DR. GISEVIUS, EIN ZEUGE DER ZU SPRECHEN WAGT
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Collection:
Document Number (FOIA) /ESDN (CREST):
CIA-RDP80M01009A000700970143-9
Release Decision:
RIFPUB
Original Classification:
K
Document Page Count:
1
Document Creation Date:
December 23, 2016
Document Release Date:
November 1, 2013
Sequence Number:
143
Case Number:
Publication Date:
March 3, 1946
Content Type:
OPEN SOURCE
File:
Attachment | Size |
---|---|
![]() | 122.17 KB |
Body:
ZOrleh, 3. Mal 1946 "
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DLJWELTWOCHE. 51
Declassified and Approved For Release 2013/11/04: CIA-RDP80M01009A000700970143-9
lt(Ji't LI/
R TWo
Dr. Gisevius em n Zeuge der zu sprechen wagt
C.D. Zum ersten-
mal seit Casings
theatralischem und
anmassendem Auf-
treten 1st ! beim
NiJrnberger Pro-
zess wieder tin
Mann In Erschel-
flung getreten, der
die Aufmerksam-
keit der Welt oder
wen igstens der
Denkenden In der
Welt auf den
. Dr. Gisevius NurnbergerKriegs-
verbrecher-PrOzess
zu lenken vermochte..DIeser Mann war
keln Angeklagter, kein Anklager und
witch 'kein Richter, 'sondern Mir eln-
fAcher Zeuge, Dr. Hans Bernd Gisevlus.-
.
iWoher kommt das? .
,
t'Sicher zum Tell, well Gisevius aus-
serordentlibh wichtige DInge zu ent-
hilllen hatte, dann aber vor allem such,
well In der Person von Gisevius endlich
wieder em n Deutscher in einem tiefern
Sinn zum Anklager wird und damit die
Rolle ilbernimmt, die von Rechts wegen
in dlesem Prozess von Anfang an von
den? Deutschen hatte Ubernommen wer-
den sollen. Es war seit jeher die grosse
Schwache des Ntirnberger Prozesses,
dass dort els Richter und Anklager nur
Feinde, nicht aber Deutsche auftraten.
DamIt aber wurde der Prozess In den
Augen der Weltoffentlichkeit und nosh
mehr In denen der Deutschen moth-
ten im tibrigen such ails Thiglichkeiten
zum Schutz und zur Verteldlgung der
Angeklagten nosh so sorgfaltIg ge-
wahrt sear, ? doch irgendwie zu elner
blossen Aburteilung des geschlagenen
Feindes.
Nun hat sicher der NationalsozIalls-
mus sich in den. Jahren seiner Herr-
schaft so Grauenvolles zuschulden kom-
men lessen, dass or gewas von sich aus
keine AnsprUche auf Milde oder such
nur auf Gerechtigkeit erheben dtirfte.
Aber eben das 1st es: em n Prozess, we-
ragstens wenn er in der Gedankenwelt
einer Itheralen HUmanitat gefUhrt wird,
ist nicht nur eine Angelegenhelt der
SchuldIgen und der zu:Verurtcilenden,
sondern ebenso sehr such eine Angele-
genhelt.der Richter und der Anklager.
Sic kitnnen, wenn von den Bahnen eines
iiber uns alien schwebenden Rechtes ab-
gewichen wird, ebense, sehr, .ja noch
leichter an ihrer Seele Schaden. leiden
els die Angeklagten, urn die es in die-
sem konkretenFalle ? man darf wohl
sagen kaum noch schad 1st.
Durch das Auftreten von Dr. Gise-
vlus als Anklager aber 1st der Prozess
van NUrnberg, wenn such nicht In der
Form, so doch dem Same nach aus sal-
nem bIsherigen Circulus vitlosus her-
ausgefOhrt worden. Das haben am ehe-
sten und am starksten die Angeklagten,
besonders em n Reichsmarschall Goring
gesptirt, die sofort heftiger gegen die.
Sen. Zeugen Stellung genommen haben,
als bisher je gegen omen auslandischen
Anklager, denen gegeniiber sich der
ehemalige ReIchsmarschall blots stdlz
in Positur setzte und die Rolle eines
deutschen Martyrers mimte.
