das Recht als ein Mittel zur Forderung des
Wohies aller hinzustellen. Durch dieses proton
pseudos wird die Wahrheit der burgerlichen
Rechtswissenschaft aufs schwerste beeintrach-
tigt. Die sozialistische Rechtswissenschaft
braucht nichts zu verschleiern. Sie kann un-.
gescheut und im Einklang mit der Wirklichkeit
dartun, daB und wie das Recht fur den sozialisti-
schen Staat ein wichtiges Mittel ist, seine dem
Wohle der gesamten werktatigen Bevolkerung
dienende Politik durchzusetzen.
Fur den Sozialismus hat, glaubten wir feststellen
zu konnen, die Wissenschaft eine praktische
Funktion, ist nicht Erkenntnis um der Erkennt-
nis willen. Wir sehen darin einen Fortschritt im
Verstandnis des Sinnes der Wissenschaft. Es ist
ein Fortschritt, der in den sozialistischen Staaten
heute schon die schonsten FrUchte getragen hat.
Ganz kiirzlich durften wir es erleben, daB durch
die Sowjetwissenschaft dem Blick ins Universum,
den die Menschheit seit langem besitzt, der erste
Schritt in den Weltraum beigesellt worden ist.
Eirie die Gemuter stark erregende Frage ist die
nach der Freiheit der Kunst. Die biirgerlichen
Kritiker der Kunst im Sozialismus, ich sage nicht
der sozialistischen Kunst, verfahren mit ihr,
wenn ich recht sehe, streriger als mit der ent-
sprechenden Wissenschaft. Die Kunst, meinen
sie, diese freieste Schopfung des Menschen-
geistes, werde durch jede Beeinflussung seitens
irgendwelcher Parteistellen degradiert, daher sei
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268 MITTEILUNGSBLATT
in den sozialistischen Staaten bisher keine Kunst
entstanden and werde nie eine Kunst entstehen,
deren Wert den der Kunst erreiche, die aus der
alten Gesellschaft hervorgegangen ?sei. Hierzu
nur wenige Bemerkungen. Bei der eminenten
erzieherischen Bedeutung der Kunst ist sie in
den ErziehungsprozeB aufzunehmen, in dem die
alte Gesellschaft zur neuen umgebildet wird. Es
gehort zur Erhohung des BewuBtseins, die mit
der Entstehung der sozialistischen Gesellschaft
einsetzt, daB auch die Kunst von den Menschen
bewuBt als ein gesellschaftliches Produkt erfaBt
and demgemaB von der Gesellschaft behandelt
wird. Zu einer Reglementierung der Kunst soil
es dabei nicht kommen and kommt es auch nicht.
Es handelt sich nur um Anregungen, die die fur
die gesamte Lenkung der sozialistischen Gesell-
schaft verantwortliche fiihrende Partei den
Kunstlern gibt, etwa um die Anregung, vorzugs-
weise die Probleme des neuen Lebens zu Gegen-
standen ihrer Kunst zu wahlen. Wenn solche
Anregungen von den Kunstlern als autoritativ
empfunden werden, so kennzeichnet das das
hohere Entwicklungsstadium, in dem sich die
neue Gesellschaft gegenwartig befindet.
Manche burgerlichen Kritiker, gewiB nicht alle,
urteilen geringschatzig fiber die Kunst, die auf
dem Boden der sozialistischen Gesellschaftsord-
nung gewachsen ist. Es liegt das daran, daB die
Kunst die Aufgabe hat, das gesellschaftlicheLeben
abzuspiegeln, and daB die betreffenden Kritiker
das Leben, das hier in Frage kommt, nicht oder
nur ungenugend kennen. In der Sowjetunion
sind hervorragende Kunstwerke entstanden, die
es zum Teil verdienen, neben die Meisterwerke
der Vergangenheit gestellt zu werden. Ich er-
innere, um nur ein Beispiel herauszugreifen, an
Scholochows Stillen Don', der m. E. in einer
Reihe mit Tolstois Krieg and Frieden' genannt
werden kann. Bei, der Wi rdigung der Kunst, die
wir in den sozialistischen Landern in ein neues
Entwicklungsstadium treten sehen, sollte nicht
vergessen werden, daB das Leben noch nicht auf
alien Gebieten den ausgepragten organischen
Charakter tragt, den es mit der Zeit erhalten
wird, so daB gewisse schablonenhafte Erschei-
nungen in der Kunst zunachst urivermeidlich
rind.
DaB der Mensch ein gesellschaftliches Wesen ist,
wuBte man schon seit langem, aber in der kapi-
talistischen Gesellschaft liegt der Akzent vor-
wiegend auf dem Individuellen, wahrend er in
der sozialistischen vorwiegend auf dem Gesell-
schaftlichen liegt. Die sozialistische Gesellschaft
nimmt den ganzen Menschen fur sich in An-
3. Jahrgang, Heft 11/12
spruch, was nicht heiBt, daB sie ihn ganz in sich
resorbiere, sozusagen verschlinge, ihn seiner in-
dividuellen Eigenart, seiner Personlichkeit, be-
raube. Das Gegenteil ist der Fall: Indem der
Mensch sich der Gesellschaft hingibt, entfaltet
sich seine Personlichkeit. Aber beim Ubergang
von der kapitalistischen Gesellschaft in die so-
zialistische sieht sich der Mensch einer gewissen
Klasse gesellschaftlichen Anforderungen gegen-
i ber, denen er sich, auch wenn kein auBerer
Zwang besteht, nicht entziehen kann and die
mit seinen bisherigen Anschauungen and Ge-
wohnheiten in Konflikt geraten. Kein friiherer
Umbruch ist in solchem MaBe eine Umerziehung
einer groBen, einer sehr grof3en Zahl von Men-
schen gewesen wie der Umbruch vom Kapi-
talismus zum Sozialismus. Er wird von den
meisten Umzuerziehenden als eine mehr oder
weniger peinliche Beschrankung der Freiheit
empfunden, solange sich das Verstandnis fur den
Fortschritt, den das neue Leben bedeutet, bei?
ihnen nicht eingestellt hat, was nie von einem
Tag zum anderen geschieht.
Wenn schon bei den Angriffen auf den Sozialis-
mus angesichts der erstaunlichen, statistisch
feststellbaren Erfolge des Wirtschaftsprozesses
in den sozialistischen Landern der Einwand
mangelnder Produktivitat der sozialistischen,
Wirtschaft nicht mehr so haufig erhoben wird
wie friiher, kann man ihm doch haufig begegnen.
Auf die Dauer, heiBt es, wird nur eine Wirtschaft
prosperieren, die das Motiv der personlichen Be-
reicherung als Hauptantrieb verwendet. DaB es
bisher in sozialistischen Landern vielfach so
glanzend vorwartsgegangen ist, erklart man aus
einem Regime von Terrormaf3nahmen, was nichts
anderes ist als eine Verleumdung. Auch in der
sozialistischen Gesellschaft wird das Motiv der
personlichen Interessiertheit grundsatzlich be-
rucksichtigt. Es -liegt dem fur die erste Stufe des
Sozialismus charakteristischen Prinzip ?Jeder
nach seinen Fahigkeiten and jedem nach seinen
Leistungen" zugrunde and kommt im Leistungs-
lohn Bowie in einem vielgestaltigen Pramien-
system zum Ausdruck. Aber fur den Sozialismus
ist derartiges nicht die Hauptsache, vielmehr-ein
Ubergangsstadium zu einer hoheren Stufe. Die
Hauptsache ist, daB in der sozialistischen Gesell-
schaft, wer der Gesellschaft Nutzen bringt, der
Natur der Sache nach zugleich sich selbst ni tzt.
Die sozialistische Gesellschaftsordnung ist so an-
gelegt, daB sich in zunehmendem MaBe zwischen
dem gesellschaftlichen and dem personlichen
Interesse das Verhaltnis der Harmonie einstellt,
daB der Gedanke an den egoistischen Vorteil,
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MITTEILUNGSBLATT 269
den man aus seiner Arbeit zieht, als an etwas
sich ganz von selbst Ergebendes hinter .dem
Wert, den sie fur die Gesellschaft darstellt, immer
mehr zuriicktritt, die Arbeit and ihr gesellschaft-
licher Erfolg fur den Arbeitenden im wesent-
lichen zur Elirensache werden.
In der Sowjetunion nahert sich der. Sozialismus
der Stufe des Kommunismus. Im Kommunismus
gilt das Prinzip: Jeder nach seinen Fahigkeiten,
jedem nach seinen Bediirfnissen. Der Kommu-
nismus wird mit der Zeit, das diirfen wir heute
schon zuversichtlich voraussagen, in alien Lan-
dern verwirklicht werden. Im Kommunismus
wird die Gleichheit der Menschen im hochsten
erreichbaren MaB realisiert sein. Das ist nur
datum moglich, weil in ihm alle oder wenigstens
die meisten an der Forderung des materiellen
and geistigen Wohls eines jeden zusammen-
arbeiten, was zugleich ein Maximum an-der den
Menschen innerlich erhebenden Solidaritat mit
seinen Mitmenschen bedeutet.
So sehen wir denn, daB durch die Oktoberrevo-
lution Ereignis wird, was den geistigen Fuhrern
der Franzosischen Revolution als ein Ziel, aufs
innigste zu wunschen` vorschwebte: Freiheit,
Gleichheit, Briiderlichkeit aller.
Die Briiderlichkeit insbesondere bringt uns auf
die Moral. Im Sozialismus, hat Lenin gesagt, wird
die Befolgung der sittlichen Vorschriften, die die
besten Moralisten der Vergangenheit aufgestellt
haben, allmahlich zur Gewohnheit werden. Die
Menschen werden moralisch besser werden als
die fruheren Generationen, weil die neuen ge-
sellschaftiichen Verhaltnisse einen solchen
Wandel verlangen. Bisher konnten die meisten
mit den alten Stoikern sagen:
?Ich billige das Bessere and folge dem Schlech-
teren. Im Sozialismus wird es zur Regel, dab
das Gute nicht nur gebilligt, sondern auch getan
wird. Der Abgrund zwischen dem moralischen
Ideal and dem Leben findet endlich seine t7ber-
briickung.
Man kann von der Bedeutung der Oktoberrevo-
lution fur die Menschheit nicht reden, ohne dar-
auf hinzuweisen, dal unsere wohlbegriindete
Hoffnung auf einen permanenten Frieden mit
der Oktoberrevolution and dem, was sich aus
ihr entwickelte, unloslich verkniipft ist. Lenins
Dekret fiber den Frieden machte einen solchen
Eindruck auf die Volker, daB man die Oktober-
revolution als eine der Quellen der volkerrecht-
lichen Bewegung betrachten kann, die nach dem
ersten Weltkrieg ihren Anfang nahm. Als these
Bewegung im Friedensrecht der Charta der Ver-
einten Nationen einen Hohepunkt erreichte, ge-
schah es sicherlich nicht, ohne daB der Sozialis-
mus, wie er sich seit der Oktoberrevolution ent-
wickelt and namentlich im zweiten Weltkrieg
hohes internationales Ansehen gewonnen hatte,.
dabei eine hervorragende Rolle gespielt hatte.
Aber das neue Voikerrecht ware bei der Haltung,
,die, kaum da3 es statuiert war, die imperialisti-
schen Staaten ihm gegenuber einnahmen, toter
Buchstabe gewesen, wenn sich nicht zu seiner
Verteidigung eine weltumspanhende Friedens-
bewegung gebildet hatte, deren treibende Kraft
die standige unbeirrbare Friedenspolitik der so-
zialistischen Staaten ist. Ich brauche nicht naher
auszufiihren, daB der Kampf der kolonialen
Volker fur ihre Unabhangigkeit, der zugleich ein
Kampf fur den Frieden ist, die sieghafte Kraft,
mit der er heute gefiihrt wird, aus. der Oktober-
revolution gewonnen hat.-Wir haben gegenwartig
die Zuversicht, dab ein dritter Weltkrieg ver-
mieden werden wird and dab sich in nicht zu
ferner Zukunft die Volker in nationaler Selb-
standigkeit eines gesicherten permanenten Frie-
dens and einer freundschaftlichen Zusammen-
arbeit erfreuen werden. Wenn dem so ist, so ver-
danken wir es nicht in letzter Linie der Oktober-
revolution.
Die Gefiihle der Dankbarkeit and Freundschaft,
die wir fur die Sowjetunion empfinden, beruhen
auf dem, was die Oktoberrevolution fur die
Menschheit bedeutet, sie werden gefestigt and
vertieft durch den Gedanken an die unschatz-
baren Dienste, die die Sowjetunion unserem
Volke geleistet hat. Wir stehen in unverbriich-,
licher Treue zur Sowjetunion and zur liicken-
losen Einheit des Lagers der sozialistischen
Staaten, das die Sowjetunion als die fiihrende
Macht anerkennt. Das heiBt nicht, da3' wir alies,
was in der Sowjetunion vor sich geht, billigen
oder gar bewundern muBten. Wir wollen and
sollen nicht unkritisch sein and uns nicht
scheuen, unsere Kritik in zweckdienlicher Form
zum Ausdruck zu bringen, das erwarten vor,
allem auch die Sowjetmenschen von uns. Aber
wir werden nichts tun, was auch nur im ge-
ringsten die Stellung der Sowjetunion in der
Welt schwachen konnte; es ware ein schwerer
VerstoB gegen die unentbehrliche sozialistische
Disziplin, wenn wir es anders hielten.
In diesen Tagen erfiillt uns der Gedanke an die
Oktoberrevolution and die von ihr inaugurierte
Entwicklung des Sozialismus, in der er zu einem
Weltsystem geworden ist, mit besonderer Er-
griffenheit, and wir begrUen die Sowjetunion
.mit dem von Herzen kommenden Wunsch, daB
sie die Sache des Sozialismus zu immer groBeren
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270 MITTEILUNGSBLATT
Erfolgen fi hren moge. Auch auf3erhalb der so-
zialistischen Staaten wird der Festtag der Ok-
toberrevolution vom internationalen Proletariat
and von den besten, fortschrittlichsten Menschen
omit Begeisterung begangen. In hundert Sprachen
feiern die Volker die Oktoberrevolution, and
hundert Sprachen geniigen kaum, um dieses
groBe Ereignis der Weltgeschichte nach Verdienst
zu wurdigen.
Ich mochte mit einem Appell an den Willen zum
Kampf fur den Sozialismus schlieBen.
Der Gedanke an die Oktoberrevolution and an
die Ereignisse, die in ihr wurzeln, ist ein Leit-
stern fur das Handeln des Sozialisten. Blickt man
Prof. Dr. A. BAUMGARTEN
Akademiemitglied
Ein Beitrag zur Unterstiitzung des Gedankens der friedlichen Koexistenz
Wenn ich aus AnlaB der Feier des 40. Jahrestages
der GroBen Sozialistischen Oktoberrevolutio.n
das Wort ergreife, so tue ich dies nicht nur des-
halb, weil ich durch meine fast zehnjahrige
Tatigkeit als Wissenschaftler in der Sowjetunion
Gelegenheit hatte, Land and Leute dort etwas
naher kennenzulernen, sondern vor allem auch
deshalb, well ich glaube, daB these Kundgebung
ein willkommener AnlaB sein sollte, auch
meinerseits einen Beitrag zur Unterstutzung des
Gedankens der friedlichen Koexistenz der beiden
politischen Weltsysteme - des Sozialismus and
des Kapitalismus - zu liefern.
Krieg and Zerstorung sind- mir von jeher ver-
haBt gewesen, and meine Liebe zum Frieden
veranlaf3t mich, meine positive oder negative
Einstellung zu Staaten and staatlichen Insti-
tutionen wesentlich von der Frage: ,Dienen sie
dem Frieden oder gefahrden sie den Frieden?"
abhangig zu machen. Eben wegen der Bejahung
der Friedenspolitik der Deutschen Demokra-
tischen Republik bemUhe ich mich, an ihrer
Festigung and ihrem wirtschaftlichen Aufstieg
mitzuarbeiten, and eben wegen der Anerken-
nung der Bemuhungen der sowjetischen Politik,
den Frieden in der Welt zu erhalten and zu
festigen and jedem Friedensstorer mit 5uf3erster
Entschiedenheit entgegenzutreten, betrachtete
ich bereits vor 1945 die Sowjetunion als einen
befreundeten Staat and folgte nach Kriegsende
mit dem groBten Interesse einer Einladung, als
Wissenschaftler dorthin zu gehen.
Wie wohl alle Enthusiasten, die die Entwicklung
des Sowjetstaates seit seiner Geburt im Oktober
1917 mit wohlwollender Sympathie verfolgt hat-
ten, betrat ich den Boden der Sowjetunion mit'
uberschwenglichen Hoffnungen.
3. Jahrgang, Heft 11/12
auf die Geschichte des Sozialismus seit der Ok-
toberrevolution and ihren den Marxismus-Leni-
nismus so glanzend bestatigenden Verlauf, dann
gewinnt man das wissenschaftlich fundierte un-
erschiitterliche Vertrauen, daB es dem Sozialis-
mus bestimmt ist, in der Welt zu siegen. Aus
diesem Vertrauen schopfen wir Sozialisten die.
Energien, die erforderlich sind fur einen Kampf,
in dem der Gegner des Neuen seine letzten Krafte
zusammenrafft, um die menschliche Gesellschaft
in das alte Chaos zuriickzureiBen.
Ich brauchte meine grundsatzliche Einstellung,
die ich mir auf theoretischem Wege erworben
hatte, nicht umzustoBen. Im Gegenteil: Meine
Erfahrungen bekraftigen meine "Uberzeugung,
daB die Oktoberrevolution nicht etwa irgendein
gesellschaftlicher Umsturz von ungefahr, ein ge-
schichtliches Ereignis, das durch das Walten
dunkler, ihrem Wesen nach ungeklarter Krafte
zustande kam, gewesen ist, sondern die prak-
tische Verwirklichung groBartiger, in den Kopfen
hervorragender Menschen herangereifter Ideen
war. Diese Ideen lieBen sich in der GroBen So-
zialistischen Oktoberrevolution in prinzipiellen
Aussagen zusammenfassen. Was kann es fur
einen Wissenschaftler Anziehenderes and Inter-
essanteres geben als die Vberprufung theoretisch
gewonnener Erkenntnisse durch die allgewaltige
Praxis, and dazu noch auf einem so interessan-
ten Gebiet, wie es das gesellschaftliche Leben
einmal ist. Hier, and zum erstenmal hier, fanden
die Ideen von Freiheit, Gleichheit and Brilder-
lichkeit, die das Gebaude der Geschichtstheorie
von Marx, Engels and Lenin fundierten, welt-
umgestaltende Verwirklichung. Diese Theorien
sind von der unbestritten edelsten Zielsetzung.
Kein Wissenschaftler, aber auch kein anderer
Mensch, dem der Fortschritt allgemein am
Herzen liegt, kann and darf auf eine Stellung-
nahme zur Gro8en Sozialistischen Oktoberrevo-
lution verzichten.
Heute ist es nicht schwer, durch Aufzahlung
groBer wirtschaftlicher, wissenschaftlich-tech-
nischer, kultureller, militarischer and politischer '
Erfolge ein glanzendes Bild von der Sowjetunion
zu geben, ein Bild, das den groBartigen Sieg,
den der Mensch der neuen sozialistischen Ge-
sellschaftsordnung fiber die Materie - errungen
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hat, darstellt. Viele von uns hatten Gelegenheit,
sich durch Reisen in die Sowjetunion von dem
theoretischen and praktischen Stand der Ar-
beiten der sowjetischen Kollegen ihres Fach-
gebietes zu uberzeugen and konnen manche
Details zu meiner Darstellung beisteuern. Aber
wir Sind hierbei gar nicht einmal allein auf uns
angewiesen: Wir konnen hierzu ganz unbedenk-
lich auch auf die Quellen der Literatur des kapi-
talistischen Auslandes zuriickgreifen, die in
diesen Tagen, in denen der sowjetische kiinst-
liche Erdsatellit ein - noch nicht einmal
stummes, sondern im wahrsten Sinne des Wortes
,,beredtes" - Zeugnis von der tiberlegenen
Leistungsfahigkeit der sowjetischen Wissen-
schaft and Technik abgelegt hat, zu recht be-
merkenswerten Schlul3folgerungen gekommen
sind.
Aber die Erringung selbst der bedeutendsten,
eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte ein-
leitenden technischen Erfolge ist nur ein Teil
des Wissens, dab die Gesellschaft, die solche Er-
folge erzielt, wirklich die fortschrittlichste ist,
diejenige, welche den Menschen, die in ihr leben,
die groBten Aussichten auf ein gesichertes and
besseres Leben fur alle Zukunft gewahrleistet.
Zwar traten and treten auch andere Staaten mit
Weltbestleistungen in wissenschaftlich-tech-
nischer Hinsicht auf, oder auch mit sozialen Ein-
richtungen, die die junge Sowjetmacht vor
40 Jahren erst mit unermeBlichen Anstrengun-
gen schaffen konnte. Es kommt aber darauf an,
daB die technischen Errungenschaften and die
sozialen Einrichtungen den Angehorigen aller
Schichten des Volkes, insbesondere denen, welche
diese Dinge am meisten benotigen, zuganglich
sind. Und wenn wir von den Erfolgen der So-
wjetunion sprechen, dann haben wir dabei immer
diesen Gedanken im Auge.
Wie sieht es nun in diesem Zusammenhang auf
dem mir naheliegenden Gebiet der Ausnutzung
der neuen Energiequelle, der Atomkernenergie,
aus?
1939 wurde in Deutschland die Spaltung des
Urankernes entdeckt and damit die wissenschaft-
liche Grundlage fur die Ausnutzung der Atom-
Energie gefunden, -
1942 wurde in Amerika der erste Kernreaktor
in Betrieb gesetzt, wobei im allgemeinen dieses
Jahr als. das Datum des Eintritts der Mensch-
heit in das Atomzeitalter vermerkt wird, -
1945 fielen die ersten amerikanischen Atom-
bomben auf wehrlose Menschen in Japan, -
1954 wurde das erste Atomkraftwerk der Welt,
das elektrische Energie an das offentliche Netz
abgibt, in der Sowjetunion in Betrieb genom-
men, -
1956 verkiindete die Sowjetunion ein wahrhaft
gigantisches Atomenergieprogramm fur den
6. Funfjahrplan, welches die entsprechenden
Plane der USA and Englands weit in den Schat-
ten stellt. Und vor wenigen Tagen bot der so-
wjetische Delegierte auf der Wiener Konferenz
der internationalen Atomagentur, Prof. Jemel-
janow, 50 kg des hochwertigen Spaltmaterials
U-235 zum Verkauf an, ein Material, fiber das
heute nur die Vereinigten Staaten and die So-
wjetunion verfugen.
Das erwahnte Atomenergieprogramm sieht vor,
eine Gesamtkapazitat von 21/2 Millionen kW in
Atomkraftwerken im Verlauf von 5 Jahren neu
zu installieren, wobei es sich hauptsachlich um
10 verschiedene Typen von Kernreaktoren
handelt, die in grof3technischem Maf3stab erprobt
werden sollen! AuBerdem ist beabsichtigt, die
Arbeiten zur Errichtung von Kraftanlagen fur
Transportzwecke breit zu entfalten and einen
Eisbrecher mit Atomantrieb zu bauen. Letzterer
geht bereits ? in Kiirze seiner Vollendung ent-
gegen 1.
Aus dieser niichternen Aufzahlung 'von Tat-
sachen konnen wir ersehen, daB es dem ersten
Staat der Arbeiter and Bauern gelungen ist, die .
schwierigsten wissenschaftlichen Probleme der
Physik zu meistern, einen anfanglich bestehen-
den Riickstand auf dem Gebiet der Forschung
gegeniiber den fortgeschrittensten Landern voll-
standig aufzuholen and diese in der technischen
Nutzung dieser Forschungsergebnisse fiir fried-
liche Zwecke bereits zu uberholen! Diese Ent-
wicklung ist so sturmisch verlaufen, dab selbst
niichtern denkende Fachleute des westlichen
Auslandes, ja selbst wir, die wir als ,auslan-
dische Spezialisten" einen Teil der Entwicklung
in der Sowjetunion aus nachster Nahe sahen,
nicht immer folgen konnten and deshalb uns
haufig dabei ertappen mul3ten, daB wir das Er-
reichen bestimmter Ziele in so kurzer Zeit nicht
fur moglich gehalten hatten! Es gibt eben keine
Parallele fur eine solche Entwicklung in anderen
Landern gerade auf diesem modernsten Gebiet,
and darum kann man immer wieder iiberrascht
werden. Das Zitat des groBen russischen Drama-
tikers Ostrowski, das er in dem Theaterstiick
?Der Wald" einem etwas komisch wirkenden
Gutsbesitzer in den Mund legt: ,Alles Hervor-
1 Am 5. 12. 1957 lief der erste mit Atomkraft betrie-
bene Eisbrecher der Welt in Leningrad vom Stapel.
Die Redaktion
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272 MITTEILUNGSBLATT
ragende, alles GroBartige ist begriindet auf der
Mannigfaltigkeit and auf Kontrasten", scheint
mir in einem bestimmten guten Sinne auf die
sowjetischen Verheltnisse von heute zu passen.
Ja, es gibt wahrscheinlich hier eine groBe
Mannigfaltigkeit der Erscheinungen and auch
erstaunliche Kontraste! Aber diese Kontraste,
die den Ausiender immer wieder zu dem fehler-
haften SchluB vom Unwesentlichen auf das
Wesentliche verleiten, die sind ja gerade der
typische Exponent der sozialistischen Planwirt-
schaft, eine unvermeidliche Notwendigkeit beim
Aufbau einer Gesellschaft, die so schnell wie
moglich auf alien Gebieten das Weltniveau er-
reichen and iibertreffen will and muI3. Das Ge-
heimnis der oft phenomenal anmutenden Fort-
schritte der Sowjetunion besteht offenbar zu
einem wesentlichen Ted darin, daB man sich in
der Entwicklung and in der Produktion nicht
verzettelt hat,. daB man die Schwerpunkte richtig
erkannt hat and zu ihrem Ausbau die besten
and sterksten Krefte eingesetzt hat, mit einem
Wort, daB man gut, sehr gut.geplant hat.
Bei der Erwehnung von Kontrasten muB ich an
ein Beispiel denken, welches zeigt, daB auch sie
zum Antrieb modernster Entwicklungen werden
konnen. Ich denke dabei an eine Petroleum-
lampe,. die ich auf einer Moskauer Ausstellung
sah and die auch im vorigen Jahr auf der Leip-
ziger Messe gezeigt wurde. Jawohl, es gibt noch
Dorfer in den Bergen des Kaukasus and viel-
leicht auch in anderen entlegenen Gegenden
dieses Sechstels, unserer Erde, die noch keinen
AnschluB an ein Elektrizitetswerk haben and
sich in bezug auf die Beleuchtung mit diesem
uns bereits altertiimlich erscheinenden Geret
heute noch behelfen miissen. Aber die Lampe,
welche ich meine, ist keine gewohnliche Petro-
leumlampe, denn sie besitzt eine Batterie von
Halbleiterthermoelementen, welche einen Teil
der Werme der Verbrennungsgase der Petroleum-
flamme in elektrische Energie umwandeln, die
ausreichend ist, um einen Radioapparat mit
Lautsprecher zu betreiben. Diese thermoelek-
trische Batterie wurde von dem weltbekannten
Physiker Joffe, dem Senior der sowjetischen
Naturwissenschaften, fiir die Bauern auf den
entlegenen Koichosen entwickelt. Sie stellt fair
mich ein gewisses Gegenstiick zu dem sowje-
tischen Erdsatelliten dar; einmal wegen ihrer
bescheidenen and wenig von sich reden machen-
den Zielsetzung and ein andermal dashalb, weil
es sie ebenso wie den Erdsatelliten in den USA
noch nicht gibt. Ich konnte mir denken, daB
mancher Amerikaner diese kleine Lampe des
3. Jahrgang, Heft 11/12
Vaters Joffe belechelt, wobei er sagt, bei uns
gibt es keine Farmen mehr, die ohne elektrische
Beleuchtung sind. Das mag stimmen. Aber auch
der erste amerikanische Erdsatellit wird (wenn
er kommt) keinen elektrischen AnschluB an ein
irdisches Kraftwerk haben; aber der zweite sow-
jetische Erdsatellit wird schon ein kleines Son-
nenkraftwerk besitzen, das nach demselben
Prinzip arbeitet wie die Stromquelle an dieser
Petroleumlampe and das den Radiosender and
die wissenschaftlichen Apparaturen des kiinst-
lichen Himmelskorpers fiir die ganze Dauer
seines - hoffentlich recht langen - Fluges ver-
sorgen wird. Mir scheint, auch hier war der
Plan in Ordnung.
Aber der beste Plan garantiert den Erfolg nicht,
sofern nicht Menschen zur Verfiigung stehen,
die diesen Plan durchfiihren konnen, Menschen,
die wissen, welche Idee dem Plan zugrunde liegt
and was die Erfiillung des Planes fiir sie and
ihre Mitmenschen bedeutet. Natiirlich kann man
nicht behaupten, daB'die Idealgestalt des sozia-
listischen Menschen heute bereits durch jeden
Sowjetbiirger verkorpert werde. Jedoch scheint
mir, daB der sowjetische Mensch von heute be-
reits in vielen Ziigen seines Wesens der sozia-
listischen Entwicklung entspricht. Hiermit,
glaube ich, hengt es zusammen, daB mir die
Arbeit im sowjetischen Kollektiv stets eine ein-
drucksvolle Erinnerung bleiben wird. Ich babe
festgestellt, daB viele sowjetische Mitarbeiter in
hoherem MaBe, als wir es aus der iibrigen
Welt gewohnt sind, ihr personliches Interesse
bei der Losung wichtiger Aufgaben dem all-
gemeinen Interesse unterordnen konnen. Wenn
der sowjetische Mensch Entbehrungen and
Opfer beziiglich der Befriedigung seiner in-
dividuellen Wiinsche auf Bich nimmt, dann ist
ihm dies ?selbstverstendlich ebenso wie jedem
anderen Menschen nicht immer leicht. Aber er
ist stolz darauf, daB er mit BewuBtsein auf vieles
verzichten kann im Interesse des Aufbaus in
seiner Heimat, and voller Zuversicht, daB die
Friichte seiner Arbeit in vollem Umfange denen
zuteil werden, die sie hervorgebracht haben.
Die gute Zusammenarbeit in einem sowjetischen
wissenschaftlichen Kollektiv ist nicht zuletzt
durch das Auswahlprinzip, nach dem ein solches
Kollektiv entsteht, zu erkleren. Die sozialastische
Gesellschaft kennt kein Bildungsmonopol. Jeder
junge Mensch hat die gleichen Moglichkeiten
der Schulbildung and des Studiums; nur Wissen
and Konnen geben eine Gewahr fair das beruf-
liche Fortkommen. Der Gedanke der volligen
Gleichberechtigung ist diesen jungen Menschen
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in Fleisch and Blut ubergegangen. Sie neigen
deshalb nicht zur Uberheblichkeit, sondern zur.
gerechten Wiirdigung der Leistungen des an-
deren. Kein sowjetischer Mensch wird von den
Fahigkeiten anderer Volker gering denken, selbst
wenn sie in ihren technischen Leistungen hinter
der Sowjetunion zuriickstehen. Er ist iiberzeugt
davon, daB bei entsprechender Ausbildungs-
moglichkeit and sinnvoller Organisation der
gesellschaftlichen Verhaltnisse alle Volker auf
das hohe Niveau der Arbeitsproduktivitat kom-
men konnen, das Voraussetzung fur die Ver-
wirklichung des Kommunismus ist.
Es liegt.in der Natur der sozialistischen Gesell-
schaftsordnung, daB die Sowjetunion keine
Wirtschaftskrisen and keine Arbeitslosigkeit zu
befiirchten hat. Es existieren auch nicht die Ge-
fahren des Konkurrenzkampfes, der ein Merk-
mal der kapitalistischen Produktionsweise ist,
and es ergeben sich fur die wirtschaftliche, tech-
nische and wissenschaftliche Zusammenarbeit,
in erster Linie mit. den Landern des soziali-
stistischen-Lagers, die denkbar gi nstigsten Vor-
aussetzungen.
Wir konnen mit groBter Befriedigung feststellen,
in welch groBziigiger Weise uns die Sowjetunion
auf dem Gebiet der friedlichen Anwendung der
Atomenergie in den vergangenen zwei Jahren
gefordert and unterstiitzt hat. Bis zum Jahre
1955 waren wir auferstande, i berhaupt daran
zu denken, in absehbarer Zeit aus eigener Kraft
einen Kernreaktor zu bauen and den heute so
uberaus wichtigen Zweig der Atomforschung
auf breiter Grundlage zu entwickeln. Heute sieht
die Situation ganz anders aus. Es ist kein allzu-
kuhnes Wagnis mehr, wenn wir in naherer Zu-
kunft an die Vorbereitung der ersten selbstan-
digen Schritte zum Bau von Kernkraftwerken
in unserer Republik herangehen. Dies ist dadurch
moglich geworden, daB uns die Sowjetunion
1955 den ersten Forschungsreaktor zu liefern
anbot, der jetzt im Zentralinstitut fur Kernphy-
sik bei Dresden seiner Vollendung entgegengeht.
Die Entwicklungsarbeiten, die wir auf these
Weise sparen, sind in ihrem zeitlichen Umfang
schwer abzuschatzen, belaufen sich aber sicher-
lich auf mehrere Jahre. Hinzu kommt, daB wir
beztiglich des angereicherten Urans and anderer
Spezialmaterialien auf den Import aus dem Aus-
land angewiesen sind. Dadurch, daB uns die
Sowjetunion diesen Kernreaktor nicht nur als
fertiges Aggregat lieferte, sondern uns auch in
die gesamten wissenschaftlichen Grundlagen
seiner Konstruktion und in samtliche technischen
Einzelheiten einweihte, sind wir in der Lage,
den Vorsprung anderer Lander auf dem Gebiet
des Reaktorbaues nach and nach einzuholen.
Neben dem Kernreaktor liefert uns die Sowjet-
union auch ein Zyklotron, d. h. ein Gerat zur
Beschleunigung leichter Atomkerne, das fur For-
schungsarbeiten auf dem Gebiet der Kernphysik
angewendet wird. Aber auch der seitens unserer
Republik vorgetragenen Bitte, den Bau eines'
ersten Atomkraftwerkes unserer Republik schon
jetzt zu ermoglichen, ist die sowjetische Regie-
rung bereitwilligst nachgekommen. Im Sommer
1956 wurde der Vertrag fiber die Unterstiitzung
beim Bau eines solchen Atomkraftwerkes mit
einer Leistung von 70 MW zwischen den Regie-
rungen der UdSSR and der DDR abgeschlossen.
Danach wird das Projekt dieses Kraftwerkes
unter Teilnahme deutscher Ingenieure von so-
wjetischen Ingenieuren ausgearbeitet, wobei uns
samtliche wissenschaftlichen and technischen
Unterlagen fur den Kernreaktor selbst groB-
zugig zur Verfugung gestellt werden. Auch die
wichtigsten and nach dem Stand unserer Tech-
nik heute noch schwer herstellbareri Eirizelteile
werden uns von der Sowjetunion geliefert wer-
den. Wir erhalten damit Informationen and
Kenntnisse, welche heute noch kein kapita-
listisches Land einem anderen zur Verfugung
zu stellen bereit ist. Daneben selbstverstandlich
haben unsere Wissenschaftler and Techniker
Gelegenheit, in sowjetischen Instituten and
Fertigungsstellen wertvolle Kenntnisse auf dem
neuen Gebiet der Kerntechnik in freundschaft-
licher Zusammenarbeit mit den erfahrenen so-
wjetischen Kollegen zu sammeln.
Wenn auch die Sowjetunion in ihren Planen die
volkswirtschaftliche Ausnutzung der Ergebnisse
der Kernphysik bevorzugt beriicksichtigt hat,
wie der Bau des ersten Atomkraftwerkes es
lehrt, so hat sie dock keirieswegs die Grund-
lagenforschung, die zunachst nur auf die Er-
kenntnisse der Naturgesetze ausgerichtet ist,
vernachlassigt. Eine solche Forschung erfordert
heutzutage so gewaltige Mittel, wie sie kleinere
Staaten aufzubringen nicht mehr in der Lage
sind. Mit Bewunderung and Anerkennung muB
die ganze Welt feststellen, daB heute in dem
internationalen Kernforschungszentrum bei Mos-
kau zwei Apparate in Betrieb sind, die groBten
ihrer Art auf der Welt- das Synchrozyklotron
and das Synchrophasotron. Diese wertvollsten,
einmaligen Gerate, deren Baukosten mit denen
eines groBen Automobilwerkes vergleichbar sind,
wurden von den Wissenschaftlern and Techni-
kern der Sowjetunion ohne jede fremde Hilfe
in langjahriger Entwicklungsarbeit geschaffen.
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3. Jahrgang, Heft 11/12
Sie wurden kostenlos als Inventar bei der Griin-
dung des Vereinigten Institutes fir Kernfor-
schung in Dubna diesem Institut- ubergeben.
Hier arbeiten heute die Wissenschaftler aus
mehr als 10 verschiedenen Mitgliedstaaten ge-
meinsam an der Erforschung der Fragen, die fur
ein besseres Verstandnis der Vorgange im Atom-
inneren beantwortet . werden mUssen. Unter
ihnen befinden sich auch Wissenschaftler aus
unserer. Republik.
Wahrend sich im sozialistischen Lager die
Krafte koordinieren and dadurch die natiirlichen
materiellen and ideellen -Potentiate zu einer
immer groBeren Ausschopfung kommen and da-
mit ungeahnte Perspektiven eroffnen, ist im
kapitalistischen Lager die Moglichkeit einer sol-
chen Ausrichtung aul3erordentlich begrenzt. Es
ist nicht nur der Konkurrenzkampf, der die Zu-
sammenarbeit verschiedener Lander wesentlich
erschwert, sondern es sind auch die verschiede-
nen Interessentengruppen innerhalb eines Lan-
des, die die Zusammenarbeit der Wissenschaft-
ler and Techniker aus geschaftlichen Erwagun-
gen heraus nicht zustandekommen lassen. Hier-
aus erklarte sich die prinzipielle Uberlegen-
heit der sozialistischen Sowjetunion. Und diese
tYberlegenheit der sozialistischen Ordnung wird
sich in naher Zukunft mehr and mehr er-
weisen. In der sozialistischen Gesellschaft gibt
es keine Interessentengruppen, die sich von einem
Kriege Vorteile versprechen. Deshalb setzt sich
die Sowjetunion fur die friedliche Koexistenz
der beiden heute bestehenden Weltsysteme mit
allem Nachdruck ein.
Wenn zum 40. Jahrestag der Grol3en Sozia-
listischen Oktoberrevolution der Gedanke der
friedlichen Koexistenz auch in dem kapita-
listischen Lager mehr and mehr Anhanger ge-
winnt, dann ist dies eine unmittelbare Folge der
weithin sichtbar gewordenen wissenschaftlichen
and technischen Erfolge der Sow.jetunion. Wir
sind dariiber sehr froh, denn wir sehen in dem
friedlichen Wettstreit der verschiedenen Systeme
die Moglichkeit, auf dem Wege der sozialisti-
schen Entwicklung so weit voranzukommen, daB
die Lebensverhaltnisse fur alle Bevolkerungs-
schichten besser werden als in den kapitalisti-
schen Landern, so daB schlieBlich die Ideen der
Oktoberrevolution ihren Siegeszug fiber die
kapitalistische,' Welt - ohne Anwendung von
Gewalt - antreten konnen.
In Gedanken an diese groBartige friedliche Per-
spektive griil3en wir unsere Kollegen Wissen-
schaftler and Techniker der Sowjetunion, die
durch ihre unermudliche Arbeit dem Sowjet-
staat zu Wohlstand and Ansehen verholfen
haben and wunschen den Volkern der UdSSR
die erfolgreiche Verwirklichung ihrer weiteren
groBen Plane!
Prof. Dr. H. BARWICH
Mitglied der Sektion fur Physik der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin
Leiter des Zentralinstituts fur Kernphysik
Mitglied des Forschungsrates der DDR
Die Befreiungsstunde des prometheischen Geistes
In den Friihlingstagen des gewitterschwangeren
Jahres 1789 warf Friedrich Schiller in seiner
akademischen Antrittsvorlesung hier an dieser
ehrwurdigen Alma mater die beziehungsschwere
Frage nach Sinn and Wert des Studiums der
Weltgeschichte auf.
Als systematischer and philosophisch gerichteter
Denker konnte ihm nicht verborgen bleiben, daB
dieser besonderen Frage eine allgemeinere, prin-
zipiellere zugrunde lag: die Frage nacn Wesen,
Wert and Voraussetzung wissenschartucher Er-
kenntnis i berhaupt.
Ich denke, niemand in der Welt wird uns Deut-
schen verargen, wenn wir stolz darauf sind, daB
der nachmalige Ehrenbiirger der franzosischen
Revolution in dieser seiner denkwurciigen Rede
das revolutionare. Ethos, die Bereitschaft, das
Errungene stets aufs neue zur Diskussion zu
stellen, als die Grundtriebkraft aller echten
Wissenschaft erkennt. Wer nur um des materi-
ellen Gewinnes willen sich der Wissenschaft
widme, habe umsonst gelebt, gewacht, gearbei-
tet. Umsonst habe der nach Wahrheit geforscht,
der nur frage, ob sich fur ihn die Wahrheit auch
in Gold oder Fiirstengunst verwandle. Sie, die
er die Brotgelehrten nennt, seien es, die jede
wichtige Neuerung aufschrecke, weil sie die alte
verknocherte Schulform zerbreche, die der Pe-
dant sich so muhsam zu eigen gemacht habe.
Niemand halte den Fortgang niitzlicher Revolu-
tionen im Reiche des Wissens mehr auf als die- .
ser ungeistige and unphilosophische Gelehrte.
Sie fechten, so sagt Schiller, mit Erbitterung,
mit Heimtucke, mit Verzweiflung, weil sie bei
dem Schulsystem, das sie verteidigen, zugleich
fur ihr ganzes Dasein fechten. Diesem im Grun-
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 275
de dem Wesen der Wissenschaft fernstehenden
Typ, den Goethe in der Gestalt Wagners dem
Spotte preisgegeben hat, stellt Schiller in leuch-
tenden Farben den wahrhaften Reprasentanten
wissenschaftlichen Pioniergeistes entgegen. Neue
Entdeckungen im Kreise seiner Tatigkeit, 'die
den Brotgelehrten niederschlagen, entziicken
ihn. Vielleicht, so meint Schiller, fiillen sie eine
Lucke. die das werdende Ganze seiner Begriffe
noch verunstaltet hatte, oder setzen den letzten
noch fehlenden Stein in sein Ideengebaude, der
es vollendet. Sollten sie es aber auch zertrum-
mern, sollte eine neue Gedankenreihe, eine neue
Naturerscheinung, ein neu entdecktes Gesetz in
der Korperwelt den ganzen Bau seiner Wissen-
schaft umsturzen, so hat er die Wahrheit immer
mehr geliebt als seiri System, and gern wird er
die alte mangelhafte Form mit einer neueren
and schoneren vertauschen. Ja, wenn kein
Streich von au[3en sein Ideengebaude erschiittert,
so ist er selbst, von einem ewig wirksamen Trieb
nach Verbesserung gezwungen, er selbst ist der
erste, der es unbefriedigt auseinanderlegt, um
es vollkommener wiederherzustellen.
Wer vermag sich der unwiderstehlichen Beweis-
kraft dieses genialen, ja wahrhaft revolutionaren
Gedankenfluges des groBen Ingeniums zu ent-
ziehen, dessen Geist Schirmherr unserer ehr-
wUrdigen Universitat ist? Wen beschleicht nicht
das ungute Gefi hl, sich selbst den Boden unter
den FiiBen zu entziehen, wollte man die Berech-
tigung der zornigen Anklage unseres Dichters
in Zweifel stellen. Welcher von echtem pro-
metheischen Forschungsdrang vorwarts getrie-
bene Wissenschaftler ist nicht von der t7berzeu-
gung durchdrungen, daB die Wissenschaft in
ihrem Wesenskern ein standiger revolutionarer
and revolutionierender ProzeB ist, daB sie ihre
innere Pulsation aus dem Gesetz der Spannung
zwischen Realitat and Vorstellung, zwischen
Sein and BewuBtsein empfangt, daB ihr rhyth-
misches Lebensgesetz - gleichsam ihre Systole
and Diastole - der gesetzmal3ige Wechsel zwi-
schen allmahlichem Fbrtschreiten and erregen-
dem Umsturz innerhalb ihres groBen Universums
ist. Zunahme an Wissen bedeutet Zunahme an
Unruhe, so sagt einer unserer grof3en Denker.
Wer also nicht bereit ist, auch den geschicht-
lichen Unruhen seinen Tribut zu entrichten,
kann der den legitimen Anspruch erheben, zu
den groBen Befreiern des menschlichen Geistes
in einer inneren Beziehung zu stehen? Jedes
neue grol3e Ereignis, in welchen 'Bereichen im-
mer, stellt alles bisher Errungene erneut zur
Aussprache, zwingt zur Tjberprufung and zum
Vergleich, bildet Ausgangspukt neuer Standort-
bestimmung. Wenn eine' Nova am gestirnten
Firmament aufleuchtet, wenn irgendein Urpha-
nomen sich uns offenbart, dann richtet die for-
schende Menschheit ihr Instrumentarium auf
sie, um Ursprunge zu ergrunden, Bewegungs-
richtung and Bewegungsformen zu bestimmen
and Wirkungen zu errechnen.
Was aber sind politische and soziale Revolutionen
anderes als das Aufleuchten solcher Novae am
historischen Firmament der Menschheit? Was
sind sie anderes als urgewaltige Eruptionen zu-
sammengedrangter and zusammengeballter kol-
lektiver menschlicher Energien? Konnen wir
uns ihnen gegentiber, sofern wir den Anspruch
auf Wissenschaftlichkeit unseres Denkens erhe-
ben, anders verhalten als zu den groBen Energie-
ausbruchen im Weltall? Besitzt irgend jemand in
der Welt ein fundiertes Recht, aus personlichen
Empfindungen, Animositaten, Aversionen and
Leidenschaften heraus sich in selbstgefalliger Hy-
bris diesen groBen Urphanomenen unseres gemein-
samen menschlichen Daseins - denn unser
menschliches Dasein ist ein gemeinsames, ob
wir es wollen oder nicht - zu verschlieBen,
Herz and Verstand abzuschliel3en von der
Schmelzofenglut des kollektiven menschlichen
Willens? Vermag irgend jemand vor seinem Ge-
wissen zu verantworten, sich fiber die ganze
Tragweite and eruptive Gewalt eines alle Le-
bensbereiche so tief erschiitternden Phanomens,
wie es eine Revolution ist, hinwegzusetzen?
Mit Recht stellt der denkende Mensch bei der
Betrachtung jedes Ereignisses die Frage nach
dem Bezug, den es zu ihm selbst habe; denn der
Mensch empfindet sich - wie uns scheint, mit
vollstem Recht - als die Kronung and den
hochsten Mal3stab der Natur. Kunst and Wissen-
schaft wiederum aber stellen die hochste Reali-
sation seiner geistigen Potenz dar. Daher besitzt
der von wissenschaftlichem Streben erftillte
Mensch das legitime Recht, Hach dem Bezug des
groBen historischen Phanomens, dessen wir
heute gedenken, zur Wissenschaft zu fragen. Das
ist die Grundfrage, die heute jeder ernste Wis-
senschaftler auf der ganzen Erde an das Datum
des 7. November 1917 richtet. Ist dieses Datum
lediglich fur die Staats- and Sozialgeschichte
der Menschheit, fur die Evolution ihrer Ideen
and Weltdeutungen ein epochemachendes Er-
eignis - and das wurde gewiB geniagen, um ihm
sakularen Charakter zuzuschreiben - oder
birgt es in sich zugleich die Kraft revolutionarer
Umwalzung im Bereich des forschenden Geistes
der Menschheit?
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276 MITTEILUNGSBLATT
Wie das Urphanomen der Revolution lange, be-
vor es fur alle Auge'n sichtbar emporflammt, im
Schof3e der alten Ordnung mit zunehmender
Heftigkeit zu schwelen beginnt and sich dem
zum Sehen bereiten and bereiteten Auge in
wachsenden Symptomen and unterirdischen Er-
scheinungen ankundigt, so schlummert auch die
Frage nach dem Schicksal der Wissenschaft im
Banne der sich anbahnenden gesellschaftlichen
Umwalzungen bereits lange im Schof3e der von
wachsenden Widerspruchen zeirrissenen Ord-
nung, bevor sie die kategorische Forderung nach
der endgiiltigeriBefreiung der Wissenschaft an-
nimmt.
In der Morgenrote des menschlichen Denkens
bereits, als Mythos and wissenschaftliche Denk-
form sich fur immer voneinander zu scheiden
beginnen, wird jener welthistorische Antagonis-
mus zwischen mythischer Phantasmagorie and
rationalem Weltbild sichtbar. Das Ringen dieser
polaren Krafte nimmt im Bereich der geistigen
Standortbestimmung schlieBlich so gewaltige
Dimensionen an, daB es zu der grof3en Entschei-
dungsschlacht fi hrt, die nach jahrtausende-
langen unentwegten Kampfen eine grundlegen-
de Umwalzung im Krafteverhaltnis zwischen
diesen beiden diametral entgegengesetzten Denk-
formen herbeifiihrt. Die Peripetie dieses welt-
geschichtlichen ? Ringens ist der sozialistische
Oktober.
Vor' zweieinhalb Jahrtausenden traumte ein
groler, ein tapferer Heliene in der stidlichen
Klarheit seines sonnigen Vaterlandes einen gro-
Ben and tapferen Traum, den sein Volk jahr-
hundertelang bereits vorgeahnt hatte. Ich
spreche von Aschylos and seinem genialen dra-
matischen Gedicht ?Der gefesselte Prometheus".
Uralt ist der Mythos von dem GottersproBling,
der fiber die Erde schreitet, wissend, daB im
Erdboden der Same des Himmels schlummere.
Aus dieser Erde schuf er den Menschen, lehrte
ihn, den Gang der Gestirne" zu entziffern, Zahl
and Buchstabe zu beherrschen, Land and Meer
zu iiberqueren, Erz and Gold, Silber and Eisen
zu schurfen. Und als die h8chste Gabe seines
rnenschenfreundlichen Ingeniums raubte er das
himmlische Feuer and reichte es dem Men-
schen.
Ein schoner, ein tiefer, ein edler Mythos. Wir
aber haben heute einen anderen Realitatsbegriff
als diese mythische Zeit. Wir wissen, daB in
einer merkwurdigen, oft zu konstatierenden
historischen Inversion nicht der Mensch das Ge-
schopf des Prometheus, sondern Prometheus ein
Geschopf des Menschen ist. Wir vermogen heute
3. Jahrgang, Heft 11/12
in dieser ergreifenden archaischen Titanenge-
stalt das mythisch verhiillte Selbstbildnis der
Menschheit and ihr jugendlich aufbrechendes,
sich an sich selbst berauschendes Schopfungs-
bewuBtsein zu entziffern, den Glauben an ihre
Zukunft, ihr erfinderisches Genie, ihre alles
durchdringende Kraft der Erkenntnis. Es ist das
Bild, das sich die Menschheit in ihrer histo-
rischen Morgendammerung davon macht, wie
sie sich selbst geschaffen hat. Aber diese strah-
lende Vision wird tragisch. Prometheus, das
schopferische Genie, wird auf Befehl der hoch-
sten Gottheit gefesselt, an den Felsen geschmie-
det, in seiner titanischen Wi rde geschandet, ab-
scheulichen Greueln ausgesetzt. Eine rauberische
Bestie reiBt ihm taglich. auf Befehl der Gottheit
die Leber aus dem Leibe. Die Leber ist nach ur-
alten Mythos Sitz des Lebens, des leidenschaft-
lichen Stolzes, des menschlichen Trotzes and un-
bandigen Vorwartsstrebens.
Wie haben wir denn diese Fesselung des grolen
leidenschaftlichen Menschheitsfreundes zu deu-
ten? Ich bitte, mich nicht mif3zuverstehen. Ich
meine, wir mussen von unserem Standpunkt -
hic et nunc, hier and heute - nach einer Deu-
tung dieses erhabenen alten Mythos suchen, die
das Vergangliche vom Unverganglichen scheidet
and aus der zeitbedingten Schale den tiefen
Kern zutage fordert. Nun, wir wissen, daB die
hochste himmlische Macht, die den Befehl zur
Fesselung des Prometheus erteilt, in Wirklich-
keit nichts anderes ist als das ins Unendliche
ausgeweitete mythische Abbild der damaligen
irdischen Macht. Diese irdische Macht war die
Herrschaft des Sklavenhalters. Aber weil es ein
ins Unendliche ausgeweitetes Bild ist, so trifft
es eben auch mehr als nur die historische Macht
jener Zeit; es trifft alle irdische Macht, die ihre
angemaf3te Omnipotenz aus der Ohnmacht der
Dienenden herleitet.
Die vergotterte irdische Macht also ist es, die
den Geist wissenschaftlichen Pioniertums fesselt.
Das ist der Realitatsgehalt des Mythos, den die
Volksphantasie geschafferi hatte and dem Aschy-
los nur eine tiefere Deutung verlieh. Aber als
R:eprasentant des schopferischen menschlichen
Geistes konnte sich der groBe attische Dichter
unmoglich bei dem niederschmetternden Ge-
danken beruhigen, daB die schopferische Kraft
des Menschen fur alle Ewigkeit in Fesseln ge-
schlagen bleiben werde and immer nur mit ge-
schundenen Gliedern dem Fortschritt dienen
konne. In derri Ringen zwischen vergotzter Ge-
walt der herrsclienden Ausbeuterklasse and dem
Titanenstolz, der in sich das Feuer wissensehaft-
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 277
lichen Strebens lodern fiihlt, steht der Dichter
eindeutig and ohne Einschrankung auf der Seite
des gefesselten Titanen, and keinen Augenblick
laBt er uns im Zweifel dariiber, daB er an seine
endliche Befreiung aus diesen Fesseln glaubt.
Ja, mehr noch, er legt dem gefesselten Titanen
den Untergangsfluch gegen die hochste Gottheit
seiner Zeit in den Mund. Und wer weid, wie
groI3 der patriarchalische Respekt war, den der
Hellene seiner hochsten Gottheit entgegenzu-
bringen pflegte, der spurt, welcher Titanenstolz
in Aschylos selbst gelebt haben mud, um das
Wagnis einzugehen, so gottesfeindliche Rede auf
die Biihne Athens zu bringen. So donnert Pro-
metheus gegen die hochste Gottheit:
,,Mag er sich noch so selbstherrlich diinken,
die Stunde wird kommen, da er fur immer von
der Allmacht seines Thrones in die Tiefe
stiirzt. Mag er, auf Blitz and Donner vertrau-
end, heute noch seine vermessene Herrschaft
ausiiben, nichts wird es ihm niitzen, ehrlos
wird er den unertraglichen Sturz in die Tiefe
tun; denn ihm ersteht ein Widersacher, 'der
gewaltigere Flammen schafft als den Blitz
and machtigeres Drohnen als den Donner."
Die Tochter des Okeanos, die Fiihrerin des
Chors, warnt Prometheus, es sei doch eine
schreckliche Gotteslasterung, der hochsten Gott-
heit den unvermeidlichen Sturz anzukundigen;
klug dagegen sei es, die Allmachtigkeit im
Staube zu verehren. Stolz antwortet ihr der
Titan:
,,Bete an, knie, krieche vor der gottlichen Macht,
mir ist dieser Gott weniger als nichts."
Das ist die Sprache des Revolutionars. Das ist
die Sprache der Revolution. Das ist die titanische
Stimme menschlicher Macht, die vor nichts ka-
pituliert and in sich die Kraft fiihlt, die Welt aus
den Angeln zu heben and sie nach. ihrem Bilde
zu formen.
Wir wissen, Magnifizenzen, verehrte Freunde,
wie viele Scheiterhaufen von den herrschenden
Machten der Vergangenheit entzundet worden
rind, um den prometheischen Geist der Mensch-
heit, der das Feuer schuf, selbst mit Feuer and
Schwert wieder zu vernichten. Wir wissen, wer
Sokrates den Schierlingsbecher in die Hand
zwang and Anaxagoras vor das Tribunal zerrte.
Wir wissen, wer Giordano Bruno and Jan Hus
auf den Scheiterhaufen schickte. ' Wir wissen,
wer Galilei and Darwin, Marx and Engels and
Lenin in Acht and Bann getan hat. Wir kennen
jene, die die besten and hochsten Reprasentan-
ten des deutsehen Geistes in den Jahren unserer
grol3ten nationalen Schmach fiber die Grenzen
unseres Vaterlandes trieben oder ihre Stimme
mit Stacheldraht, Strang oder Folter zum
Schweigen brachten.
