MITTEILUNGSBLATT (FOREIGN LANGUAGE DOCUMENT)
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December 22, 2016
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July 1, 2010
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im
1JOE&I oil W411
.FUR DIE MITARBEITER
DER DEUTSCHEN AKADEMIE DER IVISSENSCHAFTEN
ZU.BERLIN
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Leibniz-Tag 1957
Akademiemitglied Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Prof. Dr. H. Stubbe Sinn and Bedeutung der Kulturpflanzenforschung . . . . . . 123
President
Prof. Dr. M. Volmer
Akademiemitglied
Prof. Dr. E. Thilo
Prof. Dr. H. Philipps
Prof. Dr. G. Fanselau
Prof. Dr. W. Uhink
Prof. Dr. J. Wempe
Akademiemitglied
Prof. Dr. G. Rienacker
Dr. E. Piekniewski
Dr. H. Michaelis
Dr. K. Treu
E. Schonert
Inhaber der Leibniz-Medaille 1957 . 4 . . . . . . . . . . . 132
Beschlul3 des Plenums der Deutschen Akademie der Wissenschaften
zu Berlin iffier die Bildung and Tetigkeit der Forschungsgemeinschaft
der naturwissenschaftlichen, technischen and medizinischen Institute
der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 16. Mai 1957 133
Akademiemitglied Prof. Dr. Hans Friihauf . . . . . . . . . . 136
Akademiemitglied Prof. Dr. Gunther Rienacker . . . . . . . . 138
Zum 70. Geburtstag von Nobelpreistrager Akademiemitglied
Prof. Dr. G. Hertz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Berichterstattung der Akademiedelegation im Plenum fiber die
Reise in die Volksrepublik China
Eindrilcke eines Chemikers von einer Chinareise . . . . . . . . 140
Internationales Geophysikalisches Jahr 1957/1958
Die Aufgaben der Wissenschaftler in der Deutschen Demokratischen
Republik im Internationalen Geophysikalischen Jahr . . . . . .. . 142
Probleme des Geomagnetismus im Rahmen des Internationalen Geo-
physikalischen Jahres . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
Die Aufgabe der Geodasie im Internationalen Geophysikalischen Jahr 149
Uberwachung der Sorinentatigkeit . . . . . . . . . . . . . 153
Briefwechsel zum Beginn des Internationalen Geophysikalischen Jahres 158
Aus der Arbeit der Akademie-Institute
Uber die Aufgaben der Kommissionen Forschung and Lehre . 161
Tagungs- and Reiseberichte
Deutsche and polnische Altertumswissenschaftler in Krakau . . . . 163
,Ewiges Rom" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Zwischen Leningrad and Erewan . . . . . . . . . . . . . . 167
Besuch antiker Kunstdenkmaler . . . . . . . . . . . . . . 170
Miszellen
W. Freund Zur Einfuhrung der Aktenordnung in der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Nachrufe, Ehrungen and Ernennungen . . . . . . . . . . . 172
Mitteilungen auslandischer Akademien . . . . . . . . . . 174
Aus der Arbeit der Akademie-Bibliothek
C. Hoelzer Zur Benutzung der Akademie-Bibliothek: Lesesaal and Leihstelle 175
Verschiedenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Herausgeber: Pressestelle (Dr. H. Wittbrodt, Dr. G. Dunken, Chr. Stempel), Deutsche Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin, Berlin W 8, Jagerstr. 22/23 ? Korrektor: E. Neumann ? Verlag: Akademie-Verlag GmbH.,
Berlin W 8, MohrenstraBe 39, Fernruf 200386, Postscheckkonto Berlin 35021 ? Das Mitteilungsblatt erscheint
monatlich and wird kostenlos an die Mitarbeiter der Akademie abgegeben. Ein Vertrieb Ober den Buchhandel
erfolgt nicht ? Lizenz-Nr. 1244 - Gesamtherstellung: IV/2/14 - VEB Werkdruck Grafenhainichen - 695
Es wird gebeten, Beitrage, Vorschlage, Wiinsche and Kritiken an die Deutsche Akademie der Wissenschaften
zu Berlin, Berlin W 8, JagerstraBe 22/23, Pressestelle, Fernruf 200481, App. 387, zu richten
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MITTEILUNGSBLATT
FOR DIE MITARBEITER
DER DEUTSCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN
3. Jahrgang Juni/Juli/August 1957
Heft 6/7/8
Leibniz-Tag 1957
Alljahrlich begeht die Deutsche Akademie der
Wissenschaften zu Berlin am ersten Donnerstag
im Juli jedes Jahres den Leibniz-Tag in Wiirdi-
gung des Philosophen, Mathematikers, Phy-
sikers, Technikers, Juristen, politischen Schrift-
stellers, Geschichts- and Sprachforschers Gott-
fried Wilhelm Leibniz.
Dieser Tag ist ein Riickblick auf vergangene ge-
leistete Arbeit and ein Tag, an dem Personlich-
keiten in Anerkennung ihrer Verdienste um die
Forderung wissenschaftlicher Arbeiten mit der
Leibniz-Medaille ausgezeichnet werden.
Fur die Auszeichnung mit der Leibniz-Medaille
werden insbesondere solche Wissenschaftler aus-
gewahlt, die keine hauptberufliche Tatigkeit an
einer wissenschaftlichen Institution ausiiben,
sondern deren wissenschaftliche Erfolge haupt-
sachlich auf eigener Initiative beruhen.
Am 4. Juli fanden sich im grol3en Festsaal des
Hauses der Ministerien in Berlin Vertreter
unserer Regierung, der President der Lander-
kammer der Deutschen Demokratischen Repu-
blik, Herr A. Bach, Herr Staatssekreter Dr.
W. Girnus and Vertreter wissenschaftlicher and
ki.instlerischer Institutionen and gesellschaf t-
licher Organisationen mit Wissenschaftlern aus
dem Ausland and ganz Deutschland zusammen.
Unter den Gelehrten waren
der President der Osterreichischen Akademie
der Wissenschaften, Prof. Dr. R. Meister,
der President der Slowakischen Akademie der
Wissenschaften, Akademiemitglied Prof. Dr.
A. Siracky,
der Vertreter der Academia Sinica Prof. Dr.
Pan Shuh,
Prof. Dr. B. Suchudolski von der Polnischen
Akademie der Wissenschaften.
Der President der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften, ordentliches Mitglied der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin,
Prof. Dr. H. Kienle, war zur Feier des Leibniz-
Tages in Begleitung der Sekretare seiner Aka-
demie Prof. Dr. A. Falkenstein and Prof. Dr.
P. Gunther erschienen. Die Bayerische Aka-
demie der Wissenschaften war durch ihren Prasi-
denten, ordentliches Mitglied der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Prof.
Dr. F. Baethgen vertreten and die Akademie der
Wissenschaften zu Gottingen durch ihren Vize-
prasidenten Prof. Dr. J. Klein. Die Sachsische
Akademie der Wissenschaften zu Leipzig ent-
sandte ihren Prasidenten Akademiemitglied Prof.
Dr. Th. Frings, die Deutsche Akademie der Land-
wirtschaftswissenschaften zu Berlin ihren Prasi-
denten Akademiemitglied Prof. Dr. H. Stubbe,
die Deutsche Akademie der Naturforscher ,Leo-
poldina` ihren Prasidenten Akademiemitglied
Prof. Dr. K. Mothes.
Ferner begriil3te Vizeprasident Prof. Dr. W. Fried-
rich als Gaste aus dem Ausland
Prof. Dr. van Unnik, Holland,
Prof. Dr. K. Mras, Osterreich, korrespondie-
rendes Mitglied der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin,
Prof. Dr. Stanescu, Rumanien,
Prof. Dr. H. Riesenfeld, Schweden,
Seine Magnifizenz Prof. Dr. Petrowski, Rektor
der Lomonossow-Universitat Moskau,
Prof. Dr. Hajos, Ungarn,
sowie Gelehrte and Mitglieder der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus bei-
den Teilen Deutschlands.
Vizeprasident Prof. Dr. W. Friedrich fiihrte aus,
daB es die ehrenvolle Aufgabe der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin als des
hochsten wissenschaftlichen Gremiums unserer
Republik ist, den Gedanken and Ideen Gottfried
Wilhelm Leibniz' zeitgemal3en Ausdruck zu ver-
leihen. Mit ihren 6 Klassen, den fiber 60 natur-
wissenschaftlichen and gesellschaftswissenschaft-
lichen Instituten, Kommissionen, Arbeitsstellen
and den ihnen zugeordneten 25 Sektionen ist sie
ein Forschungszentrum, dessen Arbeiten von
hoher nationaler and internationaler Bedeutung
rind and zur Mehrung des Ansehens des ersten
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deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates beitra-
gen. Auch im wissenschaftlichen Leben gibt es
keinen Stillstand. Seit der Berichterstattung am
Leibniz-Tag des vergangenen Jahres haben
Wissenschaft und Forschung weiter beachtens-
werte Ergebnisse erzielt und auf einigen Gebie-
ten den Anschluf3 an den Weltstand der Wissen-
schaften erreicht. Im einzelnen berichteten die
Herren Sekretare der Klassen fiber den Stand
der ihnen zugeordneten wissenschaftlichen Ein-
richtungen. Prof. Dr. W. Friedrich erwahnte
Kolloquien und grof3e Tagungen, die An-
liegen einzelner Institute bzw. weite Problem-
kreise behandelten. Genannt wurden Arbeits-
tagungen wie die fiber Elektrodenkinetik, die
Mathematikertagung anlaf3lich der Euler-Jubi-
laums-Feier, die Konferenz uber neugriechische
Literatur, das Symposion uber Fragen der An-
esthesie u. a. m. Alle Veranstaltungen verzeich-
neten die Teilnahme auslandischer Gelehrter und
Wissenschaftler aus ganz Deutschland.
In den ersten fi of Monaten dieses Jahres
nahmen 167 Mitglieder und Mitarbeiter unserer
Akademie an westdeutschen und auslandischen
Tagungen teil. Gleichzeitig erhohte sich die Zahl
auslandischer Besucher im gleichen Zeitraum im
Vergleich zum vorigen Jahr auf 192. Es ver-
starkte sich wesentlich der Kontakt zu wissen-
schaftlichen Institutionen anderer Lander, auch
zu solchen der Bundesrepublik. Die Mit-
arbeit unserer Mitglieder und Mitarbeiter im
Vorstand wissenschaftlicher Gesellschaften, die
beispielsweise dem ICSU (International Council
Scientific Union) foderativ angehoren, intensi-
vierte sich ebenfalls. Besondere Erwahnung fan-
den die wissenschaftlichen Abkommen mit den
Akademien der UdSSR und der volksdemo-
kratischen Lander. Die Vereinbarungen ent-
sprechen der Gemeinsamkeit der Auffassungen
und Zielsetzung der Vertragspartner. Die Partner
ubermitteln einander Hauptthemen ihrer For-
schungsplane. Gemeinsame Forschungen, die
nach Bestatigung der Prasidien der jeweiligen
Akademien Bestandteil der Zusammenarbeit
sind, werden in Inhalt, Umfang und Bedingun-
gen von den jeweils zustandigen Klassen, Insti-
tuten, Sektionen oder sonstigen Einrichtungen
bestimmt. Verlage und zentrale Bibliotheken
treffen fiber Verlagsplane und Publikations-
tausch direkte Abmachungen. Die Entsendung
von Mitarbeitern der Vertragspartner zu Aus-
bildung und Erfahrungsaustausch sind ebenfalls
in den Vereinbarungen enthalten. Die beteiligten
Akademien laden einander zu Kongressen, Ta-
gungen und Konsultationen ein.
Die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen
des Akademieverlages belauft sich bei den natur-
wissenschaftlichen Veroffentlichungen auf 204
Titel, bei den gesellschaftswissenschaftlichen auf
146. Der augenblickliche Schriftentausch er-
streckt sich auf 645 Institutionen in 55 Lendern.
Aus der Vielzahl der Ereignisse wurden noch die
grof3e botanische und zoologische deutsch-chine-
sische Gemeinschaftsexpedition des Akademie-
instituts fur Kulturpflanzenforschung in Gaters-
leben im zweiten Halbjahr des vergangenen
Jahres angefuhrt sowie die Griindung des Na-
tionalen Komitees der Deutschen Demokra-
tischen Republik fur das Internationale Geo-
physikalische Jahr 1957/58, das am 1. Juli be-
gonnen hat.
Prof. Dr. W. Friedrich nahm auf3erdem die Ge-
legenheit wahr, der Offentlichkeit alle Person-
lichkeiten vorzustellen, die zu ordentlichen (im
vergangenen Jahr in der letzten Sitzung des
Plenums am 13. 12. 1956) bzw. korrespondie-
renden oder Ehrenmitgliedern der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin gewahlt
wurden:
Prof. Dr. Max Steenbeck, Professor mit Lehr-
stuhl fur das Fach Physik des Plasmas an der
Friedrich-Schiller-Universitat Jena, Direktor des
Instituts fur magnetische Werkstoffe, Jena.
Prof. Dr. Arthur Simon, Direktor des Instituts
fur anorganische und anorganisch-technische
Chemie der TH Dresden.
Prof. Dr. Gunther Kohler, Professor mit Lehr-
stuhl fur Geographie und Direktor des Instituts
fur Geographie der TH Dresden.
Prof. Dr. Helmut Kraatz, Professor mit Lehr-
stuhl Mir Gynakologie und Geburtshilfe, Direk-
tor der Universitats-Frauenklinik der Humboldt-
Universitat zu Berlin.
Prof. Dr. Friedrich Behrens, stellvertretender
Direktor des Instituts fur Wirtschaftswissen-
schaften, Leiter der Staatlichen Zentralverwal-
tung fur Statistik.
Der Kreis der korrespondierenden Mitglieder
erweiterte sich durch die Zuwahlen folgender
in- und auslandischer Gelehrter:
Prof. Kuo Mo-jo
President der Academia Sinica am 6.9. 1956
Prof. Dr. Alfred Rieche
Direktor am Institut fur organische Chemie am
6. 9. 1956
Prof. Dr. Todor Pawloff
President der Bulgarischen Akademie der
Wissenschaften am 13. 12. 1956
Prof. Dr. Rostislaw Kaischew
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3. Jahrgang, Heft 6/7/8 MITTEILUNGSBLATT
Universitat Sofia am 24. 1. 1957
Prof. Dr. Walter B. Henning
Universitat London am 4. 4. 1957
Prof. Dr. Josef Ehrenfried Hofmann
Universitat Tubingen am 4. 4. 1957.
Am 4. April 1957 wahlte das Plenum Prof.
Dr. Wilhelm Blaschke, Hamburg, Inhaber des
Nationalpreises der Deutschen Demokratischen
Republik, zum Ehrenmitglied.
Seit dem vergangenen Leibniz-Tag verlor die
Akademie durch den Tod folgende Mitglieder:
Hr. Robert Rossle am 21. 11. 1956
Hr. Arthur Scheunert
am 10.
1.
1957
Hr. Ernst Hohl
am 24.
2.
1957
Hr. Heinrich Ficker
am 29.
4.
1957
Hr. Karl Friedrich Bonhoeffer am 15.
5.
1957
and erhielt Kenntnis von dem Hinscheiden ihrer
korrespondierenden Mitglieder:
Hr. Jan Boeke / Utrecht (12. 9. 1956)
Hr. Walter Bothe / Heidelberg (8. 2. 1957)
Hr. Pier Silverio Leicht / Rom (3. 2. 1956)
Hr. Einar Harald Lofstedt / Lund (10. 6. 1955)
Frau A. M. Pankratowa / Moskau (25. 5. 1957)
Hr. Giancarlo Vallauri / Turin (7. 5. 1957)
Hr. Carl Wesenberg-Lund / Kopenhagen (12. 11.
1955)
Hr. Karl Vilhelm Zettersteen / Uppsala (1. 6.
1953)
Aus den Reihen der Institutsdirektoren ist das
Hinscheiden von
Prof. Dr. F. Moglich, Direktor des Instituts far
Festkorper-Forschung, zu beklagen.
Die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu
Berlin wird ihren Toten ein ehrendes An-
gedenken bewahren.
Aus den jiingsten Ereignissen des Lebens der
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin gab Prof. Dr. W. Friedrich die Wahl and
Bestatigung von Akademiemitglied Prof. Dr.
H. Fruhauf zum Vizeprasidenten der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin, die
Wahl and Bestatigung von Akademiemitglied
Prof. Dr. G. Rieni cker zum Generalsekretar der
Deutschen Akademie . der Wissenschaften zu
Berlin, die Griind.ung der Klasse fur Bergbau,
Htittenwesen and Montangeologie bekannt,
durch deren Arbeit die Montanwissenschaften
in der Deutschen Demokratischen Republik eine
wesentlich starkere Forderung erfahren werden,
and die Bildung der Forschungsgemeinschaft der
naturwissenschaftlichen, technischen and medi-
zinischen Institute der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin.
(Wir diirfen an dieser Stelle auf die Bekannt-
machungen zur Forschungsgemeinschaft der
naturwissenschaftlichen, technischen and medi-
zinischen Institute der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin verweisen, die im An-
schluf3 an die Berichterstattung fiber den Leibniz-
Tag in diesem Heft verdffentlicht werden.)
Die Herren Sekretare, die die Tatigkeit der ein-
zelnen Klassen der Akademie leiten, berichteten
fiber den Stand and die Fortschritte der ihrer
Klasse zugeordneten Institute and Arbeitsstellen.
Masse fur Mathematik, Physik and Technik
Auch im Berichtsjahr waren die Beratungen in
der Klasse fur Mathematik, Physik and Technik
and die Arbeiten der ihr angeschlossenen Insti-
tute wesentlich bestimmt durch das Bestreben,
sowohl den wissenschaftlichen Problemen auf
moglichst breiter Front wie auch der technischen
Anwendung wissenschaftlicher Ergebnisse ge-
recht zu werden. Bei diesem Bemuhen haben
die Empfehlungen des Ministerrates vom 18. Mai
1955 keineswegs an Aktualitat eingebiuBt.
Eingehende Aussprachen behandelten das als
dringend empfundene Problem, wie eine immer
starker werdende -Einfluf3nahme der Deutschen
Akademie der Wissenschaften auf dem Gebiet
der Technik erreicht werden kann. Zweifellos
geschieht dies bereits durch die Auswirkung der
Arbeiten einiger Sektionen, so besonders der
Sektion fur Maschinenbau and der Sektion fur
Bergbau. Auch in der Arbeit der Sektion fur
angewandte Mathematik and Mechanik sind
Ansatze fur engeren Kontakt mit technischen
Problemen vorhanden. Die Sektion fur Physik
hat erstmals den Versuch gemacht, durch Aus-
sprache mit den fi hrenden Persorilichkeiten
eines Arbeitskreises die Mitarbeit der Sektion
an aktuellen Problemen der Rohrentechnik and
Schwingungserzeugung zu verstarken. Im gan-
zen hat sich jedoch in der Klasse die Meinung
gebildet, daB die heutige Struktur der Deutschen
Akademie der Wissenschaften weder der Be-
deutung der Technik fur die wissenschaftliche
and kulturelle Weiterentwicklung der Deutschen
Demokratischen Republik geniigend Rechnung
tragt, noch die Entwicklung gerade der wissen-
schaftlich and praktisch besonders ertragreichen
Berizhrungsgebiete zwischen den verschiedenen
Disziplinen, deren Vertreter heute in den natur-
wissenschaftlichen and technischen Klassen der
Akademie sitzen, gebiihrend ermoglicht.
Im Zusammenhang damit hat sich die Klasse fur
Mathematik, Physik and Technik an der Erar-
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 6/7/8
beitung der Grundlagen der Forschungsgemein-
schaft der naturwissenschaftlichen, medizinischen
and technischen Institute der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften intensiv beteiligt and
these Grundung warmstens begruf3t. Sie halt
eine strukturelle Anderung der Akademie im
Sinne einer Zusammenfiihrung der wissenschaft-
lichen Tatigkeit der naturwissenschaftlichen
Klassen der Akademie, einschlief3lich der medi-
zinischen Klasse, fair auf3erordentlich wi nschens-
wert als einen der wesentlichen Schritte, um der
Einheit der Wissenschaft wieder naherzukom-
men. Aus den Beratungen der Klasse entsprang
'die Anregung, fir das Gebiet der Technik in der
Akademie die Stelle eines 4. Vizeprasidenten zu
schaffen.
Fir den wichtigen Bereich der Metallphysik
wurde bei der Sektion fir Physik eine Unter-
kommission gebildet, der die namhaftesten
Wissenschaftler dieses Gebietes aus der Deut-
schen Demokratischen Republik angehoren. Mit
Hrn. Kohler alsVorsitzendem - wahrend seiner
Krankheit vertreten durch Herrn Potthoff -
wurde am 13. Juni 1957 die Sektion fur Verkehrs-
wesen konstituiert, die ihrer komplexen Auf-
gaben halber Mitglieder aus den verschiedensten
Disziplinen der Wissenschaft hat and nicht nur
die Kompetenz der Klasse fair Mathematik, Phy-
sik and Technik beri hren wird. Sie wurde des-
halb auf Antrag der Klasse einer Kommission
des Presidiums unterstellt.
Zu Beginn des Jahres erfolgte die endgiiltige
Grundung einer Arbeitsstelle fir Regelungs- and
Steuerungstechnik in Dresden. Diese Arbeits-
stelle soil im Laufe der Zeit wegen der hervor-
ragenden Bedeutung dieses Fachgebietes zu
einem Institut der Akademie entwickelt wer-
den.
Am 1. Januar 1957 i bernahm die Akademie das
Geomagnetische Institut in Potsdam and das ihm
angegliederte Adolf-Schmidt-Observatorium fiir
Erdmagnetismus in Niemegk in die Reihe ihrer
Institute.
Im Rahmen der Kommission fur kernphysika-
lische Forschung wurden mit guter Beteiligung
regelmaf3ig die unter Leitung von Hrn. Hertz ste-
henden kernphysikalischen Colloquien in Leipzig
durchgefi hrt. Die Kommission fir kernphysika-
lische Forschung veranstaltete am 3. Mai 1957
unter Heranziehung zahlreicher Fachgelehrter
aus der Deutschen Demokratischen Republik eine
Aussprache fiber Fragen des Strahlenschutzes.
Das Ergebnis dieser Aussprache wurde dem Pre-
sidium der Akademie vorgelegt and an die Re-
gierung der Deutschen Demokratischen Republik
weitergeleitet.
Die Infrarotkommission der Klasse hat ihre Ar-
beiten fur die Einfiihrung der Infrarotspektro-
skopie in die Wissenschaft and in die industrielle
Produktion fortgesetzt.
Aus der Arbeit der der Klasse zugehorigen In-
stitute ist ganz allgemein hervorzuheben, daf3 die
Mitarbeit an wichtigen Problemen des Landes
and seiner industriellen Produktion bei fast alien
wissenschaftlichen Institutionen der Klasse einen
nicht unbetrachtlichen Umfang angenommen
hat. Aber auch die Arbeiten der rein wissen-
schaftlichen Institute, beispielsweise der astro-
nomischen, haben sehr oft eine viel starkere Aus-
wirkung auf die Verbesserung der technischen
Entwicklung, als dies auf den ersten Blick er-
kennbar ist. Die Zahl der wissenschaftlichen
Originalarbeiten ist allgemein in kraftigem An-
steigen, ein Zeichen dafiir, daB es in den ver-
gangenen Jahren gelungen ist, auf einer breiten
Basis arbeitsfahige Institute zu entwickeln. Im
folgenden konnen nur einige wenige Beispiele
aus der Arbeit der Institute angeftihrt werden.
Wegen der einzelnen Ergebnisse muf3 auf die
Jahresberichte im Jahrbuch der Akademie ver-
wiesen werden.
Auf dem Sektor Astronomie sind durch die tatige
Mitarbeit des Direktoriums des 2 m-Spiegeltele-
skop-Instituts wesentliche Fortschritte fiir die
Planung and Entwicklung des Instituts and des
2 m-Spiegelteleskops zu verzeichnen. Die sonnen-
physikalischen Arbeiten sind durch das Geschenk
eines hervorragenden optischen Gitters der Aka-
demie der Wissenschaften der UdSSR auf3er-
ordentlich gefordert worden.
Auf dem Gebiet der Festkorperforschung sind
wiederum wissenschaftlich wertvolle Arbeiten
entstanden, die zum groBen Teil beachtenswerte
praktische Ergebnisse brachten.
Unsere Institute leisteten u. a. wesentliche Bei-
trege zur Verbesserung der in unserer Industrie
hergestellten, fir die Elektrotechnik and Hoch-
frequenztechnik so wichtigen Halbleiter-Bau-
elemente.
Bei der Erforschung der Ausbreitung elektro-
magnetischer Wellen in der hohen Atmosphere
konnten die Auswirkungen der Sonnenerup-
tionen auf die E-Schicht der Ionosphere geklart
and eine Deutung des Sonnenfinsternis-Effektes
im Erdmagnetfeld gegeben werden.
In der Radioastronomie brachte die Entwicklung
hochempfindlicher Empfanger gute Erfolge, so
daB im cm-, dm- and m-Wellengebiet laufende
Beobachtungen der Sonne erfolgen and auch be-
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reits Messungen an einer galaktischen Radio-
quelle begonnen werden konnten. Theoretische
Arbeiten beschaftigten sich mit der Ausbreitung
von m-Wellen in der Sonnenkorona and brachten
Aufschliisse fiber die turbulente Struktur der in-
neren Korona.
Von den kernphysikalischen Arbeiten ist beson-
ders hervorzuheben die Fertigstellung eines ma-
gnetischen Isotopentrenners, der etwa 1 Milli-Mol
pro Stunde Isotope liefern kann. Im Rahmen der
Zusammenarbeit mit dem Gemeinschaftsinstittit
fur Kernphysik in Dubna, UdSSR, wurde eine
grof3e and moderne Anlage fur die photographi-
sche Entwicklung von Kernemulsionen entworfen
and gebaut.
Die Vorbereitungen fur das kommende Geophysi-
kalische Jahr sind an vielen Stellen in vollem
Gange. Auf dem Gebiet der Geophysik ist fur
den internationalen Schwerebezugspunkt Pots-
dam die Neubestimmung der absoluten Schwere
in Vorbereitung; fundamentale Langenbestim-
mungen and Laufzeitmessungen von Zeitsignalen
schlie8en sich an. Bodendynamische and klein-
seismische Untersuchungen an Talsperren, Kali-
bergbauten, in der Mansfelder Senkungsgrube
and bei Sprengungen fiihrten zu einer beacht-
lichen Hilfe bei diesen Unternehmen. Die Ar-
beiten fiber die hydrographischen Verhaltnisse
an der OstseekUste and an unseren Binnenseen
ermoglichten u. a. eine wertvolle Beratung fur
den Ktistenschutz.
Die Klasse fur Mathematik, Physik and Technik
wird auch in Zukunft darum bemuht sein, die
Arbeit an den wissenschaftlichen Problemen der
Institute der Akademie and die Auswertung der
Ergebnisse der Forschung fur die Praxis zu
untersttitzen.
Akademiemitglied Prof. Dr. R. RoMPE, Sekretar
Klasse fur Chemie, Geologie and Biologie
Im Institut Mr Anorganische Chemie setzte Hr.
Thilo seine bedeutsamen Arbeiten uber anorga-
nisch hochmolekulare Stoffe fort. Seine Unter-
suchungen uber die hochmolekularen Phosphate
fiihrten zur Aufstellung eines einheitlichen and
vollstandigen Systems dieser Verbindungen and
zum Verstandnis ihrer technisch hoch wichtigen
Eigenschaften.
Auf dem Gebiet der Silikate wurden neue Er-
kenntnisse uber die Vorgange bei der Erhartung
der Zementbestandteile gewonnen. Ferner
brachte er seine Arbeiten fiber, die Zerrieselung
von Dicalciumsilikat zum AbschluB mit Ergeb-
nissen, die zur Erteilung von Patenten fiihrten.
Patentiert wurde auch ein von ihm entwickeltes
Verfahren zur Gewinnung von Tonerde neben
Portlandzement.
Hr. Rieche im Institut fur Organische Chemie
(Arbeitsgebiet Vor- and Zwischenprodukte) be-
faf3t sich mit baktericiden and fungiciden Mitteln,
z. B. gegen Tuberkulosebakterien, ferner mit der
biologischen Eiweif3synthese and der Verwertung
der Zellstoffablaugen zur Kunststoffherstellung.
Auch wurde ein quecksilberfreies Diureticum
entwickelt, dessen Herstellung die Farbenfabrik
Wolfen ubernahm.
Im gleichen Institut behandelte nach Fertig-
stellung seiner Raume Hr. Bertsch in der Ab-
teilung ,Grenzfl5chenaktive Stoffe and Fett-
stoffe" die Erzeugung bestandiger grenzflachen-
aktiver Stoffe von medizinischer Bedeutung.
Herr Dr. Wende fand im Laboratorium Mr Kunst-
stoffe eine neue Gruppe von Epoxydharzen auf
Triazinbasis, die einen Fortschritt hinsichtlich
Warmebestandigkeit, Verarbeitungsfahigkeit and
Entzi ndbarkeit darstellen. Die schon fruher im
Laboratorium entwickelten Typen der Kleb- and
Gief3harze kamen im VEB Leuna-Werke ?Walter
Ulbricht" in den Produktionsgang.
Im Bereich der anorganischen Katalyse des In-
stituts fur Katalyseforschung befaf3te sich Hr.
Rienacker mit der Beziehung zwischen kataly-
tischer Wirksamkeit and Gitterstruktur, elektro-
nischem Aufbau and anderen Materialkonstan-
ten. Von groBer praktischer Bedeutung ist die
Hydrierung von Kohlenoxyd in kohlenoxyd-
reichem Kokereigas zu Methan mittels eines
Kontaktes, der weniger Nickel als die bisher be-
kannten Kontakte aufweist.
Im Arbeitsgebiet der organischen Katalyse im
gleichen Institut wurde von Hrn. Langenbeck
die wichtige Hydrierung des Formaldehyds zu
Glycerin zum AbschluB gebracht. Ferner wurde
der Mechanismus der Paraffinoxydation ge-
klart.
Im Institut fur Faserstoff-Forschung von Hrn.
Correns fi hrten die Arbeiten Ober. den Reaktions-
mechanismus des alkalischen Holzaufschlusses
zu einem verbesserten zweistufigen Verfahren,
das zum Patent angemeldet wurde. Die Unter-
suchungen uber Fadenbildung and Deformation
von Cell uloseregeneratfaden aus Viskose ergaben
neuartige Ergebnisse uber den EinfluB der im
Spinnbad zugesetzten Salze zweiwertiger Katio-
nen auf den Koagulationsverlauf. Neben Ar-
beiten uber den KatalysatoreinfluB bei Polyester-
kondensationen, die groBe praktische Bedeutung
haben, wurden an Polyamiden and Polyestern
Spinnversuche mit neuartigen Spinnkopfen and
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bei extrem hohen Spinngeschwindigkeiten durch-
gefUhrt. Strukturuntersuchungen erbrachten,
unter anderem, fiber die Celluloseanordnung in
Holzfasern rontgenographisch neue Erkennt-
nisse. Es gelang, durch Modifikation der End-
gruppen am Polyacrylnitril Fasern mit erhohtem
Farbstoffaufnahmevermogen herzustellen.
In der neu ausgestatteten Arbeitsstelle far
Kristallstrukturanalyse von Frau Prof. Dr. Boll-
Dornberger ist eine Reihe von Rontgen-Struktur-
untersuchungen durchgefUhrt worden. Far den
VEB ,Fettchemie" and fur das Institut far
Wasserwirtschaft wurden rontgenanalytische
Untersuchungen unternommen. In der Instituts-
werkstatt wurden spezielle Rontgenkammern
and 20 Weif3enberg-Goniometer angefertigt.
Herr Prof. Dr. Serowy fiihrte in der Arbeitsstelle
far Mineralsalzforschung Untersuchungen fiber
Keimbildung and Kristallwachstum bei Kalium-
und Magnesiumsalzen durch, die die Aufstellung
von technisch wichtigen Kristallisationsdiagram-
men ermoglichen.
Hr. Franck befal3te sich im Institut fir Silikat-
forschung erfolgreich mit Verbesserung der
Schmelzvorgange. Im Gange sind Versuche zur
Herstellung von Di nnstglas fur die Mikroskopie
and die Ausarbeitung spektralanalytischer Ver-
fahren far Silikate.
Im Geotektonischen Institut fahrte Hr.
von Bubnoff Strukturkartierungen durch. Wich-
tig far den Verlauf von Eisenerzlagern sind die
Gelandearbeiten des Instituts am Harz bei El-
bingerode.
In der Arbeitsstelle fir Palaobotanik and Kohlen-
kunde diente die Tatigkeit des Herrn Dr. Remy
der Steuerung der Kohlenauswahl far die Koks-
erzeugung and der Vorratsschatzung des Kohle-
vorkommens. Weitergefihrt wurde u. a. die
petrographische and mikrofloristische Unter-
suchung der Lausitzer Braunkohle.
Die wichtigste Leistung des Instituts far Kultur-
pflanzenforschung bestand in der von Hrn.
Stubbe geleiteten grof3en Expedition von Mai bis
September nach Nord- and Nordost-China als
erste deutsch-chinesische biologische Sammel-
reise mit einem reichen Sammelergebnis an
Kulturpflanzen, Wildpflanzen and Wildtieren,
die zi chterischen Zwecken dienen sollen - ein
Ruhmesblatt der Akademie.
Die Mutationsforschung zur Erzielung hoch-
wertiger Kulturpflanzen wurde fortgesetzt. Fer-
ner wurde u. a. die Auswahl von Auslesebaumen
zu Zuchtzwecken im Harzvorland, im Harz and
in den Elbe- and Saale-Auen ortlich erweitert.
Im Institut zur Steigerung der Pflanzenertrage
bearbeitete Herr Prof. Dr. Atanasiu Stickstoff-
ernahrung and Dangerfragen.
Hr. Knoll fi hrte Arbeiten zur Standardisierung
der biologischen Antibioticabestimmung, zur Ge-
winnung neuer Antibiotica, zur Gewinnung
krebswirksamer Mikrobenpraparate and ahn-
liches durch. Die im Institut far Mikrobiologie
and experimentelle Therapie fur die Deutsche
Demokratische Republik laufende Produktion
des Calmette-Guerin-Impfstoffs gegen Tuber-
kulose wurde verbessert.
Biochemischen and therapeutischen Fragen gal-
ten Untersuchungen an Nukleinsauren and an
den far Blutersatz wichtigen Dextranen.
Die Arbeitststelle far experimentelle and ange-
wandte Psychologie unter Hrn. Gottschaldt be-
faf3te sich mit der psychologischen Grundlage
der Unfalle im Bergbau and in der Industrie and
untersuchte die psychologischen Voraussetzungen
zur sogenannten Fahrungswirkung von Ober-
meistern, Meistern and Brigadieren.
Akademiemitglied Prof. Dr. K. NOACK, Sekretar
Masse f fir Medizin
In der Klasse far Medizin besteht das Institut far
Medizin and Biologie als graBte Einrichtung, da-
neben das Institut far Vergleichende Pathologie,
zwei Arbeitsstellen far Kreislaufforschung and
die Deutsche Arzneibuchkommission. Seit dem
1. Juli d. J. sind das Institut far Ernahrungs-
forschung and die Anstalt fur Vitaminforschung
and Vitaminprafung als Institut far Ernahrung
der Akademie angeschlossen. Ferner bestehen 8
Sektionen.
Das Institut far Medizin and Biologie umfaBt
jetzt insgesamt 709 Mitarbeiter, darunter 100
Wissenschaftler. In insgesamt 166 Publikationen
kommt das wissenschaftliche Leben des Instituts
zum Ausdruck, das von den einzelnen Arbeits-
bereichen mit ihrer speziellen Methodik aus-
gehend in die zentrale Aufgabenstellung: Er-
forschung des Krebses and des Eiweif3es ein-
mi ndet.
Im ' Arbeitsbereich Physik/Biophysik wird die
Wechselwirkung von Strahlung mit der Materie
untersucht. Insbesondere werden die Versuche
zur Bestimmung von Strahlenspektren bzw. Wir-
kungsmechanismen an biologischen Objekten mit
ultravioletten Strahlen, langsamen Elektronen,
Ultraschall and langen elektrischen Wellen fort-
gesetzt, desgl. die Untersuchungen uber Rontgen-
dosimetrie.
Im Arbeitsbereich Biochemie wurden die Unter-
suchungen fiber den Kohlehydratstoffwechsel der
einzelnen Zellfraktionen von Tumorgewebe im
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Vergleich zu normalem Lebergewebe fortgesetzt,
desgl. die Untersuchungen uber den leukamie-
erzeugenden Faktor in zellfreien Tumorfiltraten.
In der Zuchtung von Pflanzentumoren der Datura
wurden Fortschritte erzielt; die fermentchemi-
schen Versuche wurden fortgefiihrt.
Der Bereich Biologie befaBt sich weiter vor allem
mit Arbeiten Uber zellfreie Tumorubertragung
and setzt seine Versuche zur naheren Charak-
terisierung des filtrierbaren Agens fort. Die Cyto-
logie and Histogenese der durch Filtrate er-
zeugten Leukamie wurde weitgehend geklart.
Bemerkenswert ist, daB es mit gewissen Tumor-
filtraten gelang, auger Leukemien noch andere
Tumoren zu erzeugen.
Im Arbeitsbereich Pharmakologie wurden zahl-
reiche Benzimidazolderivate teilweise erstmalig
hergestellt and auf tumorhemmende wie andere
Wirkungen gepruft. Ein neues Elektronenmikro-
skop wie die Konstruktion eines Ultramikrotoms
erlaubten aufschluBreiche Studien fiber die Fein-
struktur von Bakterien, Blutzellen and Geweben,
insbesondere der Milz. Die Kombination neuer
physikalischer MeBmethoden mit biochemischen
Studien ermoglichte die Gewinnung grundlegen-
der Erkenntnisse fiber die prosthetische Gruppe
des Hemoglobins and verwandter Proteine.
In der Abteilung fur Mikrobiologie wurde ein
spezifischer Energiespeicherstoff mit anoxygenem
Energiepotential aufgefunden, mit dem durch
Anoxybiose cytostatisch gewordene Hefezellen
ohne Mitwirkung von Sauerstoff wieder zur Pro-
liferation gebracht werden konnen.
Im Bereich Angewandte Isotopenforschung, der
1956 gebildet wurde, wurden die Laboratorien
fur fi of Arbeitsgruppen eingerichtet and fur Ar-
beiten mit radioaktiven Isotopen ausgeriistet,
zum Teil bis zu einem Aktivitatsniveau von
einigen hundert Millicurie. Hergestellt wurden
u. a. Spezialmefgerate fur radiochemische Labo-
ratorien. Mit der experimentellen Pri fung der
Verteilung von Radio-Isotopen in den einzelnen
Organen je nach Applikationswert wurde be-
gonnen; gemeinsam mit dem Arbeitsbereich Kli-
nische Medizin wurden zahlreiche diagnostische
Versuche mit P32 am Menschen durchgefiihrt.
Die Herstellung radioaktiv markierter Verbin-
dungen ist angelaufen. Im Auftrage des Amtes
fur Kernforschung and Kerntechnik fungiert der
Arbeitsbereich als Isotopenverteilungsstelle fur
das Gebiet der Deutschen Demokratischen Re-
publik.
Ftir den Arbeitsbereich Klinische Medizin stand
weiterhin die klinische and experimentelle Be-
arbeitung der haufigsten Organkrebse im Vorder-
grund. Hierbei hat sich eindeutig gezeigt, daB
beim Magen- and Bronchialkrebs die Diagnose
sehr oft noch zu spat gestellt wird; der arztlichen
Fortbildung auf diesem Gebiet ist daher beson-
dere Beachtung zu schenken. In der operativen
Behandlung der Bronchialcarcinome wurde die
Indikationsstellung zur Teilresektion bzw. totalen
Pneumektomie scharf abgegrenzt. Die preopera-
tive Rontgenbestrahlung zur Verbesserung der
Dauerheilung wurde technisch vervollkommnet.
tYber aktuelle Fragen der AnesViesie wurde ein
Symposion unter internationaler Beteiligung ab-
gehalten. Die Arbeiten des Instituts fir Verglei-
chende Pathologie, das bis jetzt noch unzulang-
lich in Raumen des Pathologischen Instituts der
Veterinarmedizinischen Fakultat der Humboldt-
Universitat untergebracht ist, gelten in erster
Linie der vergleichenden Pathologie der Ge-
schwulste and der Tuberkulose. Mit dem ersten
Bauabschnitt eines eigenen Institutsgebaudes
wurde bereits begonnen.
Die beiden Arbeitsstellen fur Kreislaufforschung,
die eine provisorische Unterkunft im Institut fur
Medizin and Biologie in Berlin-Buch bzw. im
Stedtischen Krankenhaus im Friedrichshain ge-
funden haben, konnten ihre Tatigkeit aufnehmen.
Die eine befal3t sich mit der Ausarbeitung von
Operationsmethoden zur besseren Durchblutung
des Herzmuskels bei anatomischer and funktio-
neller Coronarinsuffizienz, die andere arbeitet
uber die Chemie des Herzwachstums and der
Herzhypertrophie sowie u. a. fiber die Zusammen-
hange zwischen Ernahrung, Korpertatigkeit and
Atherosklerose.
Die Deutsche Arzneibuchkommission hat die Ar-
beiten am 2. Nachtrag zum Deutschen Arznei-
buch 6 soweit gefordert, daB sie bis Ende d. J.
abgeschlossen werden konnen. Sie wird sich
dann anschlieBend der Gestaltung des Deutschen
Arzneibuches 7 widmen, an dem bereits fort-
laufend gearbeitet wird.
Am 1. Juli 1957 wurde das Institut fur Ernah-
rungsforschung and die Anstalt fir Vitamin-
forschung and Vitaminprufung der Akademie
angeschlossen and so eine Vereinigung dieser
beiden Institute,, die bisher zwei Ministerien
unterstanden, durchgefilhrt. Damit geht ein seit
langem gehegter Wunsch von Hrn. Scheunert, der
im Januar d. J. verstarb, endlich in Erfi llung.
In den 8 Sektionen der Masse fur Medizin fanden
zum Teil gemeinsame Sitzungen u. a. auch mit
dem Wissenschaftlichen Rat des Ministeriums fur
Gesundheitswesen statt. In zusammenhangenden
Vbersichten fiber bestimmte Fragenkomplexe
wurden Empfehlungen erarbeitet, die den zustan-
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 6/7/8
digen Ministerien zugeleitet worden sind. Es
handelt sich hierbei unter anderem um die Ver-
wendung der Chemotherapeutica, die Penicillin-
behandlung des Scharlachs, um Fragen der
vegetativen Dystonie sowie der Hepatitis epi-
demica.
In der Sektion fur Innere Medizin war auf3er-
dem die Anwendung der Dispensaire-Methode
bei Ulcus-Erkrankungen Gegenstand ausfiihr-
licher Erorterungen; die Aussprache Ober die
gleiche Methode bei Coronar-Krankheiten wurde
begonnen.
Die Sektion fur Geschwulstkrankheiten behan-
delte in Fortfuhrung der systematischen Erorte-
rung der einzelnen Organ-Krebse zusammen mit
den Sektionen fur Innere Medizin and fur Chi-
rurgie die Bronchial- and die weiblichen Genital-
Carcinome.
Die Sektion fiir Geburtshilfe and Sauglingsfi r-
sorge brachte die Erorterung fiber die Ursachen
and Bekampfung der perinatalen Sauglingssterb-
lichkeit mit den Themen Embryopathie, Erythro-
blastose and Morbus haemolyticus neonatorum
zum AbschluB. Sie wandte sich der Aussprache
Ober den bedeutungsvollen Problemkreis der Be-
kampfung der Miittersterblichkeit zu.