Das kommt sicher zu einem guten
Tell daher, dass, wie schon gesagt, eben
Gisevius selbst em n Deutscher 1st. Gross,
schwer, oft In seinem Humor etwas
laut,?oft such em n wenig anmassend und
seibstsicher, aber immer geschelt und
unbestechlIch, 1st Gisevius nicht um-
sonst em n treuer Freund und Anhanger
des Pastors NIemlfdier geblIeben, der
seine Laufbahn ale U-Bootkommaridant
begann, um dann, als das Gewissen ihn
rief, als unbestechlicher Strelter In den
Dienst Christi einzutreten.
Als Sohn eines hohen Verwaltungs-
beamten 1904 in Arlsberg Westfalen
geboren, besuchte Gisevius die Schule
in Berlin und dann das dortlge LIchter-
felder Gymnasium. Er studIerte Jura in
beiden BUchern und dem Such von GI-
sevius 1st deshalb nicht angebracht, well
eben Manner wle Otto Strasser und
Helden Schrlftsteller, Journalisten und
PamphletIsten? In besten Sinne des
Wortes seln wollten, wahrend Gisevius
seiner Henkunft und seinen: Wesen
nach em n kluger Polizeimann, ein mu-
tiger und, klarsehender Beamter war,
der sein Bestes unter den gegebenen
Verhaltnissen niemals in der Rolle
eines Agitators, sondern nur in derje,
An der Aussenministerkonferenz:
? Maine Herren, das ist so klar,' vie zwei mai zwei dret gibt.
Marburg, Munchen und Berlin und wur-
de,, wenige Jahre vor der Machtergrei-
fung HItlers, Referendar im Dienste des
preussischen Staates.
In seinem Buch '?Bis zum bittern
Ende?, das eben in zweiter Auflage bel
Fretz & Wasmuth, Zurich, erschienen
1st und das In der ganzen Schweiz &nen
Erfolg hatte, wit seit dem Erscheinen
von Rauschnings Gesprachen mit Hit-
ler kaum em n Such, schreibt Gisevius
tiber sich selber: ?Beim Versuch, die
Beamtenlaelfbahn zu ergreifen, gerlet
ich sofort In die revolutionaren Stlame
hinein. Ich wurde von ihnen an die ver-
schiedensten Stellen verschlagen, fast
ware ich In ihnen umgekommen, und
nun glaube Ich es meinen toten Freun-
den und mir seiber schuldig zu sein, die
wichtigsten Erlebnisse und Elndrtickn
festzuhaltens
Man waft Gisevius vor, seine often&
Stellungnahme gegen den " National-
sozialismus ,komme relchlich spat. Ein'
Kraiker seines Buches ?Bis zum bittern
Endes schreibt im ?St. Geller Tag-
blatt?: ?Otto Strasser schrieb sein Buch
Ober den 30. Juni im Winter 1934, Kon-
rad Heiden seIn Werk Ober Hitler 1935.
Beide war-fan dem Machtigen den Feh-
dehandschuh hin, sie, die Kleinen, Al-
leinstehenden. Dem raffinierten Vertu-
schen, dem angstlichen Verheimlichen,
der Nebeiwand tarnender Propaganda-
Itige setzten sie verantwortungsvoll
ihre Erkenntnisse' entgegen, mochte
dann das Bret der Emigration noch so
bitter schmecken. Und Gisevius, der
.0( Kluge und Einsichtige? Er fend den
Mut zur Veroffentlichung Anno 1946.
Sein Buch ware eine Tat gewesen, wenn
es em n Jahrzehnt frUher erschlenen
ware.?
nigen des aktiven Oppositionellen und
des Verschworers spieien konnte.
Und Cr hat diese Rolle dann auch
tenter gespielt. Er, der dank seiner
Stellung die Maglichkeit hatte, Ins Aus-
land zu reisen, Ubernahm die gefahr-
lithe Rolle eines Verbindungsmannes
zwischen derfieutschen Opposition:und
den AtIllerten, insbesendere den Ame-
rikanern. Und als er .kurz vor dem 20.
Juli nach Deutschland zurUck,kehrte,
ahnten seine Freunde in der Schweiz,
selbst wenn sie nIchts Genaues wussten,
dass dieser Mann wirklich mit selnem
Leben spielte. Tatsachlich horte man