Aber fur sie alle hat in Wirklichkeit seit dem
7. November 1917 die Sterbestunde geschlagen
-, endgultig and unwiderruflich. Die Grode
Sozialistische Oktoberrevolution ist nicht nur
der Beginn einer weltumspannenden okono-
mischen, politischen and sozialen Transforma-
tion der menschlichen Gesellschaft, sie ist zu-
gleich auch die Stunde, da dem Prometheus-
Menschen fur immer die Fesseln gelost wurden,
in die ihn die Macht des Ungeistes schlug. Sie
ist die -Befreiungsstunde des prometheischen
Geistes der Menschheit. Sie ist die Stunde der
wahren Freiheit der Wissenschaft.
Denn, hochverehrte Festversamm]ung, der
7. November 1917 ist die Stunde des Sieges der
einzigen existierenden Weltanschauung, die dem
mythischen Denken den ' Krieg auf Leben and
Tod angesagt and die wissenschaftliche Methode
des Denkens and Handelns als die einzige zu
integraler Herrschaft legitimierte Methode an
die Macht gebracht hat.
Mit dem sakularen Sieg des Marxismus-Leninis-
mus, der als einzige Weltanschauung der wis-
senschaftlichen Denkform einen kategorischen
AusschlieBlichkeitsanspruch zugesteht, ist die
Wissenschaft zu einer herrschenden geistigen
Macht der Gesellschaft geworden; auch wenn
in einem Teil der Welt noch das unwissenschaft
lithe Denken herrscht - die Tage dieses Teils
der Erde sind gezahlt.
Der Sieg der sozialistischen Revolution aber am
7. November 1917 ist selbst nichts anderes als
das Resultat wissenschaftlich begrundeter Fiih
rung in.. der Politik, d. h. der niichternen Ein
schatzung des Wirkens der Klassen als der ge-
schichtsformenden kollektiven Krafte der Gesell-
schaft and der daraus resultierenden objektiven
Gesetzmadigkeiten: Der Sieg des sozialistischen
Oktober stellt den bisher hochsten Triumph
wissenschaftlichen Denkens in der Beherr-
schung des Geschichtsprozesses iiberhaupt dar,
and zum erstenmal in der menschlichen Ge-
schichte leitet den gesellschaftlichen Entwick-
lungsprozeB eine frelwillige Vereinigung bis
zum Tode entschlossener Menschen, die fur ihr
politisches Handeln einzig and allein. das wis-
senschaftliche Kriterium zulassen.
Die politische Revolution von 1917, die den
Staat des Zarismus bis auf den Grund.zerstorte
and nach hart erkampften wissenschaftlichen
Prinzipien einen neuen Staat errichtete, hat also
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278 MITTEILUNGSBLATT
nicht nur eine den Grund aufwuhlende okono-
mische, soziale and weltanschauliche Revolu-
tion nach sich gezogen, sie hat auch einen echten
Umsturz in der Stellung der Wissenschaft inner-
halb der menschlichen Gesellschaft herbei-
gefuhrt. Und wir alle befinden uns mitten in
diesem revolutionaren UmwalzungsprozeB.
Was ist denn eigentlich eine echte Revolution?
Echte Revolutionen sind stets Umwalzungen von
Herrschaftsverhaltnissen; nicht ,Herrschafts-
verhaltnisse" irgendwelcher Faktionen and
Fraktionen, Gruppen and Griippchen, sondern
eine herrschende Klasse wird gestiirzt and eine
neue ubernimmt die Fuhrung des okonomischen,
politischen and geistigen Entwicklungsprozesses
der Gesellschaft. Auch im Bereich der Kultur, im
Bereich der geistigen Lebensformen der Volker
gibt es Herrschende and Beherrschte, herrschende
and geforderte Ideen and Denkformen and be-
nachteiligte and unterdriickte Ideen and Denk-
formen.
Allerdings hat es auch vor der Oktoberrevolu-
tion bereits Wissenschaft gegeben, grolle, ge-
niale, weitschauende, revolutionare Wissenschaft.
Ja, es gab sogar einzelne Machtige, die sie dann
and wann forderten and stiitzten. Aber die wis-
senschaftliche Denkform war nicht eine alles
beherrschende and alles durchdringende gei-
stige Macht der Gesellschaft; sie war geduldete
Bettlerin. Sie blieb das Privileg der gebildeten
Armut and der belachelten Aufopferungsbereit-
schaft, sofern sie ihrer revolutionaren Folgen
wegen? nicht uberhaupt vor das Tribunal der
Machthaber gefordert wurde. Die Millionen-
massen der Menschheit waren ausgeschlossen von
ihr, in mythischem Geisterglauben befangen and
gefangen. Mit dem 7 November .1917 ist das Zeit-
alter mythischer Vorstellungen endgiiltig and
unwiderruflich in den Orkus der Vergangenheit
gestof3en worden. Die Epoche der Herrschaft des
Wissens and der Wissenschaft hat begonnen;
denn auch in der Evolution der geistigen
Lebensformen der Gesellschaft gibt es kein
Mittelding zwischen Herrschen and Dienen,
gibt es keine friedliche Koexistenz zwischen
Mystik and Wissen. Du muf3t herrschen and
gewinnen oder dienen and verlieren, leiden
oder ?triumphieren, AmboB oder Hammer sein.
Das gilt auch fur den Geist der Wissenschaft.
Der Staat, der rich am 7. November 1917 im-
Millionensturm eines Hundertmillionen-Volkes
konstituiert hat, das ist der erste Staat auf
Erden, der sich auf wissenschaftlicher Grund-
lage konstituiert hat and das Gesetz der Wissen-
sehaft fur sich selbst als absolut bindend 4ner-
3. Jahrgang, Heft 11/12
kennt. Damit hat die ihrem Wesen nach revo-
lutionare Wissenschaft auch in einem seinem
Wesen nach revolutionaren Staat ihre endgtil-
tige Heimstatte gefunden.
Und wie hat diese sozialistische Heimstatte im
Verlaufe von vier Dezennien ihren historischen
Auftrag gegentiber der Wissenschaft erfiillt?
Merkwurdige Gedanken ergreifen uns in diesen
Tagen. Ktihne, langst totgeglaubte Jugend-
traume tauchen aus dem Unterbewuf3tsein wie-
der empor, drangen sich vor and versetzen
unser games Wesen in erregte Schwingung:
Sollte es dem Menschen wirklich gelingen, den
Zauberbann unseres irdischen Schwerefeldes zu
durchbrechen? Sollte es ihm wirklich gelingen,
sich eines Tages von der Milliarden Jahre alten
Ursprungsstatte alles irdischen Lebens zu losen
and den kiihnen Flug ins Weltall anzutreten?
Werden wir unsere Schritte im Universum eines
Tages nicht mehr nach irdischen, sondern nach
astronomischen Dimensionen berechnen? Nicht
mehr nach Kilometern and Meilen, sondern
nach Lichtminuten? Wird die Erde eines Tages
wie ein fremder Stern vor unseren Augen da-
liegen, werden die Menschen wie Staubkorn-
chen in der Unendlichkeit treiben? Schwindel
konnte uns bei diesem immensen Gedanken er-
fassen. Und doch ist es niemand anderes als der
Mensch, der sich selbst zu den himmlischen
Hohen erhebt; der Mensch, dieses merkwurdige,
kleine, mit Bewuitsein begabte Klumpchen
Materie, der traumhafte Dimensionen in traum-
hafter Geschwindigkeit zu meistern beginnt!
Magnifizenzen, hochverehrte Gaste! _Heute kann
kein Zweifel mehr bestehen, daB die Menschheit
in eine neue Epoche ihres prometheischen Da-
seins tritt, von der noch niemand zu sagen ver-
mag, wann ? and wo auch sie eines Tages durch
eine neuere, noch grof3ere abgelost werden wird.
Wir stehen an der Schwelle zweier Weltalter.
Der rote Stern, der 1917 am historischen Firma-
ment aufgegangen ist, and der rote Stern, der
seit 24 Tagen um unsere alte Mutter Erde kreist,
sind die unwiderlegbaren Kiinder einer neuen
Weltepoche. Noch in 10 000 Jahren werden diese
Daten von der Menschheit mit ehrfurchtsvoller
Stimme genannt werden.
Aber der von Menschenhand geffigte Stern des
4. Oktober 1957 ist zugleich auch der lebende
Reweis daffir, daB der Stern des 7. November
1917 mit seiriem Pfunde wohl zu wuchern ver-
standen hat and weiter steigt. Er verkiindet
aller Welt, daB Prometheus seit diesem Tage
wirklich frei ist. Wie anders ware es moglich,
da13-ein Land, das 1917 nogh zu den ruckstandig-
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MITTEILUNGSBLATT 279
sten Landern der Erde zahlte, in dem die meisten
Menschen noch Analphabeten waren, in 40 Jah-
ren - and was rind 40 Jahre schon im Leben
der Volker! - an die Spitze der denkenden,
forschenden, erfindenden and kampfenden Men-
schen geriickt ist. Denn das bedeutet das kleine
Signal, das seit 24 Tagen mit mathematischer
Prazision aus dem Weltall zu uns dringt. Die
alte Welt, die immer noch auf die Vergangenheit
schwort, die im Dunstschleier mythisch-mysti-
scher Vorstellung dahintaumelt and zugleich
doch so gern an diesem Erfolg teilhaben mochte,
hat wohl begriffen, dal3 etwas Ungeheures im
Reiche des menschlichen Geistes geschehen ist.
Aber eines will and kann sie nicht begreifen:
daf3, um den archimedischen Punkt zu finden,
von dem aus die Welt aus den Angeln gehoben
werden kann, erst einmal jener Punkt gefunden
werden mulite, von dem aus die menschliche
Gesellschaft aus den Angeln gehoben werden
konnte. Und es ist and bleibt die unverrizck-
bare, durch nichts aus der Welt zu schaffende
Tatsache, daf3 es einzig and allein die Kommu-
nisten gewesen sind, die diesen Punkt gefunden
haben in der Errichtung der Diktatur des Prole-
tariats and in der Abschaffung des Privateigen-
turns an den Produktionsmitteln. Nur die Ab-
schaffung des Privateigentums an den Produk-
tionsmitteln and ihre tlberfiihrung in den Ge-
meinbesitz der Gesellschaft garantieren, da3 alle
materiellen, geistigen and moralischen Energien
der Gesellschaft jeweils auf einen Punkt, den
historisch notwendigen, konzentriert werden
konnen. Mogen die durch den sozialistischen
Aufbruch zum Weltall tief erschrockenen Kro-
nenwachter einer unwiderruflich zum Unter-
gang verurteilten Welt jetzt nach dem Stein des
Weisen rufen and suchen, um diesen Vorsprung
des sozialistischen Geistes wieder einzuholen.
Diesen Vorsprung konnen sie nie wieder uber-
holen; denn durch die Vergotzung personlicher
Gewinnsucht bringen sie sich selbst um die Mog-
lichkeit des Erfolges. Nur eine solche Ordnung
vermag unentwegt mit prometheischer Kiihnheit
voranzuschreiten, in der die Kommunisten die
fiihrende Kraft sind, in der das Einzelinteresse
dem gesellschaftlichen untergeordnet ist.
Es ware ein fundamentaler Irrtum, wenn man
annehmen wollte, dal3 der gute Wille allein hin-
reichend gewesen sei, der Menschheit ein neues
Weltalter zu bescheren. Um den Gottern den
Himmel zu entreillen, mul3te zuvor die Erde
denen entrissen werden, die sich GBtter auf
Erden dUnken. Um Same and Frucht dieser Erde
zu bergen, muflte die Erde selbst erst im Schol3e
des Menschenvolkes geborgen werden. Mit dem
7. November 1917 wurde zum erstenmal in der
Geschichte der Menschheit die Erde, die Mutter
aller menschlichen Kultur, denen entrissen, die
sie in ihr Gefangnis der Selbstsucht gesperrt
hatten, and ihrer Zwillingsschwester ubergeben,
die allein aus der Erde den Schatz der Kultur
zu formen vermag, der menschlichen Arbeit.
Und noch einmal die Frage: Hat die befreite
Arbeit mit dem ihr anvertrauten Pfunde in der
sozialistischen Welt zu wuchern verstanden? Hat
die 40j5hrige Geschichte die historische Legitimi-
tat des chirurgischen Eingriffs von 1917 erhar-
tet? Hat sie den Beweis erbracht, dali es notwen-
dig war, unter der Fuhrung der entschlossensten
Revolutionare, mit einem der genialsten Men-
schen aller Zeiten an der Spitze - wir sprechen
von Wladimir Iljitsch Lenin - eine Diktatur
gegen die zu errichten, die nur danach trachten,
das hell entfachte prometheische Feuer wieder
zu ersticken? Stellen wir die Gegenfrage: Was
ware wohl geschehen, wenn die Sohne der sozia-
listischen Revolution in diesen 40 Jahren nicht
das Mali an Entschlossenheit aufgebracht hatten,
fur das sie von wohlmeinenden, aber hochst
weltfremden Philanthropen immer wieder ge-
tadelt werden? Dann wurde heute nicht nur in
Berlin and Moskau, sondern auch in Paris, Prag,
Amsterdam, Budapest, Briissel, Warschau, Rom,
Bern, Genf and Gott weif3 wo die Fahne mittel-
alterlicher Geistesknechtschaft, das Symbol von
Strang and Folter, das Hakenkreuz, wehen.
Aber gottlob: Die Vater and Sohne der Oktober.-
revolution waren unerschiitterliche Kommuni-
sten, Vollstrecker der wissenschaftlich erhar-
teten Mission des Marxismus-Leninismus. Und
daher weht heute fiber einem Drittel des irdi-
schen Territoriums nicht das Hakenkreuz, son-
dern die Rote Fahne, and aus dem Staat des
sozialistischen Oktober ist ein Weltsystem sozia-
listischer Staaten geworden.
Heute birgt das Sowjetvolk mehr als zehnmal
soviel Stahl, zwanzigmal soviel Kohle, hundert-
mal soviel elektrische Energie aus der in seine
Obhut ubernommenen Erde als vor 40 Jahren.
1917 betrug der Anteil Rufilands an der indu-
striellen Produktion der Welt 2 bis 3 O./o. Heute
liefert das sozialistische Weltsystem ein Drittel
der Industrieproduktion der Erde. Und Jahr um
Jahr verlassen dreimal soviel Ingenieure and
Wissenschaftler die Hochschulen des Sowjet-
landes wie in den Vereinigten Staaten von Ame-
rika. 1914 zahlte die organisierte Anhangerschaft
der Ideen von Marx and Engels noch Hundert-
tausende. Heute gibt es 33 Millionen organi-
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280 MITTEILUNGSBLATT
sierte Kommunisten auf der Erde. Es ist die
grol3te Partei der Menschheit. Es kann and wird
keine grol3ere and starkere Partei geben; denn
sie ist die einzige wahrhaft internationalistische
Partei, die existiert, sie st% tzt sich auf die Mil-
lionenmassen der Werktatigen aller Lander, die
in alien Nationen die Mehrheit bilden. Sie exi-
stiert iiberall, selbst dort, wo sie verboten ist,
wie in der Bundesrepublik. Auch die Partei
Lenins war verboten.
Warum siegte die GroBe Sozialistische Oktober-
revolution? Eben weil sie von dieser Partei ge-
fiihrt wurde. Warum errang diese Partei im
Verlaufe der denkwurdigen Oktoberrevolution
das Vertrauen der Millionenmassen des Volkes?
Weil sie bedingungslos fur den Frieden eintrat;
weil sie bedingungslos dafiir eintrat, daB die
Erde and was sie tragt dem Volke gehore; weil
sie bedingungslos daffir eintrat, daB eine Gesell-
schaft geschaffen werde,. in der es keine Herren
and Knechte mehr gibt, and Weil sie unter der
unerschiitterlichen Fuhrung eines Zentralkomi-
tees mit einem unbeugsamen Revolutionar an
der Spitze stand, die durch nichts von dieser
Linie abzubringen war and ist. Diese Verspre-
chen hat die Kommunistische Partei Wort fur
Wort eingelost. Deshalb hat sie Lenin mit Recht
den Geist, die Ehre and das Gewissen unserer
Epoche geriannt. Vor mehr als einem halben
Jahrhundert sprach er das kiihne Wort: ,Gebt
uns eine Organisation von Revolutionaren and
wir werden RuBland aus den Angeln heben."
Heute ist klar, daB nicht nur RuBland, sondern
die ganze Welt aus den Angeln gehoben wird.
Magnifizenzen, verehrte Gaste! Nichts Gefahr-
licheres im Leben der Volker gibt es als die
Furcht vor ganzen Malnahmen. Der Menschheit
wird nichts geschenkt. Prometheus darf niemals
ruhen. Die Furcht vor der ganzen Entscheidung
ermutigt den, der die Vergangenheit verewigen.
will. Sie tragt Zweifel and Verzagtheit in die
eigenen Reihen.
?Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit
auch schwankend gesinnt ist, der vermehret das
Ubel and breitet es _.weiter and weiter. Aber wer
Pest auf dem Sinne beharret, der bildet die Welt
sich."
Und nun richte ich die Frage an Sie: Wer hat in
diesem Jahrhundert eine neue Welt gebildet?
Wer hat niemals geschwankt and gewankt? Wer
allein war stets entschlossen, ganze Arbeit zu
tun - im Dienste des Friedens, ' im Dienste
wissenschaftlichen Geistes, im Dienste einer
grundlegenden Umwalzung aller menschlichen
3. Jahrgang, Heft 11/12
Beziehungen aus hochster ethischer Verantwor-
tung? Wer war entschlossen, diese Arbeit ganz
zu tun, and wer hat sie ganz getan?
Wir wissen, daB es immer noch Menschen gibt,
die fur sich personlich den Anspruch besonders
hoher Geistigkeit erheben and aus diesem An-
spruch heraus mit aristokratischem Stolz eine
gewisse Scheu vor ganzen MaBnahmen zur
Schau tragen. Aber ich erlaube mir die Frage
zu stellen: Was wurde in unseren Physik-, Bio-
logie- and Geschichtsbiichern zu lesen sein,
wenn es nicht Charaktere wie Kopernikus and
Kepler, Galilei and Newton, Lobatschewskj and
Mendelejew, Darwin and Einstein, Marx and
Lenin gegeben hatte? Und lesen wir nicht
gerade deshalb fur immer den Namen von
Kopernikus in den Annalen des menschlichen
Geistes, well er den Mut besall, einen ganzen
Schritt zu tun? Denn zwischen dem geozentri-
schen and dem heliozentrischen System gibt es
ja wohl kein Mittelding. Und lesen wir nicht
gerade deshalb Einsteins Namen im Buche der
Erkenntnis, well er Kraft and Mut land, von
dem metaphysischen Raum- and Zeitbegriff der
klassischen Physik zu einem neuen Koordinaten-
system des physikalischen Weltbildes vorzu-
stoBen? Wer nicht den Mut aufbringt, ganze
Schritte zu machen, mull sich damit abfinden,
von denen iiberrundet zu werden, die diesen Mut
besitzen.
Der grolte Schritt, den die Menschheit in ihrer
ganzen bisherigen Geschichte gemacht hat, ist
der Schritt von dem dumpfanarchischen Sich-
vorwartswuhlen im Gestrupp der geschichtlichen
Gesetzm5f3igkeiten zur bewuBten Anwendung
der historischen Gesetzmaf3igkeit auf ihre eigene
Entwicklung. Was Wunder, daf3 kleinmutige
Geister vor diesem unerhort kiihnen Schritt zu-
riickschreckten. Aber nur so ist es moglich, alle
Springquellen des materiellen and geistigen
Lebensprozesses der Nationen zum Fliellen zu
bringen, alle schopferischen Krafte des Men-
schengeschlechts in einem grollen Strome zu
vereinigen.
Es gibt Menschen, die bereit waren, diese groBe
geschichtliche Umwalzung and ihre historische
Unumganglichkeit anzuerkennen, wenn sie nur
nicht mit dem Erdgeruch einer wirklichen Revo-
lution behaftet ware, wenn sie gewissermal3en
sauber and delikat wie ein physikalisches Expe=
riment im Vakuum abrollen wurde. Diesen
sozialistischen Schongeistern, die sich die Geburt
der sozialistischen Gesellschaft . wie das Mieten
eines moblierten Zimmers vorstellen, in das man
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 281
nur seine Koffer hineinzustellen braucht, schrieb
Lenin am 29. Juni 1918, also noch mitten im
Wiiten des ersten Weltkrieges, folgende wahr-
haft prophetische Worte ins Stammbuch:
,,Sie horten und erkannten theoretisch` an, dal3
die Revolution einem Geburtsakt zu verglei-
chen sei, dock als es zur Tat kam, schlotterten
sie vor schmahlicher Angst, und ihr Lamen-
tieren einer lumpigen, niedrigen Seele ver-
wandelte sich in ein Nachbeten der boshaften
Ausfalle der Bourgeoisie gegen den Aufstand
des Proletariats. Nehmen wir die Beschrei-
bung des Geburtsaktes in der Literatur - jene
Beschreibungen, wo die Autoren sich das Ziel
setzten, die ganze Schwere, die ganze Qual,
das . ganze Grauen dieses Aktes wahrheits-
getreu darzustellen; wie z. B. in La joie de
vivre' von Emile Zola oder in den Notizen
eines Arztes` von Weressajew. Die Geburt des
Menschen ist ein Akt, der die Frau in ein ge-
qualtes, gemartertes, vor Schmerz wahnsinnig
gewordenes, blutiges, halbtotes Stuck Fleisch
verwandelt. Wiirde jedoch irgend jemand ein-
verstanden sein, ein solches Individuum` als
Menschen anzuerkennen, das nur das in der
Liebe, in ihren Folgen, in der Mutterwerdung
der Frau sahe? Der aus diesem Grunde der
Liebe und der Kinderzeugung abschwure? . .
Mogen die sozialistischen` Jammerlappen
unken, mag die Bourgeoisie wuten und toben.
Nur Menschen, die* die Augen schliel3en, um
nicht zu sehen, ?und sich die Ohren verstopfen,
um nicht zu hhren, sind imstande, nicht zu
bemerken, daf3 auf der ganzen Welt fur die
alte, kapitalistische Gesellschaft, die mit dem
Sozialismus schwanger geht, die Geburtswehen
begonnen haben. Auf unser Land, das durch
den Gang der Ereignisse zeitweise in die Vor-
hut der sozialistischen Revolution vorgeriickt
ist, entfallen heute ? die besonders grollen
Qualen des ersten Abschnittes der begonne-
nen Geburt. Wir haben allen Grund, mit voll-
kommener Festigkeit und absoluter Zuversicht
in die Zukunft zu blicken, die uns neue
Bundesgenossen, neue Siege der sozialistischen
Revolution in einer Reihe der fortgeschrit-
teneren Lander vorbereitet. Wir haben ein
Recht, stolz zu sein und uns glUcklich zu
schatzen, dal3 es uns als den ersten zufiel, in
einem Winkel des Erdballs these wilde Bestie,
den Kapitalismus, zur Strecke zu bringen, der
die Erde in Blut ertrankte, der die Menschheit
bis zu Hunger und Verwilderung gefuhrt hat
und der unausbleiblich und bald sterben wird,
wie ungeheuer und bestialisch auch seine
Raserei in der Agonie sein mag."
(W. I. Lenin, Samtl. Werke, Bd. XXIII, Moskau,
S. 136/138.)
Mancher Deutsche fiihlt sich in seinem Natio-
nalbewul3tsein gekrankt, wenn wir die soziali-
stische Oktoberrevolution so enthusiastisch fei-
ern. Schliel3lich ist es nun einmal die geschicht-
liche Tatsache, dal3 nicht Deutschland, sondern
ein anderes Land diesen triumphalen Durch-
bruch fur die Menschheit erzwungen hat. Diese
mit einem anscheinend so empfindlichen Natio-
nalgefiihl ausgestatteten Deutschen konnen sich
nicht mit dem Gedanken versohnen, dal3 das
Sowjetland - dank des triumphalen Sieges vor
40 Jahren - heute die fiihrende Kraft der so-
zialistischen Staatenwelt darstellt. Wie schwach,
wie kleinmutig, wie lebensuntiichtig, ja wie
irreal muf3 doch ein ,Nationalgeftihl" sein, das
den Gedanken nicht zu ertragen vermag, andere
Volker verkorpern in sich zu einem gegebenen
Zeitpunkt die historische Initiative des Welt-
fortschritts und die grope sozialistische Familie
besitze wie jede andere altere, erfahrenere, star-
kere und jiingere, weniger erfahrene und nicht
so starke Sohne und Tochter!
Der Kommunismus ist eine einheitliche, ge
schlossene, weltumspannende, internationale Be-
wegung; der Sozialismus ist ein einheitliches
internationales System; er ist unteilbar. Nur
durch die briiderliche Vereinigung aller ihm zu-
strebenden Krafte der ganzen Welt zu einem.
einheitlich ' wirkenden Ganzen wird er volle
Wirklichkeit; nur wenn alle Volker dieses Ziel
erreichen, ist der Weltfriede fur immer ge-
sichert. Daher braucht die sozialistische Welt
eine einheitliche Fuhrung. So wie die Gestirne
sich im Weltall jeweilig nach den Gesetzen des
Zentralgestirnes bewegen, so wie jedes natiir-
liche System seinen natiirlichen Mittelpunkt be-
sitzt, so wie jedes mathematische System eines
zentralen Koordinationsprinzips bedarf, so wie
der Mensch eines charakterlichen Zentrums be-
darf, um sich als Personlichkeit zu behaupten,
so bedarf auch das sozialistische Weltsystem
eines seiner, Eigenart angemessenen Gravita-
tionszentrums. Und wie die stellare Materie in
dem Gesetz der Massenanziehung die Prinzipien
ihrer inneren Ordnung findet, nach denen die
Gestirne in erhabener Ruhe ihre sakularen
Bahnen ziehen, so hat die Kraft der Entschei-
dung der Millionen am 7. November 1917 ein
historisches Faktum in die Welt gesetzt, das da-
zu ftihrte, dal3 auch die Kreise des sozialistischen
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282 MITTEILUNGSBLATT
Weltsystems sich nach einem bestimmten Gesetz
diesem Zentrum zuordnen.
Das ist der Lorbeer, den die Geschichte der
Arbeiterklasse des Sowjetlandes fur die uner-
mef3lich groBen Opfer zuerkannt hat, die sie als
erste fur die ganze zivilisierte Menschheit auf
sich zu nehmen bereit war. Diese grenzenlose
Opferbereitschaft ist ein historisches Faktum,
ein historisches Verdienst, das durch nichts aus
der Welt zu schaffen ist and vor dem gerade
wir Deutschen uns in Ehrfurcht and Dankbar-
keit zu verneigen alien Grund besitzen. Die
Volker des Sowjetlandes and an ihrer Spitze
die Arbeiterklasse haben mit dem Einsatz ihres
Lebens nicht nur das Vermachtnis unserer gro-
Ben Sohne Karl Marx and Friedrich Engels er-
fiillt. Sie haben auch unter schrecklichen Blut-
opfern uns alle von der. Herrschaft der Reichs-
tagsbrandstifter, der Brandstifter des zweiten
Weltkrieges befreit.
Wer da glaubt, er konne sich vor der Welt-
geschichte and ihren Realitaten verstecken, der
hat eine wahrhaft naive Vorstellung von den Wir-
kungsdimensionen geschichtsformender Krafte.
Wer da glaubt, in einem Mauseloch wie der
Bundesrepublik, dem Sozialismus entrinnen zu
konnen, der verrat einen geradezu erstaunlichen
Mangel an Unterscheidungsvermogen gegeniiber
historischen GroBenverhaltnissen. Denn im
planetarischen Zeitalter ist ein Gebilde wie die
Bundesrepublik nicht mehr als ein hochst frag-
wiirdiges Mauseloch fur die letzten Mohikaner
der europaischen Reaktion. Wer Bich auf die
Waffen der deutschen Militaristen verlaBt, der
ist verlassen. Ich glaube, ich kann mir einen ein-
gehenden Beweis fiir diese Behauptung ersparen.
Die Marneschlacht von 1914 and die Schlacht
von Stalingrad gehoren bekanntlich nicht zu den
Ruhmesblattern deutscher Kriegskunst.
Mancher wird vielleicht in diesem Moment mit
einem gewissen auf3eren Schein bei rich denken:
Ja, and wie steht es mit der Deutschen Demo-
kratischen Republik? 1st sie etwa groBer als die
Bundesrepublik? Hat sie mehr Quadratmeter,
mehr Einwohner, mehr diplomatische Anerken-
nungen? Ich sage trotzdem .- die Deutsche.
Demokratische Republik ist gr6f3er als die Bun-
desrepublik. Die GroBe eines Staates miBt sich
nicht in erster Linie nach Quadratmeilen, Bevol-
kerungsziffern, Botschaften and Notenumlauf;
denn dann ware ja moglicherweise Brasilien gro-,
her als Frankreich. Die Gro[3e and das Gewicht
eifles Staates miBt nach seiner Bereitschaft, fur
3. Jahrgang, Heft 11/12
die friedliche Zukunft der Menschheit die hoch-
sten Opfer zu bringen and nach der gleichen
Bereitschaft seiner Verbfindeten. Und da ist die
Deutsche Demokratische Republik hundertmal
grof3er als die Bundesrepublik, die im Gotzen-
dienst des Geldes and der Gewinnsucht ersauft
and alle idealen Bestrebungen ihrer Jugend zu
ersticken droht.
Denn wenn unsere deutsche Jugend etwas aus
den vier Dezennien sozialistischer Revolution zu
lernen hat, dann eben, daB groBe geschichtliche
Umwalzungen nur durch groBe, aus Enthusias-
mus geborene Opfer errungen werden konnen.
Wer bereits mit 20 Jahren nach seinem Anteil
an der Altersversorgung fragt, der soil nur gleich
seinen Sarg bestellen; denn geistig and moralisch
ist er sowieso schon tot.
Wenn die deutsche Jugend diese Opferbereit-
schaft im Dienste der hochsten Ideen der Mensch-
heit aufbringt, im Dienste der Ideen des Frie-
dens and der Brilderlichkeit der Volker, im
Dienste der Idee der menschlichen Gesellschaft,
die frei ist von der Spaltung in Klassen, dann
wird es ihr auch gelingen, die politischen Greise
in der Bundesrepublik, deren Kopfe von den
antiquierten Ideen aus der Zeit des wilhelmini-
schen Kaiserreichs vollgestopft sind, so daB
nichts anderes mehr hineingeht, aus der Macht
zu stof3en - falls notwendig, auch mit revolu-
tionaren Methoden - and damit wirklich ein
neues, jugendliches, dem Frieden and der Volker-
freundschaft zugewandtes., geeintes Deutschland
zu errichten. Das auch ware der schonste Dank,
den das deutsche Volk dem sowjetischen Volk fair
die 40 Jahre schwerer Opfer abtragen konnte, die
es fiir uns alle auf Bich genommen hat and von
denen keiner denken moge, daB sie ihm leicht
gewesen seien. Das auch ware die hochste Lehre,
die wir Deutschen aus der sozialistischen Oktober-
revolution ziehen konnen.
Denn der 7. November 1917 and die 40 Jahre, in
denen die Oktoberrevolution von Erfolg zu Er-
folg gesttirmt ist,. lehren uns, daB es zwischen
Kapitalismus and Sozialismus kein Mittelding
gibt. Aus diesem Grunde liegt auch Deutschlands
Zukunft letztlich nur im Sozialismus. LaBt uns
deshalb wtirdige Enkel der grof3en Kampftradi-
tionen der deutschen Arbeiterklasse sein, die
gerade auch hier an diesem Ort ruhmreiche
Schlachten geschlagen hat.' LaBt uns das heilige
Vermachtnis erfiillen, das die Begriinder unserer
weltumspannenden Bewegung - Marx; Engels
and Lenin and alle, die ihr Blut fiir diese groBe
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 283
heilige Sache verstromten - in unsere Hande
gelegt haben. Der Marxismus-Leninismus ist das
Unterpfand des Sieges, auch in der Wissenschaft.
LaBt uns daher das Gebaude unserer Wissen-
schaft auf den Grundlagen des dialektischen and
historischen Materialismus von Grund auf er-
neuern. Fur das schopferische Ingenium gibt es
hier keine Grenzen.
Wenn ? die Wissenschaft sich mit der befreiten
Arbeit verbiindet and verbindet, wenn .wissen-
schaftliches Denken and wissenschaftliches Welt-
bild jeden Werktatigen durchdringen, wenn jeder
Wissenschaftler rich der Zukunft der werk
tatigen Menschheit verpflichtet fiihlt, dann hat
die Stunde der endgiiltigen Befreiung der
Menschheit von Furcht and Not geschlagen. Ver-
gessen wir dabei aber die entscheidende Lehre
nicht, die uns die Oktoberrevolution and die
40 Jahre, die seitdem verflossen sind, eindring-
lich in unser Gewissen gepflanzt haben: Alle
these Fragen sind Machtfragen; sie konnen hur
gelost werden, wenn diejenigen endgultig von
der Macht entfernt werden, die sich von der Ver-
gangenheit nicht zu losen vermogen, deren ewige
Devise Krieg, Krieg and abermals Krieg ist. Wer
die Machtfrage aus dem Auge verliert, der lauft
Gefahr, die Macht zu verlieren.
Der Friede aber ist das Gesetz des Sozialismus.
Ein Staat, der darauf baut, daB Wissenschaft and
menschliche Arbeit befreit and vereinigt un-
begrenzte Fahigkeit besitzen, die menschlichen
Krafte ins Ungemessene zu erweitern and aus
dem mutterlichen ErdenschoB alles hervor-
zubringen, was die Menschheit nur zu wunschen
vermag, der hat es nicht notig, sich durch Krieg
Schatze gewalttatig anzueignen, die andere
schufen; der hat es nicht notig, aus dem Blut der
Volker die Triumphbogen seiner eigenen Un
menschlichkeit zu errichten; der verabscheut
alles, was dem friedlichen Fortschritt entgegen-
steht.
Fur den Sozialismus ist deshalb Freiheit der
Wissenschaft and Wille zum Frieden eine unlos-
bare Einheit. Diese Freiheit ist absolut. Es ist
uneingeschrankte Freiheit fur den Kampf der
Wissenschaft gegen jedwede Erscheinungsform
der Unwissenschaftlichkeit. Es ist die unein-
geschrankte Freiheit zu unbegrenztem Fort-
schreiten. Die imperialistische Welt tut sich etwas
darauf zugute, daB es bei ihr die Freiheit zum
Riickschritt gibt. Aber das ist eine Pseudofrei-
heit, and wir konnen sie nicht schatzen; denn
jeder Ruckschritt muB unweigerlich mit Verlust
an menschlicher Substanz bezahlt werden. Die
Freiheit der Riickkehr zur Barbarei ist in Wirk-
lichkeit die Freiheit zur Vernichtung der Frei-
heit.
In der kapitalistischen Welt besitzt die Wissen-
schaft die Freiheit zu betteln. In der sozialisti-
schen Welt besitzt sie die Freiheit zu herrschen,
and sie herrscht, indem sie dem Volke dient, das
Wort Volk im ursprunglichen Sinne des grie-.
chischen demos genommen, das ja in dem Begriff
Demokratie enthalten ist. Das Denken der Gesell-
schaft beherrschen, indem ich dem Volke
diene - das ist die Dialektik der Freiheit der
Wissenschaft. Es kommt nur darauf an, daB wir
lernen, von dieser Freiheit auch wirklich Ge-
brauch zu machen.
Wir werden unsere Uberzeugungen niemand
aufzwingen. Aber die Auseinandersetzung mit
unserer Uberzeugung, die werden wir der
ganzen Welt aufzwingen. Ja, um genau zu sein,
muB man sagen: wir haben sie bereits der
ganzen Welt aufgezwungen kraft unserer Exi=
stenz and kraft der revolutionaren Tatsachen,
die wir in die Welt setzen. In diesem weltweiten
Ringen fiihlen wir uns mit alien fortschrittlichen
Menschen der Erde briiderlich vereint. Wir grii-
Ben sie von der Statte, wo Karl Marx zum Doktor
der Philosophie promovierte. Wir gruBen alle
Universitaten, Hochschulen, Professoren and
Studenten des Sowjetlandes. Das sind Statten,
wo kuhne revolutionare Gedanken geschmiedet
werden. Wir gruBen das sowjetische Volk, das
zum Aufbau der kommunistischen Gesellschaft
schreitet. Wir gruBen alle uns befreundeten Na-
tionen, die fur den Sozialismus kampfen. Wir
gruBen die Lehrer and Studenten aller anderen
Lander; denn wir wissen, daB in alien Landern
der Erde kuhne revolutionare Traume reifen.
Wir gruBen die Arbeiter and werktatigen Bauern
der ganzen Erde; denn wir wissen, daB sie
die Vollstrecker der sozialistischen Revolution
sind.
Verehrte Freunde! Es fallt schwer, sich ein be-
deutsameres Datum fur den Gang der mensch-
lichen Geschichte vorzustellen als den 7. Novem-
ber 1917. Es fallt schwer, sich ein groBeres Datum
fur die Geschichte der Wissenschaft vorzustellen
als den 4. Oktober 1957. Welch groBes Jahrhun-
dert, in, dem zu leben uns vergonnt ist! Wie stolz
konnen die sein, die aus innerster IJberzeugung
sagen diirfen: Ich bin dabei gewesen, ich bin
wirklich dabei gewesen. Heute ist es klar, daB
die Geschiitzsalven des Panzerkreuzers ?Aurora"
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~MITTEILUNGSBLATT
am 7. November 1917 ein neues Weltalter ein-
geleitet haben. Mogen jene gesenkten Hauptes
durch unsere Zeit schreiten, die am Himmel keine
Phantome mehr finden, vor denen sie knien
mochten. Wir konnen stolz unsere Augen zum
Himmel erheben; denn der Stern, der dort kreist,
Au f der dem 40. Jahrestag der Grofien Soziali-
stischen Oktoberrevolution gewidmeten Festsit-
zung des Plenums der Akademie der Wissen-
schaf ten der UdSSR hielt am 1. 11. 1957 der Pre-
sident der Akademie der Wissenschaften der
UdSSR, A. N. NESMEJANOW, den Festvortrag.
In diesen Tagen begeht das sowjetische Volk
and die ganze fortschrittliche Menschheit den
vierzigsten Jahrestag der GroBen Sozialistischen
Oktoberrevolution, die ein grundlegender Wende-
punkt in der Weltgeschichte ist. Die zehn Tage
der Geburt der Sowjetmacht erschiitterten die
Welt, and die vierzig Jahre ihrer unermtidlichen
Arbeit veranderten sie von Grund auf. Diese
vierzig Jahre im sozialen and nationalen Leben
der Menschheit hatten unvergleichlich groBere
Bedeutung als die stiirmischsten and schaffens-
reichsten Perioden vergangener Jahrhunderte.
Wir alle, gliickliche Zeitgenossen and Teil-
nehmer an den groBen Taten, die unser Land ver-
anderten, sind erfiillt von berechtigtem Stolz auf
unsere Heimat, die als erste den Weg des Sozialis-
mus beschritten hat and zum Leitstern der Werk-
tatigen des ganzen Erdballs wurde. Wir sind
stolz auf unser groBes Volk, das durch seinen
heldenhaften Kampf and durch seine Arbeit eine
neue Ara im Leben der Menschheit eroffnete,
wir sind stolz auf unsere Kommunistische Partei.
Unter ihrer Fiihrung wurden all unsere Siege
and Erfolge errungen, unter ihrer Fiihrung wurde
die Ausbeutung des Menschen durch den Men-
schen beseitigt, and das ganze Volk nahm, statt
einer morbiden Schicht ,Auserw5hlter", die Ge-
staltung des politischen and kulturellen Lebens
in seine Hand.
Am vierzigsten Jahrestag der GroBen Soziali-
stischen Oktoberrevolution miissen wir uns in
dankbarem Gedenken dem Fiihrer der Oktober-
revolution zuwenden, dem Griinder unserer Par-
tei and des Sowjetstaates - Wladimir Iljitsch
Lenin.
Der groBe Lenin entwickelte schopferisch die
Lehre von Marx and Engels auf der Grundlage
3. Jahrgang, Heft 11/12
ist unser Stern, ist ein menschlicher Stern, der
Stern der GroBen Sozialistischen Oktoberrevo-
lution.
DR. W. GIRNUS
Staatssekretar fur Hochschulwesen
40 Jahre 'sowjetische Wissenschaft
der tiefen Analyse des Kapitalismus in seiner
letzten Etappe - in der Epoche des Imperialis-
mus - auf der Grundlage der Verallgemeinerung
der Kampferfahrungen des Proletariats, in erster
Linie der des russischen, fur seine Befreiung.
Lenin begriindete die Moglichkeit des Sieges der
proletarischen Revolution in einem Land and
arbeitete ihre Strategie and Taktik aus. Gefiihrt
von der Lehre Lenins, gefiihrt von Lenin, voll-
zogen die Volker unseres Landes die Revolution,
die zum -groBen Wendepunkt in der Geschichte
der Menschheit.wurde.
Die gewaltigen Errungenschaften der Sowjet-
union, Volkschinas and der anderen sozialisti-
schen Lander, die imposanten Resultate des revo-
lutionaren Kampfes der_ werktatigen Massen
unter der Fiihrung der kommunistischen and
Arbeiterparteien, die Herausbildung eines neuen
sozialistischen Weltsystems sind hervorragende
Beispiele fiir die Umsetzung der wissenschaft-
lichen Theorie in die Praxis. Der Marxismus-
Leninismus gab uns zum erstenmal auf dem Ge-
biete der Gesellschaftswissenschaf ten eine voile
Einheit von Theorie and Praxis.
Die sich auf wissenschaftlichen Grundlagen ent-
wickelnde sozialistische Gesellschaft errang gran-
diose Erfolge in der Umgestaltung der Wirtschaft,
Wissenschaft and Kultur des halbanalphabe-
tischen and technisch riickstandigen zaristischen
RuBlands. Diese Umgestaltungen verwandelten
unser Land in einen machtigen Industriestaat, der
technisch and kulturell entwickelt ist. Die
UdSSR hat fast 3000 wissenschaftliche Institu-
tionen, 767 Hochschulen, mit deren jahrlicher
Absolvierung unserem Land mehr als 250 000
qualifizierte Spezialisten zur Verfiigung stehen.
Der grol3en Sache des Aufbaus der kommuni-
stischen Gesellschaft dienen 240 000 wissen-
schaftliche Mitarbeiter mit ihrem Wissen.
Das Wachsen and Bltihen der Sowjetwissen-
schaft ist in vielem durch die breite Aus-
nutzung der Methodologie des dialektischen
Materialismus, durch die konsequente dialek-
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MITTEILUNGSBLATT 285
tisch-materialistische Weltanschauung unserer
Wissenschaftler bedingt.
In den 40 Jahren ihrer Entwicklung errang die
Sowjetwissenschaft eine mannhafte Reife. Dafir
zeugen der Aufbau einer Atomindustrie, der Erd-
satellit, der den Erdball in anderthalb Stunden
umfliegt, die Befruchtung der machtigen sowje-
tischen Technik durch die Wissenschaft.
Die Entwicklung der Wissenschaft ist ohne die
Praxis undenkbar, and die Nutzung wissenschaf t-
licher Ergebnisse ist ein weiterer Schritt in der
Entwicklung der Industrie. Andererseits ist jeder
Fortschritt in der Produktion Nahrung fur die
Wissenschaft, and indem ihr immer neue and
wieder neue Aufgaben gestellt werden, veran-
laf3t er sie, vorwarts zu schreiten. Nicht alle
Zweige der Wissenschaft U ben jedoch unmittel-
baren Einfluf3 auf die Technik aus, sondern oft
erst uber eine ganze Reihe wissenschaftlicher
Disziplinen, die den einzelnen Gliedern dieser
Kette neue Moglichkeiten zu ihrer Entwicklung
geben and dadurch auf das letzte Kettenglied,
auf diese oder jene Erscheinung der Technik,
einwirken.
Ein Beispiel dafi r ist das Anwachsen vieler Ge-
biete der Mathematik, die ihren bestimmenden
Einfluf3 auf die Technik nicht nur unmittelbar
austiben, sondern in noch grof3erem Maf3e durch
die Entwicklung der Methoden der theoretischen
Mechanik, der theoretischen Physik and anderer
Disziplinen. Und sie ihrerseits bringen die ver-
schiedenen Zweige der experimentellen Physik,
der Chemie, der angewandten Mechanik usw.
vorwarts.
Unsere Akademie war wahrend ihrer ganzen
Geschichte eines der grof3ten Zentren progres-
siven mathematischen Denkens.
Die Arbeiten der hervorragenden russischen
Mathematiker des 19. Jahrhunderts, M. A. Ostro-
gradski and P. L. Tschebyschew, hinterlief3en in
der Weltwissenschaft tiefe Spuren. Allgemeine,
wenn auch verspatete Anerkennung erhielten die
Arbeiten P. I. Lobatschewskis.
In den Werken sowjetischer Wissenschaftler er-
fuhren die Zahlentheorie, die Funktionentheorie,
die Wahrscheinlichkeitstheorie, die Topologie
usw., die Theorie der Differentialgleichungen-und
die funktionelle Analysis eine glanzende Weiter-
entwicklung.
Fur die Losung vieler Fragen der Physik and
Technik in ihren verschiedenartigsten Rich-
tungen haben unsere Errungenschaften in der
Theorie der Differentialgleichungen grof3e Be-
deutung.
Wichtige Ergebnisse wurden auf dem Gebiete
der Theorie der Funktionen der reellen Variablen
durch die von N. N. Lusin geschaffene Schule
erzielt.
Die von unseren Gelehrten entwickelte Theorie
der Funktionen der komplexen Variablen fand
verschiedenartige Anwendungen - in der Hydro-
dynamik, in der Aerodynamik and in der Elasti-
zitatstheorie. Es wurde eine neue Richtung in
der Theorie der Funktionen der komplexen
Variablen geschaffen - die Theorie der quasi-
konformen Abbildung, die die klassische Theorie
wesentlich erweitert and bedeutende Anwen-
dungen erfahrt, insbesondere in der Theorie der
Fadenstromung.
Einen grol3en Beitrag der russischen and sowje-
tischen Gelehrten stellt die Schaffung der Grund-
lagen der ,konstruktiven Theorie der Funk-
tionen" dar; diese Theorie ermoglicht es, die ein-
fachsten Naherungsdarstellungen von Funk-
tionen mit Hilfe von Polynomen and anderen
Ausdri cken, die eine unmittelbare Berechnung
zulassen, zu finden and "zu studieren. Hier ist
vor allem S. N. Bernstein zu nennen.
GroBe Bedeutung haben die Werke sowjetischer
Gelehrter auf dem Gebiet der Wahrscheinlich-
keitstheorie. Auf der Grundlage der Forschungen
uber die Wahrscheinlichkeitstheorie and der ma-
thematischen Statistik wird u. a. die statistische
Dynamik der automatischen Regel-Systeme aus-
gearbeitet.
Die neuen Methoden, die fur die Zahlentheorie
von I. M. Winogradow geschaffen wurden, er-
laubten ihm, das beruhmte Problem von Gold-
bach zu Ibsen, and sie fanden weitere Anwen-
dung in der Zahlen-, Wahrscheinlichkeits- and
Funktionentheorie. Die topologischen Methoden
der sowjetischen Schule werden auf verschie-
denen Gebieten der Mathematik, u. a. in der,
Theorie der Differentialgleichungen, angewandt.
Neben den Errungenschaften auf klassischen
Gebieten hat die Entwicklung der axiomatischen
and theoretisch-funktionellen Methoden in den
letzten Jahrzehnten das Gesicht vieler Zweige
der Mathematik verandert and vollkommen neue
Richtungen hervorgerufen. Die Synthese der
klassischen Theorien mit diesen neuen Methoden
hat das Aussehen solcher Gebiete, wie die Wahr-
scheinlichkeitstheorie, die Algebra, die Topologie.
u. a. umgestaltet. Immer mehr verstarkt sich das
wechselseitige Durchdringen der Methoden ver-
schiedener mathematischer Disziplinen. So wurde
zum Beispiel die Geometrie der vieldimensio-
nalen and unendlichdimensionalen Raume zu
einem machtigen Werkzeug bei der Erforschung
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286 MITTEILUNGSBLATT
der mathematischen Analysis. In alle Gebiete der
Mathematik and ihrer Anwendungen dringen
die modernen algebraischen Methoden (z. B. die
der Gruppentheorie in der Quantenphysik) and
die topologischen Methoden immer tiefer ein.
Sogar die lange etwas isoliert gebliebene Zahlen-
theorie findet neue Anwendungen in der Ana-
lysis and in der Wahrscheinlichkeitstheorie.
Es bildeten sich solche wichtigen neuen Gebiete
der Mathematik heraus wie die moderne Theorie
der Operatoren and die mathematische Logik.
Neben der Theorie der Differentialgleichungen
and der Wahrscheinlichkeitstheorie wird die
Theorie der Operatoren zu einem der hauptsach-
lichsten mathematischen Hilfsmittel der Physik.
Gegenwartig hat die Technik ein solches Niveau
erreicht, daB nicht einer ihrer Zweige ohne die
Benutzung komplizierter mathematischer Diszi-
plinen auskommen kann.
Die Ausnutzung der'Atomenergie zu friedlichen
Zwecken, die Fragen der automatischen Regu-
lierung and Steuerung von Produktionsprozes-
sen, die Fragen der Raketentechnik and viele
andere der neuen Technik stellen der Mathema-
tik prinzipiell neue Aufgaben. Von den sowjeti-
schen Mathematikern werden erfolgreich solche
neuen Richtungen intensiv gepflegt wie die Infor-
mationstheorie, die Theorie der Programmierung
der Elektronenrechenmaschinen u. a.; eine wich-
tige Anwendung erhalt die mathematische
Logik.
Die Schaffung schnellarbeitender Rechenmaschi-
nen bedeutet fur Wissenschaft and Technik.den
Anbruch einer neuen Epoche and wird u. a. die
Moglichkeiten der Planung der Volkswirtschaft
tiefgreifend bereichern.
Die Mechanik schlieBt sich fest an die Mathe-
matik an and nutzt weitgehend ihre Methoden
aus.
Die theoretische Mechanik, die sich in ihrer Ent-
wicklung auf die Erfolge der Mathematik sti tzt,
nahrt eine Reihe von Nebendisziplinen der
Mechanik, die ihrerseits schon unmittelbar mit
der Technik verbunden sind and deren schnellen
Fortschritt bedingen. Aber auch die Technik
selbst stellte der Wissenschaft viele neue Pro-
bleme. Sie zwang dazu, eine ganze Reihe von
Problemen auf neue Weise zu Ibsen. Besonders
anschaulich sieht man das im Flugwesen and in
der Raketentechnik, deren Entwicklung eng mit
den wissenschaftlichen Forschungen auf dem
Gebiet der Aero-, Hydro- and Gasdynamik ver-
bunden ist.
N. E. Shukowski lieferte eine vollendete Theorie
des UmflieBens von Profilen durch eine inkom-
3. Jahrgang, Heft 11/12 ,
pressible Fli ssigkeit. Indem er das Wesen der
IHubkraft enthiilite, schuf er die erste Theorie
der Flugzeugschraube. Seine Arbeiten waren die
theoretische Basis fur die aerodynamisch rich-
tige Entwicklung des Flugzeugs.
Beim tUberschreiten der Schallgrenze itn Flug-
wesen spielte die Theorie der Gasstromung von
0. A. Tschaplygin eine auBerordentliche Rolle,
die die Praxis um Jahrzehnte uberflugelte.
Grol3e Erfolge wurden von sowjetischen Ge-
lehrten auf dem Gebiet der Theorie der Schall-
und tYberschallgeschwindigkeit des Fluges er-
zielt.
Die sturmische Entwicklung der Raketentechnik
verdankt vieles ihrem Begriinder, dem groBen
Gelehrten and Autodidakten K. E. Ziolkowski,
der die Grundlage der Theorie der Raketen-
bewegung schuf. Das wissenschaftliche Erbe
K. E. Ziolkowskis wurde von den sowjetischen
Forschern schopferisch weiterentwickelt. Heute
werden unsere Luftlinien vom DusenexpreB
TU-104 beflogen. Weitere neue Typen von
schnellen Dusenflugzeugen wurden geschaffen.
Eine wichtige Etappe stellt die Schaffung von
interkontinentalen ballistischen Raketen dar. Ein
groBer Triumph der Sowjetwissenschaft ist der
Start des ersten kiinstlichen Erdsatelliten.
Die Losung vieler Aufgaben der neuen Technik
war nur mit Hilfe solider Konstruktionen
mit geringstem Gewicht moglich. Das forderte
von der Wissenschaft eine neue Stellung
and Losung von Aufgaben der Elastizitat, Festig-
keit, Dauerstandfestigkeit, Tragfahigkeit and
Verformung von Konstruktionen.
Dafiir war eine Berechnung der Plastizitat, der
Wechselwirkung deformierbarer Elemente mit
Gasstromungen and Flussigkeitsstromungen von
hoher Geschwindigkeit, der Temperaturbedin-
gungen usw. notwendig. Von sowjetischen Ge-
lehrten wurden fundamentale Beitrage zur
Untersuchung dieser Probleme geleistet.
Wir verzeichnen hier besonders den Beitrag der
Grusinischen Akademie der Wissenschaften zur
Elastizitatstheorie, namentlich den N. I. Musche-
lischwilis and seiner Schule.
Neue Aufgaben stellte die Praxis auch anderen
Gebieten der Mechanik, so in der Theorie der
Schwingungen and der Stabilitat der Bewegung,
in der Hydraulik and der Filtrationstheorie, in
der Theorie der Mechanismen and Maschinen, in
der Theorie der automatischen Regelung. Auf all
diesen Gebieten gibt es wesentliche Errungen-
schaften, die es erlaubten, eine Reihe kompli-
zierter Aufgaben hydrotechnischer Anlagen, der
Erdol- and Gasindustrie, des Maschinenbaus, der
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Automatisierung von Produktionsprozessen usw.
zu losen.
In den 40 Jahren der Sowjetmacht ist die Technik
weit vorangeschritten.
Wenn in den ersten Jahren nach der Revolution
die Leistung von Wasserturbinen 3000-5000 kW
betrug, so hat sie jetzt 200 000-300 000 kW er=
reicht.
Dasselbe kann man von Dampfturbinen sagen,
deren Leistung sich in dieser Zeit von 2000-
5000 kW auf 300 000 kW erhohte.
Vor der Revolution verfiigte unser Land fiber
einen Bestand von metallbearbeitenden Ma-
schinen von insgesamt nur 100 000 Einheiten;
gegenwartig haben wir etwa 2 Millionen.
Erheblich erhohten sich die Geschwindigkeiten
bei der spanabhebenden Formung der Metalle,
beim Schmelzen, Schmieden and der ther-
mischen Bearbeitung. Eine weitere Erhohung des
Wirkungsgrades sowohl der Bearbeitungs- als
auch der Antriebsmaschinen wurde durch Er-
hohung von Druck and Temperatur in den
Arbeitsprozessen erreicht.
Vor der Revolution wurden normalerweise Pres-
sen mit einer Hochstleistung von 100-500 t
gebraucht. Jetzt ist die Leistung auf das Hundert-
und Mehrfache angestiegen.
Das Temperatursystem der Antriebsmaschinen
stieg von 350-450? auf 1500? and mehr and
nahert sich schon der Grenze, die durch die
Eigenschaft der Metalle bedingt ist.
Gewaltig ist der Qualitatsaufschwung in der
Metallurgie. Die Ausnutzung der Kapazitat der
Hochofen and auch der Martinofen vergroBerte
sich um das Dreifache. Es wurden neue metall-
urgische Prozesse entwickelt, wie das Sauerstoff-
blasen, das Vakuumschmelzen von Stahl, das
kontinuierliche GieBen geschmolzenen Stahls.
Durch ein spezielles technisches Verfahren wur-
den Stahlsorten von hoher Hitzebestandigkeit
geschaffen.
Der wichtigste Entwicklungszug im Bergbau
wahrend der Sowjetperiode war das allseitige
Eindringen der Mechanisierung. In die Produk-
tion sind auf alien Gebieten der Bergbautechnik
zahlreiche Serien neuer origineller Mechanismen
and Maschinen, darunter auch Bergcombines,
eingefuhrt worden. Hier ist unser Land die
Avantgarde.
Die VergroBerung der Erdolforderung brachte
die ErschlieBung immer tieferer Schichten bei
gleichzeitiger VergroBerung der Bohrgeschwin-
digkeit mit sich. Die erfolgreiche Entwicklung
des in der UdSSR entstandenen Turbobohrens
erlaubte es, die Geschwindigkeit and Tiefe des
Bohrens von Bohrlochern bedeutend zu er-
hohen.