Die Sektion fur Ernahrung, die durch den Tod
von Hrn. Scheunert den Verlust ihres verdienst-
vollen Vorsitzenden zu beklagen hatte, befal3te
sich gemeinsam mit den Sektionen fur Geburts-
hilfe and SauglinsfUrsorge sowie fur Hygiene u.a.
auch mit der Frage einwandfreier Sauglings-
milch.
Ferner fand vom 28-30. Oktober 1956 ein Sym-
posion fiber neuzeitliche Ernahrungsfragen unter
Beteiligung der Deutschen Gesellschaft fir Er-
nahrung e. V. Mainz statt.
Die Sektion fur Hygiene veranstaltete im Oktober
1956 gemeinsam mit der Medizinisch-wissen-
schaftlichen Gesellschaft fur die gesamte Hygiene
in Dresden eine Jahrestagung, die sich mit Fra-
gen der Lebensmittelhygiene sowie der Sozial-,
Arbeits- and Abwasserhygiene befaBte.
Die Sektion fur Dermatologie beendete die Er-
orterung eines Entwurfs fur eine Verordnung zur
Bekampfung der Geschlechtskrankheiten, deren
endgilltige Fassung zur Zeit Gegenstand gemein-
samer Beratungen mit dem Ministerium fur Ge-
sundheitswesen ist. Sie hat ferner Empfehlungen
ausgearbeitet, die der Bekampfung der sozial-
medizinisch sehr bedeutsamen Berufsdermatosen
dienen.
Gemeinsam mit der Akademie fur Sozialhygiene,
Arbeitshygiene and arztliche Fortbildung veran-
staltete die Kiasse fur Medizin im Mai einen
JahreskongreB fur arztliche Fortbildung der Arzte
and Facharzte aller Fachgebiete in Leipzig.
Diese durchaus nicht vollstandige Aufzahlung
laf3t erkennen, dab sich die Sektionen der Kiasse
bemuhen, ein wirksames Bindeglied zur Praxis
zu sein. Es besteht aber - wie im Vorjahre -
Veranlassung, wieder darauf hinzuweisen, daB es
Sache der staatlichen Stellen ist, die Empfehlun-
gen der Sektionen in geeigneter Form Wirklich-
keit werden zu lassen. Die Empfehlungen des Mi-
nisterrates aus dem Jahre 1955 konnten aus
Mangel an Investitionsmitteln nur unvollstandig
verwirklicht werden.
Akademiemitglied Prof. Dr. K. LOHMANN, Sekretar
Kiasse fur Sprachen, Literatur and Kunst
Der Sekretar der Kiasse fur Sprachen, Literatur
and Kunst hat zu berichten fiber die Fortschritte
in den Instituten, die ihr unterstellt sind. Das
Deutsche Worterbuch der Briider Grimm schritt
im Jahre 1956 schneller fort als in den Vorjahren
seit der Neugriindung der Akademie. In diesem
Jahre erschienen neun Lieferungen. Spatestens
1960 wird das Werk nach mehr als hundertjah-
riger Arbeit fertig sein. Eine Neubearbeitung der
ersten fi of Buchstaben, also der veralteten Bei-
trage von Jakob and Wilhelm Grimm, ist vor-
gesehen, eine ki rzende and zusammenfassende
zweite Auflage des ganzen Werkes geplant. Bei
einer internationalen Arbeitstagung des Instituts
wurde beraten Ober Probedrucke zu einem Wor-
terbuch and zu einer Grammatik der deutschen
Sprache der Gegenwart, Ober die Ausgabe von
Werken Goethes and fiber Worterbiicher zu her-
vorragenden, fur die Geschichte der deutschen
Sprache bedeutenden Werken wie ,Werthers Lei-
den' and Gotz von Berlichingen'. Die 1955 ge-
gri ndete Arbeitsstelle fiir Literaturgeschichte
knipfte mit Literaturhistorikern Ungarns and der
Tschechoslowakei Beziehungen, die fir eine ge-
plante Geschichte der deutschen Literatur von
1450 bis 1700 von Bedeutung sind. Eine Gramma-
tik der deutschen Sprache der Gegenwart, be-
stimmt fur die Hand der Studierenden and der
Lehrer, liegt im Manuskript vor, bearbeitet von
Professor Erben.
Das Institut fur griechisch-romische Altertums-
kunde, gegrindet im Oktober 1955, hat alte Ar-
beitsgruppen zu neuen Aufgaben zusammen-
gefal3t. Die hellenistisch-romische Philosophie,
das Werk der griechischen Mi nzen and die archa-
ologische Forschung wurden besonders ge-
fordert.
Das Institut fur Orientforschung bearbeitete ins-
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besondere die hethitischen Keilschriften aus den
Grabungen von Boghazkoj. In der Abteilung Ara-
bistik and Turkologie konnte der Katalog der
arabisch-alchemistischen Handschriften mit dem
dritten Band abgeschlossen werden. In der Ab-
teilung Agyptologie wurde die Erforschung der
Medizin der alten Agypter unter der Leitung von
Hrn. Grapow fortgesetzt. Es erschien ein dritter
Band.
Das Institut fur Slavistik hat in seiner sprach-
lichen Abteilung das Russisch-deutsche Worter-
buch soweit gefordert, dab erste Korrekturen
abgeschlossen sind and die zweiten vor dem Ab-
schluB stehen. Das Pomoranische Worterbuch be-
findet sich im Satz. Ein Worterbuch des Sorbi-
schen, ein Mecklenburgisches Namenbuch and
eine Ortsnamensammlung des Harz-Elbe-Gebietes
werden bearbeitet. Die literarhistorische Abtei-
lung widmet sick. besonders dem Schaffen Alexan-
der Herzens and Ivan Turgenevs. In der histo-
rischen Abteilung schlof Hr. Winter sein Werk
,Der bohmische Vormarz in ' den Briefen Bol-
zanos an Phhonsky' ab. Es erschien ein Sammel-
band Deutsch-slawische Wechselseitigkeit in
sieben Jahrhunderten'.
Im Mittelpunkt der Arbeiten des Instituts fur ro-
manische Sprachwissenschaft stehen Untersu-
chungen uber die Entwicklung der franzosischen
Urkundensprache. Die Verarbeitung der gasco-
gnischen Urkunden bildet die Grundlage fur ein
Worterbuch der altgascognischen Sprache, dessen
erster Band 1958 im Manuskript abgeschlossen
werden soil. Die Mitarbeit am Franzosischen
Etymologischen Worterbuch Walther von Wart-
burgs wurde fortgesetzt.
Die sprachwissenschaftliche Kommission arbeitet
an vier Einzelunternehmungen: einem Be-
deutungsworterbuch der indogermanischen Spra-
chen, einem Bedeutungsworterbuch der finnisch-
ugrischen Sprachen, einem Ostjakischen Worter-
buch and einem Historischen Worterbuch der
sprachwissenschaftlichen Terminologie.
Die Arbeitsstelle fur Kunstgeschichte hat mit der
Neubearbeitung des Dehioschen Handbuchs der
deutschen Kunstdenkmaler begonnen. Am Cor-
pus der Romanischen Kunst Mitteldeutschlands
and am Corpus der mittelalterlichen Inschriften
wurde weitergearbeitet. Im Rahmen der Union
Akademique Internationale wurde die Erfor-
schung der mittelalterlichen Glasmalerei im Be-
reich der Deutschen Demokratischen Republik
aufgenommen.
Akademiemitglied Prof. Dr. TH. FRINGS, Sekretar
Klasse f iir Philosophie, Geschichte, Staats-,
Rechts- and Wirtscha f tswissenscha f ten
Wie in der Bezeichnung der Klasse fur Philo-
sophie, Geschichte, Staats-, Rechts- and Wirt-
schaftswissenschaften zum Ausdruck kommt, ist
hier eine Reihe von Gesellschaftswissenschaften
verschiedener Art zusammengefaBt. Es handelt
sich um jene Fachgebiete, die AufschluB geben
sollen uber die Entwicklung des Zusammenlebens
der Menschen, ihrer Sippen, Volker and Staaten.
Die zur Aufklarung dieser Verhaltnisse unter-
nommenen Forschungen behandeln die Zeit vom
ersten Auftreten des Menschen his zur Gegen-
wart. Dabei stehen fortschrittliche Auffassungen
auf marxistisch-leninistischer Grundlage in
mannigfachen Auseinandersetzungen mit bisher
geltenden Anschauungen.
Die Zahl der der Klasse angeschlossenen wissen-
schaftlichen Einrichtungen hat rich im Jahre 1956
auf 4 Institute and 5 Arbeitsgruppen erhoht.
Ihnen zur Seite stehen 5 Sektionen, die sich aus
ordentlichen and korrespondierenden Mitgliedern
der Akademie and dariiber hinaus aus weiteren
nicht der Akademie angehorenden namhaften
Vertretern des jeweiligen Fachgebietes zu-
sammensetzen. Durch diese Erweiterung ihres
Wirkungsbereiches wird die Akademie in die
Lage versetzt, die von ihr als hochster wissen-
schaftlicher Institution der Deutschen Demokra-
tischen Republik erwartete Koordinierung and
Betreuung der Forschungsarbeiten zu verwirk-
lichen.
Die Forschungsarbeiten des Instituts fur Vor- and
Friingeschichte erstrecken sich auf die altesten
Abschnitte der menschlichen Kulturentwicklung,
soweit diese aus der im Boden auf uns gekom-
menen Hinterlassenschaft erschlossen werden
konnen.
Die im letzten Jahre durchgefiihrten Arbeiten
and die damit im Zusammenhang stehende inten-
sive Pflege des Kontaktes mit den Fachwissen-
schaftlern der Nachbarlander in Ost and West
trugen wesentlich zur Starkung des Ansehens
des Instituts auf internationaler Basis bei. Die
Erforschung der vor- and friingeschichtlichen
Wall- and Wehranlagen in den Bezirken Halle,
Magdeburg and Schwerin erbrachte wertvolle
Ergebnisse, die nicht nur fur die Fragen der
bronzezeitlichen sogenannten Lausitzer Kultur,
sondern auch fur das deutsch-slawische Problem
von Bedeutung sind. Diese Untersuchungen wer-
den nunmehr auf Grund einer Vereinbarung mit
der Polnischen Akademie der Wissenschaften
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auch auf das Gebiet zu beiden Seiten der unteren
Oder ausgedehnt.
Ein zweiter wichtiger Fragenkomplex des In-
stituts ist die Stadtkernforschung. Die Weiter-
fuhrung der GroBgrabungen in der Altstadt von
Magdeburg sowie Grabungen im Gebiet von
GroB-Berlin, auf der SchloBinsel von Kopenick,
dem Hohen Steinweg and der Nikolaikirche, er-
gaben neue wesentliche Aufschliisse fiber die
Entstehung and Entwicklung dieser Stadte.
Weiterbearbeitet wurde auch die Aufnahme von
bronzezeitlichen Schatzfunden.
Im AnschluB an die Ausgrabungen auf der Tete-
rower Burgwallinsel sind neue. Untersuchungen
in Behren-Liibchin nordlich von Teterow im
Gange, bei denen die ausgezeichnete Erhaltung
der beim Bau des Walles verwendeten Holzer
eine Ermittlung der Konstruktion bis in alle
Einzelheiten ermoglicht. Diese Untersuchungen
stehen als weitere GroBgrabting in diesem Jahre
im Mittelpunkt der Forschungstatigkeit des In-
stituts.
Die wichtigsten Ergebnisse aus der Arbeit des
Instituts sind in einer Reihe von VerBffentlichun-
gen niedergelegt worden.
An weitere Kreise wendet sich das neu ge-
grUndete Nachrichtenblatt fur Vor- and Friih-
geschichte, das unter dem Titel ,Ausgrabungen
and Funde" erscheint and in leicht verstandlicher
Form uber die neuesten Ergebnisse auf diesem
Forschungsgebiet orientiert. Die grofe Zahl der
Abonnenten hat gezeigt, daB es einem dringen-
den Bedi rfnis entgegenkommt.
Der inzwischen erfolgte Umzug nach 10jahriger
mangelhafter Unterbringung in neue geeignete
Raume im friiheren PreuBenhaus hat die not-
wendigen Voraussetzungen zur Erweiterung des
Instituts and der Inangriffnahme neuer For-
schungsthemen gebracht.
Die Arbeiten des Instituts fur deutsche Volks-
kunde, deren Ziel die Erforschung der Tradi-
tionen and Lebensformen des deutschen Volkes
auf dem Gebiet der Volkskultur ist, wurden fort-
gefiihrt. Insbesondere wurden Untersuchungen
zum Volkslied and der Volkskunde des erzgebir-
gischen Bergmannes sowie der Lausitzer Weber
angestellt.
Eine Veroffentlichung fiber Ludolf Parisius and
seine altmarkischen Volkslieder wurde im Be-
richtsjahr abgeschlossen and ist ki rzlich er-
schienen.
Einen Beitrag zur Groflstadtvolkskunde bildet
eine Studie uber das Berliner Kinderspiel der
Gegenwart, die die Ergebnisse zahlreicher Urn-
fragen zusammenfal3t.
Die bisher erschienenen Bande des ,Deutschen
Jahrbuches fur Volkskunde" enthalten neben
groileren Abhandlungen Mitteilungen and Be-
richte sowie umfassende Literaturiibersichten.
Das Jahrbuch soil dem gegenseitigen Verstandnis
and der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen
der Volkskunde der ostlichen and westlichen
Lander dienen. Neben der Zeitschrift konnte eine
groBere Reihe von Einzelveroffentlichungen zum
AbschluB gebracht werden.
Die Kommission fur Heimatforschung hat in der
Reihe ,Werte der deutschen Heimat" mit der
Herausgabe heimatkundlicher Bestandsaufnah-
men zunachst im Gebiet von Konigstein in der
Sachsischen Schweiz begonnen.
Das Institut fur sorbische Volksforschung in
Bautzen wurde der Akademie zur Betreuung zu-
geordnet. Es betreibt historische, ethnographische
and sprachkundliche Untersuchungen fiber den
sorbischen Volksteil.
Von unmittelbarer Bedeutung fur alle gegen-
wartigen volkswirtschaftlichen Fragen ist die Ar-
beit des Instituts fur Wirtschaftswissenschaften.
Das Geld- and Kreditproblem, die Verteilung der
Investitionen als Voraussetzung fur eine plan-
maBige Entwicklung der Volkswirtschaft, Fragen
der Arbeitsproduktivitat and der Selbstkosten-
senkung sowie der Rentabilitat der Betriebe and
der Wirtschaftsleitung bildeten die Grundlage
fur die Untersuchungen des letzten Jahres. Dar-
uber hinaus hat es sich mit Fragen des Krisen-
zyklus nach dem zweiten Weltkriege, insbeson-
dere derwichtigstenwirtschaftswissenschaftlichen
Auffassungen in Westdeutschland auseinander-
gesetzt. Zahlreiche Publikationen sind im Jahre
1956 aus dem Institut hervorgegangen. Eine
Konferenz zu dem Problem ,Wirtschaft and
Wirtschaftswissenschaft in Westdeutschland" Bo-
wie eine Tagung der Arbeitsgruppe ?Geld and
Kredit" wurden unter internationaler Beteiligung
durchgefiihrt.
Auf dem Gebiet der Geschichte nahm im Marz
1956 das neu gegrundete Institut fur Geschichte
mit drei Abteilungen and drei Arbeitsgruppen
seine Tatigkeit auf. Es vergroferte sich bis zurn
Ende des Jahres auf fiinf Abteilungen and vier
Arbeitsgruppen. Der Aufbau des Instituts wurde
dadurch erleichtert, daB bereits bestehende Ar-
beitsgruppen and Abteilungen, namlich die Ab-
teilung Wirtschaftsgeschichte, die fri her dem
Institut fur Wirtschaftswissenschaften angeglie-
dert war, and die Forschungsgerneinschaft ,,Do-
kumente and Materialien zur Geschichte der
deutschen Arbeiterbewegung", in das Institut
iibernommen werden konnten.
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Die Herausgabe von Quellenpublikationen and
die Durchfuhrung von Forschungsarbeiten, vor
allem zur deutschen Geschichte der Neuzeit and
der Gegenwart, bildete im wesentlichen die
Tatigkeit des neuen Instituts. Dariiber hinaus
ubernahm es auch die Arbeit an grof3eren Ab-
schnitten des Lehrbuches der deutschen Ge-
schichte, das Mir die Studenten ein wesentliches
Hilfsmittel bei ihren Studien werden soil. Im No-
vember 1956 veranstaltete das Institut eine Ar-
beitstagung mit polnischen and tschechoslowa-
kischen Historikern.
Das langere Zeit hindurch vernachlassigte Ge-
biet der Landesgeschichte ist durch Griindung
einer Kommission fur Landesgeschichte in den
Arbeitskreis des Instituts aufgenommen wor-
den.
Das Aufgabengebiet der Arbeitsstelle der ,Monu-
menta Germaniae Historica" umfaBt Editionen
von Quellen zur deutschen Geschichte des Mittel-
alters. Die Arbeiten, insbesondere an den Glos-
sen zum Sachsenspiegel and den Konstitutionen
Karls IV., die nicht nur fur die Rechtswissen-
schaft, sondern auch sprach- and wirtschafts-
geschichtlich von Bedeutung sind and noch einer
besonderen Auswertung bedi rfen, wurden
weitergefuhrt.
Die Arbeitsstelle fur Geschichte der deutschen
and franzosischen Aufklarung hat ihre Arbeiten
soweit gefordert, daB in diesem Jahre mit dem
Erscheinen mehrerer Veroffentlichungen ge-
rechnet werden kann.
In der Leibniz-Kommission wurden insbeson-
dere die Arbeiten der Reihen I - Allgemeiner
politischer and historischer Briefwechsel - and
IV - Politische Schriften - fortgesetzt. Dabei
bildete die Korrespondenz mit Gelehrten and
Verwandten des Beg unders unserer Akademie
einen Schwerpunkt.
In der Kantausgabe nahmen die laufenden Ar-
beiten speziell am Gesamtindex zu Kants Werken
and handschriftlichem NachlaB ihren Fortgang.
Auf dem Gebiet der Philosophie wurde auf Vor-
schlag der Sektion Philosophie die Arbeitsgruppe
,;Philosophie-historische Texte" gegrundet. Ihre
Aufgabe besteht vor allem darin, den Mangel an
wissenschaftlich brauchbaren Texten der Philo-
sophie zu beheben. Es wurden Studienausgaben
einzelner Hauptwerke sowie Gesamtausgaben be-
deutender Reprasentanten der deutschen Philo-
sophie vorbereitet. In Angriff genommen wurde
eine Gesamtausgabe der Werke von Ludwig
Feuerbach and Joseph Dietzgen. Die Arbeits-
gruppe war maBgeblich an der Gestaltung einer
von der Sektion Philosophie veranstalteten Ta-
gung uber ?Das Problem der Freiheit im Lichte
des wissenschaftlichen Sozialismus" beteiligt, an
der zahlreiche nahmhafte Gelehrte des Auslandes
teilnahmen and der eine besondere Bedeutung
in der Frage der Verbindung der Philosophie mit
den Problemen der Gegenwart zukam.
Akademiemitglied Prof. Dr. W. UNVERZAGT,
Sekretar
Nach der Berichterstattung der Klassen erteilte
Vizeprasident Prof. Dr. W. Friedrich Akademie-
mitglied Prof. Dr. H. STUBBE das Wort zu seinem
Festvortrag *)
Sinn and Bedeutung
der Kulturpflanzenforschung
Es entspricht einer alten Gepflogenheit unserer
Akademie, daB an dem Tage, den wir dem An-
denken von Gottfried Wilhelm Leibniz widmen,
vor der Offentlichkeit Rechenschaft abgelegt
wird uber die Arbeit der Akademie and in dem
Vortrag eines Akademie-Mitgliedes uber Wesen
and Bedeutung, uber Stand and Entwicklung
seines Fachgebietes gesprochen wird. Wenn in
einer Zeit, in der die gespannte Aufmerksam-
keit aller Menschen auf die Entwicklung grof3er
physikalischer and technischer Probleme ge-
richtet ist, heute in dieser festlichen Stunde
fiber Sinn and Bedeutung der Kulturpflanzen-
forschung berichtet werden darf, so mogen Sie
hieraus erkennen, wie Behr unsere Akademie
der grof3en Verpflichtung dient, viele Gebiete
der Wissenschaft in ihrem Bereich zu pflegen
and zu fordern.
Gewif3 kann der Landwirt oder Biologe, der
Probleme der Kulturpflanzenforschung im wei-
testen Sinne bearbeitet, sich zunachst nicht riih-
men, uber ahn:"che aufsehenerregende Ergeb-
nisse zu berichten, wie sie anderen Gebieten
der ? Naturwissenschaften in einer verhaltnis-
maBig kurzen Zeit erreichbar sind. Das heilit,
auch these Ergebnisse der Physik and der Tech-
nik, die heute in aller Munde sind and die uber
Wohlstand oder Untergang der Menschheit mit
entscheiden werden, reichen in ihren Anfangen
weit zurick, bis in jene Zeit, in der man be-
gann, uber die stoffliche Zusammensetzung der
Materie nachzudenken. Den eigenen Gesetzen
der Forschung, dem unaufhaltbaren Beschleu-
*) Genehmigter Abdruck aus,,Vortrage and Schriften
der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin", erschienen beim Akademie-Verlag, 1957.
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nigungsprozeB in der Vermehrung wissenschaft-
licher Erkenntnisse and dem Eingreifen ganz
bestimmter glucklicher oder unglucklicher Um-
weltbedingungen verdanken wir diesen Hohe-
punkt physikalisch-technischer Entwicklung.
In der Regel vollzieht sich dieser ProzeB im Be-
reich einzelner Wissensgebiete gleichmaBiger,
mit Wellen and Talern, mit Vorsprungen and
Ruckschlagen fiber die Menschengenerationen
hinweg and von dem einzelnen fast un-
bemerkt.
So ist der Biologe fast noch immer an die Eigen-
art seiner Objekte and an den Rhythmus ihrer
natiirlichen Entwicklung gebunden, and die Fra-
gen, die er an diese Objekte richtet, konnen oft
erst nach vielen Jahren beantwortet werden.
Dennoch scheint mir, sind die Ergebnisse and
Probleme der Kulturpflanzenforschung nicht
weniger erregend, wenn auch nicht so aktuell
and moglicherweise unmittelbar lebensbedro-
hend wie diejenigen der theoretischen and an-
gewandten Physik, wenn wir bedenken, wie eng
beide miteinander verbunden sind, in der Aus-
sicht, fiber Glick oder Ungliick der Menschheit
zu entscheiden. Es bedarf keines Wortes, welche
grundlegenden Anderungen unseres Weltbildes,
welche groBen Moglichkeiten in der Energie-
versorgung and in anderen Gebieten der Tech-
nik, in der Medizin, der Biologie and der Land-
wirtschaft die Erkenntnisse der Kernphysiker
bewirken werden. Wieweit sie aber der fried-
lichen Entwicklung in dieser Welt dienen, also
nicht miBbraucht werden, hangt davon ab, wie
Schnell die Vernunft der Menschen siegen wird,
vie Behr wir also selbst die Herren dieser Machte
bleiben, wieweit somit die Gefahr kriegerischer
Auseinandersetzungen auf dieser Erde endgizltig
aus dem Bereich des Moglichen verbannt wer-
den kann.
An der Beseitigung dieser Gefahr hat die Kultur-
pflanzenforschung in umfassendem Sinne be-
deutenden Anteil. Denn einer der vielen Griinde
fur den Ausbruch von Kriegen sind Hunger and
Not, sind Unzufriedenheit and Armut, die heute
noch mehr als die Halfte der Menschheit be-
driicken. Sicherlich ist das Problem der Besei-
tigung des Hungers nicht allein eine Frage der
Steigerung der Produktion landwirtschaftlicher
Erzeugnisse and damit ein besonderes Anliegen
der Kulturpflanzenforschung, sondern im glei-
chen MaBe ein weltweites, gesellschaftspoli-
tisches Problem, das die richtige Verteilung der
auf dieser Erde produzierten Nahrungsmittel
and damit die tiberwindung von Wirtschafts-
systemen fordert, die Hungerkatastrophen zu-
lassen. Vor welchen Zukunftsaufgaben die
Kulturpflanzenforschung mit alien ihren Seiten-
zweigen in dieser Situation steht, wird noch zu
zeigen sein. Was sie in der Geschichte der
Menschheit bisher erreicht hat, mag eindrucks-
voll aus der Tatsache hervorgehen, daB jeder
Jager and Sammler der Vorzeit eine Flache von
vielleicht 10 bis 20 qkm benotigte, um seinen
Hunger zu stillen, and daB auf einer Flache
derselben GroBe heute 3000 bis 6000 Menschen
ernahrt werden konnen.
Wenn wir diese Tatsache als das bisherige Er-
gebnis einer langen Entwicklung ansehen, so
erhebt sich die Frage, welche Faktoren denn
im wesentlichen die Steigerung der Nahrungs-
produktion wahrend der Entfaltung mensch-
licher Kultur and Zivilisation bewirkt haben.
Bei einer solchen Uberlegung denken wir an
die Entwicklung der Landwirtschaft, im be-
sonderen an die Fortschritte des Acker- and
Pflanzenbaues, die Bearbeitung and Dungung
unserer Boden, die Einrichtung von Frucht-
folgen zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit,
die Entwicklung des Zwischenfruchtbaues and
die Auswahl geeigneter Sorten. Wir erinnern
uns der Fortschritte der Pflanzen- and Tier-
ztichtung in der Schaffung neuer Sorten and
Rassen, der Erfolge der Pflanzen- and Tier-
ernahrungsforschung, der Erkenntnisse der
Phytopathologie and der Tierseuchenforschung
in der Bekampfung von Krankheiten, der Be-
grundung der Dungemittelindustrie, des land-
wirtschaftlichen Maschinenwesens and anderer
Dinge mehr. IJber diese groi3en Probleme aus
der Geschichte der Landwirtschaft will ich lieute
nicht sprechen.
Das entscheidende Problem, das am Anfang
dieser Entwicklung steht, ist eng verbunden mit
den groBen Stufen in der Entwicklungsgeschichte
der Menschheit, dem tUbergang von der Jagd-
und Sammlertatigkeit zur Weidewirtschaft and
von der Nomadenwirtschaft zur SeBhaftigkeit
and damit zum Ackerbau and zur Erfindung
des Pfluges. Es ist das Problem der Entstehung
der Kulturpflanzen aus Wildpflanzen, diesem in
der Geschichte der Menschheit so bedeutungs-
vollen EntwicklungsprozeB, ohne den mensch-
liches Leben auf der Erde nur in sehr be-
schranktem MaBe moglich gewesen ware.
Der Entstehungsgeschichte unserer Kultur-
pflanzen nachzusinnen, als einem maBgebenden
historischen ProzeB bei der Evolution der
menschlichen Gesellschaft, ist eines der Pro-
bleme, die uns in der Wissenschaft von den
Kulturpflanzen immer von neuem nach dem
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Verlangen zu leidenschaftlicher Forschung er-
fi lien. Es ist das Besondere dieses Arbeits-
gebietes, daB es nicht im engen Bereich spe-
zialisierter biologischer Untersuchungen ver-
harren darf, sondern nur dann deco erstrebten
Ziele nahekommt, wenn viele geisteswissen-
schaftliche Disziplinen, Palaontologie, Vor-
geschichte and Archaologie, Geschichte and
Mythologie, Volkerkunde and Sprachforschung,
zur Losung mancher Probleme herangezogen
werden, die dann die Gesamtschau ermoglichen.
Aber Kulturpflanzenforschung mit solchem Sinn
hat nicht nur zu ermitteln, welche biologischen
and gesellschaftlichen Vorgange erfolgt sind, um
Kulturpflanzen entstehen zu lassen and sie oft
weit zu verbreiten, sie hat in gleicher Weise
aus dem in der Geschichte der Menschheit histo-
risch Gewordenen das Neue, KUnftige and mit
den modernen Methoden naturwissenschaft-
licher Forschung Mogliche zu erkennen and zu
verwirklichen. Es kommt also fur den Biologen
nicht allein darauf an, zu erforschen, wie alte
and bekannte Kulturpflanzen einmal entstanden
rind and Bich auf der Erde verbreitet haben,
sondern in gleicher Weise zu iiberlegen, wie
neue geschaffen werden konnen. Dies ist der
eigentliche Sinn moderner Kulturpflanzen-
forschung, wie sie in unserer Akademie ge-
trieben wird.
Die Frage nach der Entstehung der Kultur-
pflanzen aus Wildpflanzen ist damit zentral auf
die biologischen Vorgange gerichtet, die Unter-
schiede zwischen Wildpflanzen and Kultur-
pflanzen bewirkt haben. Der Biologe bedient
sich hierbei vieler Zweige seiner Wissenschaft.
Er hat in grundlichen botanisch-systematischen
Untersuchungen die in der Welt vorhandene
Formenmannigfaltigkeit einer Kulturpflanzen-
gattung zu studieren and zu ordnen and mit
den Methoden pflanzengeographischer Forschung
ihre Verbreitung zu untersuchen. Er hat die
anatomisch-morphologischen Verschiedenheiten
festzustellen, die Wildpflanzen von Kultur-
pflanzen trennen. Er muf mit genetisch-cyto-
logischen Methoden die Art and den Grad der
Unterschiede and die verwandtschaftlichen Be-
ziehungen zwischen den lebenden Wild-, Pri-
mitiv- and Kulturformen prifen, and er bedient
sich hierzu der experimentellen Methoden der
Kreuzung, urn Einblick in die feineren Vor-
gange der Verteilung des Erbgutes in den Ge-
schlechtszellen and in der Nachkommenschaft
zu gewinnen. SchlieBlich hat er festzustellen,
welche physiologischen Leistungen Kultur-
pflanzen gegeniiber ihren Wildformen aus-
zeichnen, and er hat die physiologischen Pro-
zesse im einzelnen zu untersuchen, die solche
Leistungen bedingen.
Eine unerlaBliche Voraussetzung fur die Arbeit
des Kulturpflanzenforschers ist die Sammlung
and Erhaltung der auf der Erde vorhandenen
Kulturpflanzen. and ihrer Primitiv- and Wild-
formen. Diese Weltsortimente liefern ihm die
Vielfalt der Formen, die er fur seine Unter-
suchungen braucht, and ihre Anlage ist um so
dringender, als mit fortschreitender landwirt-
schaftlicher Kultur iiberall auf der Erde die
primitiven Landsorten mehr and mehr ersetzt
werden durch hochgezichtete Formen and da-
her endgiiltig verlorengehen. Gleichzeitig haben
diese Sortimente die wichtige Aufgabe, die
Ziichtungsforscher der Welt mit den Formen zu
versorgen, die sie zur ziichterischen Verbesse-
rung der Kulturpflanzen benotigen. Sie erfillen
damit eine groBe praktische Aufgabe.
Diese Formenmannigfaltigkeit der Kultur-
pflanzen ist nicht, wie wir seit den grund-
legenden Untersuchungen des grol3en russi-
schen Botanikers Nikolai Iwanowitsch Vavilov
wissen, fiber die gesamte Erde gleichmaBig ver-
teilt, sondern vielmehr konzentriert auf gewisse
Gebirgsregionen der Tropen and Subtropen,
den sog. Mannigfaltigkeits- oder Genzentren
der Kulturpflanzen. In den Gebirgen dieser
Genzentren haben nach unseren heutigen Er-
kenntnissen bestimmte extreme Umweltverhalt-
nisse in groBer Haufigkeit sprunghafte erbliche
Veranderungen, die wir als Mutationen bezeich-
nen, entstehen lassen, and die sehr verschie-
denen Lebensbedingungen in den Gebirgstalern
haben zusammen mit der Isolierung durch die
Gebirgsziige die Erhaltung dieser Mutanten er-
moglicht. Werden Kulturpflanzen von den Gen-
zentren aus verbreitet, so erlischt ihre Formen-
mannigfaltigkeit, and sie werden urn so ein-
heitlicher, je weiter sie von ihrem Entstehungs-
gebiet entfernt sind.
Vavilov hat in zahlreichen Sammelreisen in der
ganzen Welt die geographische Verteilung der
Arten, Unterarten, Varietaten and einzelnen
Merkmale studiert and 8 Mannigfaltigkeits-
zentren auf der Erde gefunden, von denen wir
annehmen, daB sie fur viele unserer Kultur-
pflanzen auch deren Entstehungszentren sind.
Aber wir wissen andererseits, daB die groBe
Formenfille in einem Mannigfaltigkeitszentrum
noch kein entscheidender Beweis fur die Ent-
stehung einer Kulturpflanze ist. Schon bei den
Wanderungen der Menschen in der Fri hzeit ihrer
Geschichte wurden diese primitiven Formen ver-
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breitet and haben in edaphisch and klimatisch
ginstigen Regionen eine neue, sekundare For-
menmannigfaltigkeit entwickelt. Hierdurch wird
die Aufklarung der Frage, welche Wildformen
an der Entstehung einer Kulturpflanze beteiligt
sind, betrachtlich erschwert, and wir stehen fur
manche von ihnen noch heute vor einem un-
gelosten Problem. Nur eine fruchtbare Gemein-
schaftsarbeit der Wissenschaftler kann eine Lo-
sung dieser Probleme herbeifiihren. Dies wird
am Beispiel der Untersuchungen uber die Ent-
stehung des Saatweizens besonders deutlich.
Vorgeschichtliche and archaologische Funde
haben uns daruber belehrt, welche Weizenformen
in friingeschichtlichen Epochen der Menschheit
angebaut wurden. Ihre Verbreitung ist oft die
Folge der Eroberizngsztige and Wanderungen
jener Stamme and Volker, fiber -die uns der
Historiker Auskunft gibt. Hieraus konnte der
Pflanzengeograph durch vergleichende Unter-
suchungen verschiedener geschichtlicherPerioden
das Verbreitungsareal and die Verbreitungs-
dichte dieser Pflanzen bestimmen. Der Syste-
matiker war in der Lage, durch den Vergleich
morphologischer Merkmale auf die morphologisch
ahnlichsten Wildformen hinzuweisen, and Ge-
netiker and Cytologen machten durch neue
Bastardierungen and cytologische Untersuchun-
gen die Beteiligung bestimmter Wildformen an
der Entstehung des Saatweizens sehr wahr-
scheinlich. Nur durch die Zusammenfassung
vieler Einzeluntersuchungen konnte erkannt
werden, welches die Geschichte der Entstehung
des Saatweizens ist. In anderen Fallen war eine
tYbereinstimmung der an diesen Untersuchungen
beteiligten Forscher in bestimmten Einzelfragen
der Entstehungsgeschichte einer Kulturpflanze
noch nicht zu erzielen. Hier sind gewisse Brenn-
punkte der Forschung, and nur die sorgfaltige
Sammlung weiterer Materialien and neuer
experimenteller Befunde kann die Losung
bringen.
Grundsatzlich aber haben uns die Untersuchun-
gen fiber die Entstehung von Kulturpflanzen
daruber wohl eindeutige Auskunft gegeben, daf3
dieselben genetischen Prozesse, die wir an den
Versuchsobjekten der Vererbungsforscher seit
Jahrzehnten studieren, auch bei der Entstehung
der Kulturpflanzen eine entscheidende Rolle ge-
spielt haben. Dabei sind die Vorgange im beson-
deren beteiligt, die wir unter dem Gesamtbegriff
der Mutation zusammenfassen. Als es uns ge-
lang, mit Hilfe der experimentellen Mutations-
forschung die gesamte Formenfulle der Gersten,
die auf der Welt vorhanden sind, wieder zu er-
zeugen, waren wir berechtigt, zu schlielien, daf3
auch die in der Natur vorhandene Formenfulle
durch die gleichen Vorgange bedingt wurde.
Aber ich muf3 noch einen weiteren biologischen
Prozel3 hervorheben, der nicht nur bei der Ent-
stehung von Kulturpflanzen, sondern in der ge-
samten Evolution eine wichtige Rolle spielt,
weil er der mutativ bedingten Formenmannig-
faltigkeit folgen muf3, um die Formenfulle weiter
zu steigern. Ich meine den Prozel3 der Bastar-
dierung, der ganz allgemein eine stetige and
vielfaltige Neukombinat4on der Erbanlagen be-
wirkt and der in Verbindung mit bestimmten
Besonderheiten der Zellteilungsmechanismen, die
zur Verdoppelung oder Vervielfachung des Erb-
gutes in den Zellen fi hren, bei der Entstehung
der Kulturpflanzen entscheidend mitgewirkt hat.
Denn viele unserer Kulturpflanzen zeichnen sich
gegeniiber den Wildformen, aus denen sie ent-
standen, dadurch aus, daf3 sie eine vermehrte
Zahl von Erbtragern, die wir Chromosomen
nennen, in ihren Zellen enthalten and als Folge
dieser Vermehrung Riesenwuchs zeigen. Diese
Verdoppelung oder Vervielfachung der Chro-
mosomensatze bezeichnen wir als Polyploidie,
and im besonderen hat ein Vorgang, den wir
Allopolyploidie nennen, bei der Entstehung der
Kulturpflanzen eine bedeutende Rolle gespielt.
Wir kennen diesen Vorgang aus zahlreichen
Einzeluntersuchungen sehr genau. Er beginnt
mit der Kreuzung verschiedener Arten mit oft
unterschiedlicher Chromosomenzahl, die zu einem
sterilen Bastard fiihrt. Dieser Bastard wird aber
dann durch eine Verdoppelung der Chromo-
somenzahl beider Elternarten fertil and tragt
den Charakter eines konstant gewordenen Art-
bastardes and ist nach seinem Wesen eine neue
Art. Dieser nati rliche synthetische Prozel3 l5f3t
sich experimentell wiederholen and so mit
Sicherheit aussagen, welche Wild-Elternarten
an der Entstehung einer allopolyploiden Kultur-
pflanze beteiligt sind. So ist, um nur einige Bei-
spiele zu nennen, unser Tabak Nicotiana tabacum
eine synthetische Art aus den Wildarten Nico-
tiana silvestris and Nicotiana tomentosa, unser
Raps Brassica napus aus dem Kohl Brassica
oleracea and dem Riibsen Brassica campestris
entstanden. Die verschiedenen Weizenarten, die
auf der Welt verbreitet sind, verdanken zum
Teil ebenfalls ihre Entstehung der Bastardierung
verschiedener Wildgras-Arten mit anschliel3en-
der Vermehrung der Chromosomenzahl. Bei der
Entstehung der Kulturkartoffeln sind vermutlich
ahnliche Vorgange im Spiel gewesen. Diese Ver-
vielfachung der Chromosomensatze ist eine we-
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3. Jahrgang, Heft 6/7/8 MITTEILUNGSBLATT
sentliche Ursache fur die bessere Anpassungs-
fahigkeit and oft weltweite Verbreitung unserer
Kulturpflanzen, da sie gleichzeitig auch eine be-
trachtliche Steigerung der Leistung dieser For-
men hervorgebracht hat, vermutlich durch die
Selektion der in Vielzahl vorliegenden leistungs-
steigernden Erbanlagen.
Wenn wir also fur manche unserer Kultur-
pflanzen die Art ihrer Entstehung and ihrer
Verbreitung genau verfolgen konnen and uns
hierzu vorgeschichtlicher and archaologischer
Funde and der Methoden der Systematik and
Pflanzengeographie, der Genetik and Cytologie
bedienen, so geben uns andere, vor allem, wenn
ihre Wildformen heute ausgestorben sind, noch
grofle Ratsel auf.
Dies ist z. B. der Fall bei einer der bedeutendsten
Kulturpflanzen auf der Welt, dem Mais. Vom
Mais wissen wir heute nur mit Sicherheit, dal3
er in Amerika, etwa im Bereich der siidlichen
Staaten der USA als der nordlichen Grenze and
etwa Paraguay als der siidlichen Grenze, als
Kulturpflanze entstanden ist. Das haben uns
neben einer Anzahl von botanischen Hinweisen
?wiederum einige geisteswissenschaftliche Diszi-
plinen gelehrt. Es gibt keinen vorgeschichtlichen
oder archaologischen Fund von Mais in der Alten
Welt. Kein geschichtliches Werk weist darauf
hin, daB Mais vor der Entdeckung Amerikas in
der Alten Welt bekannt war. Die Pflanze ist mit
keiner Mythologie and Religion der Alten Welt
verbunden. Dagegen haben die Sprachen der alt-
amerikanischen Volker zahlreiche and differen-
zierte Bezeichnungen fur Mais, Maispflanzenteile
and Mr Maisprodukte, and in der Mythologie
and Religion der mexikanischen and peruani-
schen Kulturen spielt er eine bedeutende Rolle.
Botanik and Pflanzengeographie zeigen uns an-
dererseits, daB die nachsten Maisverwandten, die
Gattungen Euchlaena and Tripsacum, nur im
mittleren Amerika vorkommen and daB im glei-
chen Gebiet auch die Formenmannigfaltigkeit
des Maises besonders groB ist. So sprechen die
tYberlegungen aller Disziplinen daftir, daf3 Mittel-
amerika das Entstehungszentrum des Maises
ist, wobei die Frage noch offenbleiben mull, ob
Mexiko oder Peru als primares Entstehungs-
zentrum anzusehen ist.
Weiteres Licht in diese Frage haben in den
letzten Jahren wiederum vorgeschichtliche Un-
tersuchungen and auch Arbeiten kernphysika-
lischer Natur gebracht. Durch Hohlenausgra-
bungen in Bat Cave im Staate New Mexiko wur-
den von amerikanischen Forschern in verschie-
denen Bodenschichten zahlreiche guterhaltene
Maisreste gefunden, die es gestatten, die Ent-
wicklung des Maiskolbens wahrend einiger Jahr-
tausende zu verfolgen. Dabei enthielt die alteste
Schicht Formen, die wir heute nicht mehr
kennen, and zwar kleine, schlanke Kolben mit
entwickelten Spelzen, die die einzelnen Korner
umschlossen haben. Wir wissen nun durch ame-
rikanische Untersuchungen von Altersbestim-
mungen organischer Substanz mit Hilfe des Zer-
falls des radioaktiven Kohlenstoffisotops C 14,
daB die altesten Kolben von Bat Cave 3000 bis
3500 Jahre alt sind. Aber auch diese Maisformen
rind schon kultivierte Formen gewesen, and es
fehlt uns bis heute jeder Anhaltspunkt, wie die
ausgestorbenen Wildformen, die an der Ent-
stehung des Maises beteiligt waren, ausgesehen
haben. Wir miissen annehmen, daB seine Ent-
stehung um Jahrtausende alter ist and in die
Dunkelheit friihester Menschheitsgeschichte zu-
rtickreicht.
Ich hoffe, dai3 Sie aus diesen wenigen Beispielen
zweierlei erkannt haben. Einmal die Tatsache,
wie notwendig die Zusammenarbeit natur- and
geisteswissenschaftlicher Disziplinen auf dem
Gebiet der Kulturpflanzenforschung ist, wie
neben allem notwendigen Spezialistentum nur
die Synthese die grol3en Zusammenhange zwi-
schen biologischen and gesellschaftlichen Pro-
zessen bei der Entstehung and Ausbreitung einer
Kulturpflanze erkennen lafIt. Es mull leider ge-
sagt werden, daB die Erkenntnis von der Not-
wendigkeit fruchtbarer Zusammenarbeit be-
sonders in Deutschland noch immer auf Wider-
stande st6f3t, weil so manche Wissenschaftler
glauben, daB sie in der personlichen Freiheit
des Forschens and in ihrer Anerkennung beein-
trachtigt wiirden, wenn sie sich einer echten
Gemeinschaft der nach einem grof3en wissen-
schaftlichen. Ziel Strebenden eingliedern. Hier
sind grundsatzliche Anderungen in unseren Auf-
fassungen vom Wert wissenschaftlicher Arbeit
dringend erforderlich, die neben der hochspezia-
lisierten Einzelleistung die geschlossene Gemein-
schaftsarbeit einer Gruppe von Wissenschaftlern
als gleichberechtigt ermoglichen.