Vor der Revolution begann man die Automati-
sierung nur bei Elektro- and Warmekraftan-
lagen anzuwenden, beim Bau einzelner metall-
bearbeitender Werkbanke and ?bei Telefon-
zentralen. Jetzt wird in unserem Land die Auto-
matisierung in wachsendem Tempo in vielen
Industriezweigen eingefuhrt. Von Gersten, die
einzelne Aggregate regulieren, bis zur Vollauto-
matisierung, die den ganzen technologischen
ProzeB umfaBt, von den einfachsten Aufgaben
der Regulierung, die mit der Wahrung der Be-
standigkeit gewisser GroBen verbunden ist, bis
zur Schaffung von komplizierten automatischen
Systemen, die die optimale Fuhrung des ganzen
Prozesses ohne Teilnahme des Menschen iiber-
nehmen - das ist der Weg der Automatisierung
wahrend der zuruckliegenden 40 Jahre.
Jetzt ist der Ubergang zur ganzlichen Auto-
matisierung gesamter Produktionsprozesse, d. h.
zur Vollautomatisierung der Produktionsbetriebe
an der Reihe.
Die Ansprechzeit automatischer Regelappara-
turen wurde auf 10-4 bis 10-5 Sekunden herab-
gedruckt; das bedeutet jenen qualitativen Sprung,
der der Automatisierung der verschiedenartig-
sten and kompliziertesten Prozesse weite Mog-
lichkeiten eroffnet. Die entscheidende Rolle berm
Fortschritt der Technik spielte die Wissenschaft.
In der modernen Naturwissenschaft gebuhrt der
Physik - die fiihrende Stellung. Die Physik i bt
einen auBerordentlich groBen EinfiuB auf deren
Entwicklung aus.
Obgleich die physikalische Wissenschaft unserer
Heimat stolz ist auf solche Namen aus der Ver-
gangenheit wie Stoletow, Umow, Lebedew, muB
man zugeben, daB die Bliite der Physik erst in
die Sowjetperiode fallt.
Die sowjetische theoretische Physik schuf die
mathematischen Grundlagen der Quantenfeld-
theorie; neue Ideen auf dem Gebiet der Relativi-
tatstheorie, das Tropfchenmodell der Atomkerne,
die Theorie der Phasenumwandlungen and die
Hyperfluiditat des Heliums II. Schon in den ersten
Jahren der Sowjetmacht nahm die sowjetische
Optik eine hervorragende Stellung ein. Die Ar-
beiten von D. S. Roshdestwenski in Leningrad
zur anomalen Dispersion in Metalldampfen sind
ein Beispiel fur die in experimenteller Meister-
schaft uniibertroffenen Forschungen. In Moskau
wurde von L. I. Mandelstam and G. S. Lands-
berg gleichzeitig mit Raman in Indien mit der
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Kombinationsstreuung des Lichtes 1 eine gewal-
tige Entdeckung gemacht, die spater hervor-
ragende Bedeutung in den Chemieforschungen
der ganzen Welt gewann. Spater wurden von
sowjetischen Gelehrten in Leningrad and Belo-
ruBland ' neue Methoden zur Berechnung der
Molekulschwingungen geliefert, die Ursache der
infraroten Spektren and der Spektren der Kom-
binationsstreuung. GroBe Erfolge and umfas-
sende Anwendungsbereiche in der Technik er-
rang die atomare Emissionsspektroskopie. tuber
die linienartigen Spektren bei der Absorption in
Kristallen wurden wichtige Entdeckungen ge-
macht, die in Moskau and Kiew erfolgreich wei-
ter bearbeitet werden. S. I. Wawilow and seiner
Schule sind die fundamentalen Forschungser-
gebnisse der Lumineszenzerscheinungen and die
Feststellung der sie bestimmenden grundlegen-
den GesetzmaBigkeiten zu verdanken. Ihr prak-
tisches Ergebnis ist die Schaffung der Lumines-
zenzbeleuchtung.
Eine der hervorragendsten Entdeckuhgen der
sowjetischen Physik ist die Entdeckung des Ef-
fektes von Wawilow-Tscherenkow. Die Theorie
dieses Effektes wurde von sowjetischen Gelehr-
ten geschaffen, nachdem sie das Problem der
Strahlung eines Elektrons gelost hatten, das Bich
mit tUberlichtgeschwindigkeit in der Materie.be-
wegt. ; Durch diese Theorie wurde das Wesen
dieser Strahlung and ihre Bedeutung fur die
Kernphysik vollkommen geklart.
SchlieBlich hatten die Arbeiten vieler sowjeti-
scher Gelehrter auf dem Gebiet des optischen
Geratebaus hervorragende Bedeutung. Sie fiihr-
ten zur Entwicklung oder zum Aufbau einer
machtigen sowjetischen optischen Industrie, die
der optischen Industrie in den in technischer Be-
ziehung am weitesten fortgeschrittenen Landern
der Welt nicht nachsteht.
Mit Anbruch der Sowj etepoche begann sich auch
die Physik der festen Korper zu entwickeln, die
A. F. Joffe and seiner Schule vieles verdankt.
Durch die Arbeiten sowjetischer Gelehrter wur-
den in bedeutendem MaBe die Widerspruche in
der Lehre von der Festigkeit and der Plastizitat,
vom elektrischen Durchschlag and dem Strom-
durchgang durch ein Dielektrikum geklart. Es
wurden neue Effekte zur Festigkeit der festen
Korper gefunden and der Mechanismus der
Plastizitat der Kristalle and deren Zerstorung
unter Einwirkung von mechanischen Kraften
entdeckt.
1 Diese Erscheinung, ist in Deutschland als Smekal-
Raman-Effekt bekannt
Fur die Praxis so wichtige Erscheinungen wie
die Kaltsprodigkeit der Metalle oder die Phasen-
ubergange, die der in der Metallurgie wichtigen
Martensitumwandlung bei den Stahlsorten ahn-
lich sind, wurden studiert and geklart.
Indem die sowjetischen Kristallographen die
hervorragende Tradition der kristallographischen
Forschungen von E. S. Fjedorow fortsetzten,
trugen sie viel Wertvolles zur Symmetrielehre
bei. Die Rontgenstrukturforschungen der Kri-
stalle wurden durch die Theorie der dichtesten
Kugelpackung in Anwendung auf die kompli-
ziertesten Silikatstrukturen bereichert; diese
Theorie macht es moglich, viele dieser Struk-
turen zu bestimmen. So wurde auch die Grund-
lage fur die organische Kristallchemie gelegt.
Die Forschungen auf dem Gebiet der amorphen
and insbesondere der hochmolekularen festen
Stoffe stellten einen Zusammenhang zwischen
der Struktur and den Eigenschaften dieser Kor-
per fest, sie gaben die Moglichkeit, die Relaxa-
tionstheorie auszuarbeiten uhd hatten eine groBe
Bedeutung fur die Technik der Rochpolymeren.
Die Arbeiten fiber die Ziichtung der praktisch
wichtigen Kristalle - wie Quarz, Korund and
Rubin, Seignettesalz, lumineszierende and halb-
leitende Kristalle - sicherten die Entwicklung
der entscheidendsten Gebiete unserer Technik.
Besonders groBe Bedeutung erlangten die For-
schungen fiber Halbleiter, die von A. F. Joffe
and seiner Schule seit langem betrieben wurden.
Bereits damals hat das Studium der Asymmetrie,
wenn Strom durch Kontakte geht, zur Vorstel- .
lung gefuhrt, daB die bestimmende Rolle in der-
artigen Erscheinungen. der Stromgleichrichtung
die Elektronen-Loch-Ubergange spielen. Die
Weiterentwicklung der Theorie and der experi-
mentellen Erforschung der Halbleiter fi hrte zu
der Schaffung von halbleitenden Dioden and
Trioden, die zu einem wichtigen Schaltelement
der modernen Nachrichtentechnik, der Rundfunk-
technik and der Elektronenrechenmaschinen wur-
den and auBerdem eine breite Anwendung in der
Automatik fanden. Auf der Grundlage der For-
schungen fiber Halbleiter gelang es, Fotoelemente,
Thermoelemente, Thermogeneratoren fur elek-
trischen Strom and sogar Ki hlanlagen zu schaf-
fen. Das verspricht eine umwalzende Anderung
im Kuhlwesen and in der sogenannten kleinen
Energetik. AuBerordentlich wichtige Folgen hatte
die Entdeckung der Erscheinung der Seignette-
Elektrizitat durch I. W. Kurtschatow. Beacht-
liche Erfolge wurden von sowjetischen Forschern
auch auf dem Gebiet des Ferromagnetismus er-
rungen; eines der groBten Zentren dieser For-
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MITTEILUNGSBLATT 289
schungen ist heute in der Ural-Filiale der Aka-
demie der Wissenschaften konzentriert. Die Ent-
deckung der paramagnetischen Resonanz wurde
in Kasan durch Sawojski gemacht. Sie land An-
klang and vielseitige breite Entwicklung in der
ganzen Welt. Die Methode fand Verwendung in
der Kernphysik, Chemie and Biologie.
Das Gebiet der Physik der tiefen Temperaturen
wurde mit grof3em Erfolg im Institut fur physi-
kalische Probleme in Moskau and Charkow be-
arbeitet. Die Forschungen fiber flussiges Helium
durch P. L. Kapiza and seine Mitarbeiter fi hrte zu
der Entdeckung einer fundamentalenErscheinung
- der Hyperfluiditat des Heliums II, zur Schaf-
fung der Theorie dieser Erscheinung, zur Vor-
hersage and Entdeckung des sogenannten zwei-
ten Schalls im flussigen Helium. GroBen Auf-
schwung erhielt die Forschung der Supraleit-
fahigkeit der Metalle and ihrer Legierungen and
das Finden neuer Supraleiter. Ein bemerkens-
werter Beitrag wurde zur Theorie der Supraleit-
fahigkeit geliefert. Entscheidende technische Be-
deutung and grof3en Anklang in der ganzen
Welt fand die Gewinnung von flussiger Luft and
fiussigem Sauerstoff mit Hilfe des Spezialver-
fliissigers von Kapiza.
Die Radiotechnik and die Elektronik brachen
gebieterisch ins Leben des 20. Jahrhunderts ein
and wandelten nicht nur Wissenschaft and Tech-
nik um, sondern auch das tagliche Leben.
Die Erfolge der sowjetischen Gelehrten bei der
Herstellung leistungsfahiger Radiorohren sicher-
ten der UdSSR den ersten Platz im Bau groBer
Funkstationen. Im Jahre 1922 wurde im Nishe-
gorodskier Funklaboratorium unter der Leitung
.von M. A. Bontsch-Brujewitsch die fur die da-
malige Zeit starkste drahtlose Funkstation ge-
baut. Seitdem behauptet die Sowjetunion diesen
ersten Platz.
Die Bediirfnisse der Funkverbindung erforder-
ten das Studium der Ausbreitung der Funk-
wellen, eine Aufgabe, an der fortlaufend gear-
beitet wird and deren Losung auch im Hinblick
auf kiinstliche Erdsatelliten interessant ist. Hier-
fur wurden groBe zusammenfassende Arbeiten
geleistet. Von prinzipieller Bedeutung waren
die Arbeiten von L. I. Mandelstam and N. D. Pa-
paleksi uber die Ausbreitungsgeschwindigkeiten
von Funkwellen.
Seit dem Jahre 1930 wird in der UdSSR an den
Grundlagen der Radartechnik gearbeitet. Ihre
Entwicklung ging bei uns eigene Wege and grun-
dete sich auf die in der UdSSR mit eigenen Ideen
entwickelten Sender hochster Frequenz. Mit der
Einfuhrung von Impulsmethoden bahnt sich auch
Bier eine neue Entwicklung in der Radiotechnik
an.
Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der moder-
nen Radiotechnik steht die Informationstheorie
des Rauschens; auch zu diesen Problemen haben
die sowjetischen Gelehrten nicht wenige grund-
legende Ideen geliefert.
Ich habe schon an die Entdeckung der paramag-
netischen Resonanz erinnert, die fur die wissen-
schaftliche Forschung groBe Bedeutung hat. Eine
der wichtigen Errungenschaften der Radiospek-
troskopie, die sich in den letzten Jahren entwik-
kelt hat, ist die Schaffung and Erforschung des
Molekulargenerators., Die Prinzipien, die ihm zu-
grund'e liegen, iiben zweifellos einen revolutio-
nierenden EinfluB auf die Radiotechnik and auf
benachbarte Gebiete aus. Die Radiotechnik steht
damit an der Schwelle einer neuen Etappe.
Wie groB auch alle these Erfolge sein mogen, in
der Gegenwart liegt die Hauptaufgabe der Phy-
sik in der Erforschung. des Atomkerns. Gerade
die Kernphysik, die dazu bestimmt ist, die Herr-
schaft des Menschen uber die Natur zu vergro-
Bern, ist der Schrittmacher der modernen Natur-
wissenschaft.
Einen auBerst groBen EinfluB auf die Entwick-
lung unserer Vorstellungen von den Atomkernen
Ubte das von J. I. Fraenkel vorgeschlagene Tropf-
chenmodell des Kerns aus. Die in der Gegenwart
allgemeingultige Vorstellung von den Kernkraf-
ten als Austauschkraften zwischen den einzelnen
Kernbauteilchen wurde zum erstenmal von I. E.
Tamm dargelegt. Die Grundideen seiner Theorie
sind heute noch maBgebend fur die Weiterent-
wicklung der Theorie der Kernkrafte.
Eine prinzipiell neue Etappe in der Entwicklung
der Kernphysik begann mit dem Jahre 1932, als
der erste Beschleuniger geladener Teilchen ge-
schaffen and das Neutron entdeckt wurde.
Diese Entdeckung rief Forschungen fiber solche
Kernreaktionen ins Leben, die unter der Ein-
wirkung von Neutronen vor sick gehen. Das
Studium der kinstlichen Radioaktivitat, ein Er-
gebnis des Neutroneneinfangs durch die Atom-
kerne der Elemente, ermoglichte I. W. Kurt-
schatow im Jahre 1935 die Entdeckung der Kern-
isomerie bei kiinstlich radioaktiven Elementen.
Das weitere Studium der Kernisomerie fuhrte
1939 zur Auffindung der Konversionsstrahlung.
Eine nicht geringe Rolle gebiihrt unserer Wis-
senschaft auch bei der Erforschung der Spaltung
schwerer Kerne and der Kernkettenreaktionen.
Unsere Wissenschaft and Technik schuf neue
Prinzipien zur Beschleunigung der Elementar-
teilchen; Beschleuniger wurden projektiert and
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290 MITTEILUNGSBLATT
gebaut. Die bis zum Jahre 1945 bekannten Me=
thoden zur Beschleunigung der Teilchen erlaubten
z. B. nicht, die Protonen bis zu einer Energie von
fiber 20 Millionen Elektronenvolt zu bringen.
Unterdessen war eine VergroBerung der Energie
der Teilchen fur das Weitereindringen in das
Innere des Kerns and zum Erhalten von Daten
fiber das Wesen der Kernkrafte notwendig. An
der Losung dieses Problems arbeiteten Gelehrte
vieler Lander der Welt. W. I. Weksler gelang die
Losung. Dadurch konnten die Grenzen der er-
reichbaren Energien um das Tausendfache and
mehr erhoht werden. Auf diesem Prinzip be-
ruht der in diesem Jahr in. Betrieb genommene
Protonenbeschleuniger mit einer Hochstleistung
von 10 Milliarden Elektronenvolt. Protonen mit
einer solchen Energie wurden bisher in keinem
Land der Welt erzeugt. Es sind noch viel lei-
stungsfahigere Beschleuniger geplant.
Die Erforschung der kosmischen Strahlen ist von
auBerordentlichem Interesse fur die theoretische
Kernphysik. Im letzten Jahrzehnt wurden hier-
bei die Arbeiten auf die Erforschung der Kern-
prozesse bei Teilchenenergien von vielen Milliar-
den Elektronenvolt konzentriert. Jetzt erlangen
die Arbeiten fiber die Erforschung der Prozesse
mit noch grol3eren Energien, als sie bisher mog-
lich wareh, grundsatzliche Bedeutung. Umfang-
reiche Forschungen der sowjetischen Experi-
mentatoren and Theoretiker haben schon viele
wesentliche Zuge ahnlicher innerer Zusammen-
hange geklart.
Noch wichtiger ist bei uns die auBerst schnelle
Anwendung von Erkenntnissen der Kernphysik
in der Praxis. Die sowjetischen Physiker losten
eine Reihe sehr wichtiger technischer Aufgaben,
die mit der Ausnutzung der Atomenergie ver-
bunden sind. In der UdSSR arbeitet schon seit
einigen Jahren ein Atomkraftwerk, and ein gro-
lies Bauprogramm von leistungsfahigen Atom-
kraftwerken wird verwirklicht.
Unter den Problemen, die mit der friedlichen An-
wendung der Atomenergie ? verbunden sind, ist
das der gelenkten Thermokernreaktionen von
besonderem Interesse.
Die Erwarmung von Wasserstoff' bei Impulsgas-
entladungen mit Behr grol3en Energien wurde er-
forscht. Durch die Konzentration der Entladung
unter der Einwirkung des eigenen Magnetfeldes
gelang es zum erstenmal, ureter Laborbedingun-
gen eine Temperatur zu erhalten, die Millionen
Grad iibersteigt. Eire wichtiges Ergebnis dieser
Arbeit ist die Entdeckung sehr energiereicher
Strahlungen (von. Neutronen, and y-Strahlen),
3. Jahrgang, Heft 11/12
die in einem Plasma bei Impulsentladungen von
groBer Stromstarke entstehen.
Von den sowjetischen Gelehrten wurden sehr
erfolgreiche Forschungen zur Physik der Reak-
toren durchgefuhrt. Als Ergebnis dieser Arbeiten
wurde eine Reihe von Forschungs- and Energie-
Kernreaktoren geschaffen.
Das erlaubte, die Produktion von radioaktiven
Isotopen zu organisieren, die breite and ver-
schiedenartige Anwendung als Quellen durch-
dringender Strahlung and als ,markierte" Atome
finden. Die Wissenschaft bekam ein gewaltiges
Forschungsinstrument in die Hande. In kurzer
Frist wurden auf vielen Gebieten wichtige Er-
gebnisse erzielt.
Dank der groBen wissenschaftlichen Errungen-
schaften in der Physik, Mechanik, Elektrotech-
nik, Warmephysik, Verbrennungsphysik and auf
vielen anderen Gebieten der Wissenschaft ist ein
schneller Fortschritt im modernen Turbogenera-
torenbau, im Kesselbau, in einer bedeutenden
Erhohung der Spannung, Entfernung and Lei-
stungsfahigkeit der tVbertragung von Elektro-
energie, in der Automatisierung der technolo-
gischen Prozesse zu verzeichnen.
Der Bau hochleistungsfahiger (bis zu 300 000 kW)
Turbogeneratoren and Kessel mit einer Erzeu-
gung von 700-800 Tonnen Dampf in der Stunde,
die Verwendung von Dampf mit einer Tempe-
ratur von 500-600? C and einem Druck von
150-200 at ist das Ergebnis wissenschaftlicher
Arbeiten auf dem grol3en Gebiet der Thermo-
dynamik.
Die Errichtung der ersten Hochspannungslei-
tungen nach dem GOELRO-Plan forderte schon
fri h eine breite Entwicklung der Forschungen
auf dem Gebiet der Hochspannungstechnik. So-
wjetische Gelehrte losten die Aufgabe der t7ber-
tragung von Hochspannungsstrom auf riesige
Entfernungen.
Die Entwicklung der Energetik wahrend der
letzten Jahrzehnte unterstrich besonders das
Vorhandensein der engen Wechselbeziehungen
zwischen den einzelnen Teilen der Energiewirt-
schaft - von den Energiequellen bis zum Ener-
gieverbrauch. Das ist der Grund dafiir, daB neben
der weiteren Differenzierung der Disziplinen,
die die einzelnen Gebiete der Energetik erfor-
schen, die synthetisierende Forschungsrichtung
an Bedeutung gewinnt, die von G. M. Krshis-
hanowski geschaffen wurde and die zum Ziel
hat,- die GesetzmaBigkeiten der Zusammenhange
der einzelnen Teile der Energiewirtschaft auf-
zudecken and die richtigen Wege ihrer Entwick-
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lung als Losung einer schwierigen Komplexauf-
gabe zu bestimmen.
Die modernen Errungenschaften der Physik and
Radiotechnik iibten einen grolen Einfluf3 auf die
Entwicklung der Astronomie aus. In den letzten
Jahrzehnten sind wir Zeugen der Entwicklung
der Astrophysik, die es ermoglicht,.neue tiefere
Kenntnisse von den Eigenschaften der Materie
zu finden and Erscheinungen der Atomphysik in
einem grof3en Bereich der verschiedensten phy-
sikalischen Parameter zu erforschen. Besonders
bedeutsame Erfolge sind den Astrophysikern des
Krimer Observatoriums and des Bjurakaner Ob-
servatoriums der Akademie der Wissenschaften
der Armenischen SSR (W. A. Ambarzumjan) zu
verdanken. Grol3e Errungenschaften verzeichnet
das Observatorium der Akademie der Wissen-
schaften von Kasachstan in Alma-Ata. Die Er-
weiterung unserer Kenntnisse von der Dynamik
and den physikalischen Besonderheiten der
Sterne erlaubte unseren Astronomen, Schliisse
fiber die kontinuierliche Sternbildung in unserem
galaktischen System zu ziehen. Umfangreiche.
Arbeiten zur Erforschung des Aufbaus des galak-
tischen Systems wurden geleistet.
Die-Ausnutzung der neuen Technik gab die Mog-
lichkeit, die Forschungen fiber die Sonne in den
letzten 15 Jahren stark voranzutreiben. In der
UdSSR wurde das weiteste Netz von Stationen
des Sonnendienstes geschaffen, das es ermoglicht,
die Entwicklung der Sonnenaktivitat fast pausen-
los zu verfolgen.
Einer der fruchtbarsten jungen Zweige der mo-
dernen Astronomie ist die Radioastronomie, die
durch die Verbindung der Radio- and Astro-
. physik entstand.
Die sowjetische Astronomie weist wesentliche
Ergebnisse bei der Losung des Problems der Her-
kunft des Sonnensystems auf.
Die russische Chemie hat eine ehrenvolle Ge-
schichte. Es geniigt; die Namen Mendelejew,
Sinin and Butlerow zu nennen.
In der Sowjetepoche vollzog sich ein rascher
Aufschwung der Chemiewissenschaft. Die Ent-
wicklung der wissenschaftlichen Chemie erhalt
in der wachsenden Chemieindustrie, die im vor-
revolutionaren Ruf3land praktisch fehlte, einen
fruchtbaren Boden
Die Grundstoffchemie (Sauren, Alkali, Salze,
Dungemittel, Kohle, Eisen, Metallgewinnung)
wird aufgebaut; ebenso die Erdol-Industrie and
damit die Produktion von Motorenbrennstoffen
and von Schmierolen, die Herstellung organisch-
chemischer Verbindungen (z. B. von Farbstoffen
and Sprengstoffen), die chemisch-pharmazeuti-
sche Industrie, die Erzeugung synthetischen Kau-
tschuks, synthetischer Fettsauren, die Herstellung
von Kunststoffen, Plasten and Losungsmitteln,
die Lack- and Farbenindustrie, die Industrie
von kiinstlichen and in den letzten Jahren auch
von synthetischen Fasern, die Herstellung der
sogenannten Laboratoriumschemikalien.
In allerletzter Zeit ist die radiochemische Indu-
strie entwickelt worden, die mit der Bearbeitung
der Produkte der Atomumwandlung in Reaktoren
verbunden ist. Die Methoden der chemischen
and physikalisch-chemischen Analyse breiten
sich in alien Produktionsarten aus. Die riesige
alltagiiche Arbeit einer grollen Schar von Che-
mikern, wissenschaftlichen Mitarbeitern and In-
genieuren war notig, um diesen grandiosen Bau
auf einem leeren Platz zu verwirklichen. Die
Stellung des Chemie-Forschers hat sich grund-
legend geandert. Er horte auf, sick mit seiner
Experimentalwissenschaft auf unfruchtbarem
Boden zu befinden, wie das sehr oft im zaristi-
schen Ruf3land war. Jetzt ist er eng mit der In-
dustrie verbunden, aus der er die Aufgaben fur
die Wissenschaft schopft and der er die Ergeb-
nisse seiner Ideen and Forschungen zur Reali-
sierung weitergibt.
Nur mit einigen Strichen kann man hier die Er-
rungenschaften der wissenschaftlichen Chemie
der Sowjetepoche zeichnen.
Breite Anwendung erhielt die Methode der phy-
sikalisch-chemischen Analyse von N. S. Kurna-
kow durch seine Arbeiten and die seiner Schule
and zahlreicher Anhanger der Lehre von den
Phasengleichgewichten and den Umwandlungen
der Systeme der Salze, der Metallegierungen,
insbesondere der hitzebestandigen organischen
Verbiridungen.
Wichtige Bedeutung kommt der von L. I. Tschu-
gajew geschaffenen Schule der Chemie der kom-
plexen Verbiridungen zu, die besonders griind-
lich die Chemie der komplexen Verbindungen
der Platinmetalle struktureil, stereochemisch and
physikalisch-chemisch erforschte.
Eines der Ergebnisse dieser umfangreichen For-
schungen ist eine bodenstandige Industrie der
Raffination der Platinmetalle.
Eine vorbildliche Arbeit leistete das Radium-
institut unter Leitung von W. G. Chlopin and
seinen Mitarbeitern. Sip legten die wissenschaft-
liche Grundlage fizr den Aufbau einer Industrie
fur Radium and nati rliche radioaktive Elemente.
In Zusammenarbeit mit weiteren wissenschaft-
lichen Einrichtungen (z. B. mit dem Institut fur
physikalische Chemie, dem Institut fir allge-
meine und- anorganische Chemie der Akademie
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der Wissenschaften) ermoglichten sie auch die
Bildung eines Instituts fur ktinstliche radioaktive
Elemente and spaltbare Stoffe.
Man kann hier eine Fi lle anderer wichtiger Ar-
beiten hinzufugen, z. B. Arbeiten der anorgani-
schen Chemie and Industrie, die bleibende Be-
deutung haben. Dies betrifft das Gebiet der
Mineraldunger-, Schwefelsaure- and Chlorindu-
strie, die Errichtung einer heimischen Industrie
fir optisches and chemisches Glas, die Entwick-
lung der Zementproduktion, der. Produktion von
feuerfesten Stoffen and anderen Erzeugnissen
der Silikatindustrie and vieler anderer Indu=
strien, die sich die Ergebnisse der Sowjetwissen-
schaft zunutze machen:
In der Chemie hatte von den sowjetischen Ar-
beiten die Lehre von den Kettenreaktionen, ins-
besondere die der verzweigenden Kettenreak-
tionen, die von N. N. Senijonow and seinen
Schiilern geschaffen wurde, vielleicht die grol3ten
Folgen fur die verschiedenen Gebiete der Natur-.
wissenschaft. Vom Gebiet der Gasreaktionen der
Oxydation and Verbrennung ausgehend, wo
diese Lehre entstand, wurde sie auf die Erschei-
nung der Explosion, der Polymerisation, des In-
hibierens ahnlicher Prozesse, insbesondere der
biochemischen, Ubertragen. SchlieBlich werden
sogar die Atomumwandlungen, die in Reaktoren
and bei Atomexplosionen vor Bich gehen, von
der Theorie der verzweigten Kettenreaktion er-
faBt. Eine Reihe sehr bekannter sowjetischer
Forschungen auf dem Gebiet der Polymerisation,
auf dem Gebiet der Losungen, dem der Kinetik
der katalytischen Reaktionen and der Verbren-
nungs- and Explosionskinetik schlieBen sich
hier an.
Der Hauptweg der Entwicklung der chemischen
Grol3industrie ist der der Ausnutzung kataly-
tischer Reaktionen, die die chemische Umwand-
lung beschleunigen and leiten. Bei der Losung
der von der Wissenschaft noch nicht ganzlich
geklarten Frage der katalytischen Reaktionen
spielen die sowjetischen Forschungen eine her-
vorragende Rolle.
Ein wesentlicher Beitrag wurde zur Erforschung
der Kinetik der elektrochemischen Prozesse
geleistet.
In den letzten Jahren erleben wir das Entstehen
einer neuen Disziplin - der chemischen Mecha-
nik. Oberflachliche chemische Einwirkungen
wurden als ein starker Faktor bei der Veran-
derung mechanischer Eigenschaften der Stoffe
erkannt.
In der organischen Chemie war die Ausarbei-
tung der Synthese des Kautschuks durch S. W.
Lebedew and seine Schuler eine originelle Ent-
deckung, die den unmittelbarsten. and schnell-
sten Einfluf3 auf die Entwicklung der Industrie
hatte. Man muB sagen, daB diese Arbeiten; die
den Aufbau einer Industrie mit einer Leistung
von vielen hunderttausend Tonnen zur Folge
hatte, nicht. aus dem Nichts entstanden sind,
sondern als Ergebnis langj ahriger Forschungen
uber ungesattigte Kohlenwasserstoffe and be-
sonders der Kohlenwasserstoffe mit verknUpften
Verbindungen, die von A. E. Fawarski and seiner
Schule angestellt wurden. Zu ihr gehort auch
der bedeutendste Schuler Faworskis - S. W.
Lebedew. Man muI in dem Zusammenhang auch
die Schaffung anderer Polymerisationsprozesse
nennen, besonders den des Isoprens sowie Pro-
zesse zur Gewinnung von Dienkohlenwasser-
stoffen, insbesondere durch Dehydrierung der
Alkene and Olefine, die zur Petrochemie ge-
horen.
Einer der Bedeutung nach groBten Arbeits-
komplexe war die Forschung von N. D. Selinski
and seiner Schule wahrend der ganzen 40 Jahre
zur Chemie.der katalytischen Umwandlung der
Kohlenwasserstoffe. Das Ergebnis dieser umfang-
reichen Arbeiten war die Anderung der An-
schauungen der Chemiker besonders Ober das
Wesen der gesattigten Kohlenwasserstoffe, die
Paraffine, well ihnen die chemische Affinitat
fehlt. Dank dieser Forschungen konnen alle
Gruppen der Kohlenwasserstoffe wechselseitig
ineinander verwandelt werden. Die Kohlen-
wasserstoffe sind nicht nur die Grundgruppen
der organischen Chemie, sondern auch Haupt-
rohstoff der organischen chemischen Industrie..
Es ist klar, welche Elastizitat die erwahnten,
leicht zu verwirklichenden Umwandlungen der
Produktion sichern.
Die grundlegenden kohlenwasserstoffhaltigen
Rohstoffe sind Erdol, natiirliche Gase and Gase
der Erdolverarbeitung. Ein breiter Kreis von
Forschern mit N. D. Selinski an der Spitze stu-
dierte eingehend das chemische Wesen and die
Zusammensetzung des Erdols in zahlreichen
sowjetischen Vorkommen and schuf die Wege
zur Verarbeitung von Erdol and Gas.
Fur die moderne organische Chemie ist die Er-
weiterung der Forschungsspharen (und die Ein-
beziehung der organischen Chemie in die Indu-
strie) auf viele Elemente, uber die klassischen
organischen Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff,
Stickstoff hinaus, charakteristisch. Die sowjeti-
schen Chemiker nahmen aktiv tell an der Her-
ausbildung dieses neuen Zweiges der organischen
Chemie, der metallorganischen Chemie sowie an
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MITTEILUNGSBLATT 293
der Aufstellung einer Reihe organischer Produk-
tionen.
Von den Moskauer, Kasaner, Leningrader and
Gorkier Organikern wurden eine Reihe neuer
Reaktionen der Synthese von organischen Ver-
bindungen entdeckt and eine Reihe neuer For-
men and Funktionen dieser Stoffe geschaffen;
die Erforschung ihrer Umwandlungen erhellte
einige fundamentale Fragen der organischen
Chemie, z. B. die Tautomerie, das Verhalten von
freien Radikalen, die Stereochemie der Umset-
zungsreaktionen, die Verknupfung der einfachen
Verbindungen, die sogenannte ,Umgruppie-
rung".
Besonders grof3e Bedeutung kommt den grund-
legenden umfassenden Arbeiten von A. E. Arbu-
sow and seiner Kasaner Schule zur Chemie der
organischen Phosphorverbindungen zu and auch
denen anderer sowjetischer Forscher, die auf
diesem Gebiet arbeiten. Die neuen Typen der
hochwirksamen Insektiziden, die eine groBe Zu-
kunft haben, waren das praktische Ergebnis
dieser Arbeiten.
Erwahnenswert ist die Erzeugung temperatur-
bestandiger siliziumorganischer Polymere - der
Ole, Teere, Kunststoffe, Kautschukarten, deren
Molekiilskelett nicht aus einer Kette von
Kohlenstoffatomen besteht wie bei alien ahn-
lichen, rein organischen Stoffen, sondern aus
einer Kette von aufeinanderfolgenden Atomen
aus Silizium and Sauerstoff wie in der Welt der
Mineralien.
Fur die internationale organische Chemie sind
die Forschungen fiber die natiirlichen organi-
schen Verbindungen von groBer Bedeutung. Wir
kP nnen stolz sein auf die breitangelegten For-
schungen uber die Alkaloide, die wir in heimat-
lichen pflanzlichen Rohstoffen finden; die Schule
.von A. P. Orechow fand alle in der Gegenwart
bekannten Alkaloide, von denen viele in der
medizinischen and landwirtschaftlichen. Praxis
verwendet werden. Gegenwartig ist die Aka-
demie der Wissenschaften der Usbekischen SSR
zum Arbeitszentrum uber die Alkaloide gewor-
den. Auch die Arbeiten unserer Chemiker uber
die Terpene erhielten Weltberuhrntheit.
Die Biologie ist vielleicht der umfangreichste
and verzweigteste Komplex der Wissenschaften.
Das Eindringen der physikalisch-chemischen
Ideen and der ihnen gem5f3en Forschungsmetho-
den ist heute ein besonders wichtiger Faktor in
der Entwicklung der Biologie.
Schon in den ersten Jahren nach der Revolution
begann sich die Biochemie unter der Leitung
von A. P. Bach schnell zu entwickeln. Es ent-
standen die Biophysik and die Radiobiologie. In
der nachfolgenden Zeit fiihrten. sowjetische Ge-
lehrte verschiedener Fachrichtungen hervor-
ragende Forschungen auf dem Gebiet der Bio-
physik and Biochemie der Nervenreizung and
Muskelverkurzung, auf dem Gebiet der Bio-
physik der Sinnesorgane durch. Die Strahlen-
wirkung wurde einem systematischen Studium
unterzogen.
Die Chemie der Atmung and der Fermente
wurde eingehend erforscht. Hieraus konnten
Schliisse uber die Wirkung der Fermente and der
Energieubertragung in den Organismen gezogen
werden. Der Arbeitschemismus der Muskeln
wurde erforscht and seine Verbindung mit der
Mechanik der Muskelarbeit festgestellt. Durch
Forschungen der Akademie der Wissenschaften
der Ukrainischen SSR (A. W. Palladin) and auch
des Pawlow-Instituts fur Physiologie wurde der
Zusammenhang der Funktion des Gehirns and
seiner fermentativen Aktiviti t aufgeklart. Es
entwickelt sich ein neuer Zweig der Enzym-
forschung - die ?Biologie der Fermente".Sie'
bemuht sich, den Zusammenhang zwischen sol-
chen Eigenschaften des pflanzlichen Organismus
zu klaren wie Trockenheit resp. Feuchtigkeit
usw. and den enzymatischen Prozessen, die these
hochwertigen Eigenschaften bedingen.
Die Arbeitsergebnisse der Biochemie werden
weitgehend in. der Technologie der Tabak-
fermentation, in der Teeproduktion, in der Tech-
nologie des Brotbackens, in der Weinbereitung
and anderen Bereichen der Nahrungsmittel-
industrie ausgenutzt.
Aus der Klarung der Bedeutung, die den Mikro-
organismen im geochemischen Kreislauf der
Stoffe zukommt, erwuchs die Boden- and geolo-
gische Mikrobiologie.
Die Veranderlichkeit der Mikroorganismen wird
weitgehend erforscht. Durch die Einwirkung von
Strahlenenergie wurden Penicilliumstamme mit
erhohter Ausbeute an Penicillin and an Asper-
gillen gewonnen, die viele hydrolytische Fer-
mente produzieren.
Der groBe Physiologe Pawlow, dem wir die
Methode der bedingten Reflexe, die Lehre von
der hoheren Nerventatigkeit verdanken, ver-
schaffte der sowjetischen Physiologie, Geltung.
Er baute die Theorie des Schlafs and der Hyp-
nose als ausgebreitete oder lokalisierte innere
Hemmung aus and begrundete die Auffassung
von der Schutzfunktion des Schlafs, was wich-
tige Bedeutung fur die Klinik gewann. Er schuf
die Lehre vom zweten Signalsystem, das dem
m.enschlichen Denken zugrunde liegt. Die Paw-
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294 MITTEILUNGSBLATT
lowsche Physiologie wird von seinen Schiilern
weiter entwickelt. Die bedeutendsten unter ihnen
lieferten eigene originelle Beitrage zur Physio-
logie. Bemerkenswert sind die Forschungen von
L. A. Orbeli uber die Funktionen des sympathi-
schen Nervensystems. Umfangreiche regulie-
rende Untersuchungen galten dem EinfluB, den
die GroBhirnrinde auf die Tatigkeit der inneren
Organe ausi bt. Weitere Arbeiten befaf3ten sich
mit dem EinfluB der neuen Technik auf den
Organismus.
Die sowjetische Botanik entwickelte sich erfolg-
reich and fruchtbringend. Grof3e Bedeutung in
der sowjetischen Biologie erhielt die Mitschu-
rinsche Richtung, die Bich. in direkter and enger
Verbindung mit der landwirtschaftlichen Praxis
entwickelte. .
I. W. Mitschurin arbeitete die Theorie der Akkli-
matisation si dlicher Pflanzen aus and widmete
seine Tatigkeit deren Vorri cken nach Norden.
Er arbeitete die Methoden der Hybridisation aus.
Durch seine Methoden schuf er eine grof3e An-
zahl neuer Arten von Obstpflanzen.
T. D. Lyssenko schuf die Theorie der Stadien-
Entwicklung des pflanzlichen Organismus, die
grolen EinfluB auf die Physiologie der Pflanzen
ausiibte.
Er stellte das biologische Westin der Winter-
festigkeit der Getreidearten and einer Reihe an-
derer landwirtschaftlicher Pflanzen fest.
Das Problem der Fernhybridisation der Pflanzen
wurde von N. W. Zizin ausgearbeitet. Ihm ge-
lang es, eine allgemeine Gesetzm5f3igkeit der
artbildenden Prozesse festzustellen, die Notwen-
digkeit der Bildung des Gammas in den Zwi-
schenubergangsformen nachzuweisen and eine
Reihe neuer ni tzlicher Formen landwirtschaft-
licher Pflanzen zu ziichten. Weizen-Quecken-
Hybriden wiegen sich auf Hunderttausenden
von Hektaren.
Die Herausgabe ' der umfangreichen ?Flora der
UdSSR", die von W. L. Komarow begrilhdet
wurde and gemeinsam ?mit den Akademien der
Wissenschaften der Unionsrepubliken verwirk-
licht wurde, ist das grof3e Verdienst unserer Bo-
taniker. Die Bilanz ihrer Arbeit ist auch die Her-
stellung einer Karte (1:4 000 000) der Vegeta-
tionsdecke der UdSSR. Eine neue Lehre von
den Waldtypen wurde ausgearbeitet, die sich auf
die Theorie der Biozenogenese and die kom-
plexe Erforschung der Natur des Waldes sti tzt
and der dringlichen Verbesserung der Wald-
wirtschaft dient. Die Erforschung der Fauna un-
seres Landes findet ihr Fazit in der vielbandigen
Ausgabe ?Die Fauna der UdSSR",
3. Jahrgang, Heft 11/12
Die Parasitologie hat grof3e Erfolge zu verzeich-
nen. Allgemeine Anerkennung fand die Lehre
von den Naturherden transmssiver Krankheiten
and die Theorie der Parasitozenogenese, die
weitgehend im Kampf gegen Infektionstrager
ausgenutzt werden. Als Ergebnis der Forschung
zur Biologie der Helminthen and ihrer Lebens-
bedingungen im Organismus des Wirtes and in
der auBeren Umgebung wurde das Prinzip der
Devastation vorgeschlagen (d. -h. der radikalen
Vernichtung der Parasiten als biologische Er-
scheinungen).
Immer breiter entfalten sich die hydrobiologi-
schen Meeres- and ozeanischen Forschungen. Die
Expeditionen des Schiffes ,Witas" im Stillen
Ozean, die komplexen Arbeiten im Schwarzen
Meer, im Norden and in der Antarktis rUckten
unser Land auf einen der ersten Platze in der
Erforschung der Fauna des Weltozeans. Ki rz-
lich erhielt die Akademie der Wissenschaften
noch ein schwimmendes Laboratorium, die
,,Lomonossow", zur Erforschung der Antarktis.
Auch die sowjetische Palaontologie arbeitete
5uf3erst erfolgreich. Aus Sedimentablagerungen
erhielt man umfangreiches Material uber die
Flora and Fauna der alten Meere and Konti-
nente. Die Forschungsergebnisse aller Gruppen
fossiler Organismen der UdSSR sind in den un-
langst abgeschlossenen, aber noch nicht heraus-
gegebenen l5bandigen ,Grundlagen der Palaon-
tologie" zusammengefaBt.
Man muB besonders die sowjetischen Arbeiten
fiber den Ursprung des Lebens auf der Erde ver-
zeichnen, die groBen Widerhall fanden.
Wahrend der verflossenen 40 Jahre waren die
Erfolge der geologisch-geographischen Wissen-
schaften sehr grog. Hier hinterlieflen M. W.
Lomonossow his zu A. P. Karpinski, W. I. Wer-
nadski and W. A. Obrutschew ein reiches Erbe.
In der Geologie ging eine tiefgehende Gliede-
rung vor sich. Neue Richtungen teilten sich ab:
die Neotektonik, die Lithologie, die Quartar-
geologie,? die Mikropalaontologie, die Minera-
graphie, die Bodenwissenschaft, die experimen-
telle and technische Mineralogie and Petro-
graphie, die Tektonik der Erzfelder, die Lehre
von den Mineralien, die Geochemie, die Biogeo-
chemie, die Hydrogeologie and Ingenieurgeo-
logie, die Geokriologie (die Lehre vom Frost-
boden), die Geothermik, die Formationslehre,
die Radiologie and die Radiogeologie, ?die Geo-
logie des Meeres".
Die Entwicklung der Geologie ist eng mit der
Entdeckung, Schurfung and industriellen Er-
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V 3. Jahrgang, Heft 11/12 MITTEILUNGSBLATT 295
schlief3ung zahlreicher Vorkommen von Boden- lich, daf3 Kasachstan die fiihrende Stellung in
schatzen verbunden. der Buntmetallerzeugung einnimmt.
Bei der Erfullung der grol3en praktischen Auf- Ein grol3er Erfolg der sowjetischen Geologen ist
gaben wurden neue, vollkommenere Methoden die Entdeckung der reichsten Vorkommen an
der Schurfung von Bodenschatzen und der Er- Diamanten in Jakutien.
forschung der Mineralien, Erze und Gesteine Besonders erfolgreich entwickelte sich die Geo-
ausgearbeitet. logie der Kohle und des Erdols. Die grundlegen-
In dieser Periode erfuhr die Geologie einen den genetischen Typen der Kohlenbecken wur-
starken EinfluB durch die Geophysik und Geo- den festgestellt und klassifiziert. Man studierte
chemie. Das Eindringen der Physik in die Geo- die GesetzmaBigkeiten ihrer Verteilung auf dem
logie fiihrte zur Bildung der Geophysik, die es Erdball und arbeitete die Theorie von den Zonen
ermoglichte, -die Tiefenstruktur der Erde zu er- und Knotenpunkten der Kohleanhaufung aus.
forschen und schneller und wirklungsvoller die Sie hatte grol3te Bedeutung fur das Auffinden
Aufgaberl bei der Suche nach Vorkommen von der Kohlevorkommen in der UdSSR.
Mineralien zu losen. Von. I. M. Gubkin wurde die grundlegende theo-
i retische These der Genesis des Erdols formuliert.
Die Geologie wurde durch die Ideen der Geo- Es wurde eine groBe Anzahl von Erdol- und Gas
chemie, die von W. I. Wernadski stammen, um-
gestaltet. Die Entwicklung der Geochemie, der vorkommen im Kaukasus, in Turkmenien, in
ein Usbekistan, im Gebiet Emba, im Karpatengebiet
Biogeochemie und der Radiogeochemie ist
entdeckt und, Verdienst der Sowjetwissenschaft. , was man besonders hervorheben
mu3, das riesige, heute hauptsachliche erdol-
Die geologische Erforschung des Territoriums. trachtige Gebiet im Zentrum des Landes zwi-
der UdSSR ist weft fortgeschritten. Die ,weif3en schen dem Ural und der Wolga. Hinzu kommt,
Flecke" sind verschwunden. Allgemeine staat- da3 die Forschungen der . Geologen Aserbai-
liche und geologische Karten im Ma3stab dshans die Ausbeutung der alten Erdolgebiete
1.: 5 000 000 und 1 : 2 500 000 sowie eine tekto- sichern.
nische Karte der UdSSR im Maf3stab 1 :5 000 000 Dank der Entdeckungen der bedeutendsten Vor-
wurden zusammengestellt. Die Ausarbeitung kommen z. B. in den Gebieten von Stawropol,
einer geologischen Karte der UdSSR im Ma3stab der Ukraine, der Wolga, konnte sich die Gas-
1 : 1 000 000 wird abgeschlossen. AuBerdem sind industrie auf der Basis von Erdol entwickeln.
detailliertere geologische Karten d'er bedeutend- Als Ergebnis der hydrogeologischen Forschungen
sten Gebiete der UdSSR geschaffen worden. wurden die Fragen der Wasserversorgung zahl-
Eine Reihe spezieller Karten wurde veroffent- reicher gro3er Neubauten gelost und hydrogeo-
licht, so Karten fiber quartare, hydrogeologische, logische Unterlagen fur die Projektierungen der
palaogeographische und andere Ablagerungen. grol3ten Wasserkraftwerke und Kanale gegeben.
Besonders erwahnenswert ist die komplexe Er- Ein neuer Zweig der wissenschaftlichen For-
forschung der Vorkommen von Mineralien und schung, die Frostboderikunde, bietet gro3e prak-
die Untersuchung der stofflichen Zusammen- tische Hilfe bei der Erschlie3ung des Nordens
setzung und der Eigenschaften neuer Arten von und des Nord-Ostens und bei der Schafung be-
Mineralrohstoff en. Sie war Ausgangspunkt fur dei tender industrie-okonomischer Gebiete.
die Schaffung neuer Industriezweige in der Als Ergebnis der erfolgreichen geographischen
UdSSR: der Aluminium-, Vanadium-, Titan-, Arbeiten und der weitgehenden Anwendung von
Kobalt-, Molybdan-, Graphit-, Glimmer-, Kao- Luftaufnahmen wurde in kurzer Zeit das ganze
lin-, Talkum-, Schwefel-, und Arsenindustrie, der riesige Territorium der Sowjetunion topogra-
Industrie seltener Metalle u. a. phisch erfa3t. Die umfangreichen, von der vor-
Die von A. E. Fersman begonnenen, breit ange- revolutionaren Periode ererbten weiBen Flecke
legten Expeditionsforschungen fiber die nadir- wurden beseitigt. Erstklassige Karten der So-
lichen Reichtumer der Kola-Halbinsel fiihrten wjetunion und eine Reihe geographischer At-
zur Errichtung von Bergwerken, Fabriken und lanten sind herausgegeben worden.
Stadten in der friiher leblosen Tundra, in denen Die Teilnahme sowjetischer Geographen an den
wissenschaftliche Einrichtungen entstanden, die . komplexen Forschungen fiber wenig untersuchte
zum Zentrum der Erforschung der Geologie und Territorien zur Ausarbeitung von Planen fur die
der Mineralreichtumer des Gebietes wurden. Entwicklung der Volkswirtschaft, fur die Urbar-
Die Forschungen der Geologen Kasachstans, mit machung von Neu- und Brachland, fur die ratio-
K. I. Saptajew an der Spitze, machten es mog- nelle Ausnutzung von pflugbarem Ackerland
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 11/12
(der Kampf mit der Erosion, mit Bodendiirre Die Entwicklung der marxistisch-leninistischen
u. a.), bei der Anlegung von Eisenbahnlinien, Lehre fiber den Staat and das Recht in der
von Autostraf3en unter schwierigen Naturbedin- sozialistischen Gesellschaft ermoglichte es, die
gungen, bei der Schaffung von Irrigations- and erste Verfassung in der Welt auszuarbeiten, die
Meliorationsanlagen usw. war fruchtbringend. den welthistorischen Sieg des Proletariats wider-
Umfangreiche Erforschungen der Meere and spiegelt.
Ozeane wurden durchgefuhrt. Sie erlaubten es, Die neue Gesellschaft schuf neue Beziehungen
grundlegende physikalische, chemische, geolo- zwischen den Menschen, deren Studium der
gische and biologische Erscheinungen and Pro- Rechtswissenschaft hilft, die Rechtsnormen des
zesse festzustellen, die fur die Entwicklung der sozialistischen Staates auszuarbeiten, die neuen
Fischindustrie and der Navigation wichtig sind, Burger-, Arbeits- and Familienrechtsverhalt-
die ersten Fischereikarten zusammenzustellen, nisse u. a. gesetzgebend zu festigen.
die Voraussage hydrologischer and klimatischer Die grof3e Bedeutung der marxistisch-leninisti-
Veranderungen zu ermoglichen and Eispro- schen Philosophie besteht darin, daB sie die
gnosen zur Sicherung der Schiffahrt auf dem Natur- and die Gesellschaftswissenschaften mit
nordlichen Seeweg zu stellen. der wissenschaftlichen Methode des dialekti-
Besonders bernerkenswert ist die Erforschung schen and historischen Materialismus ausri stet.
des Polarbeckens, in dem der riesige Unter- In den Jahren der Sowjetmacht lieferten die
wasser-Hohenzug ,Lomonossow" entdeckt and Mitarbeiter der philosophischen Front eine Reihe
untersucht wurde. von Arbeiten uber den dialektischen and histo-
Die Forschungen auf der ?Witjas" fi hrten.zur rischen Materialismus, uber die Logik, Ethik,
Entdeckung ehemals unbekannter Unterwasser- Asthetik, uber die Geschichte der auslandischen
Hohenzi ge, einzelner Berge and Vertiefungen Philosophie and der Philosophie der Volker der
im nordlichen Teil ? des Stillen Ozeans. Die UdSSR.
Grenzen der Ausbreitung der Fauna verschie-
dener Herkunft wurden festgestellt. Die irrtum- Gro8e Erfolge errang auch die sowjetische
lithe Vorstellung vom Fehlen des Lebens in Sprachwissenschaft. Gr613te Bedeutung in den
maximalen Ozeantiefen konnte korrigiert wer- Forschungen Uber die Sprachen der Volker der
den. Mehr als 200 neue Arten von Tieren wur- UdSSR hat die S~haffung des Schr.ifttums fur
den entdeckt and reiches Material von der fast 50 Sprachen, das bis zur Oktoberrevolution
Gruppe der Po horen nicht existierte. Fur viele Sprachen wurden
gonop gewonnen, jenem wissenschaftliche Grammatiken erarbeitet. Hun-
einzig neuen Typ des Tierreiches, der bisher im
20. Jahrhundert entdeckt . wurde. derte von Worterbuchern der Sprachen der Vol-
Ein hervorragender Beitrag zur Wissenschaft ker der Sowjetunion and des Auslandes wurden
sind die kollektiven Expeditionen in die Ant= zusammengestellt and herausgegeben.
arktis Einen achtunggebietenden Aufschwung iiahm
Die Arbeiten der Akademie der Wissenschaften die wissenschaftliche Forschungsarbeit auf dem
der Lettischen SSR uber die Rolle der Spuren- Gebiet der russischen Sprache; hier seien be-
elemente im Boden mussen auch erwahnt werden. sonders die Arbeiten von W. W. Winogradow
Wenn die technischen Wissenschaften and die genannt, die die grammatische Lehre vom Wort
Naturwissenschaften dem materiellen Fortschritt auf eine neue theoretische Stufe hoben. Das-
unserer Heimat dienen, so sind die Gesellschafts- gleiche gilt fur seine Arbeiten auf dem Gebiet
wissenschaften ihre ideologische Waffe. der Stilistik. Die Arbeiten von W. W. Winogra-
Die Wirtschaftswissenschaften halfen der Kom- dow, S. P. Obnorski and anderen Gelehrten sind
munistischen Partei, die Wege and Methoden zur ma6gebend fur den neuen Zweig der Lingui-
Industrialisierung des Landes and zur Kollek- stik - die Geschichte der russischen Literatur-
tivierung der Landwirtschaft auszuarbeiten and sprache. Fur die Romanistik ist die wissenschaft-
die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft lithe Tutigkeit W. F.. Schischmarews besonders
er'folgreich durchzufiihren. bedeutungsvoll.
Eine Reihe von Arbeiten wurden zu Fragen des In den verflossenen vierzig Jahren wurden be-
Imperialismus, zur allgemeinen Krise des Kapi- merkenswerte Ergebnisse in der Literaturwissen-
talismus, zum Verfall des Kolonialsystems, zur schaft erzielt.
Geschichte der okonomischen Krisen des Kapi- Von den Gesellschaftswissenschaften hat die
talismus, zur Kritik .burgerlicher Theorien her- Geschichtswissenschaft groite Erfolge zu ver-
ausgegeben. zeichnen.
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3. Jahrgang, Heft 11/12 MITTEILUNGSBLATT
Viele alte and eine Reihe neuer Probleme wur-
den auf marxistisch-leninistischer Grundlage
bearbeitet. tYber die wichtigsten revolutionaren
Prozesse der Menschheitsgeschichte, fiber den
konkreten tlbergang von einer sozialokonomi-
schen Formation zur anderen, fiber Probleme der.
Geschichte des Imperialismus and. der proleta-
rischen Revolution, der nationalen Befreiungs-
bewegungen in den kolonialen abhangigen Lan-
dern, fiber Fragen des sozialistischen Aufbaus
in der' UdSSR and in den Landern der Volks-
demokratien konnten Forschungsergebnisse ver-
offentlicht werden.
Man muB daneben eine weitere Anzahl hervor-
ragender Arbeiten erwahnen, in erster Linie die
von B. D. Grekow and A. M. Pankratowa zur
Geschichte der Arbeiterklasse and des Bauern-,
turns sowie die von E. B. Tarle zu verschiedenen
internationalen Problemen.
Ein nicht zu bezweifelndes Verdienst der Histo-
riker ist die Darstellung der Geschichte der ein-
zelnen Volker unseres Landes.
Die sowjetischen Orientalisten ubernahmen von
der vorrevolutionaren russischen Wissenschaft
ein ausgezeichnetes Erbe, darunter die Werke
W. B. Bartolds, I. J. Kratschkowskis, A. P. Bar-
ranikows u. a. Ein neuer Zweig der Orientalistik
ist die Erforschung der nationalen Befreiungs-
bewegungen in den Landern des Ostens sowie
die Lage ihres Proletariats and der Bauern-
schaft.
Auch die Fortschritte, die die sowjetische Ar-
chaologie aufzuweisen hat, sind der Beachtung
wert. Sie hat sich in einen selbstandigen Zweig
der Geschichtswissenschaft verwandelt. Es ist
vor allem auf die bedeutenden Ergebnisse ar-
chaologischer Ausgrabungen in Choresm, in Siid-
sibirien, auf der Krim and anderswo hinzu-
weisen. Die heute allgemein bekannten Aus-
grabungen in den russischen Stadten Nowgorod,
Kiew, Tschernigow, im alten Rjasan, in Ladoga,
in Moskau and anderen beleuchten auf neue
Weise die Kultur der alten Rus.
Die sowjetischen Ethnographen erschlossen mit
ihren Forschungen fiber die Volker der Erde,
insbesondere fiber die Geschichte and Kultur
der Volker des afrikanischen Kontinerits, neue
Kenntnisse.
Die. sowjetischen Kunsthistoriker reihen sic'h
ebenfalls wurdig in den Aufbau der sozialisti-
schen Kultur ein and. haben aktiven Anteil an
der Herausbildung des sozialistischen Realismus
in der Kunst.
AuBerordentliche Bedeutung fur die gesamte
ideologische Arbeit hat die Rede des Genossen
N. * S. Chrustschow zu Fragen der Literatur and
Kunst.
Im friedlichen okonomischen Wettbewerb zweier
Systeme fallt der Wissenschaft eine uberaus ver-
antwortungsvolle Rolle zu. Die vor uns stehen-
den Aufgaben, die kapitalistischen Lander in
okonomischer Beziehung zu Uberholen and in
der Pro-Kopf-Produktion auf den ersten Platz
in der Welt zu riicken, konnen nur unter zwei
Bedingungen realisiert werden: durch die sozia-'
listische Produktionsweise and durch die maxi-
male Ausnutzung der Wissenschaften.
Hierauf bezieht sich in erster Linie die Revolution.
in der Energetik: weitere rationelle Ausnutzung
der Wasserreserven and weitere Elektrouber-
tragung, fortwahrend zu steigernde Anwendung
der Atomenergie and moglicherweise Beginn,
der Ausnutzung der Sonnenenergie unter An-
wendung von halbleitenden Foto- and Thermo-,
elementen. Von nicht untergeordneter Bedeu-
tung wird die Revolution in der Produktion von:
Maschinen and Grundstoffen auf der Grundlage
der breitesten Ausnutzung der Automatik and
der Organisation von flief3enden Prozessen sein.
Man kann sich die uberwaltigende Bedeutung
der Hilfe von Automaten in der geistigen Arbeit
des Menschen vorstellen, wobei die neue Rechen-
technik an erster Stelle zu nennen ist. Die Kon-
struktion immer schneller arbeitender automa-
tischer Rechenmaschinen wurde bedeuten, daB
die Mathematik schnell in ihr friiher unzugang-
lithe Gebiete der Wissenschaft and Technik ein-
dringen kann. Schnell wird das Gebiet der ?ma-
thematisierten" Kenntnisse vergrof3ert werden;
indem man alle neuen Gebiete der Wissenschaft
in die exakten Wissenschaften einordnet. Buch-
haltungs- and Planungsmaschinen werden hel-
fen, unsere Planting auf eine unerreichte Hohe
zu bringen. Verwaltungsmaschinen werden nicht
rnehr den Arbeiter, sondern den Meister and
Ingenieur ersetzen. Informations-, tYbersetzungs-
and andere Maschinen werden die verschiedenen
Gebiete der Geistesarbeit unterstiitzen.
Dank unserer wissenschaftlichen Erfolge konnen
wir eine hochwertige Produktion z. B. hochmole-
kularer Stoffe voraussehen, die Metall, Holz and
andere ,natilrliche" Stoffe ersetzen: durch die
Synthese groBer Gruppen elastischer, halbelasti-
scher, kautschukartiger Stoffe mit verschiedenen
Eigenschaften and fur verschiedene Bestim=
mungsverwendungen, durch das unaufhaltsame
Eindringen synthetischer Fasern in den Alltag,
die in immer hoherem MaBe nati rliche Fasern
ersetzen.
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298 MITTEILUNGSBLATT
In der Biologie konnen wir hochst revolutionie-
rende Ereignisse erwarten. Auf den Gebieten der
elementaren biologischen Vorgange werden phy-
sikalische and chemische Methoden angewandt,
vor allem in der Erforschung der Gewebe and
Organe. Wir werden die Erscheinungen meistern,
die das Wachstum der Organismen, die Ver-
erbung and Vermehrung, die Zellteilung, die
physikalischen and chemischen Funktionen der
Gewebe and anderes mehr betreffen.
Das wiederum eroffnet ungeahnte Moglichkeiten
fur die Gebiete der Medizin and der Landwirt-
schaftswissenschaften.
Wir konnen in der Befriedigung der Bediirfnisse
der Technik auf die Ausnutzung aller Elemente
des Periodischen Systems rechnen, sowohi in
Form ihrer verschiedenartigen anorganischen
als auch organischen Verbindungen.
Das Vorwartsstreben des Menschen, das Studium
der Erdoberflache and der Atmosphere fiihrte
zum ersten kosmischen Flug - dem kiihnen Flug
des Menschen in die jetzt noch geheimnisvollen
Welten des Mondes and der Planeten. Der Ak-
tionsradius astronomischer Gerate von grof3er
Prazision and weitreichender Sicht wird das
Weltall erschlief3en and eine tiefgehende Erfor-
schung des bisher unerschlossenen kosmischen
Labors ermoglichen.
3. Jahrgang, Heft 11/12
Die Konstruktion. neuer hochleistungsfahiger
Beschleuniger wird die Geheimnisse der ur-
_sprunglichen Elemente der Materie entratseln
and das Verhaltnis von Materie and Energie
weiter ergrunden.
Die Gesellschaftswissenschaften werden weitere
Verallgemeinerungen fur die Geschichte, die
Okonomie, das Recht, den Aufbau des Sozialis-
mus and den tUbergang zum Kommunismus er-
lauben.
Wir werden auch weiterhin die Hande nicht in
den Scho13 legen. Die Zahl unserer wissenschaft-
lichen Institutionen wird wachsen and ihr
Niveau steigen. Unser wissenschaftlicher Nach-
wuchs wird uns noch weit iibertreffen.
Es. ist ehrenvoll fur die Menschen der Wissen-
schaft, mit alien ihren Kraften an der Erfiillung
unseres erhabenen Programms zu arbeiten. Fort-
schrittliche Manner der vorrevolutionaren russi-
schen Wissenschaft iiberlieferten uns fur den
Dienst an Heimat and Volk ruhmreiche Tradi-
tionen. Die sowjetischen Wissenschaftler haben
sie vielfach bereichert.
Wir Sind stolz auf unseren ruhmreichen vierzig-
jlihrigen Weg, wir sind entschlossen, auch kiinf-
tig unser Wissen and unsere Fahigkeiten dem
Kommunismus and dem Weltfrieden zu ver-
schreiben.
Der Krieg kann verhindert,
Aus der Festrede des Prasidenten des National-
rats der Nationalen Front des demokrati-
schen Deutschland, Akademiemitglied Prof. Dr.
E.' CORRENS, auf der Tagung zum 10. Jahrestag
der patriotischen Volksbewegung am 12. De-
zember 1957:
Der 10. Jahrestag der patriotischen Volksbewe-
gung in Deutschland fallt in eine Zeit, in der die
Volker aufgefordert sind, die Frage Frieden oder
Krieg zu entscheiden. Ein groBer Teil der
Menschheit befindet sich auf dern Wege des
Ubergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus
and hat sich somit bereits fur den Frieden ent-
schieden. Das wurde uns alien deutlich, die wir
das Gluck hatten, aus AnlaB des 40. Jahrestages
der GroBen Sozialistischen Oktoberrevolution in
der Hauptstadt der Sowjetunion, in Moskau, zu
weilen. Ich personlich war Mitglied der Partei-
und Regierungsdelegation der Deutschen Demo-
kratischen Republik. Die Eindriicke and Erleb-
nisse dieser festlichen Tage sind so bedeutend,
daB es mich dazu drangt, auch vor dem National-
der Frieden gefestigt werden
rat in dieser Festsitzung zum 10. Jahrestag des
Bestehens and des Wirkens ui serer patriotischen
Volksbewegung von ihnen auszugehen.
Der unausloschlich starkste Eindruck von Moskau
war die Demonstration der Tatsache, daB die Ein-
heit and Geschlossenheit der dort vertretenen
kommunistischen and . Arbeiterparteien der
g a n z e n Welt unerschi tterlich ist and das
Krafteverhaltnis in der ganzen Welt rich zugun-
sten. des sozialistischen Lagers verandert hat and
weiter verandert. Der Sozialismus befindet sich
auf einem unaufhaltsamen Vormarsch, and das
20. Jahrhundert wird entgegen alien westlichen
Voraussagen kein amerikanisches, sondern es
wird ein vom Sozialismus gepragtes Jahrhundert
sein. Seit die sowjetischen Sputniks um' die Erde
kreisen and jeder Mensch die Uberlegenheit der
Sowjetunion anerkennen' mull, bricht sich these
Erkenntnis, wenn auch widerstrebend, in der
kapitalistischen Welt Bahn.
Moskau war Ausdruck and Triumph der festen
Geschlossenheit, der wachsenden Kraft and der
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3. Jahrgang, Heft 11,12
MITTEILUNGSBLATT 299
Zuversicht der Menschheit, daB es gelingen werde,
einen neuen Weltkrieg zu verhindern and den
Frieden fur alle Volker zu sichern. .. .
Beredter Ausdruck dieser moralischen Kraft and
der solidarischen Einheit ist das Manifest der 64
kommunistischen and Arbeiterparteien and ist
auch die Erklarung der 13 kommunistischen and
Arbeiterparteien der sozialistischen Staaten.
Diese beiden Dokumente geben eine klare Ant-
wort auf die Frage, wohin die Menschheit
strebt.
Die Volker im Friedenslager besinnen sich ihrer
Kraft. Sie beweisen nachhaltig die geschichtliche
Wahrheit, daB sie es sind, die die Geschichte
machen, daB sie es sind, die auch daruber ent-
scheiden, daB der Welt der Frieden erhalten
bleibt. Ich denke, daB die Impulse, die vom Mos-
kauer Friedensmanifest ausgehen, auch unsere
eigene Arbeit in der Nationalen Front des demo-
kratischen Deutschland wesentlich starken and
uns helfen werden, noch breitere Kreise fur die
Unterstutzung des Kampfes um den Frieden zu
gewinnen.
Die Nationale Front sollte sehr aufmerksam be-
achten, was im Friedensmanifest in bezug auf
die Gefahr des westdeutschen Militarismus ge-
sagt wird. Das Friedensmanifest weist darauf
hin, daB der deutsche Faschismus der Haupt-
schuldige am 2. Weltkrieg gewesen ist and daB
dieser Krieg nicht nur gewaltige Armeen in
seinen Strudel gerissen hat, sondern daB dieser
Krieg mit der Zerstorung offener Stadte and mit
dem Tod von Hunderttausenden von friedlichen
Burgern bezahlt wurde. Millionen Manner,
Frauen and Kinder, so sagt das Manifest, gingen
in den Konzentrationslagern and in den Gas-
kammern der Nazis zugrunde. Es stellt fest, daB
die gewaltigen materiellen Mittel, die der Krieg
verschlungen hat, ausgereicht hatten, Tausende
bliihender Stadte zu erbauen, ganze Volker zu
ernahren and zu kleiden.
Die Erklarung weist darauf hin, wie groB and
wichtig die Rolle der Deutschen Demokratischen
Republik in diesem Kampf ist, und.sie versichert
uns auch der Solidaritat aller Unterzeichner der
Erklarung and ihrer vollen Unterstutzung? Den
westdeutschen Militarismus and Revanchismus
zuruckzudrangen, zu schlagen and zu entmach-
ten, das ist die verpflichtende vordringliche Auf-
gabe der Nationalen Front des demokratischen
Deutschland and aller friedliebenden Menschen
in ganz Deutschland.
Oft wird an uns die Frage gerichtet, ob wir das
auch konnen, ob unsere Kraft dazu ausreicht.
Um diese Frage auch fur unsere Menschen in den
Stadten and Dorfern klar zu beantworten and ihr
Vertrauen in die eigene Kraft zu starken, ist es
notwendig, den Inhalt des Friedensmanifestes
and der Moskauer Erklarung unserer ganzen
Bevolkerung in ihrer tiefen Bedeutung klar-
zumachen. Noch gibt es auch bei uns Zweifel an
der Moglichkeit, den Frieden zu erhalten. Es gibt
Menschen, die den Krieg fur eine Angelegenheit
halten, die vorbestimmt and unumganglich sei.
Andere wiederum tiberschatzen die Moglich-
keiten der imperialistischen Kriegstreiber, Kriege
anzuzetteln. Und noch anderen Menschen fehlt
einfach der Glaube daran, daB sie jemals im-
stande sein konnten, denen, die am Krieg ver-
dienen, and den Militaristen Einhalt zu ge-
bieten.
Wir diirfen diese Zweifel and auch falschen An-
sichten nicht iibersehen and sollten uns be-
muhen, auf alle Fragen exakte and gutfundierte
Antworten zu geben. Das Friedensmanifest mit
seiner einfachen, aber iiberzeugenden Sprache
ist uns dabei eine groBe Hilfe.
Im F r i e d e n s m a n i f e s t wird folgende ein-
dringliche Frage gestellt:
?Ist der Mensch, dessen siegreiche Vernunft der
Natur alle ihre Geheimnisse entreif3t and sie
immer umfassender seiner Macht unterwir f t,
ist der Mensch, der sich dank dem Start der
sowjetischen kiinstlichen Erdtrabanten an-
schickt, demnachst die Sterne zu erreichen -
ist der Mensch etwa nicht imstande, den Krieg
zu verhiiten and die Selbstvernichtung zu ver-
hindern?"
Und sie wird beantwortet:
.,,Wir Vertreter der kommunistischen and Ar-
beiterparteien erklaren im vollen Bewuf3tsein
unserer Verantwortung fiir die Geschicke der
Volker: Der Krieg ist nicht unvermeidlich, der
Krieg kann verhindert, der Frieden. verteidigt
and ge f estigt werden."
Dem schlieBen wir uns als die groBe patriotische
Bewegung des deutschen Volkes mit unserer
ganzen Uberzeugung an. Weil fur Deutschland
auch zutrifft, was fur alle Volker gilt, ist es ge-
wiB, daB die Bonner NATO-Politik schlieBlich
auch am Willen des deutschen Volkes zum Frie-
den and an seiner Verteidigungsbereitschaft Mr
den Frieden scheitern wird.
An uns liegt es nun, die Gedankengange dieses
Manifestes allen unseren Burgern, aber auch den
Burgern der Bundesrepublik, klar and eindeutig
zu vermitteln. Das halte ich besonders hinsicht-
lich Westdeutschlands fur so aul3erordentlich
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300 MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 11/12
wichtig, weil man nur mit Emporung feststellen der Sowjetunion gesagt wurde, hat sich damit
kann, daB die gesamte burgerliche Presse and als falsch and auf keinen realen Tatsachen and
der 'Funk in Westdeutschland sich gegenuber Einschatzungen ful3end erwiesen.
diesen Dokumenten auf Schweigetaktik geeinigt Die Sputniks beweisen unwiderleglich, dad es in
haben. Well man gegen diesen Aufruf zum Frie- der Sowjetunion eine grol3e sozialistische Indu.
den nichts sagen k an n , ohne sich selbst eine strie gibt and das allgemeine Niveau dieser In-?
Blof3e zu geben, wird er mit fiinf- oder zehn- dustrie auderordentlich hoch sein mull
zeiligen Kurzmeldungen abgetan. Die kreisenden Erdsatelliten iiben zweifellos auf
Denn auch fur Westdeutschland gilt die Fest- viele schwankende Regierungen der westlichen
stellung der Moskauer Erklarung, daB sich die Welt einen erniichternden EinfluB aus. Es wird
inneren Widerspruche des Kapitalismus ver- ihnen immer schwerer, sich gegen die Vernunft
scharfen and immer deutlicher zutage treten. Die der von der Sowjetunion angestrebten Politik
Waffenlieferungen der USA and Englands an, der friedlichen Koexistenz zu verschliel3en and
Tunesien, auch unter dem Aspekt einer ernsten sich auf die amerikanische Politik der Starke zu
Krise in der NATO, haben gezeigt, daB es um die orientieren.
Einheit in der NATO schlecht bestellt ist. Die Die Waage hat sich zugunsten des Friedens ge-
sogenannte,,Gipfelkonferenz der NATO-Lander", senkt. Aber der Friede ist noch nicht gesichert!
die in wenigen Tagen in Paris zusammentreten Das Friedensmanifest ist deshalb auch ein drin-
soll, steht im Zeichen von Pessimismus and gender Ruf zur Wachsamkeit an alle Volker. Es
Depression. weist nachdriicklich darauf hin, dad die imperia-
Ich hatte Gelegenheit, mich in Moskau mit listischen Regierungen unter dem Druck der
eigenen Augen von der materiellen Macht, von Monopole die Vorschlage zur Abrustung, zur
der Geschlossenheit and von der Solidaritat des Festigung der friedlichen Koexistenz der Volker,
sozialistischen Weltlagers zu iiberzeugen. Allen zum Verbot and zur Achtung aller atomaren
Gasten, die der Demonstration am 7. November Waffen, zur Bildung eines Systems der kollek-
zuschauen durften - and es waren auch viele tiven Sicherheit, zur Liquidierung der militari-
Personlichkeiten aus den kapitalistischen Lan- schen Stiitzpunkte im Ausland and die Schaffung
dern dabei - muBte dies klarwerden. einer atomfreien neutralen Zone in Europa ab-
Die Uberlegenheit des sozialistischen Lagers, auch lehnen. Auch der Regelung der deutschen Frage
auf militarischem Gebiet, ist eine Tatsache, die auf dem Wege von Verhandlungen and auf fried-
sogar das NATO-Hauptquartier in Rechnung licher and demokratischer Grundlage setzen sie
stellt. Diese tYberlegenheit wird aber noch ` Widerstand entgegen.
wesentlich verstarkt durch den Willen aller auf- Unsere Aufgabe mud es sein, das ,Wie" als die.
rechten Menschen, auch der Menschen in den Voraussetzung fur die Erftillung der Forderungen
kapitalistischen Landern, den Frieden zu sichern des Manifestes mit allen Ausschiissen, Mitarbei-
und zu erhalten. tern and Freunden zu klaren.
Sehr iiberzeugend brachte der Vorsitzende der Erinnern wir uns der Tage, da am 6. and 7. De-
Volksrepublik China, unser Freund Mao Tse- zember 1947 in Berlin der erste deutsche Volks-
tung, dies zum'Ausdruck, als er vor aller Welt kongred fur Einheit and gerechten Frieden
nachwies, daB nicht nur die bessere Moral, die zusammentrat. Deutschland and seine Haupt-
bessere Politik, die starkeren Bataillone auf der stadt waren damals in vier Besatzungszonen
Seite des Friedens and des Sozialismus stehen, bzw. Sektoren aufgeteilt. Aber Deutschland
sondern der uberwiegende Teil der Menschheit bestand theoretisch noch als politische and
selbst. wirtschaftliche Einheit. Grundlage der Leitung
Die tiberlegenheit des Sozialismus leitet sich aber des Staates and der Verwaltung seiner An-
nicht nur aus solchen Fakten her. Sie hat noch gelegenheiten nach innen' and auden war das
andere machtig wirkende Triebkrafte, sie gehen Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945.
von dem hohen Tempo des wirtschaftlichen Auf- Damals war noch nichts entschieden. Uberall
stiegs der Sowjetunion aus. 'fragten die Menschen, wie soil es jetzt weiter-
Die Sputniks haben die Luge von der angeb- gehen, welchen Weg muf3 Deutschland ein-
lichen Zuriickgebliebenheit der sowjetischen In- schlagen?
dustrie and der sowjetischen Wissenschaft mit Die Antwort auf these Lebensfrage des deutschen
einem Schlage 'zerstort. Alles, was in der kapita- Volkes hatten bereits die antifaschistischen Wider-
listischen Welt den Volkern fiber die wirtschaft- standskampfer gegeben, Kommunisten, Sozial-
liche, technische and wissenschaftliche Schwache demokraten and patriotische Vertreter des Biir-
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gertums. Sie traten, wie es die Beschliisse der
Briisseler Parteikonferenz der KPD und ihre
Tagung in Bern forderten, fur die Sammlung
aller Krafte gegen Faschismus und Krieg ein.
Sie und die Frauen und Manner des National-
komitees Freies Deutschland, die spater in der
Sowjetunion, in Deutschland und im okkupier-
ten Europa den Kampf fur die Befreiung von
der faschistischen Unterdriickung und damit fur
die Rettung der Nation fi hrten, sie wollten das
deutsche Volk vor der nationalen Katastrophe
retten. Sie konnten these Katastrophe trotz ihres
heldenmutigen Einsatzes nicht verhindern, aber
ihr Beispiel der Uneigenniitzigkeit und ihr
Patriotismus lebten und wirkten weiter.
Unsere Parteieh und die Massenorganisationen
formten sich damals zur politischen Arbeit. Die
beiden Arbeiterparteien hatten sich in der sowje-
tisch besetzten Zone zu einer neuen einheitlichen
Partei, zur Sozialistischen Einheitspartei Deutsch-
lands, zusammengeschlossen. Ihre Aktivitat be-
gann spiirbar Denken und Handeln unserer
Menschen, besonders der Arbeiter in den Be-
trieben, zu beeinflussen und den Aufbauwillen
zu starken.
In der sowjetisch besetzten Zone waren die Bo-
denreform, die Schulreform und die Sauberung
des Staatsapparates auf der Grundlage des Pots-
damer Abkommens durchgefiihrt? Die Bevolke -
rung setzte auch die Liquidierung der Macht-
positionen der Monopolkapitalisten und faschi-
stischen Kriegsverbrecher durch. In den Triim-
mern der Stadte begann iiberall das Neue sichtbar
zu werden, und, von vielen noch unverstanden,
begann es ?sich durchzusetzen.
In jenen Tagen drangen vom Westen her die
ersten beunruhigenden Nachrichten zu uns. In
Stuttgart verkiindete der Amerikaner Byrnes
eine offensichtlich reaktionare Doktrin fur die
Entwicklung Deutschlands. Der Marshallplan,
als das sogenannte Hilfsprogramm der USA .fur
das durch den Krieg schwer betroffene Europa,
wurde zum erregenden Diskussionsthema. Offen-
sichtlich war die Tendenz dieses Plans, den Ein-
fluB der USA in Europa zu verstarken und die
hilfesuchenden Lander fest an die USA zu bin-
den.
Auch die Antisowjethetze wurde wieder belebt.
Die westlichen Zeitungen und Rundfunksender
machten auf einmal eine Wendung um 180 Grad.
Die Sowjetunion, der Verbiindete im Kampf auf
Leben und Tod gegen den Hitlerfaschismus, war
nicht mehr Freund, sondern Feind und Aggres-
sor. Vergessen war, daB die Sowjetunion die
Hauptlast des Krieges getragen, den barbarischen
Feind bezwungen und damit auch Leben und
Zukunft der Volker im Westen gesichert hatte!
Die Westmachte begannen offen einen Kurs zu
verfolgen, der mit den Prinzipien des Potsdamer
Abkommens immer weniger zu vereinbaren war.
Das bestatigte sich vor allem in den westalliier-
ten Vorbereitungen zur Londoner Konferenz der
AuBenminister, die im Dezember 1947 zusam-
mentrat. Auf der Tagesordnung stand die end-
giiltige Regelung eines Friedensvertrages mit
Deutschland.
Aber auf dieser Konferenz ging es den West-
machten schon gar nicht mehr um einen Frie-
densvertrag, sondern es ging ihnen um die Er-
haltung und Festigung des kapitalistischen Sy-
stems in Westdeutschland - und sei es auch um
den Preis der Spaltung des deutschen Staates.
Die Westmachte hatten sich gegen das deutsche
Volk und fur die Monopolherren an Rhein und
Ruhr entschieden.
In L o n d o n wurde offenbar, daB Bich die West-
machte vom Potsdamer Abkommen, soweit es
in ihrem Interesse lag, losgelost hatten.
Das. Potsdamer Akommen war und ist
der Ausdruck des Willens der Volker, kraft ihrer
demokratischen Rechte aktiven Einfluf3 auf die
Gestaltung der Nachkriegsverhaltnisse in
Deutschland zu nehmen. Auch dem deutschen
Volke wurde dieses Recht eingeraumt. Die west-
lichen Machte aber begannen gerade diesen
Punkt des Potsdamer Abkommens zu verletzen
und das souverane Selbstentscheidungsrecht un-
seres Volkes auszuschalten. In London sollte
hinter verschlossenen Ttiren fiber Deutschland
verhandelt werden.
Der 1. Deutsche VolkskongreB ist des-
halb vor allem als eine Manifestation des fort-
schrittlichen Willens unseres Volkes zu werten,
das selbst fiber sein Schicksal bestimmen will.
Ausgehend von diesem KongreB, begann in ganz
Deutschland die nationale Auseinandersetzung
uber die zwei moglichen Wege; auf der einen
Seite uber den Weg der Einhaltung und Erfiillung
des Potsdamer Abkommens, um Frieden, Demo-
kratie und Fortschritt zu sichern, andererseits
uber den Weg der Abkehr von Potsdam, der die
Restaurierung der alten Machtverhaltnisse des
Monopolkapitals und des Militarismus zum Ziel
hatte.
Mitte 1947 war also die Gefahr der Spaltung
Deutschlands in ein akutes Stadium getreten. Das
war Alarm fur alle, die in ganz Deutschland aus
den nationalen Katastrophen zweier Weltkriege
SchluBfolgerungen gezogen hatten. Die gegen das
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Potsdamer Abkommen and damit gegen die Le-
bensrechte des deutschen Volkes gerichtete Po-
litik der Westmachte forderte den n a t i o n a l e n
P r o t e s t des deutschen Volkes heraus.
Deshalb fand der Aufruf der Sozialistischen Ein-
heitspartei Deutschlands in ganz Deutschland
offene Ohren and ein starkes Echo. 2000 Dele-
gierte entsandte das deutsche Volk aus alien Tei-
len des Vaterlandes and aus alien Schichten nach
Berlin, um der Londoner Konferenz der Auf3en-
minister die Auffassung der uberwiegenden
Mehrheit des Volkes zu ubermitteln, einen
schnellen Friedensvertragsabschlul3 zu fordern
and vor den Folgen einer Politik der Spaltung zu
warnen.
Gestatten Sie mir, von meinen personlichen Ein-
dri cken fiber den Geist and das Wesens dieses
Kongresses etwas zu sagen. Ich hatte die Ehre,
als Delegierter eines Betriebes, dessen Leitung
mir damals i bertragen war, an diesem unver-
gel3lichen Kongrel3 teilzunehmen. Es gehort zu
den einschneidendsten Erlebnissen meines Le-
bens, plotzlich in einem Kreis von tatbereiten
Mannern and Frauen zu stehen and zu erkennen,
daB hier unseren deutschen Menschen, die wir
nach 1945 mit Planen, Hoff nungen and Wt nschen
vor einem Nichts standen, ein Ausweg aus der
durch den Hitlerfaschismus verursachten kata-
strophalen Lage aufgezeigt wurde. Niemals werde
ich die Stunde vergessen, in der nach der pro-
grammatischen and wegweisenden Rede unseres
heutigen Ministerprasidenten Otto Grotewohl der
Vertreter der Arbeiterklasse, unser verehrter,
jetziger President Wilhelm Pieck, der Vertreter
des liberalen BUrgertums, der leider zu fri h ver-
storbene Dr. Wilhelm Kiilz, and unser Freund
Dr. Otto Nuschke als Vertreter der christlichen
Kreise unseres Volkes sich die Hande reichten.
Wir alle haben damals wohl spilren konnen, daB
damit ein Bundnis von geschichtlicher Bedeu-
tung fur unser deutsches Vaterland beschlossen
and besiegelt wurde. Ich glaube, es ist vielen von
den 2000 Delegierten dieses Kongresses wie mir
gegangen. Wir faBten den festen EntschluB, die-
sem Bundnis mit alien unseren Kraften zu dienen
and die Prinzipien dieses Kongresses zur Richt-
schnur unseres politischen and gesellschaftlichen
Handelns zu machen; denn hier wurde uns ein
Weg gezeigt, wie wir unser eigenes Leben and
Schaffen mit den Lebensinteressen der Nation in
Einklang bringen konnen. Ich bin gliicklich, fur
uns alle sagen zu konnen, daf3 wir diesem Bi nd-
nis bis auf den heutigen Tag die Treue gehalten
haben and ihm auch fur die Zukunft die Treue
halten werden.
Die Entwicklung hat inzwischen bestatigt, daf3
das damals geschlossene BUndnis richtig and
fruchtbringend war, daB das Recht auf unserer
Seite ist. Auf-dem 1. VolkskongreB erwuchs im
Kampfe fur die Sicherung der Lebensrechte un-
seres Volkes die breite patriotische Volksbewe-
gung, aus der sich im Kampfe gegen den natio-
nalen Notstand unsere Nationale Front des demo-
kratischen Deutschland entwickelt hat.
Was ist das N e u e, das uns in dieser sich immer
mehr entwickelnden Bewegung entgegentritt?
Vor allem ist es die historische Tatsache, daB die
deutsche Arbeiterklasse zum ersten
M a l in der deutschen Geschichte die F ii h r u n g
der nationalen Volksbewegung and
damit auch die Fuhrung and Verantwortung fur
die Nation in ihre Hande genommen hat. Um
sie als den Kern schlief3en sich alle Schichten un-
seres Volkes, alle Parteien and Massenorganisa-
tionen and Hunderttausende Parteilose zur ge-
meinsamen Arbeit zusammen
Diese Gemeinsamkeit ist das z w e i t e Besondere
and damit ' eine wesentliche Errungenschaft der
Nationalen Front. Dank der weitsichtigen Politik
der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands
' konnten wir weltanschauliche and religiose, so-
ziale and berufliche Standpunkte and Uberzeu-
gungen den hoheren Gesichtspunkten unterord-
nen, um im Interesse des Friedens and der Wie-
dervereinigung Deutschlands das Gemeinsame
konsequent in den Vordergrund zu stellen.
Aus dieser Gemeinsamkeit unter der Fuhrung
der Arbeiterklasse schopften wir such die Kraft,
einen Staat zu schaffen, der Garantie. dafi r ist,
daB den westdeutschen Monopolisten and Mili-
taristen mit ihrem hemmungslosen Drang nach
Ausdehnung uniiberschreitbare Grenzen gesetzt
sind.
Ein Teil Deutschlands ist fur immer ihrer Macht
entzogen. Und dieser Teil ist, wiederum dank
unserer Gemeinsamkeit, zur Basis des kommen-
den deutschen Staates ausgebaut worden, der
ein Hort des Friedens and der Demokratie im
Herzen Europas sein wird. In diesen zehn Jahren
sind wir zu einer unzerstorbaren Einheit im Wol-
len and Handeln zusammengewachsen. Diese
Einheit ist die Quelle unserer Kraft and die
Grundlage unserer Erfolge im wirtschaftlichen
Aufbau,, in der Innen- and Auf3enpolitik.
Die Nationale Front erklart, daf3 der Antikom-
munismus Verrat an den wahren nationalen
Interessen des deutschen Volkes ist, denn
alle Anschlage der Imperialisten gegeniiber
der friedliebenden Menschheit werden unter
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dem Deckmantel des Antikommunismus be-
gangen.
Am 10. Jahrestag unserer patriotischen Bewe-
gung geloben wir, dad uns die Vertiefung und
Starkung der freundschaftlichen Beziehungen zu
alien Volkern und zum Sowjetvolk im beson-
deren stets eine vordringliche Aufgabe und Ver-
pflichtung sein wird. Das ist uns Herzenssache
und ein Ausdruck des Patriotismus, der die Millio-
nen Werktatigen in Stadt und Land beseelt. Wir
erinnern uns der Worte Nikita Chrustschows,
der bei seinem Besuch in der Deutschen Demo-
kratischen Republik im Sommer dieses Jahres
wiederholt unterstrich und betonte, dad die
deutsch-sowjetische Freundschaft eine grode Er-
rungenschaft beider Volker ist und dad der
Friede in Europa gesichert ist, wenn eine tiefe
Freundschaft Deutschland mit der Sowjetunion
verbindet.
Die Fiihrung der Arbeiterklasse, unsere Gemein-
samkeit und die Realitat der deutsch-sowjetischen
Freundschaft, das sind geschichtliche Errungen-
schaften und Ergebnisse der zehnjahrigen Arbeit
unserer 'patriotischen Volksbewegung.
Uns und unser Wollen weist unsere klare, auf
den Frieden gerichtete Politik aus. Wir leben in
einer Arbeiter-und-Bauern-Macht, die den So-
zialismus aufbaut. Arbeiter und Bauern betrei-
ben keine Kriegspolitik; denn Sozialismus und
Frieden bedingen einander. Unsere Werktatigen
verabscheuen den Krieg, weil sie ja immer die
Leidtragenden der entsetzlichen Schrecken der
Kriege sind, weil ihnen das menschliche. Gluck
ihrer Familien, ihrer Kinder, weil ihnen Wohl-
stand,- Bildung und Kultur am Herzen liegen,
alles Dinge, die fur sie nur im Frieden erreich-
bar sind.
Fur den Aufbau des Sozialismus brauchen wir
viele bewudte, auf unserer Seite stehende Men-
schen in der Stadt und auf dem Lande. Die Er-
ziehung unserer Menschen zu sozialistisch den-
kenden und handelnden Menschen ist also eine
der entscheidenden Aufgaben, die wir als Natio-
nale Front zu losen haben.
Wir als Nationale Front werden, so denke ich,
einen groden Beitrag zur Erfiillung der bis 1960
fixierten Aufgaben leisten konnen, wenn wir uns
noch mehr als bisher um eine lebendige politische
Arbeit niit unseren Menschen in der Stadt und
auf dem Dorfe bemuhen.
Wie erziehen wir unsere Menschen zu b e w u d -
ten Erbauern des Sozialismus; welche
Mittel und Methoden wenden wir dabei an?
Diese Frage, so scheint mir,_ ist in vielen unserer
Ausschiisse Hoch nicht klar. Woran liegt das?
Es liegt, das ist meine Uberzeugung, hauptsach-
'lich daran, dad viele unserer Ausschiisse in der
Entwicklung zu fiihrenden politischen Organen
zuriickgeblieben sind. Hinweise und Richtlinien
fur ihre Funktion in unserer Gesellschaft gibe es
genug. Es bedarf nur des ernsten Willens der in
unserer Nationalen Front zusammenarbeitenden
Parteien und Massenorganisationen. Bisher war
es so, dad die voneinander losgelosten Aktivitaten
der Parteien und der Massenorganisationen das
Ubergewicht hatten. Umgekehrt mudte es sein.
Wir mussen ein Maximum an Zusammenarbeit
anstreben, dann werden wir mit unserer Bevol-
kerung in einen noch engeren Kontakt kommen.
Wir werden dann auch noch mehr Bereitschaft
zur Mitarbeit und zur Ubernahme von Verant-
wortung bei der Lenkung und Leitung von Staat
und Wirtschaft -finden.
Die Arbeit unserer patriotischen Volksbewegung
ist jetzt vom Aufbau des Sozialismus als der alles
uberragenden Aufgabe gekennzeichnet. Indem
wir den Sozialismus aufbauen, tun wir das Wir-
kungsvollste fur das Hauptziel unseres Kampfes,
die Wiederherstellung der Einheit unseres Vater-
landes auf demokratischem und friedlichem
Wege.
Nur als ein sozialistischer Staat kann und wird
unsere Deutsche Demokratische Republik zum
groden Beispiel und Vorbild des ktinftigen ein-
heitlichen, demokratischem und friedliebenden
deutschen Vaterlandes werden.
Uns starkt das Bewudtsein, unsere Kraft dem
edelsten Streben des deutschen Volkes, seinem
Verlangen nach einem Leben in Frieden, Freund-
schaft, Demokratie und Fortschritt zu widmen.
Der unvergeBliche Dichter Bertolt Brecht hat in
seinem Solidaritatslied gesagt:
?Wollen wir es schnell erreichen
Brauchen wir noch dich und dick.
Wer im Stich laf3t seinesgleichen,
laf3t ja' nur sich selbst im Stich."
Ich mochte these denkwurdige Tagung des Na-
tionalrats aber auch benutzen, um den Zehn-
tausenden unserer Freunde und Mitarbeiter in
alien Stadten und Dorfern ein h e r z l i c h e s
Wort des D a n k e s zuzurufen. Sie haben sich
in den vergangenen Jahren mit ihrer ganzen
Kraft fur die groBen Ziele unserer Bewegung
eingesetzt. Sie sind es, die durch ihre Arbeit,
durch ihren Einsatz, in der Auseinandersetzung
mit falschen und riickstandigen Auffassungen die
Nationale Front des demokratischen Deutsch-
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land als eine Kampfgemeinschaft fur die Ver-
wirklichung der gerechten and nationalen For-
derungen unseres Volkes. groB gemacht haben.
Von ihnen haben wir gelernt, and ihr Wirken be-'
statigt uns immer wieder, daB unser Staat der
Arbeiter Lind Bauern all sein Vertrauen in die
Kraft des Volkes and in seinen Willen zum Frie-
den, zur Demokratie and zum Sozialismus setzen
kann. Die aufrechten fleiBigen Menschen in den
Betrieben, in den Wohngebieten and den Dorfern
sind. es, die unsere Bewegung mit Leben and
3. Jahrgang, Heft 11/12
kampferischem Elan erfiillen, die ihre Uniiber-
windlichkeit and ihre Uberlegenheit garantieren.
Ihnen alien gilt heute der GruB unserer Verbun-
denheit.
GroBe Aufgaben stehen vor uns. Wir wollen sie
meistern. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam wie
bisher and auch siegeszuversichtlich wie bisher
neue Erfolge der Nationalen Front des demokra-
tischen Deutschland erringen, neue Erfolge fur
Frieden, Einheit and Sozialismus!
Die politische Entwicklung and der Fortschritt unseres Staates enden nicht an der
Pforte unseres Instituts
Prof. Dr. H. KLARE stellte der Redaktion das
Manuskript seines Vortrages zur Verfiigung, den
er .am 8. Jahrestag des Bestehens der Deutschen
Demokratischen Republik als stellvertretender
Direktor des Instituts fur Faserstoff-Forschung
vor den Mitarbeitern' diesel Instituts gehalten
hat.
Es kann nicht meine Aufgabe sein, in der heu-
tigen Feierstunde, die uns zum Gedenken an die
vor acht Jahren erfolgte Grtindung der Deut-
sch en Demokratischen Republik zusammen-
gefiihrt hat, eine programmatische Rede zu hal-
ten, eine Rede, welche die - gemessen am Stand
von 1949 - zweifellos erreichten wirtschaftlichen
and politischen Fortschritte unseres Staates im
einzelnen nachzeichnet. Das kann nicht meine
Aufgabe sein, weil ich weder genugend Politiker
noch genugend Wirtschaftler bin, um ein solches
Bild mit der dafiir erforderlichen Sachkenntnis
zu entwerfen. Die politische Entwicklung and der
wirtschaftliche Fortschritt unseres jungen Staates
sind aber darum nicht an der Pforte unseres In-
stituts zu Ende, and sie mussen sich widerspiegeln
in der Arbeit, die wir leisten and in den Aufga-
ben, die uns ubertragen sind. Ich mochte daher bei
meinen folgenden Betrachtungen uber unsere
Stellung zu eben diesem Staat einigen Gedanken
Raum geben, die von der Voraussetzung aus-
gehen,. daB wir keine neuen Erkenntnisse auf
unserem Fachgebiet um der Erkenntnis willen
sammeln, sondern daB wir interessiert daran sind,
vier letzthinunsere Aufgaben bestimmt and was
aus unseren Arbeitsergebnissen wird.
Sie wissen, daB die Frage der politischen Neutra-
litat der Wissenschaft zum mindesten auf dem
Gebiet der Kernphysik and Kernchemie mit
einem der zentralen Probleme unseres Zeitalters
eng zusammenhangt -, einem Problem, das uber
Sein oder Nichtsein alles Lebens auf dieser Erde
entscheidet.. Mir konnte entgegengehalten wer-
den, daB ich die Wichtigkeit unserer Arbeit Ober-
schatze, wenn ich auch nur vergleichsweise die
Problematik in der politischen Entscheidung auf
dem Gebiete der Atomenergie anklingen lasse,
weil aus unseren Ergebnissen - mogen sie aus-
fallen, wie sie wollen - niemals eine Frage der
Existenz. des Lebens iiberhaupt hervorgehen
kann.
Eine der wesentlichsten Forderungen unseres
Staates an die Wissenschaft besagt, da13 die For-
schungsergebnisse der Verbesserung des Lebens
der Menschen dienen sollen. Diese These fordert
keineswegs, daB ausschlieBlich eine engbegrenzte
Zweckforschung betrieben wird, da sie alle Mog-
lichkeiten, auch die der langfristigen Grundlagen-
forschung, einschlieBt, aber sie erlaubt eben
keine Forschung ohne Voraussetzungen, denn sie
schlieBt die Verwertung der Forschungsergeb-
nisse zur Zerstorung and Vernichtung des Lebens
aus. In diese allgemeine Forderung sind natUr-
lich auch unsere Arbeit and ihre Ergebnisse ein-
geschlossen, so daB wir letzten Endes, von der
Weltanschauung unseres Staates aus gesehen,
auf der gleichen Linie arbeiten and Erkenntnisse'
sammeln wie alle anderen Zweige der Natur-
wissenschaft. Als rein logische Konsequenz aus
dem eben Gesagteri konnen Sie natiirlich ab-
leiten, daB die Wissenschaft bei uns nicht jede
nur denkbare Freiheit besitzt, aber ich mochte
Ihnen dazu sagen - and ich rechne dabei mit
Ihrer Zustimmung -, daB ich auf diese Art Frei-
heit gern verzichte, da sie ohnehin nur bis zum
Beginn der Zerstorung reicht and snit einem
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MITTEILUNGSBLATT 305
hohen Grad von Wahrscheinlichkeit das Leben
kostet.
Viel wichtiger ist daher auch fur uns die Frage,
wer letzten Endes fiber Thematik and Verwen-
dung der Forschung and ihrer Ergebnisse bei
uns entscheidet and wer - wenn wir schon ein-
mal zweifeln wollen - die Garantie fur die
Durchfiihrung der vorgenannten Grundsatze
fiber die Verwendung der Forschungsergebnisse
iibernimmt.
Hier scheiden sich meiner Meinung nach die
Geister! Grundsatze, welche die friedliche Ver-
wendung aller neuen and alten Erkenntnisse der
Naturwissenschaft festlegen, lassen sich relativ
leicht formulieren, entscheidend ist aber, wer
fiber die Verwendung der zur Verfugung stehen-
den Mittel befindet and die Verwertung der Er-
gebnisse kontrolliert. Sie wissen, daB vor wenigen
Wochen in der Deutschen Demokratischen Repu-
blik der Forschungsrat beim Presidium des Mini-
sterrats konstituiert and seine Zusammensetzung
bekanntgegeben wurde. Die Liste dieser Namen
zeigt, daB der Forschungsrat der Deutschen
Demokratischen Republik fast ausschlieBlich aus
fuhrenden Vertretern der naturwissenschaftlich-
technischen Forschung and Lehre, aus Instituten,
Hochschulen and wissenschaftlichen Einrich-
tungen der Wirtschaft gebildet wurde, d. h., es ist
zum ersten Male in Deutschland das Prinzip der
Selbstverantwortung der Wissenschaft Air die
wissenschaftliche Forschungsarbeit and fir ihre
Entwicklung and ihre Verwendung verwirklicht
worden.
In Anbetracht der Gefahren fair die Menschheit,
welche eine Verwendung der Ergebnisse natur-
wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Zerstorung
heute bedeutet, konnte man immer noch sagen,
diese Einrichtung sei gut and schon, aber im
Ernstfall doch nur Kulisse. Dieser Argumen-
tation mochte ich folgendes entgegenhalten:
Die Liste der Namen der Forschungsratsmitglie-
der bietet m. E. eine Gewahr dafiir, daB das Prin-
zip der friedlichen Verwendung naturwissen-
schaftlicher Erkenntnisse eingehalten wird. Diese
Feststellung ist kein leeres Kompliment, denn
viele der Mitglieder des Forschungsrates haben
seit langem durch unmiBverstandliche AuBe-
rungen and Taten bewiesen, daB sie eine voraus-
setzungslose Verwendung naturwissenschaft-
licher Erkenntnisse ablehnen. Zum anderen ergibt
sich aus der effektiven Befugnis des Forschungs-
rates, daB es sich hier nicht um eine Kulisse and
um die Vortauschung eines wirklichen Einflusses
handelt; denn er wird zu entscheiden haben, wie
die von unserem Staate zur Verfugung gestellten
Mittel fur die wissenschaftliche Forschung and
fur die technische Entwicklung im einzelnen ver-
wendet werden, welchen Gang also die natur-
wissenschaftliche Forschung nehmen wird. Ohne
and gegen den Rat dieser Wissenschaftler wird
die Regierung also einer Verwendung der staat-
lichen Mittel fur Forschung and Technik nicht
zustimmen. Zum Plan Forschung and Technik
gehoren aber auch solche Aufgaben wie die Ent-
wicklung auf dem Gebiete der Kernphysik and
Kerntechnik, auf dem Gebiete des Luftfahrt-
wesens, d. h. also Entwicklungen auf jenen Zwei-
gen der Naturwissenschaft, bei denen z. B. im
westdeutschen Wissenschaftsrat von vornherein
das Mitsprache- and vor allem das Entschei-
dungsrecht der Wissenschaft ausgeklammert ist.
Mir schien diese erst vor kurzem getroffene Ent-
scheidung unserer Regierung wichtig genug, sie
in den Mittelpunkt der Betrachtungen" zur
8. Wiederkehr des Gri ndungstages der Deutschen
Demokratischen Republik zu stellen. Wenn Sie
sich einmal die Miihe machen, dari ber nachzu-
denken, was es heute bedeutet, wenn die Regie-
rung eines Staates die gesamie Entscheidung
fiber die Verwendung der von ihr zur Verfi gung
gestellten erheblichen Mittel and die Entschei-
dung fiber die Entwicklung and die Verwendung
der Ergebnisse der naturwissenschaftlichen For-
schungen ausschlieBlich einem Gremium von
Wissenschaftlern i berlal3t, dann werden Sie er-
kennen, daB damit die Gewahr Air die Benutzung
der Forschungsergebnisse zur Verbesserung des
Lebens der Menschen weitgehend gegeben ist;
denn ich kann mir nicht vorstellen, daB irgend-
ein normaler Mensch, dessen Lebensaufgabe es
ist, der Forschung zu dienen, seine Ergebnisse in
selbstmorderischer Absicht verwendet, and ich
kann mir noch weniger vorstellen, daB ein Gre-
mium von 45 Wissenschaftlern eine Entschei-
dung trifft, die ihre Arbeit sinnlos macht.
Wenn ich daher auf eine eingangs von mir ge-
stellte Frage zuri ckkomme, so haben Sie hier
wirklich eine Garantie fir den von unserem
Staate vertretenen Grundsatz, der in der Formu-
lierung von B. Brecht im ?Leben des Galilei"
lautet: ,Das einzige Ziel der Wissenschaft besteht
darin, die Mtihseligkeit der menschlichen Exi-
stenz zu erleichtern."
Ich meine auch, daB unter diesen Voraus-
setzungen ein Herausgehen aus der politischen
Neutralitat, von der ich ebenfalls eingangs
sprach, fiir jeden, der lenkend oder als Glied
eines Kollektivs Forschungs- and Entwicklungs-
arbeit betreibt, keine Frage mehr ist, wenn ich
das Tragheitsmoment oder personliche Bequem-
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lichkeit aul3er acht lasse. Der Forschungsrat
braucht Resonanz uind Hilfe, er braucht sie in
erster Linie von uns, and er hat ein Recht, sie
zu fordern. Damit aber mussen wir uns zu seinen
politischen Grundsatzen bekennen and konnen
uns nicht in unser Laboratorium verkriechen. Es
wird nicht allein eine vorbehaltlose Mitarbeit
verlangt, sondern auch unsere produktive Kritik
an Vorschlagen and Entscheidungen, die unser
Arbeitsgebiet beriihren, denn der Forschungsrat
ist keine ,Beh6rde" im alten Sinne, sondern die
Dachorganisation aller derer, die in irgendeiner
Form naturwissenschaftliche Entwicklungsarbeit
betreiben.
Sie mogen jetzt denken, das horen wir immer
wieder, daB die Wissenschaft dafiir arbeitet, das
Leben zu verbessern, aber wie lange warten wir
schon auf die greifbaren Resultate, denn fur uns
als einzelne wurde manches viel leichter sein,
wenn wir die Ergebnisse dieser so oft zitierten.
technischen Entwicklung morgen in jedem Laden
kaufen konnten, ohne danach suchen zu mussen.
Ich weiB so gut wie Sie, daB diese Frage and viel-
leicht noch einige andere Betrachtungen des All-
tags unsere Haltung gegentiber vielen Folge-
rungen, die ich eben aussprach, strapazieren. Und
doch mochte ich bitten, einmal einem Gedanken
zu diesem Problem nachzugehen, den ich noch
kurz entwickeln mochte.
Ich sagte eingangs, daB unsere Zeit als Folge wis-
senschaftlicher Ergebnisse vor der Frage einer
verbesserten Existenz oder der Ausloschung alles
Lebens steht, je nachdem, wie diese Ergebnisse
angewandt werden. Sie werden mir zugeben, daB
die Stellung zu diesem Problem, das' z. Zt. die
besten Geister auf der ganzen Welt beschaftigt,
zur entscheidenden Prufung menschlichen W61-
lens and Konnens uberhaupt werden kann, denn
das Ergebnis dieser Prufung ist endgiiltig and
unwiderruflich, falls wir sie nicht bestehen. Sie
werden mir daher auch zugeben, daB die ent-
scheidenden Schritte, die zur positiven and damit
lebensbejahenden Losung dieses Problems fiihren,
u b e r die kleineren Fragen des Alltags gestellt
werden mussen, es sei denn, wir leugnen die
Notwendigkeit, daB die Menschen ihre Probleme
nur vom Geistigen and Weltanschaulichen her
lesen konnen and versinken damit in einen
nackten Materialismus, dem menschliches For-
schen and Denken keine Aufgabe and Berufung
mehr, sondern nur nosh Gelderwerb bedeutet.
Wenn wir also anerkennen, daB es im gegen-
wartigen Augenblick - neben den Problemen
des taglichen Le*bens - Aufgaben gibt, die ein
-Staat Oder auch eine Gruppe von Staaten zur
3. Jahrgang, Heft 11/12
Erhaltung and Entwicklung ihrer Substanz, d. h.
ihrer. Menschen, losen mussen, dann stehen wir
vor einer Entscheidung, die uns eigentlich nicht
schwer fallen sollte. Wir stehen namlich vor der
Frage, ob es besser ist, fur eine gewisse Zeit per-
sonliche Wiinsche zuriickzustellen, um - ohne
Anwendung von Gewalt - ein groBeres Ziel zu er-
reichen, das die Gewaltanwendunguberhauptaus-
schlieBt. Die Stellung des einzelnenzu dieser Frage
1st ebenso eine Sache der niichternen Uberlegung
wie des Temperaments and zweifellos z. T. auch
des Glaubens daran, daB sich auf die Dauer das
Vernunftige gegen das Vernunftswidrige durch-
setzen wird. Letzten Endes ist nur eines dabei
sicher, daB uns niemand diese Entscheidung ab-
nimmt, daB sie aber unsere Existenzmoglichkeit
bejaht oder verneint.
In der? politischen Konzeption unseres Staates
and der mit ups weltanschaulich verbundeten
Staaten 1st die Entwicklung klar and uns allen
bekannt. Um sie als Entscheidung der ganzen
Welt durchzusetzen, werden auch heute noch
Opfer von uns and von alien Menschen verlangt,
die Burger dieser Staaten sind, Opfer, welche
dazu dienen sollen, von uns eine Bedrohung ab-
zuwenden, die sich heute schon - Sie konnen
das immer wieder lesen - bei zahlreichen Men-
schen in. alien Landern der Erde als das auBert,
was unter dem Begriff ,Lebensangst" zusam-
mengefaBt wird. Wenn aber dieser Pessimismus
um sich greift, wenn wir - auch unter Opfern -
dem nicht den Glauben an das Sinnvolle aller
menschlichen Erkenntnis gegenubersteilen kon-
nen, die zur ,Erleichterung der Miihseligkeit"
beitragt, erst dann sind wir wirklich in Gefahr.
tYber diese Fragen nachzudenken, ist das min-
deste, was jeder von uns im Interesse seines Da-
seins eigentlich tun muBte; denn nichts ware -
wie immer im Leben - schlimmer, als sich vor
Nachdenken' and vor den Konsequenzen des
Denkens zu driicken. Dabei ist es gut zu wissen,
was andere Menschen dariiber zu sagen haben,
and so lassen Sie mich schliel3en mit einigen
Worten des groBen englischen Philosophen Ber=
trand Russel, die ich einer Rede entnehme,
welche der Physiker Max Born 1955 wahrend der
Journalistentagung der Evangelischen Akademie
Loccum hielt:
?Im Makrokosmus der Gestirne, im Mikrokos-
mos der Atome hat der Mensch Geheimnisse
enthtiilt, die wohl als jenseits des Erkennbaren
gelten mochten. In Kunst and Literatur and in
Religion haben erwahlte Menschen eine Tiefe
des Gefiihls offenbart, die dem Menschen-
geschlecht ein Anrecht auf Erhaltung gibt. Soli
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3. Jahrgang. Heft 11/12 MITTEILUNGSBLATT
das alles in Grausen enden, weil so wenig fahig
sind, sich des Menschen bewuf3t zu sein, anstatt
dieser oder jener Gruppe von Menschen? Ist
unser Geschlecht so arm an Weisheit, so unfahig
der Liebe, so verblendet selbst gegeniiber den
einfachsten Forderungen der Selbsterhaltung,
daB der kurze Beweis seiner albernen Klugheit
die Austilgung alien Lebens auf unserem Plane-
ten sein soil? - Denn nicht nur die Menschen
werden zugrunde gehen, sondern auch Tiere and
Pflanzen, die niemand beschuldigen kann, Kom-
munisten oder Antikommunisten zu sein. Ich
kann nicht glauben, daf3 dies das Ende sein soil.
Wenn wir alle uns weigern, dies zu glauben and
demgemaB handeln, so wird es nicht sein das
Ende!"
Die Forschungsgemeinschaft
Bericht fiber die bisherige Arbeit der Forschungsgemeinschaft
Die Zeit, die zwischen der 1. Sitzung des Kura-
toriums and der heutigen (31. 10. 1957) liegt, war
gekennzeichnet durch die andauernden, ernst-,
haften and aufrichtigen Bemuhungen aller wahr-
haft demokratischen Krafte, der Welt den Frieden
zu erhalten and seinen Bestand zu sichern. Mit
immer groBer werdender Klarheit ist heute fur
jeden erkennbar, daB in diesem Ringen um die
Erhaltung des Friedens, j a man. darf wohl sagen,
um den Bestand der menschlichen Gesellschaft
uberhaupt, der Wissenschaft and der verantwor-
tungsbewuBten Anwendung ihrer Ergebnisse eine
vorrangige Bedeutung zukommt. Dabei hat'sich
gerade in der Wissenschaft erneut and besonders
deutlich erkennbar gezeigt, daB die Koexistenz
and der friedliche Wettbewerb der Staaten mit
verschiedenen Weltanschauungen nicht nur mog-
lich 'ist, sondern daB dies in der gegenwartigen
Situation die einzig erfolgreiche Form des
menschlichen Zusammenlebens uberhaupt ist.
Wir stehen zur Zeit im Internationalen Geophy-
sikalischen Jahr, and eine grof3e Zahl von Staaten
wetteifert darum, die Wissenschaft and ihre Er-
kenntnis fiber die Gesetze der Natur and deren
Zusammenhange Schritt fur Schritt weiter aus-
zubauen. Ein Ereignis von besonderer Bedeutung
war and ist in diesem Zusammenhang der Ab-
schuB and der Aufstieg des ersten Erdsatelliten,
der nun seit fast 4 Wochen fiber unserer Erde
auf seiner Bahn dahinzieht. Es ist kein Zufall,
daB dieser erste Erdsatellit erfolgreich von dem
Land,gestartet werden konnte, in dem die Wis-
senschaft eine einmalig vorrangige Forderung
geniel3t, in dem Forschung and Lehre nach wis-
senschaftlichen Gesichtspunkten organisiert and
betrie'ben werden. Es ist klug, aus diesen Tat-
sachen die angemessenen Schlul3folgerungen zu
ziehen.
Zur Erzielung bedeutender Fortschritte auf alien
Gebieten moderner wissenschaftlicher Arbeit.ist
die Einzelleistung des Wissenschaftlers wertvoll
and notwendig, sie mull aber in jedem Fall Be-
standteil eirier groflen Gemeinschaftsarbeit wer-
den, wenn befriedigende Losungen komplexer
wissenschaftlicher Probleme herbeigefiihrt wer-
den sollen. Je komplexer die Probleme sind, um
so ausgedehnter and vielfaltiger, um so ,komp-
lexer" zusammengesetzt mull auch das jeweilige
Kollektiv sein. Auch diese Tatsache wurde bei
der Grundung unserer Forschungsgemeinschaft
berucksichtigt.
Erfolgreiche wissenschaftliche Ergebnisse and
deren praktische Anwendung erfordern neben
kollektiven Arbeitsmethoden aber auch ohne
Zweifel den Einsatz bedeutender materieller and
geistiger Mittel.