Zum anderen mogen Sie aus meinen Beispielen
entnommen haben, daB wir fur viele Kultur-
pflanzen den Weg, den sie bei ihrer Entstehung
gegangen sind, schon klar erkennen. Dies gibt
uns die Moglichkeit, zu priifen, welche Wege
heute experimentell beschritten werden konnen,
um neue Kulturpflanzen zu schaffen. Dabei han-
delt es sich hier nicht nur um die Frage, welche
Aussichten bestehen, Kulturpflanzen anderer,
klimatisch bevorzugter Lander bei uns zu akkli-
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matisieren und zu selektionieren, um sie anbau-
wiirdig zu machen, sondern in erster Linie darum,
aus Wildpflanzen oder schon in bestimmter Hin-
sicht genutzten Pflanzen wirkliche Kultur-
pflanzen zu schaff en. Im grollen Rahmen der
Kulturpflanzenforschung gehoren diese Auf-
gaben in den engeren Bereich der Ziichtungs-
forschung, die unter Mitwirkung vieler biolo-
gischer Teilgebiete an einer Verbesserung un-
serer Kulturpflanzen und an der Umwandlung
von Nutzpflanzen in Kulturpflanzen arbeitet.
Von Nutzpflanzen sprechen wir, wenn diese
Pflanzen in ihren natiirlichen Bestanden oder
auch schon im Anbau einer bestimmten Eigen-
schaft wegen genutzt werden, wenn sie aber da-
neben noch viele Merkmale und Eigenschaften
von Wildformen zeigen. Viele Heilkrauter und
el3bare Beeren tragende Straucher, die in unseren
Waldern wachsen, sind solche Nutzpflanzen.
Unsere Waldbaume sind in vielen Gebieten der
Erde Nutzpflanzen einer hoheren Stufe, indem sie
bereits durch die vorausschauende Planung des
Menschen angebaut werden, und sie befinden sich
dberall da im tYbergang zur Kulturpflanze, wo
nun an der Verbesserung ihrer Leistung in dieser
oder jener Hinsicht gearbeitet wird. Es gibt kein
besseres Beispiel, das Ihnen die Entwicklung
einer Nutzpflanze zur Kulturpflanze zeigen kann,
als das Beispiel der Lupine, die in den letzten
30 Jahren auf der Grundlage biologischer Er-
kenntnisse zu einer Kulturpflanze geworden ist,
indem ganz planmal3ig eine Anzahl von Wild-
merkmalen and -eigenschaften durch Kultur-
merkmale und -eigenschaften ersetzt wurden.
Hierfiir sind in erster Linie einfache mendelnde
Mutationen verantwortlich gewesen.
Von den im Mittelmeergebiet beheimateten Lu-
pinenarten ist die weif3e Lupine schon im Alter-
tum landwirtschaftlich genutzt worden, wahrend
die gelbe und die blaue Lupine erst viel spater
angebaut wurden. Alle 3 Arten dienten im
wesentlichen der Griindiingung, um den Boden
mit Stickstoff und Humus anzureichern. Sie
wurden sicherlich bald, nachdem man sie als
wertvolle Nutzpflanze erkannte, auf GroBe der
Samen und lppigkeit des Wachstums selektio-
niert, behielten aber in den meisten anderen
Merkmalen den Charakter von Wildpflanzen. Im
besonderen zeichneten sie sich durch einen
hohen Alkaloidgehalt aus, der sie zur Verfiitte-
rung an Tier und Mensch unbrauchbar und damit
ihren hohen Eiweil3gehalt nicht verwertbar
machte. Die Verminderung des Alkaloidgehaltes,
also die erbliche Umwandlung der Bitterlupine
in eine StiBlupine gelang vor 30 Jahren Reinhold
von Sengbusch im Kaiser-Wilhelm-Institut fur
Ziichtungsforschung in Miincheberg, der Mil-
lionen von Einzelpflanzen chemisch priifen
mul3te, ehe er die sehr seltenen Mutationen zur
Alkaloidarmut fand und sie vermehren konnte.
Diesem wichtigen Schritt auf dem Wege zur Kul-
turpflanze folgten bei der Lupine bald weitere:
das Nichtplatzen der reifen Hulsen und das Fest-
sitzen der Hulsen am Fruchtstand zi r Sicherung
des Samenertrages, die Unbehaartheit der Hulsen
zur Verbesserung der Qualitat und Keimfahig-
keit der Samen, die Weichschaligkeit der Samen
als Voraussetzung fiir eine gleichmallige Kei-
mung, eine schnelle Jugendentwicklung, gleich-
mal3ige Bliite und Reife aller Fruchtstande und
schlief3lich die Anpassung an verschiedene Boden-
arten und die Resistenz gegen Krankheiten.
Alle diese Merkmale und Eigenschaften sind in
planmalligen Versuchen als spontane oder ex-
perimentell erzeugte Mutationen gefunden wor-
den. Sie wurden im Kreuzungsexperiment
kombiniert und haben aus der Lupine eine echte
Kulturpflanze werden lassen. Wir haben keinen
Grund zu zweifeln, daB viele andere Kultur-
pflanzen im Verlauf Von Jahrtausenden in der
gleichen einfachen Weise entstanden sind, wah-
rend bei anderen der Weg von der Wildpflanze
zur Kulturpflanze zwar die grundsatzlich gleichen
genetischen Prozesse aufzeigt, die dann sekundar
kompliziert wurden, etwa durch die Erscheinun-
gen der Polyploidie, auf die ich vorhin schon hin-
gewiesen habe.
Wahrend wir im Fall der Lupine von einer schon
angebauten Nutzpflanze ausgingen, sind die Kul-
turpflanzenforscher in alien Landern bestrebt,
mit Hilfe der Mutationsforschung neue Kultur-
pflanzen aus Wildpflanzen zu schaffen. Oft handelt
es sich, wie bei der Lupine, darum, nahrstoff-
reiche Wildpflanzen durch die Verminderung
oder das Fehlen schadlicher Inhaltsstoffe nutz-
bar zu machen, wie die Befreiung des Stein-
klees Melilotus vom Cumarin, der Geisraute Ga-
lega vom Galegin. In anderen Fallen ist man be-
strebt, Mutationen zu finden, die wertvolle In-
haltsstoffe in den Pflanzen anreichern, um sie
damit kulturwiirdig zu machen. Dabei spielen
auch niedere Pflanzen, wie Pilze, Algen und selbst
Bakterien, eine Rolle. So ist einer der ertrag-
reichsten Penicillin-Stamme in Amerika experi-
mentell nach Bestrahlung mit ultraviolettem
Licht als Mutation entstanden. Sicherlich konnte
auch die Alge Chlorella, deren photosynthetische
Leistungsfahigkeit in Abhangigkeit von den
Kulturbedingungen die Ertrage unserer besten
hoheren Kulturpflanzen um das Vielfache iiber-
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3. Jahrgang, Heft 6/7/8 MITTEILUNGSBLATT
trifft, noch weiter durch die Selektion von
Stammen, die die Sonnenenergie besser aus-
nutzen, in ihrer Produktion von Kohlenhydraten,
Fett and Eiweii3 gesteigert werden and da-
mit ganz neue Moglichkeiten der Erweiterung
der Nahrungsgrundlage schaffen, falls dies
einmal erforderlich werden sollte. SchlieBlich
kann man sich vorstellen, daB auch Bakterien,
die als Symbionten unserer Kulturpflanzen von
Bedeutung sind, eines Tages selbst zu Kultur-
pflanzen werden konnen, wenn sie durch den
Willen des Menschen in einer zweckbestimmten
Richtung entwickelt werden. Hier liegt ein groBes
Feld kiinftiger biologischer Arbeit im weiten
Rahmen der Kulturpflanzenforschung vor uns,
das wiederum in der Gerneinschaft von Mikro-
biologen, Genetikern and Physiologen seine
besten Ergebnisse zeigen wird.
Solche praktisch nutzbaren Probleme der Kul-
turpflanzenforschung gibt es sicherlich in groBer
Zahl. An ihrer Losung zu arbeiten wird um so
leichter rein, je besser die theoretischen Grund-
lagen der Biologic verstanden werden, insonder-
heit die Fragen der erblichen Variabilitat and
damit der Formbarkeit der Organismen. Diese in
ihren stofflichen Grundlagen zu erkennen, also
die chemisch-physiologischen and biochemischen
Wirkungen der Erbanlagen auf ihrem Wege zum
gepragten Merkmal and zur gebildeten Eigen-
schaft zu verstehen, ist ein Gebot moderner na-
turwissenschaftlicher Forschung, in seiner Be-
deutung vergleichbar den Untersuchungen, die
uns zur Erkenntnis vom Bau der Atome and
der Wirkung atomarer Krafte gefiihrt haben.
Die Bedeutung der Kulturpflanzenforschung fur
die kunftige Entwicklung der menschlichen Ge-
sellschaft kann wohl nicht besser begriindet
werden als mit dem Hinweis auf die bange
Frage, ob die auf der Welt vorhandene and mog-
liche Nahrungsgrundlage mit dem unaufhalt-
samen Anwachsen der menschlichen Population
Schritt halten kann. Die ? Weltbevolkerung be-
tragt gegenwartig 2,7 Milliarden Menschen. Sie
wachst stiindlich um 5000 Menschen and jahrlich
um 43 Millionen. Sie wird sich am Ende des Jahr-
hunderts verdoppelt haben. Wieviele Menschen
haben auf der Erde Raum? Wird es Brot fur alle
geben, oder werden bei gleichmaBiger Zunahme
der Weltbevolkerung eines Tages noch mehr
Menschen hungern and schlieflichverhungern?
Wohl selten ist uber ein so wichtiges and groBes
Problem so viel Gegensatzliches gesagt worden
wie uber die Frage der Beziehung von Nahrungs-
grundlage zum Bevolkerungszuwachs, seit Mal-
thus vor 150 Jahren lehrte, dab die Menschen
13
sich in geometrischer Progression vermehren,
die Nahrungsproduktion dagegen in arithme-
trischer Progression steigt. Wenngleich heute als
gesichert gelten kann, daB die These von Mal-
thus widerlegt ist, weil von ihm,die Moglichkeiten
der Nahrwerterzeugung nicht iibersehen werden
konnten and in den letzten 100 Jahren eine An-
zahl wichtiger Entdeckungen gemacht wurden,
deren Anwendung die Nahrungsproduktion in
manchen Landern schneller steigen lieB als den
Bevolkerungszuwachs, mussen wir uns den-
noch vor oberflachlichem Optimismus hi.iten
and nicht glauben, daB Bich dieses entscheidende
Problem der Menschheit von selbst erledige oder
uns nichts mehr anginge, weil sich kunftige
Generationen damit auseinanderzusetzen haben.
Es bedarf vielmehr sofort grof3ter Anstrengungeu
and einer weitschauenden Planting im WeltmaB-
stab, um alle Voraussetzungen zu schaffen, damit
Vberschuflgebiete ihre Produkte an Mangel-
gebiete abgeben and these wieder hierdurch zu
leistungsfahigen Gebieten entwickelt werden,
damit sie in der Produktion von Nahrung mit
dem Bevolkerungszuwachs Schritt halten. Denn
gerade die entwicklungsfahigen Zonen unserer
Erde sind diejenigen des starksten Geburten-
tiberschusses, wahrend mit steigendem Woh.l-
stand in der Regel der Bevolkerungszuwachs
nachlaBt oder ganz zum Stillstand kommt.
Die Steigerung der Leistungsfahigkeit unserer
Kulturpflanzen and Haustiere and die Kontrolle
der Entwicklung der Erdbevolkerung sind groBe
biologische Aufgaben, die von gesellschaftlichen
and damit politischen Problemen nicht zu
trennen sind. Sie konnen nicht einseitig gelost
werden, sondern bediirfen des Zusammenwirkens
einer Mehrzahl von MaBnahmen.
Fur den Forscher steht dabei im Vordergrund
das stete Bemuhen um die Vermehrung wissen-
schaftlicher Erkenntnisse auf allen Teilgebieten
der Biologic, die ihn den lebenden Organismus in
alien Funktionen and Leistungen immer besser
verstehen laf3t. Erst die Klarung der wissen-
schaftlichen Grundlagen der Lebensprozesse er-
moglicht ihre Ausnutzung zum Wohle der Men-
schen, and es ist eine wichtige and vordring-
liche Aufgabe, das grole Reservoir biologischer
Erkenntnisse standig weiter zu fiillen, um es
darn fur seine Anwendung in der Praxis auszu-
schopfen.
Dazu gehort aber auch die Verbreitung wissen-
schaftlicher Ergebnisse in immer groBeren Krei-
sen einer Bevolkerung durch ein vollkommenes
System von Bildungsanstalten and Bildungs-
moglichkeiten, denn die Uberwindung des Nicht-
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 6/7/8
wissens ist eines der wirksamsten Mittel zur
Erreichung des Wohlstandes auf dieser Erde. Wir
wissen, mit welchem Ernst and welcher Zuver-
sicht sich die noch entwicklungsfahigen Volker
um die Verbesserung des Bildungswesens be-
miihen, wir wissen aber auch, wie weft noch hoch-
zivilisierte Volker davon entfernt sind, das
geistige Kapital in den Kopfen ihrer Menschen
voll zu entfalten and zu nutzen.
Dariiber hinaus beriihren sich Wissenschaft and
Wirtschaft in ihrem Bemiihen um eine Steige-
rung der Nahrungsproduktion in engster Weise,
and wenn wir these Frage stellen, durch welche
MaBnahmen in der Welt die Gefahr des Hungers
wohl beseitigt werden konnte, so sind es in erster
Linie technische Entwicklungen, die eine Voraus-
setzung fiir die immer breitere Anwendung aller
Erkenntnisse der Kulturpflanzenforschung sind.
Die Moglichkeiten, den Nahrungsraum auf unserer
Erde zu erweitern, sind bei dem gegenwartigen
Stand der Entwicklung der Volker verschiedener
Art, wobei die Mobilisierung der vorhandenen
Reserven an erster Stelle steht. Wie Schnell sich
these Reserven mobilisieren lassen, gehort in den
Bereich der Arbeit der Staatsmanner and Poli-
tiker. Es sind schwerwiegende Probleme, die
sicherlich nur auf der Grundlage des guten Wil-
lens and eines wohlausgebauten Systems der
gegenseitigen Hilfe gelost werden konnen.
Bei einer also mehr theoretischen Betrachtung
dessen, was geschehen kann, diirfen wir nie ver-
gessen, daB sich der grofte Teil der Landwirt-
schaft auf unserer Erde noch im Zustand primi-
tiver Landwirtschaft oder bestenfalls des tTber-
gangs von primitiver zu moderner Landwirt-
schaft befindet. Bei vorsichtiger Schatzung ist
a.nzunehmen, daB die Ackerflache der Erde ohne
Schaden noch auf das Doppelte der heutigen
Flache vermehrt werden kann. Die Urbar-
machung grol3er Gebiete, die genugend Wasser
enthalten, spielt im dicht bevolkerten Europa
kaum noch eine Rolle, sie ist auf Asien and
manche Gebiete der Tropen beschrankt, die nur
zu einem Bruchteil landwirtschaftlich genutzt
werden. Hier kann mit Hilfe agrotechnischer
MaBnahmen Neuland durch Umbruch and Kulti-
vierung geschaffen werden. Ahnliches gilt fur
die grol3en Trockengebiete dieser Erde, die durch
die Anlage von Staudammen im Mundungs-
gebiet, im Mittellauf and im Quellgebiet der gro-
Ben Strome in fruchtbare Regionen verwandelt
werden konnen. Nur ein geringer Prozentsatz
der in diesen Stromen zum Meer abfliel3enden
Wassermenge wird heute genutzt, and Lander
wie Agypten, China, Indien u. a. lassen die gro-
Ben Moglichkeiten in der Erweiterung der Nah-
rungsproduktion erkennen, die eine Bandigung
der grol3en Strome bewirken konnte.
Aber die Gewinnung von Neuland durch Um-
bruch and Bewasserung steht nicht einmal im
Vordergrund bei alien Uberlegungen, wie die
Nahrungsgrundlage bis zum Ende dieses 'Jahr-
hunderts bei einer Verdoppelung der Weltbevol-
kerung zu entwickeln sei.
Das Hauptproblem besteht in einer Steigerung
der Hektarertrage auf den schon landwirtschaft-
lich genutzten Flachen, also die Erreichung einer
entsprechend den jeweiligen Bedingungen hoch-
sten Intensitatsstufe. Sie kann unter Ausnutzung
vieler schon langst bekannter wissenschaftlicher
Tatsachen herbeigefiihrt werden.
Einmal durch die Verbesserung der Bodenbear-
beitung and der Pflege der Kulturen durch den
zunehmenden Einsatz von landwirtschaftlichen
Maschinen. Hier liegen bedeutende Reserven,
wenn man bedenkt, daB groBe Teile der Welt
noch mit primitiven Handgeraten bearbeitet
werden. Zweitens durch eine immer bessere An-
wendung der Erkenntnisse der Agrikulturchemie
zur Erhaltung and Steigerung der Bodenfrucht-
barkeit durch die Zufuhr von Pflanzennahr-
stoff en, die nur in ganz wenigen Teilen der Welt,
wie etwa in Japan, in annahernd ausreichendem
MaBe gegeben werden. Dabei ist der Nahrstoff-
versorgung der Wiesen and der Weiden besondere
Aufinerksamkeit zu schenken. Das Studium der
Wirkung einzelner Nahrstoffe, die Entwicklung
der Diingemittelindustrie and die ErschlieBung
natiirlicher Lagerstatten werden uns auf lange
Sicht von der Gefahr des Hungers befreien
konnen. Drittens durch die Anwendung der Er-
gebnisse der Pflanzenziichtung and die Bereit-
stellung ertragreicher Sorten unserer Kultur-
pflanzen, die den jeweiligen Umweltverhalt-
nissen am besten angepaBt sind, and die re-
sistent sind gegen pflanzliche and tierische
Krankheitserreger. Viertens schlieBlich wird
eine weitere indirekte Ertragssteigerung aller
landwirtschaftlich genutzten Flachen moglich
sein, wenn es gelingt, die durch das Studium
der Krankheitserreger gefundenen Bekamp-
fungsmaBnahmen in groBem MaBstab and mit
technischen Hilfsmitteln anzuwenden, mit denen
die sonst hohen Verluste auf den genutzten
Flachen vermieden werden, and wenn weiter-
hin die Vorrate an Ernteprodukten durch ge-.
eignete MaBnahmen der richtigen Lagerung
and Aufbewahrung in vollem MaBe ihrer Ver-
wendung zugefilhrt werden.
Die Steigerung der Pflanzenproduktion auf der
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3. Jahrgang, Heft 6,7/8 MITTEILUNGSBLATT
Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse der
Kulturpflanzenforschung durch die Entwicklung
technischer and industrieller Einrichtungen wird
eine Steigerung der Produktion tierischer Er-
zeugnisse zur unmittelbaren Folge haben. Auch
hier konnen noch ungeahnte Reserven mobili-
siert werden und viele neue Ergebnisse der
Wissenschaft Anwendung finden. i?Bedenken wir
nur, weiche unerschopfliche Quelle an tierischem
EiweiB die grof3en Meere unserer Erde darstellen,
die nur an kiistennahen Gebieten bisher ge-
nutzt wird.
Damit sind aber langst nicht alle Moglichkeiten,
die uns zur Steigerung der Nahrungsproduktion
zur Verfiigung stehen, genannt. Die Reserven
sind groB and konnten uns zu einer durchaus
optimistischen Haltung veranlassen, wenn man
ernsthaft beginnen wiirde, sie zu nutzen. Es
handelt sich ja nicht allein darum, den ersten
Bevolkerungszuwachs auf der Erde mitzuer-
nahren, sondern vordringlich darum, etwa der
Halfte der auf der Erde lebenden Menschen aus-
reichende Nahrung zur Verfiigung zu stellen, die
sie bisher nicht erhalt.
Auch findet die Erweiterung des Nahrungsraumes
durch Landgewinnung in vielen dichtbevolkerten
Landern, also auch bei uns in Deutschland,
eine Grenze durch den hohen Bedarf an Wohn-
raum, an Erholungsgebieten and an Schutzgebie-
ten fur eine moglichst urspriingliche and natiir-
liche Landschaft, auf die wir nicht verzichten
konnen im Interesse der Volksgesundheit and der
Wissenschaft and um der Wiirde des Menschen
willen. Die Forderung nach einer umfassenden
Raumplanung wird daher immer dringender,
damit Fehlplanungen grol3en Stils vermieden
werden, wie sie sich heute schon bier and da auf
der Welt bemerkbar machen.
Zu diesen grof3en Fehlleistungen der Menschheit
gehort aber auch die Investition von Milliarden
in unfruchtbaren Riistungsunternehmungen and
militarischen Einrichtungen, anstatt these Aus-
gaben durch eindeutige Abmachungen inter-
national auf ein Minimum zu beschranken and
die damit freiwerdenden Mittel endlich fur die
Gewinnung von Wohnraum, von Kulturland,
von Nahrung and ffir.die Forderung der Wissen-
schaft einzusetzen. Erst wenn dieser Zeitpunkt
gekommen sein wird, konnten wir dem Problem
des Wettlaufs zwischen Bevolkerungszuwachs
and Erweiterung der Nahrungsbasis mit einiger
Aussicht auf eine befriedigende Losung entgegen-
sehen.
In den entwicklungsfahigen Landern aber, in
denen die Nahrungsproduktion fur die nachste
Zukunft noch nicht mit dem Bevolkerungszu-
wachs Schritt halten kann, werden noch weitere
biologische and medizinisch-hygienische Er-
kenntnisse Verbreitung finden miissen, die in
China schon heute aus der groBen Sorge fur die
Gesundheit des Volkes diskutiert werden, die
Fragen einer verantwortungsbewuBten Geburten-
kontrolle.
Eine Losung dieser vielfaltigen Aufgaben, an
denen die Bedeutung der Kulturpflanzenfor-
schung im weitesten Sinne immer wieder er-
kennbar ist, wird nur Schritt fur Schritt moglich
rein. Sie wird ihre tiefe Befriedigung in dem
Weg zu dem hochsten Ziel finden, das wir alle
vor Augen haben: der Achtung des Krieges and
der Geburt des Friedens auf dieser noch so
friedlosen and unvollkommenen Erde.
Diese unausloschliche Wahrheit zu erkennen and
ihr durch seine Arbeit zu dienen, erfiillt den
Forscher bei alien Widerstanden, die sich ihm auf
diesem Wege entgegenstelien, mit der ruhigen
GewiBheit von dem guten Sinn seiner Arbeit,
and er mag sich eines Wortes erinnern, das Gott-
hold Ephraim Lessing einst geschrieben hat:
,,Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgendein
Mensch ist, oder zu sein vermeinet, sondern die
aufrichtige Miihe, die er angewandt hat, hinter
die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des
Menschen. Denn nicht durch den Besitz, sondern
durch die Nachforschung der Wahrheit erweitern
sich seine Krafte, worin allein seine immer
wachsende Vollkommenheit bestehet."
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Anschliel3end erfolgte die feierliche Uberrei-
chung der Leibniz-Medaillen. Von der Deutschen
Akadernie der Wissenschaften zu Berlin wurden
ausgezeichnet: .
Herr Arthur Munch, Karl-Marx-Stadt,
in Anerkennung seiner Verdienste urn die Er-
forschung der vielgestaltigen, geologisch bedeut-
samen Graptolithen;
Herr Max Volk, Steinach/Thtiringen,
in Anerkennung seiner Verdienste um die grund-
legende Erforschung des ?Thuringer -Oberdevons
and des Phycodenschiefers;
Herr Oberstudiendirektor i. R. Dr. Karl Hoh
niann, Eichwalde b. Berlin, in Anerkennung
seiner Verdienste urn die Erforschung der Vor-
und Friingeschichte der Mark Brandenburg.
Vizeprasident Prof. Dr. W. Friedrich schlol3 die
Feier des Leibniz-Tages mit einern Dank an die
Regierung der Deutschen Demokratischen Repu-
blik fir die groBzugige Forderung von Wissen-
schaft and Forschung.
Max Volk
Arthur Munch
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3. Jahrgang, Heft 6/7/8 MITTEILUNGSBLATT
Beschlul3
des Plenums der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin fiber die Bildung and Tatig-
keit der Forschungsgemeinschaft der naturwissenschaftlichen, technischen and medizinischen In-
stitute der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 16. Mai 1957
Die Wissenschaft and ihre Anwendungen be-
stimmen heute das geistige and kulturelle Leben
der Volker and jedes einzelnen wie nie zuvor.
Von den Ergebnissen der Forschung, angewandt
in Technik, Medizin and Wirtschaft, erhofft
eine standig wachsende Bevolkerung der Erde
bessere Ernahrung, gesteigerte Lebenserwartung,
reichere Lebenshaltung and die Moglichkeit zur
Befriedigung hoherer kultureller Bediirfnisse.
Fruchtbare Anregungen fur eine breite Entwick-
lung and fur die Erschlief3ung neuer praktischer
Moglichkeiten kann allerdings nur eine Wissen-
schaft gewahren, die primer auf breiter Basis
Erkenntnisse sucht and these auch auf die Lo-
sung von Tagesfragen and auf weiter gespannte
Aufgaben anwendet, ohne sich jedoch vollig
durch unmittelbar erkennbaren Zweck and Nut-
zen leiten zu lassen. Niemals darf indes iiber-
sehen werden, daf3 in alien Bereichen der For-
schung hochgezuchteter Individualismus auf ge-
fahrliche Irrwege der Entwicklung ffihren kann.
Es ist daher notig, das Gefiihl der Verantwort-
lichkeit bei alien denen zu scharfen, die Wissen-
schaft treiben, anwenden and fordern. Den
rechten Weg zeigt die Besinnung auf die Einheit
der Wissenschaft. Die Akademie gewinnt dabei
in der Bewahrung ihrer alten Traditionen einen
neuen lebendigen Auftrag.
Die bisher geubte Verteilung der naturwissen-
schaftlichen, technischen and medizinischen In-
stitute auf einzelne Klassen stand der Verwirk-
lichung dieser Aufgabe. der Akademie oft ernst-
haft im Wege. Im besonderen erwuchs aus ihr
den Klassen eine schwere Belastung an Verwal-
tungsarbeiten. AuBerdem war ein wirksames Zu-
sammenschalten von Instituten verschiedener
Klassen zu gemeinsamer Arbeit kaum zu er-
reichen. Gemeinschaftsarbeiten sind aber in der
Regel unentbehrlich fur die erfolgreiche Losung
von wissenschaftlich and volkswirtschaftlich not-
wendigen Arbeiten, vor allem bei Schwerpunkt-
arbeiten groBer Aktualitat.
Aus diesem Grunde werden die naturwissen-
schaftlichen, technischen and medizinischen In-
stitute der Akademie zu einer Forschungsgemein-
schaft zusammengeschlossen.
Eine gerechte Beriicksichtigung der Bediirfnisse
von Forschung, Technik and Volkswirtschaft
wird dadurch gewahrleistet, daB in der Leitung
der Forschungsgemeinschaft Wissenschaftler ge-
meinsam mit Vertretern der Regierung der Deut-
schen Demokratischen Republik entscheiden.
I.
(1) Mit Wirkung vom 1. Juli 1957 wird die For-
schungsgemeinschaft der naturwissenschaftlichen,
technischen and medizinischen Institute der
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin als Einrichtung der Akademie im Sinne
des ? 3, Abs. 1, ihres Statuts gebildet.
(2) In dieser Gemeinschaft werden die natur-
wissenschaftlichen, technischen and medizi-
nischen Forschungsstatten der Akademie zu-
sammengefaf3t.
II.
(1) Der Forschungsgemeinschaft werden fur die
in ihr zusammengeschlossenen Forschungsstatten
die nach dem Statut der Akademie dem erweiter-
ten Presidium and den Klassen zugewiesenen
Aufgaben der Beratung and Beschluf3fassung
fiber den wissenschaftlichen Arbeitsplan, den
Haushaltsplan and den Investitionsplan sowie
die Uberprufung ihrer Durchfiihrung iiber-
tragen.
(2) Zur Durchfuhrung der in Absatz 1 ?gekenn-
zeichneten Aufgaben kann die Forschungs-
gemeinschaft die Einrichtungen der Akademie in
dem erforderlichen Umfang in Anspruch ?neh-
men.
III.
Die Forschungsgemeinschaft hat ein Kuratorium
and einen Vorstand.
IV.
(1) Das Kuratorium soli bis zu 30 Mitglieder um-
fassen. Mindestens die Halfte der Mitglieder des
Kuratoriums mtissen Mitglieder der Akademie
sein.
(2) Die Mitglieder des Kuratoriums werden im
Einvernehmen mit dem Presidium der Akademie
von dem Ministerprasidenten bzw. seinem fur die
Angelegenheiten der Akademie zustandigen Stell-
vertreter berufen.
(3) Die Mitglieder des Kuratoriums werden fur
einen Zeitraum, von vier Jahren berufen. Ihre
Wiederberufung ist zulassig.
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(4) Aus dem Kreise seiner Mitglieder wahlt das
Kuratorium den Vorsitzenden, der Mitglied der
Akademie sein muf3.
(5) Zu den Sitzungen des Kuratoriums di rfen die
Mitglieder keinen Vertreter entsenden. 1 ber
Ausnahmen entscheidet der Vorsitzende.
V.
(1) Die Geschafte der Forschungsgemeinschaft
fiihrt der Vorstand. Er besteht aus dem Vor-
sitzenden des Kuratoriums and einer Reihe wei-
terer Mitglieder des Kuratoriums, welche Mit-
glieder der Akademie oder Direktoren von In-
stituten der Akademie sein mussen. Diese wei-
teren Vorstandsmitglieder werden vom Kurato-
rium bestellt. Ihre Zahl soil so bemessen sein, daB
der Vorstand seine fachlichen and organisato-
rischen Aufgaben erfiillen kann. Der Vorsitzende
des Kuratoriums soil zugleich den Vorsitz im
Vorstand der Forschungsgemeinschaft ftihren.
(2) Der Vorstand hat die erforderlichen wissen-
schaftlichen and organisatorischen Verbindungen
mit dem Plenum, dem Presidium and den Klas-
sen der Akademie, mit der Regierung der Deut-
schen Demokratischen Republik and mit anderen
Institutionen zu unterhalten.
(3) t7ber die Arbeit der Forschungsgemeinschaft
wird im Rahmen des Berichtes der Akademie am
Leibniz-Tag Rechenschaft abgelegt.
(2) Die Bestimmung des ? 40 des Statuts der
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin vom 17. Juni 1954 findet auf die For-
schungsgemeinschaft sinngem513 Anwendung.
Berlin, den 16. Mai 1957
Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Minister-
rates, Herr F. Selbmann, bestatigte mit Schrei-
ben vom 20. Mai 1957 diesen Beschluf3 des
Plenums der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin.
Mit Einverstandnis des Presidiums der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
berief der Stellvertreter des Vorsitzenden des
Ministerrates, Herr F. Selbmann, am 31. Mai 1957
zu Mitgliedern des Kuratoriums der Forschungs-
gemeinschaft die Herren Akademiemitglieder
Prof. Dr. H. Bertsch Prof. F. Oellner
Prof. Dr. Th. Brugsch Prof. Dr. E. Rammler
Prof. Dr. E. Correns Prof. Dr. R. Rompe
Prof. Dr. F. Deubel Prof. Dr. K. Schroder
Prof. Dr. F. Eisenkolb Prof. Dr. M. Steenbeck
Prof. Dr. H. Fruhauf Prof. Dr. H. Stubbe
Prof. Dr. H. Knoll Prof. Dr. P. A. Thiessen
Prof. Dr. E. Maurer Prof. Dr. E. Thilo
VI.
(1) Zur Durchfuhrung ihrer Aufgaben steht dem
Kuratorium and dem Vorstand das wissenschaft-
liche Sekretariat der Forschungsgemeinschaft
zur Verfiigung.
(2) Das Kuratorium bestimmt die Struktur des
wissenschaftlichen Sekretariats im Einverneh-
men mit dem Presidium der Akademie.
(3) Das Kuratorium beruft den Leiter des wissen-
schaftlichen Sekretariats and seinen Stellver-
treter im Einvernehmen mit dem Ministerprasi-
denten bzw. seinem fur die Angelegenheiten der
Akademie zustandigen Stellvertreter.
(4) Der Leiter des wissenschaftlichen Sekretariats
and sein Stellvertreter nehmen an den Bera-
tungen des Kuratoriums and des Vorstandes teil.
VII.
(1) Die Arbeitsweise des Kuratoriums, des Vor-
standes and des wissenschaftlichen Sekretariats
der Forschungsgemeinschaft werden durch die
vom Kuratorium auszuarbeitende Geschaftsord-
nung geregelt, die der Bestatigung durch das
Presidium bedarf.
and
Herrn H. Grosse, Stellvertreter des Ministers
fur Schwermaschinenbau,
Herrn H. Wunderlich, Minister fur Allge-
meinen Maschinenbau,
Herrn Dr. G. Panning, Leiter der zentralen
Abteilung Entwicklung der chemischen In-
dustrie im Ministerium fur chemische In-
dustrie,
Herrn J. Kier, Staatssekreter im Ministerium
fur Kohle and Energie,
Herrn K. Kempny, Stellvertreter des Ministers
fur Berg- and Huttenwesen,
Herrn Dr. W. Feldmann, Minister fur Leicht-
industrie,
Herrn G. Kosel, Staatssekreter im Ministerium
fur Aufbau and 1. Stellvertreter des Mi-
nisters fur Aufbau,
Herrn Dr. W. Girnus, Staatssekreter fur Hoch-
schulwesen,
Herrn K. Rambusch, Leiter des Amtes fur
Kernforschung and Kerntechnik,
Frau Prof. Dr. K. Boll-Dornberger, Leiterin
der Arbeitsstelle fir Kristallstrukturanalyse,
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3. Jahrgang, Heft 6/7/8
Herrn Prof. Dr. H. Gummel, Arztlicher Direk-
tor am Institut fur Medizin and Biologie,
Geschwulstklinik,
Herrn Prof. Dr. H. Klare, Stellvertretender
Direktor des Instituts fur Faserstoff-For-
schung,
Herrn Dr, H. Jancke, Direktor des Instituts fur
Geratebau,
Herrn Dr. H. Neels, Steflvertreter des Direktors
des Instituts fur physikalische Chemie.
Das Kuratorium der Forschungsgemeinschaft
wahlte auf seiner konstituierenden Sitzung am
24. 6. 1957 den Vorstand unter Vorsitz des Vize-
prasidenten Prof. Dr. H. Friihauf:
Akademiemitglied Prof. Dr. Robert Rompe
Akademiemitglied Prof. Dr. Kurt Schroder
Akademiemitglied'Prof. Dr. Erich Thilo
Prof. Dr. Hans Gummel
Dr. Hermann Neels.
Zum Leiter des wissenschaftlichen Sekretariats
wurde in der gleichen Sitzung Dr. H. Wittbrodt
gewahlt.
Einrichtungen der Forschungsgemeinschaft der
naturwissenschaftlichen, technischen and medi-
zinischen Institute der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin:
Astro-Sektor
Astrophysikalisches Observatorium
Potsdam-Telegraphenberg
Sternwarte Babelsberg
Potsdam-Babelsberg
Sternwarte Sonneberg
Sonneberg/Thiiringen
2 m-Spiegelteleskop-Institut
Tautenburg b. Jena
Mathematischer Sektor
Forschungsinstitut fur Mathematik
Berlin
Abt. Reine Mathematik and Editionen
Abt. Angewandte Mathematik
Physikalischer Sektor
Heinri ch-Hertz-Institut
Berlin-Adlershof
Institut fiir Optik and Spektroskopie
Berlin-Adlershof
Institut fur Strahlungsquellen
Berlin
Auf3enstelle Hiddensee
Arbeitsgruppe fur Lumineszenz-Forschung
Liebenwalde
Institut fur Gasentladungsphysik
Greifswald
Institut fur Festkorperforschung
Berlin
Institut fur Kristallphysik.
Berlin-Adlershof
Kernphysikalisches Institut
Zeuthen-Miersdorf
Institut fur magnetische Werkstoffe
Jena
Arbeitsstelle fur Tieftemperaturphysik
Dresden
Technischer Sektor
Institut fiir Technologie der Fasern
Dresden
Arbeitsstelle fiir Regel- and Steuerungstechnik
Dresden
Institut fair Geratebau
Berlin-Oberschoneweide
Geologisch-Geophysikalischer Sektor
Institut fiir Bodendynamik and Erdbeben-
forschung
Jena
Geodatisches Institut
Potsdam
Institut fiir physikalische Hydrographie
Berlin-Friedrichshagen
Geotektonisches Institut
Berlin .
Geomagnetisches Institut
Potsdam
Arbeitsstelle fair Palaobotanik and Kohlen-
kunde
Berlin
Arbeitsstelle fair praktische Geologie
Jena
Chemischer Sektor
Institut Air anorganische Chemie
Berlin-Adlershof
Institut Air organische Chemie
Berlin-Adlershof
Arbeitsbereich Grenzflachenaktive Stoffe
and Fette
Arbeitsbereich Vor- and Zwischenprodukte
Laboratorium fair Kunststoffe
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Institut fur Faserstoff-Forschung
Teltow-Seehof
MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 6/7'8
Institut fur Katalyseforschung
Arbeitsbereich Organische Katalyse
Rostock
Arbeitsbereich Anorganische Katalyse
Rostock
Arbeitsstelle fur Komplexchem ie
Jena
Physikalisch-Chemischer Sektor
Institut fur physikalische Chemie
Berlin-Niederschoneweide
Institut fur angewandte Silikatforschung
Berlin
Arbeitsstelle fur Kristallstrukturanalyse
Berlin-Adlershof
Arbeitsstelle fur Mineralsalzforschung
Berlin-Adlershof
Medizinisch-Biologischer Sek.tor
Institut fur Medizin and Biologie
Berlin-Buch
Arbeitsbereich Physik
Arbeitsbereich Biochemie
Arbeitsbereich Biologie
Arbeitsbereich Pharmakologie
Arbeitsbereich Angewandte Isotopen-
forschung
Arbeitsbereich Klinische Medizin
(Geschwulstklinik)
Institut fur vergleichende Pathologie
Berlin
Arbeitsstelle fur Kreislaufforschung
Arbeitsgruppe Prof. Dr. P. Kokkalis
Berlin-Friedrichshain
Arbeitsgruppe Prof. Dr. A. Wollenberger
Berlin-Buch
Institut fur Ernahrung
Potsdam-Rehbriicke
Arbeitsstelle fur experimentelle and angewandte
Psychologie
Institut fur- 'Mikrobiologie and experimentelle
Therapie
Jena
Botanisch-Biologischer Sektor
Institut fur Kulturpflanzenforschung
Gatersleben
Am 6. Juni.1957 iudhlte das Plenum der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
Akademiemitglied Prof. Dr. ? Hans Fruhauf zum
Vizeprasidenten der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin. Die Wahl'wurde vom
Stellvertreter des Vorsitzenden des. Ministerrates,
Herrn Fritz Selbmann, bestatigt. Auf Grund des
Beschlusses des Plenums der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu.Berlin vom 16. Mai
1957 i1ber die Bildung and Tatigkeit der ?For-
schungsgemeinschaft der naturwissenschaft-
lichen, technischen and medizinischen Institute"
and nach Zustimmung durch das Prdsidium
wurde Prof. Dr. Hans Fruhauf mit Datum vom
15. Juni 1957 als Mitglied in das Kuratorium der
?Forschungsgemeinschaft" berufen and in seiner
konstituierenden -Sitzung am 24. Juni 1957 von
diesem Gremium' zum Vorsitzenden des' Kura-
toriums and des Vorstandes der ?Forschungs-
gemeinschaft" gewahlt.
Akademiemitglied Prof. Dr. Hans Fruhauf
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Akademiemitglied Prof. Dr. Hans Fruhauf ist
Professor mit Lehrstuhl fur Schwachstrom-
technik, Direktor des Instituts fur Hochfrequenz-
technik and Elektronenrohren and Prorektor fair
das Fernstudium an der Technischen Hochschule
in Dresden, Mitglied der wissenschaftlich-tech-
nischen Beirate im Ministerium fur allgemeinen
Maschinenbau and der Kammer der Technik, Mit-
glied des Vorstandes der Physikalischen Gesell-
schaft and Leiter des Arbeitskreises ,Funksende-
und Empfangstechnik", 1951 ausgezeichnet mit
dem Nationalpreis and 1953 mit dem Vater-
landischen Verdienstorden.
Akademiemitglied Hans Fruhauf wurde 1904 in
Pforzheim geboren and legte in Stuttgart sein
Abitur am humanistischen Gymnasium ab. Der
Reifepriifung schlossen sich 11/2 Jahre prak-
tischer Tatigkeit in elektrotechnischen Betrieben
Siiddeutschlands an. 1924 nahm Hans Fruhauf
das Studium der Elektrotechnik an der Tech-
nischen Hochschule Stuttgart auf, wobei er spe-
ziell das Gebiet der Schwachstrom- and Hoch-
frequenztechnik auswahlte. Der Diplomprufung
,,mit Auszeichnung" schloB sich die Assistenten-
zeit am Institut I'& Schwachstromtechnik an der
Technischen Hochschule Stuttgart an, die ihren
Abschluf mit der Doktordissertation fiber eine
selbst erfundene Mef3methode wiederum mit
dem Pradikat ,Mit Auszeichnung bestanden"
fand. Es folgten Lehrauftrage vor allem fur die
Gebiete Radiotechnik and McBtechnik mit der
Leitung des dazu gehorenden Laboratoriums an
der gleichen TH. Nach 1933 mul3te Prof. Dr. Hans
Fruhauf seine Lehrtatigkeit unterbrechen. In den
darauf folgenden Jahren war er Laboratoriums-
leiter, Konstruktionsleiter, Chefingenieur, Pro-
kurist, Technischer Direktor and Geschafts-
fiihrer in der Schwachstromtechnischen In-
dustrie. Nach 1945 war Hr. Fruhauf zunachst
maf3gebend bei der Griindung and beim Aufbau
des Betriebes ?Stern-Radio-Rochlitz" beteiligt
and wurde anschlief3end mit dem Aufbau der
wissenschaftlichen and technischen Einrichtun-
gen der volkseigenen Vereinigung RFT betraut,
in der er als wissenschaftlicher Leiter and Direk-
tor tatig war. Im Rahmen dieser Arbeit begrun-
dete Akademiemitglied Fruhauf Zentrallabora-
torien fiir Fernmelde-, fur Hochfrequenz-, fur
Rohren- and Mellgeratetechnik and forderte
kontinuierlich ihren Ausbau.
1950 wurde Hans Fruhauf als ordentlicher Pro-
fessor an die Technische Hochschule Dresden be-
rufen. Auf Grund seiner Initiative and unter
seiner Leitung entstand and arbeitet heute das
Institut Mir Hochfrequenztechnik and Elek-
tronenrohren an der TH Dresden. 1953 wurde
er zum ordentlichen Mitglied der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin ge-
wahlt. Akademiemitglied Prof. Dr. Hans Fruh-
auf gehort zu den Gelehrten-Personlichkeiten,
die die Wissenschaft niemals als Selbstzweck be-
treiben. Er bezeichnet es als ?eine der wesent-
lichen Aufgaben der wissenschaftlichen For-
schung, noch bestehende LOcken ausfindig zu
machen and Bich daraus ergebende neue Probleme
zu bearbeiten. Hierfiir ist der internationale
Stand der Wissenschaft als Ausgangspunkt an-
zusehen". Akademiemitglied Prof. Dr. Hans Fruh-
auf zeichnet sich durch ein ungeteiltes Interesse
fur die Erfordernisse der Volkswirtschaft unserer
Republik aus. Er auf3ert seine Meinung hierzu
wie folgt:
,,Es steht aul3er Zweifel, daB bei der Erhohung
des Lebensstandards unserer Bevolkerung der
Steigerung der Arbeitsproduktivitat auf alien
Gebieten unserer industriellen Produktion eine
entscheidende Bedeutung zukommt. Auch wenn
wir den Blick nach den grof3en Industrielandern
der Welt richten, machen wir die Feststellung,
daB dort ebenso, wenn auch unter gewissen an-
deren Voraussetzungen, der Automatisierung
and besonders den Fragen der Elektronik er-
hohte Aufmerksamkeit geschenkt wird."