Uns kommt heute der Umstand zugute, daB die
Regierung.der Deutschen Demokratischen Repu-
blik in der Vergangenheit der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin verstandnis-
voll and vorausschauend Mittel zur Verfugung
stelite, die eine schnelle, an einigen Stellen sogar
sturmische Entwicklung im auf3eren Aufbau der
Institute zur Folge hatte. Nach der Grundung
der Forschungsgemeinschaft, durch die die wich-
tigsten naturwissenschaftlichen, technischen and
medizinischen Institute in einen engeren Kon-
takt zu Staat and Wirtschaft gebracht werden
sollen, verfugt die Deutsche Demokratische Re-
publik fiber ein Instrument, das bei geeigneter
Organisation and bei zweckvollem Einsatz fahig
ist, eine grof3e Zahl der vor uns liegenden wissen-
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308 MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 11/12
schaftlichen Probleme zu bearbeiten urid zu
Ibsen.
Unsere Aufinerksamkeit mu3 aber nunmehr in
erhohtem Maf3e auf die innere Situation der In-
stitute gerichtet sein.
Der Forderung nach Erhohung wissenschaft-
licher Leistungen kann nicht allein entsprochen
werden durch Erweiterung der Institute and
Vermehrung der Mitarbeiterzahl, sondern viel-
mehr durch zweckentsprechende Organisation
der wissenschaftlichen Arbeit, durch kollektives
Zusammenwirken vorhandener wissenschaft-
licher Potenzen, durch bestandige sorgsame
Qualifizierung jungerer Mitarbeiter and ge-
gebenenfalls durch Umsetzung bestimmter
Krafte.
Der Vorstand der Forschungsgem(5inschaft hat
sich bemuht, in der zur Diskussion stehenden
Berichtszeit fur die Erreichung dieser Ziele die
notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. t7ber
Einzelheiten dieser Bemuhungen sei im wesent-
lichen in chronologischer Reihenfolge berich-
tet:
Die erste Sitzung des Kuratoriums fand am 24.
Juni 1957 statt. Hier wurde eine Kommission mit
der Ausarbeitung einer Geschaftsordnung be-
auftragt. Diese Kommission behandelte in ihrer
Sitzung vom 3. Oktober einen vom Vorstand ge-
billigten Entwurf der Geschaftsordnung.
In seiner Sitzung am 24. Juni 1957 legte der Vor-
stand der Forschungsgemeinschaft fest, daB dem
Leiter des wissenschaftlicheii Sekretariats sinn-
gemal3 die Pflichten and Rechte fiir den Bereich
der Forschungsgemeinschaft ubertragen werden,
die bisher dem wissenschaftlichen Direktor der
Deutschen Akademie der. Wissenschaften zu
Berlin zustanden. Bis zur endgiiltigen BeschluB-
fassung uber die Struktur des wissenschaftlichen
Sekretariats wurde der Leiter des wissenschaft-
lichen Sekretariats ermachtigt, im Rahmen seiner
Aufgaben unmittelbar Auftrage an die Biiros
der naturwissenschaftlichen Klassen and die an-
deren bestehenden zentralen Einrichtungen der
Akademie zu erteilen. Dieser BeschluB war er-
forderlich, um bei Beginn der Tatigkeit der For-
schungsgemeinschaft den reibungslosen Arbeits-
ablauf innerhalb der Gesamtakademie sicherzu-
stellen, die zur Zeit uber rund 6 400 Mitarbeiter
verfugt.. So wi rden die 'Voraussetzungen ge-
schaffen, die es gestatteten, in einem vernUnftigen
Zeitraum uber die Struktur des'wissenschaftlichen
Sekretariats and die Aufteilung der Verwaltung
zwischen Akademie and Forschungsgemeinschaft
sorgfaltig vorbereitete Beratungen "zunachst fiber
die zu beachtenden Grundrichtlinien anzustellen
and sodann die notwendigen Beschliisse vorzu-
bereiten.
Nach diesen Beratungen berief das Presidium nach
den Akademieferien in seiner Sitzungvom 12. Sep-
tember 1957 eine Strukturkommission, die den
Vorschlag fur die Aufteilung bzw. Reorganisa-
tion der Gesamtakademie auszuarbeiten hatte.
Als Richtlinie fur these Arbeit wurde der Kom-
mission empfohlen, den Gesamtpersonalstand
nach der Aufgliederung in Akademieverwaltung
and Forschungsgemeinschaft nicht zu vergroBern.
Die Kommission, bestehend aus den Herren Aka-
demiemitgliedern Fruhauf, Steinitz, Rienacker,
Thiessen and Herrn Verwaltungsdirektor Freund,'
schlug dem Presidium der Akademie and dem
Vorstand der Forschungsgemeinschaft vor, der
Forschungsgemeinschaft. folgenden Organisations-
und Verwaltungsapparat zuzuordnen:
Das wissenschaftliche Sekretariat, gegliedert in
die wissenschaftliche Gruppe "
a) fur Mathematik, Physik Technik and Geologie,
b) fur Chemie,
c) fur Medizin and Biologie.
Jede Gruppe soll dabei von einem wissenschaft-
lichen Referenten geleitet werden.
Aul3erdem wurde angeregt, daB die Forschungs-
gemeinschaft fiber eine Reihe eigener Einrich-
tungen verfugt, and ?zwar
eine Rechtsstelle,
eine Abteilung ' Planung and Statistik,
eine Abteilung Haushalt,
Investitionen and Beschaffung sowie
Kader and Arbeit.
Als zentrale Einrichtungen der Akademie sollen
gemeinsam auch fur die Forschungsgemein-
schaft tatig sein:
das Buro fur gesamtdeutsche and Auslands-
beziehungen,
das Buro fur., wissenschaftliche Aspirantur,
die Pressestelle,,
die Akademie-Bibliothek,
das Akademie-Archiv,
die Finanzrevision,
die Fahrzeugverwaltung,
der Energiebeauftragte,
der Brandschutzbeauftragte.
Da der Forschungsgemeinschaft eine bestatigte
Geschaftsordnung, die den Modus des Vorgehens
festlegt, nicht vorlag, hat sich die Strukturkom-
mission bei der Ausarbeitung ihrer Vorschlage
auf die Beratung durch das Presidium der Aka-
demie and den Vorstand der Forschungsgemein-
schaft gesti tzt. Der Vorschlag der Struktur-
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MITTEILUNGSBLATT 309
kommission, der dem Presidium in seiner Sitzung
vom .26. September 1957 vorgetragen wurde,
wurde vom Stellvertreter des .Ministerprasiden-
ten, Herrn Selbmann, bestetigt. Somit konnte
auch der Generalsekretar der.. Akademie, Herr
Prof. Dr. G. Riendcker, inzwischen die entspre-
chenden Anweisungen an die seither im Bereich
der Gesamtakademie eingegliederten Einrich-
tungen mit Wirkung vom 1. November erteilen,
so daB zu diesem Zeitpunkt die Trennung der
beiden Verwaltungseinrichtungen erfolgt. Der
Vorstand beschloB jedoch, daB die endgtiltige
Bestatigung der Leiter der einzelnen Abteilungen
erst spater in Kraft tritt, damit so die Moglich-
keit eventueller personeller Veranderungen er-
halten wird.
Zur Zeit wird die Abteilung_Planung..und_Stati
stik von Herrn Dipl.-Wirtsch. Biermann, die Ab-
to lung=Haushalt vonHerrn Kohn, die Abteilung
'Kader and Arbeit vonHerrn. Moller, die Abtei-
lung Investitionen_ and Beschaffung von Herrn
Spiekermann geleitet. Die Arbeiten der wissen-
schaftlichen Gruppen, an die besonders hohe
Anforderungen wissenschaftlicher Art zu stellen
sind, werden bis zur endgilltigen Klarung der
Struktur der Biiros der Klassen von den wissen-
schaftlichen Referenten der Klassen erledigt.
Um den Direktoren der Institute die, Bildung
der Forschungsgemeinschaft zu erlautern and
sie mit den Geganken vertraut zu machen,
die bei der Grundung der Forschungsgemein-
schaft Pate gestanden haben; berief der Vor-
stand zum 25. 7. 1957 eine Direktorenkonferenz
ein. In seinem Referat fi hrte der Vorsitzende
des Vorstandes unter anderem aus, ?daB die
wissenschaftliche Forschungsarbeit, insbeson-
dere die auf den naturwissenschaftlichen, techni-
schen and medizinischen Gebieten, im Leben
stehen muB, sie muB wirklichkeitsnah sein. Die-
ser Notwendigkeit hat unsere Akademie sich in
den zuriickliegenden Jahren auch nicht ver `=
schlossen. Sie hat durchaus die Moglichkeiten
genutzt, die ihr nach 1945 auf Grund der ver-
anderten gesellschaftlichen Verhaltnisse geboten
wurden. Sie hat eine groBe Zahl von Instituts-
grundungen auf den genannten Fachgebieten
vorgenommen bzw. vorhandene Institute erwei-
tert. Der Forschungsbetrieb in den wissenschaft-
lichen Instituten, die GroBe and der Umfang der
Institute haben sich bedeutend ausgedehnt.
Die Akademie hat auch dariiber diskutiert, daB
es notwendig ist, eine Reihe von Veranderungen
in der Form der Organisation der wissenschaft-
lichen Arbeit in der Akademie durchzufiihren,
and fiber die bestehenden Mengel und. Nachteile
wurde vi fl ce as h and seit langem beraten. Aber
der letzte Schritt, namlich die Veranderung der
Organisationsform, wurde nicht getan. Dieser
Schritt, der dazu fiihren sollte, daB zwar jenem'
Teil der Akademie, der die Gesellschaft hervor-
ragender Gelehrter bedeutet, die traditionelle
Akademieorganisation zugute kommt, daB hin-
gegen fur jenen. Teil der Akademie, der der
Trager bedeutender Forschungsunternehmen.
and der Verwalter groBer Institutskomplexe ist,
eine die neuen Gegebenheiten beriicksichtigende
Organisationsform geschaffen wird, durch die
dieser Forschungskomplex weiter ins Leben' ge-
stellt wird", dieser Schritt konnte erst jetzt ge-
tan werden.
,,Die bisher gei bte Verteilung der naturwissen-
schaftlichen, technischen and medizinischen In-
stitute auf einzelne Klassen stand der Verwirk-
lichung dieser Aufgabe der Akademie oft ernst-
haft im Wege. Im besonderen erwuchs aus ihr
den Klassen eine schwere Belastung an Verwal-
tungsarbeiten. AuBerdem war ein wirksames Zu-
sammenschalten von. Instituten verschiedener
Klassen zu gemeinsamer Arbeit kaum zu er-.
reichen. Gemeinschaftsarbeiten sind aber in der
Regel unentbehrlich fir die erfolgreiche Losung
von wissenschaftlich and volkswirtschaftlich
notwendigen Arbeiten, vor allem bei Schwer-
punktarbeiten groBer Aktualitet."
(Der Vortrag des Vorsitzenden auf der Direk-
torenkonferenz ist im vollen Wortlaut im Mit-
teilungsblatt, Heft 9/10, veroffentlicht.)
In der anschlieBenden sehr regen Diskussion
wurde eine Reihe aktueller Fragen mit den In-
stitutsdirektoren besprochen and besonders auf
die Moglichkeit and ZweckmaBigkeit hinge-
wiesen, gemaB dem BeschluB des Ministerrates
vom 6. Juni dieses Jahres unter dem Titel ,Ver-
tragsforschung" Vertrage mit der Tndustrie fiber
aktuelle Forschungsvorhaben abzuschliefen.
Der Vorstand hatte sich auBerdem mit den In-
vestitionen der Jahre 1958, 1959 and 1960 zu be-
schaftigen.
Der Vorstand hat die mit den Investitionen zu-
sammenhangenden Fragen ihrer vorrangigen Be-
deutung wegen regelmaBig in seiner Sitzungen
behandelt.
Es war oft nicht leicht, die in den zuriickliegen-
den Jahren eingeschlagenen Wege im Hinblick
auf die neue Situation weiterzugehen oder gar
zu verlassen, ohne damit schwerwiegende Fol
gen heraufzubeschworen.
Die vollstandige Raumung des Gelandes in Ad-
lershof durch das Wachregiment Berlin and der;
Aufbau des Instituts fir physikalische Chemie
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310 MITTEILUNGSBLATT
3. Jahrgang, Heft 11/12
in Adlershof waren Veranlassung, fur das ge-
samte Gelande in Adlershof einen Perspektiv-
plan auszuarbeiten.
Der Vorstand befal3te sich mit der Ausarbeitung
des Planes ?Forschung und Technik" und fiber-
mittelte dem Forschungsrat der Deutschen De-
mokratischen Republik die Themen fur den
,,Zentralen Plan Forschung und Technik", die
nach aktuellen Wissensgebieten angeordnet
wurden.
Fur die gemeinsame Arbeit des Forschungsrates
und des Vorstandes der Forschungsgemeinschaft
ist besonders die Tatsache forderlich, daB drei
Vorstandsmitglieder der Forschungsgemein-
schaft auch dem Forschungsrat angehoren. Da-
durch ist eine rasche und- direkte Zusammen-
arbeit moglich.
Um einen umfassenden tYberblick uber die Ein-
richtungen, die Aufgaben, die wissenschaft-
lichen Themen, ihren Erfi llungsstand und ihre
volkswirtschaftliche Bedeutung in geschlossener
Form zu erhalten, beauftragte Herr Minister--
prasident Selbmann den Vorstand Anfang Sep-
tember, einen Bericht Ober die bisherige Arbeit
der zur Forschungsgemeinschaft gehorenden In-
stitute auszuarbeiten. Dieser Bericht muB selbst-
verstandlich auch eine t7bersicht fiber die in den
Instituten beschaftigten Mitarbeiter, die ?be-
notigten Haushalts- und Investitionsmittel und
uber die erzielten Arbeitsergebnisse geben, wo-
bei vor allem die bestehenden Verbindungen der
Institute zur Volkswirtschaft .beriicksichtigt wer-
den sollen. Nach einer von Herrn Prof. Dr. Thilo
vorgeschlagenen Disposition. werden these In-
stitutsberichte nach einheitlichen Richtlinien an-
gefertigt. Um zusatzliche Arbeit zu vermeiden
und vorhandenes Material zu verwerten, wurde
den Instituten vom Biiro Air Planung auf Grund
der Jahresberichte 1955 und 1956 bereits erar-
beitetes statistisches Material ubermittelt.
Die wichtigste Voraussetzung fur eine erfolg-
reiche Lenkung der Arbeit der Institute durch
den Vorstand ist die enge Verbindung mit diesen.
Um sie herzustellen, beschloB der Vorstand, die
einzelnen Vorstandsmitglieder fur bestimmte
Einrichtungen der Forschungsgemeinschaft ver-
antwortlich zu machen.
Danach ist
Herr Prof. Rompe
fur die physikalischen Institute,
Herr_Prof._Schroder
fir die mathematischen- und geophysika-
lischen Institute,
Herr Prof. Thilo
fur die chemischen Institute,
Herr Prof. Gummel
fur die medizinisch-biologischen Institute
und
Herr Dr. Neels_ ?
fur die physikalisch-chemischen und geolo-
gischen Institute
verantwortlich. .
Dartiber hinaus erschien es zweckmaBig, in den
Verahtwortungsbereich des Vorsitzenden die In-
stitute einzubeziehen, die durch ihre GroBe, ihre
spezifische Bedeutung oder besonderer Umstande
wegen auBerhalb eines durchschnittlichen In-
stitutsrahmens liegen.
Es sind dies:
das Institut fur Technologie der Fasern,
das Institut fur Geratebau,
das Institut fur Kulturpflanzenforschung,
das Institut fur Dokumentation.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen fur die
Durchfi hrung wissenschaftlicher Arbeit ist ein
ausreichender Fundus an entsprechenden, derv
Stand der Wissenschaft angepaBten Geraten.
Der Vorstand besprach daher eingehend auch
die Verbesserung der Belieferung mit Importge-.
raten. Bekanntlich it fur die Einfuhr von wis-
senschaftlichen Geraten von der Regierung ein
besonderer Fonds, der sogenannte ,Techno-
Fonds", bereitsgestellt worden, der von der Zen-
tralstelle fur wissenschaftlichen Forschungsbe-
darf verwaltet wird. Aus diesem Fonds forder-
ten die Institute im laufenden Jahr eine Gesamt-
summe von 1,3 Mio DM an, die aber um 450
TDM gekiirzt wurde, so daB die jetzige Plan-
summe mehr als 800 TDM betragt. Davon konn-
ten bis Ende August 300 TDM realisiert werden,
.ind auch in den letzten beiden Monaten sind
noch weitere Importgerate geliefert worden, ein
wesentlich groBerer Prozentsatz also als in den
vergangenen Jahren. Ihrer Wichtigkeit wegen
wurden fur das Jahr 1958 die Antrage der In-
stitute von den Vorstandsmitgliedern im ein-
zelnen durchgearbeitet und auf Wunsch der
Zentralstelle fur Forschungsbedarf in 3 Kate-
gorien eingestuft. Damit wird sichergestellt, daB
fur die wichtigen Arbeiten im nachsten Jahr die
notigen Importgerate entsprechend der ' Dring-
lichkeit bereitstehen werden.
Besondere Sorge bereitete dem Vorstand die
Festlegung des Haushaltes fur, das Jahr 1958.
Die Institute der Forschungsgemeinschaft for-
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3: Jahrgang, Heft 11/12
derten insgesamt einen Haushalt von 72 Mio DM
bei einem Soll fur 1957 von 61,6 Mio DM.
Zweifellos erscheint ein derartiger Anstieg, auch
unter BerUcksichtigung der Tatsache, dal3 eine
Reihe von Instituten neu in die Forschungs-
gemeinschaft eingegliedert wurden, als aul3er-
gewohnlich. Als Kontrollziffer erhielt die Ge-
samtakademie insgesamt 83 Mio DM, die in Ver-
handlungen niit dem Stellvertreter des Ministers
der Finanzen, Herrn Dr. Schmidt,. nach Dar-
legung der Situation durch die Vertreter der
Akademie Aussicht auf eine Erhohung um
1 Mio DM haben. Nach dem jetzigen Stand der
Verhandlungen werden der Forschungsgemein-
schaft 6 Mio DM zur Verfugung stehen. Ob-
wohl der scheinbare Zuwachs 6 Mio DM, das
sind 10 O/o,, betragt, ist zu bedenken, dal3 eine
Reihe von Einrichtungen, wie das Institut fur
Ernahrung, das Landwirtschaftliche Zentralblatt,
die Zentralstelle fur wissenschaftliche Literatur,
erst im Laufe des Jahres in die Akademie i ber-
nommen wurden and somit im Soll des Jahres?
1957 nicht der voile Betrag fur diese Institu-
tionen Beriicksichtigung gefunden hat. Der effek-
tive Zuwachs ist also bedeutend geringer, er be-
tragt ca. 3 O/a. In Anbetracht der Tatsache, dal3
die Forderungen einzelner Institute trotz Kennt-
nis der Situation im Schnitt bedeutend fiber der
in Aussicht gestellten Kontrollziffer liegen, be-
schlol3 der Vorstand bei einer Reihe von In-
stituten eine nochmalige tiberpriifung ihres
Haushaltsplanvorschlages mit dem Ziel einer
Reduzierung. ? Eine endgultige Festlegung - des
Haushaltes wird nach gemeinsamen, schon in
Gang befindlichen Beratungen des Vorstandes
mit den Institutsdirektoren erst nach endgiiltiger
Festlegung der Gesamtsumme moglich sein. Der
Vorstand wird dem Kuratorium hieriiber? be-
richten.
Der Vorstand der Forschungsgemeinschaft
glaubt, dal3 sich die Moglichkeit einer gewissen
Erhohung der seither erzielten Einnahmen der
Forschungsgemeinschaft ? bietet, wenn hierftir'
ein entsprechender Anreiz geschaffen wird. Bis-
her flossen diese Mittel ohne Ruckwirkung auf
die Einrichtungen, die sie erzielten; an den
Staatshaushalt zuriick. Der Vorstand regte des-
halb bei Herrn Ministerprasidenten Selbmann
an, der Finanzminister moge erwagen, ob es nicht
zweckdienlich sei, zu erwirken, dal3 die Ein-
nahmen der Forschungsgemeinschaft, die insge=
samt fiber 4,1 Mio DM betragen, der Forschungs-
gemeinschaft direkt'zur Verwendung iiberlassen
werd'en, selbstverstandlich unter Reduzierung
des geplanten Haushaltsvoranschlages. Durch
den unmittelbaren Einflul3 der Einrichtungen.
der Forschungsgemeinschaft auf ihre Einnahmen
ware ein besonderer Anreiz gegeben, diese Ein-
nahmen zu erhohen. Der Vorstand nimmt an,
dal3 dies ein Mittel ist, sowohl dem Staatshaus-
halt als auch. der Forschungsgemeinschaft zu
helfen and aul3erdem die Institute zu veran-
lassen, volkswirtschaftlich wichtige Auftrage
forciert zu ubernehmen. Die genannten Ein-
nahmen von rund 4,1 Mio DM stammen zum Teil
aus der Produktion des Instituts fur Geratebau,
aus ingenieur-technischen Gutachten and Be-
ratungen des Heinrich''-Hertz-Instituts and des
Instituts fur Strahlungsquellen. Auch das Insti-
tut fur Mikrobiologid and experimentelle Thera-
pies, Jena, das Institut fur Kulturpflanzenfor-
schung and das , Institut fur Dokumentation
konnten ihre Moglichkeiten dann. besser nutzen,
in sinnvoller Weise zusatzliche Einnahmequellen
zu erschlieien.
Ich mochte in diesem Zusammenhang erwahnen,
dal3 auch der Forschungsrat sich mit dieser Frage
befal3te.
Sehr eingehend beschaftigte sich der Vorstand
mit der Struktur and Leitung des Instituts fur
Ernahrung in Potsdam-Rehbrilcke, das. Am
laufenden Jahr von der Akademie 'ubernommen
and sodann in die Forschungsgemeinschaft ein-
gegliedert wurde. Das Plenum berief in seiner
Sitzung am 24. Oktober Herrn Prof. Dr. Taufel
zum Ersten Direktor and die Herren Prof. Dr.
Ulmann and Dr. Grafe zu Direktoren am In-
stitut. Der Vorstand berief zu Leitern der Be-
reiche
Chemie der Lebensmittel Prof. Dr. Ulmann,
Verarbeitung der Lebensmittel Prof Dr.
Taufel,
Soziologie der Ernahrung Dr. Grafe,
Biologie der Ernahrung Dr. Gebauer,
Zentrale Anlagen and Verwaltung Herrn
Skupin.
In der gleichen Sitzung des Plenums wurde Hr.
Lohmann zum Prasidenten des Instituts be-
rufen.
Durch Beschlul3 des Presidiums and im Einver-?
nehmen mit dem Vorstand wurde das Institut,
fur Dokumentation, dessen Ordnung der Auf.-
gaben, der Befugnisse and der Arbeitsweise der,
Vorstand am 23. Oktober endgiiltig bestatigte, in
die Forschungsgemeinschaft eingegliedert.
Danach gliedert sich das Institut in folgende Ar-
beitsbereiche:
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312 . MITTEILUNGSBLATT
Direktorium
Bereich Chemie (Zentralblatt and Schnell-
dokumentation)
Bereich Technik (Zentralblatt and Schnell-
dokumentation)
Bereich Landwirtschaft (Zentralblatt and
Schnelldokumentation)
Bereich Betriebstechnik der Zentralblatter
Bereich Information
Bereich Dokumentationsnetz
Bereich Methodik and Literaturdienst
Bereich Betriebstechnik der Dokumen-
tationsdienste
Bereich Zentrale Anlagen and Verwaltung.
Der Vorstand beschloB ferner im Einvernehmen
mit der Masse Mir Chemie, Geologie and Biolo-
gie, dem Plenum vorzuschlagen, eine Arbeits-
stelle fur Biochemie der Pflanzen in Halle zu
griinden, die von Herrn Prof. Dr. Mothes, der
zum 31. Dezember dieses Jahres aus dem Institut
Mr Kulturpflanzenforschung, Gatersleben, aus-
scheidet, geleitet wird. Das Plenum bestatigte
die Gri ndung der Arbeitsstelle am 26. Sep-
tember.
Eine Dezentralisierung des Verwaltungsablaufes
wurde durch BeschluB des Vorstandes vom 25.
September fiber die Einstellung, Entlassung and
Hohergruppierung der Mitarbeiter der For-
schungsgemeinschaft erreicht. Danach werden
vom Vorstand nur Wissenschaftler ab Gruppe IX
(Abteilungsleiter) des Tarifes behandelt, wahrend
die Institutsdirektoren die Mitarbeiter der Grup-
pen XVI bis X selbst in Zusarrimenarbeit mit der
zustandigen Kaderabteilung and unter Beachtung
der zur Verfiigung stehenden Haushaltsmittel
einstellen bzw. eine entsprechende Hohergrup-
pierung eigenverantwortlich vornehmen. Da-
durch wird auch eine Entlastung der Arbeit des
Vorstandes eintreten, der sich seither in fast
jeder seiner Sitzungen mit Einstellungs- oder
Eingruppierungsfragen befassen muBte.
In einem Fall muBte vom Vorstand die Ent-
lassung eines Abteilungsleiters wegen unwur-
digen Verhaltens ausgesprochen werden. t)ber
die Fragen- der zuktinftigen Personalpolitik
mochte ich Ihnen einige grundsiitzliche Gedan-
ken darlegen:
Die Entwicklung der meisten Akademieinstitute
vollzog sich in den letzten Jahren auBerordent-
lich schnell and war begleitet von einem Mangel
an qualifizierten Kadern. Das betraf sowohl die
Ebene der alteren and erfahrenen Wissenschaft-
ler, die durch den Krieg auferordentlich dezi-
miert worden waren, wie such die des jungen,
3. Jahrgang, Heft 11/12
von den Universitaten and Hochschulen kom-
menden wissenschaftlichen Nachwuchses, der
zwar in groBer Zahl, aber in den letzten Jahren
unzureichend Uberprilft in die Akademie Ein-
gang fand.
Der daraus erwachsene kaderpolitische Zustand
ist zur Zeit dadurch gekennzeichnet, daB die
mittleren Jahrgange, die der erfahrenen. Wis-
senschaftler etwa.vom Oberassistenten bis zum
Leiter von Arbeiten, also der Vergutungsgruppen
XIII bis'X, die einerseits fiber reiche Erfahrungen
verfUgen, andererseits noch nicht von Leitungs-
und Verwaltungsarbeiten belastet sind, sehr
schwach sind. Sie betragen 38,5 0/a des wissen-
schaftlichen Mitarbeiterbestandes der gesamten
Akademie, and zwar 44,5 0/o in den naturwis-
senschaftlichen and 27 0/o in den gesellschafts-
wissenschaftlichen Instituten. Auf ihnen ruht
normalerweise das Schwergewicht der_ wissen-
schaftlichen Forschungsarbeit. Diese Jahrgange,
im Alter etwa von Mitte dreiBig an, sind es auch,
die in erster Linie die Ausbildung des jungen
wissenschaftlichen Nachwuchses durchfiihren
mussen.
Dieser verhaltnismal3ig schwachen mittleren
Schicht von qualifizierten Mitarbeitern steht ein
unverhaltnismaBig starker wissenschaftlicher
Nachwuchs gegenuber. Die Assistenten machen
in der Gesamtheit der Akademie 46,5 0/o der wis-
senschaftlichen Mitarbeiter, and zwar in den
naturwissenschaftlichen Instituten 35,5 O/a (in
den gesellschaftswissenschaftlichen Instituten
67 0/0 der Mitarbeiter aus. Der Wert ihrer Mit-
arbeit ist naturgemaB unterschiedlich, oft pro-
plematisch, da sie selbst der Ausbildung and An-
leitung bedi rfen. Der weitaus uberwiegende Teil
der Assistenten hat nicht promoviert.
Diese Situation fordert gebieterisch, aus diesem
wissenschaftlichen Nachwuchs beschleunigt die
Kader zu entwickeln, die eine fur die Arbeit der
Gruppen XIII bis X entsprechende Qualitat auf-
weisen. Dieser QualifizierungsprozeB ist eine vor-
dringliche Aufgabe auch deshalb, weil im Zuge
der schnellen Entwicklung der Akademieinstitute
Krafte in qualifizierte Stellungen gekommen
sind, die den Anspriichen der wissenschaftlichen
Forschungsarbeit nicht geniigen and daher er-
setzt werden mussen.
Ich habe die Situation auf dem Gebiet der Kader-
entwicklung und -auslese besonders ausfi hrlich
geschildert, da ihr eine grundlegende Bedeutung
zukommt.
Ich schlage vor, daB auf der nachsten Kurato-
riumssitzung prinzipielle Gesichtspunkte hierzu
erortert werden.
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Im Vorstand wurden auch Gedanken zur Ver-
besserung des Pramiensystems erortert, eine
diesbezugliche Vorlage des Vorstandes wird
ebenfalls in der nachsten Sitzung des Kurato-
riums zu behandeln sein.
Der mir obliegenden Pflicht entsprechend and
gemaB dem Auftrag des Vorstandes habe ich
mich bemuht, Ihnen neben der Darlegung der,oft
nicht ganz einfachen Arbeit des Vorstandes un-
mittelbar nach. der Grundung der Forschungs-
gemeinschaft ein Bild fiber spezielle Situationen
and uber die Gesamtsituation zu vermitteln. Ich
habe diese.Form der Darstellung gewahlt, da ich
glaubte, daB ich mit der Schilderung nackter
Tatsachen allein der Forderung nach einer leben-
digen Berichterstattung nicht gerecht werden
konnte.
?1
Das Kuratorium
Das. Kuratorium entscheidet in alien grund-
satzlichen Fragen, die sich aus der Aufgaben-
stellung der Forschungsgemeinschaft gemaB
des Beschlusses-fiber die Bildung and Tatig-
keit der Forschungsgemeinschaft ergeben.
Das Kuratorium legt die Schwerpunkte der
Geschaftsordnung
der Forschungsgemeinschaft der naturwissenschaftlichen, technischen and medizinischen Institute
der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
Auf Grund des Beschlusses des Plenums der
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin vom 16. Mai 1957 uber die Bildung and
Tatigkeit der Forschungsgemeinschaft der natur-
wissenschaftlichen, technischen and medizi-
nischen Institute der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin hat das Kuratorium der
Forschungsgemeinschaft zur Regelung der Ar-
beitsweise des Kuratoriums, des Vorstandes and
des wissenschaftlichen Sekretariats der For-
schungsgemeinschaft nachstehende Geschafts-
ordnung beschlossen:
wissenschaftlichen Arbeit der in der For-
schungsgemeinschaft zusammengeschlosse-
nen Forschungsstatten im Sinne des Planes
,,Forschung and Technik" fest and bestatigt
die Plane der Forschungsgemeinschaft im
Rahmen der fur das jeweilige Planjahr gel-
tenden staatlichen Plane and nimmt Be-
richte .uber die Erfiillung der Schwerpunkt-
themen entgegen.
Es bleibt zu bedenken, daB in vielen Fallen die
Arbeit des Vorstandes ohne Vorbild erfolgte,
daB neue Wege gefunden werden mussen and
daB der Vorstand nicht selten gezwungen war,
bei der Durchsetzung der von ihm angestrebten
Ziele uberkommene Anschauungen beseitezu-
stellen.
Gestatten Sie mir zum AbschluB. noch, daB ich
an dieser Stelle bekenne, dali die geleistete Ar-
beit nur moglich war durch eine einsatzfreudige
and begeisternde Zusammenarbeit aller Mit-
glieder des Vorstandes, fur die ich an dieser
Stelle mich verpflichtet fi hle, meinen Dank aus-
zusprechen.
Prof. Dr. H. FRUHAUF
Vizeprasident
richtungen kann das Kuratorium die Griin-
dung and flbernahme von ,Arbeitsstellen"
beschlieBen and deren Leiter berufen.
(4) In seiner Arbeit and gegebenenfalls bei Ent-
scheidungen gemaB ? 1, Absatz 2 and 3 dieser
Geschaftsordnung ' pflegen das Kuratorium
bzw. seine Organe Kontakt mit den naturwis-
senschaftlichen Klassen bzw. deren Sektionen
and Mitgliedern. In entsprechenden Fallen
(5)
werden das Kuratorium and seine Organe
die erforderlichen Verbindungen auch zu an-
deren wissenschaftlichen Stellen bzw. staat-
lichen Einrichtungen herstellen.
Das Kuratorium berat and beschlielt uber
a) Errichtung, ' Zusammenlegung, Trennung
and Auflosung von wissenschaftlichen In-
stituten der Forschuhgsgemeinschaft,
b) tYbernahme von wissenschaftlichen In-
stituter in die Forschungsgemeinschaft,
c) Berufung and Abberufung der Direktoren
der wissenschaftlichen Institute.
Beschltisse, die auf Beratungen gemaB ? 1, Ab-'
satz 5 a - c, beruhen, werden erst nach der Be-
statigung durch das Plenum der Akademie wirk-
sam.
Zur Durchfuhrung wichtiger Forschungs- (1)
arbeiten sowie zur Vorbereitung neuer Ein-
?2
Der Vorstand
Der Vorstand .leitet im Auftrage des Kura-
toriums die Forschungsgemeinschaft.
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314. MITTEILUNGSBLATT
(2) Der Vorsitzende des Vorstandes oder sein
Vertreter berichtet in den Sitzungen des
Kuratoriums fiber die Tatigkeit des Vor-
standes.
(3) Im Rahmen seiner Tatigkeit gemaB ? 2, Ab-
satz 1, entscheidet der Vorstand insbesondere
fiber:
a) die im Kuratorium einzubringenden Vor-
lagen,
b) MaBnahmen zur Durchfuhrung der Be-
schlUsse des Kuratoriums,
c) Aufgaben, Struktur und Arbeitsordnung
der Institute und Einrichtungen der For-
schungsgemeinschaft,
d) Berufung und Abberufung der leitenden
Mitarbeiter der' Institute und Einrichtun-
gen der Forschungsgemeinschaft.
(4) Der Vorstand ist verpflichtet, die Durchfiih-
rung wichtiger Beschlusse, die vom Kura-
torium oder ihm selbst gefaf3t wurden,
termingerecht zu kontrollieren.
Der Vorstand ist verpflichtet, Berichte und
Rechenschaftslegungen von den Leitern der
wissenschaftlichen Einrichtungen, insbeson-
dere fiber die Durchfuhrung der Plane der
Forschungsgemeinschaft, anzufordern und
fur die Auswertung Sorge zu tragen. Der
Vorstand entscheidet, ob derartige Berichte
und Rechenschaftslegungen'dem Kuratorium
vorzulegen sind.
(6) Der Vorstand fi hrt regelmaBig Direktoren-
konferenzen mit den Leitern der wissen-
schaftlichen Einrichtungen durch, auf denen
geplante MaBnahmen erortert und Beschlusse
des Kuratoriums und des Vorstandes er-
lautert werden. In Einzelberatungen mit den
Leitungen der wissenschaftlichen Einrich-
tungen legt der ?Vorstand die spezielle Ent-
wicklung der Einrichtung felt.
Der Vorstand ist berechtigt, Mitglieder des
Kuratoriums zu Vorstandssitzungen, Direk-
torenkonferenzen und anderen Besprechun-
gen mit beratender Stimme einzuladen.
?3
Das wissenschaftliche Sekretariat
(1) Das wissenschaftliche Sekretariat fi hrt die
Geschafte der Forschungsgemeinschaft nach
den Weisungen des Vorstandes.
(2) Das wissenschaftliche Sekretariat unterhalt
die organisatorischen Verbindungen mit den
3. Jahrgang, Heft 11/12
anderen Organen der Akademie, der Regie-
rung der Deutschen Demokratischen Repu-
blik und mit anderen Institutionen, soweit
dies nicht in besonderen Fallen vom Vor-
stand anders geregelt wird.
?4
Der Leiter des wissenschaftlichen Sekretariats
ist dem Vorstand gegenuber fur die gesamte
Tatigkeit des Sekretariats verantwortlich.
(2) Der Leiter des wissenschaftlichen Sekre-
tariats und sein Stellvertreter nehmen an
den Beratungen des Kuratoriums und ? des
Vorstandes teil.
Der Leiter des wissenschaftlichen Sekre-
tariats und sein Stellvertreter sind berechtigt,
die zur. Durchfuhrung der Entscheidungen
des Kuratoriums und des Vorstandes er-
forderlichen MaBnahmen zu treffen.
(4) Der Vorstand beschlief3t den Geschaftsver-
teilungsplan des wissenschaftlichen Sekre-
tariats, in dem auch die Aufteilung der Ver-
antwortlichkeit des Leiters und. seines Stell-
vertreters festgelegt wird.
.? 5
Institute und Arbeitsstellen
Die Institute und Arbeitsstellen arbeiten nach
einer vom Vorstand beschlossenen bzw. zu be-
statigenden ,Ordnung", in der Aufgaben, Art
der Leitung und die Grob-Struktur der Einrich-
tungen festgelegt werden.
?6
Vorbereitung und Durchfuhrung der Sitzungen
des Kuratoriums und des Vorstandes
(1) Das Kuratorium tritt im Regelfalle alle
4 Monate einmal zusammen.
(2) Der Vorstand tritt im.Regelfalle zweimal im
Monat zusammen.
(3) Die Sitzungen des Kuratoriums und des Vor-
standes werden von dem Vorsitzenden ge-
leitet. Bei seiner Verhinderung bestimmt der
Vorsitzende seinen Stellvertreter.
?7
(1) Das Kuratorium und der Vorstand fi hren
ihre Sitzungen nach einer festgelegten Tages-
ordnung durch.
(2) Jedes Mitglied des Kuratoriums bzw. des
Vorstandes ist berechtigt, Vorschlage fur die
Tagesordnung einzureichen. Hierzu steht
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 315
ihm das wissenschaftliche Sekretariat zur
Verfiigung.
Das wissenschaftliche Sekretariat ist ver-
antwortlich fur die Vorbereitung der Sit-
zungen des Kuratoriums and des Vorstandes
sowie die Bereitstellung der erforderlichen
BeschluBvorlagen and des notwendigen Be-
richtsmaterials.
?8
Die vom Leiter des wissenschaftlichen Sekre-
tariats bzw. seines Stellvertreters gefertigten
and unterzeichneten BeschluBprotokolle des
Kuratoriums and des Vorstandes bedi rfen der
Bestatigung durch die an der BeschluBfassung
beteiligten Personen.
Brief an Prof. Dr. H.-J. Born
Die Mitglieder des Vorstandes der Forschungs-
gemeinschaft der naturwissenschaftlichen, tech-
nischen and medizinischen Institute der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
beschlossen in ihrer Sitzung am 4. 12. 1957 einen
Brief an Herrn Prof. Dr. H.-J. B or n, der vor
kurzer Zeit die Deutsche Demokratische Republik
verlassen hat.
Nachstehend verb ff entlichen wir dieses Schreiben.
Sehr geehrter Herr Kollege Born!
Durch Ihr Schreiben vom 6. 11. 1957 an das Pre-
sidium der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin erfahren wir, dab Sie Bich mit
Wirkung vom 1. November d. J. nicht mehr an
den zwischen der Deutschen Akademie der.
Wissenschaften zu Berlin and Ihnen am 1. 8. 1956
geschlossenen Vertrag gebunden fi hlen and nicht
wieder nach Buch zuriickkehren werden.
Uns, die Mitglieder des Vorstandes der For-
schungsgemeinschaft der Akademie, aber auch
viele andere hat these Nachricht sehr be-
troffen.
Uns sind die Gri nde nicht bekannt, die Sie zu
diesem Schritt bewogen. Wir konnen uns auch
nicht ?vorstellen, welche GrUnde es gewesen sein
konnen; denn unseres Wissens ist alles ge-
schehen, was im Bereich des Moglichen liegt, um
Sie personlich, materiell and stellungsmaBig
sicherzustellen and zu befriedigen; es geschah
alles bzw. wurde in die Wege geleitet, um Ihnen
die Voraussetzungen fur eine fruchtbare For-
schungs- and Lehrtatigkeit zu schaffen. Uns ist
nicht bekannt, dab Ihnen jemals irgendwelche
Schwierigkeiten personlicher oder sachlicher Art
gemacht worden sind, die Sie hatten veranlassen
konnen, unsere Gemeinschaft zu verlassen, and
schlieBlich wurde mit Ihnen ein Vertrag geschlos-
sen, der von seiten der Akademie in keiner Weise
gebrochen oder auch nur durchlochert worden
ist. Kurz, uns ist Ihre Entscheidung nicht ver-
standlich.
Ganz besonders unverstandlich ist es uns aber,
daB Sie entgegen der fur beide Vertragspartner
gultigen Verbindlichkeit Ihren ja durchaus frei-
willig geschlossenen Vertrag ohne vorherige
Aussprache oder Kiindigung - and das ri ck-
wirkend - als fur Sie nicht mehr verpflichtend
erklaren.
Es ist eine in aller Welt, auch in der kapitalisti-
schen, anerkannte Gepflogenheit, dab ein Ange-
horiger einer groBen gewerblichen, industriellen
oder auch wissenschaftlichen Institution bei un-
vereinbartem Ausscheiden nicht zu einer anderen
Institution - zur sog..Konkurrenz - iibersiedelt,
um dort auf gleichem Gebiet weiterzuarbeiten.
Weder der Ausscheidende noch die neue Insti-
tution darf so etwas ohne gegenseitiges Einver-
nehmen tun oder zulassen, and mit vollem Recht
wird eine eventuelle Abwerbung sogar moralisch
als Verbrechen angesehen. Das sind Fragen des
Anstandes, die nicht ohne Riickschlage mora-
lischer Art fur die Beteiligten verletzt werden
diirfen. Sie haben sich diesem Gesetz nicht unter-
geordnet.
Sie haben unser staatliches Gemeinwesen, die
Deutsche Demokratische Republik, nun verlas-
sen, obwohl Sie wissen mussen and tatsachlich
auch wissen werden, daB Sie uns damit einen
grol3en Schaden zugunsten eines anderen Ge-
meinwesens, der Bundesrepublik, zufugen, die
gerade in letzter Zeit keineswegs erkennen laBt,
dab sie bereft ware, die nun einmal bestehenden
Verhaltnisse anzuerkennen and zu einem pas-
sablen and besonders einem friedlichen Zu-
sammenleben zu kommen.
Sie fragen vielleicht, wieso wir Ihnen dieses
schreiben. Wir schreiben es, um Ihnen zu sagen,
daB wir Sie nicht verstehen, daB Sie uns ver-
letzten and daB Sie unserem Aufbau ohne er-
kennbare Not geschadet haben. Wir sagen es
auf3erdem dadurch, daB wir diesen Brief den An-
gehorigen unserer Akademie zur Kenntnis brin-
gen, alien dentin, die vielleicht wie Sie noch nicht
bereit sind, die Vertragstreue einzuhalten, die
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316 MITTEILUNGSBLATT
sie bei anderen als selbstverstandlich voraus-
setzen and die nicht wissen, oder es nicht wissen
wollen, daB es die gegenseitige Anerkennung and
gegenseitigen Verpflichtungen sind, die ein Leben
in einer Gemeinschaft iiberhaupt erst moglich
machen.
Wir alle, die wir hier in der Deutschen Demokra-
tischen Republik leben, streben einem grof3en
Ziel zu, dem Ziel der allgemeinen Gerechtigkeit,
dem noch grof3eren des allgemeinen Friedens in
der Welt, dem Ziel, daB nur ein friedlicher Wett-
streit zwischen den Volkern bestehen moge. Wir,
3. Jahrgang, Heft 11/12
wissen, daB noch ein Langer Weg bis dorthin zu-
rii.ckzulegen ist and wissen auch, daB dieser Weg
dornig and schwer ist and auch noch eine ge-
raume Zeitlang nicht einfach sein wird.
Sie, Herr Kollege Born, haben sich von dieser
Gemeinschaft getrennt. Haben Sie gut daran ge-
tan? Wir meinen nein!
H. FROHAUF, R. ROMPE, K. SCHRODER,
E. THILO, H. GUMMEL, H. NEELS
Berichterstattung der Akademiedelegation
im Plenum uber die Reise in die Volksrepublik China
Ein Vberblick
Im Verlaufe der Delegationsreise, insbesondere
irn Verlaufe der unmittelbaren Verhandlungen,
die zum AbschluB der vorliegenden Vereinba-
rung zwischen der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin and der Academia Si-
nica fur die Jahre 1957 and 1958 fiihrten, er-
hielten wir den nachstehenden Uberblick uber
die Entwicklung and den gegenwartigen Stand
der wissenschaftlichen Arbeit in der Volksrepu-
blik China. Er kann aus den verschiedensten
Griinden nur gekiirzt erscheinen and orientiert
sich auf das m. E. Wichtigste. Der Bericht ist in
drei Teile gegliedert:
I. Riickblick auf die Geschichte der Wissenschaft
in China
China hat eine lange Geschichte and eine iiber-
ragende kulturelle Tradition. Das chinesische
Volk hat friihzeitig zahlreiche Erfindungen and
Entdeckungen auf dem Gebiete der Wissenschaft
gemacht. Im Verlauf von einigen tausend Jahren,
die das chinesische Volk bereits auf den weiten
Flachen seines Landes lebt and arbeitet, hat es
Erfahrungen auf dem Gebiete der Landwirt-
schaft, der Medizin, der Architektur usw. ge-
sammelt and zusammengefaBt. Diese sind auf die
heutige Generation iibergegangen als eih reiches
kulturelles Erbe.
Die lang andauernde Feudalherrschaft, der in-
landische and eindringende auslandische Kapi-
talismus and spatere Imperialismus hemmten die
Entwicklung der Produktivkrafte, Industrie and
Wissenschaft blieben unentwickelt. Nur dank
grof3er Anstrengungen einiger chinesischer Ge-
lehrter wurde nach. and nach der Grundstock
fur eine moderne Wissenschaft gelegt.
Vor der Befreiung (1949) war die Lage der
Wissenschaft auBerordentlich schlecht. Es gab'
weniger als 600 Geistesarbeiter im ganzen Land,
die mit wissenschaftlichen Forschungsarbeiten
beschaftigt waren; die wissenschaftlichen Aus-
stattungen waren armselig and die Geldmittel
sparlich. Die Wissenschaftler hatten keine Sicher-
heit, weder in ihrer Arbeit noch in ihrem Lebens-
unterhalt.
Der Sieg der demokratischen Revolution des chi-
nesischen Volkes uberwand die Herrschaft sowohl
der fremden als auch der einheimischen Unter-
driicker and errichtete die demokratische Herr-
schaft des Volkes. Seit dieser Zeit ist die wissen-
schaftliche Forschungsarbeit in China in ein
neues Stadium getreten; eine Entwicklung mit
unbegrenzten Moglichkeiten ist eroffnet.
Wissenschaft and Wissenschaftler werden von
der Chinesischen Kommunistischen Partei and
der Volksregierung hoch geachtet and sind
Gegenstand groBen Interesses and tatkraftiger
Unterstutzung. In der Verfassung ist klar zum
Ausdruck gebracht, daB jeder Burger die Frei-
heit genieBt, sich mit wissenschaftlicher Arbeit
zu - beschaftigen. 109 Wissenschaftler waren
seinerzeit im Nationalkomitee der Politischen Be-
ratenden Konferenz des Volkes anwesend, and
unter den Vertretern der Ersten Versammlung
des Nationalen Volkskongresses gab es 148 Natur-
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wissenschaftler, die die wissenschaftlichen Ar-
beiter representierten; sie arbeiteten aktiv mit
am, Verfassungsentwurf, an der Formulierung
des ersten Funfjahrplanes fur die Entwicklung
der Volkswirtschaft and anderer Angelegen-
heiten der Chinesischen Volksrepublik.
Im zweiten Monat nach der Grundung der Volks-
republik China im Jahre 1949 wurde die Aca-
demia Sinica, das Zentrum der wissenschaft-
lichen Forschungsarbeit des ganzen Landes, ge-
grundet, hervorgehend aus der alten Academia
Sinica and der National Academy von Peiping.
In den vergangenen 7 Jahren ist die Gesamtzahl.
der Forschungsinstitutionen von 17 zur Zeit ihrer
Grundung auf 51 heute (1956) angestiegen; die
gesamte Anzahl der in der Forschung Tatigen ist
15mal so groB wie zur Zeit ihrer Grundung, and
das Forschungsbudget ist auf mehr als das Zehn=
fache erhoht worden.
Hinzu kommt, daB die wissenschaftiiche For-
schung in der Industrie entwickelt wurde. Hier
ist die Zahl der Forschungsinstitute, entweder
speziellen oder ailgemeinen Charakters, mehr
als 6mal so groB wie im Jahre 1949.
So gibt es z. B. auf dem Gebiete der Landwirt-
schaft sieben regionale landwirtschaftliche For-
schungsinstitute and eine groBe Anzahl land-
wirtschaftlicher Versuchsstellen and Stationen,
deren Arbeitsergebnisse in verschiedenen. Pro-
vinzen and Kreisen im ganzen Lande verbreitet
wurden. Auf these Weise wurde ein das ganze
Land umfassendes Netz der Forschung auf dem
Gebiete der Landwirtschaftswissenschaften ge-
schaffen.
AuBerdem sind noch solche Forschungs- and
Versuchszentren errichtet worden wie die Cen-
tral Academy of Hygiene (Zentrale Akademie
der Hygiene), die Akademie fur chinesische medi-
zinische and pharmazeutische Forschungen, die
Akademie fur Eisenbahnwissenschaft-Forschun-
gen, Bowie Versuchsforschungszentren and spe-
zielle Forschungsinstitute fur Maschinenbau, fur
Stahl, fur Nichteisenmetalle, Erdol, Kohle, Archi-
tektur and Beleuchtungsindustrie.
Die Anzahi der Ingenieure and Techniker ist Behr
schnell angestiegen. Z. B. waren zur Zeit der Be-
freiung nur weniger als 200 Geologie-Ingenieure
vorhanden; im Jahre 1955 war - gemaB den
Statistiken, die von den Abteilungen fur Geologie,
Schwerindustrie, Erdolindustrie and Kohle-
industrie veroffentlicht wurden - die Zahl der
geologischen Ingenieure allein auf 497 and die
der Techniker, die die Universitaten oder Hoch-
schulen absolviert hatten, auf 3440 angestiegen.
Nach Durchfuhrung der geplanten Reorgani-
sation and Wiederherstellung der Hoheren Er-
ziehungsinstitutionen in. China bis zum Beginn
des Jahres - 1956 - gab es 194 Universitaten
and Hochschuleri mit insgesamt 31000 Profes-
soren, Lehrbeauftragten and Lektoren. An den
Universitaten hat jeder wichtige Spezialzweig
ein eigenes padagogisches' Biiro.
In den vergangenen wenigen Jahren hat die All-
China Federation of Scientific Societies (Ver-
einigung der wissenschaftlichen Gesellschaften
von ganz China), die im Interesse der Einheit der
Wiss'enschaftier arbeitet, im demokratischen Auf-
bau Chinas and in der Verteidigung des Friedens
rasche Fortschritte gemacht. 38 Gesellschaften.
auf dem Gebiete der Naturwissenschaften sind
gebildet worden. Diese Gesellschaften haben
575 Zweigstellen in 53 Stedten des Landes mit
einer Mitgliederzahl von fast 60 000. Die Vereini-
gung fur die Verbreitung wissenschaftlicher and
technischer Kenntnisse, die sich der Verbreitung
wissenschaftlicher Kenntnisse annimmt, hat eine
groBe Werbearbeit geleistet.
Im Juni 1955 wurden bei der Academia Sinica
vier Abteilungen feierlich gegrtindet: die Abtei-
lung fur Physik,, Mathematik and Chemie, die
Abteilung fur Biologie, Geologie and Geographie,
die Abteilung der technischen Wissenschaften,
die Abteilung fur Philosophie and Sozialwissen-
schaften. 233 anerkannte and beruhmte Wissen-
schaftler, Professoren and Ingenieure wurden
damals Mitglieder dieser Abteilungen (Klassen).
Dies war eine groBe Starkung der Academia
Sinica, sie fiihrte zur Belebung der Beziehungen
zwischen Wissenschaft and Produktion and da-
mit zur Forderung der Entwicklung der Wissen-
schaften in ganz China.
II. Wissenschaftliche Tatigkeit im Neuen China
Das leitende Organ der Academia Sinica ist das
Exekutive Committee, dessen Leiter Prof. Dr.
Kuo Mo-jo, der President der Academia Sinica,,
sowie sechs Vizeprasidenten sind.
Die akademischen Arbeiten in der Academia Si-
nica werden unter der Leitung der, vier Abtei-
lungen and der Komitees durchgefiihrt. Die
Komitees sind: Komitee fur Forschungsreisen,
Komitee fur Veroffentlichungen, Komitee fur
wissenschaftliche Auszeichnungen, das Chine-
sische Komitee fur die Durchfuhrung des Inter-
nationalen Geophysikalischen Jahres and das
Komitee zur Erforschung der Geschichte der chi=
nesischen Naturwissenschaft. In, der Academia
Sinica gibt es auch besondere Komitees in den
Abteilungen, z. B. das Komitee fur Kunststoffe,
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das Koordinierungskomitee fur Metallforschung
usw. Die wissenschaftliche Planarbeit begann im
Jahre 1953, dem ersten Jahre des ersten Funf-
jahrplanes.
Im ersten Funfjahrplan fur die Entwicklung der
Volkswirtschaft in der Volksrepublik China ist
festgelegt, daB
?wahrend des ersten Funfjahrplanes groBe An-
strengungen fiir die Schaffung der Grundlagen
der wissenschaftlichen Forschung gemacht
?werden mussen. Die Einheit unter den Wissen-
schaftlern muB gestarkt werden. Es muI eine
enge Verbindung zwischen den Forschungs-
einrichtungen and der Industrie der Landwirt-
wirtschaft usw. unterhalten werden. Die ge-
wonnenen Erfahrungen in Wissenschaft and
Technologie sollen fortlaufend gesammelt and
die fortgeschrittene Wissenschaft and Techno-
logie der Sowjetunion studiert werden. Schritt
fur Schritt mussen Untersuchungen, and Pri -
fungen unternommen werden uber die natiir-
liche Beschaffenheit, die nati rlichen Hilfs-
quellen and die sozialen Bedingungen unseres
Landes. Auf diese Weise werden wir nach and
nach das Niveau der Grundlagenforschung and
der Forschung auf gesellschaftlichen Gebieten
erhohen."
Wahrend des ersten Funfjahrplanes wurden von
der Academia Sinica folgende Schwerpunkte
(elf) fur die Forschungsarbeit festgelegt:
-4. Die Nutzbarmachung der Atomenergie fur
den friedlichen Aufbau,
2. Probleme in Verbindung mit der Errichtung
neuer Eisen- and Stahl-Basen,
3. Erdol,
4. Seismologie,
5. Probleme in Verbindung mit der Erhaltung
and Entwicklung von Reservoiren der Haupt-
stromgebiete,
6. Priifungen and Untersuchungen fiber tro-
pische Pflanzenanlagen in Si dchina,
7. Studien. fiber volkswirtschaftlich wichtige
Gebiete Chinas,
8. Antibiotika,
9. Polymere,
10. Theoretische Probleme in Verbindung mit
dem nationalen Aufbau wahrend der ber-
gangszeit in China,
11. Studien uber die moderne i nd zeitgenossische
Geschichte Chinas and die modernen and
zeitgenossischen Ideen in China.
Im Jahre 1956 wurden etwa eintausend For-
schungsthemen in verschiedenen Forschungsgrup-
pen in der Academia Sinica behandelt, deren
Mehrzahl diese elf Punkte betraf.
A. Die Abteilung fur Physik, Mathematik and
Chemie besteht aus Instituten, die sich mit
Physik, angewandter Physik, Mathematik,
Mechanik, Chemie, organischer Chemie,
Pharmazeutik bzw: angewandter Chemie be-
fassen. Es gehort auBerdem ein Observatorium
dazu.
Auf dem Gebiet der Physik wird besonderes
Gewicht auf die Forschungsarbeit uber Kern-
physik and Festkorperphysik gelegt. In der
Kernphysik sind Arbeiten fur die Nutzbar-
machung der Atomenergie fur friedliche
Zwecke durchgefuhrt worden.
In der Festkorperphysik wurden ebenfalls Er-
folge erzielt.
Forschungen fiber Halbleiter, Physik niedriger
Temperaturen, elektronische and Radio-Tech-
nologie sind begonnen worden and werden
mit grofer Tatkraft weiterentwickelt, urn die
Bediirfnisse des Landes zu befriedigen.
Der Wirkungskreis der mathematischen For-
schungen ist weft. Zahlreiche Bemuhungen,
beispielsweise in der Zahlentheorie, Geometrie
and Topologie, Wahrscheinlichkeits- and
Differential-Geometrie, . der Mechanik, der
astronomischen Arbeiten usw., werden ? in
kurzer Zeit die geforderten Ergebnisse
haben.