Die Fragen, die uns alle gegenwartig besonders
beschaftigen, beantwortet Akademiemitglied
Prof. Dr. Hans Fruhauf in einer Weise, die fur
uns Mitarbeiter der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin verbindlich ist:
.,Vor zwolf Jahren war es, da ging das Grauen
and der Tod noch durch unser deutsches Land.
In einer einzigen Nacht wurde unter Anwendung
.herkommlicher Waffen` Dresden in Schutt and
Asche gelegt. Die Stadt der Kunst and Wissen-
schaft, die Kulturdenkmaler, unsere Technische
Hochschule, sie waren in Trummer 'gerangen.
40 000 Tote lagen unter den Ruinen begraben,
verbrannt, verblutet. Berlin, Hamburg, Nurn-
berg, die Stadte des Rheinlandes and das Ruhr-
gebiet batten ein ahnliches Schicksal fiber sich
ergehen lassen mussen - unter der Auswirkung
,herkommlicher Waffen`.
Zwolf Jahre sind inzwischen vergangen nach
diesem Grauen. Heute wissen wir alle, daB durch
die Weiterentwicklung von Wissenschaft and
Technik, deren Ergebnisse sich auch die Kriegs-
technik bedient, ein einziges GeschoB der neuen
,taktischen` Kernwaffen ein viel groBeres Grauen,
eine groBere Vernichtung zustande bringen kann
als vor zwolf Jahren der massierte Einsatz her-
kommlicher Waffen`; ja wir wissen, daB die
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Menge des auf der Erde gestapelten Kernmate-
rials, als Atomwaffen angewandt, bereits heute
ausreichen wurde, das Leben ganzer Kontinente
zu vernichten. Wiederum bedroht, zwolf Jahre
nach der Beendigung des grauenhaften Mordens
in Europa mit,herkommlichen Waffen', die Welt
eine neue, noch viel grol3ere Gefahr: Die Gefahr
des Atommordens. Wir aber wollen nicht unter-
gehen, sondern mit Hilfe der friedlichen Nutzung
der Atomenergie ein besseres und ein schoneres
Leben aufbauen.
Wer verantwortungsbewuBt' als Deutscher die
Entwicklung betrachtet, der weiB: Die Frage der
Anwendung der Atomkrafte fur friedliche oder
fur kriegerische Zwecke, das ist heute die Schick-
salsfrage unseres deutschen Volkes, ja der
Menschheit. Hier gibt es keine Meinungsverschie-
denheiten unter den Deutschen! 18 weltbekannte
westdeutsche Wissenschaftler haben sick mit
ihrer von der Max-Planck-Gesellschaft am
'12. April 1957 herausgebrachten Erklarung ein--
deutig auf die Seite einer positiven Entscheidung
dieser Schicksalsfrage und? damit auf die Seite
des Friedens gestellt. Dieses Fanal, these Demon-
stration 'des Gewissens hat die Welt aufhorchen
lassen und such diejenigen wachgeruttelt, die
bishe'r vielleicht noch glaubten, Politik sei eine
Sache der ,Politiker`. Wenn es um Leben oder
Tod eines Volkes geht, hat das Volk und jeder
einzelne 'mitzusprechen. Es kann kein Zweifel
'dartiber bestehen, daB sick das Volk fiir das
Leben ' eritscheiden wird, gegen jene, die durch
ein unverantwortliches ' Spiel` mit atomaren
Waffen die Zukunft und. das Leben des Volkes
gefahrden.
'Ich respektiere den Mut, den die 18 Ato'mwissen-
schaftlei durch ihre freimutige Erklarung offent-
'lich dokumentiert haben 'unter einer Regierung,
die sich anschickt, atom-are Waffen einzufiihren
und mit'ihrer Anwendurg zu ,exp'erimentieren`.
Ich achte und schatze auch das offentliche Be-
?kenntnis,' durch das 18 weltbekannte Wissen-
schaftler der 'Welt gezeigt haben, daB Wissen
nicht' nur Macht ist, 'sondern daB Wissen auch
Verantwortung erheischt! Und wer "ware, so mul
man fragen, eher dazu berufen, an die Verant-
wortung gegenuber unserem Volk, gegenuber
der Menschheit, gegenuber "dem Fortschritt zu
appellieren, als der Wissenschaftler? Die Welt ist
in letzter Minute aufgeriittelt. Ftinf Minuten vor
'Zwolf ist durch die Wissenschaft, als die kompe-
tenteste Stelle, ein Fanal gegeben, das unser
Volk, "ja das vielleicht die Menschheit vor einem
neueh Graueh, vielleicht sogar vor seinem end-
giiltigen Untergang retten' kann!"
3. Jahrgang, Heft 6/7/8
Am 20. Juni dieses Jahres wahlteidas Plenum der
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin Nationalpreistrager Akademiemitglied
Prof. Dr. Gunther Rienacker zum Generalsekre-
tar der Deutschen Akade'mie der Wissenschaften
zu Berlin. Die Wahl wurde vom Stellvertreter
des Vorsitzenden des Ministerrates, Herrn Fritz
Selbmann,, bestatigt.
Akademiemitglied Prof. Dr. Gunther Rienacker
Akademiemitglied Prof. Dr. Gunther Rienacker
wurde am' 13. Mai 1904 in Bremen geboren. Er
studierte an der Miinchener Universitat und
habilitierte sich fur anorganische Chemie 1936 in
Freiburg bei Nobelpreistrager Prof. Dr. Stau-
dinger. 1937 erhielt er eine aulerordentliche Pro-
fessur in Gottingen und 1942 wurde 'er Ordina-
rius fur Chemie und Institutsdirektor an der Uni-
versitat Rostock. Seit 1954 wirkt er in gleiclier
Eigenschaft an der Humboldt-Univ'ersitat zu'
Berlin.
Nach Kriegsende stellte Bich" Prof. Dr. Gunther
Rienacker mit seiner ganzen Personlichkeit dem
demokratischen Neuaufbau zur Verftigung. Von
1946-1948 war er der erste Rektor der Universi-
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3. Jahrgang, Heft 6/7/8
MITTEILUNGSBLATT 139
tat Rostock, 1949 and 1951-1953 Prorektor. 1946
wurde er Herausgeber der Zeitschrift fur an-
organische Chemie.
Die wissenschaftlichen Arbeiten Prof. Dr.
Gunther Rienackers beschaftigen sich im wesent-
lichen mit zwei groBen Problemkreisen. Einmal
sind es Spezialfragen der analytischen Chemie.
Seine Untersuchungen auf diesem Gebiet halten
eine grof3e Tradition aufrecht, die mit dem Le-
benswerk beruhmter Gelehrter, wie z. B. mit
Clemens Winkler, verbunden? ist. Die Verdienste
Prof. Dr. Rienackers liegen im Prinzipiellen, weil
er sich entgegen gewissen Zeitstromungen and
ohne Riicksicht auf allgemeine Anerkennung ge-
rade der experimentellen praktischen Arbeits-
richtung in Forschung and Lehre widmete. All-
gemein anerkannt sind vor allem die zahlreichen
Arbeiten, die sich mit dem Problem der hetero-
genen Katalyse beschaftigen. Sie zeigen durch-
weg die Bemuhungen, die Frage nach dem Wesen
der katalytischen Vorgange an Oberflachen fester
Stoffe aus dem Stadium der reinen Empirie her-
auszuheben and auf eine echte tragfahige wissen-
schaftliche Grundlage- zu stellen. Wie Koch die
Bedeutung der Rienackerschen Arbeiten fur die
systematisch arbeitende chemische Technik and
die reine Grundlagenforschung sind, geht ganz
besonders aus der Tatsache hervor, day seinerzeit
fur these Arbeiten and die Arbeiten auf dem
Gebiet der organischen Katalyse (Prof. Langen-
beck) von dem Ministerium Mr Chemie, Steine
and Erden in Rostock ein eigenes Institut er-
richtet wurde, das jetzige Institut fur Katalyse-
forschung der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin.
Neben seiner Lehr- and Forschungstatigkeit
zeichnet sich Akademiemitglied Prof. Dr. Rien-
acker als hervorragender Organisator and Leiter
von Verhandlungen aus. Als er 1953 zum ordent-
lichen Mitglied der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin gewahlt wurde, wurden
in der Begriindung sein offener and klarer Cha-
rakter, seine unbedingte Sachlichkeit and seine
nie erlahmende Initiative besonders hervorge-
hoben. 1955 wurde er mit dem Nationalpreis aus-
gezeichnet.
Der Ruf Prof. Dr. Gunther Rienackers als einer
der fiihrenden deutschen Chemiker auf dem Ge-
biet der anorganischen Chemie, der sich weit
fiber die deutschen Grenzen hinaus erstreckt, ge-
winnt an Bedeutung, wenn man nur kurz die ge-
sellschaftliche Tatigkeit Prof. Dr. Gunther Rien-
ackers streift. Die vergangenen Jahre weisen ihn
als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung
Rostocks and spater des Landtages Mecklenburg
and der Provisorischen Volkskammer aus. Er ist
Mitglied des Prasidialrates des Kulturbundes zur
demokratischen Erneuerung Deutschlands and
wurde 1953 Vorsitzender der Gewerkschaft Wis-
senschaft im Freien Deutschen Gewerkschafts-
bund.
Mit Akademiemitglied Prof. Dr. Gunther Rien-
acker wurde eine Personlichkeit zum General-
sekretar der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin berufen, die mit alien ihren
Kraften an der Weltgeltung der deutschen
Wissenschaft and an den Bemuhungen, ein fried-
liebendes, demokratisches and einheitliches
Deutschland zu schaffen, unmittelbaren Anteil
hat.
Zum 70. Geburtstag von Nobelpreistrager Akademiemitglied Prof. Dr. Gustav Hertz
Bei dem Namen Hertz denkt jeder an den groBen
Entdecker der elektromagnetischen Strahlen,
dem wir die Grundlage der wertvollen Erfin-
dungen verdanken, die wir unter der Bezeich-
nung Radiotechnik zusammenfassen. Von diesem
Heinrich Hertz soil heute nicht die Rede sein,
sondern von seinem Neffen Gustav Hertz, der
auch ein groBer Physiker ist, obgleich seine
Schopfungen nicht in gleichem Mal3e der All-
gemeinheit bekannt sind. Aber in Physiker-
kreisen nimmt er eine hervorragende Stellung
ein and gilt als einer der besten lebenden Phy-
siker der aiteren Generation.
Er wird am 22. Juli 70 Jahre alt and ist in guter
Gesundheit and reger Tatigkeit. Ich will keine
Beschreibung seines Lebensweges and auch keine
Aufstellung seiner sehr zahlreichen Veroffent-
lichungen geben. Beides findet man in den phy-
sikalischen Fachzeitschriften, z. B. in den An-
nalen der Physik, die ihm ein Sonderheft wid-
men. Ich will lediglich zwei Spitzenleistungen
nennen..
Die erste fallt in die jungen Jahre, als er am
Physikalischen Institut der Universitat Berlin.
die nahere Bekanntschaft von James Franck
machte. Es entwickelte sich eine sehr fruchtbare
Arbeitsgemeinschaft, da sich die Fahigkeiten der
beiden Forscher auf das gli cklichste erganzten.
Das Ergebnis ist allen Physikern bekannt unter
dem Namen Franck-Hertz-Versuche, deren Er-
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gebnis mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
Sie beweisen den quantenhaften Energieuber-
gang von Elektronen zu Atomen and bilden eine
handgreifliche Bestatigung der Bohrschen Atom-
theorie.
Die zweite grof3e Leistung von Hertz ist prak-
tischer Art. In der Technischen Hochschule
Berlin entwickelte er die Diffusionskaskade zur
Trennung von Gasgemischen. Sie erlangte nach
wenigen Jahren eine ungeahnte Bedeutung fur
die Trennung der Uran-Isotope. Die Isolierung
des Uran-Isotops vom Atomgewicht 235 ist un-
entbehrlich fur den Kernzerfallsproze13, der die
Welt heute im schlechten and guten Sinne in
3. Jahrgang, Heft 6/7/8
Spannung halt. In der auslandischen Literatur
wird der Name Hertz in diesem Zusammenhang
meist nicht erwahnt, and das zu Unrecht.
Nach dem Kriegsende 1945 folgte Gustav Hertz
einer Einladung in die UdSSR. Seit 1954 nimmt
er den ersten Lehrstuhl fur Physik an der Uni-
versitat Leipzig ein. Moge er seine Art, physi-
kalisch zu denken and zu arbeiten, dem Nach-
wuchs ubermitteln and so dazu beitragen, das
Ansehen der deutschen Physiker in der Welt zu
erhalten. Das wunschen wir ihm and uns.
Berlin, den 22. Juli 1957
Berichterstattung der Akademiedelegation
im Plenum uber die Reise in die Volksrepublik China
Eindriicke eines Chemikers von einer China-Reise
Unsere Reise begann mit dem schon fur sich
allein sehr eindrucksvollen Flug fiber die UdSSR
mit den Zwischenstationen Wilna, Moskau,
Swerdlowsk, Omsk, Nowosibirsk, Krasnojarsk,
Irkutsk, uber die Mongolei mit der Station 'Sain-
shandar mitten in der Steppe and endete nach
rund 46 Stunden, von denen wir etwa 26 in der
Luft waren, plotzlich in Peking.
Plotzlich darum, weil Peking in der Ebene direkt
am Rand der sog. bis zu etwa 3000 m hohen
Westberge liegt and man - noch vom Eindruck
des Gebirges in Anspruch genommen - ganz
plotzlich mit scharfer Kurve nach Osten auf dem
Flugplatz von Peking landet. fJberwaltigend ist
der Eindruck der letzten Flugminuten, weil sie
nach dem Gebirge, angesichts der prachtvollen
farbigen Anlagen des Sommerpalastes, ohne
JJbergang in der Ebene erfolgen.
Ebenso plotzlich wie der Wechsel vom Gebirge
zum alten prachtigen Kulturdenkmal in der
Ebene ist der Wechsel vom Bild, das man vom
europaischen Leben mitbringt, zu dem, das man
bei der Anfahrt vom Flughafen zur Stadt Peking
ganz unvermittelt erlebt. In Europa hastende
Mechanisierung and Technisierung, in Peking
and iiberhaupt in China stetige and ruhige aber
dabei rastlose Arbeit and Tatigkeit durch die
nackte Muskelkraft von Mensch and Tier -
Pferd, Maultier, Esel and Kamel and auf dem
Lande dem Biiffel.
Seit Jahrtausenden wird in China so gearbeitet,
aber seit der Befreiung von Unterdriickung vor
7 Jahren entwickelt sich ein neues China. Ganz
besonders wird das in Peking sichtbar. Am Stadt-
rand entstehen mit unfaibarer Geschwindigkeit
- unfaBbar, weil noch alles Baumaterial von
Mensch and Tier transportiert wird - riesige
neue Stadtteile aus groBen Backsteinbauten
nach europaischem Muster. Einen Saum bildet
das Neue um die alte Stadt mit ihren fast aus-
schlieBlich ebenerdig gebauten Hausern and
Lehmhutten. Nach and nach verschwinden sie,
um Neubauten and grof3zugigen, breiten and
weiten Straf3enanlagen Platz zu machen.
Im Gegensatz dazu werden die alten Kulturdenk=
maler, die Palaste, die Tempel and Grabanlagen
auf das genaueste restauriert and als Museen
bzw. Erholungsstatten verwendet.
Das Wunderbarste aber ist der chinesische
Mensch, fur den das Leben mit der Befreiung,
von der jeder and jeder immer and immer wieder
spricht, einen neuen Anfang genommen hat.
Strahlend trat er uns entgegen an alien Orten, in
den Stadten, in den Fabriken, in den Labora-
torien, auf dem Lande, im Zuge and im Theater,
bei den Mahlzeiten and in Gesprachen, bei der
Arbeit and in wenigen Muf3estunden. Unbeschreib-
lich ist der frohe Gleichmut der Chinesen, seien
es Manner, Frauen oder Kinder.
Uralte Kultur and feinste Herzensbildung spre-
chen aus jedem Wort, aus jeder Handlung. Eine
nicht zu beirrende Zuversicht fur den Weg in
eine gii ckliche Zukunft gibt das Geprage fur ihr
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MITTEILUNGSBLATT 141
Dasein and laBt sie jedem mit herzlicher Freund-
lichkeit and Hilfsbereitschaft begegnen.
Ich sah keine sich zankenden Frauen, ich sah
keine schimpfenden Manner, ich sah kaum ein
weinendes Kind, and ich sah keinen Betrun-
kenen. Ich sah nur frohliche and glucklich zu-
friedene Menschen, obwohl sie in unserem MaB
gemessen als materiell arm zu bezeicnnen sind,
heute noch arm. Aber in der kurzen Zeit seit der
Befreiung haben sie erkannt, wie reich sie heute
schon sind and erst recht spater einmal rein wer-
den. Denn potentiell ist China ganz eigentlich ein
Land ungeahnter Moglichkeiten. Es ist unermeB-
lich reich an gerade erst aufgeschlossenen Boden-
schatzen and reich an Menschen, die von Sonnen-
aufgang bis -untergang rastlos and oft noch viel
langer fleiBig and tatig rind and dabei unsagbar
anspruchslos and bescheiden.
Vielleicht den grOl3ten Eindruck habe ich im Ge-
sprach gewonnen, zu dem uns der Ministerprasi-
dent Tschou En-lai am Ende unserer Reise einge-
laden hatte. Von jedem von uns lieB er sich be-
richten, was wir sahen and fiber gemeinsame Ar-
beit dachten. Er horte sich an, was wir sagten,
dachte kurz nach and sprach dann klar und iiber-
legt seine Ansicht zu den so verschiedenen Pro-
blemen aus. GroBartig war die Entwicklung
seiner Meinung fiber den Stand and die bewuBt
langsam anlaufende zukiinftige Technisierung der
chinesischen Wirtschaft, ganz im Sinne der gro-
Ben, richtungweisenden Rede von Lu Ting-Yi
auf der Kultur-Tagung der Kommunistischen
Partei Chinas am 26. Mai 1956 mit dem be-
geisternden Titel: ,LaBt viele Blumen bliihen and
die verschiedenen Gedankenrichtungen zu Worte
kommen."
Eine chemische Industrie hat es in China vor der
Befreiung praktisch ilberhaupt nicht gegeben.
Daher gab es auch nur Ansatze fir eine frucht-
bare chemische Wissenschaft auf den Universi-
taten, die fast ausschlieBlich geisteswissenschaft-
lich ausgerichtet waren. Die Zahl der Lehrstiihle
fair Chemie war klein; sie waren besetzt mit Pro-
fessoren oder Dozenten, die im Ausland studiert
hatten, and nur wenige Studenten interessierten
sich fir die Chemie, denn es herrschte kein Be-
darf an Chemikern.
Mit einem Schlage wurde das anders, als nach
der Befreiung mit der Industrialisierung des
Landes begonnen wurde and damit naturgemaB
auch eine chemische Industrie ihren Anfang
nahm. Neue Universitaten wurden errichtet and
viele neue Hochschulen and Spezialhochschulen
- heute sind es fast 200. Die Academia Sinica
wurde ausgebaut and mit ihr auch eine groBe
Reihe von Forschungsinstituten, von denen die
fur Chemie nicht die kleinste Rolle spielen.
Es ist einleuchtend, daB die -wenigen erfahrenen
Chemiker sowohl an den Hochschulen als auch
an den Akademieinstituten zunachst noch fast
ausschlieBlich and mehr als i berreichlich damit
beschaftigt sind, einen arbeitsfahigen Nachwuchs
auszubilden. Gerade fertig gewordene, ganz junge
and noch unerfahrene Chemiker geben das Ge-
lernte weiter and arbeiten in den Forschungs-
laboratorien an Aufgaben, die bisher zum groB-
ten Teil den Problemkreisen der Industrie and
denen der Verwertung der groBartigen Rohstoff-
quellen entstammen. Eine echte Forschung in
unserem Sinne, die nicht einem direkten and
speziellen technischen Zweck dient, ist daher ge-
rade erst im Entstehen and an nur einigen Stel-
len schon vorhanden. Aber der Geist ist da, and
die Akademie in Peking hat einen Plan auf-
gestellt, demzufolge nach 12 Jahren das wissen-
schaftliche Niveau auf alien Wissensgebieten dem
der Ubrigen Welt gleichwertig sein soil.
Nach dem, was ich sah, zweifle ich nicht, daB
dieses Ziel fristgerecht erreicht wird. Denn
genau wie alle anderen Chinesen sind auch die
alten and jungen Chemiker in China unglaublich
fleiBig, aufgeschlossen zum Lernen and allem
Neuen gegeniiber, vorurteilslos gegen Lehr-
meinungen and zu jeder Diskussion bereit.
Aufs beste ausgestattet sind die mit bis zu
800. Personen belegten Institute der Akademie
and sehr gut ausgestattet fast alle Laboratorien
der Universitaten, in denen 500 bis 1000 Stu-
denten von der noch viel zu kleinen Zahl von
Lehrkraften zu Chemikern ausgebildet werden.
Der Lehrbetrieb ist zunachst noch fast schul-
maBig and lehnt sich eng an das sowjetische
Muster an. Aber Ansatze zeigen sich zu einem
Lehrstil eigener Pragung.
Bei dieser Lage ist es verstandlich, daB unsere
chinesisschen Kollegen sich nach Hilfe bei der
Ausbildung and Forschung im Ausland um-
sehen, and unser Anliegen sollte es sein, uns
dafiir soweit wie irgend moglich zur Verfiigung
zu stellen. Denn das konnte ein Dank sein fi r
die grolie Freundlichkeit and Freundschaftlich-
keit, mit der man uns an allen Orten and stets
auf das herzlichste aufgenommen hat.
Prof. Dr. E. THILO
Akademiemitglied
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142 MITTEILUNGSBLATT
3. Jahrgang, Heft 6/7/8
Das Internationale Geophysikalische Jahr 1957/58
Die Aufgaben der Wissenschaftler in der Deutschen Demokratischen Republik im
Internationalen Geophysikalischen Jahr
Das Nationale Komitee der Deutschen Demo-
kratischen Republik fur das Internationale Geo-
physikalische Jahr war sich bei seiner Konsti-
tuierung der besonderen Verpflichtung bewul3t,
die den wissenschaftlichen Einrichtungen un-
serer Republik fur eine Beteiligung am IGJ er-
wachsen, and hat dementsprechend einen Plan
aufgestellt, der eine moglichst umfangreiche Be-
teiligung der dafiir in Frage kommenden In-
stitute vorsieht. Es ist auch gelungen, these Be-
teiligung auf fast alle geophysikalischen Diszi-
plinen zu erstrecken, die in das Unternehmen
des Internationalen Geophysikalischen Jahres
einbezogen sind.
Insgesamt werden es im Bereich der Deutschen
Demokratischen Republik uber 60 Stationen
sein, die irgendwelche Aufgaben im Rahmen des
Internationalen Geophysikalischen Jahres durch-
zuftihren haben, wobei mit der abkiirzenden Be-
zeichnung ?Station" die ganze Spanne von der
kleinen Viermannbeobachtungsstation bis zum
groBen, modernen and vielseitig ausgeriisteten
Observatorium iiberdeckt wird.
Innerhalb des gesamten geophysikalischen Ar-
beitsprogramms wahrend des Internationalen
Geophysikalischen Jahres nimmt das Fachgebiet
Meteorologie eine besondere Stellung ein. Das
zentrale Problem, um das es hier geht, ist das
der atmospharischen Zirkulation, des Luftkreis-
laufs, d. h. der Erforschung der verschiedenen
recht kompliziert angeordneten Stromungs-
systeme and ihrer langsamen jahreszeitlichen
ebenso wie ihrer plotzlichen Veranderungen, uber
die wir bisher nur Behr ungenugend unterrichtet
sind, deren genaue Kenntnis aber fur eine zu-
ktinftige Verbesserung der Wettervorhersage von
eminenter Bedeutung ist. Die noch marigelnde
Kenntnis der dynamischen Prozesse bzw. der
Stromungsverhaltnisse betrifft dabei weniger
den unteren Teil der Atmosphere, die Tropo-
sphere, als vielmehr das dari.iber liegende Stock-
werk, die Stratosphere bis zu einer Hohe von
30 km. Diese Schicht von 10 bis 30 km wird da-
her im Internationalen Geophysikalischen Jahr
der bevorzugte meteorologische McBraum sein,
aus welchem ein gut ausgewahltes Netz aerolo-
gischer Stationen mit viermal taglich gemessenen
Verteilungen der Winde and zweimal taglich ge-
messenen Verteilungen der Temperatur and der
Feuchte das Beobachtungsmaterial liefern soil,
von dem man sich einen gri.indlicheren Einblick
in die Zirkulationsverhaltnisse der oberen At-
mosphere erhofft.
Zu dieser Hauptaufgabe wird die Deutsche De-
mokratische Republik mit den vier aerologischen
Stationen ihres Meteorologischen Dienstes einen
vollstandigen Beitrag liefern, wobei ein neu ent-
wickelter, mit Beginn des Internationalen Geo-
physikalischen Jahres zum Einsatz gelangender
automatischer Radiotheodolit and verbesserte
Radiosondenballone die Messungen bis zu einer
Mindesthohe von 20 km im Sinne der gestellten
Forderungen gewahrleisten werden.
Da die Ursache der atmospharischen Zirkulation
letzten Endes die Sonnenstrahlung ist, bildet das
Meiprogramm der atmospharischen Strahlung
die zweite wichtige Aufgabe innerhalb des mete-
orologischen Forschungskomplexes des Inter-
nationalen Geophysikalischen Jahres. Auch hier
ist die Deutsche Demokratische Republik mit
dem Hauptobservatorium Potsdam, der Strah-
lungsforschungsstelle Gotha and einer Reihe
von StrahlungsmeBstationen mit einem umfang-
reichen and vollstandigen Programm vertreten,
das eine besondere Steigerung durch den Auf-
bau der Warmehaushaltsstation im Observato-
rium Lindenberg erhelt. Solche Warmehaus-
haltsuntersuchungen stellen eine meBtechnisch
euBerst komplizierte Aufgabe dar; tatsechlich
existiert in Mitteleuropa auBer der genannten
Warmehaushaltsstation nur noch eine solche in
Hamburg, die sich mit analogen Fragen be-
faBt.
Erganzt wird dieses schon sehr umfangreiche
meteorologische Programm noch durch Ozon-
messungen der Observatorien Dresden-Wahns-
dorf and Potsdam, ferner durch Peilungen der
Sferics, der weit entfernten elektrischen Ent-
ladungen in Gewittern oder in der Kaltluft der
Tiefdruckgebiete, durch luftelektrische and luft-
chemische Untersuchungen, insbesondere sol-
cher, die sich mit der Messung des radioaktiven
Gehalts der Luft and des Niederschlagswassers
befassen.
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In den Vorlaufern des Internationalen Geophy-
sikalischen Jahres, den Internationalen Polar-
jahren, lag der Schwerpunkt der Beobachtungs-
tatigkeit auf dem Gebiet des Erdmagnetismus.
Auch heute bilden die Mef3programme des Geo-
magnetismus einen wesentlichen Bestandteil des
Gesamtprogrammes. Das erdmagnetische Feld
spricht bekanntlich unmittelbar auf ionospha-
rische Storungen an, and die im erdmagnetischen
Feld vor Bich gehenden Veranderungen sind oft
ein Spiegel der Vorgange in den hohen iono-
spharischen Schichten. Innerhalb der erdmagne-
tischen Forschung gibt es eigentlich kein Teil-
gebiet, dem man im Internationalen Geophysi-
kalischen Jahr nicht Beachtung schenkt, vor
allem aber sind es die erdmagnetischen Sturme,
d. h. die sehr raschen and anomal grof3en Schwan-
kungen der erdmagnetischen Komponenten,
deren Beobachtung and Registrierung einen
Schwerpunkt bildet. Denn diese treten im Ge-
folge der Sonneneruptionen dann auf, wenn der
Strom der von der Sonne ausgehenden Korpus-
kularstrahlung in die Atmosphere einfellt. In
der Deutschen Demokratischen Republik ist das
Geomagnetische Observatorium Niemegk die
Zentralstelle fur die erdmagnetische Forschung.
Hier and an einigen Aul3enstellen werden neben
den normalen Registrierungen der geometrischen
Elemente vor allem die geomagnetischen Va-
riationen als Folge ionospharischer Vorgange
laufend wahrend des Internationalen Geophy-
sikalischen Jahres verfolgt and registriert. Des-
gleichen werden standig Messungen des Erd-
stromes vorgenommen, der durch die geomagne-
tischen Variationen induziert wird. Das Obser-
vatorium Niemegk wird auch bewegliche, so-
genannte ambulante Stationen ausriisten, die
ebenfalls die geomagnetischen Variationen and
die Erdstrome registrieren, nun aber mit dem
Ziel, Profilvermessungen vorzunehmen and
Tangs dieser Profile die Zonen erhohter Leit-
fahigkeit in der tieferen Erdkruste festzulegen,
die als Induktionswirkungen des ionospharisch
bedingten Variationsfeldes im Erdinnern erzeugt
werden. Insgesamt sollen sieben solche Profile
vermessen werden.
Um die erzielten Ergebnisse mit denen anderer
Observatorien vergleichen zu konnen, wird das
Observatorium Niemegk mehrfach AnschluB-
messungen an die betreffenden Observatorien in
Westdeutschland, Danemark, Osterreich, der
CSR, Polen and Bulgarien durchfi hren.
Ein weiteres Gebiet, fur das innerhalb des Inter-
nationalen Geophysikalischen Jahres Mef3pro-
gramme laufen, ist das der hochatmospharischen
Leuchterscheinungen, d. h. der Nordlichter, des
Nachthimmelslichts, der leuchtenden Nacht-
wolken and ahnlicher Erscheinungen. In der
Deutschen Demokratischen Republik ist es die
Sternwarte Sonneberg/Thuringen, in deren
Spezialgebiet die Untersuchung dieser Phano-
mene fallt. Sie wird selbst in allen moglichen
Formen der Beobachtung and Registrierung, nam-
lich visuell, photographisch and spektrographisch,
Beobachtungen des Nachthimmelslichts durch-
fi hren and die zentrale Stelle fur das Beobach-
tungsprogramm der Nordlichter and anderer
Leuchtphanomene bilden. Dabei liegt die Fest-
stellung der raumlichen and zeitlichen Ver-
teilung der Nordlichter fiber den Gebieten, in
denen sie aufzutreten pflegen, im besonderen
Interesse der Untersuchungen. Es gilt also, keine
auch noch so unbedeutende Nordlichterscheinung
zu ilbersehen. In den polaren and subpolaren
Regionen wird man aus diesem Grunde eine
groie Anzahl automatischer Kameras aufstellen,
die jede Nacht den gesamten Himmel in Ab-
standen von 5 Minuten auf die Platte bannen.
In unseren Breiten mit schon viel geringerer
Nordlichthaufigkeit versucht man, die Fest-
stellung der Haufigkeit and Verteilung des Nord-
lichts durch ein Netz von Beobachtungsstationen
zu erreichen, das aber wegen der ungunstigen
klimatischen Verhaltnisse unserer Region hin-
reichend dicht sein muf3. Der Meteorologische
Dienst wird daher einen grof3en Teil seiner Sta-
tionen mit dieser Aufgabe betrauen and sie auf-
fordern, nach den Weisungen and der Anleitung
der Sternwarte Sonneberg den Nordlichtbeob-
achtungsdienst wahrzunehmen. Desgleichen wer-
den fizr diese Aufgabe die Volkssternwarten
hinzugezogen.
Das Arbeitsgebiet, das sich mit den Vorgangen
in der Ionosphere beschaftigt, ist im Programm
des Internationalen Geophysikalischen Jahres
auBerst vielseitig gestaltet. Auch die Beteiligung
der Ionospharen-Institute der Deutschen Demo-
kratischen Republik, des Observatoriums fiir
Ionospharenforschung in Kiihlungsborn and des
Heinrich-Hertz-Instituts in Berlin mit seinen
Auf3enstellen auf Riigen and in Neustrelitz, ist
dieser Vielseitigkiet angepaf3t. Die Untersuchun-
gen werden sich erstrecken auf die Impulslotung
der Ionosphere mittels Impulssendern, welche
elektrische Impulse verschiedener Wellenlangen
nacheinander aussenden and in ihrem Rucklauf
wieder empfangen. Aus der Laufzeit erhalt man
1 dann nicht nur Angaben fiber die Hohenlage der
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144 MITTEILUNGSBLATT
ionospharischen Schichten, sondern auch solche.
fiber ihre Struktur, insbesondere fiber ihre Re-
flexionsfahigkiet in Abhangigkeit von der Wellen-
lange. Gleichzeitig werden Messungen der Re-
fiexionsfahigkeit in Abhangigkeit vom Einfalls-
winkel der Wellen and Messungen der Damp-
fung, d. h. der Absorption der elektrischen. Wel-
len durch die ionisierten Schichten durchgefuhrt.
Besonderes Gewicht erhalten alle diese Unter-
suchungen unmittelbar nach dem Auftreten
starker Sonneneruptionen; durch die dabei aus-
gesandte Ultraviolettstrahlung, welche die Erd-
oberflache nicht erreicht, aber eine verstarkte
Ionisierung der oberen Schichten bewirkt, wird
die normale Dampfung der elektrischen Wellen
so verstarkt, daB es bisweilen zu einem volligen
Erliegen des Funkempfangs kommen kann.
Im Observatorium Kiihlungsborn werden dar-
iiber hinaus mittels einer modernen hochfre-
quenztechnischen Anlage Aufbau and Struktur
der Nordlichter erforscht. Diese sogenannte
Backskatteranlage ist die einzige, die in der
mitteleuropaischen Region wahrend des IGJ in
Tatigkeit sein wird. - Schliefllich sind die at-
mospharischen Storungen, die Knackgerausche
in den Rundfunkempfangern, die sog. Atmo-
spherics, auch hier Gegenstand der Untersuchung,
nur aber nicht im Sinne der Fixierung ihres
Ortes durch Peilung, wie es im Meteorologischen
Observatorium Potsdam geschieht, sondern durch
Registrierung ihrer Starke and der Anzahl der
Storimpulse in verschiedenen Frequenzen.
DaB die standige and sorgfaltige Uberwachung
der. Veranderungen in den verschiedenen Schich-
ten der Sonne als Ursache der meisten geophy-
sikalischen Phanomene eine Aufgabe von emi-
nenter Bedeutung ist, wurde bereits eingangs
festgestellt. Diese Aufgabe obliegt den Astro-
physikalischen Observatorien der beteiligten Na-
tionen. In der Deutschen Demokratischen Repu-
blik wird sie vom Astrophysikalischen Observa-
torium Potsdam mit einer AuBenstelle and vom
Heinrich-Hertz-Institut in Berlin wahrgenom-
men. Die mannigfachen Storelemente auf der
Sonne - in der Photosphare die Sonnenflecken
and die ihnen meist benachbarten photospha-
rischen Fackelgebiete, in der Chromosphere die
chromospharischen Fackeln and die Eruptionen
and dari ber die Wolken ionisierter Materie, am
Sonnenrand als helle Protuberanzen, vor der
Sonnenscheibe als dunkle Filamente - sie alle
werden vom Astrophysikalischen Observatorium
Potsdam laufend uberwacht and beobachtet, wo-
bei man rich insbesondere der sinnvollen Me-
thode der Ausfilterung eines engen Spektral-
3. Jahrgang, Heft 6/7/8
bereiches bedient, in dessen Licht die chromo-
spharischen, im unzerlegten Licht hervortreten-
den Einzelheiten nun sichtbar werden. Ein ge-
sondertes Forschungsprogramin bleibt dem Turm-
teleskop des Potsdamer Einsteinturmes vorbehal-
ten, die Messung der Magnetfeldstarke der ein-
zelnen Flecken bzw. Fleckengruppen, wovon man
sich eine Klarung der Zusammenhange zwischen
den veranderlichen solaren Magnetfeldern and
den geomagnetischen Variationen erhofft.
Ein verhaltnismallig junges, aber heute schon
sehr fruchtbares Arbeitsgebiet ist das der Radio-
astronomie, in das Bich die Aullenstellen des
Potsdamer Observatoriums and das Heinrich-
Hertz-Institut teilen. In der Radiostrahlung hat
man ein Behr zuverlassiges Hilfsmittel zur Ver-
fUgung, Sonneneruptionen auch dann festzustel-
len, wenn die optische Beobachtung infolge at-
mospharischer Trubung erschwert oder bei Be-
wolkung unmoglich gemacht wird. Aus den Fre-
quenzen der einfallenden Radiostrahlung l5f3t
sich dann, je- nachdem sie im Dezimeterbereich
oder im Meterbereich erfolgt, mit einiger Sicher-
heit angeben, ob die Storungsquelle ihren Sitz
in der Chromosphere hat oder die Storungen
den Schichten der Korona entstammen. Mit einer
engen Zusammenarbeit der Astrophysik and der
Radioastronomie ist damit ein nahezu lilckenloses
Uberwachungssystem geschaffen, das alle solaren
Storungen rechtzeitig zu erfassen and zu lokali-
sieren in der Lage sein dtirfte.
Auf dem Gebiet der kosmischen Strahlung ist
gleichfalls eine Beteiligung der Deutschen Demo-
kratischen Republik vorgesehen; sie wird sich
erstrecken auf die Messungen der Intensitats-
schwankungen der kosmischen Strahlung im
Zusammenhang mit solaren and geomagnetischen
Storungen and in Abhangigkeit vom taglichen
and jahreszeitlichen Gang sowie auf die Mes-
sungen der einzelnen Komponenten, d. h. der
durchdringenden and der weichen Ultrastrah-
lung. Das Observatorium fur Ionospharenfor-
schung and das Institut fur Experimentelle
Physik der Universitat Halle werden sich in
diese Mel3programme teilen.
Vielseitig in der Aufgabenstellung ist das als
?Langen and Breiten" bezeichnete Forschungs-
gebiet, welches die Probleme der astronomischen
Geodasie, der Orts- and Zeitbestimmungen auf
der Erde zum Inhalt hat. Das Geodatische In-
stitut Potsdam, das auf eine reiche Tradition zu-
ri ckblicken kann, wird in der Deutschen Demo-
kratischen Republik diesen Aufgabenkomplex
in vollem Umfange ubernehmen. Dazu gehoren
neben den sehr genauen Langen- and Breiten-
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bestimmungen der beteiligten Observatorien, an
denen ubrigens auch die Sternwarte Babelsberg
Anted haben wird, die laufenden Breitenbestim-
mungen zur Verfolgung der Polhohenschwan-
kungen, ferner die Untersuchungen fiber die un-
regelmaf3igen Schwankungen der Erdrotation,
die sogenannte Fluktuation, and fiber ihre regel-
m5f3igen, jahreszeitlichen Schwankungen, ein
Effekt, der sich nur mittels aul3erordentlich pra-
ziser quarzgesteuerter Uhren feststellen 1513t, die
einen noch genaueren Gang haben als die schon
so exakte, aber doch ein klein wenig unregel-
mal3ige Erduhr, welche die Zeit eben durch die
Erddrehung mif3t. In diesen Fragenkomplex ge-
horen auch die Untersuchungen fiber die Fort-
pflanzungsgeschwindigkeiten der die Zeitsignale
ubermittelnden elektrischen Wellen in der At-
mosphere, ferner die Untersuchungen atmospha-
rischer EinflUsse and der Einfluf3nahme der per-
sonlichen and instrumentellen Fehler auf die
exakten Zeitbestimmungen.
Das Potsdamer Geodatische Institut wird sich
dariiber hinaus auch am McBprogramm der
Gravimetrie durch laufende Registrierung der
Vertikalkomponente der Schwerkraft beteiligen.
Mit Untersuchungen zu den Gezeiten der festen
Erde wird sich durch Registrierung der Lot-
schwankungen and der Schwerkraftanderungen
das Institut fur Theoretische Physik der Berg-
akademie Freiberg an zwei Auienstationen be-
fassen. Das Jenenser Seismologische Institut be-
absichtigt schlieBlich, spezielle mikroseismische
Untersuchungen im Rahmen des Arbeitsgebietes
Erdbebenkunde durchzufuhren.
Soweit der bereits festliegende Teil der Pro-
gramme, mit denen die Deutsche Demokratische
Republik durch die Arbeit ihrer Institute das
Vorhaben des Internationalen Geophysikalischen
Jahres unterstiitzt. Unerwahnt bleiben bisher
die beiden Gebiete Gletscherkunde and Meeres-
kunde. Ohne daB hierfiir bereits ein fest um-
rissenes Programm vorliegt, kann doch gesagt
werden, daB eine Beteiligung der Deutschen
Demokratischen Republik auch auf diesen
Forschungsgebieten vorgesehen ist, and zwar auf
Expeditionen in Zusammenarbeit mit der Sowjet-
union.
Eine kleine Gruppe von photogrammetrischen
Fachleuten der Deutschen Demokratischen Re-
publik wird die Wissenschaftler der UdSSR bei
der Vermessung der Gletscher auf dem Terri-
torium der Sowjetunion untersti tzen, wobei ein
neu entwickeltes photogrammetrisches Aufnahme-
und Auswertgerat der Zeisswerke zum Einsatz
gelangen soil. Einen groBeren Umfang wird mit
aller Wahrscheinlichkeit die Beteiligung auf dem
Gebiet der Ozeanographie annehmen. Auf dem
zur Zeit grof3ten, in Rostock vom Stapel gelau-
fenen Forschungsschiff ,Lomonossow" werden
sowjetische and deutsche Spezialisten in Kreuz-
fahrt auf dem Atlantik operieren and gemeinsam
ozeanographische sowie meteorologische MeB-
programme durchfi hren.
Probleme der langen Flutwellen des Meeres, der
Schwankungen des Meeresspiegels, der Zirku-
lationsstromungen, des Meeres-Chemismus and
der Meeresbiologie sowie Messungen der Wasser-
temperatur, des Salzgehaltes, der Komponenten
des Warmehaushalts der Ozeane and der Drift-
bewegungen des Meereises werden den Inhalt
dieses umfangreichen Expeditionsprogramms
bilden.
DaB die Deutsche Demokratische Republik sich
auch den erhohten Beobachtungsprogrammen
wahrend der sog. Welttage and Weltintervalle
angeschlossen and Verpflichtungen innerhalb des
Weltwarndienstes ubernommen hat, sei am
Rande and der Vollstandigkeit halber abschlie-
Bend erwahnt.
Zur Zeit werden die letzten Vorkehrungen ge-
troffen, bei uns and anderswo, um geriistet zu
sein zurn friedlichen Wettstreit auf dieser Olym-
piade des Geistes, deren olympische Flamme
18 Monate nicht erloschen wird. - Moge sie, un-
sichtbar in den Herzen derer angezfindet, die
diesem groBen Werk 'verfallen and verpflichtet
sind, Symbol sein fur den Geist der Verstandi-
gung, fir die Vernunft and die wachsende Ein-
sicht in die Grof3e der Verantwortung, die wir
alle tragen and von der uns keiner entbinden
kann, der Verantwortung dafur, die Krafte der
Natur zum Nutzen der Menschheit in den Dienst
zu stellen and nicht zu ihrer Vernichtung.
Direktor des Meteorologischen and Hydrologischen
Dienstes der Deutschen Demokratischen Republik,
Sekretar des Nationalen Komitees der Deutschen
Demokratischen Republik fur das Internationale
Geophysikalische Jahr
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Probleme des Geomagnetismus im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen
Jahres
Die meisten Leser werden sicher schon allerlei
fiber das Geophysikalische Jahr gehort, gesehen
and gelesen haben; denn der Rundfunk, das
Fernsehen, die Tagespresse, auch popularwissen-
schaftliche Zeitschriften and das Vortragswesen,
sogar Ausstellungen haben eine Fiille von Einzel-
heiten fiber Verlauf and Organisation, fiber
Zweck and Ziele diesel wohl bisher groBten
wissenschaftlichen Unternehmens nahegebracht.