Was die Chemie betrifft, so wurden betracht-
liche Arbeiten geleistet z. B. auf dem Gebiet
der Katalysatoren, Hochpolymeren, natiir-
lichen organischen Substanzen, Gewinnung
der wirksamen Bestandteile fur die chine-
sische Medizin and der Synthese von Arznei-
mitteln usw. In Abstimmung mit den Not-
wendigkeiten des industriellen Aufbaus wur-
den Forschungen fiber synthetisches Toluin
and andere Produkte der Chemie fur den Ma-
schinenbau durchgefuhrt. Auf dem Gebiet der
anorganischen Chemie, physikalischen Chemie
and analytischen Chemie liefen Arbeiten an.
Die Chemie der Isotope wird zusammen mit
der Kernphysik schnell entwickelt.
B. Die Abteilung fur Biologie, Geologie and Geo-
physik besteht aus 14 Instituten, die sich mit
Botanik, Sind-China-Botanik, Pflanzenphysio-
logie, Entomologie, Experimentalbiologie,
Physiologie and Biochemie, der Agrobiologie
bestimmter Teile Chinas, Land- and Forst-
wirtschaftswissenschaft, Ontologie, Palaonto-
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MITTEILUNGSBLATT 919
logie, Geophysik bzw. Geographic beschafti-
gen. Zur gleichen Abteilung gehoren 8 selb-
standige Laboratorien, die Laboratorien fur
Zoologie, ozeanische Biologie, -Vererbungs-
lehre und Zeichtung, Wirbeltier-Palaontologie,
Psychologie, das Boden-Laboratorium in
Chungking, das mikrobiologische Laborato-
rium in Wuhan und pflanzenphysiologische
Laboratorium in Peking -und auf3erdem das
Museum fur Mikroorganismus-Kulturen.
Die Arbeit dieser Abteilung kann in drei
grol3e Gruppen zusammengefaBt werden:
Untersuchungen und Priifung nati rlicher
Hilfsquellen und Bedingungen in Zu-
sammenhang mit dem nationalen Aufbau,
(2) Unterstiitzung der produktiven Abteilun-
gen, wie der Abteilungen fiir Landwirt-
schaft, Forstwirtschaft und Wasserkrafte,
um die wichtigen und dringenden Pro-
bleme zu losen,
Erforschung der Grundprobleme der Bio-
logie und Geographie.
zur Hilfe sandte, konnten weitere seismologische
Untersuchungen in vielen Gebieten durgefiihrt
und eine exakte Einteilungskarte der seismologi-
schen Bezirke von China fertiggestellt werden.
Zusammen mit der Entwicklung der Expeditions-
arbeit dieser Abteilung (Klasse) wurden Hand-
biicher und botanische, zoologische, bodendyna-
mische, tektonische und meteorologische Karten
gezeichnet und zusammengestellt.
Eine Zeichnung der Einteilung der natiirlichen
Landschaften von China ist fertiggestellt. Eine
umfassende Beschreibung der Geographie von
China ,Geographischer Atlas der Volksrepublik
China" wird jetzt bearbeitet.
In Verbindung mit der land- und forstwirtschaft-
lichen Produktion haben die Wissenschaftler die
Erfahrungen der Massen in 'China bei der Ein-
dammung von Insektenplagen, bei der Ver-
erbungslehre und bei der Verbesserung der Tech-
nik, bei der Landbestellung und Aufzucht inten-
siv ausgenutzt. Dies diente der Erhohung der
Produktion in Land- und Forstwirtschaft. So sind
z. B. betrachtliche Ergebnisse bei der Auswahl
guter Weizen- und Sojabohnen-Arten, bei der Be-
fruchtung tropischer Pflanzen, bei der Bekdtnp-
fung der Heuschrecken und Baumwoll-Blatt-
lause, bei der Vergrol3erung des Fischbestandes,
der Verhinderung von Fischkrankheiten, der Auf-
zucht von Seidenraupen erzielt worden.
Was die medizinischen und hygienischen For-
schungeri anbetrifft, so wird die Hauptarbeit in
der zentralen Gesundheitsabteilung getan. Diese
Wissenschaftler haben aktiv an einer ,bakterio-
logischen Kriegsfuhrung" teilgenommen. Cholera,
Pocken und Lymphdriisen-Erkrankungen, die im
alten China sehr haufig waren, sind jetzt nahezu
vollig verschwunden. Die Haufigkeit des Aus-
bruchs der epidemischen Enzophalitis Typ B und
Malaria wurde stark gesenkt.
Selbstverstandlich wird das systematische Stu-
dium der alten chinesischen Medizin und der
alten . chinesischen Arzneimittellehre eif rig
weiterbetrieben.
C. Gegenwartig besteht die Abteilung fur Tech-
nologie aus sechs Instituten (Metallurgie und
Keramik, Metalluntersuchung, Erdol, mecha-
nischer und elektrischer Maschinenbau, zi-
viler und das Bauwesen betreffender Ma-
schinenbau, Instrumententechnologie), und
drei selbstandigen Laboratorien (hydraulische
Maschinen, Kraft, Kohle) und einem Vorbe-
reitungsinstitut fir chemische Maschinen und
Metallurgie.
In den vergangenen wenigen Jahren haben die
chinesischen Wissenschaftler eine Behr grole An-
zahl von Untersuchungen und Prifungen durch-
gefi hrt hauptsachlich in Geologie, Erzvorkom-
men, Forstwirtschaft, Wasserkrafte, Hydrobio-
logie, Zoologie, Botanik und Geographie. Aul3er
der Unterstitzung der Regierungsabteilungen zur
Durchfi Krung ihrer Arbeit hat die Academia
Sinica bisher 27 Expeditionsgruppen zusammen-
gestellt, urn wissenschaftliche Untersuchungen
fir verschiedene Zwecke in verschiedenartigen
Gebieten und auch in Tibet durchzufiihren.
-Dieser Arbeitsaufwand ist dem gesamten Arbeits-
volumen von einigen Jahrzehnten der alten Aka-
demie vor der Befreiung gleichzusetzen. Es ist
offensichtlich, daB bei einern. solchen Entwick-
lungstempo die Wissenschaft in China bei der
Nutzbarmachung nationaler Reserven und beim
Aufbau des Sozialismus eine bedeutende und
immer steigende Rolle spielt.
Auf dem Gebiet der meteorologischen Forschun-
gen wurden bisher groBe Verbesserungen in der
kurz- und mittelfristigen Wettervorhersage
durchgefiihrt. Viele auch im Ausland stark be-
achtete Angaben der chinesischen Meteorologie
und Klimakunde wurden veroffentlicht. Trotz
der, kleinen Anzahl von seismologischen Fach-
leuten und der schwachen Grundiage der Seis-
mologen sind bereits Erdbeben-Probleme in
vielen wichtigen Stadten untersucht worden.
Nach 1955, als die Akademie der Wissenschaften
der UdSSR eine seismologische Arbeitsgruppe
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Im alten China kamen aus der Industrie nur
17 O/o des Ertrages der gesamten Volkswirt-
schaft. Die technischen Wissenschaften haben
unter den neuen Bedingungen eine schnelle
Entwicklung durchgemacht and viel zur Er-
hohung der Produktivitat der sozialistischen
Industrie beigetragen.
Viel erfolgreiche Forschungsarbeit wurde fur
die Ausstattung der Bergwerke, fur die Me-
tallurgie der Eisen- and Nichteisenmetalle and
fur die Verbesserung and Erhohung der Quan-
titat and Qualitat von Eisen, Stahl and Nicht-
eisenmetallen geleistet.
Bei den Forschungsarbeiten fur die Herstel-
lung von Modular-Guf3eisen, Hart- and Stahl-
legierungen wurden gute Resultate von prak-
tischer Bedeutung erzielt.
Zur Gewinnung von optischem Glas and
Apparaten wurden Grundlagen geschaffen.
Versuchsanfertigungen von Mikroskopen mit
1500facher VergroBerung, magnetischem De-
tektor fur Erze and verschiedenen Arten von
Materialprufmaschinen waren erfolgreich.
In Verbindung mit der Neuordnung and dem
Aufbau des elektrischen Systems gab es er-
'folgreiche Forschungen uber hochpotentielle
Prufung, Ubertragung von elektrischer Kraft,
Automatisierung der Fernleitung des elek-
trischen Systems.
Um den dringenden Forderungen des soziali-
stischen Aufbaus zu genugen, haben 'die Wis-
senschaftler im Maschinenbau technische
Untersuchungen beim GieBen, Formen,
SchweiBen, bei Elektrovorgangen and Hitze-
behandlungen mit' gutem Erfolg durchgefuhrt.
Im Bauwesen wurden Untersuchungen uber
Struktur, Baugrund and Baumaterialien an-
gestellt. Neue Baumaterialien wie Silikate,
Bambus-PreBmasse, wasserfestes Schlacken-
material wurden als Folge im Bauwesen an-
gewandt.
Die chinesischen Kollegen erklarten, daB die
Bedtrfnisse der sozialistischen Industrialisie-
rung von'der gegenwartigen technischen Wis-
senschaft (1956) noch nicht befriedigt werden
konnen. Es ist noch viel zu tun, um die tech-
nischen Wissenschaften auf jenen Stand zu
heben, der es gestattet, den Aufbau der
Schwerindustrie and Automatisierung (Halb-
leiter), Kraftmaschinen and viele andere mehr
entscheidend zu unterstitzen.
D. Die Abteilung fur Philosophie and Gesell-
schaftswissenschaften besteht aus neun For-
schungsgruppen; es sind dies: Philosophie,
3. Jahrgang, Heft 11/12
Volkswirtschaft, Geschichte des Altertums,
des Mittelalters, der Neuzeit, Archaologie,
Sprachwissenschaft and Philologie, Literatur
and Sprachen der nationalen Minderheiten.
Das Institut fur Philosophie befaBt sich u. a. mit
der Anwendung and Entwicklung des dialekti-
schen and historischen Materialismus in der
Praxis der chinesischen Gesellschaft. Es unter-
sucht auBerdem den. EinfluB des Idealismus auf
die Wissenschaften and erforscht die objektiven
Gesetze der Entwicklung der chinesischen Gesell-
schaft in der Vbergangsperiode.
Auf dem Gebiet der Volkswirtschaft wurden u. a.
in Koordinierung mit dem nationalen Aufbau
and der gesellschaftlichen ' Umformung Unter-
suchungen fiber die Produktivitat and den Kreis-
lauf in der Volkswirtschaft durchgefuhrt. Es
wurden auch Prufungen and Untersuchungen
unternommen uber die Wirtschaftsfiihrung des
Handwerks and der landwirtschaftlichen Ge-
nossenschaften. Als besonders wichtige Arbeit ist
noch die systematische Zusammenfassung and
Ordnung einer modernen Wirtschaftsgeschichte
Chinas and der Materialien der chinesischen
Agrarreform zu nennen.
In Geschichte sind u. a. Untersuchungen zunachst
in der chinesischen Gegenwartskunde, die die
Geschichte der Beziehungen der Klassen im
.modernen China einschlieBt, unternommen wor-
den. In der Geschichte des Mittelalters sind die
Hauptprobleme der Sui and Tang Dynastie er-
forscht worden. Darilber hinaus ist man dabei,
einen ,Kurzen GeschichtsabriB Chinas" zu
schreiben.
Auf dem Gebiet der Archaologie haben Ausgra-
bungen sehr haufig groBe and wichtige Funde an
Grundmauern zutage gefordert. Etwa 210 000
Sticke solcher historischer Zeugnisse, angefangen
von der frilhen Steinzeit, sind in verschiedenen
Provinzen Chinas geborgen worden.
Unsere Delegation konnte standig feststellen, dab
die chinesischen Wissenschaftler auBerordentlich
daran interessiert sind, wissenschaftliche Diskus-
sionen zu pflegen and wissenschaftliche Erfah-
rungen auszutauschen. In den letzten Jahren sind
viele akademische Tagungen im LandesmaBstab
durchgefuhrt worden (z. B. Metallforschung,
Brennstoffwissenschaft, antibiotische and analy-
tische Chemie, Agrarwissenschaft usw.). Wissen-
schaftliche Tagungen in kleinerem Rahmen wer-
den in den groBen Stadten standig.abgehalten,
ebenso Jahresversammlungen an den Hoch-
schulen. Diese Tagungen spielen eine wichtige
Rolle bei der Hebung des wissenschaftlichen
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3. Jahrgang, Heft 11/12
Niveaus, bei dem Austausch von Erfahrungen
der verschiedenen Gesellschaften and bei der
Heranbildung junger Wissenschaftler. Dies far-
dert, wie wir feststellen konnten, die Zusammen-
arbeit zwischen Wissenschaft, Produktion and
Erziehung.
Auf dern Gebiete der wissenschaftlichen Publi-
kationen sowie der Verbreitung wissenschaft-
licher and technischer Neuerungen sind, ent-
sprechend der Entwicklung .der wissenschaft-
lichen Forschungen in den letzten sechs Jahren,
grof3e Fortschritte erzielt worden. 60 wissen-
schaftliche Zeitschriften, mehr als 200 Monogra-
.phien, 300 tYbersetzungsarbeiten and fur 40
Facher wissenschaftliche Terminologien sired ver-
offentlicht worden.
Seit der Grundung der Chinesischen Volksrepu-
blik (1949) ist der Kontakt and die Zusammen-
arbeit zwischen den chinesischen Wissenschaft-
lern and der internationalen Gelehrtenwelt enger
geworden. Alljahrlich besuchen viele auslandische
Wissenschaftler China, urn wissenschaftliche
Arbeiten durchzufilhren bzw. Vorlesungen zu
halten.
Die chinesischen wissenschaftlichen Verbande
haben Wissenschaftler ins Ausland delegiert, da-
mit sie an Konferenzen teilnehmen bzw. von den
fortschrittlichsten Landern der Welt lernen. 1955
erreichte eine chinesische Delegation, die, gefiihrt
von Professor Kuo Mo-jo, dem Prasidenten der
Chinesischen Akademie, eine japanische Ein-
ladung wahrnahm, eine wesentliche Erweiterung
der kulturellen Beziehungen zwischen China and
Japan. Gute Ergebnisse brachte auch die ' Teil-
nahme chinesischer Wissenschaftler an den wis-
senschaftlichen and technologischen Konferenzen
in der UdSSR and den Volksdemokratien, in
Pakistan, in Belgien, in Holland. Seit dem Jahre
1955 hat sich auf3erdem der Austausch von wis-
senschaftlichen Publikationen sehr entwickelt.
Die chinesische Akademie hat Austauschbezie-
hungen mit 472 akadernischen Organisationen
von mehr als 57 Landern and inzwisclien ca.
190 000 Exemplare von Bilchern and Zeitschriften
versandt.
Im April des Jahres 1956 tagte der 16. Exekutiv-
ausschu[3 der Weltfoderation der Geistesschaffen-
den in Peking. Nobelpreistrager Professor Powell
and der Wissenschaftler Prof. Dr. Oparin, die
Vizeprasidenten der Organisation and Delegierte
aus 14 Landern nahmen an dieser Tagung teil,
die einen wichtigen Beitrag zur Festigung der
Freundschaft and der Verbundenheit zwischen
den Wissenschaftlern Chinas. and der Welt
lieferte.
III. Probleme der Entwicklung der Wissen-
schaften in China
Im Januar 1956 wurde auf einer Versammlung
von groBer historischer Bedeutung, die unter der
Fiihrung des Zentralkomitees der Kommunisti-
schen Partei Chinas abgehalten and auf der die
Frage der chinesischen Intelligenz diskutiert
wurde, ein feierlicher Aufruf an alle Wissen-
schaftler Chinas vorn Zentralkomitee erlassen:
Am Ende des 3. Fiinfjahrplanes muf3 der Stan-
dard der wichtigsten wissenschaftlichen Zweige
dem Niveau der bestentwickelten Lander der
Welt nahegekommen sein, and die neuesten Er-
kenntnisse der anderen Lander mussen in kiir-
zester Zeit durch eigene Kraft erreicht werden.
Dann wurde zum 25. Januar 1956 eine Versamm-
lung des obersten Staatsrates einberufen, auf der
Mao Tse-tung folgende Direktiven bekannt gab:
,,Die Nation muf3 einen weitreichenden, umfas-
senden Arbeitsplan fur die nachsten Jahrzehnte
haben, um ihre wirtschaftliche, wissenschaftliche
and kulturelle Ri ckstandigkeit zu beseitigen, da-
mit sie mit den entwickeltsten Nationen der Welt
Schritt halten kann. Um dieses grol3e Ziel zu er-
reichen, ist die entscheidende Aufgabe, geschultes
Personal, d. h. eine grole Anzahl von fahigen
Wissenschaftlern and Technikern auszubilden."
Dieser ernste Appell and andere konkrete Direk-
tiven der Kommunistischen Partei and der Re-
gierung haben die chinesischen Wissenschaftler
aul3erordentlich angespornt. Die Erfolge waren
unserer Delegation allerorten in diesem groBen
Lande offenbar.
Der Staatsrat der Chinesischen Volksrepublik hat
eine spezielle Kommission filr die Weiterent-
wicklung der Wissenschaften zur Beschleunigung
des sozialistischen Aufbaus eingesetzt. Unter
der Fiihrung von Partei and Regierung, aber auch
mit Hilfe sowjetischer Gelehrter, haben Hun-
derte dieser Wissenschaftler sieben Monate lang
intensivst gearbeitet. Sie legten die Aufgabe von
Wissenschaft and Technik beim Aufbau der
nationalen. Wirtschaft fir die kommenden 12.
Jahre fest. Einige hundert Forschungsaufgaben
wurden der Wissenschaft gestellt.
,Laf3t die verschiedenen Geistesschulen streiten",
damit ist die Absicht, offene Debatten fiber wis-
senschaftliche Probleme zu fordern and die
schopferische Initiative in der wissenschaftlichen
Forschung zu ermutigen, ausgesprochen.
W. FREUND
Verwaltungsdirektor
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322 MITTEILUNGSBLATT
Vereinbarungen uber die wissenschaftliche
Zusammenarbeit mit auslc ndischen Akademien
Bulgarische Akademie der Wissenschaften
In dem Bestreben, die wissenschaftliche Zu-
sammenarbeit planmaf3ig zu erweitern and zu
verbessern sowie zur weiteren Festigung der
Freundschaft zwischen dem deutschen and dem
bulgarischen Volk beizutragen, schlossen die
Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin
and die Bulgarische Akademie der Wissen-
schaften am 26. Oktober 1957 ein tJbereinkom-
men uber die'Grundsatze der wissenschaftlichen
Zusammenarbeit and eine Vereinbarung uber
die Durchfuhrung der wissenschaftlichen Zusam-
menarbeit fur das Jahr 1958 ab. Die Vereinba-
rung sieht gemeinsame Forschungen mit beider-
seitig interessierenden Themen, einen intensiven
Erfahrungsaustausch, Reisen zu Studien- and
Ausbildungszwecken, Hilfeleistungen durch Ent-
sendung von wissenschaftlichen Experten sowie
die gegenseitige Teilnahme an wissenschaftlichen
Veranstaltungen vor.
Im besonderen werden die Fachgebiete Geotek-
tonik and griechisch-romische Altertumskunde
ihre bereits bestehenden ausgezeichneten Ver-
bindungen weiterpflegen.
Der Krebsforschung kommt im Rahmen der Ver-
einbarung ebenfalls grof3e Bedeutung zu.
An der Unterzeichnung nahmen Vizeprasident
Prof. Dr. W. Steinitz, Akademiemitglied Prof. Dr.
G. Rienacker, Generalsekretar der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin, Akademie-
mitglied Prof. Dr. E. Correns, Direktor des Insti-
tuts fur Faserstoff-Forschung, sowie wissen
schaftliche Mitarbeiter der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin teil.
Die Bulgarische Akademie der Wissenschaften
war durch Akademiemitglied Prof. Dr. Nikolai
Stojanov, Generalsekretar der Bulgarischen Aka-
demie der Wissenschaften, Akademiemitglied
Prof. Dr. Straschimir Dimitrov, Sekretar der
Klasse fur Geologie, Geographie and Chemie,
Akademiemitglied Prof. Dr. Petko Stainov, Sek-
retar der Klasse fur Wirtschafts- and Rechts-
wissenschaften, and Herrn Kruger Milovanov,
Leiter der Abteilung fur Auslandsbeziehungen
der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften,
vertreten.
Vom Ministerium fur Auswartige Angelegen-
heiten der Deutschen Demokratischen Republik
war Herr Behling anwesend, von der Botschaft
der Volksrepublik Bulgarien in der Deutschen
Demokratischen Republik Herr Kulturattache
Manafski.
Akademie der Rumanischen Volksrepublik
Am 19. Oktober unterzeichneten in Bukarest in
Vollmacht des Presidiums der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin Prof. Dr.
G. Rienacker, Generalsekretar, and in Vollmacht
des Presidiums der Akademie der Rumanischen
Volksrepublik Akademiker Iorgu Iordan eine
Vereinbarung uber die Durchfuhrung der wissen-
schaftlichen Zusammenarbeit fur das Jahr 1958.
Tschechoslowakische and Slowakische Akademie der Wissenschaften
Am 21. 11. 1957 wurde in Prag eine Vereinbarung
uber die wissenschaftliche Zusammenarbeit fur
das Jahr 1958 zwischen der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin and der Tschecho-
slowakischen and Slowakischen Akademie der
Wissenschaften unterzeichnet. Fur die Deutsche
Akademie der Wissenschaften zu Berlin sig-
nierte Akademiemitglied Prof. Dr. K. Noack,
Sekretar der Klasse fur Chemie, Geologie and
Biologie, fur die Tschechoslowakische Akademie
der Wissenschaften Vizeprasident Prof. Dr.
J. Bohm and fur die Slowakische Akademie der.
Wissenschaften Akademiker.I. Stanek.
Im einzelnen wurde die wissenschaftliche Zu-
sammenarbeit an 19 Forschungsthemen fest-
gelegt.
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3.. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 323
Ungarische Akademie der Wissenschaften
Am 14. November 1957 wurde in der Deutschen
Akademie der Wissenschaf ten zu Berlin eine Ver-
einbarung fiber die wissenschaftliche Zusammen-
arbeit fur das Jahr 1958 mit der Ungarischen
Akademie der Wissenschaften unterzeichnet. .
Die Ungarische Akademie der Wissenschaften
war durch Prof. Dr. P. Gomori, korrespondieren
des Mitglied der Ungarischen Akademie der
Wissenschaften, Sekretar der Kiasse fur Medizin,
Herrn 0. Toekes, Leiter des Sekretariats des Pre-
sidiums der Ungarischen Akademie der Wissen-
schaften, Frau I. Pallo, Oberreferentin der Aus-
landsabteilung der Ungarischen Akademie der
Wissenschaften,+ vertreten.
Von der Deutschen Akademie der Wissenschaften
zu Berlin nahmen Herr Vizeprasident Prof. Dr.
W. Steinitz, Akademiemitglied Prof. R. Rompe
sowie die Herren Dr. H. Wille, _ Referent der
Klassefur Chemie, _Geologieund Biologie, and
Dr. L. Mendel, Referent der Klasse Mr. Medizin,
teil.
Alle Vereinbarungen tragen den gleichen Cha-
rakter. Sie dienen der Gemeinsamkeit der Ziele
der wissenschaftlichen Unternehmungen, einer
Vertiefung and Verbesserung der Zusammen-
arbeit and der Festigung der Freundschaft der
Wissenschaftler, denn von den Ergebnissen der
Forschung erhoffen - die Volker eine reichere
Lebenshaltung and die Moglichkeit zur Befrie-
digung hoherer materieller and kultureller Be-
dii.r f nisse.
Das Internationale Geophysikalische Jahr 1957/58
Wissenschaftler der Deutschen Demokratischen Republik beteiligen sich an
Expeditionen des Internationalen Geophysikalischen Jahres
Das Nationale Komitee der Deutschen Demo-
kratischen Republik fur das Internationale Geo-
physikalische Jahr hat bei der Aufstellung des
nationalen Forschungsprogramms auch die Teil-
nahme von Wissenschaftlern der Deutschen De-
mokratischen Republik an einer Reihe der im
Rahmen des Internationalen Geophysikalischen
Jahres geplanten Expeditionen erortert and be-
fiirwortet. Einige der ins Auge gefaBten Plane,
so eine Beteiligung an der internationalen Gron-
landexpedition nach Eismitte, der letzten. von
Alfred Wegener errichteten Inlandeisstation, and
eine Beteiligung am meteorologischen Programm
einer von der Siidafrikanischen Union unterhal-
tenen Station in Siidwest-Afrika, scheiterten zwar
an den bekannten politischen Isolierungsver-
suchen, dafiir aber erhielt das Nationale Komitee
der Deutschen Demokratischen Republik
mehrere Angebote, sich an sowjetischen Ex-
p'editionen zu beteiligen. Es handelt sich dabei
um insgesamt drei, eine ozeanographische auf
dem Forschungsschiff ,Michail Lomonossow",
das auf der Rostocker Neptun-Werft vom Stapel
lief, and um zwei glaziologische Expeditionen
in das Gebiet des Fedtschenko-Gletschers mit
Ausgangsbasis Taschkent and in das Alma-Ata-
Gletschergebiet mit Ausgangsbasis Alma-Ata.
Die erste Expedition sieht eine Reihe von mehr-
wochigen Forschungsfahrten auf dem Atlantik
vor, wobei sich die Fahrtrouten bis an die Grenze
des arktischen Gebietes einerseits, bis an den
Aquator andererseits erstrecken. Probleme der
langen Flutwellen des Meeres, der Schwankun-
gen des Meeresspiegels, der Zirkulationsstromun-
gen, des Meereschemismus and der Meeresbio-
logie sowie Messungen der Wassertemperatur,
des Salzgehaltes, der Komponenten des Warme-
haushalts der Ozeane and der Driftbewegungen
des Meereises werden den Inhalt des umfang-
reichen ozeanographischen Expeditionspro-
gramms bilden. Auch Peilungen der atmospha-
rischen Storungen, der sogenannten Sferics, der
weitentfernten elektrischen Entladungen in Ge-
wittern oder in der Kaltluft entfernter Tiefdruck-
gebiete gehoren zum Programm der Expedition.
Erwahnenswert ist in diesem Zusammenhang
ein interessanter, erstmals unternommener Ver-.
such, these Sferics von zwei Endpunkten einer
beweglichen Basis anzupeilen; einen dieser End-
punkte bildet die feste Potsdamer Peilstation,
den anderen das Peilgerat an Bord der ,Lomo
nossow".
Die ?letztgenannte Aufgabe fallt u. a. in das
Forschungsprogramm der Teilnehmergruppe der
Deutschen Demokratischen Republik, die sich
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324 MITTEILUNGSBLATT
aus sechs Spezialisten, Ozeanographen, Meteo-
rologen and Ingenieuren zusammensetzt. Am
12. 11. 1957 Sind folgende Wissenschaftler aus
der Deutschen Demokratischen Republik mit der
,,Lomonossow" abgereist:
Dr. Bruns, Seehydrologischer Dienst der Deut-
schen Demokratischen Republik,
Dr. Skeip, Hauptobservatorium des Meteoro-
logischen and Hydrologischen Dienstes der
Deutschen Demokratischen Republik.
Dr. Hinzpeter, Hauptobservatorium des Me-
teorologischen and Hydrologischen Dienstes.
der Deutschen Demokratischen Republik,
Dipl.-Met. Hup f er, Karl-Marx-Universitat
Leipzig,
Ing. Wankowski, Wissenschaftlich-technisches
Biiro fur Geratebau,
Ing. Terp, Wissenschaftlich-technisches Biiro
MirGeratebau.
Diese Gruppe wird gegen Jahresende nach
Deutschland zuriickkehren.
An weiteren Aufgaben der deutschen Gruppe
Sind vorgesehen: Warmehaushaltsbestimmungen
des Ozeans and der dariiber befindlichen Luft
sowie Untersuchungen zur Dynamik des Nord-
atlantik bis 500 m Tiefe, der Feinstruktur der
Temperatur, des Salzgehaltes and Messungen der
erdmagnetischen Komponenten mittels eines
neuen Seemagnetographen.
Auch an den beiden glaziologischen Expeditionen
werden sich im Jahre 1958 neun his zwolf Spe-
zialisten der Deutschen Demokratischen Repu-
blik beteiligen. Ein fotogrammetrisches Mc13-
programm wird unsererseits den Schwerpi nkt
der Untersuchungen bilden. Mittels eines neuen
3. Jahrgang, Heft 11/12
Aufnahme- and Auswertgerates hoher Prazision
der C.-Zeiss-Werke Jena sollen einige der wich-
tigsten Gletscher der UdSSR in den genannten
Gebieten exakt vermessen werden. Auch Be-
stimmungen des Warmehaushalts. der Gletscher
and Eisdickemessungen mittels seismographischer
Methoden stehen im Forschungsplan der Teil-
nehmergruppen der Deutschen Demokratischen
Republik.
Die unmittelbare Zusammenarbeit mit den
Wissenschaftlern der UdSSR innerhalb des Inter-
nationalen Geophysikalischen Jahres erstreckt
sich dartiber hinaus auf das Satelliten-Pro-
gramm, das den wichtigsten Komplex des welt-
weiten Forschungsunternehmens bildet. Zur Zeit
werden nach Verhandlungen mit dem Astro,-
nomischen Rat der Akademie der Wissenschaf-
ten der UdSSR eigens fur these Zwecke drei spe-
zielle Satellitenbeobachtungsstationen in der
Deutschen Demokratischen Republik errichtet,
and zwar an der Sternwarte Sonneberg/Thurin-
gen, am Astrophysikalischen Observatorium and
Geodatischen Institut in Potsdam and am Obser-
vatorium fiir Ionospharenforschung in Kiihlungs-
born. Diese mit Spezialfernrohren aus der UdSSR
ausgertisteten Stationen werden in nachster Zeit
die positionsastronomischen Aufgaben des Satel-
litenprogramms fiir das Gebiet der Deutschen
Demokratischen Republik durchfiihren, d. h. die
exakten Ortsbestimmungen der Satelliten vor-
nehmen, die.zur Berechnung der Satellitenbahnen
erforderlich Sind.
Prof. Dr. H. PHILIPPS
Sekretar des Nationalen Komitees der DDR fur das
Internationale Geophysikalische Jahr
Die kiinstlichen Erdsatelliten
Wir alle stehen in diesen Tagen unter dem Ein-
druck eines wahrhaft historischen Ereignisses.
Zurn ersten Male ist dem Menschen der VorstoB
in den Weltenraum gegltickt. AuBer unserem
Mond kreisen jetzt zwei weitere Satelliten um
unsere Erde, zwei Korper, die von Menschen er-
dacht, von Menschenhand gefertigt and von Men-
schentechnik in eine vorher berechnete Bahn ge-
lenkt wurden. Was friiher reine Utopie war, was
erst seit etwa zehn Jahren als ein neues Gebiet,
die Astronautik, ernsthaft durchdacht wurde, ist
Wirklichkeit geworden. Die dadurch aufgewor-
fenen Fragen enthalten chemische, physikalische,
meteorologische,. geophysikalische, astronomische
and - da auch schon ein Lebewesen, ein Hund,
den VorstoB in das All mitmacht - sogar medi
zinische Probleme. Hier sei das Ereignis vom
Standpunkt eines Astronomen aus betrachtet.
Befordern wir einen Korper geniigend hoch and
geben ihm dort eine geeignete Geschwindigkeit,
so braucht nur der erreichte Ort and die ihm
dort verliehene Geschwindigkeit nach Richtung
and Gro3e bekannt zu sein, um seine Bahn zu
berechnen. Diese wenigen Worte enthalten be-
reits eine Fiille von Problemen der Raketen-
technik. Deren Sache ist es, den angestrebten
Endpunkt der Raketenbahn and ihre End-
geschwindigkeit bzw. die Anfangsbedingungen
fur den frei gewordenen ?Sputnik", wie er jetzt
allgemein genannt wird (Begleiter, Reise-
gefdhrte), so genau zu erreichen, da3 die vorher
berechnete Bahn auch eingeschlagen wird. Es
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 325
mull eine solche Hohe erreicht werden, daB der
Korper aul3erhalb von Resten der Atmosphere
bleibt, die ihn durch Bremsung gefahrden konn-
ten. Ferner mull die dort erreichte Geschwin-
digkeit bestimmte Bedingungen erfiillen. Fur
jede Entfernung vom Erdmittelpunkt gibt es
einen bestimmten Bereich, innerhalb dessen die
Gr6f3e der Anfangsgeschwindigkeit des Sputnik
liegen mull. Ist sie zu gering, so fellt er auf die
Erde zuriick, ist sie zu hoch, so verlel3t er den
Anziehungsbereich der Erde and verschwindet
auf einer Hyperbelbahn ohne Wiederkehr in den
Raum. Innerhalb dieser Grenzen der Geschwin-
digkeit bleibt der Korper auf einer Ellipse, in
deren einem Brennpunkt der Erdmittelpunkt
steht..
Aber auch die Richtung der Anfangsbewegung
darf gewisse Grenzen nicht uberschreiten. Sie
soll moglichst parallel zur Erdoberflache gerichtet
sein, senkrecht zur Richtung zum Erdmittelpunkt.
Weicht sie zu weit nach oben oder unten davon
ab, so bleibt die Bahn zwar eine Ellipse, wird
aber zu langgestreckt. Der der Erde nachste Teil
der Bahn kommt dieser so nahe, daB der Sputnik
durch Bremsung an der Luft zu langsam wird
and abstiirzt. Dabei wurde er das Schicksal von
Nleteoren erfahren, er wurde durch diese Rei-
bung gliihend werden, verdampfen, meist auch
zerspringen. Nur von dem weft grof3eren zweiten
Sputnik konnten dann einige kleine Reste die
Erde erreichen. Diese Reibung tritt zwar erst in
etwa 100 km Hohe oder darunter auf, die Hohe
des Korpers mul3te aber ein Mehrfaches davon
bleiben, damit nicht bei jedem Umlauf eine
schwache, aber immer wiederholte Bremsung
eintritt, die dann doch einmal zur Katastrophe
fiihrt. Auch die seitliche Richtung der Anfangs-
bewegung mull der Vorausberechnung ent-
sprechen, sonst ware eine Auffindung des Ob-
jektes and seine Verfolgung zweifelhaft. All
diese Bedingungen sind offenbar beim ersten;
Sputnik, wohl auch beim zweiten, gut inne-
gehalten worden, sonst ware seine anfangs gar
nicht erwartete Lebensdauer nicht erreicht wor-
den.
Wir waren oben davon ausgegangen, daB bei
Kenntnis der Anfangsbedingungen der Sputnik-
bahn diese berechnet werden kann. Die dazu
entwickelte, mathematisch nicht besonders
schwere Methode setzt aber die Verhaltnise vor-
aus, vie sie sonst im Sonnensystem herrschen:
Die Abmessungen der Korper, auch die der
Sonne selbst, sind, verglichen mit den gegen-
seitigen Entfernungen, so klein, daB jeder Planet
als Massenpunkt betrachtet werden darf and eine
etwa vorhandene Unregelmaf3igkeit seiner Ge-
stalt in seiner Schwerkraft nichts ausmacht. Dies
trifft sogar noch weitgehend auf das System
Erde-Mond zu, aber bestimmt nicht mehr auf
die Erde gegenuber dem Sputnik. Sie ist keine
Kugel, sondern an den Polen abgeplattet, was
besonders bei der gegen den Aquator sehr steilen
Bahn (65?) des Sputnik fiihlbar wird. Ferner
wissen wir aus anderen Kapiteln der Himmels-
mechanik, daB unsere Erde kein starrer Korper
ist and dab sich ihre Masse im Innern keines-
wegs streng symmetrisch verteilt. Bei seiner
grolen Nahe wird der Sputnik von den nachsten
Teilen des Erdkorpers viel starker angezogen als
von den entfernteren. Zusammen mit der un-
regelmaBigen Massenverteilung mull dies ein
dauerndes Schwanken der auf ihn ausgeubten
Anziehungskraft in GroBe wie in Richtung be-
deuten, ein Problem, dem die Astronomie zum
erstenmal in solcher Nahe gegenubersteht. Der
Mond stort zwar auch den Sputnik in seiner
Bahn, doch wird dieser EinfluB mit den bis-
herigen Mitteln, wenn auch umstendlich, zu be-
rechnen sein.
Umgekehrt geben uns aber obige Schwierigkeiten
ein Mittel in die Hand, die Ursachen der zu er-
wartenden Veranderungen der Bahn, die Un-
regelmaf3igkeiten im Bau der Erde, zu bestim-
men. Allerdings gehort dann eine weit genauere
Beobachtung der Orter des Sputnik dazu, die
bei einem so schnell bewegten Objekt nicht leicht
ist. Aber das ist eine aul3ere Frage der Technik,
die von den sowjetischen Astronomen schon in
Angriff genommen wurde.
Hier haben wir die Frage angeschnitten, was der
erreichte Fortschritt den Wissenschaften ver-
spricht, freilich auch, welche Schwierigkeiten
neu auftauchen werden. Neben einer mit viel
theoretischer Arbeit verbundenen Untersuchung
des Innern der Erde, vielleicht auch ihrer Defor-
mierbarkeit, ergibt sich eine Fiille von Fragen,
die wir auf dem Grund des Luftmeeres unvoll-
kommen oder gar nicht erforschen konnen. Von
Instrumenten, die durch keine Atmosphere ver-
hiillt sind, konnen wir Aufschliisse fiber die
Strahlung der Sonne and verschiedener Teile
ihrer Oberflache, z. B. der Flecken, erhalten, die
viele Probleme losen and neue uns stellen wer-
den. Wir werden die im Weltraum vielleicht
auch ohne Sonne schon vorhandene Strahlung,
etwa die radioaktive, neher kennenlernen and
ihre Wirkung auf die Materie erproben. Wir
werden das Spektrum, von dem vor allem das
kurzwellige Ende durch unsere Atmosphere stark
geschwecht oder ganz abgeblendet wird, in seiner
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326 MITTEILUNGSBLATT
ganzen Lange sehen. Es ist nicht zu iiberblicken,
welche Fortschritte der Physik davon zu erwar-
ten Sind. Wenn wir auf den zukunftigen Satel-
liten auch Instrumente, z. B. Fernsehkameras,
durch Funkbefehle in jede gewunschte Richtung
bringen konnen, werden wir die uns bisher stets
verborgene RUckseite des Mondes im Funkbild
kennenlernen. SchlieBlich werden wir durch die
bereits begonnene Beobachtung von Lebewesen
im freien Weltraum erfahren, welche Folgen bei
dauerndem Aufenthalt im Zi stand der Schwere-
losigkeit and unter all den anderen fremden
Bedingungen eintreten. Es ist wiederum nicht
zu iibersehen, welche neuen Aufschliisse fur die
Medizin die Folge sein werden.
3. Jahrgang, Heft 11/12
Wir befinden uns im ersten Anfang einer ganz-
lich neuen Entwicklung. Sie wird uns anfangs
vielleicht fur Jahre mehr Schwierigkeiten als
neue Resultate bringen. Die kurze Aufzahlung
von Moglichkeiten will auch vom astronomischen
Standpunkt bei weitem nicht vollstandig sein,
sie soil nur einen Begriff geben, in welcher Rich-
tung die sich neu abzeichnenden Wege verlaufen
konnten. Von den zwei winzigen neuen Korpern
im All wird uns viel versprochen, an uns liegt
es, wieviel davon erfiillt wird.
Prof. Dr. A. KAHRSTEDT
Direktor der Sterrnwarte Babelsberg
Aus der Arbeit der Institute
Die DDR - Mitgliedstaat des Vereinigten Instituts fur Kernforschung in Dubna
In vielen kernphysikalischen Laboratorien der
ganzen Welt untersucht man gegenwartig die
Eigenschaften der Elementarteilchen, von denen
man sich eine tiefere Einsicht in die Natur der
Kernkrafte erhofft. Alle uns bekannten Elemen-
tarteilchen werden in Kernreaktionen bei hohen
and hochsten Energien erzeugt. I
Wie kaum auf einem anderen Gebiet der mo-
dernen Physik wurde bei der Erforschung der
Elementarteilchen in den letzten zehn Jahren
eine Vielzahl bedeutsamer Entdeckungen ge-
macht. So sei als Beispiel der Nachweis des Anti-
protons durch Segre and seine Mitarbeiter im
Jahre 1955 genannt. Die Mehrzahl der neuen
Elementarteilchen wurde in der - kosmischen
Strahlung entdeckt. Von eminenter Bedeutung
fur die Untersuchungen sind jedoch die groBen
Beschleunigungsmaschinen, mit deren Hilfe sich
Protonen auf grol3e Geschwindigkeit bringen
Lassen. Die Maschinen ermoglichen die kiinst-
liche Erzeugung der Elementarteilchen mit merk-
lichen Intensitaten and damit eine systematische
Erforschung ihrer Eigenschaften.
fin Vereinigten Institut fur Kernforschung in
Dubna bei Moskau befindet sich die gr6l3te bisher
fertiggestellte Beschleunigungsanlage. Dieses so-
genannte Synchrophasotron gestattet die Be-
schleunigung von Protonen von 10 Milliarden
Elektronen-Volt.
1 Unter dem Begriff Elementarteilchen sind Teilchen
wie Elektronen, Protonen, Neutronen, Mesonen and
Hyperonen zusammengefal3t.
Bekanntlich gehort auch die Deutsche Demokra-
tische Republik zu den Mitgliedstaaten des Ver-
einigten Institutes fur Kernforschung. Unter den
in unserem Staate im Zusamenhang mit dem Ver-
einigten Institut in Dubna durchgefiihrten Auf-
gaben befindet sich der Bau einer Anlage zur
Entwicklung groBer photographischer Emulsions-
pakete im Kernphysikalischen Institut der Aka-
demie in Zeuthen. Zum Verstandnis fur die Be-
deutung dieser Anlage mochte ich kurz auf die
photographische Platte als kernphysikalisches
Nachweisinstrument eingehen.
Neben -Zahlern, Nebel- and Blasenkammern ist
die sogenannte Kernemulsion zu einem unent-
behrlichen Prazisionsinstrument in der Kern-
physik geworden, mit dessen Hilfe sich die-Eigen-
schaften einzelner Teilchen untersuchen lassen.
Die ~Bahn eines geladenen Teilchens in der Emul-
sion erscheint nach der Entwicklung als eine
regelmaBige Folge von Silberkornern. Die Be-
trachtung and Untersuchung der Spuren erfolgt
unter dem Mikroskop bei 100 bis 2000facher Ver-
groBerung. Insbesondere ist zur Untersuchung
von hochenergetischen Prozessen ein moglichst
groBes Aufzeichnungsvolumen notwendig. Daher
verwendet man Emulsionspakete, die aus 100
bis 300 tragerfreien Emulsionsschichten.bestehen,
wobei das Volumen einer Schicht zur Zeit bis zu
400 X 250 X 0,6 mm3 betragt. Die Moglichkeit der
Bearbeitung einer wissenschaftlichen Aufgabe
mit einem Emulsionspaket hangt entscheidend
von einer einwandfreien Entwicklung ab. Sie
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.3. Jahrgang, Heft. 11/12
MITTEILUNGSBLATT 327
verlangt unter anderem eine vollig gleichmal3ige
reproduzierbare Entwicklung in der ganzen Tiefe
jeder einzelnen Emulsionsschicht. Die Dicke einer
Kernemulsion ist etwa 100mal grol3er als die der
normalen photographischen Emulsion. Daraus re-
sultiert, daB die fur die Entwicklung einer Schicht
notwendige Zeit ca. 10 Tage betragt. Die Expo-
nierung eines groBen Emulsionspaketes im Strahl.
einer Beschleunigungsmaschine dauert hochstens
einige Stunden. Fur die Entwicklung in unserer
Anlage - einer der grof3ten ihrer Art in
Europa - werden jedoch etwa 4 Wochen benotigt.
Eine kleinere Anlage befindet sich in Dubna, so
daB dem Vereinigten Institut fur Kernforschung
zwei Entwicklungsanlagen zur Verfiigung stehen
werden. Das in unserem Institut am Aufbau der
Anlage arbeitende Kollektiv hofft, die ersten
Emulsionen zu Beginn des kommenden Jahres
entwickeln zu konnen.
Im Marz d. J. fand in Dubna eine wissenschaft-
liche Konferenz des Vereinigten Institutes statt.
Auf dieser Konferenz wurde unter anderem auch
die erste gemeinsame experimentelle Forschungs-
aufgabe festgelegt, an der die Laboratorien einiger
Mitgliedstaaten beteiligt sind. Gemeinsam mit
den Laboratorien Dubna, Prag and Warschau
untersuchen wir den Einfang negativer K-Me-
sonen durch die Atomkerne der Kernemulsion.
Es sollen Aussagen? uber den Einfangmechanis-
mus and die Eigenschaften der nach der Reak-
tion emittierten Sekundarteilchen gewonnen wer-
den. Vor kurzer Zeit fand in Warschau eine Ar-
beitsbesprechung zwischen den Vertretern der
beteiligten Laboratorien statt, auf der die experi-
mentellen Resultate and die Vorschlage zu ihrer
Auswertung diskutiert wurden. Diese Gemein-
schaftsarbeit soil im kommenden Friihjahr ihren
AbschluB finden.
Die gesamte bisherige gerneinsame Forschungs
tatigkeit hat sich sehr fruchtbar auf die Tatig-
keit unserer Gruppe ausgewirkt. Wir sind daher
sehr an einer weiteren Vertiefung unserer Ver-
bindungen zu den entsprechenden Laboratorien
der Mitgliederstaaten interessiert, insbesondere
im Hinblick auf die Arbeitsmoglichkeiten, die sich
durch das Synchrophasotron in Dubna ergeben.
Dr.K..LANIUS
Wissenschaftlicher istent
Leiter der Arbeitsgruppe Kosmische Strahlung
Kernphysikalisches Institut Miersdorf
Am 16. 7. 1957 versammelten sich bei strahlen-
dem Sonnenschein die 56 am Bau des ersten
Laborgebaudes fur das Institut fir vergleichende
Pathologie tatig gewesenen Handwerker auf der
Baustelle in Berlin-Friedrichsfelde, um in einer
kleinen Feier die Richtkrone auf dern neuen Ge-
baude anzubringen. Als Gaste hatten sich der
Sekretar der Klasse fur Medizin, Prof. Dr. K. Loh-
mann, der Justitiar der Akademie, Herr Dr.
D. Schuster, and der Stab der Bauleitung der
Akademie sowie alle Angehorigen des Instituts
fur vergleichende Pathologie eingefunden. Nach
dem Richtspruch des Zimmermannpoliers and
einer kurzen Ansprache des , Institutsdirektors
Prof: Dr. J. Dobberstein wurde gefeiert.
Dieser fur das noch recht junge Institut be-
deutungsvolle Tag moge hier als AnlaB genom-
men werden, denjenigen, denen das Institut bis-
her unbekannt war, durch einige erlauternde
Worte eine Vorstellung fiber seine Art and seine
Aufgaben zu vermitteln.
Das Institut fur vergleichende Pathologie ist das
erste and einzige seiner Art in ganz Europa. Ihm
sind innerhalb der medizinischen Forschung be-
sondere Aufgaben zugewiesen. Die Pathologie als
Lehre von den Krankheiten allgemein wurde zu-
erst fast ausschlief3lich am Menschen studiert,
his vor nun etwa 160 bis 170 Jahren die Ve-
terinarpathologie hinzukam, die sich in erster
Linie mit den wirtschaftlich wichtigen Erkran-
kungen unserer Haustiere beschaftigt. Die Ve-
terinarpathologie baute dabei in erster Linie auf
den am Menschen gewonnenen Erkenntnissen
auf. Im Verlauf der Forschung stellte sich dann
deutlich heraus, daB es eine ganze Reihe von
Krankheiten gibt, die sowohl beirn Menschen als
auch bei den Haustieren and freilebenden Tieren
vorkommen. Hieraus ergibt sich fur die ver-
gleichende Pathologie die Aufgabe, diese Krank=
heiten in ihrem Verhalten bei den verschiedenen
Tierarten genauer zu verfolgen, urn auf these
Weise allgemeine Erkenntnisse uber ihr Wesen,
wie den Krebs oder die Tuberkulose oder die
Poliomyelit?s oder andere weit verbreitete
Krankheiten, zu gewinnen. Besonderes Interesse
beanspruchen dabei jene Krankheitsgruppen, die
in erster Linie beim Tier vorkommen, fur die
aber auch der Mensch empfanglich ist and die
man ganz allgemein meist als Zoonosen be-
zeichnet. Hierzu gehoren z. B. der Milzbrand and
die Tollwut. Erst wenn man das Verhalten des
Milzbrandes bei den verschiedenen Tierarten ge-
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 11/12
nauer studiert hat, wird man ein wirkliches Ver-
standnis fur die beim Milzbrand des Menschen
auftretenden Krankheitserscheinungen and patho-
logisch-anatomischen Veranderungen gewinnen
konnen. Um these Aufgaben losen zu konnen,
wurde auf Anregung von Nationalpreistrager
Prof. Dr. Dr. h. c. J. Dobberstein, Inhaber des
Lehrstuhls fur Veterinarpathologie an der Ve-
terinarmedizinischen Fakultat der Humboldt-
Universitat, im Jahre 1952 zunachst eine Arbeits-
gruppe fur vergleichende Pathologie.geschaFfen,
aus der im Jahre 1954 das Akademie-Institut fur
vergleichende Pathologie hervorging. Die vor-
iibergehende behelfsm0ige Unte'rbringung er-
wies sich im Laufe der Entwicklung des Instituts
bald als vollig unzureichend, so daB mit der vor-
gesehenen Errichtung eines eigenen Instituts-
gebaudes schnellstens begonnen werden muBte.
Nach Uberwindung grof3er Schwierigkeiten bei
der Beschaffung eines geeigneten Baugelandes
konnte endlich im Marz 1957 mit den Aus-
schachtungsarbeiten fur das erste Laborgebaude
in Berlin-Friedrichsfelde, in unmittelbarer Nahe
des Tierparks, angefangen werden. Dem nun in-
zwischen richtfertig gewordenen ersten Labor-
gebaude soll im kommenden Jahr der Aufbau
eines weiteren Laborgebaudes sowie eines Ver-
suchstierstalles folgen.
Dr. R. IPPEN
Wissenschaftlicher Oberassistent
Institut fur vergleichende Pathologie
Kollegenbesuch auf dem Burgwall von Behren-Lubchin, Kr. Teterow
Das Institut fur Vor- and Friingeschichte unserer
Akademie and das Museum 'fur Ur- and Friih-
geschichte in Schwerin sind seit dem 1. August
1956 mit gemeinsamen, groBangelegten Unter-
suchungen auf dem slawischen Burgwall von
Behren-Lubchin, Kreis Teterow, beschaftigt, der
durch die Funde einwandfrei in das 11. and
12. Jahrhundert datiert wird.
Wir haben hier- eine Wallkonstruktion iri einer
durch die Lage im Moor bedingten ausgezeich-
neten Erhaltung angetroffen. Infolgedessen konn-
ten alle Einzelheiten mit Sicherheit ermittelt
werden. Starke eichene Planken, die nebenein-
ander standen and eine Wand bildeten, begrenz-
ten den Wall nach innen. Die Auf3enfront war
ebenfalls durch mehrere solche Plankenwande
befestigt. Diese Wallkonstruktion, die in ?Stab-
bau" ausgefuhrt ist, bildet bei slawischen Be-
festigungen, die zumeist in Blockbau ausgefuhrt
waren, ein volliges Novum. -
Infolgedesen haben bis jetzt zahlreiche Kollegen
die Grabung besichtigt. Zu erwahnen sind ins-
besondere die Herren Prof. Dr. Hensel, Direktor
des Instituts fur die Geschichte der materiellen
Kultur der Polnischen Akademie der Wissen-
schaften, Prof. Dr. Rajewski, Direktor des Staats-
museums fur Vorgeschichte in Warschau, Dr.
Poulik,, Direktor der Zweigstelle Briinn des
Archaologischen Instituts der Tschechoslowaki-
schen Akademie der Wissenschaften, Prof. Jon
Nestor, Mitglied der Akademie der rumanischen
Volksrepublik and Vertreter unseres Faches an
der Universitat Bukarest, ferner die westdeut-
schen Forscher Dr. Schindler, Hamburg, and Dr.
Haarnagel, Wilhelmshaven, der zur Zeit eine
Grabung in der Wurte von Feddersen-Wierde
durchfiihrt. Weitere Anmeldungen liegen vor.
Der Besuch Prof. Jon Nestors war fur uns eine
besonders groBe Freude. Er hatte in Berlin an
der Universitat and dem Staatlichen Museum
fur Vor- and Friingeschichte Ende der 20er Jahre
einen groflen Teil seiner Ausbildung erhalten.
Seit dieser Zeit ist er einer der besten Freunde
der deutschen Vorgeschichtsforschung geblieben.
Es war daher fur ihn wie fur uns eine freudig
begrul3te Gelegenheit; bei seinem Besuch--die
alten Beziehungen zu erneuern and neue anzu-
kniipfen. Erinnert sei noch daran, daB seit den
Tagen C. Schuchhardts and Hubert Schmidts sich
zwischen dem Berliner and dem Bukarester Mu-seum enge freundschaftliche Beziehungen ent-
wickelt and zu gemeinsamen Ausgrabungen in
Rumanien gefuhrt hatten. Im Vordergrunde stand
dabei die Untersuchung in der jungsteinzeit-
lichen Siedlung von Cucuteni bei Jassy.
Prof. Dr. W. UNVERZAGT
Akademiemitglied
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT- 329
Zur Geschichte des Vorabends der Novemberrevolution
Ein Sammelband des Instituts fur Geschichte zum 40. Jahrestag der Grof3en Sozialistischen
Oktoberrevolution
Unter der redaktionellen Leitung von Prof. Dr.
Albert Schreiner hat das Institut fiir Geschichte
an der Deutschen Akademie der Wissenschaften
zu Berlin kiirzlich einen Sammelband heraus-
gegeben, betitelt ?Revolutiondre Ereignisse und
Probleme in Deutschland wahrend der Periode
der Grof3en Sozialistischen Oktoberrevolution
1917/1918". Es ist der 6. Band der Schriften-
reihe I (Deutsche und allgemeine Geschichte)
des obengenannten Instituts, den es in den fiber
11/2 Jahren seines Bestehens der Offentlichkeit
vorlegt.
AnlaB dieses gut ausgestatteten Buches war der
40. Jahrestag der Grof3er Sozialistischen Oktober-
revolution. Wir haben es hier jedoch nicht mit
einer nur auf3erlichen Widmung zu tun; das welt-
bewegende Ereignis der erstmaligen Errichtung
einer Arbeiter-und-Bauern-Macht beeinfluBte die
Situation in Deutschland nachhaltig. Die wech-
selseitige Wirkung der russischen und deutschen
Entwicklung vom Sturz 'des ' Zarismus bis zur
Novemberrevolution war Air die Geschichte bei-
der Volker, vor allem Aber for das deutsche Volk
von aul3erordentlicher, weittragender Bedeutung.
Diesen Fragenkomplex haben die Autoren da-
her besonders in ihrer Erforschung und Darle-
gung wesentlicher Aspekte der deutschen revo-
lutionaren Bewegung vom Februar 1917 bis zum
November 1918 beriicksichtigt.
Das Anliegen der Publikation wird von Prof. Dr.
Schreiner in seiner Einleitung erlautert. Er hebt
hervor, daB Bich die Notwendigkeit einer Arbeit
wie dieser aus einem Vergleich der siegreichen
proletarischen Revolution und dem Aufstieg der
sozialistischen Gesellschaft in der UdSSR mit
dem tragischen Ablauf der deutschen Geschichte
im gleichen Zeitraum ergibt. Warum gelang es
der Arbeiterklasse in der Novemberrevolution
nicht, den deutschen Imperialismus zu stiirzen?
Bis in die heutige Zeit wirken die damaligen
Fehler, denn die alten imperialistischen Krafte
bauen in Westdeutschland wieder ihre Macht-
positionen zum Unheil des deutschen Volkes aus.
Prof. Dr. Schreiner bezeichnet es als eine erst-
rangige Aufgabe der marxistischen Geschichts-
forschung, die Ursachen fur these Entwicklung
aufzudecken.
Diese Ursachen wurzeln in hohem Maf3e in den
Taten und Unterlassungen der zwanzig hier ge-
schilderten Monate, in dem Grad der ideolo-.
gischen Reife des deutschen Proletariats und
seiner Fiihrer. Der Inhalt des _Werkes hat des-
halb nichts mit einer beschonigenden, verein-
fachenden Geschichtsdarstellung gemein. Die
Verfasser waren ernsthaft bemiiht, den wahren
Ablauf des Geschehens zu erforschen und zu
analysieren. Dabei sti tzen sie sick vor allem auf
reichhaltiges, interessantes, groBtenteils noch
unbekanntes Archivmaterial sowie auf zeitge-
nossische Veroffentlichungen.