Es ist daher nicht meine Absicht, noch einmal
auf diese Dinge zuruckzukommen, sondern ich
will gleich in medias res gehen and an dem Bei-
spiel des Sektors der geomagnetischen Forschung
zeigen, wie notwendig ein solches Internationales
Geophysikalisches Jahr ist.
Das Wort Geomagnetismus ist klar. Es umfaBt
die magnetischen Erscheinungen der Erde, and
wenn man die Frage stellen,wollte, was Magne-
tismus letzten Endes ist, so muB darauf gesagt
werden, daB diese Frage mit * vollster Klarheit
heute noch nicht beantwortet werden kann;
denn diese Frage ist gleichbedeutend mit der
Frage z. B. auch nach dem Wesen der Energie
and dem Wesen der Masse, and auch diese Frage
kann heute noch niemand beantworten. Trotz
allem aber sind die magnetischen Erscheinungen
schon recht alt, and zwar liegt das daran, daB
die Natur uns in dem Magneteisenstein soge-
nannte ,nattirliche" Magnete in die Hand ge-
geben hat, mit deren Hilfe leicht alle jene primi-
tiven and einfachen Versuche, die von der Schule
her bekannt sind, durchgefuhrt werden konnen.
Spater hat man gelernt, auch kiinstliche Magnete
herzustellen, die viel besser and energiereicher
als die natiirlichen sind, and mit deren Hilfe
die Erscheinungen des Magnetismus naher unter-
sucht werden konnten. Dabei hat sich gezeigt,
daB die magnetischen Erscheinungen nicht di-
rekt verbunden sind mit den Atomen oder Mole-
ki len der festen Korper, sondern vielmehr mit
der Kristallstruktur, and daB solche Erschei-
nungen verlorengehen, wenn diese Kristall-
struktur aufhort zu existieren. Streng genomm-
men handelt es sich hierbei nicht um magnetische
Erscheinungen schlechthin, sondern um solche,
die als ferromagnetische Erscheinungen be-
zeichnet werden, weil sie besonders am Eisen
klar zu beobachten sind. Dieser Ferromagnetis-
mus ist also an die Kristallstruktur gebunden
and hurt auf zu existieren, wenn die Kristall-
struktur zerstort wird, d. h. wenn der Korper so
hohen Temperaturen - beilaufig 500-700? C -
ausgesetzt ist, daB die kleinsten Teilchen. des
Korpers sehr starke thermische Schwankungen
ausfuhren and aus diesem Grunde das Kristall-
gitter sich schlieBlich auflost. Magnetische Er-
scheinungen lassen sich heute sehr gut theore-
tisch beherrschen and daher nutzbar machen
fur die Menschheit, and zwar mit Hilfe der Max-
wellschen Nahewirkungstheorie. Diese jetzt all-
gemein gultige Theorie setzt voraus, daB jeder
Magnet um sich herum ein Magnetfeld besitzt,
das mit ihm fest verbunden ist wie z. B. seine
Oberflache oder seine Masse, and das sich in den
unendlichen Raum hinein erstreckt, auch durch
das absolute Vakuum, d. h. durch den vollig
leeren Raurn, das also an keine Materie gebun-
den ist and einen gewissen Energieinhalt re-
prasentiert. Dieser Energieinhalt zeigt sich da-
durch, daB dieses Magnetfeld auf andere ma-
gnetische Korper, die in seinen Bereich gebracht
werden, gewisse mechanische Wirkungen auszu-
iiben vermag, Drehungen and Verschiebungen,
mit deren Hilfe das magnetische Feld uberhaupt
nur erkannt werden kann; denn der Mensch be-
sitzt leider kein Organ, um magnetische Felder
direkt festzustellen. In sehr groBer Entfernung
von derv Magneten nimmt dann der Energie-
gehalt dieses Feldes standig zu Null ab.
Mit diesen primitiven physikalischen Vorstellun-
gen soil nun zum Geomagnetismus zuruckgekehrt
werden. Die ersten Erkenntnisse liegen hier schon
sehr weit zuriick. Wenn man z. B. ein Lehrbuch
zur Hand nimmt, in dem die Geschichte der
Kompasse behandelt ist, so findet man dort eine
Abbildung, die einen chinesischen holzernen
Streitwagen darstellt, auf dessen Brustung eine
Figur mit ausgestreckter rechter Hand steht, die
bezeichnenderweise fur China nach Si den, nach
dem Zenit der Sonne, weist, nicht nach Norden,
wohin bei uns die Kompasse im allgemeinen
ausgerichtet sind. Diese Figur ist um eine verti-
kale Achse drehbar, and wahrscheinlich wird
ein nattirlicher Magnet an dieser Figur befestigt
gewesen sein, der die ausgestreckte Hand immer
im magnetischen Meridian festhielt.
Die jahrhundertelangen Forschungen haben fol-
gendes fiber den Geomagnetismus ergeben: Das
Feld, das heute auf der Erdoberflache gemessen
wird, setzt sich zusammen aus zwei ganz ver-
schiedenen Teilen, der eine stammt aus dem
Erdinneren and der andere aus jenen hochsten
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Schichten in etwa 100 and mehr Kilometer. Ent-
fernung von der Erdoberflache, die den Namen
Ionosphere tragen. Beide Teile sind vollig von-
einander verschieden. Der erstgenannte macht
bei weitem den gr6l3ten Teil des gesamten Feldes
aus, namlich 95 O/o, wahrend der zweite, der iono-
spharisch-bedingte, nur 5 O/o zu dem Gesamtfeld
beitragt. Auch in ihrern zeitlichen Ablauf sind
beide Teile ganzlich voneinander verschieden.
Wahrend der erste verhaltnismaBig wenig and
langsam zeitlich variabel ist im Rahmen der
sogenannten Sakularvariation, ist der zweite sehr
starken zeitlichen Schwankungen unterworfen,
mit einer Periodendauer von Sekunden, Minuten,
Stunden, Tagen, Monaten, Jahren, ja bis hinauf
zu 11 Jahren, der bekannten Sonnenflecken-
periode. Auch ortlich sind beide Teilfelder, aus
denen sich das gesamte geomagnetische Feld zu-
sammensetzt, sehr verschieden, d. h. sie schwan-
ken von Ort zu Ort. Das Hauptfeld, wie jener
groBere Teil, der aus dem Erdinnern stammt,
genannt sei, hat eine verhaltnismaBig regel-
mal3ige Struktur; denn sonst ware es ja nicht
moglich, daB man sich mit dem Kompaf auf der
Erde, zu Wasser, zu Lande, in der Luft, auch
unter der Erde orientieren konnte. Eingelagert
in diesen regelm5l3igen Teil sind gewisse Un-
regelmaBigkeiten, Anomalien genannt, teils re-
gionale Anomalien von der GroBe von Kontinen-
ten and Ozeanen, teils auch Anomalien kleinen
and kleinsten Ausmal3es, die mit der Ver-
schiedenheit der Struktur der Erdkruste in Zu-
sammenhang stehen. Hier sei kurz hingewiesen
auf einen wichtigen Teil der geomagnetischen
Forschung, namlich den Einsatz von geomagne-
tischen Mef3methoden im Rahmen der Lager-
stattenforschung; denn solche Lokalanomalien
stehen in engstem Zusammenhang mit der Struk-
tur der obersten Erdkruste, d. h. also z. B. auch
mit irgendwelchen Lagerstatten metallischer Mi-
neralien. Dies sei hier aber bloB am Rande er-
wahnt.
Der zweite Teil, jener kleine Teil, der aus den
hochsten Atmospharenschichten stammt, der so-
genannte ionospharisch bedingte oder Variations-
teil des geomagnetischen Feldes, ist ortlich auch
sehr stark verschieden, verlauft in den Aquator-
gegenden ganzlich anders als z. B. am magne-
tischen Pol. Diese Verschiedenheit beider Teil-
felder, sowohl in zeitlicher als auch in ortlicher
Hinsicht, bringt nun die Hauptaufgabe des Geo-
magnetikers klar zum Ausdruck: namlich mog-
lichst viel zu messen, nicht nur an verschiedenen
Stellen der Erde, sondern auch daselbst noch zu
verschiedenen Zeiten. Auf dem Gebiet des Geo-
magnetismus liegen die Dinge genauso wie auf
alien anderen Gebieten der Geophysik. Es gibt
dort namlich kaum eine Erscheinung, die sich
nicht mit der Zeit anderte, and kaum etwas, was
nicht ortlich verschieden ware. Und these brtliche
and zeitliche Verschiedenheit gibt schon das
Skelett fur die Erkenntnisse einer dringenden
Notwendigkeit eines Geophysikalischen Jahres,
d. h. also eine internationale Vereinbarung, um
solche Messungen nach einem einheitlichen inter-
nationalen Plan durchzufuhren; denn man muB
bedenken, daB die Erde nur zu einem Drittel
aus Festland besteht, zu zwei Drittel aus Wasser,
daB das Festland noch zu einem guten Teil wenig
kultiviert ist, and daB manche Teile heute noch
wenig erschlossen sind. Es laBt sich daraus so-
fort ersehen, daB Bute and brauchbare Messun-'
gen in ortlicher Dichte and in zeitlich notwen-
diger Aufeinanderfolge nur von verhaltnismaBig
geringen Teilen der Erdoberflache vorliegen. Des-
halb ist der Wunsch durchaus zu verstehen, hier
wenigstens fur die Zeit von 11/2 Jahren einmal
grundlich Wandel zu schaffen and die Messungen
so anzulegen, wie sie im Idealfall eigentlich an-
gelegt sein mul3ten, d. h. also auch jene Gebiete
der Erde mit in das Mel3programm einzubeziehen,
die normalerweise nicht einbezogen werden
konnen, and das sind, wie bereits gesagt wurde,
die Weltmeere, die wenig erschlossenen Teile der
Kontinente and natiirlich, nicht zu vergessen, die
beiden Polkappen unserer Erde.
Es ist also die Aufgabe der geomagnetischen For-
schung im Rahmen des Internationalen Geo-
physikalischen Jahres, ein MeBprogramm auszu .
arbeiten and in internationaler kollektiver Zu-
sammenarbeit durchzufuhren, das die Messun-
gen. ortlich and zeitlich so vorsieht, wie sie
spater in moglichst gQnstiger Form fur die Aus-
wertung zur Verfugung stehen sollen.
Nun einige Worte noch fiber die Deutung der
geomagnetischen Teilfelder, von denen eben die
Rede war. Das Erdinnenfeld, jenen groBten Teil
des Gesamtfeldes, fiihrt man heute zurtick, zu-
mindest was seinen regelmaBigen Teil anbelangt,
auf gewisse Stromungen im Inneren des Erd-
kerns. Die Materie befindet sich dort bei hohem
Druck and extrem hohen Temperaturen in einem
plasmatischen, in einem chaotischen, zahfli ssi-
gen Zustand, and es konnen dort also gewisse
Stromungen stattfinden, die verhaltnismaBig
langsam sind, geologisch betrachtet aber eine be-
trachtliche Geschwindigkeit haben. Diese Stro-
mungen sind nun an eine ionisierte Materie ge-
bunden, d. h. die Materie dort im Erdinneren ist
elektrisch geladen, reprasentiert also Ladungs-
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trager, and wenn sich Ladungstrager bewegen,
stellen sie einen elektrischen Strom dar. Durch
die Versuche von Oersted ist bekannt, daB Ma-
gnetfelder nicht bloB von magnetisierter Materie
hervorgerufen werden konnen, sondern auch von
stromdurchflossenen Leitern. Wenn man z. B.
einen Akkumulator mit Hilfe eines Drahtes kurz-
schlieBt and diesem stromdurchflossenen Draht
eine Magnetnadel nahert, so wird sie genauso
abgelenkt wie von einem Magneten. Damit ist
ungefahr das Modell gegeben, wie man es sich
im Erdinneren vorzustellen hat zur Erzeugung
dieses regelmal3igen Teiles des Erdinnenfeldes,
von dem eingangs die Rede war. Die Anomalien
lagern sich dann diesem regelmal3igen Feld ein
nach Mal3gabe der materiellen Verschiedenheiten,
die die Erde im Laufe ihrer geologischen Ent-
wicklung - Abkuhlung - zwangslaufig an-
genommen hat.
Der zweite Teil, der in der Ionosphere entsteht,
verdankt seinen Ursprung voll and ganz der Ein-
wirkung unserer Sonne, and es ist verstandlich,
daB aus diesem Grunde die grol3en zeitlichen
Schwankungen hervorgerufen werden; weil auch
die Sonne als ein so lebensstarkes Gestirn sich
in der Intensiti t ihrer Strahlung ebenfalls in
unregelmal3igen Rhythmen verandert. Die Sonne
gibt zwei Arten von Strahlungen in den Welten-
raum hinaus. Die eine ist die ultraviolette Strah-
lung, die andere ist eine Strahlung kleinster Kor-
puskeln. Beide Strahlungen dringen in die Re-
gionen der hochsten Atmospharenschichten ein
and ionisieren sie. Daher der Name Ionosphere.
Das bedeutet, daB die Materie elektrisch geladen
ist. Praktisch hat man also denselben Vorgang
wie im Erdinnern. Auch hier ist elektrisch ge-
ladene Materie vorhanden, die sich bewegt. Es
-handelt sich wieder um bewegte Ladungen,
gleichbedeutend mit elektrischen Stromen, die
wieder Magnetfelder hervorrufen im Sinne der
Experimente von Oersted. Und es laBt sich den-
ken, daB diese elektrischen Strome ein genaues
Tagebuch abgeben von dem, was sich auf der
Sonne ereignet. Alle Schwankungen der ultra-
violetten and der korpuskularen Strahlungen der
Sonne spiegeln sich in den magnetischen
Schwankungen wider. Und so hat man in den
Aufzeichnungen unserer magnetischen Obser-
vatorien ein getreues Tagebuch der Vorgange auf
der Sonne. Hierzu treten noch die Bewegungen
in der Ionosphere selbst, die auch wieder von der
Sonne durch die. Erwarmung dieser. Schicht and
durch die Gravitation, d. h. durch Ebbe and
Flut - durch Gezeitenwirkung -, hervorge-
rufen werden, wobei nati rlich auch der Mond
mit hineinspielt.
Soviel fiber die Erkenntnisse, die auf dem geo-
magnetischen Sektor bis heute gewonnen wurden,
and nun zu den Aufgaben, die speziell die
Deutsche Demokratische Republik and die dort
tetigen Fachexperten auf dem Gebiet des Geo-
magnetismus im Rahmen des Internationalen
Geophysikalischen Jahres zu leisten haben.
Die geomagnetische Forschung wird betrieben
in dem Geomagnetischen Institut Potsdam der
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin, zu dem das Adolf-Schmidt-Observato-
rium fur Erdmagnetismus in Niemegk gehort.
Dort werden die sehr feinen elektrischen and
magnetischen Messungen durchgefuhrt, nachdem
Potsdam wegen der Nahe Berlins, vor allen
Dingen wegen der Elektrifizierung der Berliner
Stadtbahn, fur diese feinen Messungen aufgegeben
werden muBte. Die experimentelle Tatigkeit liegt
also jetzt vollig in Niemegk, wahrend in Potsdam
nur theoretische and statistische Untersuchun-
gen durchgefuhrt werden.
Fur das Internationale Geophysikalische Jahr
sind nun einige spezielle Aufgaben zu erledigen.
Abgesehen davon, daB das Geomagnetische
Observatorium Niemegk modernisiert and der
dort laufende Dienst nach jeder Richtung hin
ausgebaut wurde, sei noch auf folgende besondere
Einrichtungen verwiesen:
Es wurden drei Satellitenstationen errichtet;
zwei an der Ostsee - bei Warnkenhagen and
t7ckermunde am Haff - and eine in Herrnhut
O. L. Sind es auch nur kleine Hi tten, die dort
aufgestellt wurden, so sind diese Ht tten doch
mit den modernsten Gereten der elektrischen
and magnetischen Mel3technik ausgestattet, and
sie werden ermoglichen, auf dem Gelande unserer
Republik alle anfallenden Probleme des geo-
magnetischen Variationsfeldes mit der groBt-
moglichen Genauigkeit and Exaktheit zu losen.
Dariiber hinaus wurde am Observatorium Nie-
megk noch eine Anlage errichtet, die vielleicht
eine der ganz wenigen dieser Art auf der Welt,
vielleicht sogar die einzige ist, namlich, um es
fachtechnisch auszudri cken, eine Anlage zur
Messung der ortlichen Gradienten. Wie bereits
gesagt, ist das ionospharisch bedingte Magnet-
feld der Erde starken ortlichen Schwankungen
unterworfen, and wenn es gelingt, diese ort-
lichen Schwankungen auf kurzen Strecken, z. B.
8-10 km, sicher zu erfassen, so ist es moglich,
direkt das Wandern der Stromwirbel der Iono-
sphere fiber das Gebiet einer solchen Anlage hin
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3. Jahrgang, Heft 6/7/8 MITTEILUNGSBLATT
zu verfolgen and daraus gewisse Schli sse zu
ziehen fiber Hohenlage and geometrische Gestalt
solcher Stromwirbel. Das ist eine sehr wichtige
Aufgabe, and es ist zu hoffen, daB damit im
Rahmen des Internationalen Geophysikalischen
Jahres einige wertvolle Erkenntnisse gewonnen
werden konnen. Und ein Drittes sei noch er-
wahnt. Es wurde bereits darauf hingewiesen,
daB der ionosphdrisch bedingte Teil des geo-
magnetischen Feldes zeitlich starken Schwan-
kungen unterworfen ist. Diese zeitlichen Ver-
anderlichkeiten bringen nun im Erdinnern nach
den Grundgesetzen der elektromagnetischen In-
duktion - man braucht nur an das Beispiel eines
Transformators zu denken - gewisse Strome
hervor, die nach Mal3gabe der herrschenden
elektrischen Leitfahigkeit dort flief3en and nun
ihrerseits wieder ein sekundares Magnetfeld an
der Erdoberflache erzeugen, ein physikalisch ja
sehr einleuchtender Vorgang. Und nun ist es so,
daB diese induzierten Erdstrome verschieden
tief in das Erdinnere eindringen, je nachdem,
wie ihre zeitliche Periode liegt. Ist sie kurz, drin-
gen diese Wellen sehr wenig tief ein, ist sie
linger, wdchst and steigt diese Eindringtiefe
immer mehr, and gerade in den letzten Jahren
ist ein ganz neuer and wichtiger Sektor der geo-
magnetischen Forschung entstanden dahin-
gehend, aus solchen induzierten Erdstromen
bzw. aus den magnetischen Wirkungen dieser
Erdstrome Ri ckschli sse zu ziehen auf die elek-
trische Leitfdhigkeit im Erdinnern. Man kommt
da speziell mit sehr groBer Genauigkeit in Tiefen
von etwa 80-100 km, and das sind gerade
Tiefen, die fair die Geologen von groBer Bedeu-
tung sind and uber die bisher noch verhdltnis-
mdBig wenig Aussagen gemacht werden konnen.
Hier hat auch gerade das Observatorium Nie-
megk anregend and meBtechnisch vorbildlich
mitgewirkt, and es ist beabsichtigt, die Messun-
gen in dieser Richtung hin noch zu erweitern.
Vor alien Dingen handelt es sich darum, die
Mef3profile fiber das Gebiet unserer Republik
hinaus zu erweitern, besonders in ostlicher Rich-
tung in das Gebiet der uns befreundeten volks-
demokratischen Republiken Polen, Ruminien,
Tschechoslowakei u. a. Abgesehen davon aber ist
auch eine enge Zusammenarbeit mit den Geo-
magnetikern der Deutschen Bundesrepublik
vorgesehen, um die dort wahrend des Internatio-
nalen Geophysikalischen Jahres durchgefi.ihrten
Messungen auf das Gebiet unserer Republik zu
ubernehmen and weiterzuleiten.
Es sei noch erwahnt, daB eine Beteiligung an
irgendwelchen Expeditionen auf dem Sektor des
Geomagnetismus nicht vorgesehen ist. Wenn
auch zugegeben werden muf3, daB moglichst
viele magnetische Messungen, besonders auf den
Ozeanen, wahrend des Internationalen Geo-
physikalischen Jahres durchgefuhrt werden
sollten, so muB andererseits darauf hingewiesen
werden, daB solche Messungen einen grof3en
technischen and organisatorischen Aufwand
bedingen, der im Hinblick auf die anderen dring-
lichen Aufgaben nicht verantwortet werden
kann. Denn die Probleme, die das Geomagne-
tische Observatorium Niemegk zu Ibsen hat,
sind schon so umfangreich and wichtig, daB sie
dem internationalen Ruf des Geomagnetischen
Institutes Potsdam voll genugen.
Zum SchluB dieser Ausfuhrungen sei der Hoff-
nung Ausdruck verliehen, daB das Internatio-
nale Geophysikalische Jahr ein voller Erfolg
werden moge, and daB sich die groBen Opfer
an Miihen and auch die hohen Kosten verlohnen
mogen, die' alle Volker in dieses Unternehmen
hineingesteckt haben. Hoff entlich hat auch die
Natur ein Einsehen and beschert im Laufe des
Geophysikalischen Jahres einige reeht schone
seltene Ereignisse; denn nicht umsonst wurde
dieses dritte Internationale Geophysikalische
Jahr hineingelegt in die Zeit des Sonnenflecken-
maximums. Die Sonne ist ja, wie gesagt, fi r
den Variationsteil des geomagnetischen Feldes
von ausschlaggebender Bedeutung, and daher
ist es selbstverstindlich, daB ein .Sonnenflecken-
maximum in dieser Richtung hin eine besonders
interessante and anregende Problematik zu
bieten vermag.
Prof. Dr. GERHARD FANSELAU
Direktor des Geomagnetischen Instituts
(Nach einem Rundfunkvortrag, gehalten am 1. 3.1957)
Die Aufgabe der Geodasie im Internationalen Geophysikalischen Jahr
Die Geodasie ist die Wissenschaft, welche sich
mit der Form and Grof3e der Erde beschditigt.
Um darilber Aussagen machen zu konnen, muB
man von sehr vielen Orten auf der Erde die
genaue Lage, d. h. die geographischen Lrngen
and Breiten, die Robe fiber dem Meeresspiegel
and auch die GroBe and Richtung der Schwer-
kraft kennen. Aus verschiedenen Gri nden sind
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aber weder die Orte noch die Schwerkraft an
einer beliebigen Stelle als unveranderlich an-
zusehen. Man weif3 ja, daf3 geologische Verande-
rungen wie Hebung, Senkung and Verschiebung
ganzer Kontinente solche Ortsverlagerungen and
damit auch Schwereanderungen hervorbringen
konnen. Es ist daher eine laufende Aufgabe der
Forschung, durch Ortsbestimmungen diesen Ver-
anderungen auf die Spur zu kommen. Der Teil
der Geodasie, der sich mit der Bestimmung der
geographischen Langen and Breiten and ihren
Veranderungen befal3t, ist die astronomische
Geodasie. Die Kommission des Spezial-Komitees
fur das Internationale Geophysikalische Jahr, die
in dieser Richtung Beobachtungen and Unter-
suchungen durchfiihrt, tragt daher die Bezeich-
nung: ?Langen and Breiten".
Das Spezial-Komitee hat ein Programm ange-
nommen, das eine moglichst hohe Genauigkeit
in der Bestimmung der astronomischen Koor-
dinaten Lange and Breite der teilnehmenden
Observatorien and deren Veranderung gewahr-
leistet. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen
werden nach der spateren einheitlichen Bear-
beitung sehr sichere Kenntnisse der momentanen
Koordinaten dieser Observatorien liefern. In
der Deutschen Demokratischen Republik ist es
das Geodatische Institut in Potsdam, das die
hierbei anfallenden Arbeiten ubernommen hat.
Ich will zu erlautern versuchen, wie man mit
Hilfe der astronomischen Geodasie die Koor-
dinaten Lange and Breite bestimmen kann, and
beginne mit der geographischen Breite. - Jeder-
mann weif3, daB der Polarstern um so hoher uber
dem Horizont steht, je weiter wir nach Norden
reisen; am Nordpol selbst wurde er senkrecht
uber dem Beobachter, d. h. im Zenit stehen.
Offenbar ist also die vom Horizont aus in Winkel-
maB gemessene Hohe des Polarsterns - genauer
des Himmelspols selbst - nichts anderes als die
geographische Breite, die somit gleichbedeutend
ist mit der Polhohe des Beobachtungsortes. Im
Prinzip braucht man also nur mit geeigneten
Instrumenten die Hohe des Polarsterns zu mes-
sen, um nach verschiedenen Reduktionsrech-
nungen die geographische Breite zu erhalten.
Es gibt aber noch zahlreiche andere Methoden
zur Bestimmung der Breite, der geschilderte Zu-
sammenhang sollte auch nur daran erinnern, daB
eine Breitenbestimmung eine astronomisch-geo-
datische Aufgabe ist. Im Internationalen Geo-
physikalischen Jahr sollen natiirlich nur die
genauesten Methoden verwendet werden, and
im besonderen wird empfohlen, Instrumente zu
benutzen, die in einem einzigen Beobachtungs-
gang gleichzeitig die Breite and die Zeit and da-
mit auch die geographische Lange liefern.
Die Bestimmung der geographischen Lange
kommt namlich im Endeffekt auf eine Zeit-
messung hinaus. Um dies in aller Kiirze klar-
zumacnen, erinnere ich an die sogenannten Zo-
nen oder Normalzeiten, die in den einzelnen Lan-
dern gesetzlich festgelegt sind. In Deutschland
richten wir uns im taglichen Leben nach der
mitteleuropaischen Zeit, wahrend z. B. in Frank-
reich and England die westeuropaische Zeit
gultig ist, die genau um eine Stunde von der
mitteleuropaischen Zeit verschieden ist in dem
Sinne, daB man bei einer Reise nach Westen die
Uhr um eine Stunde zuriickstellen muB. Diese
eine Stunde bedeutet nichts anderes als den geo-
graphischen Langenunterschied zwischen den
westlichen and den zentraleuropaischen Landern
oder genauer zwischen den beiden Hauptmeri-
dianen, auf die sich these Lander in ihren Zeit-
angaben stiitzen. Die Bestimmung geographischer
Langen ist daher gleichbedeutend mit der Mes-
sung von Zeitunterschieden. Jede Station be-
stimmt durch astronomische Beobachtungen ihre
eigene Ortszeit. Das ist wieder im Prinzip leicht
ausfiihrbar, weil von weit uber 1000 hierfi r ge-
eigneten sogenannten Fundamentalsternen ge-
nau bekannt ist, zu welchem Zeitpunkt sie den
Ortsmeridian iiberschreiten. Ein nur in der Me-
ridianebene bewegliches Instrument gestattet
dann diesen Zeitpunkt festzustellen. Die auf
jeder Station ermittelten Ortszeiten ergeben in
ihrem Zeitunterschied die Langendifferenz. Dieser
Zeitunterschied wird dadurch erhalten, daB jede
Station den absolut gleichen Zeitmoment fur ein
zunachst beliebiges Ereignis in ihrer eigenen
Ortszeit angibt. Bei der heute verlangten Ge-
nauigkeit kommen fur das ,beliebige Ereignis"
nur die funkentelegraphischen Zeitzeichen in
Betracht. Bekanntlich werden von Rundfunk-
und Spezialsendern taglich eine groBe Zahl von
Zeitsignalen ausgestrahlt. Wenn nun jede der
beiden Stationen, deren Langenunterschied be-
stimmt werden soil, dasselbe Zeitsignal auf-
nimmt and die Empfangszeit in seiner eigenen
Ortszeit angibt, dann ist der Unterschied dieser
Zeitangaben gleich dem gesuchten Langenunter-
schied.
Es gibt aber auch noch andere astronomisch-
geodatische Methoden zur Zeit- and damit zur
Langenbestimmung. Eine solche Methode wird
z. B. angewendet, wenn man, wie vorher er-
wahnt, mit einem. Spezialinstrument Zeit and
Breite gleichzeitig bestimmen will. Im Inter-
nationalen Geophysikalischen Jahr. arbeiten na-
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tiirlich nicht nur zwei Stationen, sondern sehr
viele zur Bestimmung ihrer Langenunterschiede
zusammen, so daB man bei diesen Arbeiten von
einer Weltlangenbestimmung spricht, wie sie zu-
letzt 1933, aber in viel engerem zeitlichen Rah-
men, durchgefuhrt worden ist.
Nach dieser kurzen prinzipiellen Darstellung,
wie man die geographischen Koordinaten Lange
and Breite bestimmen kann, drangen sich noch
zahlreiche Fragen auf, die naturgemaB mehr auf
Einzelheiten eingehen. Und gerade diese spe-
ziellen Dinge sind es, die im Internationalen Geo-
physikalischen Jahr mit besonderer Sorgfalt be-
handelt and untersucht werden sollen.
Ich beginne wieder mit den Fragen, die mit der
Breitenbestimmung im Zusammenhang stehen. -
Im Jahre 1844 hat der beruhmte deutsche Astro-
norn and Geodat F. W. Bessel in Konigsberg in
einem Brief an Humboldt die Bemerkung ge-
macht, er habe Verdacht gegen die Unverander-
lichkeit der Polhohe. 1888 gelang es Kiistner auf
der alten Berliner Sternwarte, den Besselschen
Verdacht durch Messungen zu bestatigen. Es
handelt sich bei dem von da ab als Polhohen-
ode.r Breitenschwankungen bezeichneten Effekt
um auBerordentlich kleine Grofen, namlich um
hochstens 0",3. Man kann das auch so ausdriicken:
Die. Umdrehungsachse der Erde liegt im Erd-
korper nicht felt, sondern ihre Endpunkte, eben
die Pole, bewegen rich um eine Mittellage, ohne
sich jemals um mehr als etwa 10 m von ihr zu ent-
fernen. Man hat bald erkannt, daB die Polbewe-
gung nahezu periodisch ist and auch aus theo-
retischen Gri nden sein muB, daB aber doch auch
die Periodizitat selbst wieder in geringem MaBe
veranderlich ist. Zur dauernden Verfolgung der
Polschwankungen wurde unter Fuhrung deut-
scher Astronomer and Geodaten der Internatio-
nale Breitendienst ins Leben gerufen, der auch
heute noch arbeitet. Seine auBerordentlich wich-
tigen Ergebnisse beruhen indessen fast nur auf
den Beobachtungen weniger Stationen, die alle
nahezu dieselbe geographische Breite von etwa
380 Nord haben. In neuerer Zeit ist der Breiten-
dienst allerdings auch durch Stationen in an-
deren Breiten erweitert worden. Im Internatio-
nalen Geophysikalischen Jahr besteht aber der
Wunsch and die Moglichkeit, noch sehr viel
mehr Stationen zur Mitarbeit zu gewinnen, die
moglichst gleichmaBig uber die ganze Erde ver-
teilt sein sollten. Der Zweck ist unter anderem
der, festzustellen, ob die Polschwankungen i ber-
all in derselben GroBe and Richtung auftreten,
oder ob etwa einzelne groBere kontinentale Erd-
schollen andere Ergebnisse liefern, als sie bei
einer Schwankung des gesamten Erdkorpers
auftreten muBten. Ein solcher Effekt konnte nur
auBerordentlich gering sein, wesentlich kleiner
jedenfalls, als es die Polschwankungen mit
maximal 0",3 selbst sind. Hieraus geht nochmals
hervor, daB nur die genauesten MeBmethoden
in Frage kommen. - Die schon erwahnte Perio-
dizitat hat eine Dauer von etwa 430 Tagen, iiber-
lagert von einer Periode von Jahreslange. Die
groBere 430tagige Periode wird nach ihrem Ent-
decker die Chandlersche Periode oder auch nach
dessen Namen benannt. Auch mit Riicksicht
auf diese Periodendauer hat man das Internatio-
nale Geophysikalische Jahr auf 11/2 Jahre aus-
gedehnt, um mindestens fiber eine ganze (Chand-
lersche) Periode hinweg genaueste Polhohen-
messungen zu erhalten.
Bei den Langenbestimmungen, die, wie erwahnt,
auf Zeitbestimmungen and ihren Vergleich der
einzelnen Stationen untereinander mit Hilfe der
funktelegraphischen Zeitsignale hinauslaufen,
treten weitere Fragen auf, die im Internationalen
Geophysikalischen Jahr beantwortet werden
sollen. - Das natiirliche MaB der Zeit ist die
einmalige Umdrehung der Erde um sich selbst,
d. h. die Dauer eines Tages. Die Tageslange kann
nur dann eine unveranderliche GroBe sein, wenn
die Rotationsgeschwindigkeit der Erde konstant
ist. Und das ist eben leider nicht der Fall! Man
hat drei verschiedene Arten der Inkonstanz der
Erdrotation and damit des Zeitmaf3stabes zu
unterscheiden:
1. Eine allmahliche Verlangsamung der Erd-
drehung oder was dasselbe ist, eine Zu-
nahme der Tageslange.
Dieser Effekt wird durch die Reibung der durch
Ebbe and Flut - die Gezeiten - bewegten
Wassermassen namentlich in seichten Meeres-
teilen hervorgerufen and bewirkt nur eine Zu-
nahme der Tageslange von weniger als 2 tausend-
stel Sekunden pro Jahrhundert. Diese Erschei-
nung kann also keine Aufgabe fur das Inter-
nationale Geophysikalische Jahr rein.
2. Es treten unregelmafige Schwankungen der
Erdrotation auf.
Als geophysikalische Gri nde hierft r vermutet
man Massenverlagerungen im Erdinnern. Diese
Art der Schwankungen bezeichnet man inter-
national als Fluktuationen. Sie auBern sich darin,
daB ein schnell bewegtes Gestirn, insbesondere
der Mond, nicht genau an der Stelle des Him-
mels steht, an der er sich der Theorie nach be-
finden muBte. Im Internationalen Geophysika-
lischen Jahr hat man daher ein' besonderer Pro-
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gramm fur Mondbeobachtungen aufgestellt, bei
dem ein neuartiges photographisches Gerat -
die Markowitz-Kamera - auf etwa 20 Stationen
zum Einsatz kommen wird. Mit ihrer Hilfe wird
man einerseits die Theorie der Mondbewegung
verbessern and andererseits die Fluktuationen
des Zeitmaistabes feststellen konnen. Dem glei-
chen Zweck dienen auch die Beobachtungen von
Sternbedeckungen durch den Mond, an denen
sich auch Liebhaber-Astronomen beteiligen kon-
nen and sollen. Wegen der relativen Seltenheit
der Sternbedeckungen wird aber die wissen-
schaftliche Ausbeute mit der Markowitz-Kamera
wesentlich grof3er and genauer sein. Mit ihr
photographiert man namlich gleichzeitig den
Mond and zahlreiche ihm nahe stehende
schwache Sterne, was etwa gleichbedeutend mit
der Auswertung vieler Sternbedeckungen ist.
Diese Beobachtungsmethoden haben auch noch
einen besonderen Vorteil dadurch, daB sie un-
abhangig von der Richtung and Grose der
Schwerkraft, d. h. der Lotrichtung sind. Man
kann sie daher dazu benutzen, sehr grof3e geo-
datische Entfernungen von Kontinent zu Kon-
tinent uber Ozeane hinweg zu iiberbriicken and
in linearem MaB anzugeben.
3. Die Art der Rotationsschwankungen oder
des Zeitmaf3stabes verlauft mit Jahres-
periode and ist auf meteorologische Vor-
gange zuriickzufiihren, sie ist also ebenso
wie die vorher besprochene zweite Art der
Schwankungen geophysikalischer Natur.
Ihre mef3technische Verfolgung kann aber nur
durch astronomische Zeitbestimmungen im Zu-
sammenwirken mit Uhren hervorragender Gang-
leistung. geschehen. Denkt man sich die Erde
selbst als eine Uhr, deren Zeiger etwa ein fester
Punkt auf dem Aquator sein moge, so zeigt diese
,,Erduhr", verglichen mit einer idealen absolut
gleichmaBig gehenden Uhr, Schwankungen, die
in den astronomischen Schwankungen der idealen
Beobachtungsuhr auftreten. Zeigen nun viele
Uhren, deren Leistungen man durch gegenseitige
Vergleichungen als hervorragend erkannt hat,
dieselben scheinbaren Schwankungen, dann wird
man als Grund hierfiir wirkliche Anderungen
der Rotationsgeschwindigkeit der Erde annehmen
mussen. Seit reichlich zwei Jahrzehnten verfiigt
man tatsachlich uber Uhren, die gewissermal3en
besser gehen als die Erduhr, das sind die Quarz-
uhren, bei denen ein schwingender Quarzkristall
das regelnde Organ ist. Es gehort in das Arbeits-
programm der Kommission Langen and Breiten
des Internationalen Geophysikalischen Jahres,
diese jahreszeitlichen Schwankungen der Zeit-
skala zu verfolgen. Dabei handelt es sich auch
wieder nur um sehr kleine GroBen, denn die
Tageslange schwankt innerhalb eines Jahres
hochstens um 2 tausendstel Sekunden. Dieser
theoretisch schon lange vermutete Effekt wurde
1935 erstmalig im Geodatischen Institut Potsdam
mit Quarzuhren nachgewiesen.
Zu den astronomisch-geodatischen Arbeiten der
Kommission Langen and Breiten gehoren noch
eine ganze Reihe weiterer Untersuchungen, auf
die noch kurz eingegangen werden soil. - Die
elektrischen Wellen, welche die funkentelegra-
phischen Zeitzeichen ubertragen, haben zwar
theoretisch die sehr groBe Fortpflanzungs-
geschwindigkeit von 300 000 km pro Sekunde,
also dieselbe wie die Lichtgeschwindigkeit, trotz-
dem muB aber die Ubertragungszeit zwischen
Sender and Empfanger berucksichtigt werden.
Das laf3t sich jedoch nicht rechnerisch aus der
bekannten Entfernung durchfuhren, weil die
Wellenausbreitung bekanntlich nicht oder nicht
nur lengs der Erdoberflache stattfindet, sie
nimmt vielmehr ihren Weg zum groBten Teil
uber die Ionosphere in Atmospherenschichten
in mehreren 100 km Hohe. Diese Wege sind da-
zu noch jahres- and tageszeitlich verschieden,
hengen von der Wellenlange, von der zu iiber-
briickenden Entfernung and anderen storenden
Einfliissen ab. Fur die Untersuchung dieser Dinge
hat man im Internationalen Geophysikalischen
Jahr ein besonderes Arbeitsprogramr auf-
gestellt, fur das schon jetzt z. B. eine enge Zu-
sammenarbeit des Geodatischen Instituts Pots-
dam mit der Sternwarte Tokio besteht.
Da man sich bei Breiten- and Langenbestim-
mungen astronomischer Methoden bedienen
mus, da man also die Orter der beobachteten
Sterne genau kennen mus, liegt die weitere Auf-
gabe vor, die Fundamentalkataloge der Sterne
auf ihre Genauigkeit zu untersuchen and sie
durch die Zusammenarbeit zahlreicher Obser-
vatorien weiter zu verbessern. Hierzu konnen
die bei den Breiten- and Zeitbestimmungen an-
fallenden Messungen herangezogen werden.
Nicht weniger wichtig ist es, die benutzten In-
strumente genau auf ihre stets vorhandenen
kleinen Fehler hin zu untersuchen. Beispiels-
weise wird jede Empfangsapparatur fur Zeit-
signale mit einer gewissen, wenn auch meist
unter einer tausendstel Sekunde liegenden Ver-
zogerung arbeiten. Dieser Betrag mull bestimmt,
in seiner Konstanz uberwacht and beriicksich-
tigt werden.
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Auch die meteorologischen Zustende, wie Tem-
peratur, Luftdruck, Windrichtung und -starke
konnen Einfluf3 auf die astronomischen Beob-
achtungen haben. Am bekanntesten ist die Wir-
kung der Strahlenbrechung oder Refraktion in
der Lufthiille der Erde. Man muf3 aber bei dieser
an sich sehr genau berechenbaren Erscheinung
mit anomalen Effekten rechnen, die nicht immer
im einzelnen zu erfassen sein werden. Es wird
auch aus diesem Grunde im Internationalen Geo-
physikalischen Jahr empfohlen, die Beobach-
tungen weit fiber das sonst iibliche Maf3 hinaus
auszudehnen und deshalb z. B. die ganze Nacht
hindurch zu beobachten. Man kann dann er-
warten, manche Effekte aufzufinden oder aus-
zuschalten, die sonst als systematische Fehler
auftreten wurden.
Auf3er der astronomischen Geodasie ist auch die
Gravimetrie, d. h. jener Teil der Geodasie an
den Arbeiten im Internationalen Geophysika-
lischen Jahr beteiligt, der sich mit der Schwer-
kraft befaflt. Sie hangt auf3er von ortlichen geo-
logischen Verhaltnissen im wesentlichen von der
Gestalt des Erdkorpers ab, der ja bekanntlich
keine Kugel, sondern annahernd ein abgeplat-
tetes Ellipsoid ist. Aber weder Richtung noch
Grof3e der Schwerkraft bleiben an demselben
Ort unveranderlich. Es ist daher eine geodatische
Aufgabe im Internationalen Geophysikalischen
Jahr, diese Veranderungen an moglichst vielen
Orten zu verfolgen. Hierzu stehen heute Schwere-
messer zur Verfugung, die Schwereenderungen
von 1 : 100 Millionen des Schwerewertes selbst
zu messen erlauben. Richtungsanderungen der
Schwerkraft konnen durch sogenannte Horizon-
talpendel bis auf 1/ioo" und weniger festgestellt
werden. Derartige Messungen finden zweck-
maf3ig in stillgelegten Bergwerken statt. Der
Hauptgrund fur diese Grolen- und Richtungs-
anderungen ist derselbe, der auch die Gezeiten .
Ebbe und Flut erzeugt, namlich die Anziehungs-
kraft von Sonne und Mond. Deshalb wird diesel
spezielle Aufgabengebiet . auch ,Gezeiten der
festen Erde" genannt. Daneben gibt es auch geo-
logische Ursachen, die man bei diesen Messungen
ergrunden will. Eine moglichst ununterbrochene
Registrierung der Erdgezeiten wird im Inter-
nationalen Geophysikalischen Jahr angestrebt.
Das Spezial-Komitee fur das Internationale Geo-
physikalische Jahr hat Richtlinien herausgege-
ben, nach denen das gewaltige anfallende Be-
obachtungsmaterial nach einheitlichen Gesichts-
punkten an zentralen Stellen bearbeitet werden
soil. Trotzdem hat natiirlich jede Station ihre
eigenen Beobachtungen in i blicher Weise zu be-
rechnen und zu reduzieren. Fur die Langen und
Breiten wird das Bureau International de 1'Heure
in Paris diese Zentralstelle sein.
Es ist mit gr6f3ter Sicherheit zu erwarten, daf3
die internationale Zusammenarbeit im Inter-
nationalen Geophysikalischen Jahr reiche
Fri chte bringen wird. Mit abschliellenden Er-
gebnissen ist kaum vor 1960 zu rechnen.
Leiter der Abteilung astronomische Geodasie im
Geodatischen Institut
Uberwachung der Sonnentatigkeit
Im Arbeitsprogramm des Internationalen Geo-
physikalischen Jahres werden die Beobachtungen
der Sonne einen wichtigen Platz einnehmen. Zwar
gilt das Hauptinteresse dieses grof3en Forschungs-
programms, wie seine Bezeichnung besagt, den
physikalischen Vorgangen auf unserem Planeten,
der Erde; jedoch werden viele der Erscheinungen,
mit denen sich die Geophysiker beschaftigen, in
hohem Maf3e beeinfluf3t oder direkt gesteuert von
physikalischen Prozessen, die sich auf dem Zen-
tralgestirn unseres Planetensystems, der Sonne,
abspielen. Die Warmestrahlung der Sonne ist ja
die Energiequelle fur die meisten Naturvorgange,
die wir auf der Erde beobachten konnen, sowohl
in der belebten wie in der unbelebten Natur. Die
Achsendrehung der Erde setzt uns der Licht-
und Warmestrahlung der Sonne im regelmalligen
Wechsel von Tag und Nacht aus; der Umlauf der
Erde um die Sonne bedingt zusammen mit der
Schragstellung der Erdachse zur Bahnebene den
Wechsel der Jahreszeiten und damit nicht nur
den Rhythmus des organischen Lebens, sondern
auch vieler grollraumiger geophysikalischer Vor-
gange wie des Zirkulationssystems der irdischen
Atmosphere. Uber diese wohlbekannten astrono-
mischen Gegebenheiten hinaus wirken sich aber
auf der Erde gewisse physikalische Phanomene
aus, die auf der Sonne selbst ihren Sitz haben
und die von den Astronomen mit geeigneten
instrumentellen Hilfsmitteln verfolgt werden
konnen..