Der Sammelband enthalt 6 Beitrage von zumeist
noch jungen Historikern. Davon befassen sich
zwei Monographien mit revolutionaren Vor-
gangen des Jahres 1917 (Heinrich Scheel: Der
,Aprilstreik 1917 in Berlin, Hans Joachim Bern-
hard: Die Entstehung einer revolutionaren Frie-
densbewegung in der deutschen Hochseeflotte
im Jahre 1917) ; zwei weitere behandeln Hohe-
punkte im Jahre 1918 (Walter Bartel: Der Januar-
streik 1918 in Berlin, Kurt Zgisler: Die revolu-
tionare. Matrosenbewegung in Deutschland im
Oktober/November 1918). Die beiden letzten Bei-
trage (Albert Schreiner/Gunter Schmidt: Die
Ratebewegung in Deutschland bis zur November-
revolution, Robert Leibbrand/Klaus Mammach:
Die Stellung der Arbeiterparteien in Deutschland
zu einigen Problemen der GroBen Sozialistischen
Oktoberrevolution) erganzen und vertiefen die
erstgenannten Arbeiten, indem sie wesentliche,
z. T. umstrittene Probleme des. Vorabends der
deutschen Revolution in umfassender Weise be-
antworten.
Bestimmte Erscheinungen dieser Zeit, in der die
Novemberrevolution heranreifte, treten im Buch
besonders plastisch hervor.
Wir erleben die wachsende Revolutionierung der
Massen mit, deren HaB und Zorn gegen die herr-
schenden Klassen sich zur revolutionaren Kampf-
bereitschaft verdichtete. Der revolutionare Atem
der Zeit ist spiirbar. Die schopferische Aktivitat
der Fabrikarbeiter und der Matrosen der Hoch-
seeflotte fiihrte zur Entstehung revolutionarer
Kampforgane, der Rate, die in ihrer Entwicklung
stark von den russischen Sowjets beeinfluf3t wur-
,den, aber ihre historische Ursache in der objek-
tiven Reife der deutschen Verhaltnisse zur Revo-
lution hatten.
Auf diesem revolutionaren Hintergrund wirkten
die Fiihrer der deutschen Arbeiterbewegung.
Ein groBer Vorzug der einzelnen Beitrage ist,
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 11/12
daB sie das Handeln der Fiihrer der SPD, der
USPD and der Linken wahrend der aufeinander-
folgenden Phasen sichtbar werden lassen. Wah-
rend die rechten and zentristischen Fiihrer die
revolutionaren Massen in alien entscheidenden
Augenblicken verrieten, war and bleibt es das
historische Verdienst der Spartakusgruppe and
der Bremer Linken, als einzige die notwendigen
revolutionaren Forderungen erhoben and kon-
sequent vertreten zu haben. Sie allein erkannten
die revolutionaren Umwalzungen in RuBland in
ihrer ganzen Bedeutung and als richtungweisend
fur Deutschland an, sie allein verstanden, daB
die Unterstiitzung der russischen Revolution and
der revolutionare Kampf gegen den deutschen
Imperialismus gegenseitig bedingt waren and in
gleicher Weise der Zukunft des deutschen Volkes
dienten. Daneben wird aber in jeder der hier
veroffentlichten Arbeiten das Verhangnis deut-
lich, daB die Linken es unterlief3en, rechtzeitig
eine eigene, marxistische Partei zu schaffen, um
ihre prinzipiell richtigen Kampflosungen in der
Arbeiterklasse durchzusetzen.
Vorhandene M ingel sollen nicht verschwiegen
werden, doch sind sie untergeordneter Art. Nicht
selten weisen die Beitrage eines Sammelbandes,
aus verschiedener Feder stammend, ein unter-
schiedliches Niveau auf. So auch bier. Einmal
stilistisch, wobei aber gerade bier gerechterweise
gesagt werden mull, daB die sprachlichen Schwa-
then in ein oder zwei Arbeiten (z. B. bei H. Bern-
hard) vor allem im Vergleich zu den anderen
auffallen, die von einer hohen Sprachkultur
zeugen (siehe besonders H. Scheel). Das Heran-
ziehen von Quellen ist unterschiedlich. Auch in-
haltlich geht die Sicht manchmal nicht uber den
begrenzten Gegenstand hinaus, so bei K. Zeisler,
der von einer Organisation der revolutionaren
Matrosen 1918, die von H. Bernhard fur Mitte
1917 nachgewiesen wird and die doch nicht voll-
standig zerschlagen wurde, praktisch nichts be-
richtet.
Es sind jedoch die Vorziige des Werkes, die den
bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Auswer-
tung ergiebiger Geschichtsquellen hat es den
Verfassern gestattet, sich iiberzeugend mit sozial-
demokratischer and burgerlicher Literatur aus-
einanderzusetzen and Entstellungen der revo-
lutionaren Traditionen der Arbeiterklasse zu
berichtigen. Die Forschungsergebnisse, die Aus-
sage and die Polemik in- diesem Sammelband
schlieBen Liicken, beantworten wesentliche Pro-
bleme oder bringer sie der Klarung naher, er-
moglichen fundierte Einschatzungen, regen zu
fruchtbaren Diskussionen an.
Damit ist ein wertvoller Beitrag zur deutschen
Geschichtswissenschaft geleistet worden.
M. KOLLING
Wissenschaftliche Assistentin
Institut Mr Geschichte
Zur Statistik fiber die wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Forschungsinstituten
der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Der. Altersaufbau der wissenschaftlichen Mitarbeiter
Der Altersaufbau der wissenschaftlichen Mit-
arbeiter der Akademie wird getrennt nach natur-
wissenschaftlichen and gesellschaftswissenschaft-
lichen Instituten dargestellt, da zwischen beiden
grol3e Unterschiede bestehen.
Der Altersaufbau der Naturwissensch aftler zeigt
eine klare' Gliederung. Bis zum 30. Lebensjahr
uberwiegt die Gruppe der 'Assistenten, umfaBt
jedoch langsam abnehmend noch wesentliche
Teile bis zum Jahrgang 38. Alter als 38 Jahre
sind nur noch 5 0/? der Assistenten.
Die Gruppe der Oberassistenten setzt mit dem
27. *Lebensjahr ein, erreicht ihre grof3te Zahl
zwischen dem 28. and 32. Lebensjahr and sinkt
allmahlich bis zum 36. Lebensjahr. Alter als 36
Jahre sind noch 20 ?/a der Oberassistenten, sie
verteilen sich auf die verschiedensten Alters-
stufen.
Die Gruppe der Wissenschaftlichen Mitarbeiter
beginnt - von Ausnahmen abgesehen - mit
dem 28. Lebensjahr, dominiert zwischen dem
33. and 45. Lebensjahr and verringert in den
hoheren Jahrgangen ihren Anteil zugunsten der
leitenden Mitarbeiter.
Das Durchschnittsalter der Assistenten betragt
30 Jahre, der Oberassistenten 33 Jahre, der Wis-
senschaftlichen Mitarbeiter 40 Jahre and der
leitenden Mitarbeiter 50 Jahre.
Wesentlich ungiinstiger ist die altersmafiige Zu-
sammensetzung der gesellschaftswissenschaft-
lichen Institute. Hier dominiert die Gruppe der
Assistenten bis zum 37. Lebensjahr eindeutig.
Alter als 38 Jahre sind noch'] 5 0/e aller Assisten-
ten. Sie verteileri sich willkurlich auf die Jahr-
gange 39 bis '65. Oberassistenten, Wissenschaft-
liche Mitarbeiter and leitende Mitarbeiter ver-
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3. jahrgang, Heft_ 11/12 MITTEILUNGSBLATT
Altersaufbau der wissenschaftlichen
73
72
71 Mitarbeiter der
7
6i - rrmn
naturwissenschaftlichen Institute
JANR6
7e
72
76
69
68
Altersaufbau der wissenschaftlichen
Mitarbeiter der
gesellschaftswissenschaft!. Institute
66
as
6
3
63
62
67
67
60
59
56
57
56
55
5c
53
51
57
49
? Leitende Wissenschaftler(llu dardber)
? (eitende Mitarbeiter (llu. daruber)
48
Wissenschaftl. Mitarbeiter (IO-I)
? Wissenschaf . Mitarbeiteraff-I)
46
Oberassistenten(IN)
p nberassgstenten (I0)
t5
t3
Ass,stenten (III VV)
? Assistenten(15-liP)
42
Q
40
39
37
teilen Bich auf die Jahrgange 28 bis 78, ohne eine
klare, mit dem Lebensalter zusammenhangende
Gliederung erkennen zu lassen.
Das Durchschnittsalter ist bier wesentlich hoher
als bei den Naturwissenschaftlern. Es betragt bei
den Assistenten 32;3 Jahre, bei den Oberassisten-
ten 40,5 Jahre, den Wissenschaftlichen Mitarbei-
tern 47 Jahre and den leitenden Mitarbeitern
55 Jahre.
Wissenschaftlicher Referent an der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu. Berlin
Tagungs- and Reiseberichte
44. Sitzung der Indian Science Congress Association
In der Zeit vom 14. bis 20. Januar 1957 fand in
Calcutta (Indien) die 44. Sitzung der Indian
Science Congress Association statt. Die Deutsche
Akademie der Wissenschaften zu Berlin sandte
auf Grund einer Einladung der indischen Regie-
rung zwei Vertreter zu diesem Kongref, Aka-
demiemitglied Prof. Dr. W. Ruben and mich.
Von kleinsten Anfangen im Jahre 1914, dem
Grundungsjahr der Indian Science Congress
Association, entwickelte sich die Gesellschaft zu
heute internationaler Bedeutung, die indischen
Wissenschaftler umfassend, die auf den Gebieten
Mathematik, Statistik,.Physik, Chemie, Technik,
Geologie, Geographie, Botanik, Zoologie and
Entomologie, Anthropologie and Archaologie,
Medizin and Veterinarmedizin, Landwirtschafts-
wissenschaften, Physiologie and schlieBlich Psy-
chologie and Erziehungswissenschaft tatig Sind.
Die Gesellschaft will. helf en, -der indischen Wis-
senschaft laufend neue Impulse and Richtlinien
zu geben, sie will die Verbindung aller wissen-
schaftlich Interessierten in alien Teilen des gro-
Ben Landes sicherstellen, and schlieBlich ver-
sucht sie, ttbelstande, die den Fortschritt der
Wissenschaften hindern, zu beseitigen. Als
.Hauptveranstaltung findet jahrlich einmal in
einer der bedeutenden indischen Stadte eine
Tagung statt, auf der neu gewonnene wissen-
schaftliche Erkenntnisse zur.Diskussion gestellt
werden, ahnlich den Gepflogenheiten in euro-
paischen Landern. Vom Wachstum der Gesell-
schaft zeugt die jahrlich zunehmende Teilneh-
merzahl. Im Jahre 1914 existierten 6 Sektionen,
an den Sitzungen nahmen 100 Wissenschaftler
teil, and 35 Vortrage wurden gehalten. Im Jahre
1957 weist die Gesellschaft 14 Sektionen auf, die
Teilnehmerzahl war auf fiber 2000 Wissenschaft-
ler gestiegen, and mehr als 1200 Arbeiten wur-
den vorgetragen:
Welche auBerordentliche Bedeutung die indische
Regierung dieser Gesellschaft beimiBt, geht allein
schon daraus hervor, daB der indische Premier-
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332 MITTEILUNGSBLATT
3. Jahrgang, Heft 11/12
minister Nehru and die Gouverneurin von West- Kristallstruktur and der kosmischen Strahlung
bengalen, Frau Padmaja Naidu, im Prasidium vor. Im Vordergrund Standen ferner Diskussionen
des Kongresses,unter uns Glisten aus aller Welt um . Kernreaktionen, den Tscherenkow-Effekt
and der Kongrefleitung sitzend, an der Eroffnung and Mef3methoden mit Geiger-Muller-Zahlern.
der Session teilnahmen and auch selbst das Wort Das Halbleftergebiet kam im wesentlichen durch
ergriffen. Der Akzent aller Eroffnungsansprachen einen zusammenfassenden Vortrag uber neuere
lag in der wiederholten Aufforderung an alle Ergebnisse an Kupferoxydul, den der Leiter der
Wissenschaftler, ihren Teil beizusteuern an der Sektion Physik, Prof. Dr. Dixit, selbst hielt, zur
Entwicklung einer menschlichen Gesellschaft, in Geltung. Die physikalischen Vortrage, and nur
der man in Frieden and in Harmonie mit der hieriiber darf ich mir ein Urteil anmaien, hatten
Natur and mit alien Menschen leben kann. alle ein gutes Niveau and zeugten von der beacht-
Die Gaste waren in einer besonderen Gasteliste lichen physikalischen Tradition des Landes, die
verzeichnet. Es nahmen Wissenschaftler aus mit den Namen Raman, Bose, Bhaba and Saha
Belgien, Bulgarien, Canada, China, Frankreich verbunden ist. Man muB dabei bedenken, daB
Deutschland, Grof3britannien, Jsipan, Jugoslawien, erst 1911 in Bangalore ein indisches, staatlich
Pakistan, Polen, Rumanien, Schweden Thailand, unterstiitztes Forschungsinstitut gegrundet
der Tschechoslowakei, der Sowjetunion and den wurde, das u. a. auch Forschungen auf dem Ge-
Vereinigten Staaten von Amerika teil. Neben biete der Physik treiben konnte. t1ber die Jahre
dem Prasidenten der Akademie der Wissen- hinweg, bis zur Selbstandigkeit Indiens, blieb
schaften der UdSSR, Herrn Nesmejanow, traf die staatliche Unterstutzung gering. Nachteilig
man Herrn Marton vom Bureau of Standards, machte sich ferner die schwache industrielle
Washington, Herrn Kaischew, unser korrespon- Entwicklung des Landes bemerkbar, so daB auch
dierendes Mitglied aus Sofia, Herrn Herzberg, den von der Industrie her keinerlei Ansto3 fur die
bekannten Spektroskopiker aus Canada, Herrn physikalische Forschung kam. Um so hoher ha-
Spencer Jones, den britischen Astronomen, and ben wir die Leistungen der genannten, inter-
viele andere bekannte Wissenschaftler. Wahrend national anerkannten Physiker Indiens zu werten.
der Eroffnungszeremonien wurden die Gaste Erst nach 1947 wurde mit dem Aufbau einer An-
Premierminister Nehru einzeln vorgestellt. zahl von nationalen Laboratorien unter der Lei-
Der KongreB wurde durch eine Ausstellung wis- tung des Rates fur wissenschaftliche and indu-
senschaftlicher Gerate bereichert, von der offen- strielle Forschung begonnen. 14 solcher Labora-
bar unsere Handelsvertretungen in Indien keine torien sind in den vergangenen Jahren entstan-
Notiz genommen hatten; die Deutsche Demo- den, wobei die Hauptaufgabe dieser Laborato-
kratische Republik hatte leider hicht ausgestellt. rien die Beseitigung der Kluft zwischen der wis-
An der Ausstellung beteiligten sich etwa 35 Fir= senschaftlichen Forschung and der Anwendung
men aus den Landern Grof3britannien, Indien ihrer Ergebnisse zur Steigerung des Volkswohl?-
selbst, den Niederlanden and den USA. Die Zahl standes sein'soll. Besonders interessant ist unter
der auslandischen Firmen uberwog naturgemaf3 diesen Instituten das von Prof. Krishnan gelei-
der schwachen Industrialisierung Indiens wegen. tete Laboratorium, das Bich mit elektronen-
Im Verlaufe des Kongresses, der in den zum mikroskopischen and spektroskopischen Fragen
Science College Calcutta gehorenden Instituten. sowie mit Fragen der Festkorperphysik ein-
fur angewandte Chemie, fur angewandte Phy- schlieBlich der Halbleiter befaf3t. Weiterhin spielt
sik, fur Kernphysik, fur Radio-Physik and Elek- das Institut fur Kernphysik and Radiophysik an
tronik and im Bose-Institut stattfand, standen der Universitat in Calcutta eine besondere Rolle.
26 mathematische, 83 physikalische, 325 che- Das Kernphysikalische Institut besitzt ein Zyklo-
mische, 99 geologische and geographische, 188 tron. 'Das Bose-Institut in Calcutta arbeitet auf
botanische, 97 zoologische and entomologische dem Gebiete der Physik der Hochpolymeren and
and 95 medizinische and veterinarmedizinische der kosmischen Strahlung.
Beitrage zur Diskussion. Es war also ein wahr- Es scheint mir trotzdem wert, als auffallig zu
haft riesiges Programm zu bewaltigen. verzeichnen, daB die angewandte Physik auf dem
Als Vertreter der Physik lag es fur mich nahe, KongreB zu schwach in Erscheinung trat, so, als
vornehmlich die angeschnittenen physikalischen seien sich die indischen Physiker der Bedeutung,
Fragen zu verfolgen. Man ti ug vorwiegend iffier die' gerade dieser physikalischen Disziplin im
die Probleme der thermischen Leitung in Gas- Rahmen einer nationalen Volkswirtschaft zu-
gemischen, uber Fragen der Molekiilspektro- kommt, noch nicht voll bewuBt. Man sollte
skopie and Behr eingehend uber solche der hoffen, da3 auch in Indien durch die Fiinfjahr-
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 333
plane (der zweite wurde soeben gestartet) Bo-
wie durch das Studium der Erfahrungen in in-
dustrialisierten Landern der ?angewandte Phy--
siker" viel starker zum Nutzen der indischen
Volkswirtschaft gefordert werden wird. Immer-
hin mull man bemerken, dal sich auf dem Sek-
tor der Kernforschung offensichtlich des volks-
wirtschaftlichen Nutzens wegen, den these Dis-
ziplin fur die Zukunft verspricht, ein auf3er-
ordentlich reges Leben entfaltet hat. So entsteht
in Bombays Vorort Trombay gerade ein zweiter
Forschungsreaktor, der im Laufe des Jahres 1958
in Betrieb genommen werden soli and den der
Premierminister am 20. 1. 1957 einweihte. Der
erste Atomreaktor vom Swimming Pool-Typ
arbeitet bereits seit Sommer des Jahres 1956.
In Trombay entstand ein ganzes Kernforschungs-
zentrum mit einer Anzahl von Laboratorien, die
in folgende Gruppen eingeteilt sind: theore-
tische Physik, Kernphysik, Reaktorkontrolle,
Elektronik, Strahlenschutz, Strahlenchemie,
Atomtechnik mit den Unterabteilungen Metall-
urgie, Ingenieurtechnik and Reaktorbetrieb.
Auf dem Gebiet der Chemie scheinen die Ver-
haltnisse giinstiger zu liegen, denn von den 325
auf dem Kongrel3 behandelten Themen der
Chemie betrafen 38 Probleme die industrielle,
also ausgesprochen angewandte Chemie, and in
einigen Vortragen wurden Fragen der chemischen
Apparatetechnik sowie methodische Fragen,
spektroskopischer and anderer Art, angeschnit-
ten. Mitteilungen fiber spektrophotometrische
Untersuchungen nahmen einen breiteren Rah-
men ein, des weiteren solche fiber polarogra-
phische Abmessungen and uber Ergebnisse aus
der Komplexchemie. Heterogeneren Inhalts
waren d:e vorgetragenen Arbeiten auf dem Ge-
biete der analytischen and der physikalischen
Chemie sowie der organischen and der Bio-
chemie.
Einige der Gaste boten Beitrage in Form lingerer
Berichte. Als besonders bemerkenswert mogen,
die Ausftihrungen von' Herrn L. Marton, USA,
?Measuring with electrons" and von Herrn
G. Herzberg,. Canada, ?Spectroscopy of free
radicals" hervorgehoben werden. Mein Beitrag,
der leider wegen verspateter Information durch
die Organisationsstellen nicht ins Tagungspro-
gramm aufgenommen werden konnte, ,Some
recent advances in the photoelectric field" fiihrte
zu naherer Bekanntschaft mit Herrn Marton and
schliellich zu einer Einladung nach Washington
im Laufe des. nachsten Jahres, um dort fiber bei
uns erzielte Forschungsergebnisse vorzutragen.
Jeder der Gaste des Kongresses wurde aufge-
fordert, nach seinem Wunsche and nach seinem
Plane noch einige Tage bzw. Wochen das Land
zu bereisen. Ich wahlte mir eine Reiseroute uber
Darjeeling im Norden Indiens, dann uber New
Delhi and Agra nach Bombay. In kurzen Worten
die Fiille der Eindriicke dieser Reise wie i1ber-
haupt meiner ganzen Indienreise zu beschreiben,
vermag ich nicht. Der Anblick der Achttausen-
der von Darjeeling aus, die Begegnung mit dem
Pantschai- and dem Dalai-Lama in Calcutta, die
festlichen Vorbereitungen zum 8. Befreiungs-
tage Indiens, die ich in New Delhi, das mit
seinem imposanten Bauten das freie Indien ver-
korpert, erlebte, die Turme des Schweigens in
Bombay, das grol3te Liebesdenkmal der Welt,
Tadsch-Mahal- in Agra, sind von mir nur will-
kiirlich ausgewahlte Erlebnisse, die mich tief be-
eindruckten, konnen aber nicht im geringsten
den Umfang des Gesamterlebnisses wider-
spiegeln.
Das grol3te Erlebnis aber war mir der indische
Mensch. Wahrend der Tagung and wahrend
meines folgenden weiteren achttagigen Aufent-
Fi.altes widmeten sich mir die indischen Gast-
geber in solch natiirlicher and liebenswiirdiger
Art, dal3 mir der Begriff der herzlichen Gast-
freundschaft der indischen Menschen zutiefst be-
wuf3i wurde. Uns Deutschen aus der Deutschen
Demokratischen Republik trat man in aufge-
schlossenster Weise entgegen and verhehlte nicht
die Sympathie, die der indische Mensch unserem
Lande gegeniiber empfindet. Ich mochte meinen
Bericht schliellen mit dem Appell, den Mill Pad-
maja Naidu als Gouverneurin Westbengalens an
alle Wissenschaftler der Welt richtete and der
in den Worten gipfelte: .
Mogen die Wissenschaftler die Biirgschaft, indi-
viduell and kollektiv, ubernehmen, dap die
Erkenntnisse der Wissenschaften nirgends in der
Welt benutzt werden durfen, um die Heiligkeit
des Lebens zu verletzen.
Prof. Dr. P. GORLICH
Akademiemitglied
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334 MITTEILUNGSBLATT
3. Jahrgang, Heft 11/12
Generalversammlung der URSI in Colorado
Zusammen mit sechs Wissenschaftlern aus der Kommissionen gleichzeitig durchgefuhrt. Man
Deutschen Demokratischen Republik nahm der konnte sich also in der Hauptsache nur einem
Unterzeichnete an der Tagung der URSI (Union Teilgebiet widmen und nur bei besonders with-
Radio Scientific International) in Boulder in tigen Themen die Vortrage der Nachbargebiete
Colorado teil. Die Union - fur wissenschaft- besuchen. Die Vortragstage waren mit Kurzvor-
liches Radio - hat das Ziel, die Forschung der tagen reichlich ausgestattet. Nicht selten waren
verschiedenen Lander auf dem Gebiete der elek- fur einen Nachmittag 15 bis 18 Vortrage ange-
trischen Wellen zusammenzufassen sowie eine setzt.
internationale Zusammenarbeit anzuregen und Die Diskussions- und Vortragstage waren durch
zu fordern. Die schnelle Entwicklung der Phy-
sik der elektrischen Wellen und die ungeheure ganztagige Exkursionen und Besichtigungen
Ausbreitung des Nachrichtenverkehrs haben unterbrochen. Eine der Fahrten fiihrte durch die
Probleme aufgeworfen, die nicht mehr von herrliche Bergwelt der Rocky Mountains - vor-
bei an einer riesigen Molybdanmine, in der
einem Institut oder einein Land allein befrie- Molybdanerz im Tagebau gefordert wird - fur
digend zu losen sind, sondern eine internationale das Sonnenobservatorium in Climax in 3 500 m
Zusammenarbeit dringend erforderlich machen.
Es sei zum Beispiel an Fragen der Wellenaus- Hohe. Dieses Institut unternimmt es, eine mog-
zufiihrenliickenlose t7berwachung der Sonne durch-
breitung, oder an das Studium der Ionosphare lichst
erinnert. Zur Untersuchung der taglichen Ver- , um besondere Ereignisse auf der
anderungen der ionospharischen Schichten und Sonne, wie Flecken, Fackeln, Protuberanzen und
der Storungen derselben ist ein weltweites Netz Eruptionen, zu registrieren und um diese Be
von Beobachtungsstationen und ein schneller obachtungen kurzfristig den Ionospharenstatio-
und ungehinderter Austausch der Messungen nen und, den Instituten fur Wellenausbreitung
zur Verfiigung stellen zu konnen. Das ausge-
notig. Ahnlich sind die Untersuchungen des sprochen gute Wetter mit 300 Sonnentagen im
atmospharischen Storpegels auf eine weitrau- Jahr pradestiniert sie fur diese Aufgabe. Auf der
mige Zusammenarbeit angewiesen. Auch die gleichen Fahrt hatten einige Teilnehmer auch
Fragen der Frequenzmessungen - der Frequenz- Gelegenheit, die Station fur Wellenausbreitung
normalien - verlangen internationale Vergleichs- des National Bureau of Standards auf dem Chey-
messungen. enne-Berg bei Colorado Springs zu besichtigen.
Da alle angefiihrten Probleme unmittelbar oder Ein 30-cm-Sender mit einer Klystronstufe von
mittelbar mit dem Programm des Internationalen 20 kW war hier der besondere Anziehungspunkt
Geophysikalischen Jahres zusammenhangen, ist der Besucher. Aul3erdem wurden die Abteilung
die URSI mit einer starken Kommission eng mit fur Wellenausbreitung des NBS, die Tieftempe-
dem Spezialkomitee fur das IGJ verknupft. ratur-Abteilung und die Abteilung fur Radio-
Auf3erdem sind die Fragen der elektronischen astronomie besichtigt.
Schaltungen, die. Fragen der Elektronik - so- Eine mehrtagige Autobusfahrt brachte gegen
weit diese die Erzeugung der elektrischen Wellen
betreffen -und das neue Gebiet der. Radio- Ende der Tagung die Teilnehmer zu den gewal-
astronomie Beschaftigungsgebiete der Union. tigen Taldurchbruchen des Colorado und des
Bei der besonderen Bedeutung, die der inter- Virgin-Flusses. Der Colorado hat Bich mit ver-
nationalen Zusammenarbeit auf dem Wissen- schiedenen Nebenfliissen in ein Plateau etwa
schaftsgebiet der URSI zukommt, ist es nicht 1000 m tief formlich eingesagt und ein gewal-
erstaunlich, daf3 die Generalversammlung in tiges Tal mit den seltsamsten Felsformationen
starkerem Mafle, als das bei anderen wissenschaft- gebildet. Die Fahrt wird allen in unvergefllicher
lichen Vereinigungen der Fall ist, ein grof3es Erinnerung bleiben.
Aufgebot von Wissenschaftlern aus vielen Natio- Im Anschlul3 an die Tagung war Gelegenheit ge-
nen vorwies. Es waren 26 Nationen vertreten, geben, in kleineren Gruppen weitere Institute
die insgesamt mehr als 700 Wissenschaftler ent- und Industrielabors zu besuchen. Von dieser
sandt hatten. Moglichkeit wurde von vielen Gasten je nach
Das Wissenschaftsgebiet der URSI ist in sieben der zur Verfiigung stehenden Zeit reichlich Ge-
Teilgebiete gegliedert, entsprechend diesen Teil- brauch gemacht._ Bei den Besuchen konnte man
gebieten wurde die Tagung auch von sieben sich meist in voller Offenheit fiber die laufenden
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Arbeiten and die angewandten Methoden.infor-
mieren..
Vergleicht man das wissenschaftliche Arbeiten
an unseren Instituten mit den Arbeiten an ent-
sprechend gleichstarken amerikanischen In-
stituten, so muB man feststellen, daB sowohl in
der Problemstellung als auch in der Arbeitsweise
keine allzu groBen Unterschiede bestehen. Ein
solcher Vergleich fallt nicht zu unseren Ungun-
sten aus. Bei einzelnen physikalischen Arbeiten
stechen gelegentliche GroBversuche hervor, die
haufig von Institutsgruppen gemeinsam durch-
gefuhrt werden and die einen groBen materiellen
Aufwand benotigen. So wurde zum Beispiel fur
die Untersuchung der Ultrakurzwellenausbrei-
Festkorperphysik and Physik der Leuchtstoffe
Vom 20. bis 24. Oktober 1957 fand in Erfurt eine
Arbeitstagung der Physikalischen Gesellschaft
mit dem Thema ,Festkorperphysik and Physik
der Leuchtstoffe" statt. Die Einladung der Physi-
kalischen Gesellschaft in der Deutschen Demo-
kratischen Republik hatten namhafte Wissen-
schaftler aus dem Ausland and aus beiden Teilen
Deutschlands angenommen. Aus der Vielzahl der
auslandischen Fachvertreter seien die schon von
friiheren ahnlichen Arbeitstagungen bekannten
Herren Professoren R. Kaischew (Sofia), T. Hoff-
mann (Budapest), E. Grillot (Paris) and A. Pie-
kara (Poznan) genannt. Die Teilnahme der auch
auf anderen Fachgebieten hervorragenden deut-
schen Wissenschaftler, der Professoren G. Hertz,
'R. Rompe, O. Stasiw and P. Gorlich, unterstrich
die Bedeutung der Tagung.
Nach ehrendem Gedenken des verstorbenen
Prof. Dr. F. Moglich, der these Tagung angeregt
hatte, begannen die Arbeitssitzungen. Die zu-
sammenfassenden Vortrage, die einen fberblick
fiber die Forschungsergebnisse der letzten Jahre
gaben, hielten Dr. J. Teltow uber Fehlordnung
and Transportvorgange in Ionenkristallen, Prof.
T. Hoffmann uber die atomistischen Theorien
des Schmelzens, Dr. H. Ortmann uber die Zen-
trenvorstellungen in ZnS-Phosphoren and Prof.
E. Grillot uber die Fluoreszenz des Excitons.
FachkongreB fur Tanzschrift and Volkstanzforschung
Unter dem Thema ,Tanzschrift and Volkstanz-
forschung" fand vom 1. bis 4. Oktober 1957 in
Dresden ein internationaler FachkonkreB statt,
der etwa 60 Tanzforscher aus Bulgarien, der
Deutschen 'Bundesrepublik,. der Deutschen
tung- ein viermotoriges Flugzeug mit drei 20-kW-
Sendern and einem ausfahrbaren Antennenmast
ausgestattet and damit uber Strecken von vielen
tausend Kilometern Ausbreitungsversuche unter-
nommen. Einen solchen Aufwand konnen wir
uns bei unseren Arbeiten nicht leisten. Neben
den GroBversuchen bleibt allerdings noch genii=
gend Raum fur wertvolle grundlegende Unter-
suchungen, die auch wir mit geringeren Mitteln
an unseren Instituten mit Erfolg aufnehmen
konnen.
Prof. Dr. O. HACHENBERG
Direktor des Heinrich-Hertz-Institutes
Die nach Arbeitsgebieten zusammengestellten
60 Einzelvortrage fi hrten von rein theoretischen
Untersuchungen and der, Grundlagenforschung,
bis zur unmittelbaren Anwendung in -der In-
dustrie.
Erwahnt seien die Arbeitsgruppe enter Leitung
von Prof. Dr. Stasiw, die an Silberhalogeniden;
den EinfluB von Storstellen auf die Eigenschaften
des festen Korpers untersucht., die Arbeitsgruppe
des Carl-von-Ossietzky-Werkes in Teltow, die,
die Herstellung and Anwendung von Halbleiter
bauelementen erforscht, die Gruppe, die unter
Leitung von Prof. Dr. Gorlich im VEB Carl Zeiss
arbeitet, Bowie die Lumineszenzforscher, deren'
Ergebnisse fur Fernseh- and Beleuchtungstech-
nik von grundlegender Bedeutung rind.
Der Wert der Tagung lag nicht zuletzt in den
durch- die Vortrage ausgelosten anregenden Dis=
kussionen and personlichen Aussprachen. Erste
Auswirkungen der Tagung zeigten sich bereits
kurze Zeit spater in Besuchen auslandischer Teil-
nehmer in verschiedenen Akademie- and Uni-
versitats-Instituten. DaB bei dieser Gelegenheit
auch bleibende personliche Verbindungen ge-
kniipft wurden, ist erfreulich festzustellen.
G. SCHEIDLER / M. HOHNE
Wissenschaftliche Assistenten
Demokratischen Republik, England, Jugosla-
wien, Polen, Rumanien, aus der Tschechoslowa-
kei and Ungarn zu interessantem Fachgesprach
and Gedankenaustausch zusammenfuhrte. Ver-
anstalter der Tagung waren das Institut fi r
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deutsche Volkskunde an der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin in Zusam-
menwirken mit dem Institut fir Volkskunst-
forschung beim Zentralhaus Air Volkskunst
Leipzig. Hauptanliegen der Tagung war es, Mir
die Aufzeichnung von Tanzen ein - ahnlich der
Musiknotenschrift - allgemein verbindliches
Notierungssystem zu finden. Nachdem der Volks-
tanzforscher Dr. Felix Hoerburger/Regensburg
in einem wohlfundierten Einleitungsvortrag die
Bedeutung der Tanzschrift fair die Volkstanz-
forschung sowie die damit zusammenhangenden
Fragen and Probleme, zu deren Klarung der
KongreB dienen sollte, umrissen hatte, berich-
teten namhafte Fachvertreter aus den. genannten
Landern in Vorlesungen and Referaten fiber
ihre Methoden der Volkstanzaufzeichnung and
besonders fiber die verschiedenen zur Zeit ge-
brauchlichen Notierungssysteme. Im Brennpunkt
des Interesses stand das. Tanzschriftsystem
Laban-Knust, das von. berufener Seite - durch
Albrecht Knust/Essen selbst - in-mehreren Vor-
lesungen (mit praktischen Demonstrationen) er-
lautert wurde. Daneben wurden einige andere
Systeme, so die von Prof. Stefan Toth/Brati-
slava auf der Grundlage der Labanschen Kineto-
graphie entwickelte slowakische Tanzschrift, das
tabulaturartige Notierungssystem der rumani-
schen Tanzforscherin Prof. Vera Proca Giortea
and die bulgarischen Systeme von Prof. Raina
Kacarova-Kukudova and Prof. Boris Zoneff Bo-
wie sprachlich beschreibende Aufzeichnungs-
methoden tschechoslowakischer Forscher zur
Diskussion gestellt. Beim Vergleich der verschie-
denen bisher entwickelten Schriftsysteme er-
wies sich die Kinetographie als die einzige Me-
thode, mit der es moglich ist, jede nur denkbare
Bewegung des menschlichen Korpers festzu-
halten, was von Albrecht Knust an verschie-
denen Beispielen europaischer Volkstanze, be-
sonders eindrucksvoll aber an einigen Kineto-
grammen balinesischer Mudras praktisch demon-
striert wurde. Wertvolle Erfahrungen fiber die
erfolg'reiche Anwendung der Kinetographie ver-
mittelten die Referate von Dr. Emma Lugossy/
Budapest (,,Die Rolle der Kinetographie in der
ungarischen Volkstanzforschung"), Maria Szent-
pal (,,Methodische and didaktische Probleme der
ungarischen Volkstanz-Kinetographie"), Prof.
Pino Mlakar/Ljubljana (,,Die Einfiihrung des
Laban-Knust-Systems in Jugoslawien"), Prof.
Cvjetko Rihtman/Sarajevo (,,Das Laban-Knust-
System in der volkskundlichen Forschung Jugo-
slawiens"), Roderyk Lange!Torun (,,Die Auf-
nahme der Kinetographie in die Forschungs-
arbeit der Polnischen Gesellschaft fiir Volks-
kunde, Sektion Torun") sowie Ann Hutchinson,
Leiterin des Dance Notation Bureau New York,
die leider nicht personlich an der Tagung teil-
nehmen konnte, aber zwei instruktive Referate
geschickt hatte (,,Tanzschrift-Systeme vor and
nach Laban" and ?Der Wirkungskreis des Dance
Notation Bureau New York").
Nach vielen, mit groBer Anteilnahme, man
mochte fast sagen mit Besessenheit gefiihrten
Diskussionen, die auch jedes abendliche Beisam-
mensein bestimmten and Bich oft bis in die
Nachtstunden ausdehnten, kamen die KongreB-
teilnehmer i berein, daB die Labansche Kineto-
graphie fir die Notierung and wissenschaftliche
Auswertung von Volkstanzen die ? geeignetste
Methode darstellt and daB sie in Zukunft fur
wissenschaftliche Publikationen in alien Lan-
dern eingefiihrt werden sollte. DaB die Volks-
tanzforschung zur allseitigen Erfassung der
Sachverhalte auf andere H:lfsmittel, wie z. B. den
Film, nicht verzichten kann, dari ber waren sich
alle Volkstanzforscher ebenso einig wie anderer-
seits fiber die Tatsache, dab der Film die mit der
schriftlichen Notierung verbundene Leistung des
Verstehens and Begreifens niemals zu ersetzen
vermag. Film and Kinetogramm haben sich in
gleicher Weise zu erganzen wie die klingende
Tonbandaufnahme and deren Ubertragung in
Notenschrift.
Mit diesen hier kurz angedeuteten Ergebnissen
hat der Dresdner KongreB die von den Tanz-
forschern aus Ost and West in ihn gesetzten Er-
wartungen durchaus erfiillt, wenn nicht iiber-
troffen. Er hat einen neuen Abschnitt sowohl in
der Geschichte der Kinetographie als auch in
der internationalen Zusammenarbeit auf dem
Gebiete der Volkstanzforschung erfolgverspre-
chend eingeleitet.
D. STOCKMANN
Wissenschaftliche Assistentin
Institut fur deutsche Volkskunde
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Am 15. Oktober flog eine Delegation der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
nach Bukarest, um dort eine Vereinbarung fiber
die Zusammenarbeit der Akademie der Ruma-
nischen Volksrepublik and der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin fur das Jahr
1958 abzuschlief3en. Der Leiter der Delegation
war der Generalsekretar der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin, Prof. Dr.
G. Rienacker. Ihr gehorten weiterhin an: der
Leiter des wissenschaftlichen Sekretariats der
Forschungsgemeinschaft, Dr. H. Wittbrodt, der
wissenschaftliche Referent der Klasse fur Spra-
chen, Literatur and Kunst, Prof. Dr. 0. Neuen-.
dorff, and der Leiter des Biiros fur gesamtdeut-
sche and Auslandsbeziehungen, Herr K.-H.
Schmidt. Da bereits fur das laufende Jahr ein
Vertrag mit der Akademie der Rumanischen
Volksrepublik besteht, verliefen die wohlvor-
bereiteten Besprechungen ganz im Sinne der
Verhandlungspartner. Von seiten der Akademie
der Rumanischen Volksrepublik schloB der be-
kannte Romanist Akademiker Jorgu Jordan in
Vertretung des erkrankten Akademieprasidenten
den Vertrag ab.
Hier soil nicht fiber die offiziellen Verhand-
lungen, sondern fiber einige Eindri cke der Reise
berichtet werden. Schon bei der Ankunft mit
dem Flugzeug zu spater Abendstunde zeigten die
hellerleuchteten Strallenzuge die weitraumige
Anlage der Auf3enbezirke, die dem Flughafen
benachbart sind. Vom Flugzeug aus sah man be-
reits das hell angestrahlte groflte Gebaude Ru-
maniens, das Haus der Scinteia, in dem das
Druck- and graphische Gewerbe untergebracht
ist. DaB das Buch and besonders das wissen-
schaftliche Buch in Rumanien eine groBe Rolle
spielt, zeigte sich gleich in den schonen neuen
Gebauden des Flughafens. Dort fiel uns als
erstes ein Schaukasten auf, in dem die Akademie
der Rumanischen Volksrepublik ihre Veroffent-
lichungen ausstellt. So begegneten wir einer Vi-
sitenkarte der Akademie, kaum daf3 wir unsere
File auf rumanischen Boden gesetzt hatten. Die
nachste Visitenkarte trafen wir in dem Hotel
im Stadtzentrum an, in dem wir ausgezeichnet
untergebracht waren. Auch hier lagen in der Ein-
gangshalle Veroffentlichungen der Akademie der
Rumanischen Volksrepublik aus. Der Eindruck,
dal3 die Akademie der Rumanischen Volks-
republik schon weit starker als bei uns das zen-
trale wissenschaftliche Organ des Staates ist,
Reise nach Bukarest
337
verstarkte sich auch weiterhin bei dem Besuch
wissenschaftlicher Institute. Ebenso wie bei uns
hat sich die Akademie in den Jahren nach 1945
stark entwickelt and hat gegeniiber der Vor-
kriegsakademie eine ganz neue Bedeutung ge-
wonnen.
Bei der Zusammensetzung der deutschen Dele-
gation, die aus einem Chemiker, einem Physiker,
einem Germanisten and einem Juristen bestand,
gaiten die wissenschaftlichen Besuche der ein-
zelnen Delegationsmitglieder ihrem Fach nach
ganz verschiedenen Instituten. Den Germanisten
interessierten besonders die philologischen
Unternehmungen, bei denen immer wieder auf-
fiel, in welch hohem Grade die wissenschaft-
lichen Bedi rfnisse in beiden Landern gleich-
laufen. Wahrend in Berlin ein Worterbuch der
deutschen Sprache der Gegenwart noch im Sta-
dium der Materialsammlung ist, liest eine grof3e
Zahl von Bukarester Mitarbeitern bereits die
Korrektur des vierten and letzten Bandes des
Worterbuches der rumanischen Gegenwarts-
sprache. Dieses Werk begann 1952 zu erscheinen
and wurde in einer erstaunlich kurzen Zeit
fertiggestellt. Das war allerdings nur moglich
auf Kosten des grol3en Rumanischen Worter-
buches, das fur Rumanien Ahnliches bedeuten
wird wie das Grimmsche Worterbuch fur uns.
Dieses grole Worterbuch wurde zuruckgestellt,
and seine Materialien wurden, soweit sie dazu
geeignet waren, fur das Worterbuch der Gegen-
wartssprache verwendet. Wie die Deutsche Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin am Goethe-
Worterbuch arbeitet, das in dem Puschkin-
Worterbuch der Sowjetischen Akademie ein
Parallel-Unternehmen hat, so arbeiten die ruma-
nischen Kollegen an einem Worterbuch ihres
Dichters Eminescu.
Wenn der Aufenthalt auch notwendig knapp be-
messen war, so ergab sich doch die Gelegenheit,
Eindri cke von der Stadt and der Bevolkerung
zu sammeln. Bukarest ist eine Stadt grol3er
Gegensatze, schon vom architektonischen An-
blick her, wo neben alten ein- oder zweistok-
kigen Gebauden unvermittelt ein Hochhaus aus
den dreifliger Jahren steht. Man hat den Ein-
druck, dalI viel geschieht, um die Stadt zu ver-
schonern. Der Putz der Fassaden ist durchgehend
frisch and sauber, and man sah viel Geriiste an
den Hausern. Auf den Straf3en ist das Bild
bunter als bei uns. Neben den stadtisch geklei-
deten Bukarestern sieht man die Landbevoike-
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rung in Pelzmutzen and Fellwesten. Besonders
aufgefallen ist uns das reiche volkskundliche Le-
ben, das die verschiedenen in Rumanien vertre-
tenen Volkerschaften entwickeln. Die Besichti-
gung eines Freiluft-Dorfmuseums, das die ver-
schiedenen Typen der Bauernhauser in Original-
gebauden auf einem parkartigen Gelande zeigt,
war in dieser Hinsicht besonders eindrucksvoll.
Eine Sonderausstellung der bedeutenden ruma-
nischen Maler Luchian, Grigorescu and Petra?cu
zeigte, daB die rumanischen Ki nstler in der
europaischen Malerei des 19. and des 20. Jahr-
hunderts ein gewichtiges Wort mitzureden
haben.
Unsere Reise fand ihren Abschluf3 mit einem
Ausflug in die Karpathen, der fiber Sinaia nach
Orasul Stalin (Kronstadt) and der alten unga-
risch-rumanischen Grenzburg Bran fuhrte. Die
Delegation ist der Akademie der Rumanischen
Volksrepublik zu allergrol3tem Dank verpflichtet
fur die uberwaltigende Gastfreundschaft, mit
der sie uns ermoglichte, in den wenigen Tagen
unseres Bukarester Aufenthaltes so reiche Ein-
dri cke zu sammeln.
Prof. DR. O. NEUENDORFF
Wissenschaftlicher Referent der Masse fur Sprachen,
Literatur and Kunst
Die Stimme des Volksvertreters
,Sozialistische
Am 13. September 1957 erschien die erste Aus-
gabe der Wochenzeitung ?Sozialistische Demo-
kratie". Sie ist das offizielle Organ des Aus-
schusses der Volkskammer fur die ortlichen
Volksvertretungen. Die Zeitung wendet sich an
alle Abgeordneten, Staatsfunktionare and dar-
i ber hinaus an alle Burger. fiber die Bedeutung
and die Aufgaben der ,Sozialistischen Demo-
kratie" fuhrte der President der Volkskammer,
Dr. Johannes Dieckmann, in einem Geleitwort
folgendes aus:
,,Wenn wir unsere sozialistische Demokratie nun
weiter and grol3zugig ausbauen and die Volks-
vertretungen alli berall, in den grol3ten Stadten
wie im kleinsten Dorf, in den Bezirken and in
alien Kreisen uneingeschrankt in die Position
der obersten Organe der Staatsmacht einsetzen
and durch ihr, ihrer Standigen Kommissionen
and ihrer Aktivs Wirken beharrlich das gesamte
Volk zur verantwortlichen Leitung seines Staates
fi hren, dann erweisen wir nicht nur uns selbst,
sondern auch unseren Bri dern and Schwestern
in Westdeutschland einen nationalen Dienst von
hochster Bedeutung.
Ich wul3te dem nunmehr in unser politisches
Leben tretenden Organ des Standigen Ausschus-
ses fur die ortlichen Volksvertretungen als GruB
auf seinen Weg nichts anderes and nichts Bes-
seres zu sagen als wiederum eben dieses. Das
neue Organ hat eine politisch sehr hoch einzu-
schatzende Aufgabe zu erfiillen, deren Bedeu-
tung schon dadurch gekennzeichnet ist, daB
seiner Existenz Beschliisse der Volkskammer zu-
grunde liegen (? 4 des Gesetzes fiber die Rechte
and Pflichten der Volkskammer gegenuber den
ortlichen Volksvertretungen and ? 8 der Arbeits-
ordnung des Standigen Ausschusses fur die ort-
lichen Volksvertretungen). Es di rfte ein wohl
bisher einmaliger Vorgang sein, daB ein Presse-
organ auf der Grundlage eines Gesetzes ins
Leben gerufen wird. Unser neues Organ hat also
einen gesetzlich verankerten Volksauftrag zu er-
fUllen - den namlich: mitzuhelfen, daB unsere
sozialistische Demokratie standig immer noch
tiefer im Bewul3tsein unserer Burger and vor-
nehmlich aller unserer Volksvertreter auf alien
Ebenen unseres Staatsaufbaues verwurzelt
wird..
Fur die erfolgreiche Erfullung dieses so bedeut-
samen Volksauftrages begleite ich das neue Or-
gan mit meinen besten Wunschen."
Die ?Sozialistische Demokratie" soll, so wie es
Dr. Dieckmann ausfiihrt, alien Volksvertre-
tungen in unserer Republik, jedem Abgeord-
neten and dari ber hinaus den Staats-, Wirt-
schafts- and Kulturfunktionaren ein wichtiger
Helfer werden. Sie wird anleitende and richtung-
weisende Artikel fur die ortlichen Organe der
Staatsmacht veroffentlichen and durch Berichte
fiber die Arbeit einzelner Volksvertretungen die
ortlichen Erfahrungen fur alle fruchtbar gestal-
ten. Die Zeitung wird auch fiber die Tatigkeit der
ortlichen Organe in der Sowjetunion and den
Volksdemokratien berichten.
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3. Jahrgang, Heft 11/12
Miszellen
Auf dem 11. Kongrefi der Internationalen Ver-
einigung fur den wissenscha f tlichen. Film in
Amsterdam im September dieses Jahres fanden
Filme aus der Deutschen Demokratischen Repu-
blik besondere Anerkennung in Form einer Aus-
zeichnung mit einem Diplom.
Akademiemitglied Prof. Dr. H. BERTSCH gab be-
kannt, daft an dem Film ?Diffusions- and Kon-
vektionsanomalien beim Stoffubergang an fiiissig-
flussig-Phasengrenzen", der im Auftrag des
Deutschen Zentralinstituts fur Lehrmittel her-
gestellt wurde, Dr. H. LINDE, Wissenschaft-
licher Mitarbeiter am Institut fur organische
Chemie der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin, Arbeitsgebiet grenzfldchen-
aktive Stoffe and Fettchemie, mitwirkte. Dr.
H. Linde stellte uns f olgende Erlduterung f iir
diesen Film zur Verfugung:
Beim Internationalen KongreB fur den wissen-
schaftlichen Film 1957 in Amsterdam wurde ein
Ausschnitt aus dem kurz vor der Fertigstellung
stehenden Forscfiungsfilm ?Diffusions- and Kon-
vektionsanomalien beim Stoffubergang an flussig-
fliissig-Phasengrenzen" . vorgefiihrt.
Der Film entsteht in Zusammenarbeit mit dem
Studio fur popularwissenschaftlichen Film der
DEFA in Babelsberg im Auftrag des Deutschen
Zentralinstituts fur Lehrmittel.
Mit Hilfe -von Schlierenfilmaufnahmen nach
Toepler and Philpot-Svensson and mikrosko-
pischen Kapillaraufnahmen werden die mit dem
Stoffubergang verbundenen Veranderungen in
unmittelbarer Nahe einer flussig-flussig-Phasen-
grenze sichtbar gemacht. Es wird gezeigt, daB
der Stoffubergang an flussig-flussig-Phasen-
grenzen bei Einsatz grenzflachenaktiver Stoffe
erheblich beeinfluBt werden kann.
Bei Zusatz gewisser grenzflachenaktiver Stoffe
im Phasengleichgewicht wird der Stoffubergang
an der Phasengrenze erheblich verlangsamt:.
Dies zeigt sich durch sehr steiles Konzentrations-
gefalle bzw. durch eine Unstetigkeit in der Kon-
zentrationsgradientenkurve an der Stelle des
langsamsten Stoffuberganges, in diesem Fall an
der Phasengrenze. Dagegen gehen bestimmte
grenzflachenaktive Stoffe selbst mit stark be-
schleunigter Geschwindigkeit fiber die Phasen-
grenze hinweg and Sind in der Lage, den Stoff-
Zwei Diplome
ubergang anderer Substanzen bei ihrem gleich-
zeitigen Stoffubergang zu beschleunigen.
Die Aufnahmen zeigen lebhafte spontane, von
der Grenzflache ausgehende Konvektionen. Die
Konzentrationsgradientenkurve wird in zwei
selbstandige Gradientenzacken geteilt, die von
der Phasengrenze ausgehend in die beiden
Phasen hineinwandern. Das bedeutet, daB die an
der Grenze aufgebaute and sick normalerweise
an dieser Stelle mit der Zeit verflachende Kon-
zentrationsfront durch die Anomalie in kurzer
Zeit in zwei Konzentrationsfronten in betracht-
lichem Abstand von der Phasengrenze aufgeteilt
wird.
Diese Erscheinung ist wahrscheinlich darauf zu-
riickzufiihren, daB nicht mehr Einzelmolekule
durch die Phasengrenze wandern, sondern daB
von den zur Phasengrenze diffundierenden
grenzflachenaktiven Molekiilen eine Grenzfla-
chenmicelle aufgebaut wird, die ihrerseits in-
stabil wird and als zusammenhangendes Gebilde
mit einem besonderen Mechanismus durch die
Phasengrenze bricht, um in der anderen Phase
aufgelost zu werden oder in Form von Micellen
erhalten zu bleiben. Zur Abgrenzung der Er-
scheinungen wurde auch ein Beispiel einer nor-
malen Dichtekonvektion demonstriert.
Aufierdem gab Akademiemitglied Prof. Dr.
K. SCHRODER, Direktor des II. Mathematischen
Instituts an der Humboldt-Universitdt zu Berlin,
bekannt, daf3 an den zwei in Amsterdam aus-
gezeichneten mathematischen Hochschul Flmen
Dr. H. KAISER, Oberassistent am II. Mathema-
tischen ? Institut der Humboldt-Universitdt, mit-
gearbeitet hat. Beide Filme ?Die hyperbolische
Geometrie auf der Pseudosphdre", and ?Zur To-
pologie der projektiven Ebene" wurden im
Zeichentrickverfahren vom DEFA-Studio fur
populdr-wissenschaftliche Filme in Babelsberg
hergestellt. Trickgestaltung: Hugo Cernik, Ka-
mera: Hannes Quauke, Manuskript and Anlei-
tung bei der Konstruktion der Trickvorlagen:
Hans Kaiser.
Auch Herr Dr. Kaiser hatte.- die Freundlichkeit,
uns Erlduterungen zu beiden Filmen zur Ver-
fiigung zu stellen.
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Die hyperbolische Geometrie auf der
Pseudosphare
Die ebene hyperbolische Geometrie unterschei-
det sich von der euklidischen dadurch, daB das
Parallelenaxiom in ihr nicht gilt, wahrend alle
ubrigen euklidischen Axiome in Kraft bleiben.
Zu einer Geraden gibt es hier durch einen nicht
auf dieser Geraden liegenden Punkt mehr als
eine Parallele. Die Existenz einer solchen nicht-
euklidischen Geometrie oder - anders gesagt -
die Unabhangigkeit des Parallelenaxioms von
den ubrigen nichteuklidischen Axiomen beweist
man durch Angabe einer Modellgeometrie, in der
sich der erwahnte axiomatische Sachverhalt
effektiv verifizieren laBt.
Wahrend die friiheren Filme ?Nichteuklidische
Geometrie I-III" die Veranschaulichung der
Modelle von Klein and Poincare and deren
Transformation ineinander zum Gegenstand
haben, befaft sich der vorliegende Film mit der
Interpretation der ebenen hyperbolischen Geo-
metrie auf den Flachen von konstantem nega-
tivem KrummungsmaB, wobei die Geraden als
die geodatischen Linien dieser Flachen erschei-
nen. Als eine solche Flache wird im Film die
sogenannte Pseudosphare benutzt, die als,Rota-
tionsflache der Traktrix von Huygens entsteht.
Nach einer figurlichen Erlauterung einiger Eigen-
schaften der Pseudosphare wird mit Hilfe eines
Abbildungsverfahrens der Zusammenhang zwi-
schen der Geometrie auf der Pseudosphare and
dem Poincareschen Modell der ebenen hyper-
bolischen Geometrie gezeigt, so daB der vor-
liegende Film eine unmittelbare Fortsetzung der
Filme ?Nichteuklidische Geometrie I-III" (Be-
wegungen der hyperbolischen Ebene in sich)
darstellt.
. Zur Topologie der projektiven Ebene
Die projektive Ebene entsteht aus der euklidi-
schen Ebene durch Hinzunahme der Punkte
einer uneigentlichen Geraden. - In analytischer
Darstellung ist ein Punkt der projektiven Ebene
die Klasse aller Tripel von reellen Zahlen, die
aus einem speziellen Tripel (x1, x2, x,), dessen
Koordinaten x1 nicht samtlich verschwinden,
durch Multiplikation mit einem von Null ver-
schiedenen Faktor hervorgehen. Eine Gerade
ist die Menge aller Punkte, 'deren Koordinaten
eine Linearform annullieren.
Um sich von der topologischen Struktur der pro-
jektiven Ebene eine Vorstellung zu verschaffen,
kann man Modelle der projektiven Ebene inner-
halb der euklidischen Geometrie betrachten.
Wenn man z. B. alle Tripel (x1, x2, x2), die einen
bestimmten Punkt der projektiven Ebene repra-
sentieren, als Punkte in einem raumlichen karte-
sischen Koordinatensystem deutet, so entspricht
einem Punkt der projektiven Ebene eine eukli-
dische Gerade durch den Koordinatenursprung,
and den Punkten einer projektiven Geraden
sind die euklidischen Geraden eines ebenen Bti-
schels zugeordnet, dessen Trager der Koordi-
natenursprung ist. Aus diesem Geraden-Ebenen-
biindel-Modell konnen durch topologische Ab-
bildungen Flachen im dreidimensionalen Raum
hergeleitet werden, die der projektiven Ebene
topologisch equivalent sind and durchweg ein-
seitige Flachen darstellen.'Insbesondere laBt sich
zeigen, daB hierzu auch die Einhiillenden der
Krummungskreise in einem elliptischen Flachen-
punkt gehoren.