Das bekannteste und auffelligste dieser Phano-
mene sind die Sonnenflecken, die, obgleich sie
gelegentlich ohne optische Hilfsmittel. sichtbar
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 6/7/8
und auch in frtiheren Zeiten schon bemerkt sind,
erst nach der Erfindung des Fernrohres um 1610
bei der teleskopischen Beobachtung der Sonne
wahrgenommen wurden und seitdem von den
Astronomen standig beobachtet werden. Die
Sonnenflecken sind veranderliche Gebilde von
Behr verschiedener Grof3e und Sichtbarkeitsdauer;
wahrend einzelne kleinere Flecken nur fiber
Stunden oder Tage wahrnehmbar bleiben, tiber-
dauern manche grof3e Flecken und Flecken-
gruppen viele Wochen oder sogar Monate. Die
Flecken werden durch die Rotation der Sonne um
ihre Achse, die sich in etwa 27 Tagen vollzieht,
von Ost nach West fiber die uns zugekehrte Halb-
kugel der Sonne gefiihrt; bei hinreichend langer
Lebensdauer konnen einzelne Flecken nach einem
Umlauf wieder am Ostrande sichtbar werden.
Das wissenschaftliche Interesse an der Verfolgung
des Sonnenfleckenphanomens erhohte sich be-
deutend, seit im Jahre 1843 ein Amateurastronom,
Heinrich Schwabe in Dessau, auf Grund langjah-
riger eigener Beobachtungen erkannte, daf3 die
Haufigkeit der Sonnenflecken einem rhythmischen
Wechsel von etwa lljahriger Periode unterworfen
ist. Die genauere Verfolgung dieses Vorganges
stiitzt sich auf die sogenannte Sonnenflecken-
Relativzahl, die, von dem Ziiricher Astronomen
Rudolf Wolf eingefuhrt, angesetzt wird gleich der
Anzahl der zur Zeit auf der Sonne beobachtbaren
Sonnenflecken, vermehrt um das Zehnfache der
Anzahl der Gruppen, in denen sich ein grof3er
Teil der Flecken anzuordnen pflegt.
Diese Relativzahl gibt, wenn sie durch geeignete
Reduktionsfaktoren von den speziellen Beob-
achtungsbedingungen auf ein einheitliches System
i berfiihrt wird, ein einfach abzuleitendes und als
Behr zweckmdf3ig bewahrtes Maf3 fir die jewei-
lige Haufigkeit Eder Sonnenflecken. Aus den Auf-
zeichnungen vieler Sonnenbeobachter ist die
Relativzahl von 1749 an bis zur Gegenwart be-
kannt; sie zeigt Schwankungen vom Werte Null
bei fleckenfreier Sonne bis zu Betragen fiber 100
bis 200 bei starkster Fleckentatigkeit. Maxima
(und Minima) der Fleckenhaufigkeit foigen ein-
ander mit einem mittleren Abstand von etwa
11 Jahren; jedoch erfolgt die Schwankung nicht
streng periodisch, sondern in einem Rhythmus,
bei dem innerhalb eines jeden Zyklus der Anstieg
rancher (in 3 bis 6 Jahren), der Abstieg langsamer.
(in 4 bis 8 Jahren) verlauft und jeder Zyklus nach
Verlauf und Starke sein eigenes Geprage tragt.
Die Steilheit des zeitlichen Anstiegs und die Hohe
des erreichten Maximums sind starken Schwan-
kungen unterworfen, die einigen statistischen
Regeln gehorchen; die Zeitspanne zwischen zwei
aufeinander folgenden Maxima kann zwischen
7 und 17 Jahren liegen und ist bei dem jetzigen
Stand unserer Kenntnis nur mit einer sehr be-
schrankten Genauigkeit vorauszusagen. Das letzte
Sonnenfleckenmaximum ist im Jahre 1947 ein-
getreten; das nachste, voraussichtlich besonders
starke Maximum ist in diesem Jahre zu erwarten
und moglicherweise schon in den letzten Monaten
erreicht worden. Die z.eitliche Festlegung des
Internationalen Geophysikalischen Jahres ist mit
Vorbedacht so gewahlt worden, daf3 der Beob-
achtungszeitraum in einen Abschnitt. starker
Fleckentatigkeit f illt, damit die Beziehung zwi-
schen Sonnenfleckentatigkeit und geophysikali-
schen Erscheinungen moglichst intensiv unter-
sucht werden kann.
Die Sonnenflecken sind jedoch nur das auffal-
ligste und am leichtesten zu beobachtende, nicht
aber das einzige Phanomen auf der Sonne, das
auf zeitlich veranderliche physikalische Vorgange
hindeutet, die wir in ihrer Gesamtheit als Son-
nenaktivitat bezeichnen. Der einzelne Sonnen-
fleck, -der sich im Fernrohr als ein dunkler Kern,
die sogenannte Umbra, umgeben von einem Hof
mit filamentartiger radialer Struktur, der Pen-
umbra, darbietet, ist trotz einer Ausdehnung von
der Grof3enordnung 10 000 km nur ein verh5ltnis-
maf3ig kleines Storungsgebiet in der die sichtbare
Strahlung aussendenden Schicht, der Photo-
sphere der Sonne. Selbst bei groflter Flecken-
hdufigkeit bedecken die Sonnenflecken insgesamt
nur 1 bis 2 Tausendstel der Sonrienoberfldche. In
der Umbra eines Flecks betragt trotz des schein-
bar starken Kontrastes gegen die Umgebung die
Strahlungsdichte immer noch etwa 40 ?/o der nor-
malen Intensitat der Photosphdre, so daf3 die Ge-
samtstrahlung der Sonne durch die Sonnenflecken
nicht merklich verandert werden kann. In der Tat
zeigen die seit Jahrzehnten fortlaufenden Mes-
sungen der Gesamtstrahlung, die durch die so-
genannte Solarkonstante gekennzeichnet wird,
innerhalbder MeBgenauigkeit von einigen Tau-
sendsteln keine Korrelation mit der Flecken-
haufigkeit an. Die starken Auswirkungen der
Sonnenaktivittit auf irdische Vorgange konnen
also nicht einfach auf Schwankungen der thermi-
schen Sonnenstrahlung zuriickgefiihrt werden,
sondern miissen von speziell?en, mit den Flecken
verkniipften physikalischen Prozessen herriihren.
Mit geeigneten optischen Hilfsmitteln lassen sich
nun aufler den Sonnenflecken noch verschiedene
andere, zeitlich veranderliche Phanomene auf der
Sonne beobachten. In der Nahe von Flecken-
gruppen, aber auch an anderen Stellen -der Sonne
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bemerken wir mit dem Fernrohr oder auf Son-
nenaufnahmen oft ausgedehnte and struktur-
reiche hellere Storungsgebiete, die Sonnenfak-
keln, deren Sich.tbarkeit zum Sonnenrande hin
gunstiger wird. Die Fackeln zeigen in ihrer Hau-
figkeit eine ahnliche zeitliche Variation wie die
Sonnenflecken; jedoch liegt dariiber infolge der
schwierigeren Beobachtungsmoglichkeiten der
Fackeln noch kein so ausgedehntes Zahlenmate-
rial wie bei der Sonnenflecken-Relativzahl vor.
Ein wichtiges Verfahren zur t7berwachung der
Sonnentatigkeit ist die Beobachtung der Sonne
im Lichte bestimmter Spektrallinien. Das Spek-
trum der Sonne, wie wir es durch Zerlegung des
Lichtes vermittels eines Prismas oder eines Beu-
gungsgitters betrachten and photographieren
konnen, besteht aus einem kontinuierlichen
Untergrund von bestimmter spektraler Inten-
sitatsverteilung, der nach dem Planckschen
Strahlungsgesetz eine Temperatur der strahlen-
den Schicht von etwa 7000 Grad zugeordnet wer-
den kann. Diesem kontinuierlichen Spektrum
ilberlagern sich viele tausend dunkle Linien, die
nach ihrem Entdecker Fraunhofersche Linien
genannt werden and die durch Absorption der
Strahlung durch Atome in den auf3eren Schichten
der Sonne entstehen. Ihre genaue Analyse gibt
uns Aufschluf3 uber die chemische Zusammen-
setzung der Sonnenatmosphare and uber die
physikalischen ZustandsgroBen in den Schichten,
in denen die Fraunhoferschen Linien entstehen.
Blenden wir aus dem Sonnenspektrum eine be-
stimmte dieser Linien, z. B. eine vom Wasserstoff
oder vom Calcium erzeugte Linie, durch einen
Spektralapparat geeigneter Konstruktion heraus,
so konnen wir im Lichte dieser Linie besonders
interessante Phanomene auf der Sonne erkennen.
Gerate dieser Art heif3en Spektrohelioskope,
wenn sie fur die direkte Beobachtung mit dem
Auge eingerichtet sind, and Spektroheliographen,
wenn sie die photographische Aufnahme der
Sonnenoberflache oder eines Teiles davon ge-
statten. Die Spektroheliogramme geben uns ein
Bild einer hoheren Schicht der Sonnenatmo-
sphare, der sogenannten Chromosphare, and sie
zeigen an der Stelle der im unzerlegten Licht be-
obachteten photospharischen Fackeln in der
Regel Starke Aufhellungen im Lichte der Wasser-
stoff- and Calcium-Linien, wobei die Form and
die Ausdehnung dieser Flocculi oder chromo-
spharischen Fackeln wesentlich von den photo-
spharischen Fackeln abweichen kann.
Die standige spektrohelioskopische oder spektro-
heliographische tYberwachung der Sonne ist von
besonderer Bedeutung, weil sie auf3er den chro-
mospharischen Fackeln and anderen Phanomenen
die markanteste Aul3erung der Sonnenaktivitat,
die sogenannten Eruptionen erkennen laf3t. Die
Eruptionen sind plotzlich einsetzende physikali-
sche Vorgange grof3ten Ausmaf3es auf der Sonne,
die mit der Aussendung intensiver Ultraviolett-
und Rontgenstrahlung, mit Ausstrahlungen im
Radiofrequenzbereich un?d mit der Aussendung
von Korpuskeln and von Ultrastrahlung hochster
Energie verbunden sind. Alle these Emissionen
der Sonne haben starkste Auswirkungen auf -die
hochsten Atmospharenschichten der Erde, die
Ionosphere, and ziehen zahlreiche geophysika-
lische a Erscheinungen wie Nordlichter, den
Schwund der. Radiowellenausbreitung and geo-
magnetische Effekte nach sich. Das Studium aller
dieser Beziehungen wird daher ein wesentlicher
Programmpunkt -des Internationalen Geophysika-
lischen Jahres sein.
An den Sonnenbeobachter stellt die Uberwachung
der Eruptionen besonders hohe Anforderungen,
da der sichtbare Effekt, die plotzliche Aufhellung
eines kleinen Areals etwa im Lichte der Wasser-
stofflinie Hoc, ein verhaltnism5f3ig unauffalliger
Vorgang von kurzer Zeitdauer, einigen Minuten
bis hochstens einer ?Stunde ist. Hier ist also ein
Zusammenwirken vieler Observatorien, die uber
die ganze Erde verteilt sein sollten, von beson-
derer Wichtigkeit. Die Haufigkeit and die Inten-
sitat der Eruptionen ist sehr starken Schwan-
kungen unterworfen; wahrend im Sonnenflecken-
minimum die Eruptionen fast ganz fehlen, ist im
Maximum der Sonnenaktivitat durchschnittlich
etwa jede zweite 'Stunde eine Eruption zu er-
warten.
Weitere Erscheinungen der Sonnenaktivitat sind
die Protuberanzen and die Filamente. Es handelt
sich dabei im Grunde um Vorgange der gleichen
Art, namlich Wolken ionisierter Materie ober-
halb der Chromosphere, die sich uns nur in ver-
schiedener Weise darbieten, je nachdem ob sie
sich von der Erde aus gesehen gerade auf die
Sonnenscheibe projizieren oder uber den Sonnen-
rand hinausragen. Im ersten Fall beobachten wir
sie im monochromatischen Bild der Sonne in Ab-
sorption als Filament, im zweiten Fall auBerhalb
des Sonnenrandes in Emission als Protuberanz.
Die Beobachtung der Protuberanzen, die friiher
durch Absuchen des Sonnenrandes mit dem Pro-
tuberanzenspektroskop erfolgte, ist in neuerer
Zeit wesentlich erleichtert durch die Entwick-
lung der Polarisations-Interferenzfilter, die ins-
besondere in Verbindung mit einer speziellen
Fernrohrkonstruktion, dem sogenannten Korono-
graphen, die Beobachtung and die photographi-
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sche Aufnahme des ganzen Sonnenrandes in
einem sehr schmalen Spektralbereich erlauben,
z. B. im Lichte der Wasserstofflinie Ha. Die Auf-
nahmefolge kann dabei so rasch gewahlt werden,
daB sich die Bewegungsvorgange in den Protube-
ranzen sehr eindrucksvoll im Kinofilm nach dem
Zeitrafferprinzip vorfi hren lassen. Die Beob-
achtung der Filamente kann wie die der Erup-
tionen auch mit dem Spektrohelioskop oder ?durch
Aufnahme mit dem Spektroheliographen er-
folgen.
Weitere Vorgange der Sonnenaktivitat spielen
sich in den auBersten Schichten der Sonnen-
atmosphare, der Sonnenkorona a.b, die sich radial
bis in mehrere Sonnenhalbmesser Abstand vom
scheinbaren Sonnenrand erstreckt. Bis vor etwa
25 Jahren war die Beobachtung der Sonnen-
korona nur ,bei den seltenen and kurzen Gelegen-
heiten einer totalen Sonnenfinsternis ?m6glich,
wenn der Mond fur einen schmalen Streifen der
Erdoberfleche die strahlende Lichthiille der
Photosphere abdeckt and Bich dem Beobachter
das eindrucksvolle Schauspiel der von einem
schwachen, geheimnisvollen Strahlenkranz um-
gebenen schwarzen Mondscheibe am verdun-
kelten Taghimmel fur wenige Minuten darbietet.
Form and Ausdehnung,dieser Korona ist, wi~e aus
den Finsternisbeobachtungen hervorgeht, starken
Anderungen mit dem Sonnenfleckenzyklus unter-
worfen. Aus der spektrographischen Analyse and
der physikalischen Deutung der Koronastrahlung
ergaben sich neue Moglichkeiten fur ihre Beob-
achtung auch aul3erhalb von totalen Sonnen-
finsternissen. Das Licht der Korona besteht nam-
lich aus einem schwachen kontinuierlichen Unter-
grund, erzeugt durch Streuung des Photospharen-
lichtes an Partikeln and freien Elektronen, iiber-
lagert von einer Anzahl von Emissionslinien, die
von hochionisierten Atomen, insbesondere des
Eisens and des Calciums, in der Korona ausge-
strahlt werden. Im Lichte dieser Eigenemission,
z. B. der grUnen Koronalinie 5303 A, kann die
Korona, obgleich ihre Leuchtdichte millionenfach
schwacher ist als die der leuchtenden Sonnen-
scheibe, unter giinstigen atmospharischen Be-
dingungen and mit geeigneten Geraten auch
auBerhalb von Sonnenfinsternissen beobachtet
werden.
Eine standige Uberwachung der Korona l5l3t sich
allerdings nur auf sehr hoch gelegenen Beobach-
tungsstationen durchfiihren, die oberhalb der
atmospharischen Dunstschicht liegen, in der der
groBte Teil des storenden Streulichtes entsteht.
Eine ganz neuartige and auBerordentlich wich-
tige B-edbachtungsmoglichkeit der Sonnenaktivi-
tat hat sich im Laufe des letzten Jahrzehnts
durch die Entwicklung der Radioastronomie er-
geben. Wahrend des letzten Krieges fiihrte der
Einsatz von Radargeraten zu militarischen
Zwecken nebenbei zu der Wahrnehmung, daB die
Sonne eine kraftige, zeitlich verenderliche Quelle
von Radiofrequenzstrahlung ist. Die genauere
Verfolgung dieses Phanomens zeigte eine enge
Korrelation der Strahlungsintensitat mit der
Sonnenfleckenrelativzahl oder allgemein mit der
Sonnenaktivitat. Die Theorie der Wellenausbrei-
tung fiihrt zu der Erkenntnis, daB die beobacht-
bare Strahlung verschiedener Frequenz (oder
verschiedener Wellenlange) aus sehr verschie-
denen Schichten der Sonne stammen mull Strah-
lung im Zentimeter- and Dezimeterbereich er-
reicht uns im wesentlichen aus der Chromosphere
der Sonne; Strahlung von mehr as 50 cm Wellen-
lange kann nur aus der Sonnenkorona nach
auf3en dringen. DemgemaB zeigt die Dezimeter-
strahlung eine sehr enge Beziehung zu den chro-
mospharischen Erscheinungen, wahrend die aus
verschieden hohen Koronaschichten stammende
Meterwellenstrahlung, die bis etwa 20 m Wellen-
lange die irdische Ionosphere durchsetzen kann,
einen empfindlichen Indikator fir koronale Sto-
rungen and fir Eruptionen darstellt. In diesem
Frequenzgebiet erreicht die zeitliche Variation
der Sonnenstrahlung besonders groBes Ausmaf;
so kann die Intensitat -der Meterwellenstrahlung
bei groBen Eruptionen kurzfristig auf das Mil=
lionenfache ihres Wertes bei ruhiger Sonne an-
steigen.
Die Registrierungen der Radiostrahlung der
Sonne erganzen daher in gliicklichster Weise die
optisch wahrnehmbaren Vorgange -der .Sonnen-
aktivitat; sie haben iiberdies den Vorteil, unab-
hangig von der veranderlichen Triibung der Erd-
atmosphare auch bei starkster Bewolkung stets
durchfiihrbar zu sein, wenn die notwendigen
Gerate zur Verfogung stehen and der Empfang
der Radiostrahlung der Sonne nicht durch solche
irdischen UrFprungs, z. B. der Fernsehsender,
iiberlagert and gestort wird. Ein Nachteil der
radioastronomischen Beobachtungsmethoden be-
steht darin, daB sie im allgemeinen, wenn keine
besonderen Interferometeranordnungen der Emp-
fanger eingesetzt werden konnen, keine genauere
Lokalisierung der Strahlungsquelle auf der Sonne
erlauben.
Wehrend des Internationalen Geophysikalischen
Jahres wird die tYberwachung der Sonnenaktivi-
tat in der Deutschen Demokratischen Republik
im wesentlichen an zwei Stellen durchgefuhrt
werden, die sich auch sonst standig mit diesem
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Arbeitsgebiet befassen, dem Astrophysikalischen
Observatorium in Potsdam and dem Heinrich-
Hertz-Institut Air Schwingungsforschung in
Berlin-Adlershof, beides Forschungsanstalten der
Deutschen Akademie der Wissenschaften. In
Potsdam wird die standige Beobachtung der
Sonnenflecken, der Fackeln and der Protube-
ranzen besonders intensiv durchgefuhrt werden;
ferner werden Aufnahmen der Sonne durch ein
Polarisations-Interferenzfilter fur die Wasser-
stofflinie Hoc erfolgen. Zusatzlich wird zum
Internationalen Geophysikalischen Jahr ein zur
Zeit noch im Bau befindliches Spektrohelioskop
zur t7berwachung der chromospharischen Pha-
nomene in Betrieb genommen werden.
Ein besonders interessantes and wichtiges For-
schungsprogramm wird am Turmteleskop des
Astrophysikalischen Observatoriums, dem Ein-
stein-Turm in Potsdam, weitergefuhrt and ver-
starkt werden. Im Spektrum von Sonnenflecken
zeigen gewisse Fraunhoferlinien, z. B. solche, die
vom Eisen herri hren, Aufspaltungen in mehrere
Komponenten der Art, wie sie den Physikern
experimentell and theoretisch bekannt rind bei
Lichtquellen, die sich in einem starken Magnet-
feld befinden. Durch genaue Ausmessung dieser
Aufspaltung, die nach ihrem Entdecker, dem hol-
landischen Physiker Zeeman, als Zeeman-Effekt
bezeichnet wird, laBt sich -die Starke des Magnet-
feldes am Entstehungsort der Linien, in diesem
Falle also der Sonnenflecken ableiten. Es ergibt
sich dabei,,daf3 in den Sonnenflecken in der Regel
Magnetfelder bis zu einer Starke von etwa 3000
Orsted vorhanden sind; das ist eine Feldstarke,
die das magnetische Feld der Erde, das bei uns
die bekannte Richtkraft auf eine KompaBnadel
aust bt, um rund das 10 000fache ubertrifft. Die
fortlaufende exakte Messung der Magnetfelder
in Sonnenflecken, ihrer zeitlichen Veranderung
and ihrer raumlichen Verteilung verspricht Auf-
schli sse fiber die Struktur and den Ursprung der
Sonnenflecken, von denen die Astrophysiker zwar
mancherlei theoretische Vorstellungen, aber bis-
her noch keine endgi ltig gesicherte Kenntnis be-
sitzen. Im Geophysikalischen Jahr wird die Mes-
sung der Magnetfelder von einzelnen Sonnen-
flecken hoffentlich auch beitragen zu einer K15-
rung der Beziehung zwischen Fleckenphanomen
and irdischen Vorgangen.
In die Uberwachung der Radiofrequenzstrahlung
der Sonne teilen sich -das Heinrich-Hertz-Institut
Mr Schwingungsforschung in Berlin-Adlershof
unter Leitung von Prof. Hachenberg and die
Auf3enstelle Tremsdorf des Astrophysikalischen
Observatoriums unter Leitung von Dr. Daene.
In Adlershof wird die Intensitat der solaren
Strahlung in den Wellenlangen 3,2 cm, 10 cm
and 20 cm, in Tremsdorf in den Wellenlangen
50 cm, 130 cm and 17 m so weit wie moglich
fortlaufend registriert werden. Besonders wert-
voll wird die enge Zusammenarbeit zwischen der
Radioastronomie and der i brigen Sonneniiber-
wachung dadurch werden, daB im Falle des Auf-
tretens von Eruptionen, die sich in der Meter-
wellenstrahlung sofort stark bemerkbar machen,
eine?besondere Intensivierung der spektrohelio-
skopischen and der spektrographischen Beobach-
tungen zur Lokalisierung der Strahlungsquelle
ausgelost werden kann. Wir mochten daher
hoffen, daB das Arbeitsprogramm des Internatio-
nalen Geophysikalischen Jahres eine reiche Ernte
an neuen Erkenntnissen nicht nur auf dem Ge-
biete der Geophysik, sondern auch fur die
Sonnenphysik bringen wird, and wir mochten
wunschen, daB der Geist einer wohlorganisierten
internationalen Zusammenarbeit in der For-
schung Vorbild werden moge fur ein verstand-
nisvolles Zusarnmenwirken der Volker auch auf
anderen Gebieten menschlichen Lebens.
Prof. Dr. J. WEMPE
Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums
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Briefwechsel zum Beginn des Internationalen Geophysikalischen Jahres
Conseil International des Unions Scientifiques (International Council of Scientific Unions)
Dr. L. V. Berkner
Father P. Lejay, Vice-President
Dr. K. S. Krishnan, Vice-President
Colonel E. Herbays, Treasurer
Sir H. Spencer Jones, Secretary General
The President
Dr. L. V. Berkner
Associated Universities, Inc.
10 Columbus Circle. Suite 1750
New York 19, New York, USA
Professor H. Ertel
President, IGY National Committee
c/o Professor H. Philipps
Meteorolog. and Hydrologischer Dienst
der Deutschen Demokratischen Republik
Verlangerte Luckenwalder StraJie
Potsdam, Germany
With the opening of the International Geophysi-
cal Year (IGY) on July 1, 1957, the International
Council of Scientific Unions expresses its good
wishes and the hope of success of the IGY pro-
gram of your National Committee. The united
effort of the scientists of the world in joining to
examine the structure and behavior of the Earth
and its atmosphere, and the properties of the
environment that it provides for life in its higher
forms, represents a mighty step forward in the
ability of men to work together to achieve their
mutual aspirations.
The International Council of Scientific Unions
(ICSU) feels complimented to have sponsored this
joint effort among scientists to view the Earth
as a planet, working through its Comite Special
de l'Annee Geophysique Internationale (CSAGI).
This Committee of the ICSU, acting on behalf
of the several interested scientific Unions ad-
hering to the Council, has specified the scientific
program of observations and study that are neces-
sary to a better comprehension of the planet, on
which we live. The scientists of every aera of
the Earth, working through their national com-
mittees, have joined their efforts in the Ad-
visory Committee for the International Geophy-
sical Year to lay detailed plans for observations
needed to achieve the scientific objectives spe-
cified by the CSAGI. The Bureau and Secre-
tariat of the CSAGI, and the Coordinator of
Operations, have provided the administrative
coordination of planning necessary to weld this
world plan of scientific study into a unit. On
one hand, the individual national groups could
act with the confidence that their own contri-
butions would be supplemented by the necessary
work of the others. On the other hand, each
national group has acted generously and unsel-
fishly to carry on its own part of the program
on which success of the whole effort has so vi-
tally depended. The whole effort of the IGY
clearly demonstrates the will, vision, and ima-
gination of men everywhere over the Earth to
act together in the achievement of objectives
that are of real value to all.
May I express to you and your National Com-
mittee the congratulations of the International
Council of Scientific Unions, and of its adhering
Unions, and the sense of gratefulness and ad-
miration that scientists everywhere hold for the
generous participation of your National Com-
mittee, and of the scientists that it represents, in
the great program of the International Geo-
physical Year.
sincerely yours
gez. L. V. BERKNER
President
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(Vbersetzung)
Internationaler Rat der Wissenschaftlichen Unionen
Der President
Dr. L. V. Berkner
Herrn Professor Dr. H. Ertel
President des Nationalen Komitees der DDR
Kopie an Professor Dr. H. Philipps
Meteorologischer and Hydrologischer Dienst
der Deutschen Demokratischen Republik
Verlengerte Luckenwalder Straf3e
Potsdam, Deutschland
Sehr geehrter Professor Ertel,-
zum Beginn des Internationalen Geophysikali-
schen Jahres (IGJ) am 1. Juli 1957 gestattet sich
der Internationale Rat der Wissenschaftlichen
Unionen, seine besten Wiinsche zum Ausdruck
zu bringen, verbunden mit der Hoffnung auf
Erfolg bei der Durchfuhrung des IGJ-Programms
Ihres Nationalen Komitees. Die vereinte An-
strengung der Wissenschaftler der Welt, gemein-
sam die Struktur and das Verhalten der Erde
and ihrer Atmosphere zu studieren and deren
Eigenschaften, welche das Leben in seinen
hoheren Formen erst ermoglichen, bedeutet einen
gewaltigen Schritt vorwarts zur Fahigkeit der
Menschheit, zusammenzuarbeiten, um ihre ge-
meinsamen Anliegen durchzufiihren.
Der Internationale Rat der Wissenschaftlichen
Unionen (ICSU), vertreten durch sein Spezial-
komitee fur das Internationale Geophysikalische
Jahr (CSAGI), kann sich begluckwunschen, mit-
verantwortlich zu sein fur die vereinten Anstren-
gungen unter den Wissenschaftlern, die Erde
unter planetarischem Aspekt zu sehen. Dieses
Komitee des ICSU, das im Auftrage der verschie-
denen daran interessierten wissenschaftlichen
dem Rat angehorenden Unionen handelt, hat das
wissenschaftliche Programm der Beobachtungen
and der Untersuchungen festgelegt, die fur ein
besseres Verstandnis des Planeten, auf dem wir
leben, notwendig sind. Die Wissenschaftler in
jedem Gebiet der Erde haben durch ihre Natio-
nalen Komitees im wissenschaftlichen Beirat fur
das IGJ (Advisory Council) ihre Anstrengungen
vereinigt, um detaillierte Plane fur die Beob-
achtungsprogramme zu entwickeln, die benotigt
werden, um die durch das CSAGI festgelegten
wissenschaftlichen Ziele zu erreichen. Das Buro
and das Sekretariat des CSAGI and der Koordi-
nator haben fur die administrative Koordinierung
gesorgt, die erforderlich ist, um diesen Weltplan
der wissenschaftlichen Forschung zu einer Ein-
heit zu verschmelzen. Auf der einen Seite konn-
ten die einzelnen hationalen Gruppen im Ver-
trauen darauf arbeiten, daf3 ihre Beitrage er-
ganzt werden durch die dafiir notwendige Arbeit
der anderen. Auf der anderen Seite ist jede natio-
nale Gruppe grol3ziigig and selbstlos daran-
gegangen, ihren eigenen Anteil am Programm zu
.bestreiten, von welchem der Erfolg des ganzen
Unternehmens entscheidend abhangt. Eben these
gesamte Anstrengung des IGJ beweist deutlich
den Willen, die Weitsicht and Eingebung der
Menschen iiberall auf der Erde, zusammenarbei-
ten zu mussen, um jene Ziele zu' erreichen, die
fur alle von wirklichem Wert sind.
Darf ich Ihnen and Ihrem Nationalen Komitee
die Gluckwunsche des wissenschaftlichen Rates
der wissenschaftlichen Unionen and der ihnen
angeschlossenen Vereinigungen ubermitteln, zu-
gleich mit den Gefiihlen der Dankbarkeit and
der Anerkennung, welche die Wissenschaftler
allenthalben fur die grol3ziigige Beteiligung
Ihres Nationalen Komitees and der ihm ange-
horenden Wissenschaftler am gewaltigen Pro-
gramm des Internationalen Geophysikalischen
Jahres empfinden.
gez. L. V. BERKNER
President
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Internationales Geophysikalisches Jahr
Annee Geophysique Internationale
Nationales Komitee der Deutschen Demokratischen Republik
(Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin)
An den
Prasidenten des International
Council of Scientific Unions
Herrn Dr. L. V. BERKNER
10 Columbus Circle, Suite 1750
New York 19
New York U.S.A.
Sehr geehrter Dr. Berkner,
fur Ihr an Professor Ertel gerichtetes Schreiben
vom 15. Juni anlaf3lich des bevorstehenden Be-
ginns des Internationalen Geophysikalischen
Jahres (IGJ) gestatte ich mir in Abwesenheit
unseres Prasidenten, Ihnen im Namen des Na-
tionalen Komitees der Deutschen Demokratischen
Republik auf das herzlichste zu danken.
In der Tat, es ist eine gewaltige Unternehmung,
die vor uns liegt, gewaltig in ihrem Umfang,
grof3artig in ihrer Zielsetzung, kiihn in ihrer
Planung.
Was vor 75 Jahren mit dem ersten Internatio-
nalen Polarjahr auf engem Raum and in be-
grenztem Umfang begonnen wurde, manifestiert
sich jetzt in kuhnem Zugriff nach der Losung
der zahlreichen geophysikalischen Probleme, die
in ihrer komplexen Verknupfung die Physik der
Erde im weitesten Sinne zum Inhalt haben and
die spezifisch planetarischen Charakter tragen.
Der President des ersten Internationalen Polar-
jahres, Heinrich von Wild, sprach von der Ge-
walt dieser Idee, welche die Wirrnisse des Krieges
and die Zwietracht unter den Nationen i ber-
dauert habe. Wie viele Hoffnungen Sind daran
gekniipft, daB dieses dritte and groBte, das Inter-
nationale Geophysikalische Jahr, diesem Wort
Erfullung werden lasse, daB es Brucken schlagen
moge ... Brucken der Verstandigung zwischen
den Volkern and den Nationen..., Wege ebnen
moge zu gegenseitigem Verstehen, zum gemein-
samen Handeln fur gemeinsame Ziele. Denn
hierin liegt neben seinem wissenschaftlichen der
uberaus grof3e humanistische Wert dieses Unter-
nehmens, dieses ,Orchesterexperiments" der Na-
tionen unseres Pldneten.
Moge die olympische Flamme dieser Olympiade
der Wissenschaft, die achtzehn Monate nicht er-
loschen wird, moge sie, in den Herzen derer an-
gezundet, die diesem groBen Werk verfallen and
verpflichtet Sind, Symbol sein fur den Geist der
Verstandigung, fur die wachsende Vernunft and
die Einsicht in die Gr6f3e der Verantwortung,
die wir alle tragen and von der uns keiner ent-
binden kann, der Verantwortung dafiir, die
Krafte der Natur zum Nutzen der Menschheit
in den Dienst zu stellen and nicht zu ihrer Ver-
nichtung.
In diesem Sinne ubermittelt das Nationale
Komitee der Deutschen Demokratischen Repu-
blik Ihnen, sehr geehrter Dr. Berkner, als dem
Prasidenten des ICSU and dem Hauptinitiator
des Internationalen Geophysikalischen Jahres
mit Bewunderung fur these Leistung die herz-
lichsten Griif3e, verbunden mit der Hoffnung
auf einen vollkommenen Erfolg des gemein-
samen Vorhabens and dem unsererseits geleiste-
ten Versprechen, im Rahmen unseres Beitrages
unser Bestes fur das Internationale Geophysi-
kalische Jahr zu geben.
Mit dem Ausdruck hochster Wertschatzung dnd
kollegialen GrUBen
Ihr Ihnen sehr ergeberier
gez. Professor Dr. PHILIPPS
Sekretar des Nationalen Komitees der Deutschen
Demokratischen Republik fur das Internationale
Geophysikalische Jahr
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Aus der Arbeit der Akademie-Institute
Uber die Aufgaben der Kommissionen Forschung und Lehre
Alcademiemitglied Prof. Dr. G. Rienecker be-
richtete dem Presidium der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin am 6. Juni dieses
Jahres caber die Aufgaben der Gewerkschaft
Wissenschaft und ihrer gewahlten Organe in den
wissenschaftlichen Einrichtungen der Akademie
sowie caber die besonderen Aufgaben der Kom-
missionen Forschung und Lehre.
?Ich darf Ihnen zunachst danken fur die Mog-
lichkeit, die Sie mir und dem Zentralvorstand
der Gewerkschaft Wissenschaft bieten, in Ihrem
Kreis einige Fragen der Arbeit der Gewerkschaft
Wissenschaft an den wissenschaftlichen Einrich-
tungen darzulegen. Ich mochte die Gelegenheit
benutzen, einige Grundprobleme der Gewerk-
schaftsarbeit zu behandeln und die Aufgaben,
die die Zusammenarbeit der Leitungen der wissen-
schaftlichen Institutionen der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften und der Betriebs-
gewerkschaftsorganisationen in diesen Einrich-
tungen betreffen.
Die Gewerkschaft Wissenschaft wurde als eine
zum Freien Deutschen Gewerkschaftsbund ge-
horende Gewerkschaft gebildet, um die spezi-
fischen Fragen, die die wissenschaftlichen Insti-
tutionen angehen, in der gewerkschaftlichen Ar-
beit besser beriicksichtigen zu konnen. Wenn
ich davon spreche, daB die Gewerkschaft Wissen-
schaft dem Bund der Freien Deutschen Gewerk-
schaften angehort, so ist damit gleichzeitig ge-
sagt, daB ihr in den wissenschaftlichen Einrich-
tungen die gleichen Rechte zustehen, wie sie die
Industriegewerkschaften in den Produktions-
betrieben haben. Die Rechte der Gewerkschafts-
organisation, insbesondere das Mitbestimmungs-
recht, ergeben sich aus der Verfassung der Deut-
schen Demokratischen Republik, aus der im Ge-
setz der Arbeit grundsatzlich fixierten Stellung
der. Gewerkschaft im gesellschaftlichen Leben
sowie aus der vom Ministerrat der Deutschen
Demokratischen Republik verabschiedeten Ver-
ordnung vom 10. 12. 1953, bekannt unter dem
Namen Verordnung caber die weitere Verbesse-
rung der Arbeits- und Lebensbedingungen der
Arbeiter und der Rechte der Gewerkschaften'.
Die Verwirklichung dieser Rechte macht es er-
forderlich, daB die gewerkschaftlichen Organe
und ihre Vertretungen grundsatzlich ihre Zu-
stimmung erteilen mussen, wenn es um unmittel-
bare Probleme geht, die das Leben und die Ar-
beitsbedingungen der Wissenschaftler, Arbeiter
und Angestellten beeinflussen. Das bezieht sich
sowohl auf Fragen der Einstellung und Ent-
lassung als auch auf jene Probleme, die wir im
allgemeinen unter den Begriffen soziale und kul-
turelle MaBnahmen zusammenfassen.
Das Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaft ist
auch dann zu verwirklichen, wenn es um die
Ausarbeitung von Planen der Entwicklung der
wissenschaftlichen Einrichtungen geht, wenn
ihre Perspektive bestimmt wird oder es sich um
den Stellenplan und andere damit zusammen-
hangende Fragen handelt.
Dies bedeutet in keiner Art und Weise, da3 die
Gewerkschaft Wissenschaft etwa selbst die wis-
senschaftlichen Arbeiten tun konne oder wolle.
Es ware vermessen, wenn die Gewerkschaft sich
solche Aufgaben stellen wurde. Ihr steht aber
ohne weiteres das Recht zu, Vorschlage zu unter-
breiten,' zu beurteilen, ob Mittel entsprechend
den Aufgaben oder zweckentfremdet verwendet
werden und so weiter. Die Gewerkschaft hat also
auch das Recht, ihre Meinung geltend zu machen,
wenn es z. B. um Anerkennungen von Leistungen
geht, die aus dem Pramienfonds bzw. aus dem
Leistungspramienfonds finanziert werden kon-
nen, oder aber auch, 'wenn es sich um so wich-
tige Fragen der wissenschaftlichen Angestellten
wie etwa die Forderung des jungen Nach-
wuchses handelt. Dieses weitreichende Mit-
bestimmungsrecht der Gewerkschaften birgt in
sich selbstverstandlich auch eine Mitverantwor-
tung fur die Staatsaufgaben, die den wissen-
schaftlichen Einrichtungen der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften gestellt werden. In-
sofern besitzt das Presidium der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften, besitzen die Instituts-
leitungen in ihren Gewerkschaftsorganisationen
ein auBerst wertvolles Instrument, wenn es gilt,
Initiative zu wecken und die Bereitschaft fur
die Erfiillung der staatlichen Aufgaben hervor-
zurufen. Von diesem Gesichtspunkt mussen Sie
auch die Aufgaben betrachten, die den Kom-
missionen fur Forschung und Lehre gestellt sind.
Die Kommissionen Forschung und Lehre sollen
fachkundige Hilfsorgane der gewahlten Leitun-
gen sein, sie sollen die Leitungen sachkundig-
wissenschaftlich beraten, damit die Leitungen
ihre Entscheidungen richtig treffen konnen.
Neben ihren gesetzlich festgelegten Kontroll-
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funktionen obliegt insbesondere ihnen die Hilfe;
die sich manchmal in einer wertvollen Kritik
auflern muf3, bei der Losung vor allem der For-
schungsarbeiten in den wissenschaftlichen In-
stituten. Wenn diese Grundauffassung vorhanden
ist, werden Differenzen oder Miflverstendnisse,
wie sie gelegentlich aufgetreten sind, von vorn-
herein ausgeschlossen sein.
Wenn ich versucht habe, ganz kurz die Rechte
der Gewerkschaften und, ihre Aufgaben zu um-
reif3en, dann ergibt sich bereits aus dieser Skiz-
zierung erstens die Frage, ob die Gewerkschaft
Wissenschaft gegenwartig diesen Aufgaben ge-
wachsen ist, und damit auch die Notwendigkeit,
neue Formen und Methoden zu suchen und zu
finden, die die Wirksamkeit der Gewerkschafts-
organisation in den wissenschaftlichen Ein-
richtungen der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften erhohen helfen.
Die Qualitat der Wirksamkeit der Kommissionen
Forschung und Lehre hangt ganz auf3erordent-
lich davon ab, ob wirklich fachkundige und
gleichzeitig verantwortungsbewuf3te Wissen-
schaftler darin mitarbeiten. In diesem Sinne
mochte ich das Presidium und die Herren Se-
kretare bitten, die Arbeit und Wirksamkeit
dieser Kommissionen dadurch zu unterstiitzen,
daB - etwa auch die Herren Institutsdirek-
toren - die wissenschaftlichen Mitarbeiter der
Institute gebeten werden, sich mehr als bisher
fur diese, einem Wissenschaftler durchaus ge-
maBe Form der gewerkschaftlichen Mitarbeit zu
interessieren. Ich darf Ihnen ferner einige Ge-
danken und Vorstellungen des Sekretariats des
Zentralvorstandes der Gewerkschaft Wissen-
schaft unterbreiten:
1. Die weitere Entwicklung des demokratischen
Lebens auch in der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin macht es erforder-
lich, daB regelmiBige Rechenschaftslegungen
der Leitungen und wissenschaftlichen Gre-
mien vor den berufenen Vertretern erfolgen,
daB Rtickblick fiber das Erreichte gegeben
wird und die in der Zukunft erwachsenden
staatlichen Aufgaben erlautert werden. Wir
sind der Auffassung, daB efn solch berufenes
Gremium die gewahlten Vertreter der Beleg-
schaften der verschiedensten Institutionen der
Deutschen Akademie der Wissenschaften, vor
allem die Vorsitzenden der Betriebsgewerk-
schaftsleitungen darstellen konnten. Solche
Rechenschaftslegungen, die vielleicht halb-
jahrlich stattfinden sollten, bieten die Mog-
lichkeiten kritischer Aussprachen und geben
Anregungen, um die Arbeit zu verbessern.
Zum anderen konnte mit diesen Rechen-
schaftslegungen verbunden werden, dab den
verantwortlichen Leitungen der Gewerk-
schaftsorganisationen im Bereich der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften weitere
Aufgaben vom gewerkschaftlichen Gesichts-
punkt her gestellt werden.
Die Losung der vorhin grundsatzlich skiz-
zierten Aufgaben macht es erforderlich, zu
uberlegen, welche Formen und Methoden ge-
funden werden konnen, damit gewerkschaft-
liche Vertreter in den zentralen Gremien der
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Wort kommen, damit das Mitbestimmungs-
recht der Gewerkschaften in alien Fragen,
die das Leben und die Arbeitsbedingungen
der Beschaftigten angehen, verwirklicht wird.
Ich weise darauf hin, daB die Gewerkschaft
z. B. in den Senaten und Fakultetsraten der
Universitaten offiziell vertreten ist, und zwar
selbstverstandlich durch einen Wissen-
schaftler.
Wir sind der Auffassung, daB dieser Vertreter
der Gewerkschaft Wissenschaft seinen Platz
nicht im Presidium der Deutschen Akademie der
Wissenschaften haben sollte, das sich aus nam-
haften Gelehrten zusammensetzt, die in erster
Linie die wissenschaftliche Arbeit in unserer
Republik reprasentieren, sondern in jenem Lei-
tungsgremium, das fur die Koordinierung und
Anleitung der unmittelbaren Tatigkeit der ver-
schiedensten Forschungsinstitute verantwortlich
zeichnet. Dieser Vertreter der Gewerkschaft
Wissenschaft muBte selbst Wissenschaftler sein,
engen Kontakt mit dem Sekretariat des Zentral-
vorstandes der Gewerkschaft Wissenschaft hal-
ten, alle Grundsatzfragen mit ihm bzw. mit den
zustandigen Fachabteilungen des Zentralvor-
standes beraten und klaren. Das bedeutet also,
daB innerhalb der Akademie efn zentraler ge-
werkschaftlicher Verhandlungspartner fur die
leitenden Akademiegremien vorhanden sein
muf3te. Dies ist bei der jetzigen gewerkschaft-
lichen Struktur noch nicht der Fall, und mit
dieser Frage wird sich der Zentralvorstand un-
serer Gewerkschaft noch eingehend befassen.
Das Sekretariat des Zentralvorstandes der Ge-
werkschaft Wissenschaft, als dessen Vertreter
ich diese Gedanken darlege, verspricht sich sehr
viel davon, wenn diese Vorschlage verwirklicht
werden. Wir sind gewiB, dali unsere Vorschlage
durch Sie geprtift werden, eingedenk der Tat-
sache, dab wir gleiche Ziele verfolgen und nach
ihrer Verwirklichung streben."
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3. Jahrgang, Heft 6/7/8 MITTEILUNGSBLATT
Tagungs- and Reiseberichte
Deutsche and polnische Altertumswissenschaftler in Krakau
Vom 24.-29. Juni vorigen Jahres wurde von
unserem Institut ein Zusammentreffen polnischer
and deutscher Gelehrter auf dem Gebiet der
Altertumswissenschaft veranstaltet 1).
Auf Einladung unseres Instituts kamen in jenen
Tagen 20 polnische Wissenschaftlerinnen and
Wissenschaftler zu uns, um von ihren For-
schungsergebnissen zu berichten and einen Er-
fahrungsaustausch zwischen der polnischen and
deutschen Altertumswissenschaft einzuleiten.
Dieses von vollem Erfolg gekronte Unternehmen
lief3 auf seiten der polnischen Kollegen den
Wunsch aufkommen, eine ahnliche Zusammen-
kunft in Polen durchzufiihren, wobei als Ta-
gungsort zunachst Warschau vorgesehen war.
Wahrend in Dresden die Vortrage ausschlief3lich
von den polnischen Gasten gehalten wurden,
sollte in Polen insbesondere die deutsche
Wissenschaft zu Worte kommen.
So erging denn vorn wissenschaftlichen Komitee
fur die antike Kultur an der Polnischen Aka-
demie der Wissenschaften durch das Akademie-
initglied Professor Dr. Kumaniecki an das In-
stitut and an die einzelnen vorgesehenen Teil-
nehmer die Einladung, vom 19.-25. Mai d. J.
in Krakau zu einer Tagung zusammenzutreffen.
Die polnischen Gastgeber hatten spater Krakau
als Tagungsort gewahlt, um den Teilnehmern
Gelegenheit zu geben, diese alte ehrwurdige
Stadt, soweit es in dieser kurzen Zeit uberhaupt
moglich ist, etwas genauer kennenzulernen, and
um die Tagung an dem Sitz der alten 1364
gegrundeten Jagiellonen-Universitat durchzu-
f0hren.
Die Leitung der deutschen Delegation lag in den
Handen von Akademiemitglied Prof. Dr. Zucker.
Als Vertreter des Instituts gehorten der Dele-
gation weiter an: Akademiemitglied Magnifizenz
Prof. Dr. Hartke, Prof. Dr. Irmscher, Prof.
Dr. Schubring, Dr. Dunst, Dr. Mau, Dr. Schnei-
der, Dr. Seyfarth and der Unterzeichnete als
Sekretar der Delegation, ferner Frau Dr. Zucker.
Von den Universitaten nahmen folgende Ver-
treter als Delegationsmitglieder an der Konfe-
renz teil: Prof. Dr. Bielefeld (Greifswald), Prof.
Dr. Blaschka (Halle), Prof. Dr. Dornseiff (Leip-
1 Einen ausfiihrlichen Bericht fiber diese Tagung hat
Frau Dr. Amberg im Mitteilungablatt 2 (1956), Heft
7/8, S. 9ff., gegeben.
zig), Prof. Dr. Peek (Halle), Frau Dr. Simon
(Berlin), Frau Dr. Welskopf (Berlin) and die
Lektoren Werner Krenkel (Rostock) and Frau
use Schneider (Berlin).
Fi of Themengruppen waren vorgesehen, aus
denen die Themen der zu haltenden Vortrage
entnommen waren:
1. Antike Lyrik
2. Griechische Vasenmalerei
3. Antike Philosophie
4. Mittellatein and Mittelgriechisch
5. Antike Epigraphik.
Von deutscher Seite sprachen auf dem Zusam-
mentreffen fast alle Teilnehmer, wahrend von
den polnischen Gastgebern u. a. Prof. Dr. Steffen
(Poznan), Prof. Dr. Tatarkiewicz (Krakau) and
Prof. Dr. Plezia (Krakau) Vortrage hielten.
Auf die Einzelheiten braucht hier nicht ein-
gegangen zu werden, weil samtliche Vortrage
von der Polnischen Akademie zum Druck ge-
bracht werden, so dab alle Interessierten die Vor-
trage spater nachlesen k6nnen.
Nach jedem Vortrag entstand eine sehr lebhafte
and fruchtbare Diskussion, die die einzelnen
Fragenkomplexe verschiedentlich erschopfend
zusammenfaf3te and durchaus nicht immer zu-
stimmend war. Ich kann wohl sagen, daB es eine
sehr anstrengende Konferenz war, weil, wie so
oft auf Tagungen, nicht nur eine sehr gute, son-
dern auch sehr reichliche wissenschaftliche Kost
geboten wurde, and dies sowohl in den Vortragen
wie auch in den Diskussionsbeitragen.
Ich darf jetzt kurz auf den Verlauf der Tagung
and des Aufenthaltes in Polen eingehen:
Am Sonntag, dem 19. Mai, kamen wir fri h auf
dem Warschauer Hauptbahnhof an and wurden
von unseren Gastgebern, insbesondere von Pro-
fessor Dr. Kumaniecki and Kand. Jurewicz auf
das herzlichste begriiflt. Man wuf3te sofort, daB
man sich in Polen zu Hause fiihlen wurde. Nach
einer Friihsttickspause begann die Besichtigung
der Stadt, vor allem des nach historischen Zeich-
nungen wiederhergestellten alten Stadtteils, der
ein kurzer Spaziergang, die Besichtigung des
Marienbezirks and eine Fuhrung durch das pol-
nische Nationalmuseum folgten. Nach ' dem
Mittagessen, das in Polen im allgemeinen erst
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 6/7/8
am Nachmittag eingenommen wird, fuhren wir
nach Krakau, wo? wir gegen 22 Uhr eintrafen.
Die Eroffnung der Tagung erfolgte am Montag,
dem 20. Mai, frith um 10 Uhr in der Aula der
Krakauer Universitat, wahrend die anderen Vor-
trage am Montag nachmittag im archaologischen
Institut and am Dienstag und' Mittwoch im Sit-
zungssaal der Polnischen Akademie der Wissen-
schaften gehalten wurden. Nach den einleiten-
den Worten von Prof. Dr. Kumaniecki in pol-
nischer and deutscher Sprache nahm der Rektor
der Universitat Prof. Dr. Grodzinski das Wort.
Nach ihm hielt der Dekan der Philologischen
Fakultat, Professor Dr. Madyda, eine Ansprache
in lateinischer Sprache, die von alien Teilneh-
mern mit besonderer Begeisterung aufgenommen
wurde. SchlieBlich sprach im Namen der deut-
schen Delegation deren Leiter, Akademiemitglied
Prof. Dr. Zucker.
Aus alien Reden klang als Tenor die Feststellung
der engen wissenschaftlichen Zusammenarbeit
zwischen den polnischen and deutschen Wissen-
schaftlern, fur die gerade die Altertumswissen-
schaft ein besonders fruchtbares Bild ist, and
der Verbundenheit der beiden Volker.
Nach dem AbschluB der Tagung gab der Rektor
im alten Universitatsgebaude, dem Collegium
Maius, einen Empfang. Bei dieser Gelegenheit
wurde diese alte wissenschaftliche Statte mit
ihren Schatzen and Universitatsinsignien be-
sichtigt. Noch heute werden dort im alten Senats-
saal, der mit herrlichen Olgemalden geschmi ckt
ist, die die ehemaligen Rektoren darstelien, Fest-
sitzungen der Universitat durchgefiihrt. Bereits
bei diesem Empfang zeigte es sich, wie ertrag-
reich die Konferenz fur die wechselseitigen wis-
senschaftlichen and personlichen Beziehungen der
Altertumswissenschaftler Polens and der Deut-
schen Demokratischen Republik, die ja bekannt-
lich schon in Dresden engere Formen angenom-
men hatten, sich auswirkte. Man saf3 zusammen
and sprach miteinander, als ware man eine Fa-
milie 2). Hier sei auch auf die sprichwortliche
Gastfreundschaft unserer polnischen Freunde,
insbesondere des Leiters des Komitees, Prof.
Dr. Kumaniecki, and des Organisators der Ta-
gung, des Kollegen Jurewicz, besonders hin-
gewiesen and alien herzlichst gedankt.
2 Vgl. hierzu auch die Ausfiihrungen des Verfassers
anla.Blich der Woche der Deutsch-Polnischen Freund-
schaft 1956 im Mitteilungsblatt 2 (1956), Heft 6,
S. 26ff.
Nachdem am Mittwoch nachmittag eine Stadt-
besichtigung unter der kundigen Fiihrung von
Herrn Prof. Dr. Plezia, Krakau, erfolgte, sahen
wir Donnerstag die Tatra in Zakopane in nachster
Nahe.
Am Freitag vormittag wurde unter der Leitung
Prof. Plezias die Krakauer Konigsburg, der
Wawel, mit dem koniglichen SchloB and der
Kathedrale besichtigt. Wir Standen am Sarko-
phag von Adam Mickiewicz, des groBten pol-
nischen Dichters.
Die Kunstschonheiten Krakaus hier zu schildern,
ist leider nicht moglich, weil Worte niemals die
Anschauung ersetzen konnen. Krakau selbst ist
nicht zerstort. Trotz moderner Verkehrsmittel,
wie Strallenbahn and Auto, hat man stets den
Eindruck, dab Krakau seinen mittelalterlichen
Charakter nicht verloren hat.
Am Freitag abend kehrten wir nach Warschau
zuriick and besichtigten am Sonnabend, dem
25. Mai, am Vormittag nochmals unter anderem
den schonen Park Lazienki mit dem herrlichen
LustschloB and der Freilichtbizhne. Wiederum
hatten wir Gelegenheit, die aus den Triimmern
wiedererstandene historisch naturgetreu nach-
gebaute Altstadt zu sehen and zu bewundern.
Leider konnte day Stadtschlof3 noch nicht wieder
neu errichtet werden.
Um 13 Uhr wurde die deutsche Delegation von
dem ersten Sekretar der Abteilung I der Pol-
nischen Akademie, Prof. Dr. Arnold, empfangen.
Vorher nahmen wir die Gelegenheit wahr, den
Kulturpalast an der Marschalkowska, der be-
riihmten Warschauer HauptstraBe, ein Geschenk
des Sowjetvolkes an Polen and im Stil der Lo-
monossow-Universitat in Moskau erbaut, zu be-
sichtigen and Warschau vom 30. Stockwerk aus
zu betrachten. Der Empfang fand im 20. Stock-
werk statt.
Mit dem Nachtschnellzug verlieB die Delegation
am Sonnabend abend Warschau, um nach Berlin
zuriickzukehren.
Zusammenfassend darf ich wohl im Namen aller
Teilnehmer sagen, daB auch diese Zusammen-
kunft die wissenschaftlichen and personlichen
Bindungen zwischen den polnischen and den
deutschen Altertumswissenschaftlern weiterhin
gefestigt and vertieft hat.
Dr. E. PIEKNIEWSKI
Wissenschaftlicher Assistent am Institut fur
griechisch-romische Altertumskunde
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3. Jahrgang, Heft 6/7/8 MITTEILUNGSBLATT
,,Ewiges Rom"
(Fortsetzung des Italienreiseberichtes)
An einem fruhen Aprilmorgen tragt mich der
Zug nach Siiden: nach Rom. Die ersten goldenen
Strahlen der aufgehenden Sonne zucken fiber
die Mauern der Stadt, es taucht das Grabmal des
grol3en Theoderich auf, dann verlegt eine Kurve
der Strecke den Blick and das neue Ziel zieht
die Gedanken auf sich.
Rom, die ,ewige Stadt", ihre Anfange liegen in
sagenhaftem Nebel fruher Historie. ?Ihr aber
setzt' ich im Raum noch in der Zeit eine Grenze:
Herrschaft ohn' Ende hab' ich ihr gegeben...`'
i berliefert uns Vergil. Die Vision des Daniel-
buches steigt auf: vier Reiche werden sein and
dann keines mehr ... and in der Tat durch Jahr-
tausende ist Rom Zentrum geblieben, gewif3
unter wechselnden Bedingungen and auch unter
wechselnden Aspekten. Um den Palatin kreisen
schattenhaft die ersten Anfange der Geschichte
der Stadt, von Eroberung zu Eroberung eilend,
so verlauft die weitere Entwicklung. Das anfang-
liche Konigtum geht in die Republik fiber and
am Ende steht das kaiserliche Rom, das das ge-
samte Mittelmeerrund samt weiter Strecken des
Hinterlandes in seinen Grenzen vereinte. In
Schottland, in Spanien, in Nordafrika, am
Euphrat and im tiefen Kleinasien standen die
Legionsadler.
Aber es ware einseitig, allein these Seite zu
sehen. Weit schweift der Blick vom capitolini-
schen Hugel Uber die Reste des Forum Romanum,
des politischen, wirtschaftlichen and religiosen
Mittelpunktes des Imperiums. Halb links im
Vordergrund steht noch ein Teil der Rostra, da-
neben die Senatskurie, wenig weiter die Reste
des Vesta-Tempels, hoch ragt noch ein Saulen-
rest des Kastor- and Pollux-Tempels... Die Ge-
danken greifen zuriick: Hier standen die Grac-
chen, bier stand einst Cato, Caesar wurde nur
wenig hinter diesem Platz verbrannt.
Neben der Geschichte der imponierenden auf3e-
ren Ausdehnung steht die innere Auseinander-
setzung. Konsuin, Usurpatoren, Caesaren, groBe
Manner, aber auch Gestalten voll abstollender
Minderwertigkeit sind in sie verflochten. Aber
ununterbrochen stromt die romische Quelle,
wohl zerfallt das Reich in zwei Halften, der
Westen wird die Beute einwandernder germa-
nischer Stamme, wohl ist Rom oft aufs auBerste
hedroht, aber es besteht fort. An die Bauten aus
der fruhen Konigszeit, aus der republikanischen
Zeit reihen sich die kaiserlichen Monumente,
Foren, Basiliken, Saulen, Triumphtore u. a. m.
Aus dem alten Rom wachst das mittelalterliche,
verschont durch die Renaissancepalazzos and
Barockkuppeln, durch Wunderwerke, die sich
durch die Meisterschaft ihrer Schopfer wurdig
an die alten Bauwerke anschliel3en.
Aber es gibt noch ein anderes Rom; ein unter-
irdisches, die Roma sotteranea, das Rom der Ka-
takomben, der unterirdischen Nekropolen. Hier
spricht neben der Geschichte der auf3eren Ent-
wicklung des Reiches, seiner stolzen Triumphe,
seiner zusammenfassenden Verwaltung, seines
ausgefeilten Rechts eine andere, die spatantike
Religionsgeschichte, vielschichtig in ihren Im-
pulsen, ihren Hoffnungen.
In Rot and Gelb, Braun and Griin, Blau and
Ocker leuchten die Cubicula, die seitlich der
mehrgeschossigen Gange liegen. Genien, kleine
Eroten, Weintraubengerank, i ppige Trauben,
Delphine, Tauben and zahlreiche spielende Tiere
wie Hasen, Eichhornchen sind Hinweis auf die
eleusinischen Gefilde, auf die der Lebende
hoffte - wenn einst die Zeit irdischen Lebens
abgelaufen sei. ,In pace" steht schlicht an den
Gangen, auf kleinen in die Wande eingelassenen
Tafeln, oft ziert sie noch ein winziger Palm-
zweig, ein kleines Kreuz, ein Anker oder das
Fischsymbol; bier sind wir mitten in einer christ-
lichen Katakombe. Betritt man die Domitilla-
Katakombe, so durchschreitet man zunachst eine
unterirdische Basilika, erbaut fiber den Grabern
fruher Martyrer. Mattes Licht nur fallt auf die
seitlichen Wande, die mit Resten and Fragmen-
ten von Grabplatten bedeckt sind, dann betritt
man das Labyrinth der Gange, die in drei Stock-
werken mit insgesamt 17 km Strecke unter der
Erde hinlaufen. Symbolische Darstellungen be-
decken die Wande: Daniel in der Lowengrube,
Susanna mit den drei seniores, die drei Junglinge
im Feuerofen, Jonas in der Ki rbislaube bzw.
vom Ketos an den Strand gespieen - ein Zeichen
des Glaubens an die Unsterblichkeit, des wieder-
gewonnenen Paradieses and des Sieges uber eine
Welt, die in ihren Festen bebte. Ein Gleiches
spricht aus den Sarkophagseiten, deren schonste
and eindrucksvollste die Galerie im Lateranen-
sischen Museum vereinigt. Auf die Lowenjagd-
und Schlachtsarkophage des ausgehenden 3. nach-
christlichen Jahrhunderts folgen die christlichen
Sarkophage mit eigenen Motiven, die Unsicher-
heit and Fragwurdigkeit aller menschlichen
Existenz in dieser Spatzeit Roms, in der die
Barbaren immer deutlicher an die weitgesteckten
Grenzen pochen, in der die innere Krise wachst,
wandelt sich in Hoffnung and Gewif3heit ...
Sie spricht auch aus jenen groBen Basiliken, die,
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MITTEILUNGSBLATT 3. Jahrgang, Heft 6/7/8
einst dem profanen Zweck vorbehalten, schlief3-
lich auf gottesdienstlichen Gebrauch sich be-
schranken. Zwar stehen die alten, friihen Basi-
liken nicht mehr, neue Mauern stehen auf den
Fundamenten, aber dennoch ist es ein uberwal-
tigender Eindruck, die Klarheit der Linien-
fuhrung, die Exaktheit der Abmessungen, das
hohe Rund der Apsiden zu verfolgen, die die Zeit
tiberdauert haben, mag auch hier ein neuer
Dekor die spater ersetzte Wand decken oder ein
Barockaltar and allerlei sonstiger Zusatz das alte
Bild triiben.
Richtpunkte durch die Zeiten sind die Monu-
mente der ,ewigen Stadt", sei es nun das ge-
waltige Rund des Colosseums, seien es die Bogen
des Konstantin, des Titus, Tiberius and anderer,
seien es die hohen Saulen, wie z. B. die des
Trajan, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft,
zweier Barockkuppeln erhebt. Reliefbander zie-
hen Bich um das Rund der schlanken Saule mit
Darstellungen der kriegerischen Triumphe des
Kaisers. Noch die Zeit des Kaisers Barbarossa
verbot in Bewunderung dieses Werkes jede Be-
schadigung, bis ans Ende der Zeiten solite sie
unversehrt stehen bleiben. Wenig weiter gruf3t
das Standbild des Restitutors des Reiches, Octa-
Aus der Gruft des Apostelfi rsten steigt der neue
Herrscheranspruch auf: Der romische Bischof
wird zum Haupt der Christenheit. Unter diesem
Gedanken betritt man das ausladende Rund der
elliptischen Kolonnaden, das die Peterskirche
auf beiden Seiten einschlief3t. Fast dreihundert
Saulen and etwa 150 Heiligenstatuen sind der
Schmuck dieses Platzes, den vor allem der Ge-
nius des Lorenzo Bernini innerhalb eines Jahr-
zehntes schuf. Dem Auge des eingeweihten
Beschauers scheinen die Grol3enproportionen
des eigentlichen Petersbaues nicht so gewaltig,
wie sie indessen sind. Erst wenn man weiB,
daB der Wiener Stephansdom in den Bau
hineinpassen wurde, daB allein die Peters-
kuppel die GroBe des Pantheon hat, ermiBt man,
welch gewaltiges Bauwerk man betritt, das
durch spatere Zutaten an Unmittelbarkeit des
Eindruckes eingebul3t hat. Durch die breite Via
della Conciliationis erreicht man die Engelsburg,
den oftmaligen Zufluchtsort des Papstes in den
Machtkampfen des Mittelalters. Hoch uberragt
ein Engel die Zinnen des Bauwerkes, das einst
von Kaiser Hadrian als Mausoleum gebaut
wurde and spater die sterblichen Reste mehrerer
Kaiser aufnahm. Als Alarich Rom ersturmte,
vianus Augustus. Die zeitenkundigen Romer ' plunderten seine Scharen den Bau, dann wurde
haben den Grof3en ihrer Geschichte hier Sta-
tuen aufgestellt, die den klassischen Schop-
fungen nachgebildet sind. Man denkt an diesen
Mann, der so umstritten in der Wertung ist,
den die einen als Schauspieler, wenn auch ener-
gisch and voller Verdienste, die anderen als
einen echten Romer erfassen. In Kiirze tragt
die Tram zu den gewaltigen Caracalla-Thermen,
dicht unterhalb der Via delle Terme. Nahe dabei
liegt der Circus Maximus, nur kurze Minuten
and man steht an den Resten der Kaiserpalaste.
Hier baute Trajan, vor ihm Augustus, spater
noch Domitian. Hier liegt das Haus der Livia,
die Domus Augustana, auch das sogenannte gol-
dene Haus des Nero gehort in diesen Bezirk
and vor allem noch der Flavier-Palast.
Zu uppig wuchert hier Geschichte, Baugeschichte,
Stadtgeschichte, um auch nur einen ungefahren
t7berblick fiber die Fiille des i1berall doch we-
nigstens noch in Trummern Sichtbaren zu
geben.
Eine andere Welt and dennoch dieser antik-spat-
antiken Zeit wiederum vielfaltig verbunden liegt
auf der anderen Tiberseite: Petersdom and
Engelsburg. Aus. den Ruinen des untergehenden
Roms, des vergehenden Imperiums erhob sich
ein neues Rom, nicht ein Rom der Legionen, aber
ein neues geistiges Zentrum.
es papstliches Refugium nach wechselnden
Schicksalen. Nachts kronen Tausende von Gliih-
birnen den Kranz der Bastionen, werfen ihr
Licht auf die Gestalten der Engelsbriicke, die
den Bau mit dem gegenuberliegenden Ufer ver-
bindet, and lassen die Schatten gespenstisch im
Tiberwasser spielen. Wendet man den Blick
die Via della Conciliationis zuruck, so sieht man
fiber der Peterskuppel die kronende Laterne
leuchten. Schwach zeichnen sich die Umrisse der
Galerien, Museen, Wohnbauten and Mauern
gegen den Nachthimmel ab. UnermeBlich sind
die Werte, die sie bergen. Man denkt an die Lao-
koon-Gruppe, den sterbenden Gallier, den Apoll
von Belvedere, die Sixtinische Kapelle, die wert-
vollen Handschriften, Gemalde and sonstigen
Gegenstiinde, die oft einzigartig sind. Auch hier
ist es eine nur flilchtige t7berschau fiber eine
Fiille, die taglich Tausende anlockt and sie fiber
Galerien and Gange wandern laBt.
So scheint Rom eine Reihe von Gesichtern zu
haben: das Rom der Geschichte im iiblichen
Sinne, das Rom als kunstgeschichtlich-archaolo-
gisches Phanomen, das christliche Rom, das Rom
des Barockzeitalters.
Alle aber sind sie nur Akzente, Rom ist nur das
eine, das durch die Zeiten bleibende, alle Zeiten
in sich bergende. Steht man oben auf dem Pincio,
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einem hohen Platz uber der Stadt, der sich durch
seinen einzigartigen Blick uber das Hausermeer
zu seinen Filf3en auszeichnet, am besten zur Zeit
des Sonnenunterganges, dann spurt man these
grof3e durch die Geschichte gehende Einheit:
Rot und golden gliiht die Kuppel von St. Peter
auf der Stelle, die der Tradition nach einst das
Petrusgrab barg, zahllos die fibrigen Kuppel-
kirchen, die sich in festlicher Harmonie hinzu-
gesellen; dunkelrot, schwarzrot erheben sich die
alten Mauern des kaiserlichen Roms, das ge-
waltige Rund des Colosseums, der Kaiserforen,
dazwischen die hohen Wande der grof3en Haupt-
basiliken, oft bekront von barockem Figuren-
schmuck. Nur schwach sind noch die fernen
Albanerberge sichtbar, jene Hange, die die be-
ruhmten Vini di castelli wachsen lassen, an denen
Hannibals Heer einst rastete und die heute der
Grof3stadt Erholung bieten in der heiBen Jahres-
zeit, wenn das Hausermeer in gluhender Hitze
liegt.
,,Quando cadet Roma, cadet et mundus" - Rom
im eigentlichen Sinn ist dahin, dahin ist das ge-
waltige Imperium von den Kiisten Schottlands
bis zum Euphrat, vom Atlas bis zum Schwarzen
Meer, aber dennoch ist Rom geblieben. Hier
schichten rich die Jahrhunderte nicht wie geo-
logische Formationen ubereinander, sondern sie
stehen nebeneinander und bestehen weiter fort.
Die Namen der Barockmeister Bernini, Borromini
stehen neben denen der kaiserlichen Bauherren,
Michelangelo und Bramante neben den meist
unbekannten Meistern der Skulptur der friihen
christlichen Jahrhunderte. Alle eint der eine Ort,
alle Zeiten aber faf3t der Ort und der Gedanke
des ,ewigen Roms", der Roma aeterna.
Dr. H. MICHAELIS
Wissenschaftlicher Oberassistent am Institut fur
griechisch-romische Altertumskunde
Zwischen Leningrad und Erewan
EindrUcke von einer Handschriftenreise in die Sowjetunion
Gerade versinkt der glutrote Sonnenball in einer
dichten Wolkendecke, als die Maschine der Deut-
schen Lufthansa scharf nach unten driickt und
unter uns die Walder um Moskau auftauchen.
Hier und da liegt noch Schnee, ein ungewohnter
Anblick nach dem Berliner Fruhling. Sicher
landet die IL-14 in Wnukow. Es ist der 8. April.
Was werden uns die nachsten 6 Wochen bringen,
ehe wir Ende Mai hier wieder abfliegen?
Unser Auftrag steht in grof3en Ziigen fest: grie-
chische Handschriften, die fur die Arbeit der
Kommission fur spatantike Religionsgeschichte
von Wichtigkeit sind, aufzusuchen, zu unter-
suchen und - soweit notig - zu fotografieren.
Aber wie wird unsere Arbeit im einzelnen vor
sich gehen? Werden wir alles erreichen, was wir
erwarten, vielleicht gar Neues, Unerwartetes
finden? Wir sind nicht unvorbereitet. Schon 1954
ist Prof. D. K. Aland, der Leiter unserer Dele-
gation, in der Sowjetunion gewesen, hat Kon-
takte aufgenommen und eine fbersicht uber die
vorhandenen Bestande gewonnen. Jetzt gilt es,
das Begonnene fortzufiihren. Moskau und Lenin-
grad haben die groBten Bibliotheken, die reich-
sten Handschriftenschatze, das war bekannt.
Doch auch in anderen Stadten gibt es Samm-
lungen, die uns interessieren, von denen wir
aber viel weniger wissen.
Zuerst also in Moskau, und bier, neben der Uni-
versitatsbibliothek, dem Zentralarchiv alter
Akten und dem Puschkin-Museum, vor allem
die Bibliothek "des Historischen Museums am
Roten Platz und die Leninbibliothek. Die ersten
Tage vergehen mit informatorischen Besuchen,
Gesprachen, vorbereitenden Arbeiten. Mit drei
Tagen Verspatung trifft endlich ein dritter Mann
ein, unser Fotospezialist Klaus Junack. In einem
Campingbeutel hat er seine ganze Ausrustung:
eine ,,Praktina" mit 17-m-Zusatzkassette, ein
Zeiss-Universalstativ, Leuchten, Kabel und was
sonst noch dazu gehort. Auch hier eine Ungewif3-
heit: Wird der Apparat sich bewahren, die Be-
lastung aushalten? Er tut es glanzend. Am Ende
der Reise stellt sich heraus, daB wir fast
16 000 Aufnahmen gemacht haben. Ein Amateur,
der jeden Monat eine Kleinbildpatrone verknipst,
also 12 im Jahr (und das ist reichlich bemessen,
wenn ich an meine eigenen Amateurerfahrungen
denke), wurde uber 30 Jahre brauchen, ehe er
seine Kamera so oft ausgelost hatte, wie wir es
in sechs Wochen taten. An manchen Tagen wer-
den es gut 2000 Aufnahmen, bis zu 400 in der
Stunde, freilich unter den giinstigsten Bedingun-
gen und wenn alle drei mithelfen, die Hand-
schrift umzublatterri, zu glatten und in ihrer
Lage zu halten und den Apparat zu bedienen.
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Allerdings gibt es dann auch Blasen an Daumen
and Zeigefinger vom standigen Drehen des Auf-
zugknopfes. Hauptsache, daf3 die Aufnahmen
geraten! Das Labor der Leninbibliothek ent-
wickelt uns die ersten Filme. Welche Erleichte-
rung, daf3 alle gelungen sind! Abends sitzen wir
dann im stockdunklen Badezimmer, packen die
belichteten Filme in Blechdosen, fiillen die Kas-
setten neu ...
Aber es gibt nicht nur Arbeit, es gibt auch Er-
holung, Belehrung: Museen, die Oper, Ballett,
den Kreml, Eindrucke Uber Eindrucke. Die prach-
tige Metro laf3t mit ihrer Zugfolge von 1-2 Mi-
nuten den Berliner vor Neid erblassen. Selbst
gegen Mitternacht ist der Zugabstand nie grof3er
als 4 Minuten. Im Stra3enverkehr fiihlt sich der
Fuf3g5nger trotz des Autogewuhls absolut sicher,
geht bei Rot uber den Damm - and darf es.
Nach zwei Wochen haben wir unser Moskauer
Programm bewaltigt, and am 26. April geht es
weiter nach Leningrad. Auf der Newa schwim-
men noch Eisschollen, aber schon sind die Abende
merklich langer als in Moskau. Um 9 Uhr abends,
wenn wir aus der Saltykow-Stschedrin-Biblio-
thek kommen, ist es noch heller Tag. Viel Arbeit
gibt es auch in der Akademiebibliothek. An den
i berraschendsten Stellen finden sich auf3erdem
griechische Handschriften: in der Eremitage, im
Akademiearchiv, im historischen Institut, im
Orientinstitut, ja selbst im Institut fur moderne
russische Literatur. Einmal kommt uns der Zu-
fall zu Hilfe: Vor zwei Jahren erhielten wir vom
Sekretar des sowjetischen Friedensrates den
Mikrofilm einer Leningrader griechischen Hand-
schrift. Aber nun an Ort and Stelle konnen wir
these Handschrift nirgends finden. Auch im
Akademiearchiv fragen wir danach and er-
wahnen beilaufig, daf3 der Kodex auf den ersten
Blattern Eintragungen in arabischer Sprache
enthalte. Da meldet sich vom Nebentisch ein
Mitarbeiter des Orientinstituts, der gerade im
Archiv arbeitet: sein Institut besitze neben vielen
arabischen auch einige griechische Handschrif-
ten. Am nachsten Tag besuchen wir das Institut
and finden tatsachlich unsere langgesuchte Hand-
schrift!
Die Maifeiertage geben willkommene Gelegen-
heit, die Stadt im' Festgewand kennenzulernen.
Am 1. Mai schlief3en wir uns mit unserem Dol-
metscher der Demonstration an. Gelegentliche
Regenschauer konnen die allgemeine Stimmung
nicht storen. Wenn der Zug stockt, improvisiert
man ein Tanzchen. Am Abend drangen sich die
Menschen am Newakai, wo auf dem Strom prach-
tig illuminierte Kriegsschiffe liegen. Am 2. Mai,
3. Jahrgang, Heft.6/7/8
hier ebenfalls Feiertag, gehen wir in die Ere-
mitage. Von 11 bis 6 Uhr ist dieses einzigartige
Museum geoffnet. Wir bleiben den ganzen Tag
dort, and doch langt die Zeit nicht, auch nur die
wichtigsten Abteilungen zu durchwandern.
Eines Tages ruft uns unser Dolmetscher aus dem
Lesesaal der Bibliothek heraus. Soeben ist die
Nachricht aus Moskau gekommen, daf3 wir -
was vorher fraglich war - noch nach Tbilissi
and Erewan fahren konnen. In Windeseile muf3
das neue Programm entworfen werden. Unsere
Arbeit in Leningrad wird so schnell wie moglich
zu Ende gefiihrt, and am 9. Mai fliegen wir zu-
ruck nach Moskau. Hier ist inzwischen der Friih-
ling eingezogen, and statt der 5 Grad in Lenin-
grad herrschen 25 Grad, ein Vorgeschmack des
Siidens, der uns erwartet.
Der Morgen beginnt gerade erst zu dammern,
als wir gegen 4 Uhr am 12. Mai zum Fluge nach
Tbilissi starten. Es ist die langste Etappe der
Reise, weiter als nach Berlin. Bald nach der
Zwischenlandung in Rostow am Don erreichen
wir die Kiiste des Schwarzen Meeres. Bei strah-
lendem Sonnenschein bietet sich ein uberwalti-
gender Fernblick. Wir fliegen die Ki ste entlang,
zur Rechten das endlose Blau der See, links steil
aufsteigend die Schneegipfel des Kaukasus. Dann
biegen wir landeinwarts, die Maschine klettert
hoher, einem Fluf3tal folgend. Um 1,/212 landen
wir in Tbilissi - and mussen unsere Uhren auf
1/21 stellen, in Berlin ist es jetzt 1/210. Tbilissi
ist eine Millionenstadt, lang hingestreckt am
Ufer der Kura. Die Hauser schieben sich in die
Seitentaler, die Range hinauf. Palmen am Rusta-
weli-Prospekt, i ppige Gri nanlagen, Spring-
brunnen, and auf dem Berge hoch uber der Stadt
ein wunderbarer Park. Eine Zahnradbahn fiihrt
hinauf. Wir besuchen die Grusinische Akademie
der Wissenschaften, werden aufs liebenswur-
digste empfangen. Die Arbeit fi hrt uns in das
Grusinische Museum. Wir fotographieren neben
einer Reihe von Fragmenten zwei wertvolle alte
Evangelienhandschriften aus dem 9. Jahrhun-
dert, von denen eine noch gar nicht naher be-
kannt ist. Am Abend besuchen wir die alte
Landeshauptstadt Mzcheta, jetzt ein vertraumtes
Landstadtchen. Die gewaltige Kathedrale aus
dem 11. Jahrhundert zeugt von vergangener Zeit.
Und noch ein Jahrtausend frilher: ein kiirzlich
entdeckter Grabbau, dessen Architektur grie-
chische Einfli sse mit einheimischen Elementen
merkwurdig verbindet. fiber der Stadt auf kahler
Hohe ragt das Dschwari-Kloster aus dem 5. Jahr-
hundert. Aber die Auffahrt ist schwierig and
schon dunkelt es. Wir mussen zuri ck.
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In der Nacht zum 15. Mai geht es weiter nach
Erewan. Mit dem Flugzeug ware es nur eine
Stunde, der Zug braucht 14 Stunden, um sich
durch das Gebirge hindurchzuarbeiten. Auf der
Karte sieht es so nah aus! Lange Zeit fahren wir
dicht an der ti rkischen Grenze entlang. Gegen
Mittag zeigt sich eine merkwurdige Wolkenbil-
dung, die fast vie ein Berggipfel aussieht. Zu-
erst trauen wir unseren Augen nicht, aber es ist
kein Zweifel, es ist wirklich ein Berg, der Ararat,
der ohne Vorgebirge aus der Hochebene bis fiber
5000 m ansteigt. Wir fragen einen Schaffner, wie
hoch er eigentlich sei. Die Antwort ist iiber-
raschend: ,Daf3 weif3 niemand, denn noch ist
kein Mensch oben gewesen". Nun, ganz so ist es
nicht, aber die Besteigung ist in der Tat nur
selten geglilckt. Der grof3e and der kleine Ararat,
sie sind das Wahrzeichen Armeniens and er-
scheinen auch im Landeswappen. Spater sitzen
wir lange Zeit auf einer Anhohe, beobachten, wie
sich die Wolken um den Gipfel standig verschieben,
and warten auf einen gunstigen Moment zum
Fotografieren. Und immer wenn wir meinen,
jetzt sei es am besten, and losdriicken, mussen
wir feststellen, daf3 die Aussicht wenig spater
schon wieder anders and vielleicht noch reiz-
voller ist.
In der Staatlichen Handschriftensammlung, auf
armenisch Matenadaran, gibt es eine beruhmte
Kollektion armenischer Handschriften, and bei
einer Reihe von ihnen hat der Buchbinder
Blatter aus griechischen Handschriften vorn and
hinten zum Schutz mit eingebunden. Das bringt
filr den Fotografen technische Schwierigkeiten,
fur den Philologen aber ebenfalls einige Pro-
bleme: es zeigt sich, daB Blatter aus ein and der-
selben griechischen Handschrift in mehreren ar-
menischen Banden eingebunden sind, eine Tat-
sache, die auch fur die Geschichte dieser arme-
nischen Handschriften von Bedeutung ist. Wir
konnen so, in enger Zusammenarbeit mit den
armenischen Bibliothekaren, Ergebnisse ge-
winnen, die fur beide Seiten niitzlich sind. Die
Hilfsbereitschaft and Gastfreundschaft, die wir
iiberall antreffen, bewahrt sich auch in Armenien
in uberwaltigender Weise, vom Empfang bei der
Akademie angefangen bis buchstablich zum
,,Mann auf der Straf3e". Nur ein Beispiel dafiir:
Eines Abends besichtigen wir die Ausgrabungen
an der urartaischen Festung Teischebaini auf dem
Karmir-blur (= roten Hugel) vor den Toren
Erewans. In einem kleinen Hain werden wir
plotzlich angerufen. Eine frohliche Picknick-
gesellschaft hat es sick im Grase bequem gemacht.
Ehe wir es uns vergehen, sind wir mit in den
Kreis hineingezogen, haben jeder ein Glas in der
Hand and mussen auch von den Speisen kosten.
Als Kurden stellen sich unsere Gastgeber vor,
?wir Sind alle eine grol3e Familie", heif3t es. Nur.
schwer konnen wir uns trennen, um unseren Weg
fortzusetzen. Tags darauf beenden wir unsere
Arbeit in Erewan and damit zugleich die Arbeit
dieser ganzen Reise. Am Nachmittag besuchen
wir noch Etschhmiadzin, die alte Hauptstadt mit
ihren bedeutenden Bauwerken. Die altesten Teile
der Kathedrale, horen wir, stammen aus dem
4. Jahrhundert.
Am Sonntag, dem 19. Mai, geht es zuriick nach
Moskau. Die Eisenbahn braucht fiber 3 Tage, das
Flugzeug benotigt 10 Stunden. Nie zuvor ist es
uns so deutlich geworden, wie grof3. and viel-
faltig das Land ist. Wir starten in Armenien,
landen zum erstenmal in Suchumi, d. h. in Gru-
sien, dann in Rostow, d. h. in der RSFSR. Die
nachste Station ist Charkow in der Ukraine. Und
zum Schluf3 Moskau: Von fern schon erblickt
man den Turm der neuen Universitat, die uns
nun schon vertraute Silhouette. Die letzten Tage
vergehen mit Abschiedsbesuchen, Um- and Ein-
packen. Als wir am 21. Mai zum Flugplatz kom-
men, gibt es noch eine Uberraschung: unsere
Lufthansa-Maschine ist am Tage zuvor wegen
eines Gewitters nicht gekommen, and wir mussen
bis zum nachsten Morgen warten. Aber das ist
auch keine verlorene Zeit. Die Stunden vergehen
schnell, wahrend wir den Verkehr auf dem Flug-
platz beobachten. Maschinen aus alien Teilen des
Landes kommen and fliegen ab, in steter Folge.
Eindrucklich ist der Start einer gewaltigen
TU-104 nach dem Fernen Osten. Friih am 22. Mai
sind auch wir an der Reihe, die letzte Etappe
dieser 10 000-km-Reise ist erreicht. Sie hat uns
viel Arbeit and manche Erfolge gebracht, and wir
hoffen, durch sie zu unserem bescheidenen Teil
dazu beigetragen zu haben, die wissenschaftlichen
and menschlichen Beziehungen zwischen unseren
Volkern zu vertiefen. Viel Arbeit steht noch vor
uns, denn die 275 Handschriften aus sowjetischen
Bibliotheken, die wir nun insgesamt im Film be-
sitzen, wollen erst ausgewertet sein. Zum Teil
kommt ihnen aulerordentliche Bedeutung zu,
als Gesamtkomplex sind sie iiberhaupt noch
nicht untersucht. So werden die Resultate im
Druck wohl einen dicken Band ergeben, in dem
der Fachmann all das finden wird, w4s in den
vorliegenden Bemerkungen nur gestreift werden
konnte.
Dr. K. TsEU
Wissenschaftlicher Assistent am Institut fur
griechisch-romische Altertumskunde
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Mir wurde die Moglichkeit gegeben, die Samm-
lungen antiker Kunstdenkmaler in Munchen and
Wurzburg zu studieren. Vom 19. Mai bis 7. Juni
war ich unterwegs. Ich fuhr zuerst nach Mun-
chen, wo mein besonderes Interesse dem dor-
tigen Miinzkabinett gait. Munchen besitzt eine
verhaltnismaBig groBe and bedeutende Samm-
lung antiker Munzen, die zur Zeit, solange uns
die Berliner Sammlung nicht zur Verfugung
steht, die wichtigste in Deutschland ist. Bereit-
willig bekam ich dort all das Material, das ich
zu sehen wunschte, zur Verfugung gestellt.
In Verbindung mit der Corpus-Arbeit lieB ich
mir zuerst das thrakische Munzmaterial geben,
um einmal einen Vergleich zu haben zwischen
den Gipsen in Berlin and den betreffenden Ori-
ginalen, zum anderen, um am Beispiel des MUn-
chener Kabinetts zu sehen, inwieweit das Cor-
pus-Material noch vollstandig ist. Dabei muBte
ich bei der Durchsicht feststellen, daB hier ein
groBer Teil mehr an Typen vorhanden ist, als es
das Corpus-Material aufzuweisen hat. Vermut-
lich sind these Stucke in der Zwischenzeit, da
die Sammeltatigkeit fur das Corpus mit dem An-
fang des Jahrhunderts aufhorte, vom Munchener
Kabinett zugekauft worden. Es besteht aber auch
die Moglichkeit, daB GipsabdrUcke in dem Durch-
einander vergangener Jahre verlorengegangen
sind.
Als nachstes babe ich die sogenannten Schauladen
durchgesehen. Diese Laden, es sind ungefahr vier
bis fi of Stuck, sollen die vorlaufig noch fehlende
Ausstellung ersetzen. Sie enthalten die schonsten
and oft sehr seltenen Stucke des Kabinetts, unter
anderem das beruhmte Dekadrachmon von
Akragas and die romische Goldmunze mit dem
Postumus-Kopf von vorn, eine Darstellungsweise,
die in dieser Zeit hochst selten angewandt
wurde.
Dann interessierten mich besonders die Pra-
gungen der Seleukiden and Ptolemaer, and zwar
die friihen, etwa his Antiochos III. and Ptole-
maios IV. Ich versaumte auch nicht die Ge-
legenheit, mir einige Laden der keltischen Gold-
pragungen anzusehen. Diese sogenannten Regen-
bogenschusselchen sind im Munchener Kabinett
von jeher besonders reich vertreten infolge der
dafiir giinstigen geographischen Lage der Stadt.
Und schlieBlich lief ich mir noch die Munzen
der romischen Republik zeigen.
Was Munchen an antiker Plastik and Keramik
besitzt, ist z. Z. nur zum geringen Teil im
Karlspalais ausgestellt. Ich erhielt aber von
Professor Diepolder die Erlaubnis, auch das
magazinierte Material besichtigen zu dtirfen. So
bin ich einmal an das Vasenmaterial, das im
Magazin im Karlspalais aufbewahrt wird, heran-
gekommen, and weiter an die Plastik, die in den
Kellerraumen des archaologischen Instituts
lagert and auch noch in der Glyptothek, wie
zum Beispiel der Barbarinische Faun.