Der vorliegende Film zeigt verschiedene topolo-
gische Modelle der projektiven Ebene, wobei die
Homoomorphie dieser Flachen durch kontinuier-
liche Deformationen der Flachen ineinander ver-
anschaulicht wird. Dabei wird von dem Gera-
denbiindel-Modell der projektiven Ebene aus-
gegangen and dieses topologisch auf eine Halb-
kugel mit diametral zu identifizierenden Rand-
punkten abgebildet. Die Halbkugel wird weiter
orthogonal zur Ebene ihres Randkreises auf these
Ebene unter Beibehaltung der Identifizierungs-
vorschrift projiziert. Durch weitere Deforma-
tionen and tatsachliche Vereinigung der zu iden-
tifizierenden Punkte gewinnt man schlieBlich
eine geschlossene Flache, die gestaltlich mit der
Enveloppe der KrUmmungskreise in einem ellip-
tischen Flachenpunkt ubereinstimmt. - Die Ein-
seitigkeit der erhaltenen Flachen wird an dem
Kreismodell der projektiven Ebene durch Bewe-
gung eines mit Richtungssinn versehenen Kreises
veranschaulicht.
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3. Jahrgang, Heft 11/12 MITTEILUNGSBLATT
Zum zweiten Male erschien das vom Deutschen
Institut fur Zeitgeschichte, Berlin, in. Verbindung
mit dem Verlag ?Die Wirtschaft" herausgegebene
Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Repu-
blik 1957.
Das stattliche Werk von 520 Seiten Umfang glie-
dert sich in vier Teile. Teil I behandelt die geogra-
phische Lage, Bevolkerungsfragen, Altersaufbau
und Bevolkerungsbewegung.
Teil II als. umfangreichster Teil bringt Kapitel
uber Innenpolitik, Aul3enpolitik, Volkswirtschaft,
Volksbildung, Wissenschaft und Technik, Kultur,
Sport sowie ?Berlin" und ?Deutsche Bundes-
republik".
Die Darstellung der Entwicklung der Innen-
politik der Deutschen Demokratischen Republik
im Jahre 1956 spiegelt die weitere Festigung der
Arbeiter-und-Bauern-Macht wider, ausgehend
von ihren Hauptaufgaben. So werden die Volks-
vertretungen, die Parteien und Massenorgani-
sationen, die vollziehenden und veriiigenden
Organe des Staates, die Nationale Volksarmee,
die Rechtsstellung der Sorben in der Deutschen
Demokratischen Republik, das sozialistische
Recht und die sozialistische Gesetzlichkeit von
Gerhard Schulze behandelt.
Einen ausgezeichneten tYberblick gibt das Kapitel
uber die Auf3enpolitik (1956), die Beziehungen
der Deutschen Demokratische Republik zu sozia-
listischen und anderen Landern sowie uber die
Bestrebungen zur kollektiven Sicherheit, zur Ab-
rustung und zur Gewahrleistung des Friedens.
Dieses Kapitel verfaf3te Wilhelm Meif3ner.
Die Entwicklung der Volkswirtschaft im Jahre
1956 gliedert sich in: gesellschaftliches Gesamt-
produkt und Nationaleinkommen, Arbeitskrafte,
Produktivitat und Lohne, Industrie und Hand-
werk, Wasserwirtschaft, Verkehr, ? Handel, Ge-
sundheits- und Sozialwesen. Dieses weitschich-
tige Kapitel bearbeitete Albert Franke, wahrend
Hans-Joachim Laabs fiber .die Volksbildung
(1956 - ein Jahr des Fortschritts in der Volks-
bildungsarbeit) berichtet. Hervorzuheben sired
hiervon: die polytechnische Bildung als integrie-
render Bestandteil der neuen Allgemeinbildung
- Intensivierung der Erwachsenenbildung -
die verbesserten materiellen Voraussetzungen der
Volksbildung.
Ehe wir zu unserem Hauptanliegen kommen,
seien die Berichte uber Kultur und Sport um-
rissen. Hans Pischner schildert das kulturelle
Leben in seiner Entwicklung, ausgehend von den
in Dokumenten niedergelegten Grundsatzen der
Kulturpolitik. Dann charakterisiert er Literatur,
Verlagswesen, bldende Kunst, Musik, darstel-
lende Kunst, Film, ktinstlerisches Volksschaffen,
die Deutsche Akademie der Kiinste, den demo-
kratischen Rundfunk, ? Kulturbund u. a. - Man-
fred Ewald widmete rich der Berichterstattung
Uber Korperkultur und Sport in der Deutschen
Demokratischen Republik, wobei Kinder- und
Jugendsport, Massensport und Leistungssport
eingeschatzt und die Sportbeziehungen zur'
Bundesrepublik (gesamtdeutsche Olympiamann-
schaft) sowie die Erfolge im internationalen Maf3-
stab skizziert werden.
In besonderen Abschnitten werden von Dr. K.-H.
Gerstner Berlin und die Deutsche Bundesrepu-
blik beleuchtet. Hier ist die politische Entwick-
lung des demokratischen Berlins der Westberlins
gegeniibergestellt. Die Bundesrepublik wird von
R. Goguel nach authentischem Quellenmaterial
dargestellt.
Fur alle Gebiete der gesellschaftlichen Entwick-
lung sind umfangreiche statistische Angaben, die
fur Gegenwart und Zukunft hohen Quellenwert
besitzen, beigegeben. Teil III des Werkes bietet
reichhaltige Zeittafeln. Schlief3lich enthalt Teil IV
das ni tzliche Anschriftenverzeichnis aller staat-
lichen, fachlichen und gesellschaftlichen Dienst-
stellen und Einrichtungen der Deutschen Demo-,
kratischen Republik.
In unserem Mitteilungsblatt 1st es geboten, das
Hauptaugenmerk auf' das von Prof. Dr. Walter
Neye geschriebene Kapitel ,Wissenschaft und
Technik" zu richten. In seiner Zusammenfassung
hebt der Autor aus der Fiille der Planaufgaben
die Wirksamkeit wissenschaftlicher Einrich-
tungen und viele Forschungsergebnisse hervor,
wobei die Beschrankung auf diejenigen erforder-
lich war, die unmittelbar auf Wirtschaftsleben,
Gesundheitswesen und Kulturleben der Deut-
schen Demokratischen Republik einwirkten. So
geht die Darlegung von Fach-, Hochschulen und
Universitaten aus, um dann Forschungsaufgaben
(Zentralamt fur Forschung und Technik u. a.) zu
umreil3en. Hier finden die Akademien (die Deut-
sche Akademie der Landwirtschaftswissenschaf-
ten, die Sachsische Akademie der Wissenschaften,';
die Deutsche Bauakademie u. a.) ihren Platz. Die
Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin
steuerte aus den Klassen und Instituten Mate-
rialien bei, die - in einer sehr knappen Aus-
wahl - von dem Einfliel3en neuer Ergebnisse in
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die Praxis Zeugnis ablegen. In ein solches Jahr-
buch konnen nattirlich nur Schwerpunkte auf-
genommen werden, weshalb es fur die wissen-
schaftlichen Leitungen ebenso schwierig wie not-
wendig ist, bier das rechte Mali and die richtige
Auswahl zu treffen. Auch uber unsere Akademie
findet man umfangreiche statistische Angaben
wie Mitgliederlisten, Institutslisten and eine
Zeittafel der Tagungen.
Das Jahrbuch der Deutschen Demokratischen
Republik ist, wie die anderen bei uns erscheinen-
den Jahrbi Cher auch, eine Rechenschaftslegung
fiber das Schaffen in unserer Republik. Wenn der
Generalsekretar der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin fur das Jahrbuch 1958
der Deutschen Demokratischen Republik um die
Bereitstellung von Materialien nachsuchen wird,
ni issen wir uns alle dariiber klar sein, daB these
Aufgabe keineswegs peripher einzuordnen ist.
PROF. DR. W. RADIG
Redaktion des Jahrbuches der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin
Die Redaktion gestattet sich, auf den Aufsatz Generalsekretar des Presidiums der Akademie
,,Der Aufbau des Kommunismus and die Wissen- der Wissenschaften der UdSSR, fur die Zeit-
schaft" aufinerksam zu machen, den das korre- schrift ?Der Kommunist", Nr. 13/1957, schrieb
spondierende Mitglied der Deutschen Akademie and der in deutscher tYbersetzung in ?Die Presse
der Wissenschaften zu Berlin, A. W. Toptschijew, der Sowjetunion", Nr. 129/130, vorliegt.
Nachrufe, Ehrungen and Ernerinungen
Am 19. Oktober 1957 verstarb in Potsdam der
Geheime Regierungsrat, Akademiemitglied Pro-
fessor Dr. Dr. Ludwig Justi, Generaldirektor der
Staatlichen Museen zu Berlin and Direktor der
National-Galerie. Er war Nationalpreistrager vom
Jahre 1951 and hervorragender Wissenschaftler
des Volkes. Ludwig Justi wurde am 14. Marz
1876 in Marburg geboren. Er entstammte einer
alten Gelehrtenfamilie. Der Vater, Ferdinand
Justi, war Professor der Germanischen Philo-
logie, der vergleichenden Grammatik and orien-
talischen Sprachen an der Universitat Marburg.
Sein Onkel Karl Justi war einer der beruhmte-
sten deutschen Kunsthistoriker and Verfasser
der grof3en Werke uber Winckelmann, Velazquez
and Michelangelo.
Ludwig Justi studierte an den Universitaten zu
Bonn and Berlin. Er promovierte 1.898 zum Dr.
phil. mit einer Dissertation uber ?Jacopo de
Barbari and Albrecht DUrer". Nach seiner Habi-
litation mit einer Arbeit uber ,Konstruierte
. Figuren and Kopfe unter den Werken Albrecht
Di rers" wurde er 1901 Privatdozent an der Uni=
versitet zu Berlin. Im Jahre 1904 erfolgte seine
Berufung zurn Direktor an das Stadelsche Kunst-
institut in Frankfurt am Main. Er leitete dort den
Umbau and die Neuordnung der Sammlung. Zu
gleicher Zeit gelangen ihm so bedeutende Erwer-
bungen wie das Bild Rembrandts ?die Blendung
des Simson". Von 1905 bis 1909 war Justi stan-
diger Sekretar der Akademie der bildenden
Ktinste zu Berlin and wurde 1909 als Nachfolger
von Hugo von Tschudi Direktor der National-
Galerie zu Berlin. Bei der tlbernahme der Direk-
tion legte Justi seine Plane in einer grundlegen-
den Denkschrift ?Die Zukunft der National-
Galerie" fest. Sie wurde - richtungweisend fur
seine gesamte weitere Tatigkeit an diesem Ber-
liner Museum.
Zurn ersten Mal nach langerer Unterbrechung
and unter grol3en Schwierigkeiten gelangen Justi
Ankaufe von. Werken einiger Ktinstler aus der
Berliner Sezession wie Slevogt, Kolbe, Leo von
Konig and Lovis Corinth. Die altere Abteilung
mit Werken aus dem 19. Jahrhundert konnte
durch Bilder von Caspar David Friedrich, Bocklin
and Hans Thoma bereichert werden. Die junge
Kunstlergeneration zog mit Werken von Marc,
Macke, Munch and den Malern der Briicke in
die Galerie ein. Auch Werke von den Bild-
hauern Lehmbruck, Barlach, Scheibe and Marcks
wurden erstmalig angekauft. Im Jahre 1909
konnte unter Leitung von Ludwig Justi das ehe=
malige Kronprinzenpalais zu einer Galerie fur
moderne Kunstwerke umgebaut werden. Auch
wurde dort eine Abteilung fur Handzeichnungen
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3. Jahrgang, Heft 11/12
MITTEILUNGSBLATT 343
des 19. und 20. Jahrhunderts eroffnet. In der
National-Galerie ebenso wie im Kronprinzen-
palais entfaltete Justi eine reiche Ausstellungs-
tatigkeit, die sich fiber ganz Deutschland aus-
wirkte. An die National-Galerie wurden eine
Reihe kleinerer Museen angegliedert: So wurde
im Jahre 1930 in der Orangerie des Charlotten-
burger Schlosses das Rauch-Museum eroffnet und'
bald danach das Schinkel-Museum und die
Kunstsammlungen Beuths im ehernaligen Prin-
zessinnenpalais.
Nach seiner fast 25jahrigen, Uberaus erfolg-
reichen Tatigkeit wurde Justi im Jahre 1933
seines Postens als Direktor der National-Galerie
von den Nationalsozialisten enthoben und ihm
eine untergeordnete Stellung an der Kunst-
bibliothek der Staatlichen Museen zugewiesen.
Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges stellte
sich Justi als Siebzigjahriger erneut fiir den
Wiederaufbau der Museen zur Verfi Bung und
wurde 1946 zum Generaldirektor ernannt. Fur
die folgenden Jahre war der Wiederaufbau der
zum grofen Teil zerstorten Gebaude der Museen
seine Hauptaufgabe; aber schon im Dezember
des Jahres 1946 wurde mit den ersten Ausstel-
lungen in den Museen wieder begonnen. Die
National-Galerie war das am wenigsten be-
schadigte Gebaude, in ihr wurde im Jahre 1950
die Ausstellung ,Schule des Sehens" eingerich-
tet. Weitere grol3ere Ausstellungen folgten bis
zu der letzten, die erst in diesen Tagen von Justi
mit dem graphischen Werk Pablo Picassos er-
offnet wurde. Seine Verdienste um den Wieder-
aufbau der Museen wurden von der Regierung der
Deutschen Demokratischen Republik durch die
Auszeichnung mit dem Nationalpreis im Jahre
1951 gewiirdigt. Ftir seine besonderen Leistun-
gen auf padagogischem Gebiet verlieh ihm die
Humboldt-Universitat den Ehrendoktor der Pada-
gogik. Zu seinem 80. Geburtstag wurde er zum
hervorragenden Wissenschaftler des Volkes er-
n aunt.
Justi hat ein umfangreiches und bedeutendes
wissenschaftliches Werk hinterlassen, das mehr
als zweihundert Titel umfal3t. Ein Verzeichnis
seiner Schriften enthalt der erste Band der For-
schungen und Berichte der Staatlichen Museen
zu Berlin (1957).
Mit Ludwig Justi verliert Deutschland einen
seiner bedeutendsten Kunstwissenschaftler und
einen Museumsfachmann, der vorbildlich gewirkt
hat fir eine ganze Generation.
Prof. Dr. C. BLUMEL
Akademiemitglied
Am 16. November 1957 verstarb Nationalpreis-
trager Prof. Dr: Dr. h. c. Serge von Bubnoff,
ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin.
Serge von Bubnoff, geboren am 15. 7. 1888 in
Leningrad, studierte und promovierte in Frei-
burg i. Br. Nach sechsjahriger Assistentenzeit
von 1914 bis 1920 in Heidelberg habilitierte sich
von Bubnoff 1921 im damaligen Breslau, wo er
1925 zum a. o. Professor ernannt wurde. Von
1929 bis 1950 wirkte er als Ordinarius in Greifs-
wald und dann bis 1957 als Professor mit Lehr-
stuhl an der Humboldt-Universitat zu Berlin.
Die geologische Wissenschaft verdankt Serge
von Bubnoff eine Reihe grundlegender Werke
zur Synthese der Erdgeschichte. Er erkannte den
in Zyklen verlaufenden ProzeB der Erdentwick-
lung. In meisterhafter Weise formulierte er die
Grundprobleme der Geologie. Internationalen
Ruf erlangte er durch die zusammenfassende
Darstellung der Geologie Europas und Fennosar-
matiens. In langj ahrigen petrotektonischen For-
schungen hat er einen wesentlichen Beitrag zur
Klarung magmentektonischer Probleme geliefert
und dieser Arbeitsrichtung durch die Entwick-
lung besonderer Methoden neue Wege-gewiesen.
Nahezu vier Jahrzehnte als Hochschullehrer
tatig, erwarb sich Serge von Bubnoff hervor-
ragende Verdienste um die Ausbildung und Er-
ziehung des akademischen Nachwuchses.
Im Alter von 80 Jahren verstarb am 5. August
1957 das korrespondierende Mitglied der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin;
Prof. Dr. H. Wieland, ordentlicher Professor der
organischen Chemie an der Technischen Hoch-
schule in Munchen.
Als Forscher war H. Wieland an allen grof3en
Problemen der organischen Chemie und ihrer
Nachbargebiete interessiert; er hat viele mit
grof3tem Erfolg bearbeitet, wobei ihn sowohl
analytische wie synthetische und reaktionskine-
tische Fragestellungen als auch die Erforschung
von Naturstoffen in gleichem Mal3e anzogen. Aus
der Fiille seiner wissenchaftlichen Mitteilungen
seien die Arbeiten hervorgehoben fiber Sterine
und Gallensauren, fiber Alkaloide, die chemisch
und biologisch gleich bedeutungsvolle Dehydrie-
rungstheorie von Oxydationsvorgarigen, die Ent-
deckung der Radikale mit zweiwertigem Stick-
stoff sowie besonders die Konstitutionsaufkla-
rung der Schmetterlingsfarbe, die durch die Be-
arbeitung der Folsaure-Gruppen Bedeutung er-
langten und ein charakteristisches Beispiel fur
den engen Zusammenhang der ,grundlegenden
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft, 11/12
Wissenschaft" mit der Praxis darstellen. H. Wie-
land war ein ausgezeichneter, begeisterter and
begeisternder Lehrer, wovon die sehr grof3e Zahl
bedeutender Schuler and der bekannte, in zahl-
reichen Auflagen and flbersetzungen erschienene
,,Gattermann-Wieland" Zeugnis ablegen. Er hat
lange Zeit eine der angesehensten chemischen
Zeitschriften, ?Justus Liebigs Annalen der
Chemie", herausgegeben.
Wahrend der schweren Vorkriegs- and Kriegs-
jahre trat H. Wieland mutig and aufrecht der
Entrechtung der Wissenschaft and deren Ver-
tretern entgegen.
Mit ungebrochener Tatkraft trug er noch im
hohen Alter zum Wiederaufstieg der deutschen
chemischen Wissenschaft bei.
Durch das Ableben von H. Wieland verliert die
organische and biologische Chemie ihren allver-
ehrten Altmeister and einen ihrer erfolgreichsten
and charakteristischsten Vertreter.
Am 4. September 1957 verstarb in Zurich das
korrespondierende Mitglied der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin, Prof. Dr.
R. Harder, ordentlicher Professor fur klassische
Philologie an der Universitet Munster.
Die deutsche Wissenschaft verliert in Richard
Harder einen Gelehrten, der unsere Kenntnisse
fiber die antikePhilosophie in fast allen ihren Be-
zirken durch bedeutende Arbeiten bereichert hat,
wie durch seine kommentierte Edition der Schrift
des Pseudo-Okellos, durch seine Untersuchungen
uber das Somnium Sipionis and durch seine
Plotin-Vbersetzung, um nur das Wichtigste zu
nennen. Als Redaktor des .,Gnomon", gelang es
ihm, die Zeitschrift zu dem international fiihren-
den kritischen Organ der klassischen Altertums-
wissenschaft auszugestalten. Trotz Behinderung
durch schwere Krankheit hat er die Entwicklung
der klassischen Studien in den Einrichtungen
unserer Akademie mit regem Interesse and
bereitwilligem Rat verfolgt.
Richard Harder, der uber Humanitas forschte,
hat selbst echte Humanitas gelebt.
Im Oktober d. J. verungluckte todlich das korre-
spondierende Mitglied der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin, Prof. Dr. V. Gordon
Childe, University of London.
Mit dem Dahingeschiedenen verliert die prahisto-
rische Archaologie einen ihrer bedeutendsten Ver-
treter, der sich durch seine zahlreichen erstklas-
sigen Veroffentlichungen einen internationalen
Ruf erworben hat. Seine Verdienste fanden ihren
Ausdruck durch zahlreiche. Ehrungen seitens der
wissenschaftlichen Gesellschaften der meisten
europaischen Staaten. Durch Gordon Childes
Veroffentlichungen haben auch die Vertreter der
Vor- and Fruhgeschichtswissenschaften in un-
serem Lande wertvolle Hinweise and Anregungen
erhalten. Sie werden dem grof3en englischen For-
scher, der seine Wissenschaft im Geiste fort-
schrittlicher Ideen betrieb, stets ein ehrendes
Andenken bewahren.
Das Plenum der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin wahlte in seiner Sitzung am
21. November 1957 auf Vorschlag der Klasse fur
Bergbau, Huttenwesen and Montangeologie
Herrn Dr.-Ing. Maximilian Heinrich Kraemer,
Werkdirektor des VEB Metallurgie-Projektie-
rung Berlin,
and
Herrn Dr.-Ing. Karl Kohler, Direktor der Metal-
lurgischen Betriebe der VEB Eisen- und Hiitten-
werke Thale,
zu korrespondierenden Mitgliedern.
Akademiemitglied Prof. Dr. R. Schroder wurde
anl513lich des 9. Kongresses 'der Japanischen Ge-
sellschaft fur Gynakologie zum Ehrenmitglied
ernannt.
Akademiemitglied Prof. Dr. M. Burger wurde
zum Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft
fur innere Medizin, Wiesbaden, der Osterreichi-
schen Gesellschaft Mr Geriatrie, Wien, and der
Italienischen Gesellschaft Mir Gerontologie er-
nannt. Ferner wurde er zum Vorsitzenden der
Deutschen Gesellschaft fur Kreislaufforschung
gewahlt.
Auf Beschlu13 des Presidiums des Ministerrates
der Deutschen Demokratischen Republik wurde
am 30. 11. 1957 an Dr. R. Lehmann, Leiter des
Bereiches Feinmechanik des Instittits fur Gerete-
bau, der Ehrentitel ,Hervorragender Techniker
des Volkes" verliehen.
Akademiemitglied Prof. Dr. A.. Baumgarten
wurde zum Presidenten der Vereinigung Demo-
kratischer Juristen Deutschlands gewahlt.
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3. Jahrgang, Heft 11/12 MITTEILUNGSBLATT
Mitteilungen auslc ndischer Akademien
Fur die erwiesene Unterstiitzung and Forderung
der wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiete
der Elektronenmikroskopie, der Infrarotspek-
trometrie and des Ultraschalls dankte der Leiter
des Labors fur Elektronenmikroskopie des IGEM
der Akademie der Wissenschaften der UdSSR
der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin.
In einem Brief vom 24. September dieses Jahres
bedankte sich der President der Akademie der
Wissenschaften der UdSSR, A. N. Nesmejanow,
beim Presidenten der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin, Prof. Dr. M. Volmer,
fur ein Ultramikrotomgerat, das dem Institut
fur Biochemie der Akademie der Wissenschaften
der UdSSR zum Geschenk gemacht wurde. Der
Dank geht insbesondere an Nationalpreistreger
`Prof. Dr. F. Jung, der die Herstellung dieses Ge-
rates angeregt hat, sowie an die Mitarbeiter des
Instituts fur Geretebau.
Zur Feier ihres 75jahrigen Bestehens iibersandte
die University of the Panjah (Pakistan) der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
eine Einladung.
In einem Schreiben dankte der Vice-Chancellor
Dr. Shri Ranjan, Allahabad, der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin fur die
Delegierung von Akademiemitglied Prof. Dr.
K. Mothes zum Indian Science Congress im
Januar 1958.
Amerikanische Akademie der Kunst and der
Wissenschaften
Boston, 12. Oktober 1957
Herrn
Prof. Dr. H. Ertel
Vizepresident der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin
Berlin
Jegerstr. 22/23
Sehr geehrter Herr President!
Im Namen des Presidiums der Akademie mochte
ich Ihnen fur Ihre GriiBe anlaBlich unserer 1400.
Tagung and Ihre besten Wiinsche Air unsere Zu-
kunft herzlich danken. Ich bin Ihrer Meinung,
daB es Sache and Ziel der Wissenschaftler ist, die
Wohlfahrt and den Frieden in der Welt im Auge
zu behalten. Das trifft heute noch mehr zu als
vielleicht im Jahre 1780, als unsere Charta diese
Ziele fur die Akademie aufstellte.
Mit besten Wiinschen Ihr Behr ergebener
gez. Bruce H. BILLINGS
Sekretar
American Academy of Arts and Sciences
280 Newton Street
Brookline Station, Boston 46, Massachusetts
Telephone: JAmaica 4-0303
October 12, 1957
Prof. Dr. H. Ertel
Acting President
Deutsche Akademie
zu Berlin
Jagerstrasse 22/23
Berlin, Germany
Dear President Ertel:
On behalf of the Council of the Academy, I wish
to thank you for your cordial greetings to us on
the occasion of our 1400th meeting and your best
wishes for our future. Indeed, as you imply, it is
the concern of men of learning to hold in mind
as their goal the welfare, and the peace of the
world. This is more true today even then it was
perhaps in 1780 when our Charter stated these
goals for the Academy.
With best wishes.
Sincerely yours,
gez. BRUCE BILLINGS
Secretary
Akademiemitglied Prof. Dr. G. Rienacker, Gene-
ralsekretar der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin, erhielt vom Komitee der Wis-
senschaften der Mongolischen Volksrepublik die
Mitteilung, daB das ehemalige Komitee der Wis-
senschaften in das Komitee der Wissenschaften
and der Hochschulbildung der Mongolischen
Volksrepublik umgewandelt wurde. Dieses Ko-
mitee iibernimmt die Anleitung der wissenschaft-
lichen Forschungsarbeit, die Konzentrierung der
Wissenschaftler and Lehrkrefte des Landes and
die Verbesserung der Ausbildungsarbeit der
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346 MITTEILUNGSBLATT
wissenschaftlichen and wissenschaftlich-padago-
gischen Kader.
Zum Bestand des Komitees der Wissenschaften
and der Hochschulbildung gehoren die Staatliche
Mongolische Tschoibalsan-Universitat mit den
geisteswissenschaftlichen and landwirtschafts-
wissenschaftlichen Instituten, das Hydrometeoro-
logische Komitee, die Offentliche Staatsbiblio-
thek, die Archivhauptverwaltung sowie auch ein-
zelne Forschungskabinette.
Das hochste Organ des Komitees der Wissen-
schaften and des Hochschulwesens ist die All-
gemeine Versammlung der ordentlichen Mitglie-
der, von der das Presidium (fur die Anleitung der
laufenden Arbeit) des Komitees gewahlt wird.
Das Presidium des Komitees der Wissenschaften
and der Hochschulbildung besteht aus 13 Person-
lichkeiten:
Dem Vorsitzenden, Prof. Dondogijn Zawagmid,
dem gleichzeitig die Pflichten des Rektors der
Mongolischen Staatlichen Universitat obliegen,
dem stellvertretenden Vorsitzenden fur die wis-
senschaftliche Arbeit, Kandidat der Wissen-
schaften Tschimidijn Saraatar, dem stellvertre-
tenden Vorsitzenden fur die Lehrtatigkeit, Do-
zent Badamyn Jarinpie,
dem wissenschaftlichen Sekretar, Kandidat der
geographischen Wissenschaften, Schagdaryn Zag-
m.id, and 9 weiteren Mitgliedern.
Nachrichten aus dem Prc sidium
Das Plenum der Deutschen Akademie der Wis- Fur die Teilnahme an der Feier des 500jahrigen
senschaften zu Berlin berief in seiner Sitzung Bestehens der Albert-Ludwig-Universitat Frei-
am 24. Oktober 1957 Akademiemitglied Prof. Dr. burg sprach der Rektor der Deutschen Akademie
K. Lohmann zum Prasidenten des Instituts fur der Wissenschaften zu Berlin seineri Dank aus.
Ernahrung and wahlte Prof. Dr. K. Taufel zum
1. Direktor sowie die Herren Dr. M. Ulmann and Auf Einladung der Bayerischen Akademie der
Dr. H.-K. Grafe zu Direktoren des Instituts. Wissenschaften nahm Vizeprasident Prof. Dr.
W. Steinitz an ihrer feierlichen Jahressitzung am
Dr. M. Ulmann wurde gemal3 ? 15 des Statuts der 7. Dezember 1957 teil.
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin zum Professor ernannt.
Nachrichten aus den Klassen der Akademie
Masse fur Chemie, Geologie and Biologie
Akademiemitglied Prof. Dr. _H Knoll,,_Jena, and an einen Studienaufenthalt in der Sowjetunion,
Prof Dr. W.. Fischer,_korrespondierendes Mitglied im Rahmen der Vereinbarung fiber die wissen-
der Deutschen ' Akademie der Wissenschaften zu schaftliche Zusammenarbeit mit der Academia
Berlin, Jena, reisten am 21. 10. 1957, im Anschluf3 Sinica nach Peking.
Ai f Vorschlag der Klasse wurden die Herren
Prof. Dr. Wolf-Dietrich von Kaiser,
Leiter des Rontgeninstituts der Chirurgischen
Universitatsklinik Jena,
and
Dr. Jurgen Eichhorn,
Oberarzt in der Geschwulstklinik der Deutscheh
Akademie der Wissenschaften zu Berlin,
als Mitglieder der Sektion fur Geschwulstkrank-
heiten
sowie
Dr. Kurt Scheidler,
Magistrat von GroB-Berlin - Abteilung Gesund-
heitswesen -, als Mitglied der Sektion fur
Hygiene bestatigt.
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3. Jahrgang, Heft 11/12 MITTEILUNGSBLA1'T
Die Commission Internationale des Industries
Agricoles - Institut Intergouvernemental -
Paris, bereitet einen Codex Alimentarius Euro-
paeus vor, der gedacht ist:
a) als einheitlich verbindlicher Gesetzeskorper
an Stelle der nationalen Lebensmittelgesetze
oder
b) als eine Sammlung von Begriffsbestim-
mungen, die dem gegenwartigen Stand der
Wissenschaft der europaischen Volker and
den wissenschaftlichen Erfordernissen ent-
sprechen.
Auf Vorschlag des Sekretars beschloB die Klasse,
Herrn Prof. Dr. K. Taufel, der mit der oben-
genannten Institution bereits in Verbindung
steht, fur. die Commission zu nominieren. In der
Zwischenzeit erfolgte die Bestatigung des Presi-
diums.
Auf Befurwortung der Klasse wurde ein Arbeits-
ausschuB fur Virologie innerhalb der Sektionfiir
Hygiene gebildet, in dem Human-, Veterinar-
und Pflanzenvirologen vertreten sind.
Auf Antrag der Sektion fur Ernahrung wurde
Prof. Dr. K._ Taufel, Potsdam-Rehbriicke, zu
deren Vorsitzendem ernannt.
Auf Einladung der Klasse hat das korrespon-
dierende Mitglied der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin, Herr Prof. Dr. H. Wull-
stein, Direktor der Hals-, Nasen- and Ohren-
Klinik der. Julius-Maximilian-Universitdt in
Wiirzburg, an der,,Sitzung der Sektion fur Ge-
schwulstkrankheiten am 22. November 1957 teil-
genommen, auf der das. korrespondierende Mit-
glied der Akademie, Herr Prof. Dr. J. Zange,
Jena, uber,,Malignome der Nase and ihrer Neben-
hohlen sowie des Rachens" referiert hat.
Masse fur Sprachen, Literatur and Kunst
Am 26. 9. 1957 hielt Akademiker. G. Oprescu,
Mitglied der Akademie der Rumanischen Volks-
republik, vor der Masse einen Vortrag tiber.,,Das
Bildnis in der rumanischen mittelalterlichen
Kunst". Dieser Vortrag wird in den Abhand-
lungen der Masse erscheinen.
Frau Dr. U. Hinze, wissenschaftliche Oberassi-
stentin am. Institut fur Orientforschung, wird
mit dem Agyptologischen Institut der .Humboldt-
Universitat zu Berlin im Januar 1958 fur einige
Monate nach dem Sudan reisen.
In der Sitzung des Plenums am 21. 11. 1957 hielt
Akademiemitglied W. F. Schirmer, Bonn, einen
Vortrag uber die Historia regum Britanniae des
Galfrid von Monmouth.
Masse fiir Philosophie, Geschichte, Staats-, Rechts- and Wirtschaftswissenschaften
GemaB ? 5 der Ordnung der Aufgaben and der
Arbeitsweise des Instituts fur Vor- and Friih-
geschichte wurde auf Vorschlag des Direktors des
Instituts; Akademiemitglied Prof. Dr. W. Unver-
zagt, Herr Prof., Dr. P. Grimm als Stellvertreter
des Direktors des Instituts fur Vor- and Friih-
geschichte bestatigt
Am 19. 12. 1957 wahlte das Plenum der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin die
Sekretare der Klassen.
Wiedergewahlt wurden die Akademiemitglieder
Prof. Dr. R. Rompe; Sekretar der Masse fiir
Mathematik, Physik and Technik, Prof. Dr. K.
Lohmann, Masse fur Medizin, Prof. Dr. Th.
Frings, Masse f iir Sprachen, Literatur and Kunst,
Prof. Dr. W. Unverzagt, Klasse fur Philosophie,
Geschichte, Staats-, Rechts- and Wirtschafts-
wissenscha f ten.
Zum Sekretar der Klasse fur Chemie, Geologie
and Biologie wurde Akademiemitglied Prof. Dr.
H. Bertsch and zum Sekretar der Masse fur Berg-
bau, Huttenwesen and Montangeologie Aka-
demiemitglied Prof. Dr. O. Meif3er gewahlt.
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Aus der Arbeit der Akademie-Bibliothek
Wie erwirbt die Akademie-Bibliothek ihre Bucher?
Wenn der Leser in den letzten drei Veroffent- karischen Fachzeitschriften aus verschiedenen
lichungen fiber die Kataloge and die Benutzungs- Landern voraus. Verlagsprospekte aus aller Welt
moglichkeiten der Akademie-Bibliothek unter- bieten Anregungen, Antiquariatsangebote fi llen
richtet worden ist, so soil er im vorliegenden Bei- altere Liicken aus. Leserwunsche, die aus den
trag mit den Erwerbungsarten, ihren Moglich- Eintragungen in das ausliegende Wunschbuch
keiten, aber auch ihren Grenzen vertraut ge- and aus Anfragen entnommen werden, finden,
macht werden. wenn sie Bich mit den Anschaffungsprinzipien
Wie in anderen wissenschaftlichen Bibliotheken vereinbaren lassen, weitgehende Beri cksichti-
unterscheiden wir zwischen Kauf-, Tausch, gung. Die fur wichtig and wertvoll erkannten
Pflicht- and Geschenkexemplaren. Im Gegensatz Veroffentlichungen werden meist mit kurzer
zu den meisten Bibliotheken, in denen der Kauf Stellungnahme vorgetragen, diskutiert, ange-
als gebrauchlichste Erwerbungsart gilt, ist in der nommen oder abgelehnt. Die letzte Entscheidung
Akademie-Bibliothek, der Eigenart ihrer Sammel- bleibt dem Direktor iiberlassen. Zur Beschaffung
gebiete entsprechend, der Tausch mit Akade- werden die gewunschten Titel an die Bestell-
mien, iiberhaupt gelehrten Gesellschaften and abteilung weitergegeben.
wissenschaftlichen Institutionen zum wichtigsten Die Pflichtexemplare in ihrem eigentlichen Sinne
Faktor der Bestandserweiterung geworden and ' stellen in der Akademie-Bibliothek keine Er-
soll deshalb das Thema eines separaten Beitrages werbungsart dar. Sie beschranken sich aus-
darstellen. schlief3lich auf die Freistilcke, die der Akademie-
Trotzdem spielt der Kauf keine untergeordnete Verlag als Belegexemplare seiner Produktion in
Rolle. Die der Bibliothek zur Verfi gung stehen- einem Exemplar an die Bibliothek zu liefern hat.
den Erwerbungsmittel mussen sparsam and sinn?- Allerdings werden die Abhandlungen and
voll fur notwendige Anschaffungen, seien es nun Sitzungsberichte der Akademie noch durch zwei
Monographien, Fortsetzungswerke oder Zeit- weitere Exemplare aus dem eigenen Lagerbestand
schriften auf dem Gebiete der Allgemein- and
Fachbibliographien, biographischen Sammlun-a
gen, Enzyklopadien, Lexiken, Worterbi cher,
Standardwerke der einzelnen wissenschaftlichen
Disziplinen and der Literatur fiber
wendet werden.
Zu diesem Zwecke findet einmal wochentlich
eine Kaufsitzung statt, an der neben dem Direk-
tor die verantwortlichen Mitarbeiter der ein-
zelnen Arbeitsgebiete teilnehmen. Diesen Be-
sprechungen geht jeweils eine systematische
Durchsicht des Borsenblattes fur den deutschen
Buchhandel, Leipziger and Frankfurter Ausgabe,
der Deutschen Nationalbibliographie, Reihe A
and B, der Deutschen Bibliographie, Frank-
furt/M., des Schweizer Buchhandels and fiihren-
der referierender Zeitschriften wie der Deutschen
Literaturzeitung, Erasmus u. a. neben bibliothe-
erganzt, damit these Veroffentlichungen dem Be-
nutzer neben der Ausleihe jederzeit in der Pra-
senzbibliothek des Lesesaals zur Hand sind.
Die der Bibliothek i berreichten Geschenke setzen
sich zumeist aus den selbstandig erschienenen
Publikationen and Sonderabdrucken zusammen,
die von den ordentlichen and korrespondieren-
den Mitgliedern der Akademie and den Mit-
arbeitern ihrer Institute veroffentlicht and zu
den Plenarsitzungen vorgelegt werden. Aber auch
Privatpersonen, Verlage and Institutionen, mit
denen die Bibliothek keine Tauschbeziehungen
unterhalt, zahlen zu ihren Geschenkgebern. In
einzelnen Fallen ubergeben auch Akademie-
Institute ihre alteren Dublettenbestande zur Aus-
wertung an die Bibliothek. Besonders wertvolle
Schenkungen stellen geschlossene Gelehrtenbi-
bliotheken and Nachlasse dar, die aber bisher nur
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als Ausnahmen in der Erwerbung zu betrachten Zuwachs des Jahres 1956, aufgeschlusselt nach
waren. Erwerbungsart und geographischem Gebiet, an-
Um das Bild abzurunden,' sei im folgenden der gegeben:
West-
deutschland
Volks-
demokratien
Kapitalistisches
Ausland
Kauf
3309
1795
909
40
47
548
Tausch
21984
1864
1138
2 943
9 082
6 958
Pflicht
545
545
-
Geschenk
4288
2898
213
18
218
941
Insgesamt:
30127
7072
2260
3 001
9 347
8 447
Die Gesamtzahl von 30 127 Banden umfaBt da-
bei 6415 Monographien und 23 812 Zeitschriften-
hefte.
Alle diese der Bibliothek auf die verschiedenste
Weise zugehenden Veroffentlichungen unterlie-
gen einer strengen Inventarisierungspflicht. Sie
werden daher der Erwerbungsabteilung zu-
geleitet, dort in den entsprechenden Zugangs-
biichern, die gleichzeitig fur Monographien und
Fortsetzungswerke die Signaturen erteilen, mit
genauen Angaben (wenn es sich um Zeitschriften-
hefte handelt, in der Zeitschriftenkartei) ' ein-
getragen, mit Akzessionsnummern und schlieB-
lich mit einem Besitzvermerk, dem Stempel der
Bibliothek, versehen. Je nach ihrer weiteren Be-
stimmung, ob es nun Bucher fur den Lesesaal
oder das Magazin, Dubletten oder Dauerleih-
gaben - an denen die Bibliothek selbstverstand-
lich ihr Eigentumsrecht behalt - betrifft, gelangt
die Literatur in den Geschaftsgang. Ihre Titel
werden nach den ,Regeln fur die alphabetische
Katalogisierung in wissenschaftlichen Biblio-
theken" aufgenommen und in 14tagig wechseln-
den Neuauslagen und gleichzeitig erscheinenden
Neuerwerbungslisten der Benutzung zuganglich
gemacht.
Als letzte Instanz erhalt die Einbandstelle die
ungebundenen Bucher und Zeitschriften zur Ent-
scheidung fiber ihr endgiiltiges Aussehen (Halb-
leinen, Steifbroschur, Broschur) und tragt so
wesentlich zur Erhaltung und Bewahrung des
wertvollen Buchbestandes bei.
S. LIND
Diplom-Bibliothekarin
Akademie-Bibliothek
Verschiedenes
Das Komitee zur Vorbereitung der Feierlich-
keiten zum 40. Jahrestag der GroBen Sozialisti-
schen Oktoberrevolution hatte die Mitarbeiter
der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin aus den Berliner Arbeitsbereichen zu
einem Arbeitseinsatz im Oderbruch aufgerufen.
Diese freiwillige Arbeitsleistung war ein Beweis
des Zusammenwirkens der Wissenschaft mit alien
Werktatigen beim weiteren Aufbau unseres Ar-
beiter-und-Bauern-Staates.
Prof. Dr. G. Riendcker, Vorsitzender des oben
angefuhrten Komitees, schrieb nach dem Arbeits-
einsatz einen Brief an den Vorsitzenden der BGL
Wissenschaft, Herrn Dr. H. Michaelis, in dem es
heiBt:
,,An dem erfolgreichen Verlauf des Ernte*ein-
satzes der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin am 26. 10. 1957 hatten die
der BGL Wissenschaft angehorenden Mit-
arbeiter der DAW besonderen Anteil.
Ich empfinde diese i ber das gewohnliche MaB
hinausgehende Bereitschaft als Ausdruck der
inneren Verbundenheit mit unserem Staat und
unserer Gesellschaft und danke den Beteiligten
fur die bei der Ernteeinbringung geleistete gute
Arbeit."
Buchausstellung des Akademie-Verlages in Prag
In der Zeit vom 20. 9. bis 8. 10. 1957 fi hrte der vernehmen mit der Gesellschaft fur kulturelle
Akademie-Verlag im Kulturzentrum der Deut- Verbindungen mit dem Ausland eine Buchaus-
schen Demokratischen Republik in Prag im Ein- stellung durch. Die Veranstaltung wurde vom
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 11/12
Kulturattache der Deutschen Demokratischen
Republik, Herrn Miinzer, eroffnet. Im AnschluB
hieran sprach der Verlagsleiter, Herr L. Koven,
uber die Aufgaben and Ziele des Verlages.
Es wurden 380 Titel aus alien Gebieten gezeigt
and samtliche Zeitschriften. AuBerdem hielten
Prof. Dr. J. Irmscher and Dr. K. Schrickel Vor-
trage fiber die Unternehmungen des Instituts
fur griechisch-romische Altertumskunde bzw. der
Arbeitsgruppe fur philosophiehistorische Texte.
Diese Referate trugen wesentlich zur Bereiche-
rung der Gesamtveranstaltung bei.
Die Buchausstellung war mit ihren mehr als
5000 Besuchern ein guter Erfolg and hat ihren
Zweck, einen groBeren Kreis von Interessenten
mit den Neuerscheinungen, Standard-Werken
and Zeitschriften des Verlages bekanntzumachen,
erfi lit. Viele der Besucher kamen des ofteren,
um sich eingehender mit dem Inhalt der Bucher
vertraut machen zu konnen. Das groBte Inter-
esse fanden zweifellos die Werke der Geistes-
wissenschaften and bier insbesondere die Diszi-
plinen Sprachwissenschaft, Altertumswissen-
schaft, Volkskunde, Orientalistik and Philosophie.
Aber auch die Titel aus dem Gebiet der Natur-
wissenschaf ten waren Anziehungspunkt fur viele
Gaste. Eingesehen wurden hier vor allem die
Bucher uber Mathematik, Physik and technische
Wissenschaften. Die Erfahrungen, die in dieseri
Tagen gesammelt wurden, werden die Werbe-
arbeit des Verlages verbessern helfen.
Im Verlauf der Ausstellung konnten eine Reihe
wichtiger Besprechungen gefilhrt werden, so mit
Direktor Hracha von der Orbis uber die Beliefe-
rung von Abonnements-Bestellungen fur Zeit-
schriften and mit Herrn Gregor, einem verant-
wortlichen Mitarbeiter der sowakischen Kniha
in Prag, uber eine im Friihjahr des nachsten
Jahres in Bratislava geplante Buchausstellung
des Akademie-Verlages.
In einer langeren Aussprache mit dem Leiter des
Verlages der Tschechoslowakischen Akademie der
Wissenschaften and anderen leitenden Mitarbei-
tern behandelte Herr Koven Fragen der gemein-
samen Verlagsarbeit. tin Vertrag, nach dem eine
Auswahl tschechischer wissenschaftlicher Werke
in deutscher Sprache in Gemeinschaftsausgaben
erscheinen sollen, befindet sich in Vorbereitung.
Eine Vereinbarung uber die gegenseitige Unter-
stutzung bei Werbemal3nahmen ist bereits ab-
geschlossen. Sie sieht u. a. vor: Prospektversand
uber die jeweiligen Anschriftenkarteien, Bei-
lagen in den verlagseigenen Ankiindigungen,
Anzeigentausch, Hilfe bei Ausstellungen der
Buchproduktion, Unterstutzung bei Buch- and
Zeitschriftenrezensionen in den Zeitschriften
beider Verlage and einen regelmaBigen Erfah-
rungsaustausch.
Vor Beendigung der Prager Buchausstellung
kamen im Kulturzentrum der Deutschen Demo-
kratischen Republik Vertreter der Kniha and
Artia zusammen, um im Beisein eines Mitarbei-
ters des Deutschen Buch-Export and -Import,
Leipzig, Fragen der besseren Unterrichtung aller
Buchhandlungen in der CSR and der schnelleren
Ausfuhrung von Buchbestellungen zu erortern.
Nach der Vereinbarung mit dem CSAV fiihrte der
Akademie-Verlag im Bibliotheksraum der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
in der Zeit vom 3. bis 10. 12. 1957 eine Ausstel-
lung von Werken der Verlage der Tschechoslo-
wakischen Akademie der Wissenschaften, Prag,
and der Slowakischen Akademie der Wissen-
schaften, Bratislava, durch. Es wurden uber
100 Titel - zum Teil in der Landessprache, zum
anderen in deutscher and englischer Sprache -
gezeigt. Gleichzeitig lagen fiber 30 Zeitschriften
aus. Die Auslieferung der gezeigten Literatur
hatte die Universitats-Buchhandlung, Berlin W 8,
Unter den Linden, ubernommen.
W. TESCHE
Werbeleiter
Akademie-Verlag
Berichtigung
Heft 9/10, Seite 221:
Die Handschrift des Codex aureus in Alba Julia
stammt nicht aus dem Kloster ,Lorch", sondern
vielmehr aus dem Kloster ,Lorsch"' in der nord-
lichen oberrheinischen Tiefebene.
Herausgeber: Vizeprasident Prof. Dr. H. Fruhauf, Generalsekretar Prof. Dr. G. Rienacker, Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin
W 8, Jagerstr. 22/23. Redaktion: Dr. G. Dunken, C. Stempel. Korrektor: H.-J. Muller. Verlag: Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8, Mohrenstr. 39,
Fernruf 200386, Postscheckkonto Berlin 350 21. Das Mitteilungsblatt erscheint monatlich and wird kostenlos an die Mitarbeiter der Akademie ab-
gegeben. Ein Vertrieb Ober den Buchhandel erfolgt nicht. Lizenz-Nr. 1244. Gesamtherstellung: IV/2/14 - VEB Werkdruck Grafenhainichen - 895.
Es wird gebeten, Beitrage, Vorschlage, Wfinsche and Kritiken an die Deutsche Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin, Berlin W 8, Jagerstral3e 22/23, Pressestelle, Fernruf 200481, App. 387, zu richten.
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Eine Auswahl-von Werken
des Verlages der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften, Prag'
L. NIEDERLE
Rukovet slovanskych starozitnosti
Handbuch der slawischen Altertiimer
Die tschechische Ausgabe des Werkes, das sein Ver-
fasser, ein bekannter Forscher auf :dem Gebiet der
slawischen Altertumer, in den Zwanzigerjahren in
Paris in franzSsischer Sprache erscheinen lieB. Es
enthalt die Forschungsergebnisse slawischei Wissen-
schaftler and studiert den Ursprung des slawischen
Volkes and die Geschichte seiner Gruppen, der Siid-,
West- and Ostslawen. Der zweite Toil beschreibt das
Leben der alten Slawen.
1'. POUCHA
Institutiones linguae tocharicae, I. and II.
Dieses Werk ist der tocharischen Sprache gewidmet.'
Es erscheint als fiinfzehnter Band der Monographien
des Orientalischen Archivs.
In dem ersten Teil ist der Wortschatz des tocharischen
Dialektes A,zusammengefaBt, der zweite enthalt eine
Chrestomathie tocharischer Texte.
Charisteria orientalia praecipue ad Persiam
pertinentia
Der 'Sammelband zum siebzigsten Geburtstag des
Akademikers Jan Rypka enthalt Beitrage von tsche-
choslowakischen and auslandischen Orientalisten.
Opera didactica omnia
Band I-III
Die drei vorliegenden Bande, welche die lateinische
Sammlung von didaktischen Schriften des J. A. Ko
mensk beinhalten, gab jetzt anlaBlich der Feier des
Soo-Jahr-Jubilaums die Kommission zurn Studium
find zur Herausgabe von J. A. Komenskys Werk im
Offset- Neudruck. heraus.
0. JIROVEC UND MITARBEITER
Protozoologie
Das Werk ist in der tschechoslowakischen wissen-
schaftlichen Literatur die erste umfassende Arbeit auf
dem Gebiet der Proto)oologie. Das allgemeine and
systematische Studium der Protozoan ermoglicht die
Losung einer Reihe cytologischer, physiologischer and
genetischer Probleme and ist auch fiir das Gesund-
heitswesen von grol3er Bedeutung.
B. SVOBODA - D. CONCEV
Neue Denkmaler der antiken Toreutik
Die gemeinsame Veroffentlichung des bulgarischen and
des tschechoslowakischen klassischen Archaologen
tragt zur Erkenntnis der Geschichte des antiken Rhy-
tons bei.
Z. ZABA
Les maximes de Ptahhotep. Texte, traduction et com-
mentaire
Die Maximen des Ptahhotep
Texte, t bersetzung and Kommentai
Dieser Band enthalt die hieroglyphische Abschrift des
altagyptischen Textes, der etwa aus dem Jahr 245p
vor u. Z. stammt, auBerdem dessen 17bersetzung ins
Franzosische and einen Kommentar.
J. OBENBERGER
Entomologie I
Das Werk macht den Laser mit dem gesamten Umfang
der modernen Entomologie bekannt. Der erste Band
enthalt den allgemeinen Teil.,und behandelt die Mor-
phologie, Anatomie and Embryologie der Insekten.
RUDOLF PRIBIL
Komplexony v chemicke analyse
Komplexone in der chemischen Analyse
Diese Monographie wurde in ihrer neuen Auflage durch
die stiirmische Entwicklung auf dem Gebiet der Korn-
plexometrie beeinfluBt. Als Einleitung sind zwei
Kapitel des Jiri Korytas aufgenommen worden, wel-
che die Theorie der Komplexone eingehend'behandeln.
. Bestellungen nimmi die Universitkts-Buchhandlung, Berlin, entgegen
Prospekte and sonstige Inforrnationen erhalten Sie durch den
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NEUERSGHEINUNGEN
GESCHICHTE
Revolutionare Ereignisse und Probleme
in Deutschland wahrend der Periode der Grol3en
Sozialistischen Oktoberrevolution 1917/1918
Beitrage zum 40. Jahrestag der GroBen Sozialistischen
Oktoberrevolution herausgegeben vom Institut fur
Geschichte an der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin unter der Redaktion von
Prof. Dr. ALBERT. SCHREINER
1957. XIX, 353 Seiten - gr. 8? - Ganzleinen DM 8,50,
W. G. BRJUNIN
Der erste Widerhall
in der deutschen Arbeiterklasse
auf die Grof3e Sozialistische Oktoberrevolution
und den Friedensvorschlag der Sowjetregierung
Ubersetzung aus dem Russischen .
(Schriften des Inst. f. Geschichte an der Dt. Akad.
d. Wiss. zu Berlin, Reihe III: Vortrage und Tagungen
des Inst. f. Geschichte, Band I)
1957. 44 Seiten - gr. 8? - DM r,8o
SPRACHEN UND LITERATUR
Weisthumer
Gesammelt von Jacob Grimm
2. Auflage. Unveranderter Nachdruck der ersten Auf-
lage von 1840-1878
In Arbeitsgemeinschaft mit der Wissenschaftlichen
Buchgesellschaft e. V., Darmstadt
Band I : VI, 848 Seiten -, 8?
Band II: VI, 836 Seiten - 8?
Band III: VI, goo Seiten - 8?
Band IV: VIII, 8og Seiten - 8?
Band V : X, 764 Seiten - 8?
Band VI: VI, 782 Seiten - 8?
Band VII: VI, 4x8 Seiten - 8?
Alle Bdude in Ganzleinen zusammen DM 210,-
Prof. Dr. ERHARD LOMMATZSCH
Leben und' Lieder
der provenzalischen Troubadours
I. Minnelieder. Mit einem musikalischen Anhang von
Prof. Dr. F. Gennrich
1957. XVI, 165 Seiten - gr. 8? - Ganzleinen DM 2g,-
Aus der byzantinistischen Arbeit
der Tschechoslowakischen Republik
Herausgegeben von Prof. Dr. Johannes Irmscher- und
Prof. Dr. Antonin Sala6.
(Berliner Byzantinistische.Arbeiten, Nr. 9)
1957- 53 Seiten - gr.8? - DM 9,50
WIRTSCHAFT
Prof. Dr. RAM KRISHNA MUKHERJEE
The Dynamics of a Rural Society
A Study of the Economic Structure
in Bchgal Villages
2957. X, 134 Seiten - 4 Abb. - r Ausschlagtaf. - 26 Tab. - gr. 8? -
Ganzleinen DM 12,50
KUNSTGESCHICHTE
Dr. HANNA KOCH
Johann Joachim Winckelmann
Sprache und Kunstwerk
(Jahresgabe 1956/57 der Winckelmanngeselischaft,
Stendal)
1957. Igo Seiten 8 Kunstdrucktaf. - gr. 8?
Engl. Broschur DM 15,50
Prof.,Dr. EDGAR LEHMANN
Die Bibliotheksraume
der deutschen Kloster im Mittelalter
(Schriften zur Kunstgeschichte, Band 2)
1957. Vi, 5o Seiten - 20 Taf. - 4? - DM 19,50
Dr. ERNST SCHUBERT
Der Naumburger Dreikonigsaltar
(Schriften zur Kunstgeschichte, Band 3)
2957. V, 25 Seiten - 15 Abb., dav. 7 auf 4Taf. - 4? - DM 9,8o
VOLKSKUNDE
Prof. Dr. GOTTFRIED HENSSEN
Mecklenburger erzahlen.
Marchen und Schwanke
(Veroffentl. d. Inst. f. dt. Volkskunde d. Dt. Akad. d.
Wiss. z. Berlin)
1957. XX, 232 Seiten - 2 Kunstdrucktaf. - r Aussehlagtaf. - gr. 8
Halbleinen DM 15,-
Agrarethnographie
Vortrage der Berliner Tagung vom 29. September bis
1. Oktober 1953
(Veroffentl. d. Inst. f. dt. Volkskunde d. Dt. Akad. d.
Wiss. z. Berlin)
197. VIII, 248 Seiten - 87 Abb. - 3 Skizz. - 4 Kart. - gr. 8? -
DM 32,-
PHYSIK
A. F. JOFFE
Halbleiter- Thermoelemente
(i.Jbersetzung aus dem Russischen)
In deutscher Sprache herausgegeben von
Dr. E. A. Niekisch
1957. VIII, 69 Seiten - x3 Abb. - 9 Tab. - gr. 8? - DM 8,5o
J. I. FRENKEL
Prinzipien der Theorie der Atomkerne
2. Auflage
Ubersetzung aus dem Russischen
In deutscher Sprache herausgegeben von
Prof. Dr. J. Schintlmeister
1957. XIII, 201 Seiten - 42 Abbildungen, davon 15 auf 7 Kunstdruck.
tafeln - gr. 8? - Ganzleinen DM 26,-
A. I. LURJE
Einige nichtlineare Probleme aus der Theorie
? der. selbsttatigen Regelung
(TJbersetzung aus dem Russischen)
In deutscher Sprache-herausgegeben von
Prof. Dr. H. Kindler und Dr. R. Reissig
1957. XIII, 167 Seiten - 24 Abb. - gr. 8? - Ganzleinen DM x5,-
CHEMIE
Prof. Dr. KURT SCHWABE
Polarographie und chemische Konstitutionen
organischer Verbindungen
(Scientia Chimica)
1957. X, 428 S. Tab. - 20 S. Register - gr. 8? - Ganzleinen DM 39,-
Prof. Dr. FRITZ STATHER
Gerbereichemie und Gerbereitechnologie
3., erweiterte und verbesserte Auflage
1957. XXVI, 948 Seiten - 239 Abb. - 9 Tab. - gr. 80 - Ganzleinen
DM 88,-
Bestellungen, Riickfragen und Prospektwunsche direkt an unsere Anschrift erbeten:
A K A D E M I E - V E R L A G- G M B H ? B E R L I N W 8
Mohrenstralie 39, Telefon 200386
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