Ebenfalls habe ich mir die Bibliothek des archao-
logischen Instituts angesehen, and schlieBlich
nahm ich die Gelegenheit wahr, eine Vorlesung
bei Professor Buschor zu besuchen. Er liest in
diesem Semester fiber die vorperikleischen Bau-
ten auf der Akropolis, and wie man mir im
Kabinett sagte, sei es das letzte Semester, in dem
er Vorlesungen halt.
Bekanntlich besitzt Munchen neben diesen an-
tiken Schatzen noch weitere zahlreiche Museen
mit kunstgeschichtlich wertvollen Dingen. Ich
besuchte die Schackgalerie, die Lenbachgalerie,
in der gerade eine Ausstellung mit Werken
Kandinskys stattfand, die Schatzkammer in der
Residenz mit den bayrischen Kronjuwelen als
Prunksti ck, das Historische Stadtmuseum (hier
ist besonders interessant die Gruppe der Moriska-
tanzer, von Grasser im 15. Jh. fur den Tanzsaal
des Neuen Rathauses geschnitzt), das National-
museum and SchloB Nymphenburg, wo sich jetzt
die Ausstellungsstucke des ehemaligen Residenz-
museums befinden.
Ich babe nur sehr bedauert, die Gemalde der
Pinakothek nicht gesehen zu haben. Sie wurden
gerade wahrend meines Aufenthaltes vom Haus
der Kunst in ihre alte Heimstatte gebracht.
Insgesamt 14 Tage weilte ich in Munchen, die
letzte Woche verbrachte ich in Wiirzburg. Wiirz-
burg besaf vor dem Kriege eine recht ansehn-
liche Sammlung antiker Munzen. Leider ist sie
1945 beim Angriff auf die Stadt in Brand ge-
kommen and zu einem unansehnlichen Klump-
chen Metall zusammengeschmolzen. Eine neue
Sammlung ist unterdessen nicht wieder angelegt
worden. Dafizr bietet Wiirzburg reiches Studien-
material an antiken Vasen and Terrakotten, das
in drei groBen Raumen aufbewahrt wird. Die
schonsten Stucke sind in zwei Vitrinen in dem
wieder zuganglichen Teil der Residenz aus-
gestellt. Leider hat auch hier der Krieg seine
Spuren hinterlassen, ein Teil der. Vasen fiel ihm
zum Opfer, and im Magazin liegen noch groBe
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3. Jahrgang, Heft (3/7/8
MITTEILUNGSBLATT
Stapel an Kartons mit den Scherben der einsti-
gen Prachtsti.icke.
Einen Nachmittag verbrachte ich im Main-fran-
kischen Museum auf der Marienburg, das vor
allem die Werke Riemenschneiders birgt. Am
letzten Nachmittag besuchte ich noch das nahe-
gelegene Veitshochheim, wo die Fiirstbischofe
von Wurzburg ihre Sommerresidenz hatten.. Es
ist ein.kleines, reizendes Barockschl6f3chen and
liegt in einem wundervoll angelegten Park.
Wurzburg selbst ist heute noch sehr zerstort, in
der Residenz sind nur einige Raume wieder zu
besichtigen, darunter das Treppenhaus mit dem
beruhmten Deckengemalde von Tiepolo.
Wenn man von einem unmittelbaren Erfolg dieser
Studienreise sprechen will, so liegt er vor allem
Miszellen
Zur Einfuhrung der Aktenordnung
darin, daB ich im Munzkabinett sehr viele Ori-
ginale sehen konnte; denn bei dem standigen Ar-
beiten nur mit Gipsen besteht die groBe Gefahr,
das spezifische Gefi hl fur eine Miinze, fur ihr
Wesen zu verlieren. Um mit Gipsen erfolgreich
arbeiten zu konnen, vor allem um Fragen nach
der Echtheit der einzelnen Stilcke klaren zu
konnen, muI man Originale kennen.
Am SchluB mochte ich noch einmal von dieser
Stelle aus all denen danken, die mir these Reise
ermoglicht haben.
E. SCHONERT
Wissenschaftliche Assistentin am Institut fur
griechisch-romische Altertumskunde
in der Deutschen Akademie der Wissenschaften
Als 1945 mit dem Neuaufbau begonnen wurde,
muBte vor allem rasch and operativ gehandelt
werden. Die Arbeit wurde von aufrichtigen and
bewahrten Patrioten durchgefuhrt. Der schrift-
liche Niederschlag dieser Verwaltungsakte konnte
in dieser Zeit naturgemaB aus vielerlei Griinden
den ordnungsgemalen Formen nicht entsprechen.
Dies war auch erklarlich, denn es standen wirk-
lich dringlichere Probleme, die einer schnellen
Losung harrten, vor den verschiedensten Ver-
waltungsdienststellen der damaligen Zeit.
So war es denn auch nichts Besonderes, da13
Buroordnungen fehlten, daB Schreibkrafte fehl-
ten, die mit den Formen des Schriftverkehrs and
der sonstigen Burotechnik vertraut waren. In
der Regel entwickelte sich ein jeweils eigenes
System der Schriftgutablage in den verschieden-
sten Stellen. Zum Wiederfinden eines Schrift-
stilcks war ein gutes Gedachtnis notig oder es
begann ein mehr oder minder langes Suchen.
Wechselten dann sogar die Bearbeiter, was in der
ersten Zeit haufig war, so bedurfte es noch
gro3erer MU he, ein Schriftstiick wiederzufinden.
So kam es, daB viele Vorgange nicht oder nicht
rechtzeitig zur Verfugung standen; manche
blieben verschollen and der Arbeitsablauf wurde
erschwert.
Die Notwendigkeit, eine Ordnung in den auBeren
Formen des Geschaftsablaufs zu erreichen, wurde
bald erkannt and es wurden z. T. in Anlehnung
an bewahrte Vorbilder Buroordnungen ge-
schaffen. Zu den besten dieser Buroordnungen
gehort m. E. die Biiroordnung der Landesregie-
rung Brandenburg vom Jahre 1947.
Ein weiterer Schritt in der Ordnung and Nutz-
barmachung der Schriftgutablagen ging von der
Hauptabteilung Archivwesen im Ministerium des
Innern aus. Diese Bemuhungen fi hrten zu dem
Erlaf3 der Anordnung fiber die Errichtung von
Verwaltungsarchiven vom 26. Februar 1951
(Min:Bl. 1951 Nr. 9). Der Zweck dieser Anord-
nung war allerdings nicht nur der, die laufende
Verwaltung in ihrer Aktenfuhrung zu unter-
stiitzen, sondern es ging besonders darum, einen
Ordnungszustand zu schaffen, um den Archiven
bei der lbernahme dieses Schriftgutes unnotige
Ordnungsarbeit zu ersparen.
Fur das Akademiearchiv liegen die Verhaltnisse
insofern etwas anders, als das bei der Akademie
entstehende Schriftgut nicht voriibergehend (bis
zur Abgabe an die Staatsarchive) aufbewahrt
wird, sondern standig im Akademiearchiv ver-
bleibt, soweit es in betrieblicher, rechtlicher and
historischer Hinsicht dauernd aufhebenswert ist.
Das Akademiearchiv ist also gleichzeitig ?End"-
archiv, daher trifft die Bezeichnung ?Verwal-
tungsarchiv" fur das Akademiearchiv nicht zu.
Bis 1945 bestand bei der Akademie eine -ordent-
lich gefiihrte Zentralregistratur. Nach 1945 wurde
die dezentrale Aktenfuhrung iiblich. Eine Weiter-
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fuhrung der Zentralregistratur bei der Akademie
hatte bei dem gewaltigen Anwachsen der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften den Ver-
waltungsablauf mehr gehemmt als gefordert -
wenn sich these Zentralregistratur uberhaupt
hatte durchfiihren lassen.
Wie fast iiberall, so zeigte sich auch bei der Deut-
schen Akademie der Wissenschaften, daB durch
die Dezentralisierung die AktenfUhrung oft un-
einheitlich wird. An Stelle weniger, aber er-
fahrener Registratoren traten viele, aber oft noch
unerfahrene Hilfskrafte. Statt Sachakten wurden
meist Reihenakten gebildet, in einem Ordner
wurden nicht nur gleichartige, sondern oft sehr
verschiedenartige Vorgenge untergebracht usw.
Es braucht nicht weiter ausgefuhrt zu werden,
daB bei solchen Akten oft lange nach einem be-
stimmten Vorgang gesucht werden mull.
Es bedarf daher einer geordneten Aktenfuhrung,
damit das bei den Dienststellen and Einrichtun-
gen der Akademie anfallende Schriftgut eine
sichere Arbeitsgrundlage bilden kann. Die in der
teglichen Verwaltungs- and Forschungsarbeit
entstehenden Schriftsachen mussen so geordnet
and aufbewahrt werden, daB sie fur die Einsicht-
nahme, Bearbeitung and Auswertung jederzeit
schnell zur Verfugung gestellt werden konnen.
Es wurde von den Kollegen Sachsenroder, Aka-
demiearchiv, and Schuster, Justitiar, eine Akten-
ordnung vorbereitet, die durch Prasidiums-
beschluB vom 18. April 1957 angenommen and
3. Jahrgang, Heft 6/7/8
mit Wirkung vom 1. Oktober 1957 in der gesam-
ten Akademie eingefuhrt wird. Diese Aktenord-
nung legt die Ordnungsprinzipien fest, lalt aber
den einzelnen Dienststellen and Einrichtungen
weitgehend Freiheit, die Aktenfuhrung and den
Aktenplan nach den fachlichen Bediirfnissen
einzurichten.
Ich darf darauf hinweisen, dalI sick die Akten-
ordnung nur auf die Geschaftsfiihrung bezieht;
die Ordnung von wissenschaftlichem Quellen-
und Forschungsmaterial wird hiervon nicht be-
troffen. Wohl hat sich auch bei der Ordnung von
wissenschaftlichem Material das Dezimalsystem
als zweckma3ig erwiesen; wo sich aber andere
Ordnungsprinzipien bewahrt haben, sollte man
sie beibehalten.
Die Aktenordnung ist ein beachtliches Mittel zur
Beschleunigung des Verwaltungsablaufes. Sie
fiihrte damit gleichzeitig zur Vereinfachung and
Verbesserung der gesamten Verwaltungsarbeit.
Es liegt nunmehr an uns alien, den richtung-
weisenden BeschluB unseres Presidiums fiber die
Einfiihrung der Aktenordnung in der Deutschen
Akademie der Wissenschaften so in die Tat um-
zusetzen, da3 er zu einer echten Hilfe fur die
wissenschaftliche Arbeit wird, and hierauf
kommt es wesentlich an.
W. FREUND
Verwaltungsdirektor
Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin
Nachrufe, Ehrungen and Ernennungen
Am 17. Juni 1957 hat die Deutsche Akademie der
Wissenschaften zu Berlin einen ihrer besten
Wissenschaftler verloren, einen theoretischen
Physiker von Weltruf, Herrn Nationalpreistrager
Prof. Dr. Friedrich Karl Sidney Moglich.
Er gehorte zu den altesten Mitarbeitern der nach
dem Kriege neu gegriindeten Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin. Bereits am
1. Januar 1946 baute er eine Forschungsstatte in
Berlin-Buch unter den schwierigsten Bedingun-
gen auf. Gleichzeitig wurde er zum ordentlichen
Professor fur theoretische Physik and zum Di-
rektor des Instituts fur Theoretische Physik an
der Humboldt-Universitat Berlin berufen.
Die in Berlin-Buch gegri ndete Forschungsstatte
wurde im Jahre 1947 als Institut fur Festkorper-
forschung von der Deutschen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin ubernommen.
Prof. Moglich wurde am 12. Oktober 1902 geboren.
Er studierte Anfang der zwanziger Jahre in
Berlin als Schuler von Prof. Dr. Max von Laue
and promovierte im Jahre 1927. 1930 habilitierte
er sich and war anschlie3end Dozent an der Ber-
liner Universitat and gleichzeitig Assistent am
Institut fur Theoretische Physik.
In seinen ersten Arbeiten bescheftigte sich Prof.
Moglich mit optischen Beugungserscheinungen
and mit Fragen der Quantentheorie. Besonders
wertvoll waren seine zusammenfassenden Be-
richte im Handbuch fur physikalische Optik.
Diese Arbeiten werden zu den besten gezahlt,
die die physikalische Literatur auf diesem Ge-
biet aufzuweisen hat.
1932 wandte sich Prof. Moglich der Untersuchung
der Supraleitung zu, ein Gebiet, dem er bis zu-
letzt mehrere Arbeiten widmete. Er veroffent-
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lichte 1933 zusammen mit Prof. M. von Laue
grundlegende Untersuchungen fiber die phano-
menologische Theorie der Supraleitung.
Nach der Machtergreifung durch den National-
sozialismus wurde er in seiner Tatigkeit bald
behindert. Trotzdem erhielt er infolge seiner
auBerordentlichen Begabung and seines grof3en
Wissens eine Berufung fur den Lehrstuhl fur
Theoretische Physik an der Universitat Heidel-
berg.
Aus. politischen Grinden kam jedoch die Uber-
nahme des Lehrstuhls nicht zustande. 1936 and
1937 wurde er verschiedentlich verhaftet and
gegen Ende der dreifliger Jahre gezwungen, seine
Lehrtatigkeit ganz aufzugeben. Er betatigte sich
bis Kriegsende als freier wissenschaftlicher Mit-
arbeiter in den Osram-Forschungs-Laboratorien.
Hier befaBte er sich u. a. mit der Festkorper-
physik, wobei sich die Zusammenarbeit mit Prof.
R. Rompe als besonders fruchtbar erwies. Zu-
sammen mit Prof. Rompe veroffentlichte er zahl-
reiche, viel beachtete Arbeiten auf diesem Ge-
biet.
Nach Beendigung des Krieges war Prof. Moglich
einer der ersten namhaften Wissenschaftler, die
sich dem Wiederaufbau zur Verfiigung stellten.
Er war tatkraftig an dem Aufbau des Physik-
unterrichts an den Hochschulen der Deutschen
Demokratischen Republik beteiligt and bis zu-
letzt Vorsitzender des Beirats fir Physik beim
Staatssekretariat fur Hochschulwesen. Er war
Mitverfasser des Memorandums fiber die Ent-
wicklung der Naturwissenschaft der Deutschen
Demokratischen Republik, das als Richtlinie fur
die wissenschaftlichen Forschungsarbeiten an
den Hochschulen and Forschungsinstituten dient.
Prof. Moglich war Mitbegrunder der Deutschen
Physikalischen Gesellschaft der Deutschen De-
mokratischen Republik and einer der eifrigsten
Verfechter fur das Zustandekommen dieser Ge-
sellschaft.
Das Wiedererscheinen der Annalen der Physik
im Jahre 1947 ist vornehmlich der Initiative von
Prof. Moglich zu danken. Bis zu seinem Tode
gab er mit Prof. Kopfermann, Heidelberg, these
bedeutende, in der ganzen Welt angesehene Fach-
zeitschrift heraus. Prof. Moglich war weiterhin
Mitherausgeber der ,Fortschritte der Physik",
einer im Auftrage der Deutschen Physikalischen
Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Re-
publik' erscheinenden Zeitschrift. Seine mehr-
malige Wahl in den Vorstand dieser Gesellschaft
beweisf das groBe Vertrauen, das ihm seine Fach-.
kollegen entgegenbrachten.
Das unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Mog-
lich stehende Institut fur Festkorperforschung der
Deutschen Akademie der Wissenschaften er-
kampfte sich in kurzer Zeit internationalen Ruf,
and viele Wissenschaftler aus aller Welt besich-
tigten dieses Institut and kamen zu Diskussionen,
um mit Herrn Prof. Moglich and seinen Mitar-
beitern Festkorperprobleme zu behandeln.
Die in Berlin-Buch zur Verfi gung stehenden
Raume wurden bald zu klein and bereits 1952
begannen Verhandlungen iiber einen Neubau.
Deshalb widmete sich Herr Prof. Dr. Moglich
in den letzten Jahren fast ausschlieBlich dieser
Aufgabe.
Ein schones neues Haus entstand in der Mohren-
straBe in Berlin. Es war ihm leider nicht ver-
gonnt, die vollige Fertigstellung des Hauses zu
erleben, in dem er seine Forschungen auf breiter
Ebene fortsetzen and groBere Ausbildungs-
moglichkeiten fur junge Physiker schaffen
wollte. Kurz nach der Einweihung des Hor-
saales im neuen Haus erkrankte er schwer and
wenige Tage danach riB ihn der Tod aus seinem
reichen Schaffen.
Prof. Dr. H. SIMON
Institut fur Festkorperforschung
Am 1. April 1957 verstarb nach langerer Krank-
heit der wissenschaftliche Assistent am Institut
fur griechisch-romische Altertumskunde Otto
Mehlitz.
Otto Mehlitz hat einen schweren and wenig ge-
raden Lebensweg gehabt. Am 17. November 1901
in Halle geboren, absolvierte er in Leipzig das
Gymnasium zur Vorbereitung auf sein Studium
an den Universitaten Berlin and Leipzig. Seine
Ausbildung war auBerordentlich breit angelegt;
sie umfaf3te Rechts- and Staatswissenschaften,
Philosophie, Orientalistik, Romanistik, Byzanti-
nistik, vor allem aber Geschichte and slawische
Philologie. Diese ungewohnliche Weite, die sich
in eigenartiger Weise mit einer bis ans Pedantische
grenzenden Akribie paarte, verhinderte, dad
Mehlitz zu einem Ublichen StudienabschluB ge-
langte; umfangreiche Materialien, welche er zur
russischen Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahr-
hunderts, speziell zur biographischen Wiirdigung
des russischen Historikers and Publizisten
T. N. Granowski (1813-1855) sammelte, gingen
in den Kriegswirren verloren - sie sollten die
Grundlage seiner Dissertation bilden. Nach dem
Kriege, aus dem er als Schwerbeschadigter zu-
riickkehrte, kam er zum ersten Male zu einer
wirklichen Entfaltung seiner groBen Fahigkeiten.
Als Mitarbeiter des Verlages Kultur and Fort-
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schritt schuf er meisterhafte Ubersetzungen
sowjetischer Fachliteratur aus den verschieden-
sten gesellschaftswissenschaftlichen Bereichen
(z. B. S. P. Tolstow, Auf den Spuren der altchores-
mischen Kultur, Berlin 1953, and zahlreiche Ar-
tikel in der ,Sowjetwissenschaft") and trug so
wesentlich dazu bei, dab die Ergebnisse der so-
wjetischen Forschung auch fur die fruchtbar
werden, die des Russischen nicht machtig sind.
Seit dem 1. April 1956 gehorte Mehlitz der Re-
daktion der vom Institut fur griechisch-romische
Altertumskunde herausgegebenen ,Bibliotheca
classica orientalis. Dokumentation der altertums-
wissenschaftlichen Literatur der Sowjetunionund
der Lander der Volksdemokratien" an. DaB die
neu gegrundete Zeitschrift in verhaltnismafig
kurzer Zeit ihre zweckmaBige Gestalt finden and
ihrer Aufgabe sachgerecht dienen konrrite, ist zu
einem guten Teil sein Verdienst.
Die Leistung des nachschaffenden lbersetzers
wird oft unterschatzt, and zwar nicht selten ge-
rade auch von solchen, deren eigene Elaborate
keineswegs auf langdauernde Geltung rechnen
konnen. Auch Otto Mehlitz' Wirken stand etwas
unter solchen Schatten. Es sei daher zum Ruhme
and Geddchtnis des allzu frith Dahingegan-
genen gesagt, daB seine Arbeiten noch langhin
als Muster fur den tJbersetzernachwuchs beispiel-
haft sein werden and daB sein Beitrag zur volker-
verbindenden Wissenschaft unvergessen bleibt.
Prof. Dr. J. IRMSCHER
Geschaftsfiihrender Direktor des Instituts fur
griechisch-romische Altertumskunde
Akademiemitglied Nationalpreistrager Prof. Dr.
J. Dobberstein wurde von President W. Pieck als
neuer Vizeprasident der Deutschen Akademie
der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin be-
statigt.
Kurzlich wahlte die Generalversammlung der
Ordentlichen Mitglieder der All-Unions-Aka-
demie der Landwirtschaf tswissenschaf ten der
UdSSR den Prasidenten der Deutschen Akademie
der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin,
ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin, Nationalpreistrager
Prof. Dr. H. Stub be zu ihrem korrespondierenden
Mitglied.
Akademiemitglied Nationalpreistrager Prof. Dr.
E. Thilo wurde auf die Dauer von drei Jahren
in den VerwaltungsausschuB des Deutschen Mu-
seums in Munchen gewahlt.
Mitteilungen auslandischer Akademien
Das Presidium der Tschechoslowakischen Aka-
demie der Wissenschaften wandte sich in einem
Aufruf an die Akademien der Wissenschaften
aller Lander der Welt, gemeinsam mit alien Mit-
teln die Bestrebungen zu untersti tzen, die das
Verbot samtlicher Atomwaffen fordern.
Die tschechoslowakischen Wissenschaftler, die im
Namen ihres Volkes sprechen, vertreten nach-
haltig ihre Auffassung, die Ergebnisse der
Wissenschaft fur den Fortschritt, fur die Schaf-
fung neuer Werte, fur den Wohlstand der Men-
schen einzusetzen.
Das tschechoslowakische Volk steht immer fur
eine konsequente Friedenspolitik ein.
Seine Regierung untersttitzt alle internationalen
Verhandlungen zur Entspannung der internatio-
nalen Lage, zur Verhinderung eines neuen
Krieges.
Die tschechoslowakischen Wissenschaftler schlie-
Ben sick dieser Politik uneingeschrankt an in
der Uberzeugung, daB dies den Wiinschen and
Interessen der absoluten Mehrheit der ganzen
Menschheit entspricht.
Deshalb verlangen die tschechoslowakischen
Wissenschaftler die Erforschung and Ausnutzung
der Atomenergie zu Friedenszwecken, zugunsten
der materiellen Kultur aller Volker and zum
Wohle der ganzen Menschheit.
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Aus der Arbeit der Akademie-Bibliothek
Zur Benutzung der Akademie-Bibliothek: Lesesaal and Leihstelle
Wenn unser letzter Beitrag an gleicher Stelle
(Jg. 3, H. 5, 5.109) uber die Fundamente der
Bibliothek, die bestehenden and in der Entwick-
lung begriffenen Kataloge, berichtete, so wurde
damit eines der Themata beruhrt, denen in der
heutigen Bibliothekspraxis eine besondere Be-
deutung beigemessen wird. Entscheidet doch die
Frage der Bestandserschlief3ung mit, inwieweit
eine Bibliothek ein lebendiges Organ darstellt,
das mit der in stetigem Fluf3 befindlichen Wissen-
schaft Schritt zu halten and ihr dienstbar zu
sein vermag. Aber mehr noch: Sowohl der Be-
nutzerkreis als auch der Unterhaltstrager ge-
winnen aus dem Grade der Bestandserschliel3ung,
mithin der Benutzbarkeit einer Bibliothek, Kri-
terien, nach denen sie nicht nur ihr Urteil fiber
ihre Sinnentsprechung bilden, sondern auf
Grund deren auch uber ihr Sein oder Nichtsein
befunden werden kann.
Es geht nun an dieser Stelle nicht darum, zu
untersuchen,. worin etwa die Existenzberechti-
gung unserer Bibliothek and weiterhin die Not-
wendigkeit des Nebeneinander von drei wissen-
schaftlichen Bibliotheken unter einem Dache be-
stehe. Diese Fragen, von Besuchern and Be-
nutzern nicht selten gestellt, mogen - vielleicht
im Zusammenhang mit einer historischen Be-
trachtung - eine gesonderte Beantwortung er-
fahren. Es gilt hier vielmehr zunachst nur, mit
den Mitarbeitern zu diskutieren, die der Auf-
fassung sind, in der Akademie-Bibliothek sei
doch nichts Einschlagiges vorhanden and zu
finden, ja, es sei an der Zeit, ?die Wande zu der
benachbarten Deutschen Staatsbibliothek and
der Universitatsbibliothek zu durchbrechen".
Dieser Meinung schlief3en wir uns vorerst nicht
an; denn: zweckvoller, ganz auf die Bediirfnisse
der Akademie abgestimmter Benutzungseinrich-
tungen und -moglichkeiten gibt es in der Biblio-
thek eine ganze Reihe. Werden sie voll aus-
geschopft, so vermogen sie durchaus, dem Be-
nutzer Gewinn zu bringen.
Ehe wir indessen etwas Naheres uber die Stellen
aussagen, an denen der literatursuchende Mit-
arbeiter bibliothekarische Beratung and Unter-
stutzung erhalten kann, sei zunachst wegen des
vorlaufigen Fehlens einer Benutzungsordnung
noch folgende grundsatzliche Bemerkung fest-
gehalten: Die Bestande der Akademie-Bibliothek,
bei deren Aufbau die Arbeitsgebiete der Institute
and Arbeitsstellen nach Maf3gabe der vorhan-
d'enen Mittel berucksichtigt werden, stehen bis
auf berechtigte Ausnahmen einzig den Mit-
gliedern and Mitarbeitern der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin zur Verfii-
gung. Der eingeschrankte Benutzerkreis ist somit
eines der als positiv zu bewertenden Kennzeichen
unserer Bibliothek.
Wenn wir uns nunmehr den Statten zuwenden,
die der Benutzung offenstehen, so darf unsere
Betrachtung zunachst den Lesesaal streifen, so-
dann bei einigen Problemen der Leihstelle and
des Ermittlungsdienstes verweilen and mit kur-
zen Notizen uber die Annahmestelle fur Foto-
und Buchbindereiarbeiten ihren Abschlu13 finden.
Geben wir den Eindruck eines bibliothekskun-
digen Besuchers wieder, so erscheint er auf
Grund seiner gi nstigen auf3eren Merkmale ge-
eignet, eine Statte der Sammlung and geistigen
Tatigkeit zu sein. Der Lesesaal bietet 30 Per-
sonen Platz and umfaf3t einen Bestand von etwa
4000 Banden. Diese setzen sich zu einem Teil aus
Nachschlagewerken, Worterbilchern and Stan-
dardwerken der einzelnen Wissenschaftsfacher,
zum anderen aus solcher Literatur zusammen,
die in unmittelbarer Beziehung zur Akademie
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steht. Es sind dies ihre Sitzungsberichte, Ab-
handlungen and Institutsveroffentlichungen,
ferner Sammelbande der kleineren Schriften
ihrer ordentlichen Mitglieder and endlich histo-
risches, auf sie Bezug nehmendes Schrifttum. -
Auskunft fiber den Bestand wird auf zweierlei
Weise vermittelt: Ein Weg zur Literatur fi hrt
den noch nicht vertrauten Benutzer fiber den
alphabetischen and Sachkatalog des Lesesaals,
der andere uber ein Gesprach mit der aufsichts-
fiihrenden Mitarbeiterin. Zum Studium von
Mikrofilmen steht ein Lesegerat bereit.
2. Die Leihstelle
Kataloge, Neuerwerbungslisten and eine im zwei-
wochentlichen Turnus ausgewechselte Neuaus-
lage regen dazu an, die Eigenbestande der Biblio-
thek zu entleihen. Es braucht dabei nicht eigens
betont zu werden, daf3 nach Ermessen der Be-
nutzer gern Leihfristen fiber die Ublichen Zeiten
hinaus gewahrt werden. Indessen erscheint es
uns doch angesichts dieser groBziigigen Hand-
habung notwendig, darauf hinzuweisen, das die
Bibliothek eine unverzilgliche Riickgabe von
nicht mehr benotigter Literatur and insbeson-
dere auch von ungebundenen Zeitschriftenheften
fir sehr wichtig erachtet. Derartige Versaum-
nisse erschweren den Literaturumlauf ganz be-
trachtlich and Sind letztlich nicht im Sinne der
Gesamtheit. Es sei nun davon abgesehen, hier
fiber die technischen Vorgange bei der Ortsaus-
leihe, den obligatorischen Leihschein, die Unter-
schriftsleistung u. a. in. zu berichten. Statt dessen
mochten einige Daten aus der Leihstatistik einen
Einblick in das Wirken der Bibliothek auf diesem
Gebiete vermitteln: Im Jahre 1956 wurden 5125
Bande aus dem Magazinbestand entliehen, im
Jahre 1957 waren es nach dem Stande vom 1. Juni
2261 Bande.
Die Akademie-Bibliothek ist fernerhin seit 1950
dem deutschen Leihverkehr angeschlossen. Dies
gestattet ihr, im Berliner Raum nicht verfiigbare
Literatur aus auswartigen Bibliotheken zu be-
stellen. Dabei sind aber auch fir sie die Bestim-
mungen giiltig, die in der ,Anordnung fiber den
Leihverkehr der Bibliotheken der Deutschen
Demokratischen Republik - Leihverkehrsord-
nung - vom 6. Juli 1955" festgehalten sind. Hier
heiBt es ? 1 Abs. 2: ?Der Leihverkehr dient der
Forschung, Lehre and wissenschaftlichen Be-
rufsarbeit sowie der fachlichen and gesellschafts-
politischen Weiterbildung." Schon hieraus ergibt
sich, daft eine Bestellung z. B. von Reisefi hrern,
erbaulichen Traktaten u. a. in. nicht statthaft ist.
Derartige Wiinsche, die tatsachlich an uns her-
angetragen werden, mussen daher entweder auf
andere Weise befriedigt oder als nicht in unseren
Aufgabenbereich fallend zuriickgewiesen werden.
Ein zweites Moment, das der Beachtung emp-
fohlen sei, ist folgendes Ubereinkommen zwi-
schen den Bibliotheken der beiden deutschen
Staaten: Literaturbestellungen sollen erst dann
an die stark iiberlasteten Bibliotheken der Deut-
schen Bundesrepublik weitergeleitet werden,
wenn ein Standortnachweis in der Deutschen
Demokratischen Republik nicht erbracht werden
kann. Es ist also vergeblich, wenn Benutzer aus
ihrer Kenntnis heraus - wir fingieren ein Bei-
spiel - einen in Dresden erschienenen Titel aus
Munchen erbitten. Ein solches Bestellverfahren
wtirde nur beim Bestehen triftiger Gri nde, z. B.
Vorliegen eines autographierten Exemplares in
Westdeutschland, gerechtfertigt sein. Die oben-
genannten Regelungen mussen als streng ver-
bindlich angesehen werden; von ihrer Befolgung
hangt es mit ab, ob unsere Bibliothek weiterhin
einen selbstandigen Leihverkehr durchfiihren
darf. DaB dieses Recht gerade in den letzten Mo-
naten nicht unangefochten geblieben ist, sei bier
nur eben angedeutet.
Etwas anders verhalt es sich nun mit einigen
Wi nschen, die wir an den Benutzerkreis zu rich-
ten haben: Diese betreffen die oft mangelnde
Sorgfalt in den bibliographischen Angaben der
Literaturbestellungen sowie die Unbektimmert-
heit in der Einhaltung der von den verleihenden
Bibliotheken festgesetzten Leihfristen. Im ein-
zelnen mochte doch dabei folgendes beachtet
werden: Voraussetzung fir eine schnelle and
positive Fernleihbestellung sind exakte and
vollstandige bibliographische Angaben. Dazu
rechnen
a) bei Monographien: Vor- and Familienname
des Verfassers, ungekiirzter Titel, wenn
gegeben auch Untertitel (in stark verkiirzter
Form), Erscheinungsort and -jahr;
b) bei Zeitschriftenaufsatzen: ungekiirzter
Titel der Zeitschrift, wenn gegeben auch
Untertitel (in stark verktirzter Form), Ver-
fasser and Titel des gewunschten Aufsatzes,
Erscheinungsort and -jahr, Jahrgang bzw.
Band- oder Nummernangabe, Seitenbezeich-
nung.
Zum Punkte der Leihfristen sei am besten auf
? 7 der Leihverkehrsordnung hingewiesen, wo
es heiBt:
(1) Die Leihfrist betragt in der Regel vier
Wochen. Sie kann in besonderen Fallen
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(2)
MIT TEII_UNGSBLATT
(z. B. bei Zeitschriften and Zeitungen) ver-
ki rzt werden.
Eine Verlangerung der Leihfrist ist spa-
testens eine Woche vor Ablauf der Leih-
frist fiber die entleihende Bibliothek bei
der verleihenden Bibliothek zu bean-
tragen.
Die entleihende Bibliothek hat dafiir Sorge
zu tragen, daB die Benutzer die Leihfristen
einhalten.
Yber das beachtliche Ausmaf, das der Leih-
verkehr in unserer Bibliothek angenommen hat,
Verschiedenes
unterrichten abschlief3end folgende Zahlen:
Im Jahre 1956 wurden insgesamt 3688, im lau-
fenden bisher 2261 rote Leihscheine an aus-
wartige Bibliotheken versandt.
tYber den Ermittlungsdienst and die Annahme-
stelle fur Foto- and Buchbindereiarbeiten wird
das nachste Mal in dieser Rubrik gesprochen
werden.
C. HOELZER
Wissenschaftliche Bibliothekarin
Akademie-Bibliothek
Mitteilung der Zentralen Kaderabteilung an alle Mitarbeiter der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin
Betr.: Erganzung der Angaben im Personalbogen
In der letzten Zeit haben die Kaderabteilungen
im Bereich der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin des ofteren feststellen mussen,
daB die von den Mitarbeitern im Personalbogen
gemachten Angaben teilweise erganzungs-
bedurftig sind. Es ist erforderlich, daB die der
Kaderabteilung zur Verfiigung stehenden Per-
sonalunterlagen stets den neuesten Stand auf-
weisen. Aus diesem Grunde werden alle Mit-
arbeiter der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin gebeten, der fur sie zustan-
digen Kaderabteilung moglichst umgehend mit-
zuteilen, welche Veranderungen sich gegenuber
ihren im Personalbogen gemachten Angaben er-
geben haben. Es konnen dies in der Hauptsache
folgende Veranderungen sein:
a) Wohnanschrift,
b) Familienstand (Name, Geburtsdatum and
Beruf des Ehepartners, Kinder),
c) Berufsausbildung (Besuch von Lehrgangen
mit AbschluBprufungen),
d) Promotion and Habilitation (mit Angabe
des Themas and der Note),
e) Zugehorigkeit zu Parteien and gesellschaft-
lichen Organisationen,
f) Besuch von Lehrgangen gesellschaftlicher
Organisationen.
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NEUERSCHEIN.UNGEN
Jahrbuch des Instituts fur Wirtschaftswissenschaften
Band I
Probleme der politischen Okonomie
Dr. KARL EWALD FRITZSCH / Dr. FRIEDRICH SIEBER
Bergmannische Trachten des 18. Jahrhunderts
im Erzgebirge and im Mansfeldischen
Prof. Dr. KARL BARWICK
Probleme der stoischen Sprachlehre
and Rhetorik
Wiss. z. Berlin, Band 12)
1957. V, 8o S. - 15 einfarb. Taf. - 16 mehrfarb. Taf. - 4? - Halb-
leinen DM 34,50
Prof. Dr. BRUNO SCHIER
Die Kunstblume von der Antike
his zur Gegenwart
(Abhandlungen d. Sachs. Akademie d. Wissenschaften Geschichte and Eigenart eines volkstumlichen Kunst-
zu Leipzig, phil.-hist. Klasse, Bd. 49, H. 3) gewerbes
1957. 111 S. - 4? - DM 10,50 Mit einem Liederanhang von Josefa Elstner-Oertel
(Veroffentlg. d. Inst. f. dt. Volkskunde d. Dt. Akad. d.
Prof. Dr. OTTO von ESSEN
Allgemeine and angewandte Phonetik
1957. VIII, 183 S. - 35 Abb. i. Text u. a. 2 Kunstdrucktaf. - gr. 80
Ganzleinen DM 14,-
Dr. EVA-MARIA HAMM
Grammatik zu Sappho and Alkaios
(Abbandlungen der Dt. Akademie d. Wissenschaften
zu Berlin, Klasse fur Sprachen, Literatur and Kunst,
Jg? 1951, Heft 2)
1957. 234 S. - 4? - DM 44,50 .
Ulrich von Etzenbach - Wilhelm von Wenden
Kritisch herausgegeben
von Prof. Dr. Hans-Friedrich Rosenfeld
(Deutsche Texte des Mittelalters, Band IL)
1957. XXXII, 191 S. - 2 Tafeln - gr. 8? - DM 33,50
Prof. Dr. WALTER RUBEN
Kalidasa
The human meaning of his works
1957. 105 S. - gr. 8? - Engl. Broseh. DM 5,50
Dr. RUDOLF LEHMANN
Quellen zur Lage der Privatbauern
in der Niederlausitz im Zeitalter
des Absolutismus
(Schriften des Instituts fiir Geschichte bei der Dt.
Akademie d. Wissenschaften z. Berlin, Reihe II: Dt.
Landesgeschichte, Band 2)
x957. XVII, 293 S. - 2 Tabellen - gr. 8? - Halbleinen DM 29,50
Die Sansculotten von Paris
Dokumente zur Geschichte der Volksbewegung
1793-1794
Herausgegeben von Prof. Di?. Walter Markov and
Prof. Albert Soboul
Mit einem Vorwort von Georges Lefebvre
1597. LXXIV, 532 S. - , Landkarte - gr.8? - Ganzleinen DM 38,-
Wiss. z. Berlin, Band II)
1g57? VIII, 208 S. - r Abb. - 1 einfarb. Kunstdrucktaf. - 5 mebrfarb.
Kunstdrucktaf. - gr. 8? - DM 28,50
J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches
Handworterbuch der exakten
Naturwissenschaften
Band VII a, Teil II, 3. Lieferung
1957. 128 S. - gr. 8? - DM r6,-
Tagung der Akademie der Wissenschaften
der UdSSR caber die friedliche Ausnutzung
der Atomenergie
Band V : Sitzung der Abteilung Biologie
Obersetzung aus dem Russischen
1957. VI, 266 S. - g1 Abb., dav. 25 auf 21 Kunstdrucktaf. - 85 Tab.
gr. 8? - Ganzleinen DM 26,50
CHEMIE
Prof. Dr. FRANZ RUNGE
Einfiihrung in die Chemie and Technologie
der Kunststoffe
3. unveranderter Nachdruck
(Scientia Chimica, Band 5)
1952. VIII, 156 S. - 38 Abb. - 3 Taf. - 7 Tab. - gr. 8? - Ganz-
leinen DM 12,-
Jahrbuch 1954 des Adolf -Schmidt- Observatori-
ums fur Erdmagnetismus in Niemegk
Mit wissenschaftlichen Mitteilungen
(Erdmagnetisches Jahrbuch, Band 9)
1957. 129 S. - 33 Abb. - 47 Tab. - 4? - DM 30,-
Phanologisch.e Tabellen 1947-1950 aus dem
Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik
Bearbeitet von Dr. Franz Seyfert
(Abhandlg. d. Met. u. Hydrol. Dienstes d. DDR, H. 37)
1957. 366 S. - i Ausschlagtaf. -4? - DM 6o,-
Sanitized Copy Approved for Release 2010/07/01 : CIA-RDP80T00246AO40500770001-7
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50 Jahre Grundwasserbeobachtungsdienst
in Mitteldeutschland
(Besondere Mitteilungen zum Dt. Gewasserkundl.
Jahrbuch, Nr. I'7)
1957. 94 S. - 28 Abb., dav. xo auf Ausschlagtaf. - 3 Anlagen - 5 Taf.
4? - DM 28,50
Beitrage zur Vegetationskunde, Band II
Herausgegeben von Prof. Dr. Werner Rothmaler and
Prof. Dr. Alexis Scamoni
(Beihefte zu ?Feddes Repertoriuni specierum nova-
rum regni vegetabilis", H. i37)
1957. 275 S. - 59 Abb., dav. 37 auf 21 Kunstdrucktaf. - 2 Karten -
48 Tab. - gr. 8? - DM 48,-
Der Begriff des Raumes in der Geometrie
Bericht von der Riemann-Tagung des Forschungs-
instituts fur Mathematik
Mit Beitragen von 28 Autoren herausgegeben v. Prof.
Dr. Josef Naas and Dr. Kurt Schroder
(Schriftenreihe d. Forschungsinstituts f. Mathematik
b. d. Dt. Akad. d. Wiss. z. Berlin, Heft r)
1957. 317 S. - 22 Abb. - 9 Kunstdrucktaf. - gr. 80 - DM 38,-
Freiberger Forschungsheft A 64:
Brikettierung - Technische Brennstoffverwertung
HANS PFLUG
Die Untersuchung von Flozprofilen aus dem
Nordrevier der rheinischen Braunkohle
auf ihre Brikettiereigenschaften
(Freiberger Forschungshefte, Reihe A)
1957. 72 S. -35 Abb. - gr. 8? - DM 6,50
Freiberger Forschungsheft A 66 : Braunkohlentagebau
HELMUT HARTIG and HANSGUNTHER WEIGELT
Untersuchungen fiber die Anwendungsmoglich-
keit der Elekroentwasserung
im Braunkohlentagebau
(Freiberger Forschungshefte, Reihe A)
1957. 69 S. - 34 Abb. - 3 Tab. - gr. 8? - DM 7,-
Freiberger Forschungsheft A 72
Brikettierung
Technische Brennstoffverwertung
mit Beitragen von Rammler/Heide/Wagner, Wilke,
Jacob and Schmidt
(Freiberger Forschungshefte, Reihe A)
1957. 124 S. - 78 Abb. - 32 Tab. - gr. 8? - DM 12,50
Freiberger Forschungsheft A?7$: Gasanwendung
GEORG HOFMANN
Brennerfeuerungen fur Industrieofen
(Freiberger Forschungshefte, Reihe A)
1957. 72 S. - 31 Abb. - 2 Tab. - gr. 8? - DM 5,50
Freiberger Forschungsheft C 28: Geophysik
WOLFGANG BUCHHEIM / INGRID SCHRAGE
Zur Theorie ?der galvanischen Polarisation
elektrisch aktiver Impragnationserze
Experimentelle Untersuchungen
zur induzierten galvanischen Polarisation an
Sulfiderzen and graphitfi.ihrenden Gesteinen
(Freiberger Forschungshefte, Reihe C)
1956. 67 S. - 5r Abb. - 7 Tab. - gr. 8? - DM 6,50
Freiberger Forschungsheft C 33:
Mineralogie - Lagerstattenkunde
HORST LANGE
Paragenetische and genetische Untersuchungen
an der Schwefelkieslagerstatte ,Einheit"
bei Elbingerode/Harz
(Freiberger Forschungshefte, Reihe C)
1957. 93 S. - 59 Abb. - 11 Tab. - gr. 80 - DM 7,50
Freiberger Forschungsheft D 18
Agricola - Studium
.mit Beitragen von Selbmann, Steinmuller, Parma,
Wilsdorf, Wagenbreth
(Freiberger Forschungshefte, Reihe D)
1957. 138 S. - 27 Abb. - gr. 8? - Broscbur DM 13,-
Halbleinen DM 14,50
Dr. MANFRED H. OLBERTZ
Uber die am Standort des Kulturbodens
erfal3baren Gr6l3en des Wasserhaushaltes
(Wissenschaftliche Abhandlg. d. Dt. Akad. d. Land-
wirtschaftswiss. z. Berlin, Nr. 23)
1957. VI, 109 S. - 62 Abb., dav. 5 auf 3 Ausschlagtaf. - x Landkarte
3Tab. -gr.8?-DM16,-
Das Pflanzenreich
Regni vegetabilis conspectus
Im Auftrage der Deutschen Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin, herausgegeben von A. Engler,
L. Diels, fortgesetzt von H. Stubbe and K. Noack
Redakteur: Prof. Dr. R. Mansfeld
'ro6. Heft: Prof. Dr. F. Emil Wimmer
Campanulaceae -Lobelioideae
Nachdruck der 1956er Auflage
1957. VIII, 26o S. - 55 Abb., dav. 4 auf 4 Taf. - 4 Verbreitungs-
karten - gr. 8? - DM 34,-
A K A D E M I E - V E R L A G G M B H B E R L I N W 8